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II

Am Ende eines jeden Kapitels, vor dem Literaturverzeichnis, finden Sie eine Auflistung der Videos, die die in dem
jeweiligen Kapitel beschriebenen Techniken zeigen; s. hintere Umschlagsseite für die Inhalte der DVDs 3 und 4.

DVD 1 DVD 2
1–1 Gastrocnemius Flap 10–1 ORIF of Distal Clavicle Fracture Using a Hook Plate
1–2 Soleus Flap 10–2 ORIF of Scapula Using a Posterior Approach and
1–3 Reverse-Flow Sural Artery Flap Intermuscular Windows
1–4 Split Thickness Skin Grafting 10–3 Reconstruction of Clavicular Malunion
1–5 Antibiotic Bead Pouch 11–1 Closed Reduction and Percutaneous Pinning
2–1 Antibiotic Bead Pouch 11–2 ORIF of an Anterior Shoulder Fracture—
2–2 Circular External Fixation of the Lower Extremity Dislocation with a Nonlocking Periarticular Plate
2–3 Arthrodesis of the Knee 11–3 Open Reduction of a Comminuted Proximal
2–4 Above-Knee Amputation Humeral Fracture with a Locking Plate
3–1 Two-Incision Leg Fasciotomy 11–4 Intramedullary Nailing of the Proximal Humerus
3–2 Single-Incision Leg Fasciotomy with a Locking Nail
4–1 Rules of Locked Plating 11–5 Intramedullary Nailing of the Proximal Humerus
4–2 Minimally Invasive Percutaneous Plate with a Spiral Blade Nail
Osteosynthesis (MIPPO) of the Distal Femur 11–6 Shoulder Hemiarthroplasty for Proximal Humerus
4–3 Open Reduction and Internal Fixation (ORIF) of a Fracture
Periprosthetic Fracture with Submuscular Locked 11–7 Correction of Varus Malunion of the Proximal
Plating Humerus by Osteotomy [see Video 5–1, Disk 1]
4–4 ORIF of a C2 Distal Femur Fracture with 12–1 Posterior Plating Humerus Fracture
Submuscular Locked Plating 12–2 Intramedullary Nailing of the Humerus
4–5 ORIF of a Comminuted Tibial Plateau Fracture 12–3 Humerus Flexnail
with Locked Plating 13–1 Total Elbow Arthroplasty
4–6 ORIF of a Distal Tibia Fracture with Locked Plating 13–2 ORIF of the Distal Humerus
5–1 Correction of Varus Malunion of the Proximal 14–1 Trans-olecranon Elbow Fracture Dislocation
Humerus by Osteotomy 14–2 ORIF of a Complex Elbow Injury
5–2 Compression Plating of a Femur Nonunion 14–3 Tension Band Wiring of the Olecranon
5–3 The Use of a Reamer-Irrigator-Aspirator 15–1 ORIF of an Isolated Radius Fracture
6–1 Posterior Instrumentation and Fusion C1–C3 15–2 ORIF of a “Both Bone Forearm Fracture”
6–2 ORIF of an Odontoid Fracture 15–3 Radius Fracture with Pinning of the Distal Radial-
7–1 Posterior Open Reduction C6–C7 with Posterior Ulnar Joint (Galeazzi Fracture, Part of ORIF of a
Fusion C6–T1 with Instrumentation Complex Elbow Injury) [see Video 14–2, Disk 2]
8–1 Posterior Open Reduction T4–T5, Posterior Fusion 16–1 ORIF of a Distal Radius Fracture with Volar Plate
T2–T7 with Instrumentation 16–2 External Fixation and Pinning of a Distal Radius
9–1 Open Reduction, Posterior Lateral Decompression 16–3 Stabilization of a Distal Radius Fracture Using a
T12, Posterior Fusion T10–L2 with Dorsal Intramedullary Plate
Instrumentation 17–1 Repair of Perilunate Dislocation
9–2 Anterior L1 Corpectomy, Anterior Fusion T12–L2 19–1 ORIF of Pubic Symphysis Iliosacral Lag Screws
with an Expandable Cage and Instrumentation Placement
19–2 ORIF of a “Tilt” Fracture Variant of the Pelvis
19–3 Iliosacral Lag Screws
19–4 ORIF of a Left Sacroiliac Joint Fracture-Dislocation
19–5 ORIF of Left Sacral Fracture
20–1 Kocher-Langenbeck Approach for a Transverse
Posterior Wall Acetabulum Fracture
20–2 Ilioinguinal Approach for Associated Both-Column
Acetabulum Fracture
I
II
III

Spezielle
Unfallchirurgie
Herausgegeben von
James P. Stannard
Andrew H. Schmidt
Philip J. Kregor
Andreas Wentzensen
Florian Gebhard
Paul Alfred Grützner
Steffen Ruchholtz
Ulrich Stöckle

1636 Abbildungen
36 Tabellen

Georg Thieme Verlag


Stuttgart · New York
IV

Titel der Originalausgabe: Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen
Surgical Treatment of Orthopaedic Trauma Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung er-
© Thieme Medical Publishers, Inc. weitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und
333 Seventh Ave. medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine
New York, NY 10 001 Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser
zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag
große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wis-
sensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht.
Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder
Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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über der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist
besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen,
die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder
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nauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

© 2012 Georg Thieme Verlag KG Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders
Rüdigerstraße 14 kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann
70469 Stuttgart also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Wa-
Deutschland rennamen handelt.
Telefon: +49 / (0)7 11 / 89 31-0 Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich ge-
Unsere Homepage: www.thieme.de schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhe-
berrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig
Printed in Italy und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Überset-
zungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbei-
Zeichnungen: Anthony M. Pazos, Birck Cox tung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Satz: Druckhaus Götz GmbH, 71636 Ludwigsburg
gesetzt in 3B2, Version 9.1, Unicode
Druck: L.E.G.O. s.p.A., in Lavis

ISBN 978-3-13-147351-6 1 2 3 4 5 6
Auch erhältlich als E-Book:
elSBN (PDF) 978-3-13-165221-8
Vorwort zur deutschen Ausgabe V

Vorwort zur deutschen Ausgabe

Die Unfallchirurgie hat in den letzten 40 Jahren weltweit Ergebnisse und die möglichen Komplikationen, die ent-
eine rasante Entwicklung erfahren und gehört mit zu den sprechende aktuelle Literatur ist verzeichnet. Mithilfe
Erfolgsgeschichten der modernen Medizin. dieses Buches soll es möglich sein, bei unterschiedlichen
Beim anerkannt hohen Stand der Unfallchirurgie in schweren Verletzungsmustern abzuwägen und rasch die
Deutschland und den deutschsprachigen Ländern Zen- richtigen Entscheidungen zu treffen.
traleuropas stellt sich die Frage: Warum ein weiteres Der präzise straff gefasste Text mit den Hinweisen in
Buch zur Unfallchirurgie? „Tipps und Tricks“ und den „Merksätzen“ sowie den
Die Herausgeber der amerikanischen Erstausgabe spre- jeweiligen Querverweisen auf die Videos zu den einzel-
chen von ihrer Vision eines idealen Lehrbuchs der Unfall- nen Themen im Text und am Kapitelende machen dieses
chirurgie; dazu gehören für sie eine Kombination von Buch zu einem aktuellen Nachschlagewerk für die mo-
Text und bewegten Bildern, eine von allen Autoren einge- derne Unfallchirurgie. Schon in der englischsprachigen
haltene durchlaufende Kapitelsystematik und Videofilme, Fassung war das Buch auf Interesse in Deutschland gesto-
die den Text begleiten. Aus Sicht der Übersetzer besteht ßen, zumal es einen Bereich besetzte, der nicht durch
die Besonderheit auch darin, dass die amerikanischen eine vergleichbare deutsche Publikation abgedeckt war.
Herausgeber ein Buch zum Thema „orthopaedic trauma“ Die deutschen Herausgeber und Autoren, die das Werk
veröffentlicht haben, welches sich ziemlich genau mit der übersetzten, haben auf die Kompatibilität des Stoffes mit
deutschen speziellen Unfallchirurgie deckt. der Realität in Deutschland geachtet.
Die amerikanischen Autoren haben nicht nur ein Werk Auf die Übersetzung der gesprochenen Videotexte von
verfasst, welches sich aufgrund seiner Gesamtgestaltung 105 Videos wurde verzichtet, weil dies den Rahmen die-
von anderen Fachbüchern abhebt, sondern auch weltweit ses Projektes gesprengt hätte; die Texte der einzelnen
anerkannte Osteosynthesetechniken sowie die mindes- Filme sind in der Originalsprache gut verständlich.
tens genauso wichtigen indikatorischen Überlegungen
beschrieben, die sich auch in unserem Land seit Jahr- Wir danken den Autoren, die die Übersetzung der Ka-
zehnten bewährt haben und systematisch weiterent- pitel einschließlich einiger Anpassungen und Überarbei-
wickelt wurden. tungen vorgenommen haben, wir danken den Mitarbei-
Dabei werden nicht nur der Ablauf der Operation und tern des Thieme Verlages für die redaktionelle Bearbei-
die angewandten Techniken dargestellt, sondern jeder tung und wünschen dem Buch in den deutschsprachigen
einzelne Schritt von der Lagerung, Durchleuchtung, den Ländern eine weite Verbreitung.
chirurgischen Zugangsmöglichkeiten, der Repositions-
technik und Stabilisierung einschließlich alternativer Im Winter 2011 Andreas Wentzensen
Techniken, die Begleit- und Nachbehandlung werden be- Florian Gebhard
schrieben, gegebenenfalls auch kritisch gegeneinander Paul Alfred Grützner
abgewogen und durch umfangreiches Bildmaterial doku- Steffen Ruchholtz
mentiert. Ein wichtiger Bestandteil sind die Hinweise auf Ulrich Stöckle
VI

Geleitwort zur Originalausgabe

The authors of Surgical Treatment of Orthopaedic Trauma editing skillful. Although Drs. Stannard, Schmidt, and
have created a welcome addition to the teaching arma- Kregor chose not to use professional voice-over, the ac-
mentarium of orthopaedic traumatologists and to the li- companying audio descriptions of the techniques are use-
brary of community hospitals everywhere. James Stan- ful and not overdone.
nard, Andrew Schmidt, and Philip Kregor set out to create I believe these experienced and skillful mid-career or-
a different type of textbook on the surgical management thopaedic trauma surgeons have hit the mark creating
of orthopaedic trauma by adding high-quality, well-edit- something for residents and fellows everywhere, and to
ed surgical technique videos to a comprehensive set of the practicing orthopaedic surgeons in the community
chapters covering the breath and depth of surgery for setting who need help with the management of common
musculoskeletal injuries. Contributors to this book in- musculoskeletal injuries. The authors are to be congratu-
clude surgeons in mid-career who have substantial lated on the end product, but more importantly on hav-
handson experience in conducting the surgical proce- ing the vision and, even more critically, the drive to see
dures and teaching them to colleagues and to residents the project through. Patients with musculoskeletal inju-
and fellows. The chapters are comprehensively written ries everywhere will be the benefactors.
and include bibliographies that are useful to the practic-
ing surgeon and resident in training, but are not exhaus-
tive to the point that key references are difficult to find.
The line drawings are of very high quality and not under- Marc F. Swiontkowski, M.D.
or over-finished. Professor and Chair of Orthopaedic Surgery
The unique contribution of this work is, of course, the University of Minnesota
surgical technique videos. Their quality is high and the Minneapolis, Minnesota
Geleitwort zur Originalausgabe VII

Geleitwort zur Originalausgabe

The stated aim of James P. Stannard, Andrew H. Schmidt, The text is brief and easy to understand and is a useful
and Philip J. Kregor has been to produce a book on up-to- adjunct to the surgical videos. The many hours of DVD
date surgical treatment of orthopaedic trauma with a footage are a unique and attractive feature for the reader,
concise text, clear illustrations, and a section with “tips as entire operative procedures from the planning and
and tricks” in each chapter for quick orientation, as well patient positioning to the suturing of the skin are shown.
as a box with “pearls.” The three editors have achieved Oral comments of the surgeons, highlighting hazards and
that. Emphasis is given to the outcomes with a special pitfalls, as well as graphics and anatomical models, pro-
section on published outcome data. Finally, the text is vide helpful additional information. The videos also de-
supplemented by four DVDs with videos of the most monstrate that even experts may sometimes struggle
common surgical procedures. with a difficult reduction maneuver and that only a per-
Besides five general chapters on soft tissues, compart- fect reconstruction of a joint is acceptable.
ment syndrome, infection, mal- and nonunion as well as Anatomical line drawings, clinical photographs, and of
the evolving concepts of plating, we find twenty-nine course x-rays nicely illustrate the different steps of a pro-
chapters on fractures and dislocations of all long bones cedure. Some 60 experienced surgeons have contributed
and anatomical regions of the human body, including to this new book, which was a monumental task for the
hand and foot as well as the pelvis. Four chapters are editors, as it is extremely difficult to collect and edit all
dedicated to fractures and injuries of the spine, while the manuscripts and videos in a given time frame. The
three others cover the injuries of the shoulder girdle three editors are therefore to be complimented and con-
and knee with special emphasis on ligamentous and gratulated for this great and innovative textbook, which
other soft tissue lesions of these joints. Besides the man- will certainly find a large audience worldwide.
agement and treatment of the acute trauma, we also find
detailed descriptions of corrective and reconstructive Thomas P. Rüedi, M.D., F.A.C.S.
procedures. Ending the book is a chapter on the manage- Founding member of the AO Foundation
ment and priorities of the polytrauma patient. Davos, Switzerland
VIII

Vorwort zur Originalausgabe

Orthopaedic trauma is a complex, rapidly evolving, tech- ment of skeletal injuries. Another important section is the
nique- and implant-oriented field with a very rich his- outcomes section, which provides a summary of pub-
tory. Successful management of skeletal injuries requires lished outcome studies in one concise section. The
that one be able to synthesize a huge amount of data “Pearls” section is a bulleted list of information that is
regarding specific aspects of the diagnosis, classification, frequently found on examinations. This should be a help
and multiple treatment options for a given injury. Fur- to all orthopaedic surgeons, whether taking the in-train-
thermore, decisions must often be made in an expedient ing exam, studying for the boards, or recertifying later in
manner and under some duress, since many of these their career. Finally, we have included a discussion of new
injuries are limb- or life-threatening. Even for less severe techniques where it is appropriate. This section is design-
injuries, improper initial management of the injury may ed to provide information on techniques that are current-
compromise later reconstructive options. When faced ly being employed at trauma centers, but that are not yet
with a patient with a complex fracture or multiple inju- completely validated by peer-reviewed studies. This
ries, it is imperative that one be able to quickly make section attempts to provide very current information,
correct decisions. In order to do this, a single reference but the reader must be aware that these techniques are
text containing “everything that you need to know” not completely proven yet.
would be an ideal resource for the orthopaedic resident, Another unique feature of this book is the accompany-
fellow, or practicing surgeon that is involved in the care ing set of four DVDs. Featuring 105 high-quality surgical
of trauma patients. videos, these DVDs provide more than a mere supple-
When we initially considered writing and editing a ment to the book’s discussion of surgical treatments for
completely new book on skeletal trauma, we realized it skeletal trauma. With these videos, the reader gains the
would be a huge job and that there are already several valuable opportunity to learn what to expect in the oper-
excellent books on the market. However, when we looked ating room prior to performing each procedure. Together
more critically at the existing texts, we felt that there with the book’s descriptions, technical details, illustra-
were a number of missing features that would be helpful tions, and tips and tricks, these videos show the reader
to an orthopaedic surgeon preparing for a case. At that how to incorporate the latest techniques into everyday
point, we decided to embark on a journey to create our practice.
vision of an “ideal” book on orthopaedic trauma. We have integrated the video and text in a number of
First and foremost, we have set out to create a succinct ways. First, a separate contents of the videos following
text that concentrates on the surgical treatment of ortho- the text contents is provided to help the reader quickly
paedic trauma. We have intentionally minimized the dis- locate surgical cases of interest. Second, a shaded text box
cussion of nonoperative treatment methods. This was not at the end of each chapter directs the reader to relevant
done because nonoperative treatment is unimportant, videos on the DVDs that demonstrate techniques des-
but rather to allow us to focus clearly on surgical issues. cribed in the chapter. Third, there are citations within
We have attempted to limit the length of the book, rec- the text to indicate corresponding videos.
ognizing the tremendous time constraints that limit the The surgical videos represent a wide variety of pro-
reading time of most orthopaedic surgeons—especially cedures, from the relatively straightforward to the highly
when faced with an urgent decision about an injured complex. Several procedures are new and have yet to be
patient. The goal was to produce a text that provides completely validated by prospective outcome studies in
concise surgical detail about currently accepted treat- the peer reviewed literature. Examples of these cases in-
ment options without forcing the reader to wade through clude the use of negative pressure wound therapy with
pages of less pertinent material. Decisions about which skin grafts, the double bundle ACL reconstruction, use of
surgical method or approach to use are just as important the reamer-irrigatoraspirator to harvest bone grafts, and
as the details of how to perform the surgery; we asked ORIF of the proximal femur with the locking proximal
each contributor to cover thoroughly the indications for femur plate. All of the procedures featured on the DVDs
surgery as well as to describe currently used techniques are being performed at major teaching centers in the
in detail. Additionally, we have included a number of United States and elsewhere.
sections in most chapters that are intended to aid the We filmed most of the cases with at least two cameras,
reader and decrease study time. The first of these is the enhancing the quality of the viewer’s experience, and
“Tips and Tricks” section. We asked our contributors to have included a number of special effects that serve to
summarize key points that expedite the successful treat- make teaching points at key steps in a procedure. In
Vorwort zur Originalausgabe IX

many cases, errors or complications that occurred during provided the necessary funding to complete the videos.
the procedures were not edited out; we thus highlighted We did not want this project to be exclusively funded by
not only the difficulties likely to be encountered, but also any one company, nor did we want to use the products of
offered guidance on how to avoid them. As was done in a single manufacturer. In fact, the reader will notice that
the text, tips and tricks are included in the videos. the implants and techniques featured in the book and on
We trust that you find Surgical Treatment of Orthopae- the videos draw from the complete spectrum of equip-
dic Trauma to be a useful addition to your library. It is ment currently available to manage orthopaedic trauma.
intended to be a comprehensive educational resource, All of the companies that provided funding agreed to do
combining a succinct text with instructional video. We so with “no strings attached.” The decision to use specific
hope this book and its accompanying videos will help implants was left to the sole discretion of the individual
you succeed as we all work to help patients recover who created the video, without regard to the companies
from skeletal trauma. providing funding.
We extend special thanks to Synthes USA; Zimmer;
Smith & Nephew Orthopaedics; Kinetic Concepts Inc.;
and Mitek. This project would not have been completed
Acknowledgments
without their generous financial support.
We thank the contributors of each of the chapters. They
were all selected because of their expertise in the fields
of orthopaedic trauma which they wrote about. In addi-
Special Thanks
tion, they have an active role in the treatment of a large
number of injuries, and we trust readers will benefit This project demanded a large time commitment from all
from this. We are grateful for their hard work, expertise, of us. We thank our families for putting up with us and
and attention to detail. encouraging us during some of the difficult moments
The video portion of this project has been a huge un- along the journey to production of this book. Jim Stan-
dertaking, and we are very grateful to a number of people nard thanks Carolyn, Jennifer, Luke, James, Michael, Re-
who helped turn our vision into a reality. First and fore- becca, Sarah, and John Stannard for their love, patience,
most, we thank the video authors who contributed cases, and support during this project. Andy Schmidt recognizes
as well as untold hours of time editing, providing voice Jamie Lohr, M.D., and Michael and Katherine Schmidt for
and special effects, and editing again to create the final tolerating countless evenings and weekends without
product. We thank the crew at Erwin Brothers Motion their husband/father because he was holed up in his of-
Pictures for putting up with surgeons’ hours and for put- fice writing and editing. Phil Kregor thanks his parents
ting this project together at our convenience rather than (Philip and Bernadine Kregor), brothers (Mark and Mike)
theirs. Finally, we wish to acknowledge the work of Ste- and sisters (Jani and Kathy) for their support and encour-
phen Preston, Jason Schuck, Jack Smith, and Jon Erwin. agement throughout the years. His son, Chase Kregor, has
You all are very talented and we appreciate your work. been understanding and supportive while his dad com-
We also thank Joan Stephens for donating countless pleted this book.
hours to the organization and review of this project—
her help was greatly appreciated.
We are deeply appreciative of support of corporations James P. Stannard
who manufacture products used in surgery and who, Andrew H. Schmidt
understanding the vision behind our project, generously Philip J. Kregor
X Vorwort zur Originalausgabe

Anschriften

Herausgeber

James P. Stannard, M.D., Professor Grützner, Paul Alfred, Prof. Dr. med.
Department of Orthopaedic Surgery Chief Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Division of Orthopaedic Trauma Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie
University of Alabama School of Medicine Ludwig-Guttmann-Str. 13
Birmingham, Alabama 67071 Ludwigshafen

Andrew H. Schmidt, M.D., Associate Professor Ruchholtz, Steffen, Prof. Dr. med.
Department of Orthopaedic Surgery Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
University of Minnesota Medical School Standort Marburg
Division of Orthopaedics Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungs-
Hennepin County Medical Center chirurgie
Minneapolis, Minnesota Baldingerstr.
35043 Marburg
Philip J. Kregor, M.D., Associate Professor
Department of Orthopaedics and Rehabilitation Stöckle, Ulrich, Prof. Dr. med.
Vanderbilt University School of Medicine Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen
Chief, Division of Orthopaedic Trauma Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Vanderbilt Orthopaedic Institute Schnarrenbergstr. 95
Nashville, Tennessee 72076 Tübingen

Wentzensen, Andreas, Prof. Dr. med.


Marbacher Str. 20
67071 Ludwigshafen

Gebhard, Florian, Prof. Dr. med.


Universitätsklinikum Ulm
Zentrum für Chirurgie
Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische und
Wiederherstellungschirurgie
Steinhövelstr. 9
89075 Ulm
Autoren der Originalausgabe XI

Autoren der Originalausgabe

Jorge Alonso, M.D. Peter Alexander Cole, M.D.


Department of Orthopaedic Surgery Professor
University of Alabama School of Medicine University of Minnesota
Birmingham, Alabama Chief, Orthopaedic Surgery
Regions Hospital
Jeffrey O. Anglen, M.D. St. Paul, Minnesota
Boone Orthopaedic Associates LLC
Columbia, Missouri Cory A. Collinge, M.D.
John Peter Smith Orthopaedic Surgery Residency
Carlos Bellabarba, M.D. Program
Assistant Professor Harris Methodist Fort Worth Hospital
Department of Orthopaedics and Sports Medicine Fort Worth, Texas
University of Washington
Seattle, Washington Kyle F. Dickson, M.D.
Professor
Martin I. Boyer, M.D., M.Sc., F.R.C.S.C. Department of Orthopaedic Surgery
Associate Professor Director of Orthopaedic Trauma
Department of Orthopaedic Surgery University of Texas–Houston Medical Center
Director Houston, Texas
Orthopaedic Hand Surgery Service
Washington University School of Medicine John Charles France, M.D.
St. Louis, Missouri Robert C. Byrd Health Science Center
Morgantown, West Virginia
J. Scott Broderick, M.D.
Assistant Professor Jeffrey A. Geller, M.D.
Department of Orthopaedics Assistant Professor
Greenville University Medical Center Department of Orthopaedic Surgery
Director of Orthopaedic Trauma Columbia University College of Physicians and Surgeons
Greenville Hospital System New York-Presbyterian/Columbia University
Greenville, South Carolina Medical Center
New York, New York
David S. Brokaw, M.D.
Orthopaedic Trauma Surgeon Thomas J. Graham, M.D.
OrthoIndy Clinical Associate Professor
Clinical Assistant Professor Departments of Orthopaedic and Plastic Surgery
Department of Orthopaedic Johns Hopkins University Hospital
Surgery Indiana University Chief
Indianapolis, Indiana The Curtis National Hand Center
Vice-Chairman
Lisa Cannada, M.D. Department of Orthopaedic Surgery
Assistant Professor Decker Orthopaedic Institute
Department of Orthopaedic Surgery Director
University of Texas–Southwestern MedStar Sports Health
Dallas, Texas Union Memorial Hospital
Baltimore, Maryland
Jens R. Chapman, M.D.
Division of Orthopedics George J. Haidukewych, M.D.
Harborview Medical Center Florida Orthopaedic Institute
Seattle, Washington Tampa, Florida
XII Autoren der Originalausgabe

Neil Harness, M.D. Amir Matityahu, M.D.


Southern California Permanente Medical Group Assistant Clinical Professor
Orange County Orthopaedics Department of Orthopaedics
Kaiser Anaheim Medical Center University of California–San Francisco
Yorba Linda, California Director
Division of Pelvis and Acetabular Trauma
Mitchel B. Harris, M.D. Reconstruction
Associate Professor San Francisco General Hospital
Department of Orthopaedic Surgery San Francisco, California
Harvard Medical School
Chief of Orthopaedic Trauma Robert K. Mehrle, M.D.
Brigham and Women’s Hospital Assistant Professor
Boston, Massachusetts Department of Orthopedics and Rehabilitation
University of Mississippi Medical Center
Keith Heier, M.D. Jackson, Mississippi
Metrocrest Orthopedics and Sports Medicine
Chairman Theodore Miclau III, M.D.
Department of Orthopedics Division of Orthopaedics
Presbyterian Hospital of Plano San Francisco General Hospital
Dallas, Texas San Francisco, California

James P. Higgins, M.D. Michael A. Miranda, M.D.


Faculty Member Orthopaedic Associates of Hartford PC
The Curtis National Hand Center Hartford, Connecticut
Union Memorial Hospital
Baltimore, Maryland Sohail K. Mirza, M.D.
Division of Orthopedics
Philip J. Kregor, M.D. Harborview Medical Center
Associate Professor Seattle, Washington
Department of Orthopaedics and Rehabilitation
Vanderbilt University School of Medicine Erika J. Mitchell, M.D.
Chief, Division of Orthopaedic Trauma Assistant Professor
Vanderbilt Orthopaedic Institute Department of Orthopaedics
Nashville, Tennessee Division of Orthopaedic Trauma
Vanderbilt University
Christian Krettek, M.D. Nashville, Tennessee
Professor and Chairman
Orthopaedic Trauma Department Mary S. Moon, PA-C
Hannover Medical School (MHH) Private Practice
Hannover, Germany South Windsor, Connecticut

Daniel Joseph Marek, M.D. Sean E. Nork, M.D.


Orthopaedic Surgery Resident Associate Professor
Department of Orthopaedic Surgery Division of Orthopaedics
University of Minnesota Harborview Medical Center
Minneapolis, Minnesota Seattle, Washington

Steven L. Martin, M.D. Brent L. Norris, M.D.


Blue Ridge Orthopaedic Associates University of Tennessee College of Medicine
Clemson, South Carolina Chattanooga, Tennessee
Autoren der Originalausgabe XIII

Peter J. Nowatarski, M.D. Andrew H. Schmidt, M.D.


Associate Professor Associate Professor
Co-Director Department of Orthopaedic Surgery
Department of Orthopaedic Traumatology University of Minnesota Medical School
The University of Tennessee Health Science Center Division of Orthopaedics
Erlanger Medical Center and T. C. Thompson Children’s Hennepin County Medical Center
Hospital Minneapolis, Minnesota
Chattanooga, Tennessee
Stephen Andrew Sems, M.D.
William T. Obremskey, M.D., M.P.H. Clinical Instructor
Associate Professor Department of Orthopaedic Surgery
Vanderbilt Orthopaedic Institute Mayo Clinic
Nashville, Tennessee Rochester, Minnesota

Jeffrey D. Placzek, M.D. Rajiv K. Sethi


Department of Orthopaedic Surgery Chief Resident
Detroit Medical Center/Wayne State University Harvard Combined Orthopaedic
Novi, Michigan Surgery
Massachusetts General Hospital
Mark Cameron Reilly, M.D. Brigham and Women’s Hospital
Associate Professor Boston, Massachusetts
Department of Orthopaedic Surgery
University of Medicine and Dentistry of New Jersey Franklin D. Shuler, M.D., Ph.D.
Newark, New Jersey Associate Professor
Department of Orthopaedics and
David Ring, M.D. Rehabilitation
Assistant Professor Vanderbilt University Medical Center
Department of Orthopaedic Surgery Nashville, Tennessee
Harvard Medical School
Director of Research Paul M. Simic, M.D.
Hand and Upper Extremity Service Southern California Orthopaedic
Department of Orthopaedic Surgery Institute
Massachusetts General Hospital Van Nuys, California
Boston, Massachusetts
Stephen H. Sims, M.D.
George V. Russell, M.D. Chief of Fracture Service
Associate Professor Carolinas Medical Center
Department of Orthopedics and Rehabilitation Charlotte, North Carolina
University of Mississippi Medical Center
Jackson, Mississippi James P. Stannard, M.D.
Professor
Angela Scharfenberger, B.Sc. P.T., M.D., F.R.C.S.C. Department of Orthopaedic Surgery
Orthopaedic Surgeon Chief, Division of Orthopaedic Trauma
Department of Medicine and Dentistry University of Alabama School of Medicine
Division of Orthopaedic Surgery Birmingham, Alabama
University of Alberta
Edmonton, Alberta Rena L. Stewart, M.D., F.R.S.C.
Assistant Professor
Robert C. Schenck Jr., M.D. Department of Orthopaedic Surgery
Department of Orthopaedics University of Alabama School of Medicine
University of New Mexico Birmingham, Alabama
Albuquerque, New Mexico
XIV Autoren der Originalausgabe

Michael Stover, M.D. Jeffrey Todd Watson, M.D.


Associate Professor Assistant Professor
Director of Orthopaedic Trauma Department of Orthopaedics and Rehabilitation
Department of Orthopaedic Surgery Vanderbilt University Medical Center
Loyola University Medical Center Nashville, Tennessee
Maywood, Illinois
Timothy G. Weber, M.D.
David C. Templeman, M.D. Orthopaedic Trauma Surgeon
Division of Orthopaedics OrthoIndy
Hennepin County Medical Center Indianapolis, Indiana
Minneapolis, Minnesota
Kirkham B. Wood, M.D.
Gregory Tennant, D.O. Associate Professor
Clinical Fellow Department of Orthopaedic Surgery
Division of Orthopaedic Trauma Harvard Medical School
Vanderbilt Orthopaedic Institute Division of Orthopaedic Surgery
Nashville, Tennessee Massachusetts General Hospital
Boston, Massachusetts
Steven M. Theiss, M.D.
Associate Professor Michael Zlowodzki, M.D.
Department of Orthopaedic Surgery Resident
University of Alabama School of Medicine Department of Orthopaedic Surgery
Birmingham, Alabama University of Minnesota Medical School
Minneapolis, Minnesota
David A. Volgas, M.D.
Department of Orthopaedic Surgery
University of Alabama School of Medicine
Birmingham, Alabama

J. Tracy Watson, M.D.


Professor
Department of Orthopaedic Surgery
Saint Louis University School of Medicine
Saint Louis, Missouri
Mitarbeiter der DVD XV

Mitarbeiter der DVD

Jeffrey O. Anglen, M.D. James P. Stannard, M.D.


Boone Orthopaedic Associates LLC Associate Professor
Columbia, Missouri Department of Orthopaedic Surgery
Chief, Division of Orthopaedic Trauma
Peter Alexander Cole, M.D. University of Alabama School of Medicine
Professor Birmingham, Alabama
University of Minnesota
Chief, Orthopaedic Surgery Steven M. Theiss, M.D.
Regions Hospital Associate Professor
St. Paul, Minnesota Department of Orthopaedic Surgery
University of Alabama School of Medicine
Thomas R. Hunt III, M.D. Birmingham, Alabama
John D. Sherrill Professor of Surgery
Department of Orthopaedic Surgery James L. Thomas, D.P.M.
University of Alabama School of Medicine Associate Professor
Birmingham, Alabama Department of Orthopaedic Surgery
University of Alabama School of Medicine
Philip J. Kregor, M.D. Birmingham, Alabama
Associate Professor
Department of Orthopaedics and Dan Tunmire Jr., R.N., C.N.O.R., C.R.N.F.A.
Rehabilitation Department of Orthopaedic Surgery
Vanderbilt University School of Medicine University of Alabama School of Medicine
Chief, Division of Orthopaedic Trauma Birmingham, Alabama
Vanderbilt Orthopaedic Institute
Nashville, Tennessee David A. Volgas, M.D.
Department of Orthopaedic Surgery
Christian Krettek, M.D. University of Alabama School of Medicine
Professor and Chairman Birmingham, Alabama
Orthopaedic Trauma Department
Hannover Medical School (MHH) J. Tracy Watson, M.D.
Hannover, Germany Professor
Department of Orthopaedic Surgery
Peter J. Nowatarski, M.D. Saint Louis University School of Medicine
Associate Professor Saint Louis, Missouri
Co-Director
Department of Orthopaedic Traumatology Jeffry Todd Watson
The University of Tennessee Health Assistant Professor
Science Center Department of Orthopaedics and Rehabiliation
Erlanger Medical Center and T. C. Thompson Vanderbilt University Medical Center
Children’s Hospital Nashville, Tennessee
Chattanooga, Tennessee

Andrew H. Schmidt, M.D.


Associate Professor
Department of Orthopaedic Surgery
University of Minnesota Medical School
Division of Orthopaedics
Hennepin County Medical Center
Minneapolis, Minnesota
XVI Autoren der Originalausgabe

Übersetzer und Bearbeiter der deutschen Ausgabe

Ahrens, Philipp, Dr. med. Freude, Thomas, Dr. med.


Klinikum rechts der Isar Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Ismaninger Str. 22 Schnarrenbergstr. 95
81675 München 72076 Tübingen

Braun, Karl Friedrich, Dr. med. Gebhard, Florian, Prof. Dr. med.
Klinikum rechts der Isar Universitätsklinikum Ulm
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Zentrum für Chirurgie
Ismaninger Str. 22 Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische
81675 München und Wiederherstellungschirurgie
Steinhövelstr. 9
Buchholz, Arne 89075 Ulm
Klinikum rechts der Isar
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Grützner, Paul Alfred, Prof. Dr. med.
Ismaninger Str. 22 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
81675 München Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie
Ludwig-Guttmann-Str. 13
Bücking, Benjamin, Dr. med. 67071 Ludwigshafen
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Standort Marburg Gulkin, Daniel, Dr. med.
Klinik für Unfall-, Hand- und Universitätsklinikum Ulm
Wiederherstellungschirurgie Zentrum für Chirurgie
Baldingerstr. 1 Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische
35043 Marburg und Wiederherstellungschirurgie
Steinhövelstr. 9
Dehner, Christoph, Priv.-Doz. Dr. med. 89075 Ulm
Universitätsklinikum Ulm
Zentrum für Chirurgie Horn, Carsten, Dr. med.
Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische Orthopädische Klinik
und Wiederherstellungschirurgie König Ludwig Haus
Steinhövelstr. 9 Brettreichstr. 11
89075 Ulm 97074 Würzburg

Frank, Christian, Dr. med. Knöferl, Markus, Prof. Dr. med.


Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen Universitätsklinikum Ulm
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Zentrum für Chirurgie
Ludwig-Guttmann-Str. 13 Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische
67071 Ludwigshafen und Wiederherstellungschirurgie
Steinhövelstr. 9
Freiherr von Recum, Jan, Dr. med. 89075 Ulm
Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie König, Benjamin, Dr. med.
Ludwig-Guttmann-Str. 13 Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen
67071 Ludwigshafen Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
Schnarrenbergstr. 95
72076 Tübingen
Übersetzer und Bearbeiter der deutschen Ausgabe XVII

Krüger, Antonio, Dr. med. Röhm, Andreas, Dr. med.


Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Universitätsklinikum Ulm
Standort Marburg Zentrum für Chirurgie
Klinik für Unfall-, Hand- und Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische
Wiederherstellungschirurgie und Wiederherstellungschirurgie
Baldingerstr. Steinhövelstr. 9
35043 Marburg 89075 Ulm

Kühne, Christian A., Priv.-Doz. Dr. med. Ruchholtz, Steffen, Prof. Dr. med.
Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH
Standort Marburg Standort Marburg
Klinik für Unfall-, Hand- und Klinik für Unfall-, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie Wiederherstellungschirurgie
Baldingerstr. Baldingerstr.
35043 Marburg 35043 Marburg

Lucke, Martin, Priv.-Doz. Dr. med. Sandmann, Gunther H., Dr. med.
Klinikum rechts der Isar Klinikum rechts der Isar
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie
Ismaninger Str. 22 Ismaninger Str. 22
81675 München 81675 München

Martetschläger, Frank, Dr. med. Schultheiß, Markus, Prof. Dr. med.


Klinikum rechts der Isar Universitätsklinikum Ulm
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Zentrum für Chirurgie
Ismaninger Str. 22 Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische
81675 München und Wiederherstellungschirurgie
Steinhövelstr. 9
Michalski, Christoph, Priv.-Doz. Dr. med. 89075 Ulm
Klinikum rechts der Isar
Chirurgische Klinik und Poliklinik der Stöckle, Ulrich, Prof. Dr. med.
Technischen Universität München Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen
Ismaninger Str. 22 Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie
81675 München Schnarrenbergstr. 95
72076 Tübingen
Neumaier, Markus, Dr. med.
Klinikum rechts der Isar Vester, Helen, Dr. med.
Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie Klinikum rechts der Isar
Ismaninger Str. 22 Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie
81675 München Ismaninger Str. 22
81675 München
Röderer, Götz, Priv.-Doz. Dr. med.
Universitätsklinikum Ulm Wagner, Christof, Prof. Dr. med.
Zentrum für Chirurgie Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen
Klinik für Unfall-, Hand-, Plastische Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie
und Wiederherstellungschirurgie Ludwig-Guttmann-Str. 13
Steinhövelstr. 9 67071 Ludwigshafen
89075 Ulm
Wentzensen, Andreas, Prof. Dr. med.
Marbacher Str. 20
67071 Ludwigshafen
XVIII Übersetzer und Bearbeiter der deutschen Ausgabe

Inhaltsverzeichnis

1 Weichteilbehandlung ........................................................ 1
D. A. Volgas
Übersetzer: G. Röderer, F. Gebhard

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 2 Hautersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Vakuumschaumverband . . . . . . . . . . . . . . 15
Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Antibiotikaketten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Grundlagenforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Erstversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Präoperative Überlegungen . . . . . . . . . . . . 4 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 6 Komplikationen der freien Lappenplastik 17
Komplikationen der
Rotationslappenplastik . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22


J. O. Anglen, J. T. Watson
Übersetzer: C. Wagner

Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Akute oder subakute Infektion


Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 bei stabilem Implantat . . . . . . . . . ....... 29
Diagnostische Laborparameter . . . . . . . . . 24 Akute oder subakute Infektion
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 bei instabilem Implantat . . . . . . . ....... 32
Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Chronische Osteitis . . . . . . . . . . . ....... 32
Stadieneinteilung und Klassifikation . . 27 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . ....... 44
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Kombination von Tibiamarknagel
Pin- oder Kirschner-Draht-Infektion . . . . . 28 und Titan-Cage . . . . . . . . . . . . . . . ....... 44

3 Akutes Kompartmentsyndrom ............................................ 50


A. H. Schmidt
Übersetzer: C. A. Kühne

Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 53


Technik der intramuskulären Fasziotomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Druckmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Prognose und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 60
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 53 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Inhaltsverzeichnis XIX

4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese .............................. 64


A. Matityahu, C. Krettek, T. Miclau III
Übersetzer: G. Röderer, F. Gebhard

Geschichte und Entwicklung der Operationstechnik für die LCP (Locking


Plattenosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Compression Plate) Kondylenplatte . . . . . 77
Frakturversorgung und Durchblutung . 67 Operationstechnik für die 4,5 mm LCP PLT
Winkelstabile Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (Locking Compression Plate proximal
Entwicklung der minimalinvasiven lateral Tibia) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Operationstechnik für die LCP distale Tibia
Plattenosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . 69
(Video 4-6, DVD 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Winkelstabile Plattensysteme . . . . . . . . 70
Operationstechnik für
Indikationen für die winkelstabile
Plattenosteosynthesen des distalen Radius 79
Plattenosteosynthese . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Operationstechnik des Less Invasive
Stabilization Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen


und Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
M. A. Miranda, M. S. Moon
Übersetzer: A. Wentzensen

Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Diagnostische Abklärung


Operative Behandlung von von Pseudarthrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Chirurgische Behandlung von
Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Pseudarthrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Präoperative Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Die intertrochantäre Osteotomie bei
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Schenkelhalspseudarthrosen . . . . . . . . . . . 102
Grundprinzipien der inneren Fixation von Hypertrophe Tibiaschaftpseudarthrosen . 103
Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Atrophische Humeruspseudarthrose . . . . 103
Formen der Deformität . . . . . . . . . . . . . . . 91 Klavikulapseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . 106
Osteotomien bei Korrekturen von Rehabilitation nach operativer Versorgung
Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 einer Pseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Chirurgische Techniken für spezielle Neue Techniken bei Fehlstellungen
Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 und Pseudarthrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
Neue Techniken für die Korrektur Knochentransplantate und Knochenersatz 106
von Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Ergebnisse nach
Ergebnisse von Korrekturen Pseudarthrosenoperationen . . . . . . . . . . 108
bei Fehlstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Komplikationen bei der operativen
Komplikationen bei Fehlstellungen . . . . 98 Behandlung von Pseudarthrosen . . . . . . 108
Epidemiologie von Pseudarthrosen . . . 98
Klassifikation der Pseudarthrosen . . . . . 99
XX Inhaltsverzeichnis

6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111


C. Bellabarba, S. K. Mirza, J. R. Chapman
Übersetzer: C. Dehner, F. Gebhard

Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 111 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128


Allgemeine Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Operative Möglichkeiten . . . .
.... . . . . . . 128
Zervikalstütze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Patientenlagerung . . . . . . . . .
.... . . . . . . 128
Halo-Fixateure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Radiologische Bildgebung . . .
.... . . . . . . 128
Knöcherner Zug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Operative Zugänge . . . . . . . . .
.... . . . . . . 128
Verletzungsklassifikation und Chirurgische Techniken . . . . .
.... . . . . . . 130
Indikationen zur operativen Postoperative Nachbehandlung . .... . . 139
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Neue Technologien . . . . . . . . . . . . .... . . 139
Okzipitale Kondylenfrakturen . . . . . . . . . . 112 Ergebnisse und Komplikationen . . . . . . 140
Kraniozervikale Dissoziationen . . . . . . . . . 113 Verletzungsspezifische Ergebnisse und
Atlasfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140
Atlantoaxiale Instabilität . . . . . . . . . . . . . . 117 Behandlungsspezifische Ergebnisse und
Densfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Traumatische Spondylolisthese des
Dens axis (Hangman-Fraktur) . . . . . . . . . . 123

7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150


J. C. France
Übersetzer: C. Dehner, F. Gebhard

Unfalleinschätzung und Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 159


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . 159
Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Facettengelenksfrakturen –
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 154 Facettengelenksdislokationen . . . . . . . . . . 159
Indikationen zur operativen Kompressions-, Berstungs- und
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Teardrop-Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Allgemeine Indikationen . . . . . . . . . . . . . . 157 Massa-lateralis-Frakturen . . . . . . . . . . . . . 168
Neurologisches Defizit . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Stabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Faktoren für das Langzeitergebnis . . . . . . 170
Facettengelenksdislokation . . . . . . . . . . . . 158 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Berstungs- und Teardrop-Frakturen . . . . . 158 Neue Technologien und zukünftige
Massa-lateralis-Frakturen . . . . . . . . . . . . . 159 Behandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

8 Frakturen der Brustwirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177


R. K. Sethi, K. B. Wood, M. B. Harris
Übersetzer: M. Schultheiss, D. Gulkin

Biomechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Vertebroplastie und Kyphoplastie . . . . . . . 183
Einfache Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Posteriore Instrumentierung . . . . . . . . . . . 185
Schwere Verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Spinale Dekompression . . . . . . . . . . . . . . . 186
Radiologische Beurteilung . . . . . . . . . . . . . 182 Operative Technik der ventralen
Therapieplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Dekompression und Spondylodese . . . . . . 188
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 183 Operative Technik und Instrumentation
der posterioren Dekompression und
Spondylodese (Video 8-1, DVD 1) . . . . . . . 188
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
Inhaltsverzeichnis XXI

Verläufe und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . 190 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190


Kompressionsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . 190 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191
Berstungsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
Generelle Langzeitverläufe nach Frakturen
der Brustwirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

9 Trauma der Lendenwirbelsäule


und des thorakolumbalen Übergangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
S. M. Theiss
Übersetzer: M. Schultheiss, D. Gulkin

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Anatomie und chirurgischer Zugangsweg 203


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 197 Zeitpunkt der Operation . . . . . . . . . . . . . . 204
Kompressionsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . 199 Chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 205
Berstungsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
Flexions-/Distraktionsverletzungen . . . . . . 201 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Dislozierte Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 201
Indikationen zur operativen
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

10 Verletzungen des Schultergürtels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226


P. A. Cole, D. J. Marek
Übersetzer: S. Ruchholtz

Luxation des Indikationen zur chirurgischen


Akromioklavikulargelenks . . . . . . . . . . . . 226 Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 236
Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 226 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 227 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . 227 Klavikulafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 251
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Indikationen zur Operation . . . . . . . . . . . . 252
Skapulafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 253
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Klinische Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 232

11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259


A. H. Schmidt
Übersetzer: S. Ruchholtz

Proximale Humerusfrakturen . . . . . . . . . 259 Schulterluxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 262 Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 279
Indikationen zur operativen Therapie . . . . 263 Indikationen zur Operation . . . . . . . . . . . . 280
Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
XXII Inhaltsverzeichnis

12 Frakturen des Humerusschafts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285


D. C. Templeman, S. A. Sems
Übersetzer: A. Krüger

Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 285 „Floating Elbow“-Verletzungen . . . . . . . . . 291


Generelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 285 Drohende pathologische
Oberarmschiene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 Humerusschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . 292
Funktioneller (Sarmiento-)Brace . . . . . . . . 286 Polytraumatisierte Patienten . . . . . . . . . . . 292
Hängegips (Hanging Cast) . . . . . . . . . . . . . 287 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
Andere konservative Therapieoptionen . . 288 Generelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 292
Klassifikation der Verletzungen . . . . . . . 288 Chirurgische Technik der offenen
Indikationen für eine chirurgische Reposition und Plattenosteosynthese . . . . 293
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Ergebnisse und Komplikationen . . . . . . 304
Repositionsverlust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Frakturheilung in Fehlstellung . . . . . . . . . 304
Offene Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Pseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304
Begleitende artikuläre Verletzungen . . . . . 289 Gefäß-Nerven-Verletzungen . . . . . . . . . . . 304
Begleitende neurovaskuläre Verletzungen 289 Verfahrensspezifische Komplikationen . . . 305

13 Frakturen des distalen Humerus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309


L. Cannada
Übersetzer: A. Krüger

Indikationen für eine operative Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323


Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Klinische Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . 310 Osteosyntheseversagen . . . . . . . . . . . . . . . 325
Bildgebende Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . 311 Pseudarthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Klassifikation distaler Heilung in Fehlstellung . . . . . . . . . . . . . . . 326
Humerusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Infektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 313 Neuropathie des N. ulnaris . . . . . . . . . . . . 326
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Eingeschränkter Bewegungsumfang des
Generelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . 314 Ellbogengelenks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
Überlegungen zur Planung des operativen Heterotope Ossifikationen . . . . . . . . . . . . . 328
Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Beschwerden nach Osteotomie des
Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 Olekranons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
Management des N. ulnaris . . . . . . . . . . . . 321 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
Reposition und Osteosynthese der Fraktur 321
Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

14 Ellbogentrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
D. Ring, N. Harness
Übersetzer: B. Bücking

Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Einfache Ellbogenluxationen . . . . . . . . . . 338


Radiusköpfchenfrakturen . . . . . . . . . . . . 333 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 340
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 334 Indikation zur operativen Therapie . . . . . . 341
Indikation zur operativen Therapie . . . . . . 334 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 341
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
Inhaltsverzeichnis XXIII

Luxationsfrakturen des Ellbogens: Olekranonfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 356


Ellbogenluxationen mit Fraktur des Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Radiusköpfchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 346 Indikationen zur operativen Therapie . . . . 356
Indikation zur operativen Behandlung . . . 348 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Luxationsfrakturen des Olekranons . . . 362
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
Koronoidluxationsfraktur . . . . . . . . . . . . 349 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Ellbogenluxation mit Frakturen des Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
Processus coronoideus und des Rehabilitation von
Radiusköpfchens (Terrible Triad) . . . . . . . . 352 Ellbogenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Verletzungen mit posteromedialer Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
Varusrotationsinstabilität . . . . . . . . . . . . . . 355

15 Unterarmfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
R. L. Stewart
Übersetzer: B. Bücking

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 370 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Indikationen zur konservativen Präoperative Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Lagerung und Abdeckung . . . . . . . . . . . . . 373
Repositions- und Retentionstechniken . . . 370 Bildgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
Funktionelles Bracing . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Anatomie und Wahl des operativen
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373
Indikationen zur operativen Operative Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390

16 Distale (körperferne) Speichenbrüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394


P. M. Simic, J. D. Placzek
Übersetzer: A. Wentzensen

Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 396


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 Chirurgische Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . 396
Radiologische Untersuchung . . . . . . . . . 395 Spezielle Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . 399
Indikationen für die Behandlung . . . . . . 395 Fortschritte bei der Rehabilitation . . . . 411
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 396 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
XXIV Inhaltsverzeichnis

17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418


J. T. Watson, M. I. Boyer
Übersetzer: A. Röhm, F. Gebhard

Karpale Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 Kahnbeinfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Diagnostik . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 436
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 422 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 437
Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . 425 Operationsindikationen . . . . . . . . . . . . . . . 437
Chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 Ergebnisse . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 442
Weitere Frakturen der Handwurzel . . . 443

18 Luxationen und Frakturen der Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446


J. P. Higgins, T. J. Graham
Übersetzer: M. W. Knöferl

Frakturen der Endphalanx . . . . . . . . . . . . 446 Kondylenfrakturen des proximalen


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 447 Interphalangealgelenks . . . . . . . . . . . . . . . 464
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Luxationen des
Extraartikuläre Frakturen der Grund- Metakarpophalangealgelenks . . . . . . . . . 464
und Mittelphalanx . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 465
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 450 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 465
Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 451 Metakarpalefrakturen . . . . . . . . . . . . . . . 466
Das proximale Interphalangealgelenk . 456 Basisfrakturen und Luxationsfrakturen
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 des Karpometakarpalgelenks . . . . . . . . . . . 466
Dorsale Luxationen des proximalen Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 468
Interphalangealgelenks . . . . . . . . . . . . . . . 457 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 468
Laterale und palmare Dislokationen des Operative Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
proximalen Interphalangealgelenks . . . . . 463 Postoperative Nachbehandlung . . . . . . . . . 471

19 Beckenringverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
K. F. Dickson
Übersetzer: B. König, P. Ahrens, U. Stöckle

Anatomie und Klassifikation . . . . . . . . . . 477 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 482 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Indikationen für die operative Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
483 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506
Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . .
485
Verletzungen des vorderen Beckenrings . . 485
Verletzungen des hinteren Beckenrings . . 491
Inhaltsverzeichnis XXV

20 Azetabulumfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509
P. J. Kregor, M. Stover
Übersetzer: G. Sandmann, B. König, U. Stöckle

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 Ergebnisse nach verzögerter Versorgung


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 516 oder Revisionsversorgung von
Indikationen für die operative Therapie 516 Azetabulumfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 Funktionelles Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . 555
Anatomie und chirurgische Zugänge . . . . 518 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
Chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 528 Tiefe Venenthrombose . . . . . . . . . . . . . . . . 556
Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556
Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 Neurologische Verletzungen . . . . . . . . . . . 556
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Gefäßverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
Die Qualität der Reposition . . . . . . . . . . . . 553 Posttraumatische Arthrose . . . . . . . . . . . . 557
Radiologische und klinische Ergebnisse Avaskuläre Nekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557
nach operativ versorgten Heterotope Ossifikation . . . . . . . . . . . . . . . 558
Azetabulumfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 554
Ergebnisse nach operativer Reposition und
Osteosynthese von Frakturen der hinteren
Wand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555

21 Hüftluxation und Femurkopffraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564


J. A. Geller, M. C. Reilly
Übersetzer: A. Buchholz, M. Lucke, U. Stöckle

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 570


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 567 Topografische Anatomie, Zugänge und
Geschlossene Reposition der hinteren Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570
Hüftluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573
Geschlossene Reposition der vorderen Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574
Hüftluxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 Verläufe und Komplikationen . . . . . . . . . 576
Indikationen für die operative
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570

22 Mediale Schenkelhalsfraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581


G. J. Haidukewych
Übersetzer: H. Vester, M. Lucke, U. Stöckle

Klassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 583 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
Indikationen für die operative Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602
Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 Osteosynthetische Versorgung der
Wahl des Osteosyntheseverfahrens bei Schenkelhalsfraktur beim jüngeren
Patienten unter 65 Jahren . . . . . . . . . . . . . 584 Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602
Möglichkeiten der operativen Versorgung Schenkelhalsfrakturen des älteren
des Patienten über 65 Jahre . . . . . . . . . . . 586 Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . 589 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604
Anatomische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . 589 Medizinische Komplikationen . . . . . . . . . . 604
Operative Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591 Pseudarthrosenbildung . . . . . . . . . . . . . . . 604
Operative Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 Osteonekrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605
XXVI Inhaltsverzeichnis

23 Pertrochantäre Femurfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612


G. Tennant, J. Alonso
Übersetzer: K. F. Braun, M. Neumaier, U. Stöckle

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 613 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628
Operationsindikation . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628
Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . 615 Resultate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629
Basiskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630
Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . 615

24 Subtrochantäre Femurfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634


S. H. Sims
Übersetzer: C. Horn, M. Neumaier, U. Stöckle

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Operative Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . 639


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 636 OP-Technik . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639
Indikationen für operative Rehabilitation . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 636 Neue Techniken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650
Marknägel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Ergebnisse . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652
Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654

25 Femurschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657
B. L. Norris, P. J. Nowotarski
Übersetzer: C. Michalski, T. Freude, U. Stöckle

Klassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
658 Spezielle Hinweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 660 Neue Techniken . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675
Indikation für die operative Therapie . . 660 Ergebnisse . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 660 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676
Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . 660 Neue Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . 679
Chirurgische Techniken . . . . . . . . . . . . . . . 661

26 Distale Femurfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 682


P. J. Kregor, M. Zlowodzki
Übersetzer: F. Martetschläger, T. Freude, U. Stöckle

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 Operative Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 686


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 683 Operative Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . 691
Indikationen für die operative Nachbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
685 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 711
Inhaltsverzeichnis XXVII

27 Patellafrakturen und Verletzungen des


Kniegelenkstreckapparats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716
G. V. Russell, R. K. Mehrle
Übersetzer: C. Wagner

Patellafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Verletzungen des


Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716 Kniegelenkstreckapparats . . . . . . . . . . . . 731
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 718 Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 732
Indikationen zur operativen Therapie . . . . 719 Indikationen zur operativen Therapie . . . . 732
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 732
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730

28 Knieluxationen und Bandverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741


J. P. Stannard, R. C. Schenck Jr.
Übersetzer: C. Frank

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Immobilisierung im Fixateur externe . . . . 755


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 743 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756
Indikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757
Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 743 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760
Indikationen für die chirurgische Rekonstruktion versus konservative
Behandlung und Behandlungsschema . 744 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
Chirurgische Behandlung . . . . . . . . . . . . . 745 Bewegungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761
Posteromedialer Zugang zum Knie . . . . . . 746 Instabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762
Posterolateraler Zugang zum Knie . . . . . . 747 Wiedereinstieg ins Berufsleben . . . . . . . . . 763
Hintere Kreuzbandrekonstruktion . . . . . . 749 Wiederaufnahme von Sport oder
Modifizierte Doppelbündelrekonstruktion Freizeitaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763
der posterolateralen Ecke . . . . . . . . . . . . . 753 Ergebnis-Scores . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763
Rekonstruktion des posteromedialen Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764
Komplexes (Simple Loop) . . . . . . . . . . . . . 754 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 764

29 Tibiakopffrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770
J. P. Stannard, S. L. Martin
Übersetzer: C. Frank

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 770 Operationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 778


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 772 Rehabilitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 792
Indikationen für die chirurgische Luxationsfraktur des Knies . . . . . . . . . . . . 794
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
774 Neue Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 794
Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 775 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 796
Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . 775 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797
Chirurgische Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . 776
XXVIII Inhaltsverzeichnis

30 Tibiaschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801
F. D. Shuler, W. T. Obremskey
Übersetzer: P. A. Grützner

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 801 Neuere Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820


Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . 802 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821
Technik für die nichtoperative Behandlung Extremitätenerhalt versus Amputation . . . 822
von Tibiaschaftfrakturen . . . . . . . . . . . . . . 802 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823
Indikationen für die chirurgische Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 804 Anteriorer Knieschmerz nach
Chirurgische Behandlung . . . . . . . . . . . . . 805 intramedullären Osteosyntheseverfahren . 823
Chirurgische und radiologische Anatomie 805 Pseudarthrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824
Operationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . 807

31 Distale Tibiafrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 828


S. E. Nork
Übersetzer: P. A. Grützner

Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 828 Chirurgische Zugangswege und


Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . 829 Techniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833
Indikationen für die operative Rehabilitation und postoperatives
Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 831 Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 850
Neuere Behandlungsmethoden . . . . . . . . . 850
Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . 831
Generelle Strategie zur offenen
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 852
Reposition und inneren Fixation . . . . . . . . 831 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 853
Chirurgische Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . 831

32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 857


C. A. Collinge, K. Heier
Übersetzer: J. von Recum

Funktionelle und chirurgische Sprunggelenkfrakturen bei Osteoporose . 875


Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 858 Sprunggelenkfrakturen bei Patienten mit
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 858 Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 875
Frakturbeurteilung und Sprunggelenkluxationen . . . . . . . . . . . . . . 876
Postoperatives Management . . . . . . . . . . . 876
Indikationsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 859
Neue Technologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 876
Indikationen zur operativen Therapie . 861
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862
Wundheilungsstörungen und Infekte . . . . 877
Zeitpunkt der Operation . . . . . . . . . . . . . . 862
Pseudarthrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877
Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862
Fehlverheilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
Implantate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 862
Arthrose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 878
Präoperative Behandlung und Planung . . . 862
Bewegungseinschränkung . . . . . . . . . . . . . 878
OP-Setup . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 863
Symptomatisches Osteosynthesematerial . 878
Isolierte Außenknöchelfrakturen . . . . . . . . 863
Neuropraxie oder Neurome . . . . . . . . . . . . 878
Innenknöchelfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . 865
Osteochondrale Frakturen . . . . . . . . . . . . . 879
Bimalleolarfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 867
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 879
Fraktur des Volkmann-Dreiecks . . . . . . . . 869
Osteochondrale Frakturen . . . . . . . . . . . . . 879
Syndesmosenverletzungen . . . . . . . . . . . . 871
Offene Frakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 874
Inhaltsverzeichnis XXIX

33 Frakturen des Fußes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883


T. G. Weber, D. S. Brokaw, A. Scharfenberger, J. S. Broderick
Übersetzer: J. von Recum

Talusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 Indikationen für eine operative


Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 883 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911
Talushalsfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 884 Operative Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . 911
Taluskorpusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 890 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912
Taluskopffrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 892 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 912
Frakturen des Processus posterior . . . . . . 893 Verletzungen der Lisfranc-Gelenkreihe . 913
Kalkaneusfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913
Primäre Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 895 Indikationen für eine operative
Weichteilmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . 895 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 913
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 896 Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 914
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 898 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917
Indikationen für die operative Therapie . . 900 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 917
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 900 Frakturen der Mittelfußknochen . . . . . . 918
Offene Fersenbeinfrakturen . . . . . . . . . . . . 904 Metatarsale I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 918
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 905 Metatarsale II–IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 919
Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 907 Metatarsale V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 919
Navikularefrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 Metatarsophalangealgelenk-
Klassifikation der Navikularefrakturen . . . 908 verletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 920
Konservative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . 908 MTP-1-Gelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 920
Indikationen zur operativen Therapie . . . . 908 MTP-2- bis -5-Gelenke . . . . . . . . . . . . . . . 921
Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 909 Zehenfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921
Komplikationen und Ergebnisse . . . . . . . . 910 Großzehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921
Kuboidfrakturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911 Kleinzehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 921
Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 911 MTP-2- bis -5-Gelenke . . . . . . . . . . . . . . . 921
Konservative Behandlung . . . . . . . . . . . . . 911

34 Der schwerverletzte Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925


E. J. Mitchell, P. J. Kregor, A. H. Schmidt
Übersetzer: C. Kühne

Untersuchung des schwerverletzten Damage Control Orthopaedics (DCO) . . . . 932


Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 925 Besonderheiten beim Schädel-Hirn-
Physiologische Veränderungen nach Trauma-Patienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934
Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 934
Systemisches TraumaNetzwerk DGU . . . . . . . . . . . . . . . 936
Inflammationsreaktionssyndrom (SIRS) . . 926 Fallvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937
Multiorganversagen (MOV) . . . . . . . . . . . . 927 Fallbeispiel 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 937
Frakturversorgung und SIRS – Fallbeispiel 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 940
Second Hit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 928 Fallbeispiel 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941
Prioritätenadaptiertes Fallbeispiel 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 941
Behandlungsmanagement . . . . . . . . . . . . 931 Fallbeispiel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 943
Versorgungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . 931 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 944

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 953
XXX Inhaltsverzeichnis
Klassifikation 1

1 Weichteilbehandlung
D. A. Volgas
1

Übersetzer: G. Röderer, F. Gebhard

Die Behandlung und der Umgang mit den Weichteilen Klassifikation


sind häufig die entscheidenden Aspekte der Frakturbe-
handlung. In den Jahrzehnten nach der Entwicklung des Es existieren 2 gängige Klassifikationssysteme zur Eintei-
Konzepts der rigiden knöchernen Fixierung mit anschlie- lung der Weichteilverletzungen. Die Tscherne-Klassifika-
ßender funktioneller Behandlung der betroffenen Extre- tion zur Einteilung der geschlossenen Frakturen wurde
mität haben Unfallchirurgen ihr Augenmerk zunehmend 1982 erstmals beschrieben (9). Diese Klassifikation ba-
von der reinen Frakturversorgung auf die Behandlung der siert auf einer relativ subjektiven Beschreibung des all-
umgebenden Weichteile verlagert. Innovative Konzepte gemeinen Zustands der Weichteile, die wiederum auf der
wie das Less Invasive Stabilization System (LISS; 1–6) klinischen Untersuchung, dem Verletzungsmechanismus
und die minimalinvasive, perkutane Plattenosteosynthe- und dem Schweregrad der Fraktur aufbaut. Die Klassifi-
se (MIPPO = Minimally Invasive Percutaneous Plate Os- kation wird nur bei geschlossenen Frakturen angewen-
teosynthesis; 7, 8) wurden entwickelt und laufend ver- det. Tab. 1.1 beschreibt die Tscherne-Klassifikation. Die
bessert, um den behandelnden Chirurgen die erforderli- Klassifikation ist unweigerlich subjektiv und geht mit
che stabile innere Fixation ohne zusätzliche, iatrogene einer mäßig hohen Interobserver-Variabilität einher, ist
Traumatisierung der umgebenden Weichteile zu ermög- aber dennoch weit verbreitet.
lichen. Die Klassifikation wurde durch die AO (Arbeitsgemein-
Ein Großteil der gängigen Komplikationen sowohl aus schaft für Osteosynthesefragen; 10) weiterentwickelt, um
Sicht des Unfallchirurgen, als auch aus der des Patienten eine objektivere Einteilung vornehmen zu können, wel-
ist mit einem Weichteiltrauma vergesellschaftet. So über- che den Schweregrad der Verletzung der einzelnen Be-
steigt die Häufigkeit von Wundheilungsstörungen oder standteile des Weichteilmantels berücksichtigt. In diesem
tiefen Weichteilinfekten die der verzögerten oder aus- System werden Wunden nach dem Verletzungsausmaß
bleibenden Frakturheilung bei weitem. Zudem fühlen der oberen Gewebeschichten, der Muskulatur und der
sich Unfallchirurgen häufig nicht ausreichend qualifiziert, Sehnen sowie der neurovaskulären Leitungsbahnen klas-
schwere Traumatisierungen der Weichteile adäquat zu sifiziert (Tab. 1.2). Die Klassifikation ist sehr komplex und
behandeln, was auf Mängel in der Aus- und Weiterbil- in der Praxis schwierig anzuwenden, jedoch regt sie den
dung zurückgeführt werden kann. Das vorliegende Kapi- Unfallchirurgen dazu an, den Weichteilschaden systema-
tel behandelt den anatomischen Aufbau der Haut, der tisch zu betrachten.
darunter liegenden Weichteile und des Knochens; Bei der Behandlung eines Patienten mit Weichteilver-
zudem werden Behandlungstechniken vorgestellt, die letzung ist es weniger entscheidend, die Wunde exakt zu
helfen können, den verletzten und zugleich enorm wich- klassifizieren als vielmehr diese genau zu untersuchen,
tigen Weichteilmantel zu schützen sowie auftretende die Weichteile in ihrer Gesamtheit zu beurteilen und
Komplikationen zu behandeln. die chirurgische Therapie angemessen zu planen. Der Un-
fallchirurg sollte das Ausmaß der Verletzung der einzel-
nen Gewebeschicht und deren Einfluss auf die Fraktur-
heilung abschätzen.

Tab. 1.1 Einteilung der geschlossenen Fraktur nach Tscherne.


Grad 0 Grad I Grad II Grad III
minimale oder unbedeutende einfache oder mittelschwere einfaches bis schweres Frak- ausgedehnte Trümmerzo-
Weichteilverletzung Fraktur turmuster nen, Hochrasanztrauma
einfaches Frakturmuster moderate Schwellung, Häma- deutliche Weichteilschwellung manifestes Kompartment-
tom, oberflächliche Schür- und tiefe, kontaminierte Haut- syndrom, das einer Dekom-
fung, Kontusion durch Frag- abschürfungen, lokale Kon- pression bedarf
mentdruck tusion, drohendes Kompart-
mentsyndrom
2 1 Weichteilbehandlung

Tab. 1.2 AO-Klassifikation der Weichteilverletzung.


Geschlossene Haut- Offene Hautläsion (IO) Muskel/-Sehnenverletzung Neurovaskuläre Verletzun-
1 verletzung (IC) (MT) gen (NV)
IC 1 = keine Hautverletzung IO 1 = Perforation der Haut MT 1 = keine Muskelverletzung NV 1 = keine neurovaskuläre
von innen nach außen Verletzung
IC 2 = keine Risswunde, IO 2 = Perforation der Haut MT 2 = umschriebene Muskel- NV 2 = isolierte Verletzung
Kontusion von außen nach innen < 5 cm, verletzung unter Beteiligung von Nerven
kontusionierte Ränder eines Kompartimentes
IC 3 = umschriebene IO 3 = Perforation der Haut MT 3 = ausgedehnte Muskel- NV 3 = umschriebene Gefäß-
Ablederung von außen nach innen über verletzung, zwei Komparti- verletzung
5 cm, zunehmende Kontu- mente
sion, avitale Wundränder
IC 4 = großflächige, IO 4 = ausgedehnte Kontusion MT 4 = Muskeldefekt, Sehnen- NV 4 = ausgedehnte segmen-
geschlossene Ablederung aller Schichten, Erosio, aus- ruptur, ausgedehnte Muskel- tale Gefäßverletzung
gedehnte Erosionen, groß- kontusion
flächige offene Ablederung,
Hautverlust
IC 5 = nekrotische MT 5 = Kompartmentsyn- NV 5 = kombinierte neurovas-
Kontusionsmarken drom/ Crushsyndrom mit kuläre Verletzung einschließ-
großflächiger Verletzungs- lich subtotaler oder totaler
zone Amputation

Konservative Therapie Lärmbelästigung während des Aufpumpens und Ablas-


sens der Luft nicht immer gut angenommen.
Das Hauptaugenmerk bei der konservativen Therapie von Die Behandlung von Spannungsblasen ist zu gleichen
Weichteilschäden wird auf abschwellende Maßnahmen Teilen auf Tradition und Wissenschaft begründet. Span-
und die Vermeidung weiterer Schädigungen gelegt. In nungsblasen entstehen durch eine Ablösung der Dermis
den meisten Fällen beinhaltet dies die Immobilisation von der Epidermis. Blutblasen betreffen im Vergleich
und Hochlagerung. Bei geschlossenen Frakturen mit ge- hierzu tiefere Gewebeschichten. Giordano et al. führten
ringem Weichteilschaden sind diese Maßnahmen häufig histologische Untersuchungen an Spannungsblasen durch
ausreichend. Hierbei muss der Chirurg jedoch die Dyna- und konnten zeigen, dass zwischen serösen und blutge-
mik der Wunde mit einbeziehen, um die weitere Ent- füllten Spannungsblasen wenig Unterschiede bestehen
wicklung einschätzen zu können. Dies sind zum größten mit der Ausnahme, dass sich in Blutblasen mehr epithe-
Teil Erfahrungswerte. Sie umfassen den Verletzungs- liale Zellen finden ließen (16). Zudem schien bei keinem
mechanismus und die hierbei einwirkende Kraft, indivi- der beiden Blasentypen eine Verletzung der Dermis im
duelle Faktoren des Patienten (Raucher, Alter, Diabetes, Bereich des Blasengrunds oder den umgebenden Weich-
Compliance etc.) und die knöcherne Verletzung. Eine teilen vorzuliegen. Obwohl viele Unfallchirurgen eigene
Wunde, die durch ein Hochrasanztrauma (Motorrad- Standards für die Behandlung von Spannungsblasen an-
unfall, Anpralltrauma etc.) verursacht wurde, schwillt so- wenden, konnten Giordano und Koval in einer prospekti-
fort stark an, und die Schwellung wird in den darauf ven Studie zeigen, dass hinsichtlich Infektionsrate und
folgenden 3 – 5 Tagen weiter zunehmen, bevor sie sich Wundheilungsstörung zwischen dem Abtragen von Span-
zurückbildet. Ebenso kann es bei einem Patienten mit nungsblasen und der lokalen Behandlung mit silberhalti-
einem relativ niedrigenergetischen Trauma, wie z. B. bei gen Präparaten bei Belassen der Blasen kein Unterschied
einer geschlossenen Sprunggelenksfraktur, zu einer besteht (17).
Schwellung mit Spannungsblasen im Verlauf kommen,
weil nicht adäquat hochgelagert wird.
Hilfsmittel zur pneumatischen Kompression verkürzen
Operative Therapie
die Schwellungsphase bei Frakturen der unteren Extre-
mität (11–15). Der postulierte Wirkmechanismus dieser
Indikationen
Hilfsmittel ist eine Stimulierung des venösen Abflusses
der unteren Extremität. Nach unserer Erfahrung werden Es existieren klare Indikationen für die chirurgische Be-
diese Hilfsmittel jedoch vom Patienten trotz Fortschritten handlung von Frakturen. Ein gewisser Dissens besteht bei
in der Verminderung bzw. Vermeidung von Schwellun- der Behandlung von Frakturen mit leichtem Weichteil-
gen aufgrund von Schmerzen und einer konstanten schaden, wie beispielsweise einer I° offenen Sprung-
gelenksfraktur. Einige Unfallchirurgen vertreten die An-
Operative Therapie 3

Hautlappen

einzelne
Perforatorvene Faszie
Faszie mehrere Perforatoren

fasziokutane
Perforatoren

Septum

tiefe Gefäße

Abb. 1.1 Fasziokutaner Lappen mit Darstellung der Perforansgefäße.

sicht, dass ein gründliches, oberflächliches Wunddébri- lateral


dement im Rahmen der Notfallversorgung in der Ambu-
lanz angemessen ist. Andere sind der Meinung, dass alle
medial
offenen Frakturen unter OP-Bedingungen zu débridieren
sind. Es existiert wenig Literatur, die die Behandlung sol-
cher Frakturen in der Ambulanz befürwortet. In der Regel Gefäßversor-
erfolgt das Débridement im OP. Ist die Wunde jedoch gungsbereich
stark verschmutzt, die Erstversorgung nur verspätet der A. saphena
möglich oder finden sich Fremdkörper in der Wunde,
Gefäßversorgungs-
sollte das initiale Débridement in jedem Fall im OP erfol- bereich der A. peronaea
gen. Die lokale Anwendung von Antibiotika bei offenen
Wunden wurde im Rahmen von wehrmedizinischen Stu-
dien untersucht. Im Krieg oder anderen Katastrophensze-
narien kann sowohl die i. v. als auch die lokale Gabe von
Antibiotika von Vorteil sein. Jedoch sollte dies nicht die
Rolle eines adäquaten chirurgischen Débridements mit
distale Fibula
Stabilisierung der Fraktur als Erstmaßnahme ersetzen.

Anatomie
Das blutversorgende System der Haut weist eine große
Variabilität auf. Allen Formen gemeinsam ist, dass die
Haut der Extremitäten von Blutgefäßen versorgt wird,
die Senkrecht zu den arteriellen Gefäßen verlaufen (18,
19). Im Gegensatz zur Muskulatur, die ihre Blutversor-
gung von dem Längsverlauf der Muskulatur folgenden Abb. 1.2 Gefäßversorgung der Haut der unteren Extremität.
Gefäßen erhält, wird die Haut von senkrecht perforieren-
den Gefäßen versorgt, die wiederum den längs verlaufen-
den Arterien, die in der Muskulatur oder den tiefen Fas- dermalen Blutverlust einschränken und somit zu den ty-
zien verlaufen, entspringen (Abb. 1.1). Die Endstrecke der pischen Hautnekrosen einer Morel-Lavallée-Verletzung
Hautgefäße verläuft mitunter kurzstreckig in der Dermis. führen. Als Faustregel gilt, dass Hautbezirke, unter
Dies führt dazu, dass Verletzungen, die zu einer Ablösung denen sich wenig Muskulatur befindet von längs verlau-
der Dermis von der darunter liegenden Faszie führen, den fenden Gefäßen versorgt werden, während in Arealen
4 1 Weichteilbehandlung

mit größerer Muskelmasse die Haut über senkrecht per- ßend mit einigen Litern Flüssigkeit zu spülen, stellt keine
forierende Gefäße versorgt wird. adäquate Spülung und Débridement der Wunde dar. Viel-
1 Verschiedene Perfusionsgebiete im Bereich der unteren mehr muss der Operateur gezielt Nekrosen aufsuchen
Extremitäten sind beschrieben worden. Haertsch führte und diese gemeinsam mit Fremdmaterial entfernen.
Kontrastmitteluntersuchungen an anatomischen Präpara- Dies sollte sorgfältig durchgeführt werden, um auf der
ten der unteren Extremitäten durch (18). Er fand um- anderen Seite ein zusätzliches iatrogenes Trauma der
schriebene Versorgungsgebiete der Haut durch die Aa. Weichteile als Folge eines übermäßig aggressiven Débri-
saphena und fibularis (Abb. 1.2). dements zu vermeiden. Wenn sämtliche Nekrosen im
Wundbereich entfernt worden sind, sollte die Wunde ge-
spült werden. Der zweite Fehler ist, dass das Débride-
Erstversorgung
ment von avitalen oder fraglich vitalen Gewebeanteilen
Die Anwendung einer Jet Lavage bei der Versorgung of- ungenügend durchgeführt wird aus Angst, die Wunde
fener Frakturen führt zu einer Verminderung der bakte- später nicht mehr verschließen zu können. Auch dieser
riellen Kontamination und der Infektionsrate, wie in der Fehler tritt häufiger bei weniger erfahrenen Unfallchirur-
Literatur mehrfach gezeigt werden konnte (20–22). Die gen auf. Der korrekte Ansatz ist, die Wunde adäquat und
Auswirkung der Jet Lavage auf die Frakturheilung wurde zunächst einmal unabhängig davon, wie sie später einmal
jedoch erst in letzter Zeit untersucht. Adili et al. konnten verschlossen oder gedeckt werden kann zu débridieren.
am Rattenmodell zeigen, dass die Jet Lavage in den ersten Die Methode des Vakuumschaumverbands bietet heute
3 Wochen einen signifikant negativen Effekt auf die Fes- die Möglichkeit, nahezu jede Wunde temporär zu schlie-
tigkeit des Kallus hatte, welcher nach 6 Wochen jedoch ßen.
vernachlässigbar war (23). Ähnliche Ergebnisse erzielten
Dirsch et al., die zeigen konnten, dass die Jet Lavage die
Präoperative Überlegungen
Frakturheilung im Kaninchenmodell in der Frühphase
eher beeinträchtigt (24). 2 Wochen nach der Verletzung Die präoperative Planung ist für den Erfolg von weichteil-
konnte dieser negative Einfluss auf die Kallusbildung deckenden Maßnahmen entscheidend. In die Überlegun-
nicht mehr nachgewiesen werden. Weil die Jet Lavage gen mit einbezogen werden sollte
die bakterielle Kontamination effektiver vermindert als ■ die Art und die Beschaffenheit des Defekts einschließ-

eine einfache Spritze, wird sie meistens zur Spülung bei lich Größe und Lokalisation sowie der Zustand der an-
offenen Frakturen verwendet. grenzenden Weichteile,
Zeitpunkt der Spülung und die Spüllösung beeinflus- ■ ob eine plastische Maßnahme grundsätzlich durch-

sen möglicherweise die Frakturheilung. Park et al. fanden führbar ist,


heraus, dass Kaninchen, bei denen eine Osteotomie an 3 ■ die Art der Lappenplastik,

aufeinander folgenden Tagen mittels Lavage gespült wur- ■ die technischen Voraussetzungen,

de, keinen Kallus bildeten (25). Die Tiere, bei denen eine ■ die postoperative Nachbehandlung einer Lappenplas-

Lavage am 3. und 4. Tag nach Osteotomie erfolgte, bilde- tik.


ten weniger Kallus als jene, bei denen keine Lavage
durchgeführt wurde. Bhandari et al. berichteten, dass Weitere Faktoren, wie Alter des Patienten, Nikotinabusus,
eine Jet Lavage mit niedrigem Druck weniger Schäden chronische oder akute Osteomyelitis und Systemerkran-
am Knochen verursacht, als eine Hochdrucklavage und kungen können weiteren Einfluss auf die Auswahl des
dennoch eine effektive Dekontamination 3 Stunden Wundverschlusses bzw. der Wunddeckung haben.
nach bakterieller Beimpfung erreicht (26). Jedoch konnte
auch festgestellt werden, dass die Niedrigdrucklavage 6 Untersuchung des Weichteildefekts
Stunden nach bakterieller Beimpfung keine effektive De-
kontamination des Knochens mehr bewirkte. In einer Die Wunde sollte am narkotisierten Patienten untersucht
weiteren Studie wurde gezeigt, dass eine seifenhaltige werden, um deren ganzes Ausmaß zu erfassen. Der Ope-
Lösung in Verbindung mit einer Niedrigdrucklavage zu rateur sollte versuchen, die „Dynamik“ der Wunde abzu-
einer effektiveren bakteriellen Dekontamination führte schätzen (27). Die Dynamik der Wunde wird anhand wie-
und weniger Nebenwirkungen auf die Frakturheilung derholter Untersuchungen und der hierauf basierenden
hatte, als eine jodhaltige oder chlorhexadingluconathalti- Vorhersage des weiteren Verlaufs bestimmt. Eine
ge Lösung (20). Wunde mit kleinem Oberflächendefekt beispielsweise,
Obwohl viele Unfallchirurgen die Spülung und das Dé- aber tiefer Ekchymose der umgebenden Haut und Kon-
bridement einer Wunde als einfache chirurgische Maß- tusion der darunter liegenden Muskulatur am Tag 1, kann
nahme ansehen, werden hierbei häufig zwei Fehler be- zu einer Nekrose sämtlicher Hautschichten am Tag 3, bis
gangen. Erstens neigen vor allen Dingen weniger erfahre- hin zu tiefen Muskelnekrosen am Tag 5 führen. Ebenso
ne Unfallchirurgen dazu, eine gewisse Nachlässigkeit ge- kann eine Wunde, die zunächst regelrecht heilt und dies
genüber dieser Maßnahme walten zu lassen. Einen schar- im weiteren Verlauf dann verzögert tut, Hinweis darauf
fen Löffel lediglich in die Wunde zu halten und anschlie- geben, dass die Eigenkapazität der Weichteile zur Heilung
Operative Therapie 5

ausgeschöpft ist. Zeigt eine Wunde eine plötzliche Ände- bleibt unauffällig bis zum Auftreten von deutlichen Ne-
rung ihrer Beschaffenheit hinsichtlich des Anteils an vi- krosen und ist daher erst in der Spätphase zielführend.
talen Gewebeanteilen, sollte die endgültige Deckung hin- Die Blutungsneigung (Capacity to bleed) ist ebenfalls ein 1
ten angestellt werden, bis hierzu vollständig geeignete weniger verlässliches Anzeichen, da Muskulatur mit
Weichteilverhältnisse vorliegen. schwerer Zerreissung von Muskelkapillaren als Folge der
Die Herangehensweise an die Wunde sollte systema- Freisetzung eines intramuskulären Hämatoms initial blu-
tisch erfolgen und mit einer Beurteilung der Haut begin- ten kann. Andere Methoden zur Bestimmung der Vitalität
nen. Vitale Haut weist eine ausreichende subkutane Ge- von Muskelgewebe, wie z. B. der Laserdoppler haben le-
webeschicht auf, die fest mit der Dermis verbunden ist. diglich einen wissenschaftlichen Stellenwert und sind für
Haut, die deutliche Einblutungen im Bereich des subkuta- den Routineeinsatz im klinischen Alltag nicht geeignet
nen Fettgewebes zeigt, ist gefährdet. Haut, die vom sub- (28–30).
kutanen Fettgewebe abgelöst wurde, wird höchstwahr- Das Periost sollte genau untersucht werden. Eingeblu-
scheinlich im Verlauf nekrotisch werden und kann tetes Periost weist auf schwerwiegendere Verletzungen
daher initial débridiert werden. Tief kontaminierte Haut hin, muss aber nicht zwingend exzidiert werden. Ist das
sollte entfernt werden, da eine gründliche Dekontamina- übrige Periost intakt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die
tion auf der einen Seite nicht ohne signifikante, iatrogene verletzten Anteile überleben groß. Periostanteile, die je-
Schädigungen der Haut auf der anderen Seite erfolgen doch von der darüber liegenden Muskulatur und dem
kann. Krusten können gelegentlich zunächst im Sinne übrigen Periostschlauch abgelöst sind, können entfernt
einer „biologischen Wundabdeckung“ belassen werden, werden, da sie zur Versorgung des Knochens kaum noch
vorausgesetzt, diese sind klein und es findet sich darun- beitragen werden. Sehnenscheiden sind für eine Deckung
ter vitale Muskulatur. Die tieferen Gewebeschichten sol- mit Meshgraft nur dann geeignet, wenn auf ihnen bereits
len hierbei die Granulation fördern und eine Neubildung ausreichend Granulationsgewebe vorhanden ist. Eine di-
von Epithel, beginnend unterhalb der Kruste bewirken. rekte Deckung der Sehnenscheide mit Meshgraft ist kont-
Areale von mehr als ca. 5 cm2 brauchen zu lange, um raindiziert, da diese auf dem relativ schlecht durchblute-
auf diese Weise zu heilen und sollten daher exzidiert ten Sehnengewebe nicht angeht.
werden. Häufig sind die subkutanen Schichten von den Die Größe und die Lokalisation eines Weichteildefektes
darunter liegenden Faszien abgelöst. Finden sich im sub- sind wichtige Faktoren beim Abwägen verschiedener Op-
kutanen Fettgewebe keine Einblutungen, kann dieses be- tionen zur Deckung. Meshgrafts kontrahieren mit der
lassen werden, wobei sich größere solcher Areal häufig Zeit, weswegen sie im Bereich großer Gelenke weniger
ablösen. gut geeignet sind, insbesondere, wenn diese einen gro-
Muskelgewebe kann mit der Methode der 4 Cs beur- ßen Bewegungsumfang aufweisen. Ähnlich verhält es
teilt werden. Dies ist eine bewährte, wenngleich sehr sich mit freien Lappenplastiken im Bereich der Fuß- und
subjektive Methode zur Beurteilung der Vitalität von Sprunggelenksregion, die aufgrund ihrer Größe das Tra-
Muskelgewebe. Muskulatur sollte die Farbe Rot (Color) gen von Konfektionsschuhwerk unmöglich machen. Nach
haben. Besonderes Augenmerk sollte auf Kontusionsarea- unserer Erfahrung sollten freiliegende Knochenstruktu-
le innerhalb der Muskulatur gelegt werden. Dunkelrot ren mit einem Durchmesser von 2 cm und mehr mit Va-
gefärbte Muskulatur weist auf eine Ruptur kapillarer kuumschaumverband behandelt werden, um die Bildung
Muskelgefäße hin. Diese Muskulatur kann überleben, ist von Granulationsgewebe zu stimulieren.
im Gebrauch als Rotationslappenplastik jedoch äußerst Eine sorgfältige Beurteilung des Zustands des umge-
riskant. Grau gefärbte Muskulatur ist nekrotisch und soll- benden Gewebes sollte erfolgen. Häufig ist eine Wund-
te entfernt werden, da diese bei anhaltender Infektions- randexzision im Defektbereich in Verbindung mit einer
gefahr als Nährboden dienen kann. Die Kontraktilität größeren Lappen- oder anderweitigen Plastik besser als
(Contractility) wird zumeist beurteilt, indem man die der Versuch, marginale Gewebeschichten im Defekt-
Muskulatur mit der Spitze des Elektrokoagulators be- bereich zu erhalten.
rührt. Häufig reicht jedoch ein Antippen oder leichtes
Kneifen mit der Pinzette. Vitale Muskulatur sollte sich Untersuchung der Entnahmestelle
kontrahieren, wenn diese direkt stimuliert wird, auch
wenn ein depolarisierendes Anästhetikum verwendet Wenn ein Hauttransplantat oder ein Lappen für die De-
wird oder eine Spinalanästhesie vorliegt. Die Kontraktili- fektdeckung ausgewählt wird, sollte präoperativ die Ent-
tät der Muskulatur kann in der ersten Phase nach einem nahmestelle untersucht werden. Besonders bei Rotations-
stumpfen Trauma vermindert sein. Die Beurteilung der lappenplastiken befindet sich das entnommene Gewebe
Vitalität von Muskelgewebe anhand seiner Kontraktilität häufig im Bereich der Verletzung, was die Vitalität der
sollte daher sehr sorgfältig durchgeführt werden. Die Lappenplastik beeinträchtigen kann. Ebenso können Ab-
Konsistenz (Consistency) sollte den meisten Chirurgen schürfungen im Bereich der geplanten Entnahmestelle
vertraut sein. Die Muskulatur sollte eine gute Eigenspan- die Verwendung eines Hauttransplantats vom ipsilatera-
nung haben und sich bei leichter mechanischer Manipu- len Unterschenkel ausschließen. Es wird empfohlen, auf
lation nicht retrahieren. Die Konsistenz der Muskulatur einen Gastroknemius- oder Soleuslappen zu verzichten,
6 1 Weichteilbehandlung

a b

Abb. 1.3 a Das stumpfe Spreizen der Weichteile sollte senk- Spreizen, welches die Haut von der darunter liegenden Faszie
recht und im Verlauf der Hautinzision erfolgen. b Horizontales ablöst, sollte vermieden werden.

wenn eine schwere Trümmerfraktur der Tibia vorliegt re dem Verlauf der Hautinzision folgt und nicht das Sub-
(31). kutangewebe von der darunter liegenden Faszie abgelöst
und zusätzliche Schichten geschaffen werden (Abb. 1.3).
Wahl der Methode zur Defektdeckung Der Erhalt der Verbindung zwischen Faszie und Haut
schont die Gefäße und verbessert die Heilungstendenz
Die Wahl der Methode zur Deckung von Weichteilverlet- der Haut. Prinzipiell sollten nur solche Strukturen freige-
zungen hängt von der Art der Verletzung und der Schwe- legt werden, deren Präparation zur Versorgung der Frak-
re des Weichteilschadens ab, dem Zustand des Patienten tur erforderlich ist. Bei den meisten derzeit gängigen Im-
sowie den individuellen Voraussetzungen des einzelnen plantaten ist die Platzierung direkt auf dem Periost vor-
Operateurs bzw. Krankenhauses. gesehen; daher sollte dieses geschont werden, wann
immer es möglich ist.
Zeitpunkt der Defektdeckung
Frakturreposition
Der Zeitpunkt, zu dem die Deckung eines Weichteilde-
fekts erfolgen sollte, hängt von einer Reihe von Faktoren Intraartikuläre Frakturen können durch direkten Zugang
ab. Ein exzellenter Überblick über die diesbezügliche Li- zur Fraktur reponiert werden. Abb. 1.4 zeigt die Gelenk-
teratur, findet sich in dem Artikel von Weitz-Marshall u. flächenrekonstruktion einer zentral imprimierten Frak-
Bosse (32). tur, die die interne Stabilisierung in Verbindung mit
Idealerweise sollte die kontaminierte Wunde im Ver- einer Spongiosaplastik über minimale Weichteilpräpara-
lauf in eine saubere Wunde mit vitalem Grund überführt tion erlaubt. Dies wird durch eine Hautinzision ermög-
werden. Häufig kann dies bereits im Rahmen des initia- licht, die sich an einer kortikalen Frakturlinie orientiert,
len Débridements erreicht werden; der endgültige worüber dann die Gelenkflächenrekonstruktion möglich
Wundverschluss sollte unter keinen Umständen vor Er- ist. Das kortikale Fragment wird hierbei weggeklappt und
reichen dieses Stadiums erfolgen. Stark kontaminierte das imprimierte Gelenkflächenfragment reponiert. In
Wunden, landwirtschaftliche Verletzungen, Schussverlet- den verbleibenden metaphysären Defekt wird Spongiosa
zungen, Stromverletzungen und Wasserverletzungen eingebracht. Das kortikale Fragment wird dann wieder
sollten generell initial débridiert und nicht vor Ablauf reponiert und mittels einer perkutanen Schraube stabili-
von 48 – 72 Stunden sekundär verschlossen werden. siert, alternativ kann eine perkutane Plattenosteosynthe-
se erfolgen.
Chirurgische Techniken
Indirekte Reposition
Längs verlaufende Präparation
Die indirekte Reposition („no touch technique“) ist bei
Bei der längs verlaufenden Präparation sollte man sich der Versorgung von Kalkaneusfrakturen weit verbreitet.
vergegenwärtigen, dass die Haut ihre Blutversorgung Über einen lateralen Zugang wird der Kalkaneus dar-
größtenteils durch Perforansgefäße erhält und weniger gestellt und Kirschner-Drähte als Retraktoren für den
durch längs verlaufende Gefäße. Daher sollte die Präpara- weiteren Verlauf der Operation in die Fibula und den
tion so erfolgen, dass das stumpfe Spreizen mit der Sche- Talushals platziert. Diese Technik reduziert die iatrogene
Operative Therapie 7

A. + V. tibialis anterior Abb. 1.4 Trümmerfraktur der distalen Tibia.


Sehne des
M. extensor a Über den kortikalen Verlauf der Fraktur
M. tibialis anterior 1
digitorum longus b gelangt man mit minimaler Weichteilmanipulation zu
den impaktierten Fragmenten der Gelenkfläche.
N. peronaeus,
tiefer Ast

Tibia
Fibula

hintere
Tibiagefäße
a

Tibia

disloziertes
Fragment- Fragment
reposition

Kompromittierung des präparierten Weichteillappens, Exposition auf Kosten späterer Wundheilungsstörungen


indem ein konstanter, aber mäßiger Zug auf denselben zu ermöglichen. Das alte chirurgische Sprichwort „Expo-
ausgeübt wird (Abb. 1.5). Diese Technik kann auch an sition ist der Schlüssel“ steht daher möglicherweise im
anderen Lokalisationen angewendet werden, wie z. B. Gegensatz zu den modernen Konzepten der minimalen
der distalen Tibia. Haken werden nur im Bereich der Weichteilpräparation. Es besteht ein feines Gleichgewicht
Haut angewendet bis Kirschner-Drähte gesetzt werden, zwischen ungenügender Weichteilpräparation und dem
die dann die Weichteile retrahieren. Der Gebrauch von übermäßigen Gebrauch von Wundhaken, um die Exposi-
chirurgischen Pinzetten im Bereich dünner Hautlappen tion zu verbessern. Wenn Haken angewendet werden,
sollte vermieden werden. Besonderes Augenmerk sollte sollte der Zug daran vermindert werden, wenn z. B. auf
auf die Intensität und Dauer der Retraktion gelegt wer- Instrumente für den nächsten Schritt der Operation ge-
den. Häufig wird der Zug am Haken im Laufe der Opera- wartet wird.
tion durch den Assistenten erhöht, um eine sehr gute
8 1 Weichteilbehandlung

Häufig kann man den muskulotendinösen Übergang an


der gesunden Seite palpieren.
1
N. peronaeus
superficialis Kontraindikationen
Pl Sehne des M. Schwere Trümmerfrakturen der Tibia mit Verkürzung,
Pb peronaeus brevis mit Verbrennungen mit elektrischem Strom sowie schwere
N. suralis Pins zurückgehalten Weichteilverletzung im Bereich der Poplitea oder der
Wade.
in der Fibula
Talus
Fibula im Talus Blutversorgung
Jeder Kopf des M. gastrocnemius wird von einer suralen
Arterie versorgt, die proximal des Kniegelenks in den
Muskel eintritt.
Fersenbein

Operationstechnik
Der Patient wird auf dem Rücken gelagert. Ein Débride-
ment des Defekts sollte erfolgen, um nekrotische oder
putride Gewebeanteile zu entfernen, bevor der Versuch
im Fersenbein einer Deckung unternommen wird. Bei Infektionen oder
starker Verschmutzung können lokale Antibiotikaträger
Abb. 1.5 „No touch“-Technik der Weichteilretraktion bei der unter den Lappen platziert werden. Mit Beginn der Ope-
Versorgung einer Kalkaneusfraktur. Pb = M. peronaeus brevis; ration sollte eine Blutsperre angelegt werden. Eine längs
Pl = M. peronaeus longus. verlaufende Hautinzision wird durchgeführt, die 2 cm
proximal des Kniegelenks beginnt und bis zum muskulo-
tendinösen Übergang der Achillessehne verläuft
Trotz größter Sorgfalt im Umgang mit Weichteilen kön- (Abb. 1.6). Die Inzision befindet sich mittig im posterioren
nen und werden Probleme auftreten. Der nächste Ab- Aspekt der Tibia bzw. der Wade. Das subkutane Gewebe
schnitt behandelt chirurgische Therapiemöglichkeiten wird mit der Metzenbaum-Schere gespreizt unter Scho-
von Weichteildefekten. nung der V. bzw. des N. saphenus. Die Muskelfaszie wird
dargestellt und inzidiert. Die Schicht zwischen dem M.
Freie Muskellappen soleus und dem M. gastrocnemius kann nun problemlos
dargestellt werden. Der Gastroknemius wird vom Soleus
Freie Muskeltransfers sind weiterhin der Standard in der und der darüber liegenden Faszie stumpf abgelöst. In die-
Behandlung großer oder distal gelegener Wunden. Sie sem Bereich finden sich Perforansarterien, die den M.
erfordern Erfahrung und eine spezielle mikrochirurgische soleus penetrieren und sekundär den M. gastrocnemius
Ausbildung und übersteigen daher den Rahmen dieses versorgen. Diese Gefäße markieren den Übergang zwi-
Buches. schen dem medialen und dem lateralen Anteil des M.
gastrocnemius und sollten erhalten werden.
Die Schicht zwischen dem M. gastrocnemius und dem
Gastroknemiuslappen (Video 1-1, DVD 1) M. soleus sollte nach distal bis zum gemeinsamen Über-
gang in die Achillessehne präpariert werden. Hier wird
Indikationen
dann der mediale Anteil des M. gastrocnemius schräg mit
Der Gastroknemiuslappen kann verwendet werden, um dem Skalpell abgesetzt (Abb. 1.7). Durch stumpfes Sprei-
Weichteildefekte über dem medialen, lateralen und ante- zen im Faserverlauf bis in Höhe des Kniegelenks wird der
rioren Aspekt der proximalen Tibia zu decken. Bei Ent- M. gastrocnemius gesplittet. Der Nerv, der die A. suralis
nahme von medial kann der Lappen zur Deckung eines bei ihrem proximalen Eintritt in den Muskel begleitet,
Areals beginnend am oberen Patellapol bis ca. 2 cm distal wird gespalten, um Inzidenz und Schweregrad von post-
der Tuberositas tibiae verwendet werden. Bei Entnahme operativen Muskelkrämpfen zu vermindern. Eine schräg
von lateral ist das zu deckende Areal etwas kleiner, da der verlaufende Hautinzision erfolgt vom proximalen Ende
Lappen um die Fibula herum geschwenkt werden muss. der längs verlaufenden Inzision bis zum Defekt, um eine
Beträchtliche interindividuelle Variationen in der Länge Rotation des Muskels in den Defekt nach Tunneln unter
des Muskelbauchs können vorkommen. Ebenso kann die der Hautbrücke zu ermöglichen. Mit einem resorbier-
Sehne bei manchen Patienten weit proximal beginnen. baren Faden wird er im Defekt fixiert. Nach Einlegen
Operative Therapie 9

seitl. Ansicht
1

Fibulaköpfchen

M. gastrocnemius

Hautinzision

M. soleus M. peronaeus
longus

Fibulaköpfchen

M. peronaeus
Hautinzision brevis

Abb. 1.6 Hautinzision bei einem Gastroknemiuslappen.

einer Drainage wird die Hautinzision verschlossen. Der


Nachbehandlung
Muskellappen wird mit Spalthaut bedeckt.
Wird ein Gastroknemiuslappen von lateral entnom- Durch posteriores, proximales und distales Polstern wird
men, wird eine ähnliche Technik angewendet. Auf der Druck auf den Lappen vermieden. Patienten beklagen
lateralen Seite muss jedoch äußerste Vorsicht walten, häufig Muskelkrämpfe nach Rotationslappenplastik, wes-
um eine Verletzung des N. peronaeus zu vermeiden. Au- wegen ein Muskelrelaxans, wie z. B. Diazepam in den
ßerdem muss der Lappen um das Fibulaköpfchen herum ersten 2 – 3 Tagen verordnet werden kann. Die Extre-
geschwenkt werden. Diese Faktoren stellen gewisse Limi- mität sollte innerhalb der ersten 2 Wochen hochgelagert
tierungen der Anwendung eines lateralen Gastroknemi- werden. Große Sorgfalt muss darauf gelegt werden, dass
uslappens dar. Der Lappen kann unterhalb des N. pero- einschnürende Verbände oder Gipsschienen, die Druck
naeus hindurchgeführt werden, um seine Reichweite zu auf den Lappen verursachen, vermieden werden. Nach 6
erhöhen. Trägt der Lappen jedoch stark auf, kann dies zu Wochen kann der Lappen auf der gegenüberliegenden
einer Läsion des N. peronaeus führen. Seite seines Stieles angehoben werden, um lokale Anti-
biotikaträger zu entfernen oder eine Spongiosaplastik
durchzuführen, falls erforderlich. Nach einem Jahr
nimmt man an, dass die Kollateralenbildung des Lappens
ausreichend ist, um diesen von beiden Seiten anzuheben,
10 1 Weichteilbehandlung

N. tibialis Operationstechnik
1 Nach Auswickeln des Beines wird eine Blutsperre ange-
A.+ V. legt. Eine längs verlaufende Inzision erfolgt von 2 cm pro-
Fibulaköpfchen
poplitea ximal des Kniegelenks bis zum muskulotendinösen Über-
N. peronaeus,
gang der Achillessehne. Die Inzision befindet sich mittig
A. peronaea
im posterioren Bereich der Tibia und der Wade (Abb. 1.8).
M. soleus Das subkutane Gewebe wird mit der Metzenbaum-Schere
medialer
Kopf des unter Erhalt der V. und des N. saphenus gespreizt. Die
M. gastro- Muskelfaszie wird dargestellt und inzidiert. Die Schicht
cnemius oberflächliche zwischen dem M. soleus und dem M. gastrocnemius
Faszie kann nun problemlos dargestellt werden. Der M. soleus
lateraler
Kopf des wird vom M. gastrocnemius und der darüber liegende
M. gastro- Faszie stumpf abgelöst. In diesem Bereich finden sich Per-
cnemius foransarterien, die den M. soleus penetrieren und versor-
gen. Diese Gefäße markieren den Übergang zwischen
dem medialen und dem lateralen Anteil des M. soleus
und sollten erhalten werden. Die Schicht zwischen dem
M. soleus und dem M. gastrocnemius wird bis zu ihrem
gemeinsamen Übergang in die Achillessehne präpariert
(Abb. 1.9). Dort wird dann der mediale Anteil des M. so-
leus schräg mit dem Skalpell abgesetzt. Durch stumpfes
Spreizen im Faserverlauf wird der M. soleus bis zum
Achillessehne Kniegelenk gesplittet. Der Muskelbauch wird dann nach
ventral in den Defekt rotiert. In diesem wird er mit einem
resorbierbarem Faden fixiert. Nach Einlegen einer Drai-
nage wird die Hautinzision verschlossen. Der Muskellap-
pen wird mit Spalthaut bedeckt.

Nachbehandlung
Abb. 1.7 Scharfes Absetzen und Splitten des lateralen Kopfes
des M. gastrocnemius. Durch proximales und distales Polstern wird Druck auf
den Lappen vermieden. Patienten beklagen nach Rotati-
onslappenplastiken häufig Muskelkrämpfe, weswegen
ein Muskelrelaxans, wie z. B. Diazepam, in den ersten
falls dies erforderlich ist. Wenn möglich sollte er jedoch 2 – 3 Tagen verordnet werden kann.
weiterhin gegenüber seinem Stiel angehoben werden.

Suralislappen (Video 1-3, DVD 1)


Soleuslappen (Video 1-2, DVD 1)
Indikationen
Indikationen
Defekte bis zu 10 × 15 cm im distalen Drittel der unteren
Der Soleuslappen kann verwendet werden, um Weich- Extremität. Der Lappen kann verwendet werden, um
teildefekte im mittleren Drittel der Tibia zu decken. nach distal Defekte bis zu den Metatarsalia zu decken.

Kontraindikation Kontraindikationen
Schwere Trümmerfrakturen der Tibia mit Verkürzung, Fehlendes Signal der A. suralis in der Dopplerunter-
Verbrennungen mit elektrischem Strom. suchung.

Blutversorgung Operationstechnik
Der M. soleus wird proximal von einem Hauptast der A. Die Wunde wird gründlich débridiert und gespült. Mit
tibialis posterior und den Aa. peroneales versorgt sowie einer Dopplersonde werden die Perforansarterien auf-
von kleineren Ästen, die distal den Muskel perforieren. gesucht, die die A. suralis versorgen. Die am weitesten
Der Muskel kann auch bei Versorgung nur im proximalen distal gelegene, die sich für gewöhnlich 4 – 5 cm proximal
Bereich vital bleiben. und 2 cm posterior der Spitze des Malleolus lateralis be-
Operative Therapie 11

Zugang für die Präparation


(tiefe Faszie)

M. soleus

Hautinzision

M. gastrocnemius

Abb. 1.8 Hautinzision und Präparation eines Soleuslappens.

findet, ist der Drehpunkt für den Lappen. Weitere seg- und putrides Gewebe werden débridiert. Die Haut wird
mentale Perforansgefäße, die sich gewöhnlich ca. 5 – 7 cm über der Hautspindel, die zuvor angezeichnet worden
hiervon entfernt befinden, werden mit der Dopplersonde war, exzidiert. Das subkutane Gewebe kann mit einer
aufgesucht. Das Aufsuchen der segmentalen Perforans- Metzenbaum-Schere gespreizt werden. Die Gefäß-Ner-
gefäße hilft, die A. suralis aufzusuchen, da diese proximal ven-Straße sollte sichtbar auf der Faszie zwischen dem
hiervon beginnt. Ausgehend von 2 cm proximal des am Subkutangewebe und der Muskulatur liegen (Abb. 1.10).
weitesten distal gelegenen Perforansgefäßes wird ein Li- Es muss darauf geachtet werden, dass diese während
neal an den Beginn des Weichteildefekts angelegt. Dies ist der Operation erhalten wird. Eine 2 cm Faszienmanschet-
die Länge des Stieles, die zum Durchführen der Operation te wird mit dem Stiel gehoben (Abb. 1.11). Mit einer klei-
erforderlich ist. Eine Linie, ausgehend von einem Punkt nen Schere wird nach lateral ca. 2 cm proximal des Ge-
2 cm proximal des am weitesten distal gelegenen Per- fäßstiels nach beiden Seiten gespreizt. Mit einer Klemme
foransgefäßes in ihrem Verlauf der A. suralis folgend auf wird ein Vessel-Loop unter der Faszie hindurch gezogen.
einer Länge die der des zuvor ausgemessenen Stieles ent- Es können bis zu 3 oder 4 segmentale Arterien durch das
spricht, wird angezeichnet. Die Länge und die Breite des tiefe Muskelseptum oder die Faszie hindurchtreten, die
Stieles werden abgemessen, und eine Hautspindel wird dann in die A. suralis münden. Diese können ligiert und
angezeichnet, die ungefähr 25 % größer ist als der Defekt, durchtrennt werden, wobei darauf geachtet werden
um dem Schrumpfen des Lappens Rechnung zu tragen. muss, dass die letzte Einmündung, die sich ca. 4 cm pro-
Die Haut wird über dem Stiel inzidiert. Der Patient ximal des Malleolus befindet, erhalten wird. Da die Faszie
befindet sich in Bauchlage. Es muss darauf geachtet wer- 2 cm lateral und medial des Hautstiels angehoben wird,
den, dass knöcherne Vorsprünge gepolstert werden, der kann nun der ganze Stiel angehoben werden. Mit dem
Arm nicht mehr als 90° abduziert wird und kein Druck Skalpell wird die Hautspindel umfahren. Mit diesem
auf die Genitalien oder die Brustwarzen entsteht. Die un- kann bis auf die Faszie präpariert werden. Für gewöhn-
tere Extremität wird ausgewickelt und eine Blutsperre lich finden sich 1 oder 2 Venen, die innerhalb der Haut-
angelegt. Der Weichteildefekt wird gespült, und avitales spindel in die V. suralis münden. Diese können, wenn
12 1 Weichteilbehandlung

medialer Kopf
M. gastrocnemius
1
M. soleus

neurovaskuläres Bündel

tiefe Faszie

tiefe
oberflächl. Faszie
Faszie

Tibia

medialer Kopf des


M. gastrocnemius
M. soleus

Sehne
Finger
neurovaskuläres an der Verbindung
Bündel

Abb. 1.9 Präparieren der Schicht zwischen dem M. soleus und dem M. gastrocnemius.

erforderlich, ligiert werden. Wenn möglich sollten die V.


saphena und die Verbindungen in das surale System er-
halten werden. Mit dem Messer wird bis auf die tiefe
Das Gewebe des
Spenderlappens
Faszie herunter präpariert, welche mit der Schere stumpf
ist in Länge gespreizt wird. Das Gefäß-Nerven-Bündel sollte sich auf
Spender-
und Breite areal der Hautspindel befinden und sich in dessen proximalem
25% größer Zentrum befinden. Gelegentlich verläuft der N. suralis
als der Defekt
getrennt von der A. suralis in der Tiefe. Dies sollte jedoch
kein Grund zur Sorge sein, da es sich hier um eine gän-
A. suralis
gige anatomische Variante handelt. Wenn der Lappen von
N. suralis den darunter liegenden Schichten abgelöst worden ist,
V. saphena kann er in den Defekt rotiert werden. Eine quer oder
parva
schräg verlaufende Inzision wird durchgeführt, um die
Entnahme mit der Empfängerstelle zu verbinden. Die In-
Achillessehne Außenknöchel zision muss nicht unbedingt bis auf die tiefe Faszie erfol-
gen, häufig ist dies jedoch von Vorteil. Der Lappen sollte
nicht unter der Haut getunnelt werden. Häufig findet sich
Kalkaneus N. suralis ein Septum, welches die tiefe Faszie als Teil des Trans-
plantats mit der Achillessehne und deren Sehnenscheide
medial verbindet. Diese Septen müssen im distalen Teil des
Stumpfes sorgfältig gespreizt werden, da sie den Lappen
lateral einschnüren und die Blutversorgung kompromittieren. Es
muss wiederum darauf geachtet werden, dass die am
Abb. 1.10 Darstellen des Gefäß-Nerven-Bündels beim Präpa- weitesten distal gelegene Perforansarterie nicht durch-
rieren eines Suralislappens.
Operative Therapie 13

A. + N. suralis A. peronaea
oberflächliche
Faszie Tibia
1

Fibula

lateraler
Gastroknemius - FHL
kopf M. plantaris
M. peronaeus
M. soleus
longus
Achillessehne
(zum Kalkaneus)
ligierte
kleine
peroneale Gefäße

Faszienmanschette
(2cm)
M. peroneus longus A. suralis,
A. + V. + kleine V. saphena,
N. suralis N. saphenus
2-cm -
Schnittrand
Manschette Abb. 1.11 Heben des Stieles eines Suralislappens.
der ober-
flächlichen
Faszie

Fibula

Defekt

lateral

trennt wird. Ein monofiler Faden (3-0) kann verwendet ■ Der Stiel, der mit Spalthaut bedeckt ist oder auch nicht,
werden, um die Faszie des Lappens an den Grund des wird mit einem nichtklebenden Verband abgedeckt;
Defekts zu nähen. Für gewöhnlich entspricht die Dicke ■ die Inzision für den Stiel und die Spalthaut, die mit
des Lappens nicht genau der des Defekts, weswegen es nichtklebenden Verbänden und einem Vaku-
sehr verbreitet ist, die Hautecken nicht zu fixieren. Trotz- umschaumverband oder einer Wattepolsterung be-
dem führt die tiefe Faszie, die die Wunde verschließt, deckt sind, sollten durch weitere Polsterungen pro-
rasch dazu, dass ein wasserdichter Verschluss vorliegt. ximal und distal des Gefäßstiels so geschont werden,
Wenn die Haut unter Spannung fixiert wird, kommt es dass es zu keiner Ausbildung von Druck auf den Stiel
häufig zu Nekrosen. Die Inzision für den Stiel wird mit kommt, wenn sich der Patient in Rückenlage befindet.
einem Vicrylfaden der Stärke 2-0 und Klammernaht ver-
schlossen. Der Hebedefekt wird mit Spalthaut gedeckt. Mullbinden werden verwendet, um diese Verbände an-
Der wichtigste Aspekt bei dieser Lappenplastik ist, jeg- zuwickeln. Zur Polsterung wird wiederum Watte ver-
lichen Druck auf den Gefäßstiel zu vermeiden. Dies kann wendet, um dann eine Gipsschiene anzulegen. Alternativ
mit einer Schiene erreicht werden, wenn die folgenden kann ein leichter Verband auf die Wunden gelegt und ein
Punkte beachtet werden: Fixateur externe montiert werden, der den Fuß komplett
14 1 Weichteilbehandlung

von der Unterlage abhebt und den Lappen somit über- tendineum transplantiert, kann es sich aufgrund der
brückt. schlechten Durchblutung ablösen oder heilt mit Adhäsio-
1 Eine alternative Technik zur beschriebenen Lappen- nen an die Sehne an, was den Bewegungsumfang eines
plastik besteht darin, lediglich die Faszie mit der A. suralis Gelenks einschränken kann. In diesen Bereichen sollte
zu entnehmen. Letzten Endes ist dies dasselbe wie ein Meshgraft daher mit Vorsicht angewendet werden. Der
fasziokutaner Lappen, der jedoch anstatt mit Haut mit Wundgrund sollte durch ein sorgfältiges Débridement
einem Vakuumschaumverband abgedeckt wird, um die konditioniert werden; wenn sich eine Granulation zeigt,
Bildung von Granulationsgewebe zu fördern und dann sollte diese mit einem scharfen Löffel angefrischt werden,
primär oder sekundär mittels Hauttransplantation ge- um eine oberflächliche Blutung zu erzeugen und, was
deckt zu werden. Auch hierbei muss darauf geachtet wer- noch entscheidender ist, die oberflächliche bakterielle
den, dass Druck im Bereich des Gefäßstiels vermieden Besiedelung zu entfernen. Eine Jet-Lavage sollte zur Rei-
wird. nigung der Wunde verwendet werden.
Am häufigsten wird Meshgraft im Bereich des Unter-
schenkels transplantiert. Die Entnahmestelle sollte vor
Nachbehandlung
Entnehmen des Transplantats rasiert werden. Vorzugs-
Das Bein sollte für 2 Wochen hochgelagert und entlastet weise wird das Transplantat vom lateralen Unterschenkel
werden. Sehr häufig kommt es zu einem Stau des Lap- entnommen, es kann jedoch genauso gut vom dorsalen
pens, da der venöse Abfluss eingeschränkt ist. In den oder anterioren Unterschenkel entnommen werden. Die
allermeisten Fällen gefährdet dies jedoch die Vitalität Entnahmestelle sollte keine Schürfwunden aufweisen.
des Lappens nicht. Im Rahmen der postoperativen Ver- Die Größe des Defekts wird mit einem Lineal ausgemes-
laufskontrollen sollten die Ecken des Lappens daraufhin sen. Hauttransplantate werden in der Regel in einem Ver-
untersucht werden, ob sie angeheilt sind und dass keine hältnis von 1:1,5 gemesht, was bedeutet, dass ein
Sekretionen in diesem Bereich entstehen. Fettgewebe 10 × 5 cm großer Defekt mit einem ca. 11 × 3 cm großen
braucht 2 – 3 Monate, bis es reepithelialisiert ist, es sei Hautstück gedeckt werden kann, wobei in Betracht gezo-
denn, es wird primär mittels Hauttransplantation ge- gen wird, dass es zu einem leichten Verlust der Länge
deckt. Im Laufe der Zeit verschmälert sich die Lappen- kommt, wenn die Breite um das ca. 1,5-fache vergrößert
plastik und das Tragen von Konfektionsschuhwerk wird wird. Die Entnahmestelle wird eingefettet. Während der
möglich. Das Schrumpfen des Lappens bis zu 50 % hin- Entnahme der Haut sollte diese gespannt werden. Das
sichtlich Dicke, Breite und Länge, macht diesen Lappen Dermatom wird auf 0,3 mm eingestellt; die Tiefe kann
besonders geeignet für die Anwendung im Fuß- und bestimmt werden, indem ein Skalpell der Größe 15 zwi-
Sprunggelenksbereich. schen die Klinge des Dermatoms und dessen Führung
platziert wird. Ein Skalpell der Größe 15 sollte leicht hier-
Meshgraft (Video 1-4, DVD 1) durch platziert werden können. Die Lamelle auf der Rück-
seite der Klinge passt hingegen nicht durch. Die korrekte
Die Meshgraft ist der Lastesel der Weichteildeckung. Sie Breite des Dermatoms wird eingestellt. Es sollte berück-
ist relativ einfach in der Handhabung und es lohnt sich, sichtigt werden, dass es zu einer leichten Verkürzung des
sich die Details der Entnahme und Transplantation von Transplantats kommt, wenn dieses gemesht wird. Im All-
Meshgraft anzueignen. gemeinen sollte das Transplantat ca. 10 % länger sein als
die zu deckende Wunde.
Zu Anfang wird das Dermatom mit der Klinge auf die
Indikationen
Haut gesetzt. Unter kräftigem Druck sollte es vorgescho-
Sämtliche Weichteildefekte mit vitaler Muskulatur oder ben werden. Pinzetten können benutzt werden, um das
Granulationsgewebe im Wundgrund. Transplantat zu führen und zu vermeiden, dass es sich im
Dermatom aufwirft. Wenn das Transplantat entnommen
ist, wird es auf einen Träger gelegt. Im Allgemeinen wird
Kontraindikationen
das Transplantat in einem Verhältnisse von 1:1,5 ge-
Wunden mit freiliegendem Knochen oder Sehnen ohne mesht. Es wird so aufgelegt, dass die Epidermis oben zu
Peritendineum. liegen kommt. Es gibt verschiedene Techniken der Fixie-
rung. In vielen Fällen reicht es aus, wenn die Ecken des
Transplantats an den Ecken der Haut mittels Klammer-
Operationstechnik
naht befestigt werden. Alternativ kann ein Faden verwen-
Sämtliche nekrotischen Gewebeanteile in der Wunde det werden, um die Ecken des Transplantats an der Haut
werden sorgfältig débridiert. Meshgraft geht bei direkter zu fixieren. Überschüssiges Hauttransplantat kann mit
Transplantation auf Knochengewebe nicht an und löst einer kleinen Schere entfernt werden. Es ist von äußers-
sich in der Regel auf. Im Gegensatz dazu kann Meshgraft ter Wichtigkeit, dass anschließend ein Verband aufgelegt
auf Sehnengewebe mit oder ohne Peritendineum einhei- wird, der vermeidet, dass unter dem Transplantat ein
len. Wird Meshgraft direkt auf Sehnengewebe ohne Peri- Hohlraum entsteht, und der sämtliche Flüssigkeits-
Neue Techniken 15

ansammlungen unter dem Transplantat aufsaugt. Dies ist. Bei Defektwunden ist diese Technik nicht Erfolg
kann entweder mit einem polsternden Verband oder versprechend. Bei dieser Technik wird ein Vessel-Loop
einem Vakuumschaumverband erzielt werden. Die Unter- am einen Ende der Wunde mit Klammernähten fixiert. 1
suchung des Einsatzes von Vakuumschaumverbänden bei Dann werden die Vessel-Loops in gekreuzter Technik,
Hauttransplantationen hat gezeigt, dass diese Hohlräume ähnlich wie Schnürsenkel, über die Wunde gelegt und
unter dem Transplantat effektiver beseitigen und somit am Rand mit Klammern fixiert. Hierdurch wird ein kon-
den Prozentsatz an angegangenem Transplantat erhöhen stanter Zug auf die Hautränder ausgeübt, wodurch bei
und die Notwendigkeit von Revisionseingriffen vermin- rückläufiger Schwellung die Hautränder soweit ange-
dern. Hierzu kann der Vakuumschaum entweder direkt nähert werden, dass im Rahmen einer Folgeoperation
auf das Transplantat gelegt werden, oder ein permeabler die Sekundärnaht erfolgen kann. Diese Technik kann
Verband wird zuvor aufgelegt. Die Autoren bevorzugen auch dann angewendet werden, wenn im Zeitraum bis
das Bedecken des Hauttransplantats mit Fettgaze und an- zur Meshgraftdeckung die Retraktion der Wundränder
schließend dem Vakuumschaumverband. Der Vaku- vermieden werden soll.
umschaumverband ist besonders über unregelmäßigen Weichteilmanagement
Oberflächen wirksam, unter denen Bewegung aufgrund Das Weichteilmanagement ist vielleicht der schwierigs-
von Muskelkontraktion stattfindet, die wiederum zu te Punkt, der in einem Lehrbuch oder selbst in der
Scherkräften unter dem Transplantat führen. Alternativ Praxis vermittelt werden kann. Häufig hat es der Unfall-
kann ein polsternder Verband verwendet werden, beson- chirurg mit Geweben zu tun, die bereits vor der Verlet-
ders in Arealen, die wenige Unregelmäßigkeiten der zung schlecht durchblutet waren und somit im Um-
Oberfläche aufweisen und daher wenig Hohlraum ver- gang nach der Verletzung sehr heikel sind. Die beste
ursachen. Bei dieser Technik wird ein durchlässiger Ver- Methode, die entsprechenden Techniken zu vermit-
band auf die Wunde aufgelegt und mit Klammernähten teln, ist wohl die Beobachtung. Die DVD, die diesem
an den Ecken fixiert. Ein polsternder Mullverband, der in Buch beiliegt, demonstriert die wichtigsten Grundsät-
mineralischem Öl getränkt ist, wird gleichmäßig über das ze des Weichteilmanagements.
Hauttransplantat oberhalb des Verbandes aufgelegt, hie-
rüber gefaltet und unter leichter Spannung mit Klammer-
nähten fixiert. Die polsternden Mullbinden verursachen
Neue Techniken
einen leichten und gleichmäßigen Druck auf das Trans-
plantat, um das Anwachsen zu verbessern.
Hautersatz
Die Entnahmestelle kann mit einer Vielzahl von Ver-
bänden versorgt werden, nachdem die Haut entnommen In der jüngsten Vergangenheit gab es umfangreiche wis-
worden ist: Ein Gazeverband, der mit Lidocain oder Bu- senschaftliche Untersuchungen zu Hautersatzmaterialien,
pivacain unter Epinephrin-Zusatz getränkt ist, ist sehr welche zunehmend Verbreitung finden (33–36). Sie blei-
wirksam hinsichtlich Blutstillung und Schmerzbekämp- ben jedoch weiterhin eine teure Alternative zur
fung. Alternativ kann Fettgaze direkt auf die Entnahme- Meshgraft. Solche Ersatzmaterialien können indiziert
stelle aufgebracht werden. Sterile Kompressen und ein sein, wenn ein Hauttransplantat nicht zur Verfügung
Pflasterverband werden über die erste Verbandsschicht steht. Eine Möglichkeit des Hautersatzes sind kultivierte
aufgebracht. Als Faustregel gilt, dass bei Hauttransplanta- Keratinozyten, die nach Entnahme gezüchtet und dann
tionen, der Verband 5 Tage belassen wird. Im Bereich der dem Empfänger transplantiert werden. Dies limitiert
Entnahmestelle kann der Verband nach 2 Tagen entfernt den Einsatz von kultivierten Keratinozyten zur Deckung
werden, um die Wunde dann an der Luft trocknen zu akuter Wunden. Allografts können immunologisch inak-
lassen. Der nicht klebende Verband wird entfernt, wenn tiviert werden, indem die Zellen durch Kältegefrieren
er sich an den Rändern aufwirft, bedingt durch die Re- unter Erhalt der azellulären Matrix entfernt werden. Das
epithelialisierung der darunter liegenden Haut. Allograft kann dann mit einer sehr dünnen Meshgraft
bedeckt werden. Ein Nachteil von Allografts ist, dass sie
Viren vom Spender übertragen können. Hautersatzmate-
Tipps und Tricks
rialien finden vor allem bei der Behandlung von Verbren-
Wundverkleinerung (Vessel-Loops und Klammer- nungsopfern Verwendung und weniger bei unfallchirur-
nähte) gischen Patienten.
Mit Vessel-Loops und Klammernähten kann sehr effek-
tiv eine Wundverkleinerung durchgeführt werden.
Vakuumschaumverband
Diese Technik wird angewendet, wenn der Wundver-
schluss wegen Schwellung der Weichteile nicht durch- Die Therapie mit Vakuumschaumverband ist ein relativ
geführt werden kann. Häufig wird diese bei Faszioto- neues Konzept. Die Methode hat in weiten Teilen Erfolg,
mien bei Kompartmentsyndromen angewendet, aber aber es gibt wenig publizierte Grundlagenforschung (37–
auch bei anderen Verletzungen, bei denen ein Wund- 39). Trotzdem wird sie in der Klinik erfolgreich in der
verschluss wegen Weichteilschwellung nicht möglich Behandlung von komplexen Wunden angewendet. Die
16 1 Weichteilbehandlung

Kombination von 3 unterschiedlichen Wirkmechanismen hergestellt, indem man ein Päckchen Polymethylmeth-
des Vakuumschaumverbands wird postuliert: acrylat(PMMA)-Zement mit hitzeresistenten Antibiotika
1 ■ verbesserte Angiogenese (40–44), mischt, wie z. B. Vancomycin, Gentamicin oder Tobramy-
■ Reduktion der Schwellung (45, 46), cin. Im Allgemeinen werden stark kontaminierte Wunden
■ mechanische Elongation des Gewebes führt zur Ge- mit einer Mischung aus 2 g Vancomycin, 2,4 g Tobramycin
webeneubildung (38, 45–48). und einem Päckchen Zement behandelt. Bevor der Ze-
ment ausgehärtet ist, werden kleine Kügelchen mit
In der klinischen Anwendung zeigt sich, dass sich mit einem Durchmesser von 5 – 10 mm hergestellt. Diese
dem Vakuumschaumverband in sehr kurzer Zeit eine be- werden dann wie Perlen auf einen Stahldraht aufgezogen.
trächtliche Granulation auf einem vitalen Wundgrund er- Die Kügelchen werden im Wundgrund platziert. Benzoe-
zeugen lässt. Auch bei avaskulärem Wundgrund mit bis harz wird im Bereich der Wundränder aufgetragen, um
zu 2 cm Durchmesser kann hiermit eine Granulation er- überschüssiges Exsudat in der Wunde zu binden. Ein
zeugt werden, die auf Einwachsen ausgehend von umge- wasserdichter Verband wird auf die Wunde aufgebracht,
benden Gewebeschichten beruht (49). Bei größeren Area- um die Ränder zu verschließen und um zu vermeiden,
len mit freiliegendem Knochen ist die Methode jedoch dass antibiotikahaltiges Exsudat aus der Wunde austritt.
weniger erfolgreich, da sie den Knochen austrocknet Im Laufe der nächsten Tage entsteht eine große Menge
und dessen Durchblutung einschränken kann. Es gibt Li- von Exsudat mit einer extrem hohen Konzentration an
teraturhinweise, dass der Vakuumschaumverband die Antibiotika, die um ein Vielfaches höher ist als bei intra-
bakterielle Kontamination in Wunden vermindern kann, venöser Verabreichung und das umgebende Gewebe be-
klinische Studien, die dies bestätigen, gibt es bislang je- deckt und durchtränkt. Dieser Verband kann für einen
doch nicht (40). Zeitraum von einigen Tagen bis ca. 6 Wochen belassen
Gegenwärtig gibt es einige Studien, die die Anwendung werden, bis der endgültige chirurgische Wundverschluss
des Vakuumschaumverbands bei unfallchirurgischen Pa- durchgeführt wird.
tienten untersuchen. Herscovici et al. haben eine nicht-
randomisierte Anwendungsbeobachtung publiziert, in
Grundlagenforschung
der der Vakuumschaumverband bei unfallchirurgischen
Patienten untersucht wird. Die Schlussfolgerung war, In letzter Zeit wurde umfangreiche Grundlagenforschung
dass der Vakuumschaumverband kosteneffektiv ist und betrieben, um die Rolle der Zytokine in der Wundheilung
die Anzahl der Patienten, die eine Lappenplastik brau- zu untersuchen, was dazu führte, dass die Mechanismen
chen, deutlich reduziert (50). Es existieren einige Kasuis- heute viel besser verstanden werden als noch vor 10 Jah-
tiken, in denen der Vakuumschaumverband als unterstüt- ren (62–70). Jedoch ist das Zusammenspiel der verschie-
zende Maßnahme bei der Behandlung von Knie-TEP-In- denen Entzündungsmediatoren im Rahmen der Wund-
fektionen angewendet wurde (51), oder um Wundver- heilung noch immer nicht vollständig untersucht und es
schlüsse über freiliegenden Implantaten und Sehnen zu existieren keine Medikamente, die wirkungsvoll die
erzeugen (52–54). Derzeit laufen prospektive, randomi- Wundheilung beschleunigen.
sierte klinische Studien, die die Bedeutung der Therapie Gentherapeutische Ansätze zur Produktion bestimmter
mit Vakuumschaumverband bei der Behandlung von Mediatoren zum richtigen Zeitpunkt im Rahmen der
postoperativen Hämatomen und bei verschlossenen Wundheilung sind ein mögliches Zukunftsszenario (71).
Wunden untersuchen, welche ein hohes Risiko für Die technischen Aspekte in der Gentherapie werden ste-
Wundheilungsstörungen aufweisen, wie z. B. im Bereich tig weiterentwickelt und vereinfachen möglicherweise
der distalen Tibia und des Kalkaneus. die klinische Anwendung in der Zukunft. Die Gentherapie
Eine weitere prospektive, randomisierte Studie wird ist außerdem eine wichtige Methode der Grundlagenfor-
gegenwärtig durchgeführt, die die Verwendung des Va- schung bei der Untersuchung der Entzündungskaskade
kuumschaumverbands bei schweren, offenen Frakturen und dem Einfluss einzelner Mediatoren auf zellulärer
untersucht. Obwohl es unstrittig ist, dass der Vaku- Ebene im Wundheilungsprozess.
umschaumverband eine bedeutende Rolle in der Behand-
lung schwerer Weichteildefekte nach muskuloskeletalem
Trauma spielt, werden die laufenden Studien dazu beitra- Ergebnisse
gen, genaue Indikationen für diese Therapie zu definie-
ren. Die Ergebnisse in der Weichteildeckung haben sich in
den letzten 2 Jahrzehnten dramatisch verbessert, weil
sich das Verständnis grundlegender mikrovaskulärer
Antibiotikaketten
Prinzipien, der Anatomie und der Physiologie der Wund-
Antibiotikaketten (55–61) werden häufig bei offenen, heilung verbessert hat. Um jedoch reproduzierbare Er-
kontaminierten Wunden oder offenen Frakturen ange- gebnisse zu erzielen, bedarf es qualifizierten Personals,
wendet, wenn der Wundverschluss primär nicht möglich das die entsprechenden Eingriffe zum richtigen Zeitpunkt
oder wünschenswert ist. Diese Antibiotikaträger werden durchführen kann.
Komplikationen 17

Traditionell wurden Schwenklappen verwendet, um tienten mit einer traumatischen Wunde. Fraccalvieri et al.
freiliegenden Knochen im proximalen und mittleren Drit- (86) wendeten einen Suralislappen bei 16 unfallchirurgi-
tel der Tibia zu decken. Die Ergebnisse der jüngsten schen Patienten erfolgreich an. Im eigenen Patientengut 1
Lower Extremity Assessment Program (LEAP)-Studie wurde diese Lappenplastik bei 18 akuten unfallchirurgi-
(31), einer Multicenterstudie der OTA (Orthopaedic Trau- schen Patienten angewendet, wobei es nur in einem Fall
ma Association), zeigen, dass freie Lappen möglicherwei- zum Versagen kam.
se für bestimmte Wunden besser geeignet sind. In dieser
Studie wurden 190 Patienten mit 195 Verletzungen, die
eine Lappenplastik erforderlich machten, untersucht. Die Komplikationen
Komplikationsrate betrug 27 %. In dieser nichtrandomi-
sierten Studie erhielten Patienten mit schweren Verlet- Offene Frakturen und Hochrasanzverletzungen weisen
zungen der Wadenmuskulatur eher eine freie Lappen- eine Fülle möglicher Komplikationen auf. Der gegenwär-
plastik als einen Rotationslappen. Obwohl die Erfolgsrate tige Trend zum frühen Wundverschluss bei Weichteilde-
bei den freien Lappen und den Rotationslappen dieselbe fekten und gering invasiven chirurgischen Techniken ver-
war, wurde geschlussfolgert, dass Rotationslappen bei Pa- folgt die Idee, dass hierdurch die Komplikationsrate ge-
tienten mit komplexen Frakturen (AO/OTA Typ C) eine senkt werden kann. Jedoch weisen diese Techniken wie-
signifikant höhere Komplikationsrate aufweisen. derum neue, spezifische Komplikationen auf.
Viele Studien, die die Erfolgsraten von freien Lappen-
plastiken zur Behandlung akuter Wunden untersuchen,
Komplikationen der freien Lappenplastik
verwenden das Überleben der Lappenplastik als Haupt-
ergebnisparameter (72–82). Auch in diesen Studien wer- Die Vitalität eines Lappens hängt von einer adäquaten
den sehr unterschiedliche Ergebnisse berichtet. Raten an Blutversorgung ab. Das Überleben einer freien Lappen-
vollständigen Lappennekrosen von bis zu 0 % werden be- plastik hängt stark von der Erfahrung des Operateurs
richtet, die meisten Studien jedoch beschreiben ein Ver- ab. Tab. 1.3 fasst die aktuellen Studien zu Komplikations-
sagen von Lappenplastiken in 5 – 10 %. Diese Ergebnisse raten von Lappenplastiken zusammen. Manche sind auf
spiegeln offensichtlich auch die persönliche Erfahrung eine inadäquate Planung zurückzuführen. So kann bei-
der jeweiligen Autoren wider, da in den meisten kleinen spielsweise der Gebrauch eines geschädigten Gefäßes
Serien, die über einen langen Zeitraum durchgeführt für die Anastomose zu einer frühen Thrombosierung
wurden, die Ergebnisse schlechter waren, als bei denen und somit zum Absterben des Lappens führen. Die prä-
von Operateuren, die diese Eingriffe häufiger durchfüh- operative Angiografie kann dem vorbeugen. Andere Kom-
ren. Der Erfolg der meisten dieser Studien wird tenden- plikationen sind auf falsche postoperative Nachbehand-
ziell am Überleben des Lappens gemessen. Jedoch berich- lung zurückzuführen. Der behandelnde Unfallchirurg
ten viele dieser Studien auch über hohe Raten an Kom- muss sich über die Compliance des Patienten im Klaren
plikationen bei diesen Eingriffen, die nicht unmittelbar sein, einen möglichen Nikotinabusus und Systemerkran-
zu einer Lappennekrose führen. Darüber hinaus wird kungen, die das Ergebnis negativ beeinflussen können.
die OP-Dauer dieser Eingriffe, die bei weniger erfahrenen Lappenplastiken, die einer Revaskularisation bedurften,
Chirurgen beträchtlich höher sein kann, in den meisten weisen eine Erfolgsrate von 70 % auf.
Studien nicht untersucht.
Fasziokutane Lappen scheinen eine zunehmend wich-
Komplikationen der Rotationslappenplastik
tige Rolle in der Versorgung unfallchirurgischer Patienten
zu spielen (83). Robotti et al. (84) berichten über eine Wie die freie Lappenplastik können auch Rotationslappen
Komplikation bei 12 Patienten. Price et al. (85) berichten (Gastroknemius, Soleus) fehlschlagen. Der häufigste
entsprechend über eine Erfolgsrate von 100 % bei 11 Pa- Grund für ein Fehlschlagen ist die übersehene Verletzung

Tab. 1.3 Komplikationen bei freien Lappen.


Autor Lappen Anzahl Revisionen (%) Infektionen (%) Versagen (%)
Ozkan et al. (87) anterolaterale Wade 32 15,6 0 3,1
Vrancky et al. (88) Gracilis 60 ? ? 1,7
Yildirim et al. (89) anterolaterale Wade 21 4,7 ? 0
Fasano et al. (90) verschiedene 100 ? ? 13
Muramatsu et al. (91) verschiedene 70 20 ? 8
Pollak et al. (31) verschiedene 107 20,6 18,7 8,4
Redett et al. (92) Gracilis 22 13,6 7 4,5
18 1 Weichteilbehandlung

Tab. 1.4 Komplikationen bei Rotationslappen.


Autor Lappen Anzahl Revisionen (%) Infektionen (%) Versagen (%)
1
Pollak et al. (31) Gastroknemius / Soleus 82 27 22 8

Tab. 1.5 Komplikationen bei fasziokutanen Lappen.


Autor Lappen Anzahl Revisionen (%) Infektionen (%) Versagen (%)
Baumeister et al. (93) Suralis 70 2,9 7,1 18,6
Meyer et al. (94) Suralis 21 0 0 4,7
Hollier et al. (95) Suralis 11 0 0

der zuführenden Arterien. Patienten mit schweren knö- Merke


chernen Verletzungen der proximalen Tibia weisen ein ■ Ein Débridement ist keine „Wundspülung“! Es ist eine
erhöhtes Risiko hierfür auf. Es ist schwierig, anhand der gründliche und kritische Untersuchung der Weichteile
Literatur die Komplikationsrate eines Rotationslappens einschließlich Entfernung aller nekrotischen Anteile.
abzuschätzen. Die jüngste große Serie wurde von Pollak ■ Das Débridement sollte nicht durch das zur Verfügung
et al. publiziert (92). Außerdem gibt es 3 weitere Studien, stehende Gewebe für den Wundverschluss limitiert
die Ergebnisse von Suralislappen veröffentlichen. Tab. 1.4 werden. Kompromisse sollten vermieden werden, län-
und Tab. 1.5 geben die Komplikationsraten dieser Studien gere Krankheitsverläufe sind stattdessen zu akzeptie-
wieder. ren.
■ Pseudarthrosen können behandelt werden, die Infekt-
behandlung hingegen ist wesentlich schwieriger. Unnö-
tige Risiken im Umgang mit dem Weichteilmantel soll-
ten vermieden werden.
■ Wundheilungsstörungen sind häufig die Folge von Ver-
letzungen. Mangelhafter Umgang mit den Weichteilen
sollte die Inzidenz nicht zusätzlich erhöhen.

Inhalt der DVDs

Video 1-1 (DVD 1) Gastroknemiuslappen. Das Video zeigt Video 1-3 (DVD 1) Suralislappen. Der Suralislappen ist ein
einen Gastroknemiuslappen, einen einfachen Rotationslap- Rotationslappen für den Rückfußbereich.
pen, der zur Deckung von Weichteildefekten im proximalen Video 1-4 (DVD 1) Meshgraft. Das Video zeigt eine
Drittel der Tibia verwendet werden kann. Meshgraft zur Wunddeckung mit Vakuumschaumverband
Video 1-2 (DVD 1) Soleuslappen. Das Video zeigt einen So- zur postoperativen Nachbehandlung.
leuslappen, einen einfachen Rotationslappen, der zur De- Video 1-5 (DVD 1) Antibiotikaketten. Das Video zeigt die
ckung von Weichteildefekten im mittleren Drittel der Tibia Herstellung von Antibiotikaketten und deren Platzierung in
verwendet werden kann. der Wunde zur Behandlung einer Infektion oder einer stark
verschmutzten Wunde.
Literatur 19

Literatur 19. Nakajima H, Fujino T, Adachi S. A new concept of vas-


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22 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma


J. O. Anglen, J. T. Watson
Übersetzer: C. Wagner
2
Infektionen sind eine gefürchtete Komplikation nach Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe bei offenen
muskuloskeletalem Trauma. Die Inzidenz nach operativer Frakturen wurden bereits im vorangegangenen Kapitel
Versorgung geschlossener Frakturen wird in der Literatur ausgeführt. Das Infektionsrisiko bei offenen Frakturen
mit 0,4 – 7 % angegeben (85, 86), bei offenen Frakturen kann zumindest partiell durch den Operateur beeinflusst
oder höhergradigem Weichteilschaden kann sie auf ein und reduziert werden. Ein ausreichendes Débridement
Vielfaches ansteigen (86 – 88). Die Häufigkeit variiert mit Spülung ist neben der Applikation von Antibiotika
hier zwischen 0,1 % (Typ Gustilo I) und 55 % für offene die wichtigste Präventionsmaßnahme. Das initiale Débri-
Frakturen Typ Gustilo III. Bis zu 30 % der offenen Fraktu- dement muss gründlich und sorgfältig erfolgen. Diesbe-
ren weisen eine primäre Keimbesiedlung auf (87). Durch züglich wird ein systematisches Vorgehen unter ggf. er-
die Infektion ist der Behandlungsverlauf verzögert und forderlicher Wunderweiterung empfohlen. Fremdkörper
erschwert, bei eingeschränkten Therapieoptionen ist der sind vollständig zu entfernen, ebenso erkennbar nekroti-
Behandlungserfolg gefährdet. Der Infektionsverlauf nach sches und devaskularisiertes Knochen- und Weichteilge-
Fraktur eines langen Röhrenknochens erhöht die Behand- webe. Hautareale mit fraglicher Vitalität jedoch entschei-
lungskosten und den Krankenhausaufenthalt um durch- dender Lokalisation (Hände, Füße, prätibiale Region)
schnittlich 20,5 % bzw. 36,2 %. Infektionen nach Fraktur- sind, wenn möglich, zu erhalten und ggf. nach Demarkie-
behandlung langer Röhrenknochen verursachen in den rung sekundär zu entfernen. Um eine zusätzliche Ischä-
USA jährlich volkswirtschaftliche Kosten von 270 Millio- mie solcher Grenzbereiche zu vermeiden und die Gewe-
nen US-Dollar (1). Die sozioökonomischen Folgen und beblutung als einen der wichtigsten Indikatoren der Vi-
Auswirkungen muskuloskeletaler Infektionen sind talität nutzen zu können, sollte die Blutsperre zurückhal-
enorm (89). tend und im Bedarfsfall nur kurzzeitig eingesetzt werden.
Abhängig vom intraoperativen Befund können „Second-
look“-Operationen mit wiederholtem Débridement in
Prävention 24- bis 48-Stunden-Intervallen erforderlich sein. Hierbei
sind saubere und vitale Wundverhältnisse anzustreben
Angesichts der möglichen Folgen muskuloskeletaler In- (91). Zusätzlich zur mechanischen Wundreinigung erfolgt
fektionen besitzt die Prävention höchste Priorität. Hierbei eine Spülung des Wund- und Operationsgebiets mit aus-
ist die multifaktorielle Pathogenese mit Einfluss verschie- reichenden Flüssigkeitsvolumina (8 – 10 L). Durch einen
dener lokaler und systemischer Faktoren zu berücksich- höheren Spüldruck z. B. einer Jet-Lavage, lässt sich die
tigen (86, 90). Wirtsspezifische Präventionsmaßnahmen Effektivität der Partikelentfernung erhöhen. Entschei-
beinhalten unter anderem die Optimierung der Leis- dend ist der Spüleffekt; ein Nutzen von Antibiotikazusät-
tungsfähigkeit der Wirtsabwehr, wobei die Ernährung zen ist nicht nachgewiesen, und ihr Einsatz ist aufgrund
eine große Rolle spielt. Nach Trauma und bei hospitali- der lokal eher negativen Wirkungen kritisch zu bewer-
sierten Patienten tritt häufig eine Mangelernährung auf. ten. Antiseptika, wie beispielweise Betadine oder Wasser-
Insbesondere durch den Eiweißmangel verursacht, führt stoffperoxid, sollten aufgrund ihres potenziell nachtei-
diese zu einer Beeinträchtigung der humoralen als auch ligen Effekts auf die Wirtsabwehr vermieden werden. Ist
der zellvermittelten Abwehrmechanismen und damit zu ein primärer Wundverschluss nicht möglich, sollte ein
einer Schwächung des Immunsystems (2, 3). Hinweise Austrocknen der Wunde durch geeignete Verbandstech-
aus Anamnese oder körperlicher Untersuchung können niken (z. B. Antibiotic-bead-pouch-Technik; 5) oder eine
durch Laboruntersuchungen, wie z. B. Albumin-Serum- Unterdruckwundtherapie mit einem Vakuumversiege-
spiegel (Normwerte Erwachsene: 3,5 – 5,5 g/dl) oder Ge- lungssystem (z. B. VAC-Instill-Verband; 6) verhindert wer-
samtlymphozytenzahl, evaluiert werden. Bei Mangel- den. Zusätzlich wird die Bildung von Granulationsgewebe
ernährung sind supportive Maßnahmen zur bedarfs- induziert (92, 93). Nach Konsolidierung der Weichteile
gerechten Nährstoffaufnahme einzuleiten. Weitere Risi- erfolgt der direkte Wundverschluss oder die Defekt-
kofaktoren umfassen sowohl exogene Faktoren, u. a. Me- deckung entsprechend der rekonstruktiven Leiter (91).
dikamenteneinnahme, Nikotinkonsum, als auch zahlrei- Bei offenen Frakturen ist die systemische Antibioti-
che systemische Vorerkrankungen. Diese können Wund- katherapie als Standardbehandlung unbestritten, Aus-
heilungsstörungen mit einer nachfolgenden Infektion be- wahl und Applikationsdauer der Antibiotika werden je-
günstigen und sind daher zu berücksichtigen bzw. beglei- doch kontrovers diskutiert. Bei niedriggradig offenen
tend zu therapieren (86). Frakturen sind in der Regel Cephalosporine der ersten
oder zweiten Generation für die Dauer von 2 – 3 Tagen
Prävention 23

ausreichend. Bei offenen Frakturen III° kann dagegen die doch oft durch ein Cephalosporin der 2. Generation
Kombination mit anderen Wirkstoffgruppen (z. B. Amino- (z. B. Cefuroxim) ersetzt (95).
glykoside) bei verlängerter Applikationsdauer (5 – 10 Ein weiterer entscheidender Aspekt zur Vermeidung
Tage) erforderlich sein. Bei Verletzungen in spezifischem, einer Infektion ist die Wahl des geeigneten Operations-
z. B. landwirtschaftlichem oder maritimem, Umfeld ist zeitpunkts. Geschlossene Frakturen sind häufig mit einer
eine zusätzliche Antibiose zu erwägen; bei stark ver- deutlichen Schädigung der Weichteile und damit beein- 2
schmutzten Wunden muss das anaerobe Erregerspek- trächtigter Fähigkeit zur Wundheilung und Abwehrfunk-
trum berücksichtigt werden. In Abhängigkeit von Keim- tion assoziiert. In einer solchen Situation sollte eine de-
nachweis und Resistenzbestimmung ist die empirische finitive Frakturversorgung erst nach Konsolidierung der
Breitbandantibiose testgerecht umzustellen. Weichteile erfolgen. Entgegen der früheren Meinung
Eine mechanische Instabilität begünstigt das Auftreten existiert kein sicheres frühes Zeitfenster, in dem trotz
von Infektionen (86), weshalb in der Prävention die Frak- geschädigter Weichteile sicher operiert werden kann.
turstabilisierung mittels äußerer oder innerer Verfahren Ein häufig benutzter Indikator zur Festlegung des Opera-
einen hohen Stellenwert besitzt. Diese erfolgt bei offenen tionszeitpunkts ist der „Hautfaltentest“: Ein weiches und
Frakturen klassischerweise durch einen Fixateur externe mobiles Gewebe, das beim behutsamen Zusammendrü-
(94). Bei ausreichendem Débridement der Wunde ist je- cken zwischen zwei Fingern reguläre Hautfalten bildet,
doch auch eine innere Fixierung zulässig (7). Eine opera- kann eine chirurgische Inzision tolerieren (Abb. 2.1).
tionsbedingte zusätzliche Traumatisierung der Durchblu- Zum Abschwellen und zur Rückbildung von Blasen und
tung und des Gewebes ist jedoch zu vermeiden. Durch Ekchymosen erfolgt eine temporäre externe Fixation.
die Entwicklung schonender, minimalinvasiver Tech- Diese sichert die Länge sowie das Alignment der Extre-
niken wurde die Indikation zu primär inneren Verfahren mität und gewährleistet die zur Konsolidierung des Ge-
in den letzten Jahren zunehmend erweitert (91). webes erforderliche Stabilität. Diese als „Distraktionsver-
Die Infektionsprophylaxe bei der operativen Therapie fahren“ bezeichnete Technik ermöglicht die gelenküber-
geschlossener Frakturen folgt den gleichen Richtlinien brückende Fixierung ohne nachteilige Auswirkungen
wie bei der Durchführung elektiver aseptischer ortho- (Abb. 2.2; 10) und erlaubt das Hochlagern der Extremität
pädischer Operationen. Die Frakturversorgung ist jedoch durch Aufhängen des Befestigungsrahmens sowie die Ap-
aufgrund der Implantate und der durch das Trauma be- plikation pneumatischer Hilfsmittel wie der Fußpumpe;
dingten Beeinträchtigung des Immunsystems als Hoch- hierdurch wird das Abschwellen der Weichteile unter-
risikooperation zu werten. Bekanntermaßen konnten die stützt. Mehrere Studien konnten zeigen, dass dieses ab-
Infektionsraten durch das strikte Einhalten einer „asepti- gestufte Behandlungskonzept bei komplexen Verletzun-
schen Technik“ drastisch reduziert werden (2). Diese be- gen die Infektionsraten im Vergleich zur primär offenen
inhaltet u. a. die Begrenzung der im Operationssaal An- Reposition und inneren Fixierung (ORIF) reduziert (11).
wesenden auf ein Mindestmaß, die erst unmittelbar vor Zum Verfahrenswechsel erfolgt die Demontage des
dem operativen Eingriff stattfindende Rasur der betroffe- Rahmens. Lediglich der zum intraoperativen Erhalt der
nen Region, die sorgfältige, gewebeschonende Präparati- Stabilität erforderliche Anteil wird belassen und nach
on und Operationstechnik sowie das Wissen um sterile Desinfektion und sterilem Abdecken des Operations-
Arbeitstechniken bei allen an der Operation Beteiligten. gebiets genutzt, um die Reposition während der inneren
In einer prospektiv randomisierten, verblindeten und
placebokontrollierten Studie konnten die Infektraten
nach operativer Therapie geschlossener Frakturen durch
präoperativ applizierte Antibiotika signifikant reduziert
werden (8). Die Applikation einer Antibiotikaprophylaxe
sollte innerhalb von 2 h vor dem Hautschnitt, jedoch
mindestens 10 Minuten vor dem Schließen der Blutsper-
re erfolgen (9, 95). Bei geschlossenen Frakturen werden
parenterale Breitspektrumantibiotika bei langer Halb-
wertszeit als Einzeldosis bzw. bei kürzerer Halbwertszeit
über mindestens 12 h empfohlen (95). Für eine postope-
rativ über 24 h hinausgehende Antibiose ist kein Nutzen
dokumentiert. Aufgrund der Wirksamkeit gegen die häu-
figsten Pathogene (grampositive Hautflora) und die übli-
chen gramnegativen Aerobier, der hohen Spitzenkonzen-
trationen, der langen Halbwertszeit und der Konzentrati-
on im Hämatom wird am häufigsten Cefazolin eingesetzt Abb. 2.1 Der „Hautfaltentest“ bei Weichteilschwellung: Bil-
(9). Wegen seiner erhöhten Empfindlichkeit für die Hy- den sich bei schonendem Zusammendrücken des weichen
drolyse durch S.-aureus-β-Laktamase wird Cefazolin je- und mobilen Gewebes reguläre Hautfalten, kann die operative
Versorgung der Kalkaneusfraktur erfolgen.
24 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

Diagnostik
Eine manifeste posttraumatische Osteitis präsentiert sich
häufig mit Schmerzen, Instabilität, chronischen Hautver-
änderungen und einer eitrigen Fistelsekretion (Abb. 2.3).
2 Bei solchen klinischen Zeichen ist die Diagnosestellung
unstrittig, die Therapie kann sich im Vergleich zu einer
früh diagnostizierten Infektion jedoch wesentlich
schwieriger gestalten. Eine sich innerhalb von 2 Wochen
nach innerer Fixation am Ort der chirurgischen Interven-
tion manifestierende lokale Infektion ist im Allgemeinen
nur auf die Weichteile begrenzt (14). Die Interpretation
Abb. 2.2 Temporäre externe Fixation: Die sprunggelenküber- der Symptome kann allerdings erschwert sein, da die
brückende Fixateur-externe-Montage mit querverlaufendem klassischen klinischen Zeichen, wie Schmerz, Fieber,
Steinmann-Nagel im Fersenbein und Schanz-Schrauben in der Schwellung, Spannung, Erwärmung und Hautrötung
Tibia ermöglicht ein Hochlagern der Extremität und sichert den durch die Verletzung oder die operative Therapie bedingt
Erhalt der Länge sowie des Alignments. Die grobe Reposition sein können. Die Schädigung des frakturnahen Weichteil-
der Hauptfragmente wird durch Ligamentotaxis gehalten.
mantels wird bei der initialen Beurteilung und Therapie
häufig unterschätzt (15). Randständige Hautnekrosen
oder oberflächliche Wundheilungsstörungen mit Hautrö-
tung oder minimaler seröser Sekretion sind oftmals Folge
des direkten Weichteiltraumas.
Nach einem Zeitraum von 2 Wochen sind die klassi-
schen Zeichen einer postoperativen Infektion häufig aus-
geprägter. Sie treten außerhalb des der Operation zuor-
denbaren Zeitfensters auf und zeigen im Verlauf eher
eine Zunahme (14, 16 – 19). Hierbei sind jedoch „low-gra-
de“- oder indolente Infektionen mit fehlenden oder sub-
tilen klinischen Zeichen und Symptomen zu berücksich-
tigen. Daher muss während der gesamten Frakturbe-
handlung auf eine mögliche Infektion geachtet werden,
insbesondere beim Vorliegen einer verzögerten oder aus-
bleibenden Frakturheilung.

Abb. 2.3 Dieser Patient wurde 6 Wochen nach offener Tibia-


fraktur mit Schmerzen, Schwellung, Rötung, Erwärmung, Diagnostische Laborparameter
schmerzhafter Spannung und Hautveränderungen vorstellig.
Bei Verdachtsdiagnose einer postoperativen Infektion
Zu beachten ist die häufig vorliegende Hautablösung im Rand-
gebiet der Drainageaustrittstelle. werden im Allgemeinen folgende laborchemische Para-
meter bestimmt:
■ weißes Blutbild mit Leukozytenzahl,

■ Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG; ESR = Erythrozy-

Fixation zu sichern (12). Bei Vorliegen einer Pin-Infektion tensedimentationsrate),


ist ein Verfahrenswechsel auf eine Marknagelung mit ■ C-reaktives Protein (CRP).

inakzeptabel hohen Infektionsraten assoziiert (13) und


daher kontraindiziert. Bei reizlosen Pin-Eintrittsstellen Bei akuter Infektion können eine Leukozytose und eine
und kurzer Tragezeit des Fixateurs ist die Gefahr einer BSG-Erhöhung vorliegen, müssen aber nicht. Insgesamt
Infektion deutlich geringer und eine intramedulläre Fixa- sind beide Parameter jedoch eher unspezifisch und
tion durchführbar. In Abhängigkeit von der Zeitdauer der nicht oder nur eingeschränkt zur Verlaufskontrolle geeig-
Fixateurruhigstellung kann der Verfahrenswechsel ein- net (85, 86). Der sensitivste Parameter ist das C-reaktive
oder zweizeitig erfolgen. Der Wechsel zur Marknagelung Protein (21, 85, 86), ein „Akute-Phase-Protein“, dessen
innerhalb der ersten 2 Wochen ist am günstigsten. Blutkonzentration als Reaktion auf eine Entzündung
oder eine Gewebeschädigung ansteigt. Nach Trauma
bzw. komplikationsloser Frakturversorgung lässt sich
stets eine signifikante, jedoch transiente CRP-Erhöhung
mit Höchstwerten nach 2 – 3 Tagen nachweisen. Der
nachfolgende rasche Abfall des CRP-Spiegels beruht auf
einer konstanten Clearance-Rate mit Halbwertszeit von
Diagnostik 25

24 – 48 h. Ein weiterer oder erneuter Anstieg ist verdäch- Computertomografie


tig auf eine Infektion. Nach Infektkontrolle kommt es zu
einer raschen Normalisierung des CRP-Spiegels. Ein Rück- Die Computertomografie (CT) ist eine hilfreiche Methode
gang der Werte ist innerhalb von 8 h nach Beginn einer zur Erkennung ossärer Destruktionen, Sequester, Fremd-
effektiven Therapie erkennbar. Ein persistierend hoher körper oder Gasbildungen (99). Allerdings ist sie im Ver-
oder erneut ansteigender CRP-Spiegel kann auf einen gleich zu anderen Bildgebungsverfahren im Nachweis 2
neuen Prozess oder die Exazerbation eines früheren Ent- früher Knochenveränderungen weniger sensitiv. Die
zündungs- oder Infektionsgeschehens hinweisen (20). Computertomografie ist die Methode der Wahl zur Beur-
Der Stellenwert von Prokalzitonin wird kontrovers dis- teilung der ossären Destruktion und Durchbauung. Durch
kutiert (86, 96, 97). 3-D-Rekonstruktionen liefert sie des Weiteren wertvolle
Bei chronischer Osteitis sind die laborchemischen Ent- Informationen über die dreidimensionale Architektur von
zündungsparameter, einschließlich CRP, von nur unterge- Knochendefekten (86, 99). Diese Informationen sind zur
ordneter Bedeutung; sie liegen häufig im Normbereich Planung rekonstruktiver Maßnahmen nach Eradikation
(86). der Infektion entscheidend (22, 23).

Bildgebung Nuklearmedizinische Verfahren

Projektionsradiografie Die Knochenszintigrafie dient durch Darstellung von Per-


fusion und Osteozytenaktivität dem Nachweis von Area-
Konventionelle Röntgenaufnahmen besitzen in der Diag- len mit erhöhtem Knochenstoffwechsel. In der nuklear-
nostik akuter Infektionen keine Bedeutung, da radiologi- medizinischen Diagnostik stehen verschiedene Radio-
sche Veränderungen eine Knochendestruktion oder -re- pharmazeutika zur Verfügung. In der Knochenszintigrafie
aktion voraussetzen und daher erst im späteren Verlauf werden mit 99 mTechnetium (99 mTc) markierte Polyphos-
auftreten (86, 98). In der Diagnostik und Verlaufskontrol- phonate eingesetzt, die sich in Regionen mit reaktiver
le subakuter oder chronischer Infektionen sind sie dage- Knochenneubildung und erhöhter Knochendurchblutung
gen die bildgebenden Verfahren der Wahl. Als typische anlagern. Trotz hoher Sensitivität besitzt die Skelettszin-
Befunde zeigen sich periostale Reaktionen, Kortikalisauf- tigrafie eine nur unzureichende Spezifität zur Detektion
treibungen, sowie Osteolysezonen und perifokale Aufhel- einer Osteitis (22, 86). Da auch Traumata und andere
lungen mit Zeichen der septischen Implantatlockerung Knochenaffektionen zu einer Mehranreicherung führen
(Abb. 2.4; 86, 98, 99). Diese Veränderungen sind aufgrund können, kann die Spezifität bei posttraumatischer Infek-
posttraumatischer Veränderungen und einliegender Im- tion < 20 % liegen (24). Zur Verbesserung der diagnosti-
plantate oft nicht zu erkennen, sodass sich durch die er- schen Aussagekraft werden 99 mTc-Scans oft mit anderen
schwerte Interpretation insgesamt eine niedrige Sensiti- Techniken, wie beispielsweise der Gallium 67(67Ga)- oder
vität (< 20 %) ergibt. der Indium 111(111In)-Leukozytenszintigrafie kombiniert.

Abb. 2.4 Konventionelle Röntgenauf-


nahmen mit Verdacht auf eine Infekti-
on. 4 Wochen nach Marknagelung bei
offener Femurfraktur wurde der Pa-
tient mit Schmerzen, Schwellung des
Oberschenkels, Fieber und einer Ery-
throzytensedimentationsrate (ESR)
> 70 vorstellig.
a Aufnahme im a.–p. Strahlengang.
b Die seitlichen Aufnahmen zeigen
die typischen Veränderungen bei In-
fektion: Kortikalisauftreibungen, peri-
fokale zirkumferente Aufhellungen um
den Nagel und die Schrauben, peri-
ostale Erhebungen und eine reaktive
Knochenneubildung.

a b
26 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

Die Verwendung 111In-markierter Leukozyten erhöht differenzieren kann. Die MRT ermöglicht damit die Ab-
die Spezifität für Infektionen. Nach venöser Blutentnah- grenzung zwischen verschiedenen Formen der musku-
me und In-vitro-Radiomarkierung der Leukozyten erfolgt loskeletalen Infektion, beispielsweise der septischen Ar-
die Reinjektion und die zeitversetzte (16 – 24 h) Szinti- thritis und der Weichteilinfektionen, wie z. B. Zellulitis,
grafie. Zur Diagnostik chronischer Infektionen ist die In- Myositis, Fasziitis und Abszesse. In mehreren Vergleichs-
2 diumszintigrafie aufgrund der weitaus geringeren Sensi- studien konnte nachgewiesen werden, dass die MRT in
tivität dagegen nicht indiziert. Die Immunszintigrafie ver- der Diagnostik und der Bestimmung des Ausmaßes einer
wendet radiomarkierte monoklonale Antikörper, die in Osteitis der Szintigrafie, der Computertomografie und
vivo an Leukozyten binden. Bei schnellerer Durchfüh- der konventionellen Röntgenbildgebung überlegen ist.
rung, besserer bildlicher Darstellung sowie höherer Prä- Durch Visualisierung des Knochenmarks besitzt die MRT
zision und Spezifität ist hier ein Arbeiten mit Patienten- eine hohe Sensitivität für die Früherkennung einer Osteo-
blut nicht erforderlich (25). myelitis. Die Spezifität der Diagnose wird jedoch durch
Durch Kombination von 99 mTc- und 111In-markierten weitere Befunde, wie z. B. eine im CT nachweisbare De-
Leukozyten kann die Sensitivität und Spezifität für die struktion der Kortikalis gestützt. Bei Knocheninfektionen
Diagnose einer Infektion bei verheilter Fraktur auf über erreicht die MRT eine Gesamtsensitivität von 100 %, die
80 % gesteigert werden. Durch eine raschere Normalisie- Spezifität beträgt dagegen 60 – 75 % (24, 27). Nach intra-
rung des Verteilungsmusters markierter Leukozyten ist venöser Kontrastmittelgabe (Gadolinium) lassen sich um-
die Inzidenz falsch positiver Untersuchungsergebnisse schriebene Abszesse darstellen und von entzündlichen
im Vergleich zur MRT signifikant geringer (26). Veränderungen der Weichteile unterscheiden. Die MRT
Zusammenfassend besitzt im deutschsprachigen Raum erleichtert die Differenzierung zwischen akuter und
die Szintigrafie in der Routinediagnostik postoperativer chronischer Osteitis. Bei chronischer Entzündung oder
Infektionen jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung Vorliegen posttraumatischer Veränderungen kann eine
(85, 86). Reaktivierung oder ein Infektrezidiv detektiert werden
(28).
Magnetresonanztomografie Durch retrospektive Auswertung von MRT-Studien
konnte gezeigt werden, dass die Gesamtspezifität für
Bei Vorliegen einer muskuloskeletalen Infektion liefert den Nachweis einer Knochenbeteiligung ohne signifikan-
die Magnetresonanztomografie (MRT) präzisere Informa- ten Sensitivitätsverlust auf über 80 % gesteigert werden
tionen über das lokale Ausmaß der Weichteilbeteiligung, kann, wenn eine erhöhte Knochenmarksignalintensität in
da die im Vergleich zur Szintigrafie höhere anatomische den T2-gewichteten Bildern als zusätzliches Kriterium für
Auflösung zwischen Knochen- und Weichteilinfektion die Diagnose einer Knocheninfektion berücksichtigt wird.

a b

Abb. 2.5 MRT-Befund bei Knocheninfektion. Nach Spülung, a In den T1-gewichteten Aufnahmen ist eine verminderte Sig-
Débridement, verzögertem Primärverschluss und Gipsbehand- nalintensität im mittleren Frakturbereich nachweisbar.
lung bei offener Tibiafraktur zeigte sich die Extremität nach b Die T2-Bilder zeigen eine erhöhte Signalintensität und Kno-
Abnahme des Gipsverbands geschwollen und berührungsemp- chenmarkanreicherung unmittelbar kaudal der Fraktur sowie
findlich. ein Ödem der Weichteile.
Stadieneinteilung und Klassifikation 27

In der Praxis beruht der Nachweis einer Osteomyelitis in Stadieneinteilung und Klassifikation
der MRT auf Unregelmäßigkeiten des Knochenmarks mit
verminderter Signalintensität in den T1-gewichteten Bil- Generell ist der Begriff „Osteitis“ dem der „Osteomyelitis“
dern und erhöhter Bildempfindlichkeit und -kontrastver- vorzuziehen, da in der Regel sowohl das Knochenmark als
stärkung in den T2-gewichteten Bildern oder den STIR auch der kortikale Knochen betroffen sind (85, 107). Eine
(Short-T1-Inversion-Recovery)-Sequenzen (Abb. 2.5; 22). praktikable Einteilung und Klassifikation der chronischen 2
Bei negativem MRT-Befund kann eine akute Aktivität Osteitis wurde von Cierny et al. etabliert. Sie basiert auf
bei chronischer Osteomyelitis mit hoher Wahrscheinlich- dem anatomischen Befund des Knochenbefalls und dem
keit ausgeschlossen werden (29). Gesundheitszustand des Wirtes (32).
In zahlreichen prospektiven Studien wurden MRT, 3- Bezüglich der anatomischen Zuordnung werden 4
Phasen-Knochenszintigrafie und Indiumszintigrafie Typen unterschieden:
(111In-Leukozyten-Scan) hinsichtlich ihrer Sensitivität ■ Typ 1: auf das Knochenmark und die intramedulläre

bei akuten Infektionen verglichen. Als Goldstandard Oberfläche des Knochens begrenzte Infektion.
wurde eine Biopsie entnommen. Die MRT erreichte mit ■ Typ 2: oberflächliche, ausschließlich die äußere Korti-

≥ 90 % die höchste Sensitivität, die Knochen- und die In- kalis betreffende, von den angrenzenden Weichteilen
diumszintigrafie dagegen 70 % bzw. 45 %. Zur Verbes- ausgehende Infektion.
serung der Spezifität und der Treffsicherheit in der Diag- ■ Typ 3: lokale Osteitis mit kortikaler Sequestrierung und

nosestellung einer Osteitis sollte bei positiver Knochen- in die Markhöhle reichender Kavitation; kombiniert
szintigrafie eine MRT durchgeführt werden (30). die Befunde der Typen 1 und 2.
■ Typ 4: diffuse Osteitis mit penetrierender, die gesamte

Positronenemissionstomografie Zirkumferenz betreffender, durchgehender Läsion und


ausgedehntem Befall der Markhöhle; häufig ein gesam-
Die Positronenemissionstomografie (PET) mit Fluor-18- tes Knochensegment betreffend. Infizierte Frakturen
Fluordesoxyglukose ist ein vielversprechendes, jedoch und Pseudarthrosen werden der Typ-4-Gruppe zuge-
noch wenig verfügbares Verfahren mit hoher Sensitivität ordnet.
und Spezifität, das zunehmend in der Diagnostik der
chronischen Osteitis eingesetzt wird (86, 100). Sie besitzt Bezüglich des Gesundheitszustands der Patienten erfolgt
die höchste Sensitivität, auch für „low-grade-Infekte“ eine Einteilung in:
(86). Bei negativem Ergebnis kann eine chronische Oste- ■ Wirt A: unbeeinträchtigtes Immunsystem, regelrechte

itis nahezu ausgeschlossen werden (100). Physiologie/Metabolismus, gute Gefäßversorgung des


betroffenen Bereichs.
■ Wirt B: lokale und/oder systemische Beeinträchtigung
Kulturen
(z. B. Patienten mit Kortikosteroid-Medikation oder pe-
Der kulturelle Keimnachweis in intraoperativ entnomme- ripherer arterieller Verschlusskrankheit).
nem Gewebe- und Knochenmaterial ist der sicherste Be- ■ Wirt C: kein Benefit durch Behandlung, da deren Mor-

weis für das Vorliegen einer Infektion. Am häufigsten bidität schwerwiegender als die der Osteitis.
lassen sich Staphylokokken isolieren. Auf eine regelrechte
Gewinnung sowie eine rasche Verarbeitung der Proben Das klinische Stadium der Infektion wird durch die ana-
ist zu achten. Sie gewährleisten eine deutlich höhere tomische Zuordnung und den Gesundheitszustand des
Nachweisrate (98). Bei entsprechender Indikation, z. B. Wirtes bestimmt. Bei Patienten mit posttraumatischer
bestehender Immunsuppression, sind zusätzlich zu den Osteitis liegt in der Mehrzahl der Fälle ein Cierny-Stadi-
aeroben/anaeroben Kulturen auch Kulturen für Pilze um 3 oder 4 vor. Eine chronische Wundinfektion kann in
und Mykobakterien zu veranlassen. Zur Probengewin- ein Osteomyelitisstadium 2 übergehen, bei infiziertem
nung sind Abstrichuntersuchungen aus Hautfisteln oder intramedullärem Implantat mit intakter, geheilter und
offenen Wunden bzw. Proben aus einer Nadelbiopsie stabiler Tibia liegt ein Stadium 1 vor.
nicht geeignet (31, 101). Die intraoperativ üblichen Ab- Eine Vielzahl weiterer Charakteristika kann zur Klassi-
strichentnahmen und Bebrütungsverfahren zeigen eine fizierung posttraumatischer muskuloskeletaler Infektio-
nur niedrige Nachweisrate (102). Dies ist u. a. durch die nen herangezogen werden. Sie dienen der Entschei-
Bildung bakterieller Biofilme (103, 104), bzw. einen nied- dungsfindung oder der prognostischen Einschätzung.
rigen Metabolismus mancher Erreger (z. B. Small Colony Auch die Unterscheidung zwischen regelrechter und aus-
Variants – SCV; 105) bedingt. Durch eine intensivierte bleibender Frakturheilung bzw. zwischen stabilem versus
Keimsuche mit intraoperativer Entnahme mehrerer Ge- instabilem Implantatkonstrukt kann bezüglich der Thera-
webeproben und längerfristiger Bebrütung lässt sich die pieoptionen von großer Bedeutung sein. Die zeitliche Be-
Nachweisrate deutlich steigern (102), ebenso durch ver- ziehung zwischen chirurgischer Intervention und Auftre-
besserte Methoden zur Detektion biofilmassoziierter In- ten von Symptomen ist hilfreich für die Bestimmung der
fektionen (106). Ätiologie und der Schwere der Infektion. Als Verlaufsfor-
men werden akute, subakute oder chronische Formen
28 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

unterschieden (108). Die zeitliche Abgrenzung zwischen sowie entzündliche Infiltrate. Pin-Infektionen können je-
akuter und chronischer Osteitis ist willkürlich festgesetzt. doch auch ohne eine mechanische Lockerung auftreten.
Nach kontroverser Diskussion (13, 86) wird der Zeitraum Die Technik der Pin-Einbringung ist entscheidend, um
für erstere im deutschsprachigen Raum heute auf 4 Wo- den initialen Drehmomentwiderstand des Pins zu verbes-
chen begrenzt (108, 109). sern und das Risiko einer Lockerung zu minimieren. Die
2 korrekte Technik beginnt mit einer ausreichend großen
Hautinzision direkt im Eintrittsbereich. Anschließend er-
folgt die schonende stumpfe Präparation auf das Periost,
Therapie
das ebenfalls inzidiert und mit einem Elevatorium vom
Knochen abgelöst wird. Dieses Vorgehen vermeidet eine
Pin- oder Kirschner-Draht-Infektion
zusätzliche Traumatisierung der Weichteile mit Inter-
Die Pin-Infektion ist die häufigste Komplikation externer position und Nekrosenbildung. Nach Vorbringen eines
Fixationsverfahren. Die Ätiologie ist multifaktoriell: Mög- Trokars / einer Bohrbuchse bis auf den Knochen wird
liche Ursachen sind u. a. Weichteilimpingement, mangel- der Pin nach Vorbohren eines Führungslochs per Hand
hafte Insertionstechnik, unzureichende Pin-Pflege sowie bis zur korrekten Tiefe eingebracht. Weichteileinziehun-
die Lockerung der Pins. Der Zusammenhang zwischen gen werden mit einem Stichskalpell gelöst.
Pin-Lockerung und Pin-Infekt ist durch mehrere Studien Selbstbohrende und -gewindeschneidende Pins zeigen
belegt. Die Stabilisierung der Pin-Knochen-Grenzfläche im Vergleich zur vorgebohrten Technik eine geringere
kann die Prävalenz pin-assoziierter Komplikationen re- Haltekraft im Knochen. Um einen vergleichbaren Pin-
duzieren. Während Pins im spongiösen Knochen im Ver- Halt zu erreichen, wird bei ihnen eine größere Einbring-
lauf häufig auslockern, können sie in kortikalem Knochen tiefe angestrebt, was jedoch zu einer stärkeren Invagina-
über lange Zeit fest und infektfrei verankert bleiben. Um tion der Weichteile in den Pin-Kanal führen kann (33).
eine Instabilität des Fixateurs zu vermeiden, ist daher Die exzessive Hitzeentwicklung beim Einbringen der Pins
jeder einzelne Pin regelmäßig auf diese mögliche Kom- kann Knochennekrosen („Ringsequester“) und Frühlocke-
plikation zu überprüfen (33, 34). rungen verursachen. Bei Verwendung selbstschneidender
Pin-Lockerungen sind im Röntgenbild an einer Verdün- Pins können Temperaturen von über 55 °C auftreten.
nung und Aufhellung im Kortikalisbereich erkennbar. Selbstschneidende Pins zeigen eine erhöhte Rate an Mi-
Diese treten typischerweise initial in direkter Nachbar- krofrakturen beider Kortikales mit verstärkter Knochen-
schaft des Pins auf (Abb. 2.6). Die Inzidenz lässt sich resorption sowie verminderter Ausreißfestigkeit (35, 36).
durch Hydroxylapatit(HA)-Beschichtung oder Verwen- Lokale Pin-Komplikationen werden nach Dahl et al.
dung von Titan-Pins mit einer im Vergleich zu rostfreien klassifiziert (37). Unauffällige Weichteilverhältnisse ent-
Stahl-Pins deutlich verbesserten Haltekraft reduzieren sprechen Grad 0; sie bedürfen lediglich einer wöchentli-
(34). Histologische Untersuchungen von aus dem Pin- chen Pin-Kontrolle. Grad-1-Infektionen zeigen geringe
Track entnommenen Proben zeigen bei festsitzenden Entzündungszeichen, jedoch ohne erkennbare Sekretion;
Pins ein Fehlen des Knochenremodellings, bei gelocker- sie erfordern eine engmaschigere Pin-Pflege sowie die
ten Pins dagegen eine ausgeprägte Knochenresorption tägliche Reinigung mit milder Seife oder verdünnter Per-

Abb. 2.6 Radiologische Zeichen einer


Pin-Infektion.
a Schanz-Schrauben-Kanal mit Aufhel-
lungszone der eintrittsnahen Kortikalis
als Hinweis auf eine mögliche Pin-Lo-
ckerung; die entfernte Kortikalis ist in-
takt. Dieser Pin ist daher engmaschig
auf Anzeichen einer Infektion zu kon-
trollieren.
b Laterale Ansicht derselben Schanz-
Schraube. Proximal ist der verbliebene
Kanal eines im Vorfeld entfernten Pins
mit einem in der Tiefe erkennbaren
chronischen Sequester (Verdichtung
innerhalb der Aufhellung) erkennbar.
Zur Entfernung des Sequesters sollte
bei Entfernung der Schanz-Schrauben
auch der proximale Pin-Kanal ausgie-
big kürettiert werden.

a b
Therapie 29

oxid- und Kochsalzlösung (Abb. 2.7). Bei entzündeter Pin- danach lediglich ein Abduschen ohne weitere Rei-
Eintrittsstelle mit seröser Sekretion liegt eine Grad-2-In- nigungsmaßnahmen erforderlich (40). Wundsalben nei-
fektion vor, bei entzündeter Pin-Eintrittsstelle mit eit- gen zur Inhibition bzw. Modifizierung der normalen
riger Sekretion eine Grad-3-Infektion. Neben der tägli- Hautflora mit Gefahr einer konsekutiven Superinfektion
chen Pin-Pflege erfordern beide eine orale Antibiose. oder Kolonisation der Pin-Eintrittsstellen; sie sollten
Grad-4-Infektionen zeigen eine seröse oder serös-eitrige daher nicht angewendet werden. Krustenformationen 2
Sekretion, ein entzündliches Erythem sowie röntgenolo- sind zu entfernen, da sie die Pin-Haut-Grenzfläche ver-
gisch erkennbare Osteolysen beider Kortikales. Sind letz- festigen, die Scherkräfte an der Pin-Knochen-Grenzfläche
tere nachweisbar, muss der betreffende Pin unverzüglich erhöhen und damit eine zusätzliche Nekrosenbildung
entfernt werden. Ist er für die Rahmenstabilität erforder- und Flüssigkeitsansammlung im Bereich der Pins ver-
lich, wird ein neuer Pin in anderer Lokalisation einge- ursachen. Zur Stabilisierung der Pin-Haut-Grenzfläche
bracht. Der Pin-Kanal wird lokal débridiert und mit Per- unmittelbar postoperativ an den Pin-Eintrittstellen ange-
oxid oder einer vergleichbaren astringenten Lösung ge- legte Kompressionsverbände können nach 10 – 14 Tagen
spült. Sind radiologisch im Bereich der Osteolysen keine entfernt werden. Bei Sekretion (Pin-Infektion Grad 1, 2
Knochenverdichtungen erkennbar, sind weitere chirurgi- oder 3) sollte die Pin-Pflege dreimal täglich durchgeführt
sche Maßnahmen nicht erforderlich. Grad-5-Infektionen werden. Diese kann auch erneute (Kompressions-)Ver-
zeigen eine Entzündungsreaktion, eine eitrige Sekretion, bände zur Minimierung der abnormen Pin-Haut-Bewe-
Osteolysen, sowie einen Sequester oder Brodie-Abszess in gung beinhalten.
der Markhöhle. Hier liegt eine tiefe Infektion vor, die eine
chirurgische Intervention mit Entfernung und ggf. Wech- Akute oder subakute Infektion
sel des Pins, Débridement, und Spülung sowie eine keim-
bei stabilem Implantat
spezifische Antibiose erfordert (s. Abb. 2.6; 38, 39).
Ein einheitlicher Standard für die Pflege der Pin-Ein- Akute bzw. subakute Infektionen erfordern eine frühzei-
trittsstellen existiert nicht. Diesbezügliche Empfehlungen tige Revisionsoperation mit radikalem Débridement, die
basieren meist auf lokaler Präferenz und individueller Entnahme von Gewebeproben/-abstrichen zur bakterio-
Erfahrung und weniger auf strikten wissenschaftlichen logischen Untersuchung, sowie eine additive Antibioti-
Befunden. Bei korrekter Insertionstechnik heilen die kaapplikation. Bei einliegendem Implantat ist das weitere
Pin-Eintrittsstellen in der Regel vollständig ab. Mit Aus- Vorgehen, insbesondere die Frage nach einer Implantat-
nahme der gelegentlichen Entfernung von Krusten mit entfernung, wesentlich abhängig von der Stabilität der
verdünntem Wasserstoffperoxid und Kochsalzlösung ist Osteosynthese. Obwohl die Anwesenheit von Fremdma-
terialoberflächen bekanntermaßen das Infektionsrisiko
erhöht, die zur Auslösung einer Infektion erforderliche
Menge eines Inokulums vermindert und die Chancen
einer erfolgreichen Behandlung reduziert, zeigt die kli-
nische Erfahrung, dass eine knöcherne Stabilität die In-
fektionsrate reduziert (7, 41, 110, 111). Dies wird durch
Ergebnisse aus Tierstudien unterstützt (42, 43). Wie In-
stabilität eine Infektion fördert, ist nicht geklärt; mögli-
che (Teil-)Mechanismen sind Beeinträchtigungen in der
Revaskularisation des verletzten Gewebes, eine anhalten-
de Gewebeschädigung oder eine Zunahme der Totraum-
bildung. Dagegen wird die Frakturheilung nicht zwangs-
läufig durch die Infektion verhindert. Aus diesen Gründen
wird die Entfernung eines stabilen inneren Implantats
mit Wechsel zu einer externen Fixation trotz kontrover-
ser Diskussion heutzutage nur unter bestimmten Voraus-
setzungen empfohlen und ein primärer Erhaltungsver-
such favorisiert (85, 86, 107, 111). Zur Verbesserung des
radikalen Débridements, insbesondere im Bereich des
Implantat-Knochen-Interface bzw. des Knochens kann
das Implantat auch entfernt und eine einzeitige Reosteo-
synthese durchgeführt werden (109). Jeder Erhaltungs-
versuch, mit oder ohne Wechsel des Implantats, ist mit
Abb. 2.7 Multiple Pin-Eintrittsstellen mit minimaler Rötung
und geringer Sekretion (Grad 1 und 2). Bei fehlender Entzün- einer Lokalantibiose (z. B. Kollagen-Gentamicin-Vlies)
dung oder eitriger Sekretion wird lediglich eine kontinuierliche und einer suffizienten Drainage zu kombinieren (109).
Reinigung und Pflege der Pins empfohlen. Antibiotika sind Bei Persistieren der Infektion erfolgt die Revision, ggf.
nicht erforderlich. als frühzeitige Metallentfernung nach Abschluss der Kno-
30 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

chenheilung (Abb. 2.8). Bei freiliegenden Implantaten, zum definitiven Verschluss kann ein VAC-Verband einge-
Knochen, Sehnen oder neurovaskulären Strukturen ist setzt werden (Abb. 2.9; 86, 92, 93, 112).
ggf. eine lappenplastische Deckung erforderlich (91). Bis

a b

c d

e f

Abb. 2.8 Behandlung einer Infektion bei stabiler innerer Fixa- b Aufnahme der Wunde über der ventralen Tibia nach Fraktur-
tion. Dieser Patient erlitt eine offene Tibiafraktur, die mit Spü- heilung. Bei persistierender intermittierender Wundsekretion
lung, Débridement und aufgebohrtem Marknagel operativ ver- erfolgte die operative Revision mit Exzision des Narbengewe-
sorgt wurde. 8 Wochen postoperativ kam es zu einer Schwel- bes, Entfernung des Nagels, intramedullärem Débridement,
lung, Rötung und einer Sekretion aus der offenen Wunde. Es und Implantation von resorbierbaren Antibiotikakugeln.
erfolgte die Spülung mit Débridement und Probenentnahme c Aufnahme der Wunde nach Débridement und Sequesteroto-
zur bakteriologischen Untersuchung, gefolgt von Wundkontrol- mie.
len und Antibiotikatherapie. d Implantation von Antibiotikakugeln und nachfolgender
a Der die Stabilität gewährleistende Nagel wurde bis zur Frak- Weichteilverschluss durch fasziokutane Schwenklappen.
turheilung erhalten. e Klinisches Bild nach Abheilung ohne Infektrezidiv nach 1 Jahr.
f A.–p. Röntgenaufnahme nach 1 Jahr.
Therapie 31

Abb. 2.9 VAC-Verband nach Débridement und


Fixateur-externe-Stabilisierung einer offenen
Tibiafraktur.

Antibiotika cus aureus (44). Aufgrund der Resistenzentwicklung soll-


ten Chinolone bei S.-aureus-assoziierten Implantatinfek-
Eine Antibiose ist grundsätzlich nur als Adjuvans zur chi- tionen nicht als Monosubstanz eingesetzt werden (115).
rurgischen Therapie zu sehen, sie ersetzt nicht das radi- Die Kombination mit oralem Rifampicin ist dagegen er-
kale Débridement (109). Nach Probenentnahme zum Er- folgsversprechend (46). Zu beachten ist jedoch, dass
regernachweis wird mit einer empirischen Antibioti- Fluorchinolone, speziell Ciprofloxacine, die Knochenhei-
kaapplikation begonnen. Hierbei werden Breitbandanti- lung in einem experimentellen Rattenmodell inhibieren
biotika, wie Cephalosporine (z. B. Cefazolin, Cefuroxim) (47). Beim Nachweis seltener, multipler oder resistenter
eingesetzt, nach Keimbefund erfolgt der Wechsel auf Keime ist die Rücksprache mit einem Infektiologen oder
eine testgerechte Antibiotikatherapie. Die systemische Miokrobiologen zu empfehlen.
Therapie wird primär parenteral durchgeführt (113). Auf Die Dauer der systemischen Antibiotikatherapie ist ab-
eine gute Bioverfügbarkeit im Knochen ist zu achten hängig vom Lokalbefund und der klinischen Situation
(114). Als häufigster Erreger lässt sich Staphylococcus au- (98). Kontrovers diskutiert, wird ein Zeitraum von min-
reus isolieren (44), zunehmend häufig werden jedoch destens 4 – 6 Wochen (114), bei Erhaltungsversuch mit
auch Staphylococcus epidermidis und gramnegative einliegendem Implantat sogar von 12 Wochen empfohlen
Keime nachgewiesen. Häufig liegt eine Resistenz gegen (98); ein abschließender Standard liegt jedoch nicht vor
Penicillin vor, aber auch die Resistenzen gegen penicilli- (116). Parenteral intravenös applizierte Antibiotika kön-
nasefeste Penicilline (Methicillin, Oxacillin) nehmen zu nen auch ambulant oder zu Hause über einen peripher
(115). Bei methicillinresistenten Staphylokokken stellt eingebrachten zentralvenösen Katheter verabreicht wer-
Vancomycin die Therapie der ersten Wahl dar (114), den. Nach bisherigen Erfahrungen ist dies kostengüns-
denn obwohl auch Vancomycinresistenzen für Staphylo- tiger, jedoch nicht immer unproblematisch (98). In den
kokken berichtet wurden, sind diese zur Zeit noch selten. letzten Jahren wird eine verkürzte (< 2 Wochen) intrave-
Um die Wirksamkeit zu erhalten, sollte Vancomycin nur nöse Applikationsdauer mit nachfolgender 4- bis 6-wö-
als Reserveantibiotikum bei nachgewiesener Methicillin- chiger oraler Antibiose als gleichermaßen wirksames
resistenz eingesetzt werden. Zur Steigerung der Wirk- Konzept bei Osteitis im Erwachsenenalter vorgeschlagen
samkeit sind Kombinationstherapien in Betracht zu zie- (48).
hen. Rifampicin ist ein häufig eingesetztes Zusatzmedika- Die operative Revision mit Spülung/Drainage und An-
ment, das oral gegeben werden kann und sich in der tibiose bei Erhaltungsversuch des stabilen Implantats
Behandlung implantatassoziierter Staphylokokkeninfek- zeigt eine hohe Erfolgsrate. Eine Studie mit 20 Osteitispa-
tionen bewährt hat (115). Der Einsatz als Monotherapie tienten ergab bei intravenöser Teicoplaninapplikation
kann jedoch rasch zur Resistenzentwicklung führen (44, (mit bzw. ohne zusätzliche orale Gabe von Ciprofloxacin
45). Zur oralen Therapie der durch gramnegative Entero- oder Rifampicin) und nachfolgender oraler Antibiose für
bakterien verursachten Osteitis bei Erwachsenen sind einen Zeitraum von durchschnittlich 28 (12 – 64) Wochen
Chinolone zunehmend weit verbreitet, sie versagen je- eine Erfolgsrate von 100 % (49). In einer Studie von Dran-
doch häufig bei Pseudomas aeruginosa oder Staphylococ- court et al. an 47 Patienten mit implantatassoziierter In-
32 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

fektion (Gelenkersatz/Osteosynthese) erfolgte die Anti- Hitzeschäden sollte das Aufbohren bei offener Blutsperre,
biose oral mit Rifampicin und Ofloxacin; die Erfolgsrate langsam und unter Spülung erfolgen. Ein Bohrloch in der
betrug 74 % (46). distalen Tibia ermöglicht hierbei die Lavage des Mark-
raums bei konstantem Abfluss (51, 52). Eine Infektsanie-
Akute oder subakute Infektion rung mit kulturnegativer Wunde kann ein sequenzielles
2 bei instabilem Implantat Débridement erfordern (32, 53).

Débridement Defektmanagement
Eine Instabilität ist an einer abnormen Beweglichkeit Der durch Entfernung von Implantat und Knochen ent-
oder radiologisch an einer Implantatdislokation oder an stehende Defekt erfordert eine Rekonstruktion mit vita-
Aufhellungszonen in unmittelbarer Umgebung der lem Gewebe. Temporär kommen lokale Antibiotikasyste-
Schrauben, Stäbe oder Fixateur-Pins erkennbar. Sie ge- me (z. B. Antibiotikaketten) zum Einsatz (s. u.; 121).
fährdet die Rückbildung der Infektion und die Heilung Neben der Resektion des avitalen Gewebes ist ein stabiler
der Fraktur. Die implantatassoziierte Osteitis ist durch Weichteilmantel unverzichtbarer Bestandteil der Infekt-
die Bildung bakterieller Biofilme auf den Implantaten ver- kontrolle. Bei akuten oder subakuten Wundinfektionen
ursacht (117). In eine extrazelluläre Polymermatrix wird ein primärer Weichteilverschluss angestrebt. Oft ist
(„Schleim“) eingebettet, sind Bakterien im Biofilm relativ dieser jedoch nicht möglich und eine spätere Deckung
resistent gegenüber vielen Antibiotika (118) und mögli- mittels Schwenk- oder freier Lappenplastik notwendig.
cherweise auch gegenüber der körpereigenen Abwehr
(119), sodass diese nicht in der Lage ist, die Infektion zu Externe Fixation
kontrollieren. Folge der konsekutiven lokalen Entzün-
dungsreaktion ist die progressive Zerstörung des Gewe- Die knöcherne Stabilisierung nach Entfernung des Im-
bes bis hin zur Osteolyse (120). Aus diesen Gründen sollte plantats erfolgt am häufigsten mittels externer Fixation.
das Implantat bei Instabilität oder bei Frakturdislokation Durch die Stabilität wird die Entzündungsphase der Frak-
entfernt werden (Abb. 2.10; 85, 86). turheilung und der Infektion deutlich reduziert. Art und
Ein radikales Débridement ist der Schlüssel zur mögli- Form des Fixateur externe sind abhängig von der Wund-
chen Eradikation der Infektion (109, 121). Hierbei müs- lokalisation und der Komplexität der Fraktur. Zur Kon-
sen devaskularisierte, avitale Knochenfragmente trolle der Frakturfragmente sind bei weniger stabilen
(s. Abb. 2.8 c; 32, 38, 50), aber auch ausgedünnte, vernarb- Frakturen komplexere Rahmen erforderlich. Um einen
te Hautareale, Fistelkanäle und das gesamte infizierte und zusätzlichen Knochenverlust durch Inaktivitätsatrophie
nekrotische Weichteilgewebe entfernt werden (109). zu vermeiden, sollte die Konstruktion eine Belastung
Auch die das infizierte Implantat umgebende derbe, fi- der Extremität erlauben. Bei Vorliegen einer periartikulä-
bröse Gewebeschicht ist vollständig zu exzidieren, ren Infektion wird die Stabilität durch einen gelenküber-
wobei das Periost nicht durch Elevatoren oder Retrakto- brückenden Fixateur externe erreicht. Dieser erlaubt ein
ren vom vitalen Knochen abgelöst werden darf radikales Débridement mit nachfolgender Rekonstrukti-
(Abb. 2.8 b, Abb. 2.8 c). Um das Ausmaß der erforderlichen on, da die Pins auf beiden Seiten des Gelenks außerhalb
Knochenresektion festzulegen, wird der kortikale Kno- des Defekts platziert werden (Abb. 2.11).
chen bei offener Blutsperre unter Kühlung mit Spüllö- Bei extraartikulärer Lokalisation ist die Anlage eines
sung schonend mit einer Hochgeschwindigkeitsfräse er- Ilizarov-Ringfixateurs vorteilhaft, da er nicht nur eine
öffnet. Dabei auftretende punktförmige Blutungen aus Belastungsfähigkeit, sondern auch eine Korrektur von
dem Knochen sind als sogenanntes „Paprikazeichen“ Aus- Deformitäten oder Achsabweichungen ermöglicht
druck einer ausreichenden Durchblutung und Vitalität (Abb. 2.12). Zusätzlich kann eine Kompression oder Dis-
des Knochens (50, 107). traktion potenzieller Pseudarthrosebereiche erreicht
Bei Nagelosteosynthese mit auf den Markraum be- werden. Die Technik nach Ilizarov erlaubt die Rekon-
grenzter Infektion, wird dieser nach Entfernung des infi- struktion segmentaler Knochendefekte und schwieriger
zierten Implantats durch Aufbohren mit einer flexiblen, infizierter Frakturen (37, 54 – 56), wird jedoch heutzutage
den Nageldurchmesser um 1 – 2 mm überschreitenden leider selten eingesetzt (121).
Markraumfräse débridiert, wobei eine Devitalisierung
des kortikalen Knochens zu vermeiden ist. Dies gilt ins-
Chronische Osteitis
besondere bei instabiler Plattenosteosynthese mit Ver-
fahrenswechsel auf eine Marknagelung, bei der durch Débridement
ein mögliches Ablösen des Periosts mit nachfolgendem
Fräsen der endostalen Gefäße ein beträchtliches Risiko In der Therapie der chronischen Osteitis hat sich ein Stu-
eines langstreckigen Sequesters besteht. Dieses kann fenplan bewährt (86, 122). Im Rahmen eines interdiszip-
durch ein zweizeitiges Vorgehen mit 6-wöchigem Inter- linären Behandlungskonzepts sind zur Infektsanierung,
vall reduziert werden (50, 51). Zur Reduktion möglicher Weichteildeckung und Rekonstruktion des knöchernen
Therapie 33

a b c d

e f g

Abb. 2.10 Dieser Patient wurde mit einer akuten Osteitis e Nach 6-wöchiger testgerechter Antibiose wurde der Stab
nach Tibiamarknagelung einer offenen Tibiaschaftfraktur vor- entfernt und eine schrittweise mehrdimensionale Korrektur
stellig. (Achse, Länge und Rotation) mit einem zirkulären Ringfixateur
a, b Röntgenologisch zeigen sich implantatassoziierte Aufhel- durchgeführt.
lungen um den Nagel und die Verriegelungsbolzen, des Wei- f Durch geschlossene Distraktion kam es zur Ausbildung eines
teren liegt eine Achsabweichung vor. ausreichenden Regeneratknochens, eine Knochentransplantati-
c Nach Entfernung des Nagels und Débridement der Markhöh- on war nicht erforderlich. Nach insgesamt 15-wöchiger Be-
le erfolgte ein Totraummanagement mit einem intramedullär handlungszeit wurde eine knöcherne Konsolidierung der Frak-
eingebrachten Stab aus antibiotikaimprägniertem Polymethyl- tur bei Infektfreiheit erreicht.
methacrylat (PMMA) (a.–p. Strahlengang). g Seitliche Aufnahme zu g.
d Seitliche Aufnahme.
34 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

a b

Abb. 2.11 Nach offener Reposition und innerer Fixation bei Schwenklappen wurde eine Reosteosynthese mit Formplatte
Tibiakopffraktur mit Kompartmentsyndrom kam es 5 Wochen und Knochentransplantation durchgeführt.
postoperativ zum Auftreten einer subakuten Infektion. Wäh- a Da ein primärer Wundverschluss nach Débridement nicht
rend den Revisionen mit sequenziellem Débridement, Entfer- möglich war, wurde bei kniegelenksüberbrückendem Fixateur
nung des Implantats und Einlage lokaler Antibiotikaketten externe (Pins in Femur und Tibia) ein VAC-Schwamm einge-
wurde die temporäre Stabilisierung durch einen kniegelenks- setzt.
überbrückenden Fixateur externe gewährleistet. Nach Eradika- b VAC-System nach Soganlage.
tion der Infektion und Rekonstruktion der Weichteile mittels

Defekts meist mehrere operative Eingriffe erforderlich


(123). Der erste Schritt ist das kompromisslose, radikale
Débridement mit Entfernung des avitalen, infizierten
Weichteil- und Knochengewebes sowie des Fremdmate-
rials, idealerweise onkologischen Kriterien folgend (86).
Nur Gefäße und Nerven sind als vitale Strukturen zu
schonen, ein Erhaltungsversuch einer nekrotischen
Sehne ist jedoch nicht sinnvoll (121). Die Resektionsgren-
zen werden durch gesundes, blutendes Gewebe fest-
gelegt. Am Knochen kann hierzu, wie oben beschrieben,
eine Hochgeschwindigkeitsfräse eingesetzt werden. Auch
sklerotischer oder sequestrierter Knochen ist zu entfer-
nen, wobei ein Ablösen des vitalen Periosts vom Knochen
zu vermeiden ist. Bei Instabilität ist eine Stabilisierung
erforderlich, die aufgrund des niedrigen Metallindex vor-
zugsweise durch einen Fixateur externe erfolgt.

Lokale Antibiotikatherapie
(Video 2-1, DVD 1)
Additiv zur chirurgischen Therapie wird eine systemische
Antibiose durchgeführt. Zur Unterstützung und Defekt-
füllung werden nach Débridement und Spülung (z. B.
Jet-Lavage) lokale Wirkstoffträger in den Situs eingesetzt,
die als Platzhalter und Antibiotikaträger der Vorbereitung
des Defektareals zur knöchernen und/oder plastischen
Rekonstruktion dienen (86, 122). Zum Einsatz kommen
antibiotikahaltige Schwämme oder antibiotikaimpräg-
nierte Polymethylmethacrylat-(PMMA-)Zemente in Ket-
tenform oder als größere Spacer in formbarer Applikation
(85, 86, 122). Sie ermöglichen eine hohe lokale Antibioti-
kakonzentration unter Vermeidung einer systemischen
Toxizität. Die Freisetzung des Antibiotikums aus PMMA
Abb. 2.12 Ilizarov-Ringfixateur, der zur Korrektur von Defor- erfolgt durch Diffusion. Je hydrophiler die PMMA-Prä-
mitäten und zur Distraktionsosteogenese eingesetzt wird. Zur paration, desto besser ist der Knochenzement zur Anti-
Fixierung der Ringe werden gespannte Drähte allein (wie dar- biotikafreisetzung geeignet (124). Obwohl der Haupt-
gestellt) oder in Kombination mit Schanz-Schrauben verwen-
det.
Therapie 35

anteil des Wirkstoffs in den ersten 24 h freigesetzt wird,


lassen sich therapeutische Medikamentenspiegel gele-
gentlich bis zu 90 Tage nachweisen. Hierbei ist zu beach-
ten, dass die Gewebekonzentrationen im Vergleich zu
den Elutionsversuchen höher und länger anhaltend sein
können. Lokal um Ketten gemessene Gentamicinkonzen- 2
trationen können bis zu 200-mal höher sein als erreich-
bare Gewebespiegel nach systemischer Applikation (57).
Die im Serum und Urin erreichbaren Konzentrationen
sind im Vergleich zu den Gewebekonzentrationen min-
destens 5- bis 10-mal niedriger und daher in den meisten
Studien nicht nachweisbar.
Im Vergleich zur systemischen Antibiose konnten anti-
biotikaimprägnierte PMMA-Ketten in Tierversuchen ähn-
liche oder bessere Ergebnisse bei Osteitis erzielen (58,
59). Am Kaninchenmodell mit kontaminiertem nekroti-
schem Knochen zeigte der kombinierte Einsatz mit Ket-
ten eine im Vergleich zur alleinigen systemischen Anti-
biose signifikant verbesserte Eradikationsrate (60). Wäh- Abb. 2.13 Mittels Ausgussform hergestellte Polymethyl-
rend nekrotische Knochenareale durch systemische Anti- methacrylat-Antibiotika-Kugeln in Kettenform auf einem Draht.
biotika nicht erreicht werden können, zeigen lokal frei-
gesetzte Antibiotika hohe Konzentrationsspiegel.
Die verbesserte Wirksamkeit bei Kombination der An-
tibiotikaketten mit einer systemischen Antibiose bei
chronischer Osteitis konnte auch in klinischen Studien
bestätigt werden. Entgegen der gängigen Meinung, dass
die eingebrachten Ketten wieder entfernt werden müs-
sen, zeigte das Belassen der Ketten in situ in einer retro-
spektiven Studie verbesserte Ergebnisse (61).
Zahlreiche Antibiotika werden in Kugeln bzw. Ketten
eingesetzt (124). Das gewählte Antibiotikum muss dazu
wasserlöslich, gut verträglich, hitzestabil, in niedrigen
Konzentrationen, bakterizid und in Pulverform verfügbar
sein, sowie ein breites Wirkungsspektrum besitzen. Die
Auswahl ist im Einzelfall anhand des Erregers und seiner
individuellen Resistenz festzulegen (124). Antibiotika
können auch kombiniert werden: Ein gebräuchliches Bei-
spiel im klinischen Einsatz ist die Kombination von To-
bramycin mit Vancomycin. Berichten zufolge zeigt Pala-
cos Knochenzement eine im Vergleich zu anderen Kno-
chenzementen bessere Antibiotikafreisetzung. Die Auto-
Abb. 2.14 „Antibiotic bead pouch“-Technik: Nach initialem
ren verwenden dazu in der Regel eine Mischung aus 2,4 g Débridement bei offener Tibiafraktur wird die Wunde nach
(2 Ampullen) Tobramycinpulver und 40 g PMMA. Das Zu- Einlegen der Antibiotikakette mit einer Membran verschlossen.
mischen einer größeren Antibiotikamenge ist möglich, da
jedoch jede Zumischung von Stoffen die biomecha-
nischen Eigenschaften von Knochenzement verschlech-
tert, sollte ein Zuschlag von 10 % nicht überschritten wer- Nach Entfernung eines Marknagels in die Markhöhle
den (124). Die Mischung wird mittels einer kommerziel- eingebrachte Antibiotikaketten bieten keine mechanische
len Gussform oder manuell per Hand zu Kugeln geformt Abstützung. Außerdem müssen sie innerhalb von 10 – 14
und auf einen Draht oder Faden aufgereiht (Abb. 2.13). Tagen entfernt werden, da eine spätere Entfernung ex-
Diese Ketten können in sterilen Behältern bei Raumtem- trem schwierig sein kann (17, 50, 52). Als Alternative
peratur über einen langen Zeitraum gelagert werden. Bei können Antibiotikazementstäbe eingesetzt werden, die
Verwendung von Antibiotikaketten sollte die Wunde die erforderliche Stabilität bieten und sich intraoperativ
durch eine Lappenplastik oder eine semipermeable mithilfe verschiedener Thoraxdrainagen als Gussform in-
Membran („antibiotic bead pouch“-Technik) verschlossen dividuell anfertigen lassen (56). Die Auswahl der Thorax-
werden (Abb. 2.14). drainage richtet sich nach ihrem Innendurchmesser,
wobei der extrahierte Nagel als Schablone für die Länge
36 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

und den Durchmesser des herzustellenden Stabes be- dement eine primäre Muskellappenplastik durchgeführt,
nutzt wird. Zur Fertigung wird zunächst ein vorgeboge- kann die Zeitdauer der intravenösen Antibiotikatherapie
ner 3-mm-Führungsdraht in der Mitte der Thoraxdraina- auf 2 Wochen verkürzt werden. Eine Studie an 27 Patien-
ge platziert. Anschließend wird das flüssige Zement-An- ten mit einer Osteitis der unteren Extremität ergab eine
tibiotika-Gemisch mit einer Zementpistole in die Thorax- bis zu 90 %ige Erfolgsrate (69). Der freie Gewebetransfer
2 drainage injiziert und damit der Metallführungsstab um- ist eine technisch anspruchsvolle Technik mit hoher
mantelt. Nach Aushärten wird die Thoraxdrainage längs- Komplikationsrate, Spendermorbidität und Risiko eines
inzidiert und vom intakten Zementstab abgestreift. Die- Lappenversagens. Patienten mit segmentalen Defekten
ser wird nach gründlichem Débridement in die Markhöh- und Instabilität zeigen trotz erfolgreicher Weichteil-
le eingeführt und gewährleistet eine lokale Antibiose bei deckung eine höhere Infektrezidivrate, was die Rolle der
mechanischer Stabilität (s. Abb. 2.10). Sind weitere Débri- Frakturstabilität bei der Infektionskontrolle verdeutlicht
dements erforderlich wird der Stab gewechselt, beim de- (67).
finitiven Weichteilverschluss wird er in der Markhöhle
belassen. Die Reosteosynthese kann in der Regel nach Rekonstruktion knöcherner Defekte
einem 6- bis 8-wöchigen Intervall durchgeführt werden.
Mit dem Ziel, Antibiotika durch verbesserte Freisetzung Das nach radikalem Débridement verbleibende Gewebe
lokal zur Verfügung zu stellen, ohne dass der Träger wie- besitzt mitunter eine osteogenetische Potenz, wobei
der entfernt werden muss, wurde eine Vielzahl bioresor- übermäßige Bewegung jedoch die Heilung hindert.
bierbarer Trägermaterialien getestet. Diese umfassen de- Auch eingeschlagenes fibrokartilaginäres Gewebe verfügt
mineralisierte Knochenmatrix, Knochenspäne (62), lyo- über osteogenetische Potenz, die genutzt werden kann,
philisiertes humanes Fibrin, Polyglykolsäure (PGA; 63), sobald Torsions- und Achseninstabilitäten beseitigt sind.
und Polycaprolacton (PCL; 64). Im klinischen Alltag wer- Sind Stabilität und Durchblutung gegeben, differenzieren
den am häufigsten Kalziumsulfatkugeln eingesetzt, deren die pluripotenten Zellen im Frakturbereich selektiv in die
Substanz osteokonduktiv ist und gleichzeitig als Kno- osteogenetische Vorläuferlinie (54). In diesem Fall kann
chenersatzstoff verwendet werden kann. Da Kalziumsul- eine Frakturheilung durch eine Vielzahl innerer Fixati-
fatkugeln vom Körper absorbiert werden, sollten sie die onstechniken erreicht werden. Die durch Marknagelung
gesamte Antibiotikamenge freisetzen. Im Gegensatz dazu erzielte Stabilität zeigt bei Kombination mit einer Anti-
werden bei PMMA nur circa 20 % des Medikaments frei- biotikatherapie exzellente Ergebnisse, wogegen nach Re-
gesetzt. In einer Studie an 25 Patienten mit posttrauma- konstruktion der Weichteile und Vorliegen stabiler
tischen infizierten Defekten der langen Röhrenknochen Wundverhältnisse im metaphysären Bereich ausgewählte
führte die Behandlung mit antibiotikumimprägnierten Plattentechniken erfolgreich sind (Abb. 2.15).
Kalziumsulfatkugeln in 23 Fällen (92 %) zur Infekteradika- Nach Débridement resultieren häufig ausgedehnte
tion und in 14 von 16 Fällen zur Ausheilung der Pseudar- knöcherne Defekte, die die Heilungskapazität des Kno-
throse (bei 9 Patienten war eine Knochentransplantation chens überschreiten. Sind signifikante Anteile der Ge-
erforderlich; 65). Einige Patienten zeigten eine sterile Se- lenkfläche betroffen, sind die Möglichkeiten der Rekon-
kretion, die nach Resorption der Kugeln sistierte. struktion limitiert. Mitunter kann die Resektion eines in-
fizierten Gelenks durch Implantation eines antibiotikaim-
Weichteildeckung prägnierten Zement-Spacers, eine systemische Antibiose
und letztendlich einen prothetischen Gelenkersatz erfolg-
Die Sanierung der Weichteildefekte verbessert den Blut- reich behandelt werden. Oftmals ist jedoch eine Arthro-
fluss und bildet eine intakte Schutzbarriere (122, 123). dese, eine Resektionsarthroplastik oder eine Amputation
Die Weichteildeckung kann durch einen primären Ver- erforderlich, insbesondere bei gefährdeten Patienten oder
schluss erreicht werden, erfordert jedoch häufig eine bei Vorliegen multipler oder resistenter Keime. Betrifft
Lappenplastik, bei der lokale Schwenklappen oder freie die Knochenresektion dagegen überwiegend die Dia-
Lappen zur Anwendung kommen (125). Muskellappen oder Metaphyse, stehen zur Wiederherstellung der Kno-
sind stark vaskularisiert und verbessern durch den er- chenkontinuität mehrere Rekonstruktionsverfahren zur
höhten Blutfluss die zellulären und humoralen Abwehr- Verfügung, darunter die Verkürzung der Extremität, die
mechanismen sowie die Wirkung systemischer Antibio- Auffüllung der Defekte mit autogener oder allogener
tika und damit die lokale Infektionsresistenz in diesem Spongiosaplastik/Knochentransplantation und die Dis-
Bereich (66, 67). Art und Zeitpunkt der plastischen De- traktionsosteoneogenese (122, 126).
ckung sind vor der ersten Operation zu planen; die zur Autogene Knochentransplantate zeigen die schnellste
Verfügung stehenden Techniken sind in Kap. 1 detailliert und zuverlässigste Heilung, sind jedoch in ihrer Menge
ausgeführt. Lappenplastik und knöcherne Rekonstruktion limitiert und mit einer Hebemorbidität assoziiert. Alloge-
können zweizeitig (52), aber auch einzeitig in gleicher ner Knochen kann in spongiöser oder kortikaler Form
Sitzung durchgeführt werden (68). Hierbei ist zu beach- bzw. als aufbereitete demineralisierte Knochenmatrix
ten, dass ein freier Lappen eine erneute Hebung erst nach verwendet werden. Bei der Distraktionsosteoneogenese
circa 6 – 8 Wochen toleriert. Wird nach radikalem Débri- bzw. Kallusdistraktion wird mithilfe externer Fixations-
Therapie 37

a b c

Abb. 2.15 Nach initialer Therapie einer offenen distalen Tibia- a Die Behandlung erfolgte mittels Débridement, Spülung und
fraktur mit Wundversorgung und Gipsverband kam es zur Aus- Anlage eines sprunggelenküberbrückenden Fixateur externe.
bildung einer akuten Infektion bei ansonsten guten Weichteil- Nach Konsolidierung der Weichteile wurde der Fixateur ent-
verhältnissen. fernt, um ein Abheilen der Pin-Eintrittsstellen vor definitiver
Rekonstruktion zu ermöglichen.
b Nach Plattenosteosynthese mit Knochentransplantation
wurde eine infektfreie Ausheilung erreicht (a.–p. Strahlen-
gang).
c Seitliche Aufnahme zu b.

techniken ein kontinuierlicher Zug auf einen sich bilden- Bei der Osteokonduktion dient das avitale Transplantat
den Kallus ausgeübt und dadurch Knochen regeneriert. In als Leitstruktur für das Einwachsen ortsständiger Zellen.
einzelnen Fällen kann auch eine primäre Verkürzung ge- Der dreidimensionale Prozess beinhaltet die Gefäßpro-
eignet sein (111, 122, 126). liferation und das Einsprossen von Kapillaren entlang
Knochentransplantate besitzen 3 potenzielle Funktio- der freien Zwischenräume sowie die Differenzierung der
nen: Osteogenese, Osteokonduktion und strukturelles Zellen mit Bildung und Remodelling des Knochens. Das
Stützgerüst. Osteogenese kann durch 2 Mechanismen er- eingebrachte Transplantat wird hierbei „schleichend“
folgen: Oberflächlich gelegene Osteoblasten können die substituiert. Die dritte Funktion besteht in der Bereitstel-
Transplantation durch Ernährung mittels Diffusion über- lung eines strukturellen Stützgerüstes. Im Bereich der
leben und durch Proliferation verstärkt vitales Knochen- Diaphyse ist hierzu ein kortikales Transplantat erforder-
gewebe bilden. Im Vergleich zum kortikalen besitzt spon- lich; zur Auffüllung metaphysärer Defekte bzw. zur Ab-
giöser Knochen eine größere Oberfläche und damit ein stützung von Gelenkflächen (z. B. Tibiaplateau) kann
höheres Überlebenspotenzial. Knochenneubildung kann spongiöser Knochen eingesetzt werden.
auch durch Umwandlung undifferenzierter mesenchyma- Die Wirtsreaktion nach Knochentransplantation ver-
ler Vorläuferzellen in knochenformierende Osteoprogeni- läuft in 5 Phasen, deren Dauer von der Art des Trans-
torzellen erfolgen. Dieser als Osteoinduktion bezeichnete plantats abhängig ist. Die in den ersten beiden Stadien,
Prozess wird durch aus dem Transplantat stammende Blutung und Entzündung, produzierten aktiven Zytokine
Wachstumsfaktoren, wie beispielsweise Bone Morphoge- unterstützen die Initierung späterer Phasen. Die dritte
netic Proteins (BMP), Transforming Growth Factor β (TGF- Phase umfasst die Gefäßproliferation und die Einspros-
β), Insulin-like Growth Factors 1 und 2 (IGF1/2) oder Pla- sung von Kapillaren, wobei das mitgeführte perivaskuläre
telet-Derived Growth Factor (PDGF) stimuliert und regu- Gewebe mesenchymale Zellen enthält, die zu Osteopro-
liert. Die osteoinduktive Wirkung autologer Knochen- genitorzelllinien differenzieren können. In der vierten
transplantate ist deutlich höher als die der allogenen Phase erfolgt die osteoklastische Resorption der avasku-
Transplantate (127, 128). lären Transplantatlamellen bei simultaner Produktion
neuer Knochenmatrix durch Osteoblasten. In der letzten
38 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

Phase erfolgen das Remodelling und die Reorientierung onsfrakturen, bei denen eine fest verdichtete Spongiosa-
des neugebildeten Knochens entsprechend der mecha- plastik die Gelenkfläche abstützen kann. Die autogene
nischen Belastung (70). Spongiosaplastik ist abhängig vom Einsprossen der
Autogene Spongiosa zeigt die schnellste Einheilung, Wirtsgefäße und zeigt die besten Ergebnisse in gut
avaskulärer kortikaler Knochen die langsamste. Im Hun- durchbluteten Transplantatbetten (Abb. 2.16).
2 demodell durchlaufen autogene und allogene Transplan- Die Entnahme spongiösen Knochens am Beckenkamm
tate die gleichen Phasen, wobei die Geschwindigkeit und erfolgt über einen chirurgischen Zugang zum Ilium
Dynamik bei den allogenen Transplantaten jedoch um die (Abb. 2.17). Für den vorderen Beckenkamm befindet sich
Hälfte verringert ist. Im Vergleich zu Hunden scheint die- der Patient in Rückenlage, für den hinteren in Bauchlage.
ser Prozess beim Menschen langsamer abzulaufen. Bei Die Inzision erfolgt beim hinteren Beckenkamm entlang
avaskulären kortikal abstützenden allogenen Transplan- des tastbaren Beckenkamms, wobei die Spina iliaca supe-
taten kann der Einbau durch „schleichenden Ersatz“ Jahre rior posterior als Orientierungsmarke dient. Nach Prä-
dauern, in vielen Fällen bleibt ein vollständiger Ersatz paration und Retraktion der Weichteile wird die „weiße
sogar aus. Linie“ am Ansatzpunkt der Muskulatur am lateralen Be-
ckenkamm identifiziert, die Abduktorenmuskulatur ab-
gelöst und zur späteren Refixation ein Gewebestreifen
Autogene Spongiosaplastik
belassen. Nach subperiostaler Darstellung der lateralen
Frisch entnommene autogene Spongiosa ist die zuverläs- Iliumfläche wird das Transplantat, z. B. mit einem Rin-
sigste Form der Knochentransplantation: Sie besitzt die nenmeißel, von der Außenfläche des Iliums entnommen,
kürzester Heilungszeit und stellt den „Goldstandard“ für wobei Crista iliaca und innere Kortikalis zu erhalten sind.
Defekte bis 4 cm dar (122). Ihre trabekuläre Struktur un- Die Spongiosa zwischen den Kortikales wird mit dem
terstützt eine rasche Revaskularisation, sodass ein 5 mm scharfen Löffel ausgekratzt, anschließend das gesamte
großes Transplantat innerhalb von 20 – 25 Tagen voll- Transplantat bis zum Gebrauch in einem feuchten Tupfer
ständig revaskularisiert sein kann. Die große Oberfläche aufbewahrt. Nach Auffüllen des Iliumdefekts mit einem
erlaubt das Überleben zahlreicher Transplantatzellen. Zur Hämostyptikumschwamm und der Reinsertion des M.
Optimierung sollte das Transplantat nach Entnahme in abductor erfolgt der schichtweise Wundverschluss sowie
gekühlter Kochsalzlösung oder Blut aufbewahrt und ein die Injektion eines Lokalanästhetikums.
Austrocknen vermieden werden. Spongiosa bietet kein Bei Verwendung autogener Spongiosa muss die Ent-
strukturelles Stützgerüst, außer bei metaphysären Defek- nahmemorbidität im Spenderbereich berücksichtigt wer-
ten wie beispielsweise umschriebenen Tibiakopfimpressi- den. Mögliche Komplikationen am Beckenkamm umfas-

Abb. 2.16 Röntgenaufnahmen eines jungen


männlichen Patienten mit offener Humerus-
fraktur und segmentalem Knochendefekt nach
Verkehrsunfall.
a Nach Spülung, Débridement und Fixateur-
anlage zeigte sich ein verbleibender großer dia-
physärer Defekt.
b Nach Abheilen der Weichteilwunde wurde
eine Plattenosteosynthese mit Spongiosaplastik
durchgeführt und ein Knochenstimulator im-
plantiert.
c 5 Monate postoperativ war der Defekt knö-
chern konsilidiert.

a b c
Therapie 39

Hautinzision
in der
Mittellinie
Nn. clunii superiores
thorakolumbale
Faszie
2
18 cm

Spina iliaca
post. sup.
Spendertranspl.
Entnahmestelle

A. glutea
superior,
M. gluteus N. gluteus
maximus superior

s u
dic
hia
isc
N.

Abb. 2.17 Chirurgischer Zugang zur Entnahme autologer Knochentransplantate vom hinteren Beckenkamm.

sen: Schmerzen, Verletzungen von Nerven- und Gefäß- ersatzstoffe bei alleinigem Einsatz die Knochenbildung
strukturen (N. femoralis cutaneus lateralis, N. ilio- nicht suffizient zum Auffüllen größerer Defekte stimulie-
hypogastricus, N. ilioinguinalis, Nn. clunii, N. gluteus su- ren, können sie in Kombination mit einem autogenen
perior/A. glutea superior), Frakturen, einschließlich Ab- Transplantat eine Rolle spielen. Die genauen Indikationen
rissfrakturen der Spina iliaca anterior superior, Infektio- und die Wirksamkeit sind jedoch in der Literatur bisher
nen, Hämatome, Herniationen von Abdominalorganen, nicht eindeutig dokumentiert.
Gangbildstörungen, Verletzungen des Iliosakralgelenks Der Einsatz der Spongiosaplastik erfolgt im Allgemei-
und Verletzungen des Ureters (71). Größe und verfügbare nen in Fällen mit möglichem Weichteilverschluss, bei-
Menge der autogenen Spongiosa sind limitiert, weshalb spielsweise bei posterolateralem Zugang bei Tibiapseud-
in der Regel eine Begrenzung auf Defekte bis 4 cm emp- arthrosen. Bei Infektpseudarthrosen ist jedoch gelegent-
fohlen wird (122, 129). Bei nicht die gesamte Zirkumfe- lich eine offene Spongiosaplastik in der Technik nach Pa-
renz betreffenden Defekten kann die Indikation deutlich pineau erforderlich (131, 132, 133). Nach radikalem Dé-
ausgeweitet werden (111). Diesbezüglich wurde in einer bridement der Weichteile und des Knochens erfolgt die
Studie mit 8 Patienten eine erfolgreiche Rekonstruktion Stabilisierung der Extremität mit einem Fixateur externe,
der durchschnittlich 10 cm großen Tibiadefekte mittels der offene Defekt wird mit Verbandswechseln oder
autogener Spongiosaplastik gezeigt (72). einem VAC-System behandelt, bis die Defekthöhle voll-
Antibiotikaimprägnierte autogene Spongiosa verbes- ständig mit Granulationsgewebe ausgekleidet ist. Danach
sert die Eradikationsrate bei Infektionen, und die Trans- wird der Defekt mit Spongiosa aufgefüllt und mit feuch-
plantateinheilung wird durch die Zugabe des Antibioti- ten Verbänden abgedeckt, bis das Transplantat vollstän-
kums nicht beeinflusst (73). Zur Vergrößerung des ver- dig von Granulationsgewebe um- und durchwachsen ist.
fügbaren Volumens kann ein Expander zugefügt werden, Anschließend erfolgt die Deckung durch Spalthauttrans-
der meist durch Osteokonduktion wirkt. Das Ausmaß der plantation. Die durchschnittliche Tragezeit des Fixateur
Osteoinduktion ist dagegen variabel und schwer ein- externe beträgt 7,5 Monate. Durch zunehmende Verfüg-
schätzbar. Keramiken wie Kalziumphosphat, Hydroxyl- barkeit von mikrovaskulären Techniken und Methoden
apatit, Trikalziumphosphat oder Kalziumsulfat sind häu- zum Knochentransport hat die offene Spongiosaplastik
fig verwendete Materialien. Bovine Kollagenkomposite zunehmend an Bedeutung verloren, sie ist heute im Zeit-
mit Kalziumphosphat (z. B. Collagraft; 130) und demi- alter differenzierter Lappenplastiken kein probates Ver-
neralisierte Knochenmatrixprodukte besitzen die glei- fahren mehr (122).
chen Wirkungsmechanismen. Während diese Knochen-
40 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

zeigten keine Frakturheilung und erforderten zum Errei-


Allogene Transplantate
chen einer Konsolidierung 81 zusätzliche Maßnahmen
Gefrorene oder gefriergetrocknete allogene Knochen- (74).
transplantate können zur Rekonstruktion großer Kno- Allografts sind bezüglich der Menge und Größe nicht
chendefekte eingesetzt werden. Der Einbau erfolgt analog limitiert; ein weiterer Vorteil ist die Verwendung voll-
2 der autogenen Transplantate, jedoch deutlich langsamer, ständiger Gelenke. Trotz potenziell geringerer Morbidität
und bei großen kortikalen Allografts bleibt ein vollstän- sind neben hohen Kosten zahlreiche Nachteile, wie z. B.
diger Ersatz häufig aus. Da die Knochenzellen den Auf- unvollständiger Einbau, Heilungsstörungen, verminderte
bereitungsprozess nicht überleben, ist eine direkte Kno- mechanische Stabilität, erhöhte Prävalenz von Mikrofrak-
chenbildung nicht möglich. Des Weiteren ist ihre osteo- turen (128) bzw. das Risiko zur Übertragung von Infekti-
induktive Wirkung deutlich geringer als die der auto- onskrankheiten beschrieben. Das Risiko einer Virusüber-
genen Knochentransplantate (127, 128). Kortikospongiö- tragung beträgt 1:600 000. Postoperative Infektionen
se Späne werden zur Auffüllung und Abstützung um- stellen die größte Gefahr beim Einsatz von Allografts
schriebener metaphysärer Defekte eingesetzt, Kortikalis- dar, bei Knochenverlust durch Tumor beträgt das Risiko
blöcke oder -streifen dagegen als strukturelle Elemente. 5 – 12 %. Bei Zustand nach Infektverlauf ist dieses Risiko
Zur Einheilung ist häufig eine zusätzliche autogene Spon- deutlich erhöht, weshalb allogene Transplantate nur sel-
giosaplastik erforderlich, sowie nahezu immer eine Ab- ten zur Auffüllung infektbedingter Knochendefekte ein-
stützung durch innere Fixation (Abb. 2.18). In einer Lang- gesetzt werden.
zeitstudie zeigten Allografts nach Tumorresektion eine Bei ausgedehnteren Defekten hat sich der Einsatz eines
Erfolgsrate von 84 %. Bei 15 Patienten versagte das Trans- autogenen Thrombozytenkonzentrats bewährt (122),
plantat, in der Hälfte dieser Fälle führte die Revision mit wobei die in den Thrombozyten enthaltenen Wachstums-
erneuter Transplantation zur Ausheilung. 31 Patienten faktoren den Heilungsprozess initiieren sollen. Das
thrombozytenreiche Plasma (PRP) wird mit dem GPS-
System (Gravitational Platelet Separation System) aus
dem Blut des Patienten gewonnen und kann in Kombina-
tion mit autogenen Knochentransplantaten bzw. Kno-
chenersatzstoffen angewandt werden.

Vaskularisierte Knochentransplantate
Bei größeren Knochendefekten mit zur Einheilung des
Transplantats unzureichender Blutversorgung des umlie-
genden Gewebes kann der gefäßgestielte Knochentrans-
fer eingesetzt werden. Hierbei unterscheidet man gestiel-
te (Rotieren des Knochentransplantats unter Kontinui-
tätserhaltung der Blutgefäße) und freie vaskularisierte
Transplantate (nach Durchtrennung der Gefäße Kontinui-
tätswiederherstellung an neuer Lokalisation mittels mi-
krovaskulärer Technik). Sie bieten ein strukturelles Stütz-
gerüst sowie eine rasche Einheilung und sind unabhängig
von der Vaskularität des Transplantatbetts. Die Belastbar-
keit wird im Verlauf durch Hypertrophie erhöht. Der
Transfer erfolgt am häufigsten in Form einer Fibulatrans-
plantation, alternativ kann ein Beckenkamm- (mit A. ilia-
ca circumflexa) oder ein Rippentransfer (posteriore Inter-
kostalgefäße) eingesetzt werden. Bei Composite flaps
wird gleichzeitig Haut und/oder Muskel transplantiert.
Aufgrund der hohen Morbidität im Hebebereich wird
der Rippentransfer nur selten verwendet. Der vaskulari-
sierter Beckenkamm ist auf ein gerades Segment von
5 – 6 cm limitiert, heilt langsam ein und erfordert in bis
Abb. 2.18 Ein großer femoraler Defekt nach offener Femur- zu 50 % der Fälle die Durchführung einer zusätzlichen
fraktur wurde initial mittels Wundversorgung und Fixateur ex- Spongiosaplastik. Des Weiteren ist er mit einer hohen
terne behandelt. Die letztendliche Rekonstruktion erfolgte mit
Morbiditätsrate, einschließlich einer möglichen Herniati-
einer Winkelplatte und einem abstützenden Fibulaallograft. Die
dargestellte a.–p. Aufnahme zeigt den Befund nach Wiederauf- on von Abdominalorganen assoziiert.
nahme der Vollbelastung und Rückkehr in den Beruf als Liefe- Der freie mikrovaskuläre Fibulatransfer ist das eigent-
rant 8 Monate postoperativ. liche Arbeitspferd bei der Rekonstruktion diaphysärer
Therapie 41

Abb. 2.19
a Große Defektzone des Humerus nach
Schussverletzung, die neurologische Funktion
der Hand ist intakt.
b 72 Monate nach Rekonstruktion des Defekts
mittels freiem Fibulatransfer und nachfolgender
Revision bei proximaler Pseudarthrose ist eine 2
stabile Ausheilung erreicht und die Hand wird
für Aktivitäten des täglichen Lebens genutzt.

a b

Defekte. Die Fibula besitzt eine Länge von bis zu 20 cm, Gangbilds (vor allem beim Treppensteigen), leichte Ab-
und bei korrekter Technik und Handhabung überleben nahme der Wadenkraft und der Sprunggelenkseversion,
bis zu 90 % der Transplantatzellen (75, 76). Anfänglich Kontraktur des M. flexor hallucis longus sowie Parästhe-
zur Wiederherstellung der Integrität tibialer Defekte ein- sien im Versorgungsgebiet des N. peroneus (76).
gesetzt, hat sich das gefäßgestielte Fibulatransplantat
aufgrund seiner Länge und der minimalen Morbidität
Distraktionsosteogenese (Video 2-2, DVD 1)
im Hebebereich im weiteren Verlauf zum am häufigsten
eingesetzten freien Knochentransplantat bei diaphysären Die Distraktionsosteogenese wurde in der Sowjetunion in
Defekten entwickelt. Bei Vorliegen großer Defekte den späten 1940er- oder frühen 1950er-Jahren von Iliza-
(> 6 cm) wird der Fibulatransfer seitens vieler Autoren rov entdeckt. Er konnte einen vollkommen neuen Aspekt
als Mittel der Wahl betrachtet, v. a. bei schlechter Vasku- im biologischen Knochenverhalten beschreiben und zei-
larität des Transplantatbetts (Abb. 2.19). Die Transplantat- gen, dass ein sehr langsames Auseinanderziehen zweier
ernährung erfolgt über Begleitäste der Peronealgefäße gut durchbluteter Knochensegmente mittels externer Fi-
und periostale Gefäße, sodass aufgrund der eigenen Blut- xation die Knochenneubildung induziert. Die Technik hat
versorgung das Transplantat von der Durchblutung des sich seither zu einem Standardverfahren für langstrecki-
Empfängerbetts relativ unabhängig ist. ge Knochendefekte bzw. Beinverkürzungen entwickelt
Zur Rekonstruktion kombinierter Knochen- und und trägt heute seinen Namen (134, 135, 136, 137). Die
Weichteildefekte kann die freie Fibula gemeinsam mit Distraktionsosteogenese erlaubt eine dynamische Korrek-
einem Saum des M. soleus und/oder Hautanteilen (osteo- tur bestehender Achsen-, Rotations- und Translations-
septokutanes Transplantat) transplantiert werden (75, deformitäten und kann gleichzeitig Beinlängendifferen-
125), wobei der Hautlappen die Durchblutungskontrolle zen oder Knochendefekte im Verlauf der Behandlung aus-
des Transplantats erlaubt. Die Ergebnisse bei Rekonstruk- gleichen (54, 55). Werden Torsions- und Scherkräfte
tion segmentaler Radiusdefekte wurden von Jupiter et al. durch einen Ringfixateur ausgeschaltet, führen Zugkräfte
berichtet: 8 der 9 Patienten zeigten ein erfolgreiches Ein- zu einer Knochenneubildung und Heilung im Fraktur-
heilen (77). In einer Studie von Heitmann et al. über den bereich. Zur Förderung der metaplastischen Umwand-
Einsatz des Transplantats bei segmentalen Humerusde- lung des fibrokartilaginären Gewebes im Frakturbereich
fekten zeigten 7 der 8 Patienten ein frühzeitiges Versagen ist ein stabiles Mikromilieu entscheidend und Vorausset-
der Fixation oder eine Fraktur des Transplantats. Durch zung für die präferenzielle Differenzierung lokaler pluri-
offene Reposition mit innerer Fixierung und Spongiosa- potenter mesenchymaler Zellen entlang der Osteoblas-
plastik wurde im weiteren Verlauf eine Ausheilung er- ten-/Osteozytenlinie. Dieser Prozess geht mit lokaler Ge-
reicht. Bei einem Patienten mit Infektverlauf war ein er- fäßneubildung und erhöhter biosynthetischer Aktivität
neuter Fibulatransfer erforderlich (78). einher und führt zu einer intramembranösen Knochen-
Probleme im Hebebereich sind in der Regel geringfügig. bildung im Segmentspalt (79).
Beschrieben sind: temporäre moderate Störungen des
42 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

Im ersten Schritt erfolgt die Anlage eines Fixateur ex- mit Infektruhe erreicht (80, 81). Einschränkend ist jedoch
terne. Der klassische Ilizarov-Fixateur verwendet ge- zu bemerken, dass der Großteil dieser Studien eine nur
spannte Transfixierungsdrähte und über Gewindestangen geringe Fallzahl mit in der Regel < 20 Patienten umfasst
verbundene Ringe (s. Abb. 2.12), für viele Anwendungen und keine Vergleichsgruppen oder Kontrollen einschließt.
können jedoch auch unilaterale Fixateure in ähnlicher Vorteile des Verfahrens sind die fehlende Entnahmemor-
2 Technik eingesetzt werden. Die Kortikotomie erfolgt per- bidität und die Möglichkeit einer funktionellen Behand-
kutan, üblicherweise im Bereich der Metaphyse, unter lung unter Vollbelastung (Abb. 2.20). Nachteilig ist aller-
Schonung der intramedullären und periostalen Gefäßver- dings die lange Tragezeit des Fixateur externe, die in
sorgung mit einem Meißel (z. B. Fähnchenmeißel), alter- manchen Studien bis zu 2 Monate pro Zentimeter über-
nativ mit einer Gigli-Säge. Nach Durchtrennung von min- brückter Defektstrecke betrug. Der Konsolidationsindex
destens zwei Drittel der Knochenzirkumferenz kann die errechnet sich als Quotient aus der Zeitspanne von der
verbliebene Kortikalis osteoklastisch unter Scherbewe- Osteotomie bis zur Konsolidation und der Länge der Dis-
gung und Schränken durchtrennt werden, anschließend traktion. Er ist von verschiedenen Faktoren abhängig und
ist die Kortikotomie röntgenologisch zu kontrollieren beträgt in der Regel zwischen 3 und 5 d/mm (137). Ein
(136). Der Transport beginnt nach einer Latenzzeit von beträchtlicher Zeitanteil ist durch die zeitverzögerte Hei-
5 – 14 Tagen. Hierbei werden die durchtrennten Kno- lung im Bereich der Dockingstelle bedingt, welche kri-
chenoberflächen 1 mm/d in Einzelschritten von je tisch ist und häufig die Durchführung einer Spongiosa-
0,25 mm alle 6 h langsam auseinander gezogen (111, plastik mit ggf. additiver Minimalosteosynthese erfordert
137). Eine zu starke Distraktion (z. B. 1 mm einmal täg- (137). Die Komplikationsrate ist hoch, was zum Teil durch
lich) führt, wie auch jede Instabilität mit Scherbewegung, die lange Tragezeit des Fixateur externe bedingt ist. Zu
zur Inhibition der Osteogenese, eine zu geringe Frequenz den häufigsten Komplikationen zählen Pin-Infekte, Bewe-
dagegen zum Schließen des Spaltes durch reguläre Frak- gungseinschränkungen, Kontrakturen, Achsabweichun-
turheilung. Das initial entstehende Hämatom wird im gen, Refrakturen und Regeneratversagen (137).
Folgenden organisiert, wobei es zur Entstehung einer bi- Um die Tragezeit des Fixateur externe zu verkürzen,
polaren fibrovaskulären Zone mit parallel zur Zugrich- wurden verschiedene Modifikationen entwickelt, u. a.
tung angeordneten Kollagenfasern kommt. Die Knochen- der Doppel-Segment-Transport, das Vorgrafting der Do-
bildung setzt mit einer vom gesamten Querschnitt der ckingstelle oder die Kallusdistraktion über einen unauf-
durchtrennten Knochenoberflächen ausgehenden int- gebohrten Verlängerungsmarknagel (137). Der als „Mo-
ramembranösen Ossifikation ein. Der entstehende Kno- norail-Technik“ bezeichnete Segmenttransport durch
chen ist aus einer sehr gleichförmigen und strukturierten Kombination von Marknagel und Fixateur externe mini-
Anordnung von Säulen und Zapfen mit je ca. 200 µ miert das Risiko einer Achsabweichung und verkürzt die
Durchmesser und umgebenden mikrovaskulären Gefäß- Zeit der externen Fixation auf das Distraktionsintervall
bahnen aufgebaut. Die Mineralisation erfolgt perivaskulär (137). Nach erfolgtem Docking wird der Nagel verriegelt
in der Umgebung der parallel zur Distraktionskraft ein- und der Fixateur entfernt (82). Ein analoger Ansatz ver-
sprossenden Gefäße (79). wendet eine minimal invasiv eingebrachte Überbrü-
Bei Vorliegen von Knochendefekten werden zwei Vor- ckungsplatte, die nach erfolgtem Segmenttransport Sta-
gehensweisen beim Einsatz der Distraktionsosteogenese bilität gewährleistet und eine vorzeitige Entfernung des
unterschieden. Beim ersten Ansatz erfolgt in der Akut- Fixateurs ermöglicht.
phase die Konturierung der Knochenenden sowie die Über den Vergleich zwischen Ilizarov- und „konventio-
Verkürzung unter Kompression des Frakturbereichs. Die nellen“ Techniken zur Behandlung von Knochendefekten
Kortikotomie an separater, metaphysärer Lokalisation mit wird in 3 Studien berichtet (38, 83, 84). Zwei dieser Stu-
nachfolgender Kallusdistraktion wird sekundär durch- dien sind retrospektiv, in der dritten wird ein „prospek-
geführt. Durch Verkleinerung des Weichteildefekts er- tives Protokoll“ mit historischen Kontrollen verglichen.
möglicht dieses Verfahren oftmals einen primären Ver- Hinsichtlich Behandlungserfolg und Komplikationen wer-
schluss oder eine Spalthautdeckung des ansonsten lap- den jedoch jeweils unterschiedliche Kriterien und Defini-
penpflichtigen Defekts (80). Eine Rahmenkonstruktion tionen verwendet, und keine der Studien vergleicht zur
gewährleistet hierbei die Kompression der Fraktur bei selben Zeit behandelte, randomisiert verschiedenen
gleichzeitiger Distraktion im Bereich der Kortikotomie. Gruppen zugeteilte Patienten. Die Studien differieren
Beim alternativen, als Knochen- oder Segmenttransport auch hinsichtlich der konventionellen Behandlung. In
bezeichneten Verfahren erfolgt initial die Einstellung der einer Studie wurde die Technik nach Papineau durch-
korrekten Länge und Ausrichtung der Extremität mit An- geführt (38), in den beiden anderen eine Spongiosaplas-
lage einer Rahmenkonstruktion und sekundär die Auffül- tik (84) bzw. eine Spongiosaplastik oder ein freier Fibula-
lung der Defektstrecke durch inneren Transport eines transfer (83). Zusammenfassend vergleichen die drei Stu-
oder zweier Segmente. Vorteil ist die funktionelle Nach- dien insgesamt 101 Patienten, deren durchschnittliche
behandlung unter frühzeitiger Belastung (137). Defektgröße bei den 48 mittels Segmenttransport behan-
Der Segmenttransport zeigt eine hohe Erfolgsrate: In delten Patienten 5,2 cm, bei der konventionellen Gruppe
vielen Studien wird in > 90 % der Fälle eine Ausheilung 5,7 cm betrug. Eine erfolgreiche Ausheilung mit Infekt-
Therapie 43

Abb. 2.20 Knochentransport bei segmentalem Defekt der Tibia.


a Nach Versorgung einer offenen Tibiafraktur mit Marknagelung,
Allograft und Cerclagedrähten kam es postoperativ zum Infektver-
lauf.
b Nach Segmentresektion der betroffenen Knochen- und Weichteil-
anteile erfolgte die Einlage eines antibiotikaimprägnierten Zement-
spacers. 2
c Zum Segmenttransport von distal nach proximal wurde ein Ring-
fixateur angelegt.
d Im Bereich der Docking-Stelle war eine Spongiosaplastik erforder-
lich.
e Letztendlich wurde eine Ausheilung der Fraktur und der Infektion
mit voller Belastbarkeit der Extremität erreicht.

a b

c d e
44 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

ruhe wurde in 71 – 90 % der Fälle erreicht. Signifikante Zusammenfassend hat sich die Kallusdistraktion mit
Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen bestan- ihren unterschiedlichen Techniken heute als Standardver-
den nicht. Bei Einsatz der konventionellen Technik fahren bei langstreckigen Knochendefekten und aus-
waren sekundäre Maßnahmen häufiger (112 versus 35) gedehnten Beinverkürzungen etabliert (137).
erforderlich. Des Weiteren wurden vermehrte Bluttrans-
2 fusionen, längere Krankenhausaufenthalte und längere
Operationszeiten berichtet (83). Hinsichtlich der letzt- Neue Techniken
endlichen Beinlänge zeigte die Ilizarov-Behandlung
einen eindeutigen Vorteil. In dieser Studie von Marsh et Kombination von Tibiamarknagel
al. wurden jedoch auch Patienten mit beabsichtigter Ver-
und Titan-Cage
kürzung in die konventionelle Behandlungsgruppe einge-
schlossen (84). Aufgrund von Problemen im Bereich der In den letzten Jahren wurde ein neues Verfahren zur Re-
Dockingstelle musste bei Ilizarov-Behandlung oftmals konstruktion segmentaler Defekte der Tibia beschrieben,
eine Spongiosaplastik durchgeführt werden, im Vergleich bei dem ein Tibiamarknagel mit einem Titan-Cage kom-
zur konventionellen Therapiegruppe war jedoch ein ge- biniert wird (Abb. 2.21). Nach radikalem Débridement
ringeres Volumen erforderlich. mit Entfernung des gesamten nekrotischen und seque-

Knochen-
transplantat
Cage

a b c

Abb. 2.21 Tibiamarknagelung durch einen Titan-Cage. Die a Der Nagel wird in die Tibia eingebracht, und der Cage um
durch Kombination von Nagel und Cage erreichte Stabilität den Tibiadefekt platziert.
ermöglicht eine frühe Belastung. Zur Auffüllung des diaphysä- b Um den Cage werden Knochentransplantate angelagert.
ren Defekts werden Knochentransplantate um die Cage-Außen- c Dadurch wird eine Kontinuitätswiederherstellung der Tibia
seite angelagert. erreicht.
Neue Techniken 45

strierten Gewebes wird im nächsten Schritt ein Titan-


Merke
Cage in der zur Wiederherstellung der normalen Beinlän-
ge erforderlichen Größe ausgewählt und in den Knochen- ■ Die Gesamtsensitivität der MRT für Knocheninfektionen
defekt platziert. Nach Einbringen bis in Defekthöhe wird beträgt nahezu 100 %, die Spezifität liegt bei 60 – 75 %.
der Marknagel durch die Mitte des Cages vorgebracht
und distal verriegelt, anschließend die Spongiosa um 2
(nicht in) den Cage angelagert. Durch diese Kombination
wird eine frühe Stabilität und Vollbelastung erreicht. Ob-
wohl keine publizierten Studien vorliegen, sind die ersten
Ergebnisse dieser Technik recht erfolgversprechend (138,
139, 140).

Inhalt der DVDs

Video 2-1 (entspricht Video 1-5, DVD 1) „Antibiotic bead Video 2-3 (DVD 1) Kniegelenksarthrodese. Die Kniegelenks-
pouch“-Technik. Das Video zeigt die Herstellung von Anti- arthrodese nach Kniegelenksinfektion mit schwerer Schädi-
biotikakugeln und ihre Anwendung in „Antibiotic bead gung des Gelenkknorpels und des periartikulären Knochens
pouch“-Technik zur Behandlung einer Infektion oder erheb- wird mit einer Kompressionsplatte durchgeführt. Um ein
lich verschmutzter Wunden. gutes Alignment und ausgeglichene Knochenoberflächen
Video 2-2 (DVD 1) Ringfixateur an der unteren Extremität. für eine erfolgreiche Arthrodese zu erhalten, werden in der
Das Video zeigt die Anlage eines Ringfixateurs bei proximaler dargestellten Technik für Knieprothesen bestimmte Säge-
Tibiafraktur. Die Anwendungsprinzipien für die Korrektur von schablonen eingesetzt.
Deformitäten bei der Rekonstruktion nach Infektionsverlauf Video 2-4 (DVD 1) Oberschenkelamputation. Das Video
sind sehr ähnlich. zeigt die Versorgung einer komplexen offenen Verletzung
der unteren Extremität mittels Oberschenkelamputation.
Die Technik beinhaltet die Myodese der Adduktoren- und
der hinteren Oberschenkelmuskulatur.
46 2 Muskuloskeletale Infektionen nach Trauma

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50 3 Akutes Kompartmentsyndrom

3 Akutes Kompartmentsyndrom
A. H. Schmidt
Übersetzer: C. A. Kühne

Das Kompartmentsyndrom ist ein multifaktorielles Ge- tem intrathorakalen Druck mit Beeinträchtigung der
3 schehen, bei dem es durch einen erhöhten intramuskulä- (Be-)Atmung.
ren Druck zu einer akuten myoneuralen Ischämie kom-
men kann. Vereinfacht dargestellt ist das Kompartment-
syndrom das Ergebnis entweder einer Schwellung inner- Diagnose
halb eines bestimmten Muskelkompartments oder einer
von außen einwirkenden Kompression. Auch wenn die Die Diagnose eines Kompartmentsyndroms und die Indi-
pathophysiologischen Zusammenhänge sehr komplex kation zur Fasziotomie ist mitunter schwer zu stellen (2).
und auch nicht völlig geklärt sind, führen beide Ereignis- In Nordamerika sind Fehldiagnosen beim Kompartment-
se zu einem Anstieg des Drucks innerhalb des Kompart- syndrom einer der häufigsten Gründe für Gerichtsverfah-
ments. Mit steigendem intrakompartimentellen Druck ren gegen Ärzte (3). Laut einer Studie aus dem Jahr 1993
kommt es dann im Verlauf zu einem Sistieren der Mikro- lag die durchschnittliche Abfindung bei fast $280 000 bei
zirkulation innerhalb des Kompartments – mit der Folge übersehenen Kompartmentsyndromen. In jüngerer Ver-
einer Ischämie von Muskeln und Nerven (myoneural). Die gangenheit wurden 19 Schadensersatzansprüche auf-
Gewebeischämie führt dann zu weiterer Durchblutungs- grund eines Kompartmentsyndroms diskutiert (4).
störung, Hypoxie, Azidose und Ödembildung. Die Ge- Dabei betrug die Gesamtschadenssumme $ 3,8 Millionen.
samtheit dieser Faktoren stellt letztendlich die Vorausset- 10 dieser Klagen wurden zugunsten des Arztes zurück-
zungen für einen Circulus vitiosus dar, der in einer ischä- gewiesen, nachdem sie durchschnittlich 5,5 Jahre verhan-
mischen Muskelnekrose endet, wenn dieser Prozess nicht delt wurden. 3 Klagen gingen in Berufung und führten zu
unterbrochen wird. Mit wachsender Dauer der Ischämie einer Verurteilung. In 6 Fällen war mangelhafte Arzt-Pa-
wird der Gewebeschaden letztlich irreversibel. Nur durch tient-Kommunikation ursächlich und führte zu einer Ent-
die rechtzeitige Fasziotomie kann die Perfusion des ge- schädigung (p > .01). Die Zeitdauer zwischen Beginn der
schädigten Gewebes wiederhergestellt werden, wobei es Symptome und Durchführung der Fasziotomie war dabei
gleichzeitig auch zu einem Reperfusionsschaden durch linear assoziiert mit dem Anstieg der Schadensersatzzah-
nun aktivierte Leukozyten oder Stoffwechselprodukte lungen (p > .05). Im Gegensatz hierzu kam es bei Durch-
des geschädigten Muskels kommen kann. Als Endzustän- führung einer Fasziotomie innerhalb von 8 h in keinem
de nach unbehandeltem Kompartmentsyndrom finden Fall zu Schadensersatzzahlung.
sich Hypästhesien, Dysästhesien, Kontrakturen, Muskel- Der Schlüssel zu einer zeitnahen Diagnose liegt bereits
schwäche aber auch Nierenschäden bedingt durch die im „daran Denken“. Hope u. McQueen untersuchten eine
Rhabdomyolyse und Myoglobinurie sowie Herzrhyth- Serie von 164 Fällen. Hierbei fanden die Autoren, dass
musstörungen bis hin zur Sepsis, Amputation oder sogar solche Kompartmentsyndrome, die nach einer Fraktur
Exitus letalis (1). aufgetreten waren, schneller diagnostiziert und schneller
Die Ursachen eines Kompartmentsyndroms sind, wie einer Therapie zugeführt wurden als solche Fälle, bei
eingangs erwähnt, multifaktoriell, häufige Ursachen sind denen es zu einem Kompartmentsyndrom ohne Vorlie-
Frakturen, Weichteil- und Muskelquetschungen, Gefäß- gen einer Fraktur kam (5). Dies deutet darauf hin, dass
verletzungen, Verbrennungen, Unterkühlung oder auch das Vorliegen einer Fraktur das Bewusstsein des Arztes
ausgedehnte Muskelkontusionen. Der Unfallchirurg wird für das Vorliegen eines Kompartmentsyndroms schärft.
nicht selten mit einem (drohenden) Kompartmentsyn- Hier ist kritisch zu bemerken, dass jeder Patient mit
drom in Verbindung mit einer offenen oder geschlosse- einer geschwollenen schmerzhaften unteren Extremität
nen Unterschenkelfraktur konfrontiert. Aber auch durch selbst ohne ersichtliches skelettales Trauma ein Kompart-
das Anlegen zu enger Gipsverbände zur Stabilisierung mentsyndrom haben kann. Dementsprechend muss man
von z. B. Sprunggelenkfrakturen kann es zur Ausbildung die verschiedenen Umstände, in denen ein Kompart-
eines Kompartmentsyndroms kommen. Letztendlich mentsyndrom möglich ist, sorgfältig evaluieren.
kann das Kompartmentsyndrom fast ubiquitär entstehen, In einer großen Serie von Patienten mit Tibiafrakturen
z. B. an Oberarm, Unterarm, Hand, Glutealregion, Ober- wiesen McQueen et al. eine Inzidenz von 1,5 % in 67 Ti-
schenkel und Fuß. Eine Besonderheit stellt das abdomi- biafrakturen nach. Hierbei konnte kein Unterschied zwi-
nelle Kompartmentsyndrom (AKS) dar. Hierbei kommt es schen offenen und geschlossenen Frakturen sowie Hoch-
durch erhöhten intraabdominellen Druck zur Dysfunk- und Niedrigrasanztraumen nachgewiesen werden, eben-
tion der Abdominaleingeweide mit z. B. Dünndarmischä- sowenig bei Frakturen, die innerhalb von 24 h nach Unfall
mie, Nierenversagen und möglicherweise auch zu erhöh- oder später behandelt wurden (6). In einer neueren Un-
Diagnose 51

tersuchung aus der gleichen Klinik fand sich das Kom- nischen Entscheidung. Obwohl das akute Kompartment-
partmentsyndrom am häufigsten bei jungen Männern syndrom Ursache eines erhöhten intramuskulären
mit Tibiaschaft- oder Unterarmfraktur (7). Das Kompart- Drucks ist, gibt es keinen spezifischen, zuverlässigen
mentsyndrom kann bei Kindern mit vorliegender Unter- und reproduzierbaren Test, der die Diagnose bestätigt
armfraktur beobachtet werden; eine jüngere Arbeit fand (16 – 25). In einem Literatur-Review zum Kompartment-
eine höhere Inzidenz nach Durchführung einer intrame- syndrom des Unterschenkels fand Ulmer, dass die Sensi-
dullären Fixation verglichen mit der geschlossenen Repo- tivität klinischer Befunde für die Diagnosestellung eines
sition und anschließender Gipsruhigstellung (8). Es ist Kompartmentsyndroms mit 13 – 19 % insgesamt sehr
wichtig sich zu vergegenwärtigen, dass ein Kompart- niedrig lag, der positive prädiktive Wert der klinischen 3
mentsyndrom auch bei Vorliegen einer offenen Fraktur Untersuchungsbefunde ereichte nur 11 – 15 % (23).
auftreten kann. Hier sind Inzidenzen von 2,7 bis hin zu Gleichzeitig konnte im Unterschied hierzu eine Spezifität
33,3 % beschrieben (9, 10). Woll u. Duwelius fanden, dass und ein negativer prädiktiver Wert von jeweils 97 – 98 %
48 % der Patienten mit einer segmentalen Tibiafraktur erzielt werden. Diese Untersuchungsergebnisse weisen
eine Fasziotomie aufgrund eines akuten Kompartment- darauf hin, dass die klinischen Untersuchungsbefunde,
syndroms benötigten (11). Obwohl in der überwiegenden die im Rahmen eines Kompartmentsyndroms des Unter-
Mehrzahl der Fälle das Bein betroffen ist (80 %), wurde schenkels gefunden werden, eher dazu geeignet sind die
das Kompartmentsyndrom in nahezu jedem Muskelkom- Diagnose eines akuten Kompartmentsyndroms aus-
partment in der oberen und unteren Extremität oder zuschließen als ein solches nachzuweisen (23). Diese Pro-
dem Körperstamm beschrieben (7). bleme bei der Diagnosestellung eines Kompartmentsyn-
Die Diagnose wird zunächst klinisch gestellt. Zeichen droms im Bewusstsein, sollte ein hohes Maß an Ver-
eines (drohenden) Kompartmentsyndroms sind z. B. der dachtsdiagnose bei Risikopatienten aufrecht erhalten
akute Schmerz, der brennend oder bohrend sein kann werden, und der Arzt sollte gegebenenfalls eher nichtin-
und durch Analgetika nicht oder kaum zu bessern ist. In dizierte Fasziotomien durchführen, um keine einzige not-
fortgeschrittenen Stadien des Kompartmensyndroms wendige Fasziotomie zu übersehen.
kann es dann zu Parästhesien und Hypästhesien kom- Um die Diagnose des Kompartmentsyndroms weniger
men. Das betroffene Kompartment bzw. die betroffene von subjektiver Erfahrung und Fähigkeit abhängig zu ma-
Extremität ist hart und kann nur noch andeutungsweise chen, wurden verschiedene Techniken entwickelt, um
eingedrückt werden. Periphere Pulse sprechen nicht den intramuskulären Druck zu messen (6, 26–28). Kom-
gegen ein (drohendes) Kompartmentsyndrom. Hier merziell zu erwerbende Messgeräte sowie eine intrave-
kann der Blutfluss in den großen Gefäßen noch unbeein- nöse manometrische Pumpe können dabei reproduzier-
trächtigt sein, während es im Muskelgewebe bereits zu bare und genaue Werte liefern (26). Allerdings bestehen
einem Stillstand der Mikrozirkulation gekommen ist. weiterhin Kontroversen, ab welchem Druck die Diagnose
Aufgrund der Anfälligkeit peripherer Nerven für ischä- eines Kompartmentsyndroms gestellt werden und ab
mische Ereignisse eignen sich bestimmte Nerven zum welchem Druck eine Fasziotomie erfolgen sollte (20, 29).
frühzeitigen Nachweis eines Kompartmentsyndroms So variieren die Empfehlungen zur Fasziotomie zwischen
(Tab. 3.1; 13, 14). Ausgedehnte nervale Störungen treten Drücken von 30 – 45 mmHg oder bei Erreichen der Diffe-
erst zu einem späten Zeitpunkt auf, wenn oftmals bereits renz zwischen diastolischem Blutdruck und intramusku-
ein ausgedehnter Muskel- und Nervenschaden vorliegt. lärem Druck unter 30 mmHg (19, 32, 33). Hier kann dann,
Wichtig ist der Ausschluss eines Kompartmentsyndroms eingedenk der Tatsache, dass die Differenz des mittleren
bei Patienten, die in ihrem Schmerzempfinden oder der arteriellen Drucks und des intrakompartimentellen
Möglichkeit der Schmerzäußerung möglicherweise redu- Drucks den kapillären Perfusionsdruck bestimmt, von
ziert sind. Zu nennen sind Patienten mit z. B. Schizophre- einem Stopp der Mikrozirkulation ausgegangen werden,
nie, bewusstseinsgetrübte bzw. bewusstlose Patienten, wenn die genannte Druckdifferenz unterschritten wird.
aber auch Patienten, die zur Analgesie eine Regionalanäs- Zu bedenken ist hierbei, dass die Kompartmentdruck-
thesie erhalten haben (15). messung unterschiedliche Werte innerhalb eines einzel-
Die Inkonsistenz und Variabilität an Zeichen machen nen Kompartments aufweist (35). Dementsprechend sind
die Diagnose eines Kompartmentsyndroms zu einer kli- mitunter wiederholte intramuskuläre Druckmessungen

Tab. 3.1 Neurologische Befunde bei akutem Kompartmentsyndrom am Unterschenkel.


Kompartment Nerv Hypästhesiebefund
anterior N. peroneus profundus Zwischenzehenraum I/II
lateral N. peroneus superficialis Fußrücken
superfizial posterior N. suralis lateraler Fußrand
tief posterior N. tibialis plantar
52 3 Akutes Kompartmentsyndrom

an verschiedenen Stellen innerhalb des Kompartments venischämie ist. Dabei hängt die Schwere der Ischämie
notwendig, um aussagekräftige Werte zu erhalten. sowohl von der Höhe als auch von der Dauer des erhöh-
Janzing u. Broos untersuchten unterschiedliche Defini- ten Drucks ab (37, 38). Die Toleranzbreite der Muskulatur
tionen für das Kompartmentsyndrom, basierend entwe- auf eine Ischämie kann dabei bei verschiedenen Patienten
der auf dem intramuskulären oder den Perfusionsdrü- deutlich variieren. So beeinflussen z. B. Schock, Hyperten-
cken und zeigten, dass ein Grenzwert für den intramus- sion oder veränderter Gefäßwiderstand und nicht zuletzt
kulären Druck zur Stellung der Diagnose eines Kompart- bereits existierende Muskelverletzungen die Ausprägung
mentsyndroms nicht existiert (29). Untersuchungen von und das Auftreten einer Ischämie (18, 39). Darüber hi-
3 White et al. kamen zu dem Ergebnis, dass die Differenz naus führen Inkonsistenzen und Ungenauigkeiten der
zwischen diastolischem oder mittlerem arteriellen Druck Druckmesssysteme und -techniken zu diagnostischen
und intrakompartimentell gemessenem Muskeldruck von Ungenauigkeiten, und gemessene Drücke variieren nicht
weniger als 30 – 40 mmHg spezifischer hinsichtlich der unerheblich an verschiedenen Stellen innerhalb dessel-
Diagnose eines Kompartmentsyndroms ist als die Heran- ben Kompartments (17).
ziehung von Absolutwerten (33). Die Anwendung eines
intramuskulären Drucks > 30 mmHg als fixe absolute De-
Technik der intramuskulären Druckmessung
finition eines Kompartmentsyndroms führt in einer Serie
zu 29 % Fasziotomien (20). Dies ist höher als die erwartete Es gibt eine Vielzahl von Methoden, um den intramusku-
Rate und weist darauf hin, dass die Definition nicht spezi- lären Druck zu messen. Whitesides et al. stellten eine
fisch genug ist, obwohl bei Anwendung dieser Definition Technik vor, bei der ein Nadelmanometer mit Kochsalz-
ein Kompartmentsyndrom nicht übersehen wird. lösung zur Injektion benutzt wurde (27). Diese Methode
Aufgrund der beschriebenen Probleme bei der kli- ist jedoch umständlich und hier existieren mittlerweile
nischen Diagnose eines Kompartmentsyndroms, wie bessere Alternativen.
auch bedingt durch die Unannehmlichkeiten, die durch Zur intramuskulären Druckmessung gibt es verschie-
multipel durchgeführte intramuskuläre Druckmessungen dene kommerziell zu erwerbende Messvorrichtungen
bedingt sind, empfehlen einige Autoren die Durchfüh- (Abb. 3.1). Es handelt sich um kleine handliche Geräte,
rung einer kontinuierlichen intramuskulären Druckmes- die über eine spezielle Nadel oder einen Katheter für
sung (6, 32). So haben McQueen et al. bei Patienten mit kontinuierliche intramuskuläre Messungen ausgestattet
Tibiaschaftfraktur durch die Benutzung einer kontinuier- sind. Dabei wird zunächst die sterile Kanüle oder der
lichen Messung einen deutlichen Rückgang an durch- Infusionsschlauch mit steriler Kochsalzlösung luftfrei ge-
geführten Fasziotomien zeigen können, ohne dass hier- füllt und dann das Gerät geeicht.
durch die Zahl nichtdiagnostizierter Kompartmentsyn- Dabei ist zu beachten, dass die Eichung/Nullung des
drome gestiegen wäre (32). Darüber hinaus hatten die Geräts auf Höhe des Injektionspunkts des betreffenden
Patienten, die mit kontinuierlicher Druckmessung behan- Kompartments erfolgt. Nach Hautdesinfektion wird die
delt wurden ein verbessertes klinisches Ergebnis mit we- Muskelloge mit der Kanüle punktiert und (je nach ver-
niger Wundheilungsstörungen (32). Allerdings konnten wendetem Gerät) 0,3 – 1 ml Flüssigkeit injiziert. Diese
Ulmer et al. kürzlich zeigen, dass auch durch diese Art Flüssigkeitsmenge ist ausreichend, um den intramusku-
der Druckmessung die Diagnose eines Kompartmentsyn- lären Druck vorübergehend ansteigen zu lassen. Inner-
droms nicht immer zweifelsfrei gestellt werden kann. Die halb einer Minute kommt es zu einem Druckausgleich
unterschiedlichen möglichen Gründe, die zu Ungenau- im Kompartment, und der eigentliche Muskeldruck
igkeiten bei der intramuskulären Druckmessung führen kann nun abgelesen werden.
sind vielfältig. Hervorzuheben ist jedoch, dass der intra- Wiederholte Messungen werden durchgeführt, sowohl
muskuläre Druck einen Wert darstellt, nicht aber eine in als auch um die verschiedenen Kompartments. Für die
direkte Messung der Ausprägung einer Muskel- oder Ner- kontinuierliche Messung wird die Verwendung eines spe-

Abb. 3.1 Kompartmentdruckmessung mit mobi-


lem Messgerät. Bei dem Patienten lag ein manifes-
tes Kompartmentsyndrom mit 81 mmHg vor.
Operative Behandlung 53

ziellen Katheters empfohlen (6). Dieser kann an die ent-


Merke
sprechende Messeinheit oder ein Blutdruckmessgerät an-
geschlossen werden. ■ Die Diagnosestellung des Kompartmentsyndroms
Heckmann et al. fanden die höchsten Druckwerte in- hängt in einem hohen Maße vom Verdacht sowie sorg-
nerhalb eines Umkreises von 5 cm um eine Tibiafraktur fältiger, wiederholter und dokumentierter klinischer Un-
(35). Nach aller Wahrscheinlichkeit empfiehlt es sich, tersuchung ab. Nachlassende Sensibilität des Zwischen-
multiple Messungen des Gewebedrucks sowohl nah als zehenraums D 1 und D 2 am Fuß ist häufig das erste
auch entfernt vom Kompartment durchzuführen, aller- Symptom eines akuten Kompartmentsyndroms im
dings ist es unpraktisch, multiple Messungen aller Kom- Bein, welches auf eine Dysfunktion des N. peroneus
aufgrund des steigenden Drucks im anterioren Kom-
3
partments in einer möglicherweise betroffenen Extre-
partment hindeutet. In jedem Fall ist Schmerz das
mität durchzuführen. Da das anteriore Kompartment
Hauptsymptom des akuten Kompartmentsyndroms.
des Beines wie auch das volare Kompartment des Unter-
Da Schmerz beim sedierten oder intoxikierten Patien-
arms typischerweise die Kompartments mit dem höchs-
ten und solchen mit SHT nicht sicher bewertet werden
ten Druck darstellen und immer mitbetroffen sind, stel-
kann, ist unter diesen Umständen eine routinemäßige
len sie sogenannte „Sentinel-“Kompartmente dar und
Druckmessung indiziert. Die sicherste „Grenze“ für die
sollten daher am engmaschigsten überwacht werden.
Diagnose des Kompartmentsyndroms aufgrund intra-
Traditionelle bildgebende Verfahren spielen nur eine
muskulären Drucks scheint die Messung des Perfusions-
geringe Rolle im Management des Kompartmentsyn-
drucks zu sein, berechnet als ΔP = diastolischer Blut-
droms; ihr Wert liegt in der primären Diagnose der zu-
druck minus intramuskulärer Druck. Basierend auf die-
grunde liegenden Verletzung und der Darstellung mögli-
ser Definition sollte eine Fasziotomie erwogen werden,
cher Frakturen und Dislokationen. Allerdings konnte
sobald ΔP ≤ 30 mmHg.
kürzlich gezeigt werden, dass die MRT eine mögliche
Rolle in der Behandlung des akuten Kompartmentsyn-
droms spielen könnte. In einer Untersuchung von Rom-
minger et al. konnte ein Kontrastmittelenhancement Konservative Behandlung
nach Injektion von Gadolinium in Kompartments mit er-
höhtem Druck nachgewiesen werden (40). Die MR-Bilder Es wurden verschiedene konservative Methoden zur Be-
zeigten geschwollene Kompartments mit Verlust der nor- handlung des Kompartmentsyndroms untersucht, jedoch
malen Muskelarchitektur. T2-gewichtete Spin-Echo-Se- zeigt sich keine routinemäßig erfolgreich. Die Therapie
quenzen zeigten ausgedehnte Areale mit Kontrastmittel- eines akuten Kompartmentsyndroms besteht nach wie
anreicherungen. In zeitnahen Follow-up-Serien zeigten vor in der operativen Druckentlastung des betroffenen
sich Veränderungen dieser Anreicherungsmuster wobei Kompartments. Wenngleich Fallberichte über ein konser-
sich in späteren Follow-up-Sequenzen Zeichen der Fibro- vatives Vorgehen nach Schlangenbissverletzungen exis-
se sowie zystische und fettige Degeneration im betroffe- tieren, stellt dies die Ausnahme dar (46). Die intravenöse
nen Kompartment nachweisen ließen (40). Die Autoren Gabe von Mannitol oder die intramuskuläre Gabe von
schlossen daraus, dass das MRT die Diagnose eines Kom- Hyaluronidase konnten zwar im Tierexperiment Erfolge
partmentsyndroms in klinisch nicht eindeutigen Fällen zeigen, sind aber für den klinischen Einsatz nicht an-
unterstützen kann und darüber hinaus die betroffenen wendbar.
Kompartmente detektieren kann, was es dem Chirurgen
erlaubt, diese selektiv zu entlasten (40). Darüber hinaus
gibt es verschiedene neue, wenig invasive Techniken, die Operative Behandlung
für den klinischen Einsatz in der Diagnosestellung des
Kompartmentsyndroms evaluiert werden. Diese beinhal- Nach Diagnosestellung eines akuten Kompartmentsyn-
ten Messungen der Oberflächenhärte des betreffenden droms ist dieses durch Fasziotomie zu behandeln
Kompartments (41), den transkutan gemessenen Sauer- (Abb. 3.2). Durch Längsspaltung der Faszie, die das betref-
stoff, die mechanische Impedanz (42), Spektroskopie (43), fende Kompartment umgibt, wird dabei eine Druckent-
oder auch Thallium-Stress-Testing (44). Hierbei handelt lastung erreicht. Dabei korreliert das spätere Behand-
es sich überwiegend um Studien, von denen sich bislang lungsergebnis mit dem Zeitpunkt der Diagnosestellung
keine in der Diagnostik des akuten Kompartmentsyn- und der operativen Intervention (53). Die Fasziotomie
droms als hilfreich erwiesen hat. In einer Vergleichsstu- kann am Unterschenkel über einen alleinigen lateralen
die fanden Dickinson et al., dass die Spezifität der nicht- oder auch einen lateralen und einen zusätzlichen media-
invasiven Messungen der oberflächlichen Festigkeit ver- len Zugang vorgenommen werden. Am Unterschenkel
glichen mit der herkömmlichen invasiven Druckmessung sind immer alle 4 Kompartments zu fasziotomieren.
unzureichend war (0,82 vs. 0,96; 45). Verbesserte Metho- Trotz der offensichtlichen Nachteile und auch Komplika-
den für die akkurate Diagnosestellung eines akuten Kom- tionen wie großer Narbe im Bereich des Zugangs, verlän-
partmentsyndroms stehen weiter aus. gertem Krankenhausaufenthalt, Folgeoperationen zum
Wundverschluss, Wundinfektionen und auch möglicher
54 3 Akutes Kompartmentsyndrom

3
a b

Abb. 3.2 Klinische Aufnahmen eines rechten Beines nach Fas- a Lateral.
ziotomie. b Medial.

chronischer venöser Insuffizienz ist im Zweifel die Indi- cherweise nur zu einer inkompletten Entlastung der
kation zur Fasziotomie eher großzügig zu stellen (31, 55– Logen und kann nicht empfohlen werden. Die vollständi-
57). ge subkutane Fasziotomie ist ebenfalls nicht ausreichend
Der Erfolg einer Fasziotomie und somit die Vermeidung beim akuten Kompartmentsyndrom (59). Da jedes Kom-
von Gewebe- und Nervenschäden hängt unmittelbar mit partmentsyndrom einer zügigen Behandlung bedarf, ist
einer korrekten und zeitnahen Diagnose zusammen. Die die Indikation zur Fasziotomie auch bei noch nicht gesi-
frühe Diagnose eines Kompartmentsyndroms und unver- cherter Diagnose großzügig zu stellen. Ungeachtet der
zügliche Fasziotomie zeigten bei Patienten mit Tibiafrak- möglichen Komplikationen einer Fasziotomie wird der
tur eine beschleunigte Heilung und verbesserte Funktio- Chirurg eher eine überflüssige Fasziotomie durchführen
nalität. Wird die Fasziotomie jedoch nicht zeitnah durch- als ein potenzielles Kompartmentsyndrom zu übersehen.
geführt, ist die Prognose der Erkrankung ungünstig. Zu
spät durchgeführte Fasziotomien können den Patienten Fasziotomie des Beines durch zwei Inzisionen
möglicherweise sogar gefährden (58). Erfolgt die Faszio-
tomie erst nach Eintritt von Muskelnekrosen, kommt die Die Fasziotomie im Bereich des Unterschenkels kann über
operative Intervention zu spät und dem Operateur zeigen 2 Zugänge erfolgen, einen lateralen und einen zusätzli-
sich lediglich die resultierenden Gewebsnekrosen mit der chen medialen (s. Abb. 3.2, Abb. 3.3; Video 3-1, DVD 1).
nun bestehenden Gefahr einer bakteriellen Besiedlung Die mediale Inzision wird häufig gewählt, da über diesen
und nachfolgender Infektion. Finkelstein et al. arbeiteten Zugang die Spaltung des tiefen hinteren Kompartments
die Fälle von 5 Patienten mit einem Kompartmentsyn- leichter möglich ist (Abb. 3.4). Über die laterale Inzision
drom auf, bei denen die Fasziotomie verspätet (> 35 Stun- wird das vordere (Streckergruppe) und das laterale (Pe-
den nach Verletzung) erfolgte – bzw. die erst selbst ver- roneusgruppe) Kompartment dekomprimiert. Die ober-
spätet medizinische Behandlung aufsuchten. Von diesen flächliche Beugergruppe (oberflächliches hinteres Kom-
5 Patienten verstarb ein Patient an Multiorganversagen, partment) kann prinzipiell über beide Zugänge erreicht
bei den verbliebenen 4 Patienten konnte nur durch die werden. Wenigstens eine der beiden Inzisionen – typi-
Amputation eine Genesung erreicht werden (3 Fälle mit scherweise die laterale – sollte über die gesamte Ausdeh-
Wundsepsis, 1 Fall mit schmerzhafter funktionsloser Ex- nung des Kompartments erfolgen. Wird die Hautinzision
tremität; 58). nicht ausreichend groß gewählt, kann dies zu einem Per-
sistieren des erhöhten intramuskulären Drucks führen.
Wird die Fasziotomie durch 2 Inzisionen durchgeführt,
Merke kann der dazwischen liegende Hautlappen gefährdet
■ Beim Vorliegen eines Kompartmentsyndroms gibt es sein, wenn die A. tibialis anterior beschädigt worden ist.
keine wirklichen Alternativen zur Fasziotomie, auch Sollte eine Verletzung der A. tibialis anterior im Vorfeld
nicht in frühen oder Grenzfällen. Dabei sollten bei der der Operation bemerkt werden, könnte eine Fasziotomie
Fasziotomie gerade im Bereich des Unterschenkels alle mit Entlastung aller 4 Kompartments durch eine einzige
4 (betroffenen) Kompartmente druckentlastet werden. Inzision günstiger sein.
Die laterale Inzision wird in oder etwas vor der Mittel-
achse des Unterschenkels durchgeführt, zwischen Fibula
Fasziotomie
und vorderer Schienbeinkante (Abb. 3.5). Die Hautlappen
Bei der Fasziotomie ist zu beachten, dass eine oder meh- werden mittels scharfer Präparation anterior und poste-
rere großzügige Hautinzisionen mit Durchtrennung jed- rior angehoben; es kann nun die Faszie des anterioren
weden einengenden Gewebes erfolgen müssen. Eine Fas- und lateralen Kompartments dargestellt werden. Die Fas-
ziotomie durch multiple kleine Inzisionen führt mögli- zie über der Peronealmuskulatur wird dann gespalten
Operative Behandlung 55

M. extensor hallucis longus


seitl. Ansicht
M. extensor digitorum longus

anterior
V. saphena,
M. tibialis anterior
N. saphenus

anterolateral
posterior medial
Fibulaköpfchen
3
N. peroneus superficialis
M. tibialis
M. gastrocnemius M. peroneus longus
posterior
Hautinzision
lateral
M. peroneus brevis
M. tibialis
M. soleus posterior M. soleus
M. peroneus M. gastrocnemius
longus
M. extensor
M. flexor
digitorum
digitorum M. flexor hallucis longus
longus
longus N. suralis
posterior

M. peroneus
brevis
Hautinzision 2 cm
dorsal der hinteren
Tibiakante

M. gastrocnemius
Tibia
M. soleus

N. saphenus,
V. saphena

medialer
Knöchel

Abb. 3.3 Darstellung der Fasziotomie über 2 Inzisionen an der zweier Kompartments über jede Inzision gezeigt wird. Über
unteren Extremität zur Behandlung des Kompartmentsyn- die laterale Inzision können das vordere und laterale Kompart-
droms. Lateral und medial sind lange Inzisionen erforderlich, ment von jeder Seite des Septum intermusculare gespalten
dabei muss sorgfältig darauf geachtet werden, die neurovasku- werden. Auf der medialen Seite können wie gezeigt das ober-
lären Strukturen zu schonen. Die Darstellung oben rechts zeigt flächliche und das tiefe hintere Kompartment leicht erreicht
einen Querschnitt des Unterschenkel, an dem die Spaltung werden.
56 3 Akutes Kompartmentsyndrom

Fasziotomie des Beines durch eine Inzision


(Video 3-2, DVD 1)
Insertion des
Mm. gracilis, Wie erwähnt kann die Fasziotomie am Unterschenkel
sartorius,
semitendinosus
auch über einen einzigen lateralen Zugang erfolgen. Die-
ser sollte weit proximal über der Fibula beginnen und bis
V. saphena, zum Malleolus lateralis reichen (s. Abb. 3.5). Eine Fibul-
N. saphenus
ektomie wurde in der Vergangenheit empfohlen, ist je-
3 doch nicht notwendig (34). Das anteriore und laterale
M. gastro- Kompartment werden, wie bereits beschrieben, dekom-
cnemius primiert. Das oberflächliche posteriore Kompartment
Faszie über (Gastroknemius-Soleus-Komplex) kann ebenfalls leicht
dem M. soleus über diesen Zugang dekomprimiert werden. Um das
tiefe Beugerlogenkompartment zu erreichen, werden die
Peronealmuskeln nach anterior mobilisiert, und über
einen Zugang an der Fibularückseite kann nach Retrakti-
on des Gastroknemius und des Soleus nach posterior das
Faszie über tiefe Kompartment erreicht und dekomprimiert werden
M. flexor dig. long. A. u. V. tibialis (Abb. 3.9). Sollte es aus technischen Gründen nicht mög-
n. vorne gehalten posterior lich sein, alle 4 Kompartments – speziell das tiefe Beu-
und N. tibialis
gegruppenkompartment – zu erreichen, ist eine zusätzli-
che mediale Inzision (s. o.) vorzunehmen. Es sind in
jedem Fall alle 4 Kompartments zu dekomprimieren.

Merke
■ Obwohl eine Fasziotomie mit nur einer Inzision etwas
komplexer sein kann, ist sie doch sehr wertvoll in Fällen
von Kompartmentsyndromen bei Tibiakopffrakturen.
Diese Verletzungen gehen oft mit schweren Weichteil-
defekten einher und werden unter Zuhilfenahme von
Abb. 3.4 Schnittführung bei medialer Inzision am Unter-
Plattentechniken versorgt. Unter diesen Umständen ist
schenkel und Fasziotomie des oberflächlichen und tiefen Beu-
gerkompartments. es sehr hilfreich, zusätzliche Weichteilverletzungen
durch eine zweite Inzision zu vermeiden. Letztendlich
sollte eine Fasziotomie in einem solchen Fall mit den
zusätzlichen, später zur definitiven Frakturversorgung
(Abb. 3.6). Danach wird das laterale intramuskuläre Sep- notwendigen Inzisionen im Hinterkopf geplant werden.
tum zwischen anteriorem und lateralem Kompartment
sowie der N. peroneus superficialis identifiziert
(Abb. 3.7). Anschließend kann die Faszie über dem ante- Oberschenkelfasziotomie
rioren Kompartment komplett eröffnet werden (Abb. 3.8).
Alternativ kann lediglich die ein Kompartment über- Der Oberschenkel besteht aus 3 Kompartments: Extenso-
deckende Faszie eröffnet werden, gefolgt von der Spal- renloge, Flexorenloge und Adduktorenloge. Die Faszioto-
tung des Septum intermusculare, um das andere Kom- mie erfolgt über eine laterale Hautinzision beginnend am
partment zu entlasten. Allerdings ist die Wahrscheinlich- Trochanter major bis auf Höhe der Femurkondylen. Nach
keit einer iatrogenen Schädigung des N. peroneus super- Spaltung der Faszia lata des Tractus iliotibialis wird das
ficialis bei dieser Technik erhöht (34). Über eine mediale Septum intermusculare eröffnet (zwischen Extensoren-
Inzision, welche ungefähr einen Finger breit hinter der und Flexorenloge), dabei ist die Kauterisation der per-
posteromedialen Tibiakante liegen sollte, stellen sich N. forierenden Gefäße sicherzustellen sobald diese bemerkt
saphenus sowie V. saphena dar. Es kann nun die Faszie werden. Eine 1 – 2 cm lange Inzision im lateralen Septum
des Gastroknemius-Soleus-Komplexes gespalten werden. intermusculare wird mithilfe einer Metzenbaum-Schere
Über den Hinterrand des Soleus kann die tiefe Beuger- nach proximal und distal über die gesamte Länge der
gruppe (M. flexor digitorum longus, M. tibialis posterior, Hautinzision erweitert, um das posteriore Kompartment
M. flexor hallucis longus) identifiziert und dekompri- zu entlasten. Nach der Entlastung des anterioren und des
miert werden, wobei dieses tiefe Kompartment ebenfalls posterioren Kompartments von lateral wird der Druck
immer komplett entlastet werden sollte. des medialen Kompartments durch Palpation oder Mes-
sung überprüft. Über einen zusätzlichen medialen Zu-
Operative Behandlung 57

N. peroneus
communis N. peroneus superficialis
ist unter der Faszie des
lat. Kompartments
sichtbar
Fibulaköpfchen
3

Fibulaköpfchen

Faszie über
dem M. M. tibialis anterior
peroneus longus

Hautinzision

M. extensor
digitorum
longus
Durchtritt des
N. peroneus superf.
durch die Faszie
M. peroneus
longus

Abb. 3.5 Schnittführung bei lateraler Inzision am Unterschenkel mit Fasziotomie des vorderen und lateralen Kompartments.

gang kann dann, wenn nötig, die Spaltung der Addukto- behandelten Kompartmentssyndroms, wie Krallenstel-
renloge erfolgen. Da nach Spaltung der Extensoren- und lung der Zehen, übersteigt.
Flexorenloge meistens eine ausreichende Druckentlas- Der Fuß weist verschiedene Kompartments auf, wobei
tung erreicht wurde, kann die Spaltung der Adduktoren- das zentrale Kompartment mit dem M. adductor hallucis,
loge oftmals unterlassen werden. M. quadratus plantae (kalkaneares Kompartment), M. fle-
xor digitorum brevis sowie M. flexor hallucis longus und
Fuß das dorsale Kompartment mit den Mm. interossei die
wichtigste Rolle bei der Ausbildung eines Kompartment-
Die Notwendigkeit einer Fasziotomie am Fuß ist umstrit- syndroms bzw. seiner Behandlung darstellen. Die Mm.
ten. Einige Experten sind der Ansicht, dass das Kompart- interossei können leicht über 2 dorsale longitudinale In-
mentsyndrom im Fuß zu oft übersehen wird, andere wie- zisionen dekomprimiert werden. Der M. abductor hallu-
derum vertreten die Meinung, dass die Morbidität der cis wird über eine mediale Inzision entlang des ersten
Fasziotomie des Fußes die Folgeerkrankungen eines un- Strahls zusammen mit dem M. quadratus plantae er-
reicht.
58 3 Akutes Kompartmentsyndrom

Obere Extremitäten

Oberarm
Das Kompartmentsyndrom in den oberen Extremitäten
kann den Oberarm, den Unterarm und/oder die Hand
betreffen. Alle betroffenen Kompartments sollten entlas-
tet werden. Wenn nötig kann die anteriore Entlastung
3 des M. biceps brachii über den Ellbogen ausgedehnt wer-
den und in eine volare Fasziotomie des Unterarms über-
gehen. Diese wiederum kann ebenfalls bis in die Hand-
fläche ausgedehnt werden, um den N. medianus (Karpal-
tunnel) sowie den N. ulnaris zu entlasten (Abb. 3.10).
Zur Fasziotomie am Oberarm erfolgt eine Inzision in
Abb. 3.6 Laterale Inzision am Unterschenkel, mit deutlichem der Regel medialseitig. Wobei im Bereich des Ellbogens
Hervortreten der Peroneusmuskulatur. darauf zu achten ist, dass der Schnitt das Gelenk nicht
senkrecht kreuzt sondern hier leicht geschwungen oder
zickzackförmig zum Unterarm weitergeführt wird. Bei
Durchführung von Fasziotomien ist immer zu bedenken,
ob die Inzision ggf. für einen späteren Zugang sinnvoll ist.
So ist z. B. bei einer Frakturversorgung mittels langer
Platte am Oberarm ggf. auch eine lateralseitige Inzision
vorzuziehen. Um das hintere Kompartment mit der Tri-
zepsmuskulatur zu dekomprimieren, ist eine dorsalseiti-
ge Inzision notwendig.

Unterarm
Um den Unterarm adäquat zu entlasten, müssen einige
potenzielle Konstriktionsorte eröffnet werden, inklusive
A. musculi bicipitis, der Muskelfaszie und dem R. flexo-
rum. Das volare Kompartment mit der Beugemuskulatur
wird über eine volarseitige mediale Inzision entlastet,
wobei der Lacertus fibrosus proximal sowie das Lig.
carpi transversum distal (Karpaltunnel) ebenfalls gespal-
Abb. 3.7 Nach Eröffnung der Faszie kann der N. peroneus
ten werden sollten. Gleichsam sollte die Faszie der Fin-
superficialis identifiziert werden. Er muss während der gesam-
ten Operation sorgfältig geschont werden. gerflexoren, des M. supinator sowie des M. pronator qua-
dratus entlastet werden.
Ronel et al. untersuchten 4 verschiedene Wege, die
tiefen Muskeln des Unterarms freizulegen, um die Heran-
gehensweise zu finden, die den geringsten Schaden an
umgebenden Gefäßen, Nerven und Muskeln verursacht
(61). Es zeigte sich, dass die ulnarseitige Annäherung
zum Gewebe des Unterarms volarseitig einfach ist, die
geringsten iatrogenen chirurgischen Schäden verursacht
und adäquaten Zugang zum Gewebe gewährt. Die Fläche
der Dissektion liegt zwischen M. flexor carpi ulnaris und
M. flexor digitorum superficialis.
Es wird notwendig sein, 1 oder 2 distale Äste der A.
ulnaris zu durchtrennen, um den M. pronator quadratus
freizulegen. Im mittleren Drittel des Unterarms wird das
neurovaskuläre Bündel mit M. flexor digitorum super-
ficialis angehoben, um den M. flexor digitorum profun-
Abb. 3.8 Fasziotomie des (anterioren) Streckerkompart- dus sowie M. flexor digitorum pollicis longus freizulegen.
ments. Diese Art des Zugangs benötigt keine scharfe Präparie-
rung. Wenn notwendig, kann das/die dorsale(n) Kom-
partment(s) über eine separate dorsale Fasziotomie ent-
Operative Behandlung 59

anterior Abb. 3.9 Anatomischer Querschnitt eines para-


A. + V. tibialis anterior und
fibularen Zugangs mittels Einzelinzision zur De-
N. peroneus profundus
M. tibialis anterior kompression aller vier Kompartments am Unter-
Tibia M. extensor hallucis longus schenkel.
A. + V. tibialis
M. extensor
posterior
digitorum longus
M. flexor
digitorum lateral
longus M. peroneus longus
M. peroneus brevis
3
M. tibialis
posterior Fibula
M. soleus
M. flexor
Membrana hallucis longus
interossea

M. gastrocnemius
A. + V. peronea

Faszie über M. flexor M. palmaris longus M. flexor carpi radialis


digitorum superficialis M. flexor M. pronator teres
und M. flexor carpi ulnaris digitorum
A. ulnaris ist inzidiert M. brachio radialis
super-
ficialis M. extensor
carpi radialis
M. flexor M. flexor longus
digitorum carpi
Haut-- superficialis ulnaris
inzision
M. supinator
M. flexor
carpi M. flexor
M. flexor
ulnaris carpi
digitorum A. + V. Ulna N. medianus
radialis
superficialis ulnaris

M. flexor Faszie M. flexor digitorum


carpi ulnaris profundus

M. palmaris
longus

M. flexor
carpi radialis M. palmaris
longus
M. pronator
teres M. flexor
carpi
radialis

Abb. 3.10 Volarseitige Schnittführung und Fasziotomie am Unterarm.

lastet werden. Der Zugang zwischen M. extensor digito- den und die Schnittführung in die Hohlhand in Brunner-
rum communis und M. extensor carpi radiali brevis ist Schnittführung erfolgen.
dabei einfach und sicher.
Wundbehandlung
Hand
Es existieren verschiedene Möglichkeiten des Wundver-
Dorsal erfolgt die Entlastung der Kompartments über schlusses nach einer Fasziotomie. Traditionell werden sol-
Längsschnitte oder leicht bogenförmige Hautschnitte che Wunden mit feuchter, steriler Gaze abgedeckt, bis
über dem zweiten Mittelhandknochen. In der Hohlhand der definitive Verschluss entweder durch sekundären
palmarseitig sollte immer der Karpaltunnel eröffnet wer- Wundverschluss oder mittels Spalthautdeckung möglich
60 3 Akutes Kompartmentsyndrom

Prognose und Ergebnisse


Die Prognose des Kompartmentsyndroms ist ebenso wie
seine Genese multifaktoriell und hängt entscheidend von
der ursächlich zugrunde liegenden Verletzung ab (65). Es
gibt wenige Studien, die sich speziell mit dem Einfluss
der Fasziotomie auf das Ergebnis beschäftigen. Die Mor-
talität nach Fasziotomie liegt zwischen 11 und 15 %, Am-
3 putationen werden in 11 – 21 % notwendig (66). In ver-
schiedenen Studien wurde das Ergebnis von Patienten
Abb. 3.11 Temporärer Wundverschluss nach Fasziotomie. mit Tibiafraktur hinsichtlich des Operationszeitpunkts
der Fasziotomie beschrieben. In einer Studie mit 25 Pa-
tienten mit Tibiafrakturen wiesen jene Patienten, welche
im Vergleich zu einer Patientengruppe, bei der im Mittel
nach 16 h eine Fasziotomie durchgeführt wurde, verspä-
tet (mehr als 32 h später) behandelt wurden, in über 90 %
Muskelschwächen und Kontrakturen sowie eine ver-
zögerte Frakturheilung bzw. Pseudarthrosenrate im Ver-
lauf auf (32, 67). Ähnliche Ergebnisse fanden auch Finkel-
stein und Mullet et al. (58, 67).
Giannoudis et al. untersuchten 30 Patienten ein Jahr
nach Kompartmentsyndrom und Fasziotomie bei Tibia-
schaftfrakturen hinsichtlich der Lebensqualität anhand
des EuroQol (68). Die Patienten wurden mit alters- und
geschlechtsspezifischen Werten einer Vergleichskohorte
von Patienten mit isolierter geschlossener Tibiaschaft-
fraktur verglichen. Es zeigte sich, dass Patienten, die
Abb. 3.12 Temporärer Wundverschluss mit Vakuumversiege- sich vom äußeren Erscheinungsbild der Inzision gestört
lung (VAC) nach Fasziotomie. fühlten, ihre gesundheitsbedingte Lebensqualität deutlich
geringer einstuften als die übrigen Patienten. Die Autoren
fanden unter anderem, dass Patienten, die eine Spalt-
hauttransplantation zum Wundverschluss erhalten hat-
ten, öfter unter Schmerzen und unspezifischen Be-
ist (Abb. 3.11). Das Verschließen der Wunde vor dem schwerden litten. Auch führte ein verspäteter Wundver-
5. Tag postoperativ wird nicht empfohlen und kann mit schluss zu deutlich mehr Problemen (68). In einer Studie
einem Rezidiv des Kompartmentsyndroms in Zusam- von Heemskerk u. Kitslaar fand sich als einziger prädik-
menhang gebracht werden (62). tiver Wert hinsichtlich eines späteren schlechten Verlaufs
Der Verschluss einer Fasziotomie mittels Hauttrans- ein Patientenalter von über 50 Jahren (66).
plantation wird mit weniger Wundkomplikationen in
Verbindung gebracht als sowohl der primäre als auch
der sekundäre Wundverschluss (63). Dermatotraktion Komplikationen
mittels einfacher Gefäßschlingen, vorgelegter Wundnaht
oder kommerziell zu erwerbenden Instrumente zum Spätkomplikationen auf dem Boden eines Kompartment-
Hautverschluss erlauben den sekundären Defektver- syndroms treten regelmäßig auf, speziell wenn die Diag-
schluss ohne erneute Operation oder das Risiko eines nose verspätet oder gar nicht gestellt wurde. Die mögli-
erneut auftretenden Kompartmentsyndroms (56, 64). In chen Folgen sind neurologische Störungen, Muskeldys-
letzter Zeit werden vermehrt Vakuumschwammsyste- funktionen bis hin zur Gebrauchsunfähigkeit der betrof-
men (VAC) verwendet. Diese werden direkt nach der Fas- fenen Extremität. Kontrakturen wie z. B. die Volkmann-
ziotomie appliziert und können zu einer schnelleren Kontraktur der oberen Extremität sind Spätfolgen eines
Wundheilung sowie einem geringeren Bedarf für Haut- unbehandelten Kompartmentsyndroms. Am Fuß finden
transplantationen führen (Abb. 3.12). Bisher wurden je- sich mitunter Krallenzehen als Endzustand nach unbe-
doch keinerlei klinischen Ergebnisse bezüglich der An- handeltem Kompartmentsyndrom.
wendung dieser VAC-Systeme publiziert. In der Folge eines Kompartmentsyndroms kann es je-
doch auch zu systemischen Störungen, z. B. einem Crush-
Syndrom mit Rhabdomyolyse, akutem Nierenversagen
und Schock kommen. Überwiegend können durch Alkali-
sierung des Urins und Mannitol-Therapie in einem sol-
Neue Techniken 61

chen Fall Nierenkomplikationen verhindert werden; in in Zukunft an Relevanz gewinnen könnten. Die MRT bei-
seltenen Fällen kann die Amputation der betroffenen Ex- spielsweise kann abnorme Veränderungen der Muskel-
tremität lebensrettend sein. Die Gefahr einer potenziellen architektur bei Patienten mit drohendem oder bereits
Komplikation wie einer schweren Sepsis, die auf eine existentem Kompartmentsyndrom darstellen (40). Der-
solche Operation folgt, wiegt schwerer als die Muskelfi- zeit hängt die Diagnose von der klinischen Begutachtung,
brose, die eine konservative Behandlung zur Folge hätte oftmals unterstützt durch Messung des intramuskulären
(58). Drucks, ab. Mittlerweile existieren 2 nichtinvasive Me-
Allerdings treten auch nach regelrechter operativer Be- thoden, die es erlauben, die bevorstehende Gefährdung
handlung eines Kompartmentsyndroms Komplikationen des Gewebes beurteilen zu können. Zum einen ist es 3
auf. So können die Patienten neben sekundären Infektio- möglich, muskuläre Hypoxämie mittels transkutaner
nen im weiteren Verlauf eine chronisch venöse Insuffi- Nah-Infrarot-Spektroskopie nachzuweisen; eine kleine
zienz entwickeln (55). Des Weiteren kann es im Rahmen klinische Studie konnte eine verringerte muskuläre Sau-
der operativen Behandlung zu iatrogenen Nervenschäden erstoffversorgung nachweisen, die sich im Anschluss an
oder relevanten Blutungen kommen (66). Trotzdem bleibt eine Fasziotomie normalisierte. Darüber hinaus konnte
hier zu betonen, dass die Indikation zur Fasziotomie in ein Ultraschallgerät entwickelt werden, das submikro-
Zweifelsfällen großzügig zu stellen ist. Nach Auftreten metergenau Verschiebungen der Faszie aufgrund ver-
eines motorischen Defizits ist eine restitutio ad integrum änderten intramuskulären Drucks erkennt. Im Kadaver-
wenig wahrscheinlich. experiment wurden diese Veränderungen bereits ab
1 mmHg angezeigt. Diese Apparaturen haben das Poten-
zial eine kostengünstige, nichtinasive und portable Alter-
Neue Techniken native zur heutigen Diagnostik zu werden.
Bis dahin jedoch bleibt die Fasziotomie die einzige Me-
Es gibt eine Reihe von neuen Technologien, die in Zukunft thode, das akute Kompartmentsyndrom zu behandeln.
die Diagnose des Kompartmentsyndroms vereinfachen Gewebeultrafiltration zeigte sich im Tiermodell vielver-
könnten. Die verbesserte Kenntnis der Pathophysiologie sprechend (50), und aktuell werden klinische Studien
der Weichteilischämie könnte zur Entwicklung einer Me- mit Tibiafrakturen durchgeführt. Sogenannte „Small-Vo-
thode führen, die die Weichteilschädigung als Folge er- lume“-Wiederbelebung mit hypertoner Kochsalzlösung
höhten intramuskulären Drucks verringern oder gar ver- verbessert die mikrozellulären Funktionen und vermin-
hindern kann. So zeigten beispielsweise Kearns et al. dert die entzündlichen Prozesse bei Crush-Syndrom. In
kürzlich im Tiermodell, dass die präoperative Behandlung Zukunft könnte eine Kombination all dieser Methoden
mit Vitamin C die Ausschüttung von IACM-1 sowie die für eine erfolgreiche konservative Behandlung von frü-
Infiltration mit neutrophilen Granulozyten verringert, hem oder drohendem Kompartmentsyndrom sorgen.
Gewebsödeme reduziert und die Funktionalität des Mus- Verbesserte diagnostische Möglichkeiten werden es dem
kels sichert (69). Chirurgen erlauben, zwischen Patienten zu unterschei-
Wie bereits erwähnt, spielen bildgebende Verfahren in den, denen weiterhin nur eine schnelle operative Versor-
der Diagnostik des Kompartmentsyndroms eine unterge- gung hilft und jenen, deren Kompartmentsyndrom kon-
ordnete Rolle, wobei verschiedene bildgebende Systeme servativ behandelt werden kann.

Inhalt der DVDs

Video 3-1 (DVD 1) Fasziotomie des Beines durch zwei Inzi- Video 3-2 (DVD 1) Fasziotomie des Beines durch eine Inzi-
sionen. Dieses Video zeigt die Zwei-Inzisionen-Technik zur sion. Dieses Video zweigt die Entlastung der vier Unter-
Entlastung aller vier Kompartments des Unterschenkels. schenkelkompartments durch eine einzige Inzision mit an-
schließendem Wundverschluss durch ein VAC-System.
62 3 Akutes Kompartmentsyndrom

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64 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese


A. Matityahu, C. Krettek, T. Miclau III
Übersetzer: G. Röderer, F. Gebhard

„Es ist zu bedenken, ob ein chirurgischer Eingriff, wenn Gründung der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefra-
überhaupt, nur von hochspezialisierten Leuten mit spe- gen (AO/ASIF). Initiator dieses Treffens war Maurice Mül-
ziell ausgebildeter Assistenz in spezialisierten Kranken- ler, der zuvor mit Danis zusammengearbeitet hatte und
häusern durchgeführt werden sollte; andernfalls ist es von dessen Konzept der Kompression und rigiden Fixie-
sehr wahrscheinlich, dass das Ergebnis katastrophal aus- rung beeindruckt war. Vier Grundprinzipien waren ganz
4 fällt“. Dies ist ein Zitat eines medizinischen Sachverstän- offensichtlich hilfreich, um optimale Ergebnisse zu erzie-
digen der Aetna-Versicherungsgesellschaft aus dem Jahre len und wurden als „Arbeitshypothesen“ akzeptiert:
1928 (1), nachdem 34 753 Akten von Regressfällen nach ■ anatomische Reposition,

Frakturversorgung in North Carolina ausgewertet wur- ■ stabile Fixation,

den. Die Plattenosteosynthese wird nach wie vor als ■ Erhalt der Blutversorgung,

Goldstandard in der Versorgung der meisten intraartiku- ■ frühzeitige, aktive Mobilisierung innerhalb der ersten

lären, metaphysären und bestimmter diaphysärer Fraktu- 10 postoperativen Tage (3).


ren angesehen. Das folgende Kapitel behandelt neue Kon-
zepte der Plattenosteosynthese unter Berücksichtigung Drei Jahre später beschrieb Müller die erste Plattenosteo-
mechanischer und biologischer Aspekte der Frakturver- synthese zur Frakturkompression mithilfe eines Platten-
sorgung. spanners (4). Eine Platte mit runden Löchern wurde auf
der einen Seite der Fraktur an den Knochen geschraubt.
Auf der anderen Seite der Fraktur wurde ein Plattenspan-
Geschichte und Entwicklung der ner an den Knochen geschraubt und über einen Haken
Plattenosteosynthese mit der Platte verbunden. Durch das Anziehen einer Rän-
delmutter wurde Kompression auf den Frakturspalt aus-
Die erste dynamische Kompressionsplatte (die modifi- geübt (Abb. 4.1).
zierte Collison-Platte) wurde 1956 von George Bagby vor- Seit den Gründertagen der AO/ASIF haben sich die Im-
gestellt. Diese Platte hatte ovale Löcher, deren distales plantate und die Technik der Plattenosteosynthese mit
Ende einen senkrechten Schlitz hatte, welcher Relativbe- dem Ziel der verbesserten Heilung enorm weiterent-
wegungen der Platte zum konischen Kopf der Schrauben wickelt. Die erste selbstkomprimierende Platte der AO
zuließ (2). Im Jahre 1958 kamen 15 Schweizer Allgemein- wurde 1963 vorgestellt (Abb. 4.2; 5).
und Unfallchirurgen zusammen, um die schlechten Er-
gebnisse, die sowohl mit der konservativen, als auch mit
der operativen Therapie von Frakturen in ihrem Land
erzielt wurden, zu diskutieren. Dieses Treffen führte zur

Abb. 4.1 Plattenspanner zur Kompression einer Fraktur (mit Abb. 4.2 Holzstücke, an denen die Kompression, die mit einer
freundlicher Genehmigung, AO International Publishing). selbstkomprimierenden, dynamischen Kompressionsplatte er-
zeugt werden kann, demonstriert wird (mit freundlicher Ge-
nehmigung, AO International Publishing).
Geschichte und Entwicklung der Plattenosteosynthese 65

1969 wurde die dynamische Kompressionsplatte (DCP


= „dynamic compression plate“) entworfen und in der
Frakturversorgung eingeführt. Das Design der Platte äh-
nelte dem der Bagby-Platte, wies aber einige entschei-
dende Verbesserungen auf (6–8). Diese Eigenschaften er-
möglichten den Gebrauch der DCP als Zuggurtung, zur
Neutralisation, Kompression und Abstützung. Weitere
Techniken, wie beispielsweise das Vorbiegen und die
Zugschraube wurden eingeführt, um die Kompression
im Frakturbereich zu verbessern und die einwirkende
Kraft zu neutralisieren. Diese Techniken führten zu
einer stabilen Fixierung, und die Knochenheilung erfolgte
primär unter spärlicher Kallusbildung im Röntgenbild.
4
Der Mangel an Kallusbildung bei stabil fixierten Frak-
turen wurde von Bagby u. Janes (2) sowie von Eggers (9)
in Tierexperimenten beschrieben. Zu dieser Zeit wurde
Kallus als ein direktes Zeichen der Instabilität, der Über-
lastung des Implantates und/oder von Abrieb angesehen
(10). Die Anwendung der Prinzipien der exakten ana-
tomischen Reposition und absoluter Stabilität setzten
Abb. 4.3 Osteoporose und -nekrose von kortikalem Knochen große chirurgische Erfahrung voraus. Die Fragmente wur-
nach Entfernung einer dynamischen Kompressionsplatte
(J Bone Joint Surg Br 2002; 84 B: 1093 – 1110).

Abb. 4.4 Mit der Druckplatte wird die


Fraktur unter gleichzeitiger Schonung des
Gefäßflusses im Bereich des verletzten
Knochens überbrückt.
66 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

den häufig vollständig von ihren Weichteilen denudiert, u. Hierholzer entwickelten die Überbrückungsplatte (16).
um den Knochen exakt rekonstruieren zu können. Darü- Diese Platten waren so konzipiert, dass sie die Frakturzo-
ber hinaus hängt die Stabilität einer Plattenosteosynthese ne verspannten, indem jeweils proximal und distal der
mit bikortikalen Schrauben von der Reibung zwischen Fraktur eine Platte angebracht wurde. Sie hatten den
der Unterseite der Platte und der kortikalen Oberfläche theoretischen Vorteil, dass eine Schädigung des Blutflus-
des darunter liegenden Knochens ab (11). Diese Reibung ses im Bereich des frakturierten Knochens vermieden
nimmt mit zunehmendem Drehmoment, das auf die wurde, eine lokale Spongiosaplastik möglich war und
Schraube wirkt, zu. die auf die Platte einwirkende Last in direkte Zugkräfte
Häufig werden nach einer Plattenosteosynthese korti- umgewandelt wurde. Diese Tatsachen führten zur Ent-
kale Rarefizierungen bzw. Lysen unter der Platte beob- wicklung von Platten mit verringerter Kontaktfläche zwi-
achtet. Obwohl dieses Phänomen auf den implantatbe- schen Platte und Knochen (17).
dingten Schutz des Knochens vor mechanischer Belas- Die Limited Contact Dynamic Compression Plate (LC-
4 tung zurückgeführt wurde, brachte man es auch mit vo- DCP), die 1990 von Perren erstmals vorgestellt wurde,
rübergehenden Knochennekrosen und einem internen wurde entworfen, um die Kontaktfläche zwischen Platte
Remodelling unter der Platte in Verbindung. Perren et und Knochen um 50 % zu reduzieren (Abb. 4.6). Es wurde
al. konnten zeigen, dass in den Bereichen zwischen Platte postuliert, dass durch die verminderte Kontaktfläche die
und Knochen, in denen die Durchblutung gestört ist, eine Blutversorgung des darunter liegenden Knochens besser
Osteopenie auftritt (Abb. 4.3;12). Sie stellten die Hypothe- geschont wird und somit die Rate an Frakturheilungen
se auf, dass eine verbesserte Durchblutung unter der Plat- verbessert sowie die Häufigkeit von Spongiosaplastiken,
te diese Abnahme der Knochendichte vermindern würde. Infektionen, Refrakturen und implantatbedingten Über-
In den frühen 70er-Jahren begannen Wissenschaftler die lastungsfrakturen nach Metallentfernung vermindert
Druckverhältnisse zu untersuchen, die bei einer Kom- wird (Abb. 4.7). Weitere Eigenschaften des Plattendesigns
pressionsplattenosteosynthese auf den Knochen wirken sind ein gleichmäßiger Abstand zwischen den Plattenlö-
(13). Sie fanden heraus, dass die Platte im Durchschnitt chern, ein trapezförmiger Querschnitt und symmetrische
einen Druck von ca. 7000 N/cm2 auf den Knochen ausübt. Plattenlöcher. Diese Modifikationen der LC-DCP führen zu
Einige Autoren postulierten, dass diese Ergebnisse hilf-
reich sein könnten, bessere Implantate für die osteosyn-
thetische Versorgung zu entwickeln.
Als Reaktion auf diese Arbeiten wurde das Zespol-Sys-
tem in Polen entwickelt und von Ramatowski u. Gra-
nowski beschrieben (14). Dieses System war das erste
zur inneren Fixierung und Stabilisierung langer Röhren-
knochen. Es wurden Schrauben verwendet, deren Köpfe
in der Platte verriegelt wurden, um die Platte auf Abstand
vom Knochen zu halten, weswegen das System sowohl
als Fixateur interne als auch externe verwendet werden
konnte. Die Platte selbst übte keinen direkten Druck auf
den darunter liegenden Knochen aus, was den lokalen
Blutfluss schonte und Osteopenie vermied. Abb. 4.6 Die Limited Contact Dynamic Compression Plate
In den frühen 80er-Jahren stellten Brunner u. Weber verringert den Kontakt zwischen Platte und verletztem Kno-
die Druckplatte vor (Abb. 4.4, Abb. 4.5; 15) und Heitmeyer chen um 50 %.

Abb. 4.5 Intraoperativer Situs bei Anwendung


einer Druckplatte.
Frakturversorgung und Durchblutung 67

Abb. 4.7 Intraoperativer Situs eines vitalen, gut


durchbluteten Knochens nach Entfernung einer
Limited Contact Dynamic Compression Plate
(mit freundlicher Genehmigung, AO International
Publishing).

Platte stabilisiert wurden, heilten schneller und mit einer


mit der DCP vergleichbaren Stabilität (21). Biomecha-
nische Studien an humanen Femurpräparaten konnten
zeigen, dass die PC-Fix-Platte (winkelstabiles Schrauben-
Platte-Knochen-Konstrukt) stabiler ist als die DCP (nicht
winkelstabiles, konventionelles Schrauben-Platten-Kno-
chen-Konstrukt; 25).

Frakturversorgung und Durchblutung


Im letzten Jahrzehnt wurden die Techniken dahingehend
weiter entwickelt, stärker biologische Aspekte zu berück-
sichtigen. Obwohl intraartikuläre Frakturen einer ana-
Abb. 4.8 Vergleich der Unterseiten der Dynamic Compression tomischen Reposition und Stabilisierung bedürfen, ist
Plate, der Limited Contact Dynamic Compression Plate und bei extraartikulären Fragmenten nicht unbedingt die
des Point Contact Fixator (J Bone Joint Surg Br 2002; 84 B: exakte Reposition mit absoluter Stabilität erforderlich.
1093 – 1116). Mit dem Ziel die maximale Funktion wiederzuerlangen,
sollte die Gesamtausrichtung einer unteren Extremität
einer gleichmäßigeren Verteilung der Kräfte entlang der und nicht die Reposition einzelner, extraartikulärer Frag-
Platte, mit einem Neigungswinkel der Schrauben in den mente das Hauptziel sein. Ausgedehnte Denudierungen
Schraubenlöchern von 40° und der Möglichkeit, einfacher von metaphysären oder diaphysären Fragmenten verstär-
auf eine andere Plattenlänge zu umzusteigen (17). Zudem ken die Kompromittierung der Blutversorgung des Kno-
wurde die Platte aus Titan hergestellt, um die Verträg- chens und sollten daher vermieden werden. Die erfolg-
lichkeit zu verbessern (18). reiche Heilung einer Fraktur hängt davon ab, ob eine
In jüngster Zeit konzentrieren sich die Plattensysteme ausreichende Blutversorgung der verletzten Gewebe vor-
zunehmend auf das Prinzip der „biologischen Fixierung“ liegt. Idealerweise sollte das Implantat so gestaltet sein,
(19). Der Point Contact Fixator (PC-Fix) wurde 1994 ein- dass die Blutversorgung des Knochens nicht beeinträch-
geführt. Die Platte wurde so entworfen, dass lediglich tigt wird und die Operationstechnik das iatrogene Trau-
punktuelle Auflageflächen auf ihrer Unterseite entstehen, ma im Rahmen der Frakturstabilisierung minimiert.
um somit den Platten-Knochen-Kontakt verglichen mit
der LC-DCP deutlich zu reduzieren (Abb. 4.8). Bei der Plat-
Winkelstabile Platten (Video 4-1, DVD 1)
te werden monokortikale Schrauben verwendet, die
gegen die Platte verriegelt werden, wodurch der intrame- Es gibt deutliche Unterschiede zwischen einer herkömm-
dulläre Blutfluss weniger stark in Mitleidenschaft gezo- lichen Kompressionsplatte und der Versorgung mit einem
gen wird als bei bikortikalen Schrauben (11, 20, 21). Kli- winkelstabilen Implantat. Die Stabilität herkömmlicher
nische Studien, in denen PC-Fix-Titanplatten verwendet Kortikalisschrauben beruht darauf, dass zwischen 2 ge-
wurden, lassen darauf schließen, dass diese Implantate genüberliegenden Kortikalices Kompression erzeugt
mit einer geringeren Infektionsrate einhergehen (22– wird, die mit Reibung zwischen der Platte und dem da-
24). Tibiafrakturen im Schafmodell, die mit einer PC-Fix- runter liegenden Knochen und Spannung entlang dem
68 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Schraubenverlauf einhergeht. Beim Anziehen der Schrau- keit feststellen. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass die
be kommt es zu einer zunehmenden Kompressionskraft PC-Fix-Platte mit einem Ausreißen des gesamten Platten-
zwischen Platte und Knochen, die wiederum Reibung Schrauben-Konstrukts versagte, während die konventio-
zwischen den beiden erzeugt und die einwirkenden Kräf- nellen Plattenosteosynthesen unterschiedliche Ver-
te entlang der Platte leitet. Eine enge Reibefläche und sagensmechanismen zeigten (21).
noch viel wesentlicher die Ausreißkraft der Schrauben Die biomechanischen Eigenschaften des Less Invasive
sind von höchster Bedeutung für die Kraftübertragung. Stabilization System (LISS) waren Gegenstand jüngster
Diese Konstruktion beruht auf der Scherfestigkeit des Studien. Marti et al. haben LISS mit 2 konventionellen
Knochens im Bereich der Kontaktfläche Schraube – Ge- Platten zur Versorgung distaler Femurfrakturen vergli-
winde. chen: der Kondylenplatte (Condylar Buttress Plate =
Bei Patienten mit dichterer Knochenstruktur können CBP) und der dynamischen Kondylenschraube (Dynamic
höhere Kräfte erzeugt werden als bei solchen mit Osteo- Condylar Screw = DCS). Sie fanden heraus, dass die LISS-
4 porose. Wenn ein Patient eine Last aufbringt, die die Sta- Platte eine stärkere elastische Deformierung aufwies als
bilität der Osteosynthese übersteigt, versagt diese im die konventionellen Platten, was wahrscheinlich Folge
Frakturbereich. Das Versagen beruht auf einem Mangel des unterschiedlichen Designs und der Materialeigen-
an Winkelstabilität, was zu Bewegung zwischen der Plat- schaften ist. Es zeigte sich jedoch, dass die LISS höhere
te und der Schraube führt. Im Falle von konventionellen Lasten tolerierte als die konventionellen Platten (27). In
Platten haben monokortikale Schrauben eine wesentlich einer weiteren Studie wurde eine lateral angebrachte
geringere maximale Versagenslast als bikortikale. Im Ge- LISS-Tibia mit einer beidseitigen (medial und lateral)
gensatz zu konventionellen Platten, die bikortikale konventionellen Plattenosteosynthese verglichen. Die
Schrauben verwenden, weisen winkelstabile Implantate mechanische Testung zeigte, dass sowohl die LISS, als
eine noch höhere maximale Versagenskraft auf (Abb. 4.9). auch die bilaterale konventionelle Plattenosteosynthese
Die Winkelstabilität wird dadurch erzeugt, dass eine einen vergleichbaren Widerstand gegen das Absinken
Schraube mit Gewinde im Kopfbereich gegen ein Gewin- des medialen Plateaus im zyklischen Belastungstest zeig-
de im Plattenloch verblockt wird, was zu einem winkel- ten (28).
steifen Konstrukt führt. Aus funktioneller Sicht wirkt jede Verschiedene Studien haben gezeigt, dass es bestimmte
winkelstabile Schraube wie eine kleine Klingenplatte. Das Anordnungen einer winkelstabilen Plattenosteosynthese
winkelstabile Schrauben-Platten-Konstrukt führt zur gibt, die die Gesamtstabilität erhöhen. Eine Studie, die die
Kraftumleitung von der Schraube auf die Platte und ba- Anordnung der Schrauben sowohl in vitro als auch mit-
siert auf Reibungskräften, die vom Gewinde des Schrau- tels Finite-Elemente-Analyse untersucht hat, konnte zei-
benkopfs auf das Gewinde im Plattenloch übertragen gen, dass das Konzept nah-nah/weit-weit der Pinpositio-
werden. Obwohl die Last, die auf konventionelle und nierung beim Fixateur externe auch für die Anordnung
winkelstabile Platten wirkt die gleiche ist, ist die Vorlast, der Schrauben bei winkelstabilen Platten gilt, weswegen
um ein stabiles Konstrukt zu erhalten bei den konventio- diese häufig auch als Fixateur interne bezeichnet werden
nellen Platten und Schrauben unweigerlich höher. (29). Mit einer winkelstabilen 12-Loch-Platte im Defekt-
Biomechanische Studien konnten die Vorteile der Win- modell an standardisierten, homogenen Verbundzylin-
kelstabilität bei der Verbindung zwischen Schrauben und dern, konnten Stoffel et al. zeigen, wie weit ein Fixateur
Platten zeigen (13, 26). Miclau et al. haben die mecha- interne die Stabilität erhöhen kann. Die Größe des De-
nischen Eigenschaften der PC-Fix-Platte in Verbindung fekts, die Arbeitslänge, Anzahl und Position der Schrau-
mit monokortikalen, winkelstabilen Schrauben im Frak- ben, die Plattenlänge und die Materialeigenschaften der
turmodell der Schafttibia untersucht und mit einer kon- Implantate wurden auf Versagen, axiale Steifigkeit und
ventionellen Plattenosteosynthese in Verbindung mit bi- Torsionswiderstand getestet. Die Autoren fanden heraus,
kortikalen Schrauben verglichen (21). Die Autoren konn- dass bei einer 12-Loch-Platte mit winkelstabilen Schrau-
ten keine Unterschiede in der Torsions- oder Biegesteifig- ben in den Positionen 1, 2 und 6 auf beiden Seiten der

Abb. 4.9 Unterschiede zwischen einer bikorti-


kalen, konventionellen und einer monokortika-
len, winkelstabilen Schraube. Die Stabilität der
konventionellen bikortikalen Schraube hängt
von der Scherkraft am Übergang Schraube –
Gewinde ab. Die Stabilität der monokortikalen
winkelstabilen Schraube hängt von den Reibe-
kräften ab, die vom Gewindekopf der Schraube
auf das Gewinde in der Platte übertragen wer-
den (J Bone Joint Surg Br 2002; 84 B:
1093 – 1110).
a Bikortikale, konventionelle Schraube.
a b
b Monokortikale, winkelstabile Schraube.
Entwicklung der minimalinvasiven Plattenosteosynthese (Video 4-2, DVD 1) 69

a
4

Abb. 4.10
a Blutversorgung nach minimalinvasiver perkutaner Platten-
osteosynthese.
b Im Vergleich dazu eine konventionelle, von lateral einge-
b
brachte Plattenosteosynthese am anatomischen Injektionsprä-
parat.
Abb. 4.11 Minimalinvasive transartikuläre perkutane Platten-
(Injury 28, S. 1: 7 – 12).
osteosynthese (Injury 28, S. 1: 31 – 41).
a Zugang.
b Submuskuläres Einbringen.

Fraktur die größte Steifigkeit erzielt wird. Zusätzliche Sta-


bilität wird durch geringere Distanzen zwischen Platte
und Knochen und längere Platten erzielt (größere Ar- und „minimalinvasive“ Techniken zur submuskulären Po-
beitsdistanz). sitionierung von Plattenosteosynthesen zur Behandlung
proximaler und distaler Femurfrakturen beschrieben: Die
transartikuläre retrograde Plattenosteosynthese (Trans-
articular retrograde Plate Osteosynthesis = TARPO; 35;
Entwicklung der minimalinvasiven Abb. 4.11) und die minimalinvasive perkutane Plattenos-
Plattenosteosynthese (Video 4-2, teosynthese (Minimally invasive percutaneous Plate Os-
DVD 1) teosynthesis = MIPPO; 36; Abb. 4.12).
Seitdem ist eine Vielzahl minimalinvasiver Zugänge zur
Das Konzept der indirekten Reposition wurde aus der Frakturversorgung beschrieben worden, einschließlich
Beobachtung heraus entwickelt, dass Knochenfragmente der proximalen und der distalen Tibia (37, 38).
dann erfolgreich heilen, wenn sie gut durchblutet und in Diese Zugänge wurden entwickelt, um konventionelle
der Länge stabil sind. Durch Meiden der Frakturzone wird Platten (z. B. DCP, dynamische Kondylenplatte und Kon-
das lokale chirurgische Trauma minimiert, was den Blut- dylenabstützplatte) in Verbindung mit bikortikalen
fluss besser schont (30; Abb. 4.10). Ursprüngliches Ziel Schrauben über diese kleinen Zugänge einzubringen. Da
der indirekten Reposition und der „biologischen Platten- die Instrumentarien ursprünglich für das Einbringen der
osteosynthese“ war es, Kompression im Frakturbereich Implantate über größere Inzisionen entworfen wurden,
zu erzeugen (31, 32) und im weiteren Verlauf, ohne Kom- machten diese die Operationen technisch deutlich an-
pression, als „innere Schienung“ zu wirken (16). Der spruchsvoller. Mit Aufkommen der winkelstabilen
Trend weg von absoluter Stabilität hin zu anderen Ver- Schrauben und Plattensysteme können die Implantate
sorgungen wurde durch die Beobachtung unterstützt, auf einer Seite des Femurs oder der Tibia angebracht
dass eine rasche, erfolgreiche und komplikationsfreie werden, um ausreichende Stabilität auch auf der kontra-
Knochenheilung mittels intramedullärer „Schienung“ er- lateralen Seite zu erzeugen, welche nicht angegangen
zielt werden konnte, was anhand von Marknägeln belegt wird. Noch entscheidender ist, dass Instrumentarien
wurde. In der Folge begannen Unfallchirurgen, weniger und Implantate, wie z. B. LISS entworfen wurden, um
invasive Zugänge zur plattenosteosynthetischen Versor- das Einbringen dieser winkelstabilen Implantate zu ver-
gung zu entwickeln, insbesondere im Bereich des Femurs einfachen.
(33, 34). Krettek et al. haben unterschiedliche Zugänge
70 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Operationstechnik des Less Invasive


Stabilization Systems (Video 4-3, DVD 1)
Das LISS-Plattensystem wurde als anatomisch vorgeform-
tes Implantat für das distale Femur und die proximale
Tibia eingeführt (Abb. 4.13). Die Platte wurde für eine
lateralseitige, submuskuläre Positionierung und perkuta-
nes Einbringen der Schrauben mithilfe eines Zielbügels
konzipiert. In der Metaphyse finden sich mehrere diver-
gent verlaufende, selbstbohrende und selbstschneidende
winkelstabile Schrauben, und in der Diaphyse monokor-
a tikale, winkelstabile Schrauben mit 5 mm Durchmesser
4 (Abb. 4.14). Die Platte und die Schrauben werden aus
einer Titanlegierung hergestellt. Die LISS ist relativ bieg-
sam und lässt Mikrobewegungen im Frakturbereich zu,
was im Vergleich zu absolut stabil fixierten Frakturen zu
einer stärkeren Kallusbildung führt. Diese Mikrobewe-
gungen und die Kallusbildung gewähren möglicherweise
Vorteile in der Heilung. Unabhängig davon, ob LISS an das
distale Femur oder die proximale Tibia angebracht wird,
werden 4 Hauptschritte durchgeführt:
1. Darstellen und Reponieren des Gelenkfragments.
2. Submuskuläres Einbringen der Platte.
b 3. Fixieren der Platte am distalen Fragment.
4. Perkutanes Fixieren der Platte im Schaftbereich (39).
Abb. 4.12 Minimalinvasive perkutane Plattenosteosynthese
(Injury 28, S. 1: 20 – 30). Vorteile des LISS-Systems sind u. a.
a Kleine Hautinzision. ■ eine geringere Kompromittierung des periostalen Blut-
b Submuskuläres Einbringen der Platte
flusses,
■ größere elastische Deformierung des Implantats, was

Winkelstabile Plattensysteme Mikrobewegungen und Kallusbildungen zulässt,


■ höhere Stabilität im osteoporotischen Knochen,

Es gibt eine Vielzahl von Plattensystemen, die von der ■ anatomisch vorgeformtes Plattendesign,

herkömmlichen DCP bis zur winkelstabilen periartikulä- ■ Vermeiden einer medialen Abstützplatte zur Präventi-

ren Platte reichen. Da in diesem Kapitel bereits ausführ- on einer Varusdislokation.


lich auf konventionelle Plattenosteosynthesen mit bikor-
tikaler Schraubenplatzierung eingegangen wurden, kon-
zentriert sich dieser Abschnitt auf neuere winkelstabile
Platten, einschließlich LISS und periartikulärer winkelsta-
biler Platten für das distale Femur, die proximale Tibia,
die distale Tibia und den distalen Radius.

Indikationen für die winkelstabile


Plattenosteosynthese
Das Indikationsspektrum für winkelstabile Plattenosteo-
synthesen entwickelt sich stetig weiter. Einfache meta-
physäre Frakturen, die einer Abstützung bedürfen, meta-
physäre Frakturen mit guter kontralateraler Abstützung,
Osteotomien und intraartikuläre Frakturen können mit
konventionellen Platten und bikortikalen Schrauben häu-
fig mit sehr gutem Ergebnis versorgt werden. Die größte
Bedeutung der winkelstabilen Implantate findet sich bei
der Behandlung osteoporotischer Frakturen. Ferner sind
sie bei diaphysären oder metaphysären Trümmerfraktu- Abb. 4.13 Winkelstabile Platten mit divergierenden Schrau-
ren indiziert. Die LISS Femur ist zudem für die Versor- ben erzeugen eine höhere Stabilität, verglichen mit konventio-
nellen Plattenosteosynthesen. Am deutlichsten wird dieser Un-
gung periprothetischer Frakturen geeignet.
terschied bei schlechter Knochenqualität (mit freundlicher Ge-
nehmigung, AO International Publishing).
Winkelstabile Plattensysteme 71

aufnahmen in der a.–p. und der seitlichen Ansicht sollten


bei gelagertem Kniegelenk durchgeführt werden, um den
Einfluss von Position und Größe der Rolle abschätzen zu
können. Kleine Änderungen hierin können die Fraktur-
reposition verändern. Zudem sollte zu diesem Zeitpunkt
Zug ausgeübt werden und die Stellung der Fraktur vor
Durchführen des Zugangs nochmals überprüft werden.
Wenn die Stellung der Fraktur nochmals überprüft
worden ist, erfolgt die Hautinzision. Es erfolgt eine late-
rale, parapatellare Inzision im Falle einer intraartikulären
Fraktur mit mehreren Fragmenten (Abb. 4.15). Eine late-
rale Inzision wird verwendet, wenn die Fraktur einfach
und extraartikulär ist (Abb. 4.15). Der Tractus iliotibialis
4
wird im Faserverlauf gespalten. Die Präparation in die
Tiefe erfolgt im Verlauf der Hautinzision.
Wenn eine intraartikuläre Fraktur vorliegt, muss zu-
nächst die Reposition durchgeführt werden. Die Gelenk-
fläche kann über den lateralen parapatellaren Zugang
dargestellt werden, indem die Patella nach medial gehal-
Abb. 4.14 Das Less Invasive Stabilization System war das erste ten wird. Über diesen Zugang kann die mediale Femur-
minimalinvasive, winkelstabile Plattensystem (mit freundlicher kondyle dargestellt werden unter gleichzeitiger Vermei-
Genehmigung, AO International Publishing). dung übermäßiger Weichteilmanipulation im Bereich der
Metaphyse. Die Reposition der Gelenkfläche muss ana-
Nachteile des LISS-Systems sind u. a. eine anspruchsvolle tomisch sein und mit stabilen Zugschrauben gehalten
OP-Technik, Röntgendauer und hohe Anschaffungskos- werden, um interfragmentäre Kompression zwischen
ten. den Hauptfragmenten zu erzeugen. Es muss darauf ge-
achtet werden, dass die Position der Schrauben nicht
LISS Femur (Videos 4-4 und 4-5, DVD 1) mit der späteren Plattenposition kollidiert. Wenn die Ge-
lenkfläche reponiert ist, wird die LISS-Platte mit dem
Der Patient wird zunächst auf einem röntgendurchlässi- Zielbügelsystem submuskulär entlang der lateralen Kor-
gen Tisch mit einem Kissen unter dem ipsilateralen Sitz- tikalis des Femurs eingeschoben (Abb. 4.16). Zuvor kann
bein gelagert. Das Bein wird beweglich steril abge- mit einem Cobb-Rasparatorium eingegangen und das
waschen und steril abgedeckt. Vor dem Abwaschen und Plattenlager durch stumpfes Präparieren vorbereitet wer-
Abdecken wird in der a.–p. und seitlichen Ansicht durch- den. Die Position der Platte und die Reposition werden
leuchtet, um sicherzustellen, dass sich kein Hindernis im mittels Bildwandler überprüft. Die Achsverhältnisse der
Strahlengang findet. Das Kniegelenk wird auf einer Rolle unteren Extremität einschließlich Länge, Rotation, Varus/
in ca. 40° Flexion gelagert, um die Wadenmuskulatur zu Valgus und Recurvatum/Procurvatum werden überprüft.
entspannen und die Reposition zu erleichtern. Röntgen- Wenn die gewünschte Reposition erreicht ist, wird die

Abb. 4.15 Minimalinvasive Plattenosteosynthese des


distalen Femurs.
a Anterolateraler Zugang.
b Lateraler Zugang.

b
72 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Abb. 4.16
a Submuskuläres Einschie-
ben der Platte.
b Proximales Montieren
des Zielbügels an die
Platte.
c Endgültige Stabilisierung
mit monokortikalen
Schrauben.

b c

Platte mit einem proximalen und einem distalen Kirsch- gestellt werden, dass die Position der Platte und die Re-
ner-Draht mit Gewinde, die über den Zielbügel einge- position zufriedenstellend sind. Im Gegensatz zu konven-
bracht werden, fixiert. Es ist wichtig, dass vor Platzieren tionellen Platten, die bikortikale Schrauben verwenden,
der Kirschner-Drähte die Länge, Rotation und die Aus- wird die LISS-Platte mit der ersten Schraube in ihrer Po-
richtung in der sagittalen Ebene rekonstruiert wurden. sition gehalten und nicht mit einer winkelstabilen
Bevor die Platte am Knochen fixiert wird, muss sicher- Schraube gegen den Knochen reponiert. Das optionale
Winkelstabile Plattensysteme 73

Abb. 4.17 Winkelstabile Plattenosteosynthese (Ope-


rat Orthop Traumatol 2001;13:178–197).
a Anwendung des Zuginstruments.
b Reposition des Knochens gegen die Platte.

a b

Korrekturen sind möglich, nachdem die ersten Schrauben


eingebracht worden sind; größere Veränderungen erfor-
dern die Entfernung des gesamten Implantats.
Winkelstabile Schrauben werden dann verwendet, um
den Gelenkblock gegen die Platte zu sichern und diese im
Bereich der Diaphyse zu fixieren (Abb. 4.16). Mindestens
4 monokortikale 5-mm-Schrauben können in die Diaphy-
a se proximal der Fraktur eingebracht werden. Bikortikale
winkelstabile Schrauben sind nicht zwingend notwendig,
müssen aber im osteoporotischen Knochen verwendet
werden. Idealerweise sollten jeweils 2 Schrauben fraktur-
nah proximal und distal und jeweils 2 Schrauben an den
Enden der Platte eingebracht werden. Es muss darauf
geachtet werden, dass die Platte zentriert auf dem Kno-
chen ausgerichtet ist; monokortikale winkelstabile
Schrauben lassen sich gegen die Platte verriegeln, unab-
hängig davon wie der Halt der Schraube ist (Abb. 4.18).
Bei minimalinvasiven Techniken ist die direkte, offene
anatomische Reposition extraartikulärer Fragmente nicht
b möglich, was die intraoperative Bestimmung der korrek-
ten Ausrichtung der Achse in der Frontal- und Sagittal-
Abb. 4.18
a Nicht zentriert eingebrachte winkelstabile Schraube in der ebene, der Länge und der Rotation erschwert. Wenn mi-
horizontalen Ebene. nimalinvasive Techniken angewendet werden, ist es ent-
b Dies führt zu einer schlechten Verankerung der proximalen scheidend, dass intraoperativ die korrekte Ausrichtung
Schrauben aufgrund ihrer transkortikalen Lage. der Extremität bestimmt wird und Fehler in der ersten
(Unfallchirurg 2000: 103; 428 – 436). Phase der Operation erkannt und korrigiert werden. Un-
terschiedliche Durchleuchtungstechniken, wie die Kabel-
technik (Frontalebene), die Blumensaat-Linie und das Re-
Zuginstrument kann helfen, Fragmente gegen die Platte kurvatumzeichen (sagittale Ebene), die Meterstabtechnik
zu reponieren und Korrekturen in der Ausrichtung im (Beinlänge) und die Form des Trochanter minor (Rotati-
Varus/Valgus vor Platzieren der Schrauben vorzunehmen on), können angewendet werden, um intraoperativ die
(Abb. 4.17). Das Zuginstrument kann zudem die Repositi- Achsverhältnisse der Extremität zu bestimmen (40). Zur
on zwischen Platte und Knochen halten, kann in Verbin- intraoperativen Bestimmung des Achse in der Frontalebe-
dung mit einem weiteren Zuginstrument (proximal und ne ist die Kabeltechnik hilfreich (Abb. 4.19). Dieser Tech-
distal der Fraktur) verwendet werden und vermeiden, nik liegen Daten zugrunde, die zeigen, dass die normale
dass der Knochen von der Platte weg geschoben wird, mechanische Beinachse 10 mm medial des Tuberculum
während die Schraube eingebracht wird. Nur noch kleine intercondylare mediale verläuft. Die Methode wird bei
74 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Abb. 4.19 Kabeltechnik zur Bestimmung der Beinachse in der den Strukturen wird das Kabel aufgelegt und das Knie wird
Frontalebene. Die Patella ist streng nach anterior ausgerichtet; dargestellt. Die relative Position des Kabels zum Zentrum des
mit dem Bildwandler werden das Zentrum des Hüftkopfs und Kniegelenks gibt die Beinachse in der Frontalebene wieder.
der distalen tibialen Gelenkfläche eingestellt. Über diesen bei-

gestrecktem Kniegelenk und nach anterior ausgerichteter merksamkeit geschenkt, als denen in anderen Ebenen.
Patella durchgeführt. Mit dem Bildwandler werden das Die Form des Trochanter minor kann hilfreich sein, um
Zentrum des Femurkopfs und der distalen tibialen Ge- intraoperativ die femorale Rotation zu bestimmen
lenkfläche eingestellt. Das Kabel des Elektrokoagulators (Abb. 4.22). Da der Trochanter minor eine asymmetrische
wird über diese beiden Landmarken platziert, und an- Form hat, wird er mit zunehmender Außenrotation brei-
schließend wird das Kniegelenk im Bildwandler dar- ter, da er weniger vom proximalen Femurschaft verdeckt
gestellt. Die Position des Kabels in Bezug zum Kniege- wird. In Innenrotation kommt der Trochanter minor
lenkzentrum gibt die Achse in der Frontalebene wieder. schmaler zur Darstellung, da er durch den Schaft des pro-
Zur Bestimmung der Achse in der Sagittalebene kann die ximalen Femurs stärker verdeckt wird. Mit der Patella in
Blumensaat-Linie verwendet werden (Abb. 4.20). Der a.–p. Ausrichtung kann das Hüftgelenk geröntgt werden,
Winkel zwischen dieser Linie und dem Femurschaft um den Trochanter minor darzustellen. Dessen Form
kann röntgenologisch mit dem der gesunden, kontralate- muss dann mit der der unverletzten Gegenseite vergli-
ralen Seite verglichen werden. Auch das Notch-Zeichen chen werden. Klinisch muss hinsichtlich der Rotation
kann als grober Gradmesser zur Bestimmung des Aligne- der Nulldurchgang des Hüftgelenkes in 90°-Beugung in-
ments in der sagittalen Ebene verwendet werden. Das traoperativ überprüft werden.
Prinzip dieser Technik ist, dass in der a.–p. Ansicht die
interkondyläre Notch bei zunehmender Rekurvation an LISS Tibia (Video 4-5, DVD 1)
Tiefe zunimmt. In der a.–p. Ansicht kann die Notch intra-
operativ eingestellt und mit der unverletzten Gegenseite Ein Großteil der OP-Technik für die LISS Femur gilt auch
verglichen werden. für die Tibia (Abb. 4.23). Der Patient befindet sich in Rü-
Die Meterstabtechnik bestimmt die Femurlänge vom ckenlage mit einem Kissen unter dem ipsilateralen Sitz-
höchsten Punkt des Femurkopfs bis zur distalen Begren- bein. Das Bein wird beweglich steril abgewaschen und
zung der lateralen Femurkondyle mit einem Röntgen- steril abgedeckt. Zuvor werden Röntgenaufnahmen in
maßband oder einem Meterstab unter Bildwandlerkon- der a.–p. und seitlichen Ansicht gemacht, um sicher-
trolle (Abb. 4.21). Diese Messung kann mit der unverletz- zustellen, dass sich kein Hindernis im Röntgenstrahl be-
ten Gegenseite verglichen werden, um die korrekte Länge findet. Das Kniegelenk wird auf einer Rolle in ca. 40°
zu bestimmen. Die intraoperative Bestimmung der Rota- Flexion gelagert, um die Wadenmuskulatur zu entspan-
tion kann schwierig sein. Da Rotationsdifferenzen im nen und die Reposition zu erleichtern. Ähnlich wie bei
konventionellen Röntgenbild häufig nicht sofort auffallen, der LISS Femur wird die Fraktur durch Zug reponiert,
wurde diesen Deformitäten traditionell weniger Auf- und das Frakturmuster und das Repositionsergebnis wer-
Winkelstabile Plattensysteme 75

Abb. 4.20 Das Notch-Zeichen (links)


und die Blumensaat-Linie sind 2 Me-
thoden zur Beurteilung der sagittalen
Ausrichtung. c In zunehmender Flexi-
on bei distalen Femurfrakturen nimmt
der Abstand der Notch und der Win-
kel zwischen dem Schaft und der Blu-
mensaat-Linie zu. b Gesunde Seite
zum Vergleich.

a
4

den sorgfältig analysiert. Wenn die Fraktur reponiert ist, LISS-Platte submuskulär mithilfe des Zielbügelinstrumen-
erfolgt eine lateralseitige, gebogene oder gerade Hautin- tariums lateralseitig an die Tibia angebracht. Zuvor kann
zision, beginnend auf Höhe des Gelenkspalts in Richtung ein Cobb-Rasparatorium verwendet werden, um das Plat-
Gerdy-Tuberkel. Im Fall von intraartikulären Mehrfrag- tenlager stumpf vorzubereiten. Die Achsverhältnisse der
mentfrakturen kann die Inzision je nach Bedarf nach pro- Extremität einschließlich Länge, Rotation, Varus/Valgus
ximal erweitert werden. Das Spreizen in die Tiefe erfolgt und Recurvatum/Procurvatum werden überprüft. Wenn
im Verlauf der Hautinzision. die gewünschte Reposition erreicht ist, wird die Platte
Wenn eine Gelenkfraktur vorliegt, muss als erstes die mit Kirschner-Drähten mit Gewinde fixiert. Mit dem
Reposition durchgeführt werden. Die Reposition muss Bildwandler werden Reposition und Position der Platte
anatomisch sein und mit stabilen Zugschrauben fixiert überprüft. Das Zuginstrumentarium wird in vergleich-
werden, um Kompression zwischen den Hauptfragmen- barer Art und Weise, wie bei der LISS Femur angewendet.
ten zu erzeugen. Es ist darauf zu achten, dass die Position Hiermit kann in einem gewissen Umfang in der Frontal-
der Schrauben nicht mit der späteren Position der Platte ebene korrigiert und zusätzlich die Tibia gegen die Platte
kollidiert. Wenn die Gelenkfläche reponiert ist, wird die reponiert werden. In vielen Fällen ist es hilfreich, zumin-
76 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Position 1 Position 2

Meterstab

Abb. 4.21 Meterstabtechnik zur Bestimmung der Femurlänge.

Innenrotation Außenrotation

Trochanter
Trochanter minor
minor breiter
schmaler

a b c d

Abb. 4.22 a Das Trochanter-minor-Zeichen kann helfen, die minor wird bei zunehmender Innenrotation des proximalen
Rotation zu bestimmen, b wenn die Form des Trochanter Fragments schmaler, und bei Außenrotation breiter (d).
minor mit der Gegenseite verglichen wird. c Der Trochanter
Winkelstabile Plattensysteme 77

a 4

Abb. 4.24 Reponieren des Knochens gegen die Platte mit


dem Zuginstrument vor winkelstabiler Verriegelung.

gang helfen, Abweichungen in Varus/Valgus sowie in An-


tekurvation/Rekurvation zu bestimmen, können be-
b stimmte Durchleuchtungstechniken dennoch helfen, die
tibiale Achse vollständig zu bestimmen. Die Meterstab-
Abb. 4.23 Submuskuläre, minimalinvasive Plattenosteosyn- technik ist hilfreich, um die Länge zu bestimmen, die
these der proximalen Tibia.
vom lateralen Tibiaplateau bis zur Oberkante des Talus-
a Kleine Hautinzision.
b Submuskuläres Einbringen der Platte. körpers bestimmt wird. Die tibiale Rotation kann be-
stimmt werden, indem man den Winkel zwischen der
femoralen Kondyle und dem Malleolus medialis misst.
Das Bild wird bei beiden Techniken mit der gesunden
dest ein und manchmal auch 2 (proximal und distal der Gegenseite verglichen.
Fraktur) Zuginstrumentarien zu verwenden (Abb. 4.24).
Die Platte kann auch mit einer großen Repositionszange Operationstechnik für die LCP (Locking
über ein kleines Loch an ihrem proximalen Ende am Kno-
Compression Plate) Kondylenplatte
chen fixiert werden, was hilfreich sein kann, wenn die
Platte nicht gut am Knochen anliegt. Unlängst ist die 4,5 mm LCP-Kondylenplatte eingeführt
Bevor die Platte am Knochen fixiert wird, muss sicher- worden (Abb. 4.25). Das Implantat bietet die Möglichkeit
gestellt werden, dass die Position der Platte und die Re- sowohl der winkelstabilen, als auch der konventionellen
position akzeptabel sind. Der Gelenkblock wird mit win- Schraubenplatzierung in der Diaphyse und der Metaphy-
kelstabilen Schrauben fixiert. Mindestens 4 monokortika- se. Indikationen sind distale Femurfrakturen mit Trüm-
le (besser bikortikale) 5-mm-Schrauben werden in die merzone der medialen Säule, suprakondyläre Femurfrak-
Diaphyse eingebracht, vorzugsweise frakturnah proximal turen, intra- und extraartikuläre Kondylenfrakturen
und distal sowie jeweils 2 Schrauben an beiden Enden sowie posttraumatische Deformitäten und Pseudarthro-
der Platte. Beim Einbringen der Schrauben in das distale sen. Das winkelstabile Implantat beugt einer Varusdis-
Drittel der Tibia muss darauf geachtet werden, Verletzun- lokation vor. Die Platte ist steifer als die LISS und aus
gen von gefährdeten Leitungsbahnen (z. B. A. tibialis an- rostfreiem Stahl anstelle einer Titanlegierung. Die Plat-
terior und N. peronaeus superficialis) zu vermeiden und tenlöcher verbinden dynamische Kompression mit Win-
sicherzustellen, dass die Platte zentral auf der lateralen kelstabilität, wodurch sowohl axiale Kompression als
Oberfläche der Tibia ausgerichtet wird (P. Kregor, persön- auch Winkelstabilität im gesamten Plattenverlauf ermög-
liche Mitteilung). licht werden. In der Platte verriegelte Schrauben erzeu-
Wie zuvor beschrieben, ist es bei Anwendung geschlos- gen Winkelstabilität, was die Implantatverankerung im
sener Repositionstechniken entscheidend, intraoperativ osteoporotischen Knochen und bei mehrfragmentären
die Achse der Extremität zu überprüfen (40). Obwohl Frakturen verbessert. Polyaxiale Schraubenplatzierung
die Achse der Tibia klinisch leichter zu bestimmen ist in den Femurkondylen ermöglicht die Versorgung unter-
und Röntgenaufnahmen im a.–p. und seitlichen Strahlen- schiedlichster intraartikulärer Frakturmuster. Die Platte
78 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

pression zwischen Knochen und Platte erforderlich ist,


sollten konventionelle bikortikale Schrauben verwendet
werden. Wenn zusätzliche Stabilität aufgrund von
schlechter Knochenqualität (Osteoporose oder Trümmer-
zone) erforderlich ist, sollten winkelstabile Schrauben
verwendet werden. Es sollte darauf geachtet werden,
dass die Fragmente mit Zugschrauben reponiert sind,
Abb. 4.25 Die LCP-Kondylenplatte kann sowohl mit konven- bevor winkelstabile Schrauben eingebracht werden.
tionellen als auch winkelstabilen Schrauben bei der Versorgung
Wenn winkelstabile Schrauben vor einer Zugschraube
suprakondylärer Femurfrakturen angewendet werden (Syn-
eingebracht werden, wird die Zugschraube entweder
thes).
keine Kompression erzeugen oder es kommt zu einem
Repositionsverlust um die winkelstabile Schraube herum.
4 trägt wenig auf, ist anatomisch vorgeformt und wird in Es sollte außerdem bedacht werden, dass das am weites-
einer Version für das linke und das rechte distale Femur ten distal und posterior gelegene Plattenloch häufig distal
angeboten. Der distale Anteil der Platte ist der anatomi- der Blumensaat-Linie liegt, wenn die Platte an das Femur
schen Form der lateralen Femurkondyle angepasst, wes- angebracht wird. Wenn dieses oder ein anderes Platten-
wegen ein intraoperatives Biegen nicht erforderlich ist. loch distal der Blumensaat-Linie zu liegen kommt, sollte
Die winkelstabilen Schrauben sind selbstbohrend und die hierüber eingebrachte Schraube kurz genug sein, um
selbstschneidend. Der proximale Anteil des Implantats nicht in die Notch zu perforieren und das vordere oder
kann mit einem beweglichen Plattenspanner verbunden hintere Kreuzband zu verletzen (Abb. 4.26). Dies ist daher
werden, um wahlweise Kompression oder Distraktion zu eine ideale Indikation für eine monokortikale, winkelsta-
erzeugen. Im Schaftbereich werden entweder 4 mm win- bile Schraube.
kelstabile oder 4,5 mm Kortikalisschrauben verwendet. Nachdem der Gelenkblock mit der gewünschten Kom-
Die perkutane oder minimalinvasive Technik zur Ver- bination aus winkelstabilen und konventionellen Schrau-
sorgung distaler Femurfrakturen mit der LCP-Kondylen- ben korrekt an die Platte fixiert worden ist, muss die
platte ist dieselbe, wie bei der LISS. Jedoch gibt es zum Reposition des Schaftes gegen den Gelenkblock überprüft
jetzigen Zeitpunkt noch kein kommerziell erhältliches und ggf. korrigiert werden. Hierbei gilt wiederum, wenn
Zielbügelinstrumentarium. Die Platte kann entweder per- man Zug- oder konventionelle Schrauben im Bereich der
kutan oder in offen chirurgischer Technik angewendet Diaphyse anwendet, ist es entscheidend, die Zugschrau-
werden. Nachdem in Standardtechnik die Fraktur dar- ben vor Einbringen der winkelstabilen Schrauben zu plat-
gestellt und die Gelenkfläche rekonstruiert worden ist, zieren. Es werden mindestens 4 Schrauben proximal der
wird die Platte lateral an das Femur angebracht. Distal Fraktur empfohlen. Werden monokortikale Schrauben
kann die Platte mit 3 Kirschner-Drähten vorübergehend verwendet, muss sichergestellt sein, dass die Platte zen-
fixiert werden, bevor die Schrauben eingebracht werden. triert der lateralen Kortikalis des Femurs anliegt. Da die
Im Gegensatz zur LISS-Platte ist es zu diesem Zeitpunkt Platte in ihrer derzeitigen Form gerade ist, das Femur
der OP nicht entscheidend, ob der diaphysäre Anteil der aber eine Antekurvation aufweist, tendiert das Implantat
Fraktur reponiert und fixiert worden ist. Wenn die Platte in seiner langen Version dazu im proximalen Bereich ex-
provisorisch mit Drähten an das Femur fixiert ist, können zentrisch ausgerichtet zu sein. Eine exzentrische Positio-
die Schrauben in den Gelenkblock platziert werden. Es nierung der Platte führt zu intrakortikaler Positionierung
gibt einige technische Aspekte, die wichtig sind, wenn der winkelstabilen Schrauben, was eine verminderte Aus-
eine Platte verwendet wird, die sowohl die winkelstabile reißkraft nach sich zieht (s. Abb. 4.18).
als auch die konventionelle Schraubenplatzierung er-
laubt. In Abhängigkeit vom gewünschten Effekt, der er-
zeugt werden soll, wird die entsprechende Schraube aus-
gewählt. Wenn entweder interfragmentäre oder Kom-

Abb. 4.26 Schraubenplatzierung in der femo-


ralen Notch bei der LCP-Kondylenplatte (mit
freundlicher Genehmigung, AO International
Publishing).
Winkelstabile Plattensysteme 79

Operationstechnik für die 4,5 mm LCP PLT


(Locking Compression Plate proximal lateral
Tibia)
Genau wie die 4,5 mm LCP-Kondylenplatte, wurde die
4,5 mm LCP PLT entworfen, um das Einbringen sowohl
winkelstabiler, als auch konventioneller Schrauben im
Bereich der Diaphyse zu ermöglichen. Indikationen sind
intraartikuläre Tibiakopffrakturen mit Beteiligung beider
Säulen, proximale metaphysäre Frakturen sowie Defor-
mitäten und Pseudarthrosen der proximalen Tibia. Der
proximale Anteil der Platte ist anatomisch vorgeformt
und passt sich der proximalen Tibia an. Die 3 proximalen
4
winkelstabilen Schrauben sind fächerförmig angeordnet,
um die Gelenkfläche der Tibia abzustützen, was eine Abb. 4.27 Perkutane Plattenosteosynthese mit der LCP dis-
zweite Platte von medial oder einen Fixateur externe tale Tibia.
überflüssig macht. Es finden sich zudem 2 Löcher am
proximalen Plattenende mit einem Durchmesser von
2 mm zur Platzierung von Kirschner-Drähten oder Menis- die Haut sich fältelt und die Weichteile sich erholt haben,
kusnähten. Die Platte hat 3 konvergierende winkelstabile kann die Plattenosteosynthese durchgeführt werden. Es
Löcher mit einem Durchmesser von 5 mm, in die entwe- erfolgt zunächst die offene oder geschlossene anatomi-
der winkelstabile Schrauben oder Kortikalisschrauben sche Reposition der distalen tibialen Gelenkfläche.
mit einem Durchmesser von 5 mm eingebracht werden Wenn die Gelenkfläche reponiert ist, sollte diese nach
können. Über den distalen Anteil der Platte kann der den Standardprinzipien der Gelenkflächenrekonstruktion
Plattenspanner angewendet werden, um im Bedarfsfall fixiert werden. Hierzu kann es erforderlich sein, Schrau-
Kompression oder Distraktion zu erzeugen. Im Schaft- ben außerhalb der Platte einzubringen oder Kirschner-
bereich können entweder 4 mm winkelstabile oder Drähte zur temporären Fixierung zu verwenden, bevor
4,5 mm Kortikalisschrauben verwendet werden. Die Prin- die endgültige Stabilisierung mit der Platte erfolgt. An-
zipien, die der Anwendung der LCP-Kondylenplatte zu- schließend werden der Gelenkblock und die Diaphyse
grunde liegen, gelten genauso für die LCP PLT. Wenn miteinander verbunden. Dies kann perkutan unter Bild-
man Kompressionen zwischen den Fragmenten oder zwi- wandlerkontrolle durchgeführt werden, um große Inzi-
schen Platte und Knochen erzeugen möchte, sollten kon- sionen mit Denudieren der Weichteile und einer eventu-
ventionelle Kortikalisschrauben gewählt werden. Wenn ellen Beeinträchtigung des lokalen Blutflusses zu vermei-
die Knochenqualität aufgrund von Osteoporose schlecht den. Bezüglich der Auswahl von winkelstabilen und kon-
ist oder eine Trümmerzone vorliegt, sollten winkelstabile ventionellen Schrauben bei dieser Platte gelten dieselben
Schrauben verwendet werden. Werden beide Schrauben- Prinzipien, die zuvor dargelegt worden sind, einschließ-
typen eingesetzt, muss Kompression vor Winkelstabilität lich der Reihenfolge, in welcher sie eingebracht werden
erzeugt werden. sollten. Die Stabilisierung sollte prinzipiell über die
kleinstmöglichen Inzisionen erfolgen. Eine schonende Be-
Operationstechnik für die LCP distale Tibia handlung der Weichteile ist entscheidend, um die Kom-
plikationsrate zu senken.
(Video 4-6, DVD 1)
Die LCP für die mediale distale Tibia wurde für die Ver- Operationstechnik für Plattenosteosynthesen
sorgung von Pilon-tibiale-Frakturen entworfen. Ebenso
des distalen Radius
wie andere Platten für diese Lokalisation trägt die LCP
auf und kann zu Hautirritationen führen. Sie kann ent- Palmare winkelstabile Platten für den distalen Radius
weder perkutan oder in offener Operationstechnik im- wurden entwickelt, um instabile Frakturen mit posterio-
plantiert werden (Abb. 4.27). Ihr Indikationsspektrum rer Trümmerzone zu versorgen. Obwohl diese Frakturen
entwickelt sich noch weiter und beinhaltet Pilon-tibiale- traditionell mit posteriorseitigen Platten versorgt wur-
Frakturen mit metaphysärer Trümmerzone und Betei- den, um ein Abkippen zu vermeiden, ging diese Technik
ligung der Diaphyse. Präoperativ muss der Zustand der mit einer hohen, implantatbedingten Komplikationsrate
Weichteile sorgfältig überprüft werden. Liegen zu diesem einher, wie z. B. einer Störung des Gleitmechanismus der
Zeitpunkt noch eine deutliche Schwellung, Spannungs- Extensorensehnen und deren Ruptur (41–46). Daher
blasen oder andere Anzeichen kompromittierter Weich- wurde zunehmend der volare Zugang in Verbindung mit
teile vor, sollte eine Übergangslösung, wie z. B. ein Fixa- hierüber eingebrachten winkelstabilen Platten verwen-
teur externe, angewendet werden, um die Rate an Wund- det, um distale Radiusfrakturen mit posteriorseitiger
heilungsstörungen und Infektionen zu verringern. Wenn Trümmerzone zu versorgen. Biomechanische Studien
80 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

Abb. 4.28 Volare Plattenosteo-


synthese des distalen Radius.
a Die präoperative Planung ist
für die korrekte Positionierung
des Implantats wichtig.
b Mit subchondralen, winkel-
stabilen Schrauben lässt sich
auch bei schlechter Knochen-
qualität eine stabile Versorgung
erreichen.

4 a b

zeigten, dass abhängig vom Hersteller zwar einige dieser Frakturtyp und Platte. Die winkelstabilen Schrauben soll-
Platten elastischer sind als eine posterior angebrachte ten distal fächerförmig angeordnet werden, um die Ge-
Abstützplatte, andere wiederum sind jedoch steifer (47). lenkfläche des distalen Radius abzustützen (Abb. 4.28). In
Palmare winkelstabile Platten erzeugen Längen- und Ro- die verbliebenen Plattenlöcher proximal der Fraktur kön-
tationsstabilität im Falle von Frakturen mit posteriorer nen bikortikale Schrauben eingebracht werden.
Trümmerzone oder anderen instabilen Frakturtypen
und sind daher für deren Behandlung über einen volar-
seitigen Zugang indiziert. Die Winkelstabilität ist beson- Nachbehandlung
ders in Fällen von schwerer Osteoporose oder bei Vorlie-
gen einer Trümmerzone nützlich. Die Platten sind ent- Aufgrund der Stabilität, die mit winkelstabilen Platten er-
sprechend der Anatomie der volaren Seite des distalen reicht wird, können die meisten Patienten innerhalb der
Radius vorgeformt. Die winkelstabilen Schrauben dieser ersten postoperativen Woche das betroffene Gelenk bewe-
Platten sind ebenfalls fächerförmig angeordnet, um die gen. Der Patient belastet abhängig vom betroffenen Ge-
distale radiale Gelenkfläche abzustützen. Frakturen, die lenk, den Begleitverletzungen und seinem Gesamtzustand
einer volaren Abstützplatte bedürfen, müsse nicht zwin- teilweise oder gar nicht. Das Nahtmaterial wird 14 Tage
gend mit winkelstabilen Implantaten versorgt werden. postoperativ entfernt. Röntgenkontrollen erfolgen 6 Wo-
Eine volarseitige Inzision, die dem Verlauf der Sehne chen, 3, 4, 5 und 6 Monate postoperativ, um die Achsver-
des M. flexor carpi radialis folgt, wird durchgeführt, und hältnisse und die Knochenheilung zu beurteilen. Aktivi-
anschließend wird der M. pronator quadratus in der Tiefe tätsgrad und Belastung werden abhängig vom klinischen
dargestellt. Die A. und V. radialis werden nach radial ge- und röntgenologischen Untersuchungsbefund gesteigert.
halten. Der M. pronator quadratus wird im Bereich seines
radialseitigen Ansatzes scharf abgesetzt und nach ulnar
Tipps und Tricks
abgeschoben. Die Fraktur wird dargestellt und reponiert.
Zunächst erfolgt die Reposition der Gelenkfläche, die ggf. Die Anwendung winkelstabiler Platten unterscheidet
temporär mit Kirschner-Drähten gehalten werden kann. sich deutlich von der konventioneller Implantate. Der
Wenn die Fraktur anatomisch reponiert ist, wird eine Operateur sollte sich dieser Unterschiede bewusst und
Platte mit der entsprechenden Länge ausgewählt und mit den Implantaten vertraut sein. Deutlich verschie-
auf dem distalen Radius ausgerichtet. Hierzu kann der den sind die Zugänge, die geschlossene Repositions-
Bildwandler zur Unterstützung verwendet werden. Bei techniken und winkelstabile Implantate voraussetzen.
korrekt ausgerichteter Platte und reponierter Fraktur, Diese technisch anspruchsvollen Operationen orientie-
wird eine bikortikale Schraube im Längsloch platziert, ren sich sehr viel stärker am intraoperativen Durch-
um die Ausrichtung der Platte zu sichern und diese am leuchtungsbild als dies bei offener Darstellung der
Knochen zu fixieren. Je nach Bedarf kann die Platte dann Fragmente zur Reposition und Einbringen des Implan-
gedreht oder nach proximal bzw. distal verschoben wer- tats der Fall ist. In der Folge sind hilfreiche Tipps und
den. Wenn die Platte sicher fixiert ist, wird der distale Tricks für die Anwendung winkelstabiler Platten auf-
Anteil der Fraktur gegen die Platte reponiert und mit gelistet:
■ Folgende 4 Schritte sollten bei minimalinvasiven Zu-
winkelstabilen Schrauben fixiert. Es muss darauf geachtet
werden, dass die Platte sowohl in Bezug auf die Fraktur gängen befolgt werden:
1. Gelenkrekonstruktion,
korrekt ausgerichtet, als auch gegen den Knochen repo-
2. submuskuläres Einbringen der Platte,
niert ist (Abb. 4.28) da die winkelstabilen Schrauben das
3. Fixieren der Platte im Gelenkbereich,
distale Gelenkfragment in dieser Position fixieren. Prin-
4. perkutanes Einbringen der proximalen Schrauben.
zipiell sollten 3 – 4 Schrauben sowohl proximal als auch
distal der Fraktur eingebracht werden, abhängig von
Ergebnisse 81

■ Die erste Schraube eines jeden Hauptfragments be- traartikulärer, distaler Femurfrakturen ausgewertet und
stimmt dessen Ausrichtung. Winkelstabile Schrau- diese mit den Ergebnissen von 112 Versorgungen mit
ben sollten erst eingebracht werden, wenn eine ak- konventionellen Platten über offen chirurgische Zugänge
zeptable Reposition in allen Ebenen vorliegt. verglichen (48).
■ In den meisten Fällen müssen Zugschrauben vor Sie berichteten über Verbesserungen in der durch-
winkelstabilen Schrauben eingebracht werden, schnittlichen Heilungsdauer (12,0 ± 3,0 vs. 21,6 ± 13,9
wenn beide Schraubenarten verwendet werden. Wochen), der Anzahl primärer (2 vs. 61) und sekundärer
■ Die meisten winkelstabilen Schrauben reponieren Spongiosaplastiken (0 vs. 24), Infektionen (1 vs. 7), Re-
die Fragmente nicht gegen die Platte. Ein Zuginstru- frakturen (0 vs. 4), Pseudarthrosen (0 vs. 7) und Revisi-
ment (ggf. jeweils eines proximal und distal) sollte onseingriffen (0 vs. 12). Die Autoren schlussfolgerten,
verwendet werden, um die Fraktur bzw. den Kno- dass die minimalinvasive Technik biologische Vorteile in
chen gegen die Platte zu reponieren. Das Zuginstru- Bezug auf die Heilung hat. Infolge dieser Studie haben
ment vermeidet zudem, dass die Schrauben den verschiedene Autoren ihre Ergebnisse mit dem LISS-Sys-
4
Knochen von der Platte wegschieben. Repositions- tem publiziert. Als Teil einer prospektiven AO-Multicen-
zangen helfen, den Knochen gegen die LISS-Platte terstudie publizierten Schütz et al. ihre Ergebnisse der
zu reponieren. Behandlung von 96 Patienten mit 99 distalen Femurfrak-
■ Exzentrische oder extraossäre Schraubenplatzierung turen, die im Durchschnitt nach 13,7 Monaten nach-
muss vermieden werden, da dies die Ausreißfestig- untersucht wurden (49). Sie erfassten 23 Revisionsein-
keit vermindert. Die Platte muss proximal und distal griffe bei 21 Patienten, was sie auf die Schwere der
korrekt ausgerichtet sein. Weichteilverletzung und mangelnde Erfahrung mit dem
■ Die Ausrichtung der Platte kann verbessert werden, Implantat zurückführten. In 2 Fällen von Implantatver-
indem der Abstand zwischen Implantat und Kno- sagen lag eine Pseudarthrose vor. Eine Spongiosaplastik
chen variiert wird. Wenn dieser jedoch zu groß ist, wurde nicht routinemäßig durchgeführt. Die Ergebnisse
kann die Gelenkfunktion eingeschränkt werden. stimmen mit denen anderer Autoren überein (50–52).
■ Details, insbesondere die intraoperativen Röntgen- Schütz et al. stellten gute Ergebnisse für die LISS-Platte
bilder, müssen sorgfältig analysiert werden, um zur Behandlung distaler Femurfrakturen vor mit hohen
eine korrekte Ausrichtung der Fraktur und Positio- Neer-Scores (73,9 – 77,2 Punkte) und einer niedrigen Rate
nierung des Implantats sicher zu stellen. Beinlänge, an Infektionen (0 – 4 %), verzögerter Frakturheilung
Ausrichtung in der frontalen und der sagittalen
(2,4 – 6,1 %), Spongiosaplastiken (0 – 1,6 % für die primäre
Ebene sowie die Rotation müssen intraoperativ mit-
und 0 – 5 % für die sekundäre), Schraubenlockerungen
hilfe des Bildwandlers korrekt eingestellt werden.
(0 %) und Implantatversagen (7,4 %).
■ Nach Einbringen der winkelstabilen Schrauben kann
Auch für die LISS Tibia wurden Ergebnisse publiziert,
es zu kleinen Verschiebungen aufgrund von Aus-
die mit denen der LISS zur Behandlung distaler Femur-
lockerungen der Zugschrauben kommen. Bei größe-
frakturen vergleichbar sind (53). Stannard et al. stellten
ren Verschiebungen muss das Implantat entfernt
Ergebnisse von 35 Frakturen des Tibiakopfs und der pro-
werden.
ximalen Tibia bei 32 Patienten vor. Die knöcherne Hei-
■ Wenn der Operateur mit dem Implantat und der
lung war bei 34 Patienten erfolgreich, in einem Fall kam
Operationstechnik nicht vertraut ist, sollte mit
es zur Pseudarthrose (54). Bei 2 von 17 Patienten mit
einem „größeren“ Zugang begonnen werden, um
offenen Frakturen kam es zu einer Infektion. In keinem
im weiteren Verlauf zunehmend minimalinvasiv zu
werden.
Fall kam es zu einem Repositionsverlust, der Bewegungs-
■ Bei osteoporotischen Knochen sollten grundsätzlich umfang variierte zwischen 2 und 116°. Schütz et al. be-
bikortikale Schrauben verwendet werden. richten von 22 Frakturen, die mit der LISS Tibia versorgt
wurden. Bei einer Follow-up-Rate von 91 % heilte die
Fraktur bei 19 von 20 Patienten (55). In dem einen Fall
Ergebnisse mit Pseudarthrose wurde eine sekundäre Spongiosaplas-
tik durchgeführt. Ein Weichteilinfekt heilte nach mehr-
Perkutane Osteosynthesetechniken, die schrittweise zum fachen Revisionseingriffen folgenlos aus.
gemeinsamen Gebrauch mit winkelstabilen Implantaten Unlängst wurden auch frühe Ergebnisse für die LCP-
weiterentwickelt worden sind, wurden ursprünglich ein- Kondylenplatte vorgestellt (56, 57). Sommer et al. berich-
geführt, um das zusätzliche iatrogene, chirurgische Trau- ten über die Ergebnisse einer prospektiven Multicenter-
ma des verletzten Gewebes zu minimieren. Durch bessere studie von 144 Patienten mit insgesamt 169 Frakturen,
Schonung der Weichteile und des lokalen Blutflusses im die sich auf die Tibia (57), Femur (18), Humerus (45) und
Bereich der Fraktur und möglicherweise auch des Frak- den Radius (19) verteilten. Bei 190 Frakturen war der
turhämatoms bestand die Hoffnung, dass die Heilung be- Heilungsverlauf komplikationslos (86 %). Bei 19 Patienten
schleunigt und die Komplikationsrate reduziert würde. kam es zu insgesamt 27 Komplikationen, von denen 13
Krettek et al. haben ihre ersten Erfahrungen mit der per- Patienten insgesamt 18 Revisionseingriffe benötigten
kutanen, plattenosteosynthetischen Versorgung 15 in-
82 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

(5-mal Implantatversagen, 1 Pseudarthrose, 2 Infektionen


Merke
und 5 Frakturen im Randbereich des Implantats; 58).
■ Die 4 grundsätzlichen Schritte der minimalinvasiven
Technik sind
1. Rekonstruktion des Gelenks,
Komplikationen 2. submuskuläres Einbringen der Platte,
In der klinischen Anwendung haben sich minimalinvasive 3. Fixieren der Platte an den Gelenkblock,
Techniken bei der Plattenosteosynthese, wie zuvor dar- 4. perkutanes Einbringen der proximalen Schrauben.
gestellt, als erfolgreich erwiesen. Im Vergleich zu her-
■ Winkelstabile Platten sind bei Trümmerfrakturen der
Diaphyse oder der Metaphyse und bei Patienten mit
kömmlichen Techniken der Plattenosteosynthese, ist
schlechter Knochenqualität wegen Osteoporose oder
beim minimalinvasiven Vorgehen die Rate an Infektionen,
nach Trauma indiziert. Konventionelle Plattenosteosyn-
verzögerter Frakturheilung, Pseudarthrosen, Häufigkeit
4 von sekundären Spongiosaplastiken und Implantatlocke-
thesen sind bei einfachen, metaphysären Frakturen, die
abgestützt werden müssen oder eine intakte Gegensei-
rungen geringer. Minimalinvasive Plattenosteosynthesen
te aufweisen, Osteotomien und Gelenkfrakturen indi-
sind technisch jedoch anspruchsvoll. Ein gängiges Thema
ziert.
in der Literatur ist, dass diese Techniken häufig mit Fehl-
■ Bei winkelstabilen Implantaten versagt das gesamte Im-
stellungen einhergehen. Trotz guter Ausheilungsergeb-
plantat. Im Gegensatz hierzu versagen konventionelle
nisse in der perkutanen Gruppe (15 intraartikuläre dis-
Platten mit bikortikalen Schrauben durch das Aus-
tale Femurfrakturen) verglichen mit der Kontrollgruppe,
lockern einzelner Schrauben.
die offen versorgt wurde (112 Frakturen), berichteten ■ Wenn sowohl Kompression als auch Winkelstabilität mit
Krettek et al. über hohe Raten an Varus-/Valgus-Fehlstel-
einer Platte angewendet werden, müssen die Zug-
lungen > 10° (2 vs. 4), Verkürzungen > 1 cm (3 vs. 1) und schrauben zur Frakturreposition vor den winkelstabilen
Drehfehlern > 15° (2 vs. 2) in der perkutanen Gruppe. Schrauben eingebracht werden.
Diese Ergebnisse decken sich mit denen anderer Autoren
bei der Anwendungen der LISS Femur und Tibia sowie
der LCP-Kondylenplatte (49, 58). Diese Ergebnisse unter-
streichen die Notwendigkeit einer exakten Technik, einer
sorgfältigen intraoperativen Beurteilung der Achsverhält-
nisse und des Verständnisses, dass diesen Techniken eine
Lernkurve zugrunde liegt.

Inhalt der DVDs

Video 4-1 (DVD 1) Regeln der winkelstabilen Plattenosteo- Video 4-4 (DVD 1) ORIF (Offene Reposition Innere Fixation)
synthese. Das Video wiederholt die „Regeln“, die bei der einer C2 distalen Femurfraktur mit submuskulärer, winkel-
Anwendung winkelstabiler Platten gelten. Gezeigt werden stabiler Platte. Bei einem 34-jährigen, männlichen Patien-
monokortikale, winkelstabile Systeme, die für die minimalin- ten mit einer C2-Fraktur des distalen Femurs nach Schuss-
vasive, submuskuläre Anwendung entworfen wurden, sowie verletzung wird eine submuskuläre, winkelstabile Versor-
Osteosynthesen, die eine Kombination aus winkelstabilen gung durchgeführt. Die zweizeitige Rekonstruktion erfolgt,
und konventionellen Schrauben verwenden. Die korrekte nachdem initial ein Fixateur externe nach Versorgung einer
Reihenfolge, in der die Schrauben eingebracht werden, Gefäßverletzung angelegt worden war.
wird besonders hervorgehoben. Video 4-5 (DVD 1) ORIF (Offene Reposition Innere Fixation)
Video 4-2 (DVD 1) Minimalinvasive perkutane Plattenos- einer Tibiakopf-Trümmerfraktur mit winkelstabiler Platte.
teosynthese des distalen Femurs. Der Patient in diesem In diesem Fall wird die Operationstechnik für die Versor-
Fall wird mit einer DCS-Platte versorgt, die in MIPPO-Technik gung einer schweren Trümmerfraktur des medialen und la-
eingebracht wird zur Überbrückung der Fraktur. Der Opera- teralen Tibiaplateaus vorgestellt. Im Video wird die Bedeu-
teur zeigt erfolgreiche Tricks in der Anwendung der MIPPO tung der zentrierten Positionierung der Platte auf dem Kno-
einschließlich der Beurteilung von Länge und Rotation. chen und der empfohlenen Schraubenlage unterstrichen.
Video 4-3 (DVD 1) ORIF (Offene Reposition Innere Fixation) Video 4-6 (DVD 1) ORIF (Offene Reposition Innere Fixation)
einer periprothetischen distalen Femurfraktur mit submus- einer distalen Tibiafraktur mit winkelstabiler Platte. Das
kulärer, winkelstabiler Platte. Bei einer osteoporotischen Video zeigt die minimalinvasive, winkelstabile Plattenosteo-
distalen Femurfraktur bei liegender Knie-TEP wird eine Ver- synthese eines Patienten mit distaler Tibiafraktur.
sorgung mit LISS Femur durchgeführt. Besonders behandelt
wird die minimalinvasive Vorgehensweise und geschlossene
Reposition.
Literatur 83

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84 4 Neue Konzepte der Plattenosteosynthese

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Untersuchung 85

5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen


und Fehlstellungen
M. A. Miranda, M. S. Moon
Übersetzer: A. Wentzensen

Die chirurgische Behandlung von Pseudarthrosen und Tab. 5.1 Mögliche Ursachen für Schmerzen nach Frakturen.
Fehlstellungen erfordert ein tiefes Verständnis der Prinzi- Lokal Fern
pien und Biomechanik der operativen Frakturbehand-
Neurom gleichseitiges Gelenk oder
lung, der Biologie der Frakturheilung und der Grenzen
Rücken
der jeweils verwendeten Implantate. Aufgrund der jewei-
ligen individuellen Problematik benötigt jeder einzelne Implantat angrenzend
Patient mit einer Pseudarthrose oder einer Fehlstellung heterotope Ossifikation fern aber mit Bezug 5
einen auf ihn abgestimmten Behandlungsplan mit klaren
Zielvorgaben. Dieses Kapitel konzentriert sich auf gene-
relle Prinzipien und Strategien, sodass der Leser daraus
eine individuelle Behandlung ableiten kann. Der Leser
sollte bei Anwendung dieser Prinzipien in der Lage sein Schmerzursachen häufiger fern in den angrenzenden
einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen. Die oder gleichseitigen Gelenken (Tab. 5.1).
Erstuntersuchung von Pseudarthrosen und Fehlstellun- Im Kniegelenksbereich können z. B. eine Arthrose, eine
gen ist grundsätzlich gleich, die Behandlung wird jedoch Gelenkinstabilität oder mechanische Ursachen aufgrund
getrennt abgehandelt, weil sie unterschiedliche Behand- eines Meniskusrisses vorliegen.
lungsschritte erfordert. Aufgrund der Anatomie der peripheren Nerven und
der Möglichkeit zugehöriger Schmerzen sollte bei Patien-
ten mit Knieschmerzen das Hüftgelenk immer sorgfältig
Untersuchung auf eine Entzündung untersucht werden.
Die klinische Untersuchung sollte mit einer Gangana-
Die Untersuchung eines Patienten mit einer Fehlstellung lyse beginnen, die mit bloßem Auge erkennbare Ausrich-
konzentriert sich anfangs darauf, ob das erkannte Pro- tung in der Frontal- und Sagittalebene sollte bestimmt
blem funktioneller Art ist oder in Zukunft pathomecha- werden. Die Gelenkbeweglichkeit sowie die Festigkeit
nische Bedeutung erlangen kann (1, 2). des Endanschlags oder eine Hypermobilität sollten doku-
Die Untersuchung einer Pseudarthrose hingegen kon- mentiert werden. Gleichseitige Gelenkkontrakturen müs-
zentriert sich auf die möglichen Ursachen für die Pseud- sen sorgfältig erfasst werden, sie sind ein Teil des Pro-
arthrose und das Ausmaß der durch die Pseudarthrose blems (des Patienten). Die Beweglichkeit auf der Seite der
verursachten Funktionsstörung. Beide erfordern eine Pseudarthrose sollte dokumentiert und von der lokalen
komplette Vorgeschichte und Darstellung der Erst- Gelenkbeweglichkeit unterschieden werden. Die Rotation
behandlung sowie alle Komplikationen dieser Erst- sollte mit der normalen Gegenseite verglichen werden.
behandlung. Die Schmerzintensität und -häufigkeit sollte Beinlängendifferenzen müssen unter Berücksichtigung
genauso dokumentiert werden wie täglich eingenomme- der scheinbaren und wahren Extremitätenlängen erfasst
ne Schmerzmedikamente. Eine gründliche körperliche werden.
Untersuchung ist notwendig, bei den eingenommenen Die Röntgenuntersuchung muss die a.–p. und seitliche
Medikamenten sollte besonders auf Steroide, Tabak, Ebene der betroffenen Extremität einschließen. Schräg-
nonsteroidale Entzündungshemmer, Antikoagulantien aufnahmen der betroffenen Seite sind ebenfalls für Pla-
und Antieleptika geachtet werden. nungszwecke notwendig (3), da die meisten Fehlstellun-
Klagen über Extremitätenschmerzen bei Pseudarthrose gen außerhalb der orthogonalen Standardebenen liegen.
oder Fehlstellung sollten ernst genommen und die mög- gehaltene Aufnahmen können Informationen über eine
lichen Ursachen bestimmt werden. Für Schmerzen nach Beweglichkeit der Pseudarthrose geben. Auch Spezialauf-
Frakturen gibt es unterschiedliche Ursachen, die nicht im nahmen des Tibiaplateaus können notwendig sein. Ganz-
Zusammenhang mit einer Pseudarthrose oder Fehlstel- beinaufnahmen im Stehen sind notwendig, um die Aus-
lung stehen müssen. Ein örtlicher Schmerz kann häufig richtung der Fehlstellung zu bestimmen (4). Zu Planungs-
durch klinische Untersuchung mit gleichzeitiger zwecken sollten a.–p. und seitliche Aufnahmen der ge-
Schmerzprovokation und zusätzlicher lokaler Injektion genseitigen Extremität angefertigt werden. Zweidimen-
eines Lokalanästhetikums zugeordnet werden. Wie Mast sionale CT-Scans sind für die Beurteilung einer Rotations-
mitgeteilt hat (persönliche Mitteilung) liegen die fehlstellung (5), des Ausmaßes der Frakturheilung und
86 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

durch die Fehlstellung beeinträchtigt ist. Die Hauptüber-


legungen bei Fehlstellungen im Bereich lasttragender Ge-
lenke sind ganz anderer Natur. Die Langzeiteinflüsse
durch Gelenküberlastung bei Fehlstellungen der unteren
Extremität sind eindeutig sowohl durch den Einfluss auf
den Knorpel als auch auf Gelenkkapsel und Bänder (6, 7).
Zusätzliche Kriterien für eine operative Behandlung
sind neben dem Ausmaß der Fehlstellung das Patienten-
alter, der Aktivitätslevel, die funktionellen Ansprüche
und der medizinische Status.
Der zu erwartende Vorteil muss größer sein als das zu
erwartende Risiko. So ist z. B. eine Rotationsdifferenz
nach Marknagelung an der unteren Extremität eine häu-
fige Komplikation; die Symptome stimmen jedoch nicht
mit dem Ausmaß der Deformität überein (8). Dies hängt
5 mit der sphärischen Form des Femurkopfs zusammen,
die während des Ganges einen Rotationsausgleich er-
laubt. Obgleich Müller et al. (6) die Derotation bei einer
Differenz von 10°– 15° oder mehr empfohlen haben, gibt
Abb. 5.1 Darstellung einer intraartikulären Stufe und eines es keine sicheren Daten, die diese Empfehlung unterstüt-
Meniskusrisses im MRT bei einem Patienten mit anhaltendem zen. Aus diesem Grund muss die Indikation für eine ope-
Knieschmerz nach Fraktur. rative Korrektur immer auf einer individuellen Entschei-
dung gestellt werden und spiegelt im klinischen Alltag
häufig die Fähigkeit des Patienten wieder, die Rotations-
von Beinlängenunterschieden hilfreich. Hochauflösende differenz während des Ganges zu kompensieren.
3D-CT-Scans können oft ein qualitativ gutes Übersichts- Patienten sind oft über den kosmetischen Aspekt einer
bild gerieren, welches ein Röntgenbild in einer Ebene Fehlstellung nach Fraktur besorgt. Die grundsätzliche
nicht kann. Frage unter diesen Umständen ist dabei, ob funktionelle
Wie reizvoll derartige hochauflösende CT-Scans jedoch Einschränkungen bestehen und ob diese mit der Akzep-
auch sein mögen, eine gründliche Auswertung der Rönt- tanz der Deformität durch den Patienten vereinbar sind.
genbilder in einer Ebene für die Entscheidungsfindung Mögliche Indikationen für eine Korrektur der Deformität
bei der Verwendung des Bildwandlers intraoperativ ist sind
jedoch erforderlich. MRT-(Magnetresonanz-)Unter- ■ mechanische Fehlbelastung (8),

suchungen können zusätzliche andere potenzielle ■ Dysfunktion,

Schmerzursachen und Funktionsstörungen wie ligamen- ■ kapsuloligamentäre Elongation,

täre Verletzungen, Meniskusschäden oder avaskuläre Ne- ■ subjektive Beschwerden,

krosen aufdecken (Abb. 5.1). ■ kosmetische Aspekte.

Präoperative Planung
Operative Behandlung von
Die präoperative Planung soll die Ergebnisse bei diesen
Fehlstellungen
Patienten mit komplexen Problemen verbessern. Zeich-
nungen sind dabei ein Schlüsselelement für die präope-
Indikationen
rative Planung, sie stellen aber nur die letzte Stufe eines
Leider gibt es keine wissenschaftlich gesicherten Daten, Denk- und Planungsprozesses dar. Dieser Prozess muss
die die Notwendigkeit für einen chirurgischen Eingriff bei das Ziel des geplanten Eingriffs festhalten, alle Einzelhei-
einer Fehlstellung belegen. Aus diesem Grund sind funk- ten müssen patientenbezogen in einer Liste festgehalten
tionelle Einschränkungen die am häufigsten beschriebe- werden, die chirurgische Taktik einschließlich der ge-
ne Indikation für einen chirurgischen Eingriff bei einer planten Korrekturtechnik (Einrichtung) muss festgelegt
Fehlstellung. Die Indikation für eine operative Korrektur werden und zum Schluss müssen die radiologischen Ab-
einer Fehlstellung an der oberen Extremität richtet sich bildungen mit einbezogen werden.
danach, wie der Patient seine Hand im Raum positionie- Auch wenn es vereinfacht klingt, der erste Schritt der
ren kann. Eine Hauptindikation für eine operative Be- präoperativen Planung muss das Problem beschreiben
handlung einer Fehlstellung an der oberen Extremität und die Ziele des chirurgischen Eingriffs. Dies hilft, die
ist das Unvermögen des Patienten Alltagsverrichtungen Behandlungsprinzipien festzulegen und steigert die
auszuführen. Eine relative Indikation wäre der Wunsch Wahrscheinlichkeit, dass der Eingriff die Überlegungen
des Patienten, eine Aktivität zu wieder zu erlangen, die des Chirurgen und des Patienten trifft.
Operative Behandlung von Fehlstellungen 87

Die Problemliste des Patienten sollte das explizite Pro- Filmrand. Für weitere Informationen zur präoperativen
blem (z. B. Fehlstellung Diaphyse) enthalten, aber auch Planung erfolgt der Hinweis auf die Literatur (9).
implizite Probleme (z. B. drohende Gelenkdegeneration). Besondere Überlegungen sind bei Patienten mit
Zusätzliche Überlegungen betreffen die vorbestehenden schlechten Weichteilverhältnissen erforderlich. Erstens
Inzisionen, die einliegenden Implantate und damit zu- sollten Inzisionen so geplant werden, dass bei Wundpro-
sammenhängend Schraubenlöcher oder knöcherne De- blemen die darunter liegenden Implantate, Sehnen oder
fekte, systemische Faktoren wie Diabetes mellitus, und Knochen nicht freiliegen. Als Beispiel sei die distale Tibia
schließlich wird in einer eigenen Spalte festgelegt, wie mit einem vorbestehenden anteromedialen Zugang ge-
die einzelnen Punkte angegangen werden sollen. Folgen- nannt, bei der ein posteromedialer Zugang (10) für die
de Schlüsselprinzipien für die Korrektur an der unteren geplante Rekonstruktion die Blutversorgung der Weich-
Extremität gelten: teile weniger stört (11). Zweitens bedeuten schlechte
1. Wiederherstellung der normalen Achsstellung. Die me- Weichteile in der Regel auch eine eingeschränkte Blut-
chanische Achse (Tragachse) läuft durch das Zentrum versorgung für die knöcherne Heilung. Eine weitere
von OSG, Knie und Hüftkopfzentrum (12–14). Überlegung gilt einer Verbesserung der Blutversorgung
2. Wiederherstellung von OSG- und Kniegelenkflächen mittels vaskularisiertem Knochenspan oder gefäßgestiel-
parallel zum Boden (16). tem Weichteillappen. Als letzte Möglichkeit bei sehr 5
3. An der Hüfte ist eine konzentrische Überdachung des schlechten Weichteilverhältnissen bleibt die Korrektur-
Femurkopfs erforderlich. Die Spitze des großen Tro- operation mittels Distraktionsosteotomie (Ilisarov).
chanter muss für den Hebelarm und ein ordentliches
Gangbild in Höhe des Hüftkopfzentrums stehen (2, 17).
Anatomie
4. Längenausgleich innerhalb 2 Zentimetern um Proble-
me mit dem Gangbild und der Wirbelsäule zu vermei- Fehlstellungen im Bereich der Epiphyse oder der Gelenk-
den. fläche sollen dann angegangen werden, wenn eine Ge-
lenkstufe oder eine Fehlstellung der Gelenklinie im Ver-
Die chirurgische Taktik besteht aus einem schrittweisen gleich zum Sprunggelenk auf Ganzbeinaufnahmen im
Algorithmus, der das Vorgehen darstellt, und sollte jeden Stehen unter Belastung erkennbar ist (12). Wie von
Punkt aus der Problemliste ansprechen. Sie sollte in ein- Schatzker beschrieben sind die Ziele einer solchen Be-
zelne Schritte unterteilt werden, von denen jeder eine handlung eine exakte Reposition der Gelenkfläche und
begrenzte Zielsetzung hat. Bei diesen schwierigen Fällen eine übungsstabile Versorgung mit nachfolgender CPM.
ist man erfolgreicher, wenn man das Vorgehen in eine Die frühfunktionelle Behandlung fördert die Knorpelhei-
Reihe von Schritten aufteilen kann, die zusammen zum lung und verhindert eine stärkere postoperative Gelenk-
gewünschten Endergebnis führen. steife.
Der Chirurg sollte in Erwägung ziehen, die vorgeschla- Die von Schatzker formulierten Ziele können durch
gene Korrekturoperation mit ausgeschnittenen Folien der eine intraartikuläre Osteotomie und Reposition oder
Fragmente zu planen, um sicher zu sein, dass das ange- durch eine Osteotomie im Bereich der Metaphyse zur
strebte Ziel überhaupt erreicht werden kann. Bei sehr korrekten Achsausrichtung, bei einer vorliegenden Ar-
komplexen Fehlstellungen kann unter Umständen ein throse auch durch Überkorrektur der korrekten Ausrich-
Plastikmodell für die Planung der Korrekturoperation tung zur Gelenkentlastung, vervollständigt werden
hilfreich sein. Es muss beachtet werden, dass die gemes- (Abb. 5.2).
senen Längen auf nichtdigitalen Röntgenbildern um un- Metaphysäre Fehlstellungen fordern ein Eingreifen
gefähr 20 % vergrößert sind. Auf digitalen Röntgenbildern dann, wenn eine schräge Gelenklinie verbleibt oder eine
ist die Vergrößerung variabel, sie steht häufig am unteren Fehlausrichtung der Tragachse auf den Ganzbeinaufnah-

Abb. 5.2
a Intraartikuläre Fehlstellung.
b Korrektur durch Osteotomie.

a b
88 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

men im Stehen erkennbar wird. Das Ausmaß der notwen- sen. Am häufigsten beobachtet man dieses Phänomen im
digen Korrektur kann durch Übereinanderlegen der Seite Hüftgelenksbereich, wo eine valgisierende Osteotomie
mit der Fehlstellung auf die normale andere Seite fest- ohne Lateralisation des Schaftes zu einer Valgusfehlstel-
gestellt werden (Abb. 5.3). Auf diese Weise lässt sich der lung führt (Abb. 5.4). Auch wenn die Art der Osteotomie
Korrekturbedarf ermitteln. An der unteren Extremität durch das Übereinanderlegen der Kopien bestimmt wird,
muss die geplante Korrektur auf die Ganzbeinaufnahmen sind die Möglichkeiten auf eine Osteotomie mit schrägem
im Stehen übertragen werden, damit Seitverschiebungen Keil, ein subtraktives oder ein additives Vorgehen be-
vermieden werden, die die mechanische Achse beinflus- grenzt. Die ausgewählte Osteotomie sollte sowohl die ge-

Abb. 5.3
a Ipsilaterale pertrochantäre und Femurschaftfrak-
tur mit einer fehlgeschlagenen inneren Fixation.
b Auflage der Pause der betroffenen Seite auf die
umgedrehte Vorlage der intakten Seite (von einer
Operationsskizze).
5

a b

Abb. 5.4
a Varusfehlstellung des proximalen Femurs.
b Valgusosteotomie mit Lateralisierung des
anatomische Schaftes zur Wiederherstellung einer normalen
Achse anatomischen und mechanischen Achse.

Knochen-
platte

Varus-
mechanische
fehlstellung
Achse
präoperativ

a b
Operative Behandlung von Fehlstellungen 89

Abb. 5.5 Operationsskizzen mit zwei verschiede-


nen Überlegungen für die gleiche Fehlstellung.
a Varusfehlstellung und Korrektur der Fehlstellung
mit schlechter Stabilität, also ein weniger guter
Plan.
b Varusfehlstellung und ein Plan, der sowohl die
ausreichende Korrektur der Fehlstellung als auch
die Stabilität berücksichtigt.

a 5

wünschte Korrektur als auch Übungsstabilität erreichen Die Stabilisierung und Fixation bei einer Osteotomie im
(13). Abb. 5.5 zeigt zwei präoperative Planungen für den- metaphysären Bereich muss die geringere Haltekraft im
selben Patienten. Abb. 5.5 a zeigt eine adäquate Korrektur spongiösen Knochen im Vergleich zu kortikalem Knochen
der Fehlstellung mit einer 120°-Winkelplatte, aber eine für eine Schraubenfixation berücksichtigen (15). Aus die-
unzureichende Stabilität mit einem medial offenen Win- sem Grund ist es empfehlenswert im spongiösen Kno-
kel. Abb. 5.5 b zeigt die bevorzugte operative Planung chen zur Verhinderung eines Durchschneidens winkelsta-
unter Verwendung einer 90°-Erwachsenenosteotomie- bile Implantate mit breiten Auflageflächen zu verwenden
platte mit nahezu keinem Defekt auf der Medialseite (Abb. 5.6). Verriegelungsplatten und -schrauben versagen
und einer guten Stabilität. durch Ausschneiden des Knochens um die Schraube und
Nach Hierholzer (7) soll eine Osteotomie mit Keilent- nicht durch schrittweises Herausziehen der Schrauben
nahme an der unteren Extremität vermieden werden, da wie bei konventionellen Plattensystemen. Sobald eine
sie instabil ist. Wir glauben, dass das zutrifft, wenn kein Klingen- oder Verriegelungsplatte in der Metaphyse ein-
Knochenkeil vorhanden ist. Subtraktive und schräge Os- gebracht ist, wird die Steifigkeit der Konstruktion durch
teotomien sind hingegen leicht zu stabilisieren. Wenn Kompression maximiert und ein Versagen vermieden.
immer möglich sollte eine leichte Schrägosteotomie er- Der Chirurg muss darauf achten, dass eine genügend
folgen, um eine größere Fläche für die Heilung zu erzie- große Knochenbrücke bei Verwendung einer Klingen-
len und eine Zugschraube verwenden zu können. Die oder Verriegelungsplatte verbleibt, um unter Kompressi-
Osteotomie sollte in der Technik wie in Abb. 5.5 b erfol- on ein Versagen durch ein Herausziehen des Implantats
gen. Die Mobilisierung der Fragmente muss vorsichtig unter Kompression zu vermeiden (Abb. 5.7; 7, 16).
mit Instrumenten mit breiter Auflage erfolgen, um ein Diaphysäre Fehlstellungen erfordern eine gründliche
Auseinanderbrechen des Knochens zu vermeiden. Auch Evaluation, da sie häufig in mehreren Ebenen bestehen.
die Miteinbeziehung der Diaphyse in diese Maßnahme In seiner Darstellung von Fehlstellungen der langen Röh-
ist für die Reposition der Fragmente hilfreich (s. intertro- renknochen hat Milch (3, 17) festgestellt, dass lange Röh-
chantere Valgusosteotomie; 14). renknochen als gerade oder gekrümmt angesehen wer-
90 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

den, abhängig davon, ob die mechanische Achse mit der


anatomischen Achse auf einer Linie liegt. Beispiele für
gerade Knochen sind die Tibia, die Elle und der Humerus.
Sie sind deshalb von Bedeutung, weil die Fehlstellung
eines gebogenen Knochens wie des Femurs schwieriger
in allen Ebenen zu korrigieren ist und möglicherweise
eine mathematisch berechnete Schrägosteotomie erfor-
dert (16).
Deformitäten im Bereich der Diaphyse schließen häufig
auch eine Verkürzung zusätzlich zur festgestellten Fehl-
stellung in der koronaren und sagittalen Ebene ein. Aus
diesem Grunde muss vor der Operationsplanung auch die
Länge bestimmt werden. Wenn eine Verkürzung vorliegt,
ist es von Bedeutung zu wissen, dass eine subtraktive
Keilosteotomie die Extremität weiter verkürzen wird.
5 Aus diesem Grunde ist eine Schrägosteotomie eine bes-
sere Wahl, um sowohl die Verkürzung als auch die Fehl-
stellung zu korrigieren. Wenn eine schräge Osteotomie
benutzt wird, ist es notwendig die Platte vorzubiegen
und zusätzlich eine Zugschraube zu verwenden (19).

Grundprinzipien der inneren Fixation von


Fehlstellungen
Das übliche Vorgehen bei der Frakturversorgung ist die
Stabilisierung der Epiphyse mit Schrauben, der Metaphy-
Abb. 5.6 Die Fixation mit einer Klingenplatte in der Metaphy- se mit Platten und der Diaphyse mit einem intramedul-
se von distalem Femur und der Tibia.
lären Kraftträger. Auch wenn dies für frische Frakturen
Gültigkeit besitzt, so ist Kompression ein ganz wichtiges
Mittel bei der Behandlung von Fehlstellung und Pseudar-
throsen. Aus diesem Grunde muss eine Fixation nach
einer Osteotomie oder einer Fehlstellungsbehandlung da-
rauf ausgerichtet sein Kompression am knöchernen De-
fekt zu erzielen. Ausnahmen gibt es bei Femur- oder ei-
nigen Tibiapseudarthrosen, wenn eine aufgebohrte Nage-
lung eine verstärkte periostale Durchblutung anregen
kann (20) und die eingebrachte Nagelstärke ein genügend
steifes Konstrukt für die Heilung erzeugt. Die meisten
Pseudarthrosen und Fehlstellungen erfordern jedoch
eine Fixation mit Kompression durch Verwendung einer
Zugschraube durch die Platte (20), oder einen Fixateur
externe wie am Beispiel der proximalen oder distalen
Tibia (21). Die innere Fixation einer Fehlstellung oder
Pseudarthrose hat den Vorteil, dass sie endgültig ist, bio-
mechanisch vorhersagbar, kosmetisch günstig und nur
einer begrenzten Nachsorge vonseiten des Patienten
und Chirurgen bedarf. Der Nachteil einer offenen Reposi-
tion und inneren Fixation ist, dass bei einer unzureichen-
den Korrektur, die intraoperativ nicht erkannt wird, ein
Revisionseingriff erforderlich wird (20).
Eine erfolgreiche innere Fixation erfordert ein solides
Abb. 5.7 Nicht ausreichende knöcherne Brücke unter der mechanisches Konstrukt, welches in der Lage ist den zy-
Schulter der Klingenplatte mit daraus resultierendem Verlust klischen Muskelkontraktionen, die während der frühen
der Verankerungsstabilität im proximalen Fragment. funktionellen Übungsbehandlung auftreten, zu widerste-
hen (14). Bei der inneren Fixation erfordert das eine Plat-
te mit ausreichender Länge, um den Torsionskräften Wi-
derstand leisten zu können. Ring et al. (22) fanden he-
Operative Behandlung von Fehlstellungen 91

5
a b

Abb. 5.8 CT-Schnitte des Femurs zeigen eine schwere Retro- a Proximales Femur.
version mit dem Bild einer klinischen Außendrehstellung. b Distales Femur.

raus, dass bei Humeruspseudarthrosen und begleitender


Osteoporose Plattenlängen erfolgreich waren, die 80 %
der Gesamtlänge des Knochens betrugen. Der moderne
Trend längere Platten für die Rekonstruktion zu verwen-
den, spiegelt den gegenwärtigen Trend bei der Fraktur-
versorgung wieder (23). Die Verwendung von Platten-
spannern ist dabei hilfreich, um Kompression am osteo-
porotischen Knochen zu erzeugen; dies gilt auch für das
Femur, wo mehr als 100 kp erforderlich sind (25). Eine
erfolgreiche innere Fixation fordert an der kortikalen
Oberfläche ausreichend Kontakt, um eine knöcherne Sta-
bilität zu erzielen und das Implantat zu schützen. Bei
Vorliegen eines Defekts ist die Knochentransplantation
an der Osteotomie- oder Pseudarthrosenseite erforder-
lich.
Abb. 5.9 Kirschner-Drähte sind am proximalen und distalen
Fragment eingebracht und stellen die Deformität zur Vorberei-
Formen der Deformität tung der Korrektur dar.

Rotationsdeformität
Torsionsfehlstellungen treten nach Marknagelungen häu- teotomieflächen aufweisen. Bei der geraden Quersteoto-
fig auf. Leider gibt es keine wissenschaftlich abgesicher- mie ist die direkte chirurgische Darstellung notwendig.
ten Kriterien in der Literatur für die untere Extremität, Der Einsatz von Hohmann-Haken sollte so erfolgen, dass
um festzustellen ab welchem Ausmaß eine pathologische möglichst wenig Weichteile vom Knochen abgelöst wer-
Bedeutung für das Nachbargelenk vorliegt. Sobald die den. Es werden Gewindekirschnerdrähte in einem Win-
Entscheidung zur Korrektur einer Torsionsfehlstellung kel eingebracht, der das Ausmaß der Torsionsfehlstellung
gefallen ist, ist eine gerade Osteotomie die beste chirur- wiedergibt und der vorher durch klinische Untersuchung
gische Intervention. und CT bestimmt wurde (Abb. 5.8, Abb. 5.9). Die Osteoto-
Im Falle eines verkürzten und fehlrotierten Femurs mie wird mit einem Osteotom durchgeführt, wobei da-
nach einer Marknagelung empfahl Samuel eine schräge rauf geachtet wird, dass der Knochen nicht geschädigt
derotierende Osteotomie (25), um die mäßigen Fehlstel- wird. Nachfolgend erfolgt die Derotation unter Zuhilfe-
lungen zu korrigieren. Es ist wichtig, diese Korrektur mit nahme eines temporären Fixateur externe oder Haltezan-
dieser Technik zu begrenzen, weil große Korrekturen nur gen, um den Knochen vorübergehend zu stabilisieren. Die
einen unzureichenden knöchernen Kontakt an den Os- Beurteilung der Korrektur erfolgt anschließend durch Ab-
92 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

gleich der Kirschner-Drähte oder Vergleich mit der kon-


tralateralen Seite.

Winkeldeformitäten
Nennenswerte Deformitäten an der unteren Extremität
in einer Ebene finden sich regelmäßig in der Frontalebe-
ne. Das Ziel ist häufig die einfache Wiederherstellung der
mechanischen Ausrichtung. Auch wenn dies meistens
durch eine Open- oder Closed-wedge-Osteotomie erfolgt
(20), ist es hilfreich eine Kopie der zu korrigierenden
Seite über ein Muster der normalen Seite zu legen, um
zu sehen, welche Korrektur erforderlich ist (s. Abb. 5.3).

5 Fehlstellungen in zwei Ebenen („Two plane“)


Paley (26) wies darauf hin, dass bei Fehlstellungen in
zwei Ebenen das Ausmaß der Fehlstellung, wie es auf a b
einer a.–p. und seitlichen Aufnahme zu sehen ist, in der
Abb. 5.10 Proximale femorale Fehlstellung.
Regel die tatsächliche Deformität unterschätzt. Aus die- a A.–p. Röntgenaufnahme.
sem Grunde muß die präoperative Planung auch Schräg- b Seitliche Röntgenaufnahme.
aufnahmen einschließen, die häufig erst das tatsächliche
Ausmaß der Deformität zeigen. Dies kann man durch die
a.–p. und seitlichen Aufnahmen erreichen, indem das
Ausmaß der Deformität in der koronaren Ebene auf der
x-Achse und das Ausmaß der sagittalen Deformität auf
der y-Achse aufgetragen wird. Der daraus resultierende
Vektor stellt das Ausmaß und die Richtung der maxima-
len Fehlstellung dar. Dies kann man durch Bildwandler-
untersuchung oder eine rotierende Vektordurchleuch-
tung, so lange bis die Deformität das größte Ausmaß
zeigt, erreichen. Die Ebene ist dann durch den Bildwand-
ler dokumentiert.
Eine Closed-wedge- oder einfache Schrägosteotomie ist
die beste Wahl für die Korrektur einer Fehlstellung in
zwei Ebenen. Die Closed-wedge-Osteotomie erfordert
die Bestimmung des Korrekturausmaßes in jeder Ebene
und die Resektion eines ausreichend großen Trapezoides
(Abb. 5.10, Abb. 5.11). Der Nachteil dieser Technik ist die
Unmöglichkeit, nach einer Keilresektion eine Zugschrau-
be zu platzieren, weil die resultierende Osteotomie a b
schräg ist. Ein weiterer Nachteil ist, dass die Osteotomie
zu einer zusätzlichen Beinlängenverkürzung führt (27). Abb. 5.11 Aufnahmen nach Resektion eines Trapezoids zur
Eine einfache Schrägosteotomie (27) erlaubt das Platzie- Korrektur einer Fehlstellung; es verbleibt eine Querosteotomie.
a A.–p. Röntgenaufnahme.
ren einer Zugschraube und verhindert einen Längen-
b Seitliche Röntgenaufnahme.
unterschied. Die Ebene des Osteotomieschnitts erfolgt
senkrecht zu der Fehlstellung (16, 27).

Deformitäten in drei und vier Ebenen weitere Option; sie erfordert jedoch die Resektion eines
Trapezoids, und es ist schwierig zuerst die Drehfehlstel-
Deformitäten in drei und vier Ebenen werden am sichers- lung zu korrigieren. Wenn die Korrektur der Rotation zu
ten durch eine einzige Schrägosteotomie angegangen (17, Beginn nicht gelingt, wird dies die Korrektur in der koro-
28). Wenn dieses Verfahren ausgewählt wird, bewirkt naren und sagittalen Ebene beeinflussen, besonders bei
eine trigonometrische Analyse (17) für die richtige Orien- einem gebogenen Knochen wie dem Femur. Bei komple-
tierung des Schnittes automatisch die korrekte Ausrich- xen Fehlstellungen kann die präoperative Planung durch
tung des Schnittes. Die subtraktive Osteotomie ist eine ein Plastikmodell, an dem die Deformität simuliert wird,
Operative Behandlung von Fehlstellungen 93

dargestellt werden. Dies ermöglicht es, die geplante Kor-


rektur vor dem eigentlichen Eingriff zu proben.

Osteotomien bei Korrekturen von


Fehlstellungen
Die Durchführung einer Osteotomie zur Beseitigung einer
Fehlstellung erfordert Erfahrung in Bezug auf Vor- und
Nachteile der unterschiedlichen Osteotomieverfahren. Er-
fahrung und Kenntnis der Grenzen der einzelnen Tech-
niken können Komplikationen verringern. Wenn immer
möglich sollte eine Osteotomie gewählt werden, die eine
dauerhafte Stabilität garantiert und damit die Konstruk-
tion und das Implantat vor Versagen schützt (7, 28). Die
Korrektur der Deformität sollte vorzugsweise am Ort der
Deformität erfolgen, um zu verhindern, dass eine neue 5
Fehlstellung entsteht, die mitkorrigiert werden muss.
Eine Ausnahme wäre das Vorhandensein von schlechten
Weichteilen oder schlechten Knochenverhältnissen, wo
Haut- oder Knochenersatz vorteilhaft sein könnte (9, 21).

Querosteotomien
Querosteotomien an der Diaphyse sind hilfreich für die
Korrektur von Rotationsfehlstellungen. Querosteotomien
sind bei Torsion und Biegung instabil (29) und werden
deshalb am besten mit einem statisch verriegelten Mark- Abb. 5.12 Einstauchen der Osteotomiefragmente mit daraus
resultierender Verkürzung.
nagel versorgt. Bei queren Osteotomien in der Metaphyse
sollte man vorsichtig sein, da das Risiko eines Einstau-
chens der Kortikalis mit dem Effekt der Überkorrektur
besteht (Abb. 5.12; 12).
bikortikale
Schrauben
Schrägosteotomie Antigleitplatte

Die Schrägosteotomie stellt ein hervorragendes Verfahren


bei der Korrektur von Deformitäten dar, da sie sowohl die
Länge als auch die sagittale und koronare Ebene korrigie- Spannung im
Weichgewebe
ren kann. Man erreicht breitere Auflageflächen für die
knöcherne Heilung, eine höhere Biegestabilität und Tor-
sionsstabilität, und die Osteotomie kann durch eine Zug-
schraube unter Druck gesetzt werden. Über die Platte
eingebrachte Zugschrauben erhöhen die Stabilität der
Montage um 25 % (20).
Schrägosteotomien sind am metaphysären Knochen
hilfreich, wenn sie mit einem unvollständigen Schnitt
verwendet werden, um eine verbesserte Stabilität zu er-
reichen. Der Chirurg kann Keile entfernen oder hinzufü-
Abb. 5.13 Schrägosteotomie der distalen Fibula mit einer An-
gen, um die richtige Länge einzustellen, die mechanische
tigleitplatte stabilisiert.
Achse und die Rotation zu korrigieren. Außerdem erlaubt
die Schrägosteotomie das Implantat nach dem Zuggur-
tungsprinzip zu platzieren. Aus diesem Grunde sollte Treppenförmige Osteotomien
der Schnitt nicht extrem schräg gelegt werden, um Scher-
kräfte zu vermeiden, es sei denn man würde eine Platte Auch wenn während der präoperativen Planungsphase
nach dem Antigleitplattenprinzip wie von Brunner u. treppenförmige Osteotomien attraktiv erscheinen,
Weber (30) beschrieben verwenden (Abb. 5.13). haben sie doch deutliche Nachteile wie z. B. eine erwei-
terte Freilegung, wobei sie gleichzeitig nur eine begrenz-
94 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

te Fixation erlauben und auch die Möglichkeit der Kor-


rektur des Winkels und der Rotation einschränken.

Open-wedge-Osteotomien
An der Diaphyse erlaubt die additive Osteotomie die
axiale Korrektur, ohne Länge zu opfern. Diese Osteoto-
mien gelten jedoch als instabil, und eine Knochentrans-
plantation ist am neu geschaffenen Defekt erforderlich.
An der Metaphyse empfehlen die Autoren eine Knochen-
transplantation, wenn der Defekt nach der Korrektur grö-
ßer als 5 mm ist.

Chirurgische Techniken für spezielle


5 Fehlstellungen
Das Ziel der Korrektur einer Fehlstellung am proximalen
Humerus ist die Wiederherstellung der normalen Bio-
mechanik der Schulter. In der Sprache der Anatomie be-
deutet dies, dass die Tuberositates an der Metaphyse an
der richtigen Stelle fixiert werden und sich die Gelenk-
fläche in ihrem korrekten 125°-Winkel orientieren kann.
Die richtige Ausrichtung findet man durch Übereinander-
legen der Röntgenbilder der verletzten und unverletzten
Seite. Auf diese Weise kann das Ausmaß der Fehlstellung
bestimmt werden. Die Osteotomie wird so geplant und Abb. 5.14 Kirschner-Drähte, die die angestrebte Osteotomie
der proximalen Humerusfehlstellung markieren.
ausgeführt, dass eine Restschräge verbleibt, die es erlaubt
eine Zugschraube zu positionieren und die Korrektur der
Länge zu ermöglichen. Die Osteotomie wird am Ende
dann über eine Platte stabilisiert, woraus sich der Vorteil me eines Keiles wird der Arm adduziert, um den Osteo-
des Antigleiteffekts ergibt. tomiespalt zu schließen. Die Stabilisierung erfolgt mit
einem winkelstabilen Implantat in Form einer Klingen-
Fehlstellungen am proximalen Humerus oder winkelsteifen Platte und Schrauben, um eine sichere
(Video 5-1, DVD 1) Fixation im metaphysären Knochen zu erreichen. Die
Kompression an der Osteotomie wird durch Fixation der
Die intraoperative Röntgendurchleuchtung wird erleich- Platte distal erreicht, und die tiefen und oberflächlichen
tert, indem man die Skapula des Patienten präoperativ Gewebeschichten werden in üblicher Weise verschlossen.
auf einem strahlendurchlässigen Tisch mit einem Kissen
unter der betroffenen Seite in einem Winkel von 45° an- Distaler Radius
hebt. Der Röntgenbildverstärker wird dann von der Ge-
genseite her eingefahren, und mit einer 45°-Schrägauf- Patienten mit einer Fehlstellung am distalen Radius erle-
nahme kann man eine a.–p. Sicht des Glenohumeralge- ben aufgrund des Verlusts der normalen volaren Winkel-
lenks dokumentieren, ebenso wie eine y-Aufnahme der stellung einen Verlust an Kraft. Eine additive oder Schräg-
Skapula durch einfaches Drehen des C-Armes. Man ver- osteotomie kann den normalen volaren Winkel wieder-
wendet einen deltoideopektoralen Zugang (31). Nach herstellen, das distale Radioulnargelenk korrekt einstel-
Darstellung des proximalen Humerus werden Haken ein- len und auch die Länge korrigieren.
gesetzt, um die Fehlstellung darzustellen. Die Darstellung Für die additive Keilosteotomie des distalen Radius
kann durch Einsetzen eines stumpfen Homann-Hakens (Abb. 5.15) wird ein posteriorer Standardzugang im vier-
am oberen äußeren Aspekt des proximalen Humerus ten Kompartment bevorzugt. Radiale und ulnare Präpara-
noch verbessert werden. Dabei soll eine vorsichtige Dar- tion schafft Zugang zur posterioren Metaphyse. Sobald
stellung und Weghalten der Weichteile eine Verletzung die posteriore radiale Oberfläche ausreichend dargestellt
des N. axillaris verhindern. Weiter distal kann die Dar- ist, werden Gewindekirschnerdrähte so platziert, wie sie
stellung durch scharfes Ablösen des Ansatzes des M. del- für die vorgesehene Osteotomie notwendig sind. Die kor-
toideus am Humerusschaft verbessert werden. Man ver- rekte Platzierung der Kirschner-Drähte wird durch Bild-
wendet Gewindekirschnerdrähte, die am Ort der Fehlstel- wandlerdurchleuchtung kontrolliert. Unter Verwendung
lung eingebracht werden und die den Bereich der ange- einer Mikro-Säge 1 in wird die Osteotomie durchgeführt
strebten Osteotomie markieren (Abb. 5.14). Nach Entnah- und vorsichtig die Osteotomieseite geöffnet und angeho-
Operative Behandlung von Fehlstellungen 95

Abb. 5.15 Planung für eine additive Keilosteotomie


des distalen Radius mit einem Knochenspan.

ben. In der Regel wird dadurch die Osteotomie auf der Distales Femur
Volarseite komplettiert, sie sollte jedoch so erfolgen, dass
die Weichteile geschont werden. Tücher als Hypomoch- Fehlstellungen am distalen Femur sind oft mehrdimen-
lion unter dem Handgelenk erlauben die Öffnung auf der sional in Varus-, Valgus-, Extensions- oder Flexionsstel-
posterioren Oberfläche. lung und weisen häufig eine Verkürzung auf (Abb. 5.16).
Es ist präoperativ geplant, einen trikortikalen Keil vom Subtraktive Osteotomien verstärken oft die Verkürzung;
Beckenkamm zu verwenden. Der trikortikale Keil wird so aus diesem Grund sollte sich die Planung auf eine Schräg-
geplant, dass die Breite des Keiles vom Beckenkamm osteotomie konzentrieren, welche dem Chirurgen erlaubt
doppelt so groß entnommen wird, wie er für die geplante die Länge dort wo notwendig zu erhalten. Miranda u.
Korrektur benötigt wird. Dieser Keil wir dann unten ge- Mast haben eine doppelte Schrägosteotomie verwendet,
teilt, und jedes Stück wird eingebracht, um die Korrektur um komplexe Fehlstellungen des distalen Femurs zu kor-
zu komplettieren. Die Tiefe des Knochenkeils entspricht rigieren (unveröff. Daten). Ein Beispiel dieser Technik
dem Durchmesser des Radius im seitlichen Strahlengang wird in den Abb. 5.16 und Abb. 5.17 gezeigt.
auf dem Röntgenbild. Dabei muss man berücksichtigen, Die Autoren bevorzugen den lateralen Standardzugang
dass die gemessenen Längen auf nichtdigitalisierten zum distalen Femur. Die Darstellung des Knochens bleibt
Röntgenaufnahmen einen Vergrößerungseffekt von etwa extraperiostal auf der geplanten Osteotomieseite. Hoh-
20 % aufweisen. Sobald der Beckenkammspan einge- mann-Haken werden eingesetzt, um die Übersicht zu ver-
bracht ist, wird die Fixation durch eine posterior einge- bessern und die neurovaskulären Strukturen zu schützen.
brachte distale Radiusplatte unter Kompression aus- Das Bein wird auf ein Kissen oder eine andere Unterlage
geführt (Abb. 5.15). gelegt, um die Spannung des M. gastrocnemius aufzuhe-
Beim Verschluss muss besonders darauf geachtet wer- ben. Eine 95°-Winkelplatte ist das bevorzugte Implantat,
den, die Sehne des M. extensor pollicis longus vor Irrita- weil die Winkelplatte parallel zum Gelenk die normale
tion und Ruptur zu schützen. Dies kann durch Aufspalten Ausrichtung wiederherstellt, wenn die Osteotomie unter
des Streckerretinakulums in querer Richtung und Bildung Kompression gesetzt wird.
einer Schlinge um die Extensor-pollicis-longus-Sehne ge- Zu Beginn werden Kirschner-Drähte eingebracht, um
schehen. die Osteotomieschnitte zu markieren. Mit dem Platten-
setzgerät wird der Kanal für die Klinge der Winkelplatte
geschaffen (Abb. 5.17 b). Es ist wichtig eine Brücke von
1,5 – 2 cm zwischen Osteotomie und Klinge zu belassen.
Sobald das Plattensetzgerät eingebracht ist, muss die
Klinge vor der Osteotomie gelockert werden, weil sonst
96 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

Abb. 5.16 Eine komplexe Femurfehlstellung (a).


Winkelplattenfixation nach doppelter Schrägosteo-
tomie (b).

a b

a b

Abb. 5.17 b Verwendung des Plattenspanners.


a Kanal für die Winkelplatte.

das Plattensetzgerät schwer zu entfernen ist. Nach Locke- flächen zu erzeugen. Das intermediäre Fragment muss
rung des Plattensetzgeräts werden die Osteotomieschnit- fixiert werden, da es sonst nach lateral rutschen wird.
te gelegt und die Winkelplatte eingebracht. Dann wird Wo immer möglich sollten Zugschrauben über die Osteo-
unter Verwendung einer Verbrugge-Zange und eines Plat- tomie platziert werden, um zusätzliche Stabilität zu er-
tenspanners (s. Abb. 5.17 b) das distale Fragment distra- zielen. Postoperativ läuft der Patient mit Bodenkontakt,
hiert und das Zwischensegment medial mobilisiert. So- aktive und passive Bewegungsausschläge sollen durch-
bald es sich in einer zufriedenstellenden Position befin- geführt werden, ein Gips oder eine Schiene sind nicht
det wird das Plattenspanngerät verwendet, um eine notwendig.
Kompression von mehr als 100 kPa an den Osteotomie-
Operative Behandlung von Fehlstellungen 97

Proximale Tibia
Das Ziel der Behandlung von proximalen Tibiafehlstellun-
gen ist die Minimierung der intraartikulären Stufenbil-
dungen (s. Abb. 5.2) und die Wiederherstellung einer nor-
malen mechanischen Achsausrichtung, wobei die Gelenk-
linie des Knies parallel zum Boden verlaufen sollte. Beim
operativen Vorgehen bei einer extraartikulären proxima-
len Tibiafehlstellung (Abb. 5.18) wird ein medialer Zugang
verwendet, der eine adäquate Darstellung für die Osteo-
tomie erlaubt. Der Patient wird auf dem Rücken gelagert,
es kann ein Tourniquet mit ca. 250 mm Hg angelegt wer-
den und das Knie wird auf einem Kissen in ca 20° Beu-
gestellung gelagert. Mithilfe des Bildwandlers wird die
Höhe der Fehlstellung bestimmt und die beabsichtigte
Osteotomiehöhe festgelegt und markiert. Die Osteotomie 5
wird mit einem Osteotom durchgeführt. Der Chirurg soll-
te darauf achten, dass der Meniskus nicht in die ehema-
lige Fraktur hineingezogen ist. Ein gebogener Hohmann-
Haken wird proximal und hinten knochennah eingeführt,
um eine Verletzung der neurovaskulären Strukturen zu
vermeiden. Die Fixation erfolgt mit Schrauben über die
Osteotomie hinweg, unter Kompression nach dem Prinzip
der Zugschraubentechnik und einer anschließenden ab-
stützenden Plattenanlage (Abb. 5.19).

Abb. 5.18 Proximale Tibiapseudarthrose, die mittels einer


additiven medialen Keilosteotomie behandelt wurde.

Abb. 5.19 Nach Korrektur der proximalen


Tibiapseudarthrose.
a Postoperative a.–p. Aufnahme.
b Seitliche Aufnahme.

a b
98 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

Tipps und Tricks Komplikationen bei Fehlstellungen


■ Es muss sicher gestellt sein, dass die an eine Fehl- Die häufigsten Komplikationen bei der Behandlung von
stellung grenzenden Gelenke beweglich sind. Fehlstellungen sind
■ Eine Gelenkkontraktur kann das funktionelle Ergeb- ■ Unter- oder Überkorrekturen (0 – 15 %),

nis limitieren und Ursache für eine ausbleibende ■ Pseudarthrose (0 – 12 %),

Heilung nach Osteotomie sein. ■ Nervenschaden (0 – 8 %),

■ Die Implantate sollten so platziert werden, dass sie ■ Infektion (1 – 3 %),

möglichst nicht irritieren, besonders gilt dies für ■ verzögerte Frakturheilung (3 – 5 %),

Schulter, Sprunggelenk und Knie. ■ Thromboembolie (2 – 4 %).

■ Der Erfolg einer Fehlstellungskorrektur hängt ent-


scheidend vom präoperativen Plan ab, mit dem Sta-
bilität erreicht werden soll. Merke
■ Präoperativ sollten Planungsskizzen angefertigt und ■ Die häufigste Komplikation (bis zu 15 %) im Zusammen-
mit dem vorgesehenen Endergebnis verglichen wer-
hang mit der operativen Korrektur einer Fehlstellung ist
5 den. Es muss sichergestellt sein, dass der vorgese-
das Nichterreichen einer korrekten anatomischen Achs-
hene Plan auch umsetzbar ist.
ausrichtung.
■ Der Plan muss exakt mit dem Mechanismus für die ■ Man benötigt eine gute Gelenkbeweglichkeit der Gelen-
Reposition übereinstimmen.
ke oberhalb und unterhalb der Fehlstellung, um ein
■ Intraoperativ ist es möglich, dass mehrere Versuche
gutes funktionelles Ergebnis zu erreichen.
für die Reposition notwendig werden. ■ Die meisten Fehlstellungen entstehen nicht in streng
orthogonalen Ebenen. Aus diesem Grunde sollte man
eine Schrägaufnahme anfertigen, um die Deformität
Neue Techniken für die Korrektur komplett beurteilen zu können.

von Fehlstellungen
Die Korrektur von komplexen Fehlstellungen mit einem
Taylor-Ringfixateur stellt eine neue Entwicklung dar und Epidemiologie von Pseudarthrosen
erlaubt eine Korrektur in allen drei Ebenen, wobei eine
Serie von Streben und ein computergesteuertes Pro- Bhandari u. Schemitsch (34) haben den Status von Pseud-
gramm verwendet werden, welches vom Hersteller he- arthrosen gut beschrieben. Die publizierten Ergebnisse
runtergeladen werden kann. Die Korrektur wird auto- nach Frakturen der langen Röhrenknochen an der unte-
matisch über das programmierte System übertragen. ren Extremität reichen von 3 – 48 %. Sie haben gezeigt,
Die ersten Ergebnisse mit diesem System sind sehr ermu- dass in den Vereinigten Staaten eine verzögerte Fraktur-
tigend, weil mit diesem Programm komplexe Deformitä- heilung bei etwa 600 000 Patienten pro Jahr vorliegt (35).
ten in allen drei Ebenen mit großer Genauigkeit korrigiert Ungefähr 100 000 dieser Frakturen enden in einer Pseu-
werden können. darthrose (36). Risikofaktoren für eine Pseudarthrose
sind Eigenschaften der Fraktur wie z. B. Frakturdisloka-
tion und Segmentverlust (36–39), Hochrasanztraumen
Ergebnisse von Korrekturen (38), schwerer Weichteilschaden (40, 41), und von Patien-
bei Fehlstellungen tenseite z. B. Diabetes (43, 44), Alkoholgenuss (44), Rau-
chen (44, 45), spezielle Medikamente wie Steroide und
Aktuelle Reihen von Fehlstellungskorrekturen zeigen Er- nichtsteroidale antiinflammatorische Substanzen (47–
folgsraten von 84 – 100 % bei der Korrektur von komplexen 49), Antikonsulvisa (50), Antibiotika (51), Antikoagulan-
Fehlstellungen (17, 19, 21, 29). Sanders et al. (28) berichten tien (52, 53), Gefäßerkrankungen und Gefäßverletzungen
über eine Serie von 12 Patienten, die mit Schrägosteoto- (54). Die Infektion ist eine wichtige und häufig katastro-
mien an der Tibia behandelt wurden. Bei den Patienten, die phale Ursache der Pseudarthrose.
mitarbeiten konnten, fanden sich sehr gute Ergebnisse. Einhorn beschreibt die Pseudarthrose als einen „Still-
Sangeorzan et al. (16) berichten über Patienten mit tibialen stand aller Heilungsprozesse, die Frakturheilung tritt
Fehlstellungen; sie beschrieben eine 100 %ige Heilung nicht ein“ (55). Verzögerte Frakturheilung ist definiert
ohne Komplikationen nach Osteotomie. Chiodo et al. (32) als eine Fortsetzung des Heilungsprozesses, ohne dass
führten Schrägosteotomien bei 6 Patienten durch. Sie be- die Heilung in dem erwarteten Zeitraum eintritt oder
richteten über exzellente Ergebnisse, wobei alle Defor- wenn der Heilungsausgang unsicher ist (55). In den meis-
mitäten auf weniger als 10° im Vergleich zur gesunden ten Fällen wird eine Pseudarthrose diagnostiziert, wenn
Seite korrigiert wurden. Es traten keine nennenswerten eine Fraktur in der erwarteten Zeit von 3 – 9 Monaten
Komplikationen auf und bei keinem Patienten war eine nicht verheilt ist. Im Röntgenbild wird dies als ein Mangel
zusätzliche chirurgische Maßnahme erforderlich. an Überbrückungskallus definiert. Auch wenn reichlich
Klassifikation der Pseudarthrosen 99

Kallus im Heilungsverlauf festgestellt wird, hat sich ge- Klassifikation der Pseudarthrosen
zeigt, dass die Kontinuität im Kortikalisbereich die beste
Voraussage für die Torsionstabilität der Fraktur ist, wäh- Pseudarthrosen werden entweder als hypertrophisch
rend die Kallusgröße und die Ausdehnung des Kallus der oder avaskulär klassifiziert, jeweils mit zusätzlichen Un-
am wenigsten aussagekräftige Indikator für die Fraktur- tergruppen (Abb. 5.20; 57).
heilung ist (56). Hypertrophe Pseudarthrosen haben eine ausreichende
Metaphysäre Pseudarthrosen können schwierig zu di- Blutversorgung aber eine nicht ausreichende Stabilität,
agnostizieren sein (57). Überschießender Kallus ist um die Heilung zu erreichen. Die von Weber u. Czech
durchaus häufig bei metaphysären Pseudarthrosen. Die- (58) beschriebenen hypertrophischen Untergruppen ori-
ser Kallus ist entweder das Ergebnis von Bewegung oder entieren sich an der radiologischen Darstellung der
einer Knochentransplantation bei einer vorausgegange- Pseudarthrose. Der Elefantenfußtyp ist reich an Kallus,
nen chirurgischen Maßnahme (57). Nach unserem heuti- in der Regel aufgrund unzureichender Stabilität bei
gen Kenntnisstand findet die metaphysäre Heilung durch gleichzeitig guter Blutversorgung. Die nächste Unter-
die Bildung von neuem Knochen auf bestehendem trabe- gruppe ist die Pferdehuf-Pseudarthrose, die bei mäßig
kulären Knochen an der Fraktur statt. Dieser Mechanis- stabiler Fixation und adäquater Blutversorgung entsteht.
mus führt dazu, dass an der Frakturstelle wenig Kallus- Radiologisch sieht man bei der Pferdehuf-Pseudarthrose 5
bildung auf dem Röntgenbild zu erkennen ist, so dass wenig Kallus und eine leichte Sklerose. Als letzte ver-
noch einmal betont werden muss, dass die kortikale Kon- bleibt die oligotrophische Pseudarthrose ohne Kallus
tinuität der wichtigste Indikator für die Heilung ist. und ohne Hypertrophie. Diese Untergruppe zeigt norma-
lerweise Dislokation der Fragmente oder eine instabile
Osteosynthese.

Abb. 5.20 Klassifikation


C
B der Pseudarthrosen.
A

oligotrophisch

Elefantenfuß

Pferdehuf

nekrotischer Rand
(zertrümmert)

atrophisch
D

dystrophisch

Defektspalt
B
C

A
100 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

Avaskulären Pseudarthrosen fehlt die Blutversorgung die Indium-111-Leukozytenszintigrafie, weil sie die Zell-
und häufig auch Stabilität. Avaskuläre Pseudarthrosen migration über einen Zeitraum von 48 h aufdecken kann.
können in 4 Untergruppen unterteilt werden. Die ersten
beiden Untergruppen bezeichnen Pseudarthrosen mit
einem intermediären Fragment mit eingeschränkter Chirurgische Behandlung von
(Drehkeil) oder fehlender Blutversorgung (Trümmerfrak- Pseudarthrosen (Video 5-2, DVD 1)
tur). In der dritten Untergruppe finden sich Pseudarthro-
sen mit fehlendem diaphysären Knochen, hier ist eine Das Prinzip der Pseudarthrosenbehandlung besteht darin,
Knochentransplantation erforderlich. Die vierte Unter- das Umgebungsmilieu für die Frakturheilung wiederher-
gruppe ist die atrophische, lange bestehende Pseudar- zustellen. Mit anderen Worten bedeutet dies sicher-
throse mit osteoporotischen Frakturenden ohne osteoge- zustellen, dass mesemchymale Zellen im Periost des le-
netische Potenz. benden Knochens sowie Knochenwachstumsfaktoren zu
deren Stimulierung verfügbar sind, außerdem ein gut
vaskularisiertes Umfeld mit genügend Stabilität der
Diagnostische Abklärung Bruchfragmente (59–63). Die präoperative Untersuchung
5 von Pseudarthrosen muss alle diese Faktoren abklären, sowie auch die Frage,
ob Faktoren vorliegen, die ihre Wirksamkeit einschrän-
Die erste Abklärung von Patienten mit einer Pseudarthrose ken, wenn der Heilungsprozess begonnen hat. Beim Vor-
wird in diesem Buchkapitel weiter vorn beschrieben. Die liegen einer infizierten Pseudarthrose ist die sorgfältige
spezielle Laboruntersuchung bei Pseudarthrose sollte ein Kontrolle der Infektion für die Heilung erforderlich. Die
komplettes Blutbild, Erythrozytensedimentation und C-re- Infektion beeinflusst den Heilungsprozess durch eine In-
aktives Protein einschließen. Vorsicht ist deshalb geboten, stabilität des Knochens. Diese entsteht aufgrund von
weil bei chronischen Verläufen diese Laboruntersuchun- Knochenresorption durch Zytokine, die während des Ent-
gen normale Werte aufweisen können. Nützlich können zündungsprozesses freigesetzt werden.
sie sein, wenn sie über einen längeren Zeitraum erhoben Mit der Ausnahme von femoralen und tibialen Pseud-
werden und ein Trend erkennbar wird. Die Punktion einer arthrosen sollten alle anderen Pseudarthrosen mit einer
Pseudarthrose bei Verdacht auf Infekt kann hilfreich sein, Technik versorgt werden, die Kompression auf die Pseu-
aber die Entnahme eines Abstrichs von einer offenen darthrose bringt. Hypertrophe Pseudarthrosen sind ty-
Wunde oder der Hautoberfläche kann in der Regel die pa- pisch für unzureichende Stabilität, und eine stabile Os-
thogenen Erreger nicht wirklich identifizieren. Der einzige teosynthese ohne weitere Unterbrechung der Blutversor-
sichere Weg ist dann die offene Biopsie. gung führt in diesen Fällen zur knöchernen Heilung. Die
Die radiologische Untersuchung bei Pseudarthrosen Zuggurtungsosteosynthese mit Platte in Verbindung mit
sollte die a.–p., seitliche und Schrägaufnahmen einschlie- einer interfragmentären Schraube und indirekter Reposi-
ßen (39). Gehaltene Aufnahmen können hilfreich sein, tion (65) ist ein ausgezeichneter Zugang für hypertrophe
um eine Instabilität zu erkennen. Das MRT unter Verwen- Pseudarthrosen.
dung eines i. v. Kontrastmittels wie Gadolinium kann sehr Atrophische Pseudarthrosen sind das Ergebnis einer
genau pathologische Veränderungen an Knochen und unzureichenden Blutversorgung des Knochens. Ursachen
Weichgewebe aufdecken. Es kann jedoch nicht ausrei- sind avitaler und deperiostierter Knochen, was zu einem
chend zwischen Ödem, Infektion und postoperativen Ver- unzureichenden Potenzial knochenbildender Zellen
änderungen unterscheiden. Die Aussagekraft des MRT führt, sowie unzureichende Stabilisierung der Fraktur
wird außerdem durch jedes metallische Implantat in (58). Diese Bedingungen können durch schwere Fehlstel-
der zu untersuchenden Region eingeschränkt. Das CT lungen der Frakturfragmente noch verstärkt werden,
kann bei diesen Patienten mit metallischen Implantaten wenn die Knochenenden nicht in der Kontinuität stehen,
zum Einsatz kommen und ist hilfreich bei der Aufgabe, bei Hochrasanztraumen, nach innerer Fixation und Schä-
den Stand der Heilung sowie feine Knochenveränderun- digung der Blutversorgung oder bei Infektion. In diesen
gen, Sequester und avitalen Knochen zu bestimmen. Situationen ist es notwendig avitalen Knochen so weit zu
Nuklearmedizinische Untersuchungen werden häufig resezieren bis der Knochen wieder blutet, die Fragmente
für die Unterscheidung einer akuten von einer chro- unter Kompression zu bringen, um dann Knochtransplan-
nischen Infektion herangezogen. Es sind verschiedene Ra- tate hinzuzufügen und mit ihnen osteoinduktive Fak-
diopharmazeutika erhältlich, alle mit unterschiedlichen toren. Bei Pseudarthrosen, deren umgebendes Weichge-
Charakteristika. Die Leukozytenszintigrafie mit Indium, webe schlecht durchblutet ist (z. B. distale Tibia), kann es
die 99mTcABs-Immunszintigrafie und 99 mTc-Nanokolloide notwendig werden Weichteilgewebe gestielt oder mikro-
sind hilfreich zum Aufdecken einer Infektion, vor allem vaskulär frei zur Deckung zu verwenden.
im ersten postoperativen Jahr und beim Vorliegen von Defektpseudarthrosen nach Weber u. Czech benötigen
metallischen Implantaten. Bei Verdacht auf eine soge- Knochentransplantate oder den Segmenttransport, um
nannte Low-grade-Infektion verwendet man am besten Heilung zu erreichen. Diesen Pseudarthrosentyp findet
man bei Patienten mit zahlreichen Voroperationen, frü-
Chirurgische Behandlung von Pseudarthrosen (Video 5-2, DVD 1) 101

heren Infekten oder ausgedehnten Knochenzerstörungen Dekortikation, oder Anfrischung unterstützt werden
(58). Auch fehlgeschlagene Osteosynthesen können aus- (Abb. 5.21). Die Druckplattenfixation (65, 66) verwendet
gedehnte Defekte erzeugen, die eine Knochentransplan- eine Platte, die so konturiert wird, dass sie an der Pseud-
tation erfordern. Die Knochentransplantation sollte durch arthrose vom Knochen absteht, sodass sie möglichst

vitaler Knochen Periost

Knochenfasszange
avitaler
Knochen

Muskel
periostaler
kortikaler 5
Knochen spongiöser
Knochen
Knochen

Periost

Periost

vitaler Knochen
a
rundherum angelegter Knochen

Periostnähte
Knochenspäne

vitaler Knochen

Abb. 5.21 a Knochenanfrischung mittels Osteotom, um vita- b Anlagerung von Knochenspänen rund um den vitalen
len Knochen freizulegen. Knochen, um die Heilung zu stimulieren.
102 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

mität zu Komplikationen wie Atrophie und Gelenksteife


führt.
Femur- und Tibiapseudarthrosen können mit Marknä-
geln versorgt werden. In diesen Fällen wird der Mark-
raum über die üblichen Zugänge eröffnet und weit auf-
gebohrt, um mit einem großen Nageldurchmesser eine
möglichst hohe Stabilität zu erreichen. Das Aufbohren
erzeugt eine periostale vaskuläre Reaktion, welche die
Knochenbildung stimuliert (71). Das Aufbohren hinter-
lässt außerdem Knochen an der Pseudarthrose, ohne
dass dort Weichteile abgelöst werden müssen. In den
Fällen, wo ein Marknagel gebrochen ist, ist das Freilegen
der Pseudarthrose für die Entfernung des Nagels und ein
Débridement des durchblutungsgestörten Gewebes not-
wendig. In dieser Situation kann eine Plattenosteosynthe-
5 se weniger invasiv sein als das erneute Einbringen eines
Marknagels.

Die intertrochantäre Osteotomie bei


Schenkelhalspseudarthrosen
Die intertrochantäre Osteotomie,wie sie von Pauwels be-
schrieben wurde, ist eine zuverlässige und bewährte Me-
thode zur Behandlung von Schenkelhalspseudarthrosen
(2). Präoperativ sind a.–p. Aufnahmen in Innen- und Au-
ßenrotation sowie seitliche Aufnahmen für die präopera-
tive Planung erforderlich. Die hier beschriebene Osteoto-
mieplanung stammt von Müller (71). Der erste Schritt
besteht darin, die Inklination der Schenkelhalspseudar-
throse zu bestimmen. Auf einer a.–p. Aufnahme des Hüft-
Abb. 5.22 Eine Druckplatte an der Femurdiaphyse. gelenks zeichnet der Chirurg eine senkrecht zum Femur-
schaft verlaufende Linie oberhalb des Hüftgelenks. Eine
zweite Line wird parallel zur Schenkelhalspseudarthrose
wenig mit den versorgenden Gefäßen in Berührung gezeichnet. Der Winkel der beiden Schnittlinien ist der
kommt. Theoretisch führt dies zu rascherer und voraus- Winkel der Schenkelhalspseudarthrose. Die Größe oder
sagbarer Einheilung auch großer Knochentransplantate der Winkel des Entnahmekeils aus der intertrochantären
bei komplexen femoralen (65) und humeralen (22) Region ist die Differenz zwischen Pseudarthrosenwinkel
Pseudarthrosen. und 25°, welches den idealen Winkel für eine maximale
Der Transfer einer freien vaskularisierten Fibula als au- Gelenkbelastung auf die Pseudarthrose darstellt.
togenes Transplantat hat Vorteile, weil sie rasche und Der Patient wird auf dem Rücken gelagert. Die bevor-
anhaltende strukturelle Abstützung bietet (67), im Ge- zugte Methode des Autors ist ein direkter lateraler Zu-
gensatz zu autogener Spongiosa, die schleichend ersetzt gang mit der Variation, den M. vastus lateralis proximal
wird und schwach wird bevor die knöcherne Heilung am Trochanter T-förmig abzulösen, sodass die Vastusfas-
eingetreten ist. Der Nachteil des freien Fibulatransfers zie über dem Implantat verschlossen werden kann. Eine
ist, dass er zeitaufwendig und technisch schwierig ist. 95°-Winkelplatte oder eine Erwachsenenosteotomieplat-
Die Distraktionsosteogenese erlaubt den Transport von te ist das bevorzugte Implantat in diesen Fällen. Zuerst
Knochen in den Defekt, simultan dazu wird das Weich- werden Kirschner-Drähte eingebracht, die die geplante
gewebe gedehnt und verlängert und kann dadurch die Osteotomie markieren. Im nächsten Schritt wird das pro-
Notwendigkeit eines freien Lappentransfers häufig ver- ximale Femur für das Plattensetzgerät präpariert und der
meiden. Ein Minuspunkt dieses Vorgehens ist, dass es richtige Startpunkt festgelegt. Anschließend wird mit der
zeit- und ressourcenintensiv ist und eine hohe Komplika- Dreifachbohrhülse aus dem Instrumentarium der Win-
tionsrate besitzt (68). kelplatte ein Kanal für die Klinge gebohrt. Die Autoren
Ultraschall- und elektrische Knochenstimulation wur- erachten es für hilfreich, drei 4,5-mm-Bohrer in die Füh-
den für die Behandlung bei gut durchbluteten Pseudar- rungshülse zu stecken und dann die Lage der Bohrer in
throsen empfohlen (69, 70). Der Nachteil dieser Verfahren beiden Ebenen 2 – 3 cm jenseits der geöffneten Kortikalis
ist, dass die Fehlstellung nicht berücksichtigt werden mit der Bildwandlerdurchleuchtung zu überprüfen. Auf
kann und eine geforderte lange Ruhigstellung der Extre- diese Weise erhält man einen Hinweis auf die endgültige
Chirurgische Behandlung von Pseudarthrosen (Video 5-2, DVD 1) 103

Lage der Klinge. Sobald das Plattensetzgerät über die und Kontrolle der Torsion, dann Besetzen der Platten-
Pseudarthrose eingebracht und in der a.–p. und seitlichen schrauben distal der Osteotomie.
Durchleuchtung eine zufriedenstellende Lage aufweist,
wird die Klinge des Plattensetzgeräts zurückgezogen
Hypertrophe Tibiaschaftpseudarthrosen
und gelockert und dann erst die Osteotomie durch-
geführt. Wenn die Osteotomieschnitte erfolgt sind und Das Behandlungsziel bei einer hypertrophen Pseudar-
der Keil reseziert ist, wird die Klingenplatte (Winkelplat- throse ist die Verstärkung der Steifigkeit und Stabilität,
te) eingebracht. Man sollte berücksichtigen, dass der re- am besten durch Kompression. Über einen vorderen Zu-
sezierte Keil zwischen Klinge und proximalem Keil einge- gang wird die Pseudarthrose vorsichtig freigelegt. Die
bracht werden kann. Dadurch wird das Femur laterali- Entscheidung für den Zugang hängt von der tatsächlichen
siert und eine unbeabsichtigte Valgusausrichtung für Ebene der Pseudarthrose ab. Dazu ist es notwendig, prä-
das Kniegelenk vermieden. Wenn die Platte im proxima- operativ die Röntgenbilder auszuwerten oder die intra-
len Fragment fixiert ist, wird der Schaft soweit abduziert, operative Durchleuchtung zu verwenden. Wenn die
dass er der Platte anliegt. Man wird feststellen, dass der Ebene festliegt, wird der Zugang so geplant, dass die Plat-
Schaft nach proximal gewandert ist und eine Fehlstellung te auf der Zuggurtungsseite der Fehlstellung platziert
entstanden ist. Das Einbringen der distalsten Platten- werden kann. Die Freilegung erfolgt extraperiostal; Hoh- 5
schraube fixiert den Schaft an der Platte, die Insertion mann-Haken werden um die Pseudarthrose gelegt. Ein
der am proximalsten gelegenen Schraube wird den Schaft Osteotom wird dann in die Pseudarthrose eingeschlagen,
an die Klinge ziehen. Wenn die Schraube angezogen ist, um die Beweglichkeit zu prüfen. Eine weichteilschonende
geraten die schräge Oberfläche des Schaftes und das pro- Technik zur Schonung der Durchblutung ist unabdingbar.
ximale Fragment unter zunehmende Kompression. Dies Sobald die Fehlstellung korrigiert ist, wird eine Zug-
erhöht die Stabilität und die Steifigkeit des Konstrukts. schraube über die Pseudarthrose eingebracht und eine
Aufgrund der dabei auftretenden Kräfte sollte man sicher Platte orthogonal zu ihr platziert. In günstigen Fällen
sein, dass der Eintritt der Klinge mindesten 1,5 – 2,0 cm wird die Platte angelegt und die Zugschraube durch die
Abstand von der Osteotomie hat, da es sonst zum Heraus- Platte platziert. Abb. 5.24 und Abb. 5.25 zeigen den Fall
brechen der Klinge kommt (s. Abb. 5.7). Abb. 5.23 zeigt einer 33-jährigen Frau mit einer seit 13 Jahren bestehen-
eine Schenkelhalspseudarthrose und das Ergebnis 3 den Fehlstellung.
Jahre nach intertrochantärer Osteotomie.
Eine alternative Technik besteht darin, nach Einbringen
Atrophische Humeruspseudarthrose
der Plattenklinge in das proximale Fragment und dem
Heranführen des Femurs an die Platte, diese hier mit Die Plattenosteosynthese hat gegenüber der Marknage-
einer Verbrugge-Zange zu fixieren. Dabei ist unbedingt lung eine höhere Erfolgsrate bei Pseudarthrosen des Hu-
darauf zu achten, dass das Femur nicht in eine verstärkte merus (73). Dies erklärt sich durch die knöcherne Ana-
Außenrotation gerät. Dies gelingt am besten durch aktive tomie des distalen Humerus, dessen Markraum sich distal
Innenrotation, zugleich wird die Verbrugge-Zange ange- verjüngt und eine Antekurvation aufweist, was einen
legt. Nun wird erst die Schraube im proximalen Fragment größeren Nageldurchmesser durch Aufbohren erfordert.
eingedreht und dann die Osteotomie vorsichtig unter Zu- Die distale Humeruskortikalis ist dünn, und durch Auf-
hilfenahme eines Kardanschraubenziehers unter Kom- bohren kann hier leicht eine Hitzenekrose entstehen.
pression gebracht. Anschließend Bildwandlerkontrolle Abb. 5.26 und Abb. 5.27 zeigen eine Pseudarthrose, die

a b c

Abb. 5.23 c seitliche Röntgenaufnahme drei Jahre nach Versorgung mit


a Schenkelhalspseudarthrose nach Schraubenfixation. Winkelplatte zur Behandlung einer Schenkelhalspseudarthrose.
b A.–p. Röntgenaufnahme,
104 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

Abb. 5.24
a Klinische Fehlstellung des
Beines als Folge einer Pseud-
arthrose.
b A.–p. Aufnahme der Pseud-
arthrose.
c Seitliche Röntgenaufnahme
der Pseudarthrose.
d Präoperative Planung mit
Skizze der Deformität, die über
die Skizze der kontralateralen
Seite gelegt wurde.

a b c d

Abb. 5.25
a Eingebrachte Schanzschrau-
ben für den großen Femurdis-
traktor.
b, c Postoperative Röntgenbil-
der nach Reposition und Kom-
pressionsplattenosteosynthese
der Pseudarthrose.

a b c

mittels Kompressionsplattenosteosynthese versorgt wur- liegende M. brachialis wird gespalten. Für die tiefe Dar-
de. stellung wird ein extraperiostaler Zugang gewählt. Die
Der Processus coracoideus und das Tuberculum delto- Darstellung nach proximal und distal erfolgt soweit,
ideum werden palpiert, und der Zugang erfolgt über den dass eine Platte angelegt werden kann. Das Gefäß-Ner-
Sulcus deltoideopectoralis. Die distale Ausdehnung er- ven-Bündel mit dem N. radialis zieht in der Tiefe der
folgt anterolateral bis zum Rand des M. biceps brachii. Wunde nach Retraktion der beiden Trizepsköpfe von pro-
Proximal liegt der Zugang im Zwischenraum von M. ximal medial nach distal lateral.
pectoralis major und M. deltoideus. Im distalen Wund- Dieses Gefäß-Nerven-Bündel mit der A. profunda bra-
bereich wird der M. biceps mobilisiert, und der darunter- chii sollte in toto unterfahren und angeschlungen wer-
Chirurgische Behandlung von Pseudarthrosen (Video 5-2, DVD 1) 105

a b

a b Abb. 5.27 Kompression mit Zugschraube und Anlage einer


Neutralisationsplatte mit Schubli-Unterlagscheiben zur Verbes-
serung der Fixation, und um die Durchblutungsstörung durch
Abb. 5.26 Pseudarthrose einer Humerusdiaphyse. die Platte zu minimieren.
a A.–p. Röntgenaufnahme. a A.–p. Röntgenaufnahme.
b Seitliche Röntgenaufnahme. b Seitliche Röntgenaufnahme.

a b

Abb. 5.28 Verbrugge-Zange zur Erzielung von Kompression a Klinisches Foto.


an der Pseudarthrose. b Radiologische Darstellung.

den. Auf diese Weise kann die Pseudarthrose ohne Gefahr das Periost, und die Knochenenden sind von Bindegewe-
für den N. radialis freigelegt werden. Die Präparation des be bedeckt.
Gefäß-Nerven-Bündels muss soweit erfolgen, dass eine Die Knochenenden sollen dargestellt und débridiert
Platte spannungsfrei darunter geschoben werden kann. werden, bis durchbluteter Knochen erreicht ist, was am
Sobald die Pseudarthrose erreicht ist, wird das Periost Auftreten von roten Flecken erkennbar ist, die aussehen
um die Pseudarthrose herum mit einem scharfen Osteo- wie eine scharfe Paprika. Falls möglich sollte der Knochen
tom abgeschoben. Dabei werden im Sinne einer Dekorti- so geformt werden, dass er stabil ist, wenn die Knochen-
kation Kortikalisstücke als Späne abgetragen. Häufig fehlt enden aufeinanderstehen. Das Knochentransplantat wird
106 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

an die Pseudarthrose und um sie herum angelagert. In terale und mediale Fragmentende werden aufgesucht
der Regel wird eine breite, leicht vorgebogene 10- bis und das jeweilige Knochenende dargestellt. Das mediale
12-Loch-Platte mit Kompression über die Pseudarthrose Ende des lateralen Fragments wird durch vorsichtiges
angelegt. Um genügend Kompression zu erreichen, sind Präparieren durch die Pseudarthrose dargestellt. Wenn
häufig das Platzieren einer Schraube außerhalb der Plat- das mediale Ende des lateralen Fragments identifiziert
te, die auf einer Seite fixiert ist, und die Verwendung ist, wird ein schmaler stumpfer Hohmann-Haken über
einer Verbrugge-Zange erforderlich (Abb. 5.28) Alternativ den Rand des Fragments eingesetzt und gegen das late-
ist die Verwendung eines Plattenspanners zu empfehlen, rale Ende des medialen Fragments angehoben, um die
da damit die erzielte Kompression besser kontrolliert Fragmente in die richtige Länge und Kontakt zueinander
werden kann. zu bringen. Dabei kann es gelegentlich notwendig sein
6 – 8 Cortices sind auf jeder Seite der Pseudarthrose die Enden zu begradigen, um Stabilität während dieses
erforderlich, um den Torsionskräften zu widerstehen, Vorganges oder für die endgültige Reposition zu schaffen.
die durch den Vorderarm übertragen werden. Autogene Spongiosa wird nun unter die Pseudarthrose in
den Raum platziert, der nach der Reposition der Klaviku-
la in den Weichteilen entstanden ist. Eine 3,5-mm-LCDC-
5 Klavikulapseudarthrose
Platte (oder eine 8- bis 10-Loch-Rekonstruktionsplatte)
Klavikulapseudarthrosen, die durch Plattenosteosynthese wird oben platziert und unter Kompression fixiert. Um
behandelt werden, erfordern eine Längsinzision parallel der anatomischen Form der Klavikula gerecht zu werden,
zur Klavikula. Der Weichteilzugang sollte unter Bildung sollte die Platte geschränkt werden (Abb. 5.29).
eines Volllappens bis auf das Periost geführt werden. Le- Eine Doppelplattenosteosynthese ist normalerweise
diglich an den Frakturenden wird das Periost vorsichtig nicht notwendig und auch nicht gewünscht. Beim Wund-
zurückgeschoben, ansonsten unbedingt belassen. Das la- verschluss muss darauf geachtet werden, die Patte mit
dem kompletten Weichteillappen spannungsfrei zu bede-
cken. Sollte der Verdacht bestehen, dass es zu einer, auch
radiologisch durch Darstellung der Gegenseite nachweis-
baren, Verkürzung gekommen ist, empfiehlt es sich einen
unikortikalen Beckenkammspan einzubringen, um die ur-
sprüngliche Länge wiederherzustellen.

Rehabilitation nach operativer Versorgung


einer Pseudarthrose
Die Rehabilitation hängt von Ort und Art der durch-
geführten Pseudarthrosenoperation ab. In der Regel sollte
der Patient unmittelbar postoperativ zu intensiver aktiver
Bewegung ohne Einschränkung aufgefordert werden. Be-
lastung oder Krafttraining wird so lange aufgeschoben,
bis in mindest einer Ebene der radiologischen Kontrollen
a
eine Kortikalisheilung zu erkennen ist.

Neue Techniken bei Fehlstellungen


und Pseudarthrosen
Knochentransplantate und Knochenersatz
(Video 5-3, DVD 1)
Der Gebrauch von Knochentransplantaten und Knochen-
transplantatersatz zur Erzielung von Stabilität und Hei-
lung gehört mit zu den integralen Bestandteilen der Ver-
sorgung von Pseudarthrosen und Fehlstellungen. Auch
b
wenn die autogene Knochentransplantation der Gold-
standard ist, an dem sich alle anderen Verfahren messen
Abb. 5.29
a Atrophische Pseudarthrose der Klavikula 10 Monate nach lassen müssen, kann unter Umständen die richtige An-
Fraktur. wendung eines Allografts oder Knochenersatzes dem Pa-
b Geheilte Pseudarthrose 8 Monate nach offener Reposition tienten das mögliche Risiko und die Komplikationen
und interner Fixation der Pseudarthrose. einer autogenen Transplantatentnahme ersparen. Jeder
Neue Techniken bei Fehlstellungen und Pseudarthrosen 107

Algorithmus einer Knochentransplantatverwendung Dahlit (Hydroxylapatit) mit einer Kompressionsstärke


richtet sich nach dem Verständnis wann und wo welche von 55mPa bildet. Aufgrund seiner kristallinen Form
Art des Knochenersatzes notwendig ist. Eine genaue Be- kann es unter Umständen resorbiert und durch den
schreibung aller derzeit verfügbaren Möglichkeiten Wirt ersetzt werden. Dies erzeugt sofortige Stabilität im
würde den Umfang dieses Kapitels sprengen, doch wir Gegensatz zur autogenen Spongiosa, die mit der Zeit
werden die grundsätzlichen Möglichkeiten und Prinzi- schwächer wird, da sie durch den schleichenden Ersatz
pien diskutieren. absorbiert wird.
Das biochemische und zelluläre Umfeld eines Knochen- Frakturheilung ist ein komplexer Prozess, der lokale
defekts bei frischen Frakturen unterscheidet sich deutlich und systemisch regulierende Faktoren benötigt. Experi-
von dem nicht akuter Szenarien. Bei der Behandlung von mentelle und klinische Forschung haben begonnen he-
alten Frakturen muss der Chirurg das biochemische und rauszufinden, ob der Zusatz einiger dieser Faktoren (z. B.
zelluläre Umfeld einer frischen Fraktur wiederherstellen, Bonemorphogenetic Proteins – BMPs, Transforming
um die Heilung zu erreichen. Ein Knochentransplantat Growth Factor β – TGF-β, Platelet-derived Growth Factor
enthält die mesenchymalen Zellen, die im Periost von – PDGF, Insulin-like Growth Factor –IGF, und der Fibro-
vitalem Knochen enthalten sind, und die Knochenwachs- blast Growth Factor – FGF) die Heilung verbessern oder
tumsfaktoren, um diese zu aktivieren. Knochentransplan- das autogene Transplantat ersetzen können. Zur Zeit er- 5
tate werden auch benutzt, um bei großen oder diaphysä- zielt BMP 7 ähnliche Ergebnisse wie das autogene Trans-
ren Defekten die Stabilität zu verbessern. Beide Umstän- plantat. Die US-amerikanische Food and Drug Adminis-
de machen es erforderlich, dass das biomechanische Um- tration (FDA) kam zu dem Schluss, dass BMP nicht so
feld durch eine ordentliche knöcherne Fixation verbessert effektiv war wie ein autogenes Transplantat, obwohl das
worden ist (74). Erst nach der erreichten Stabilität kön- OP-1-Implantat ein wirksames Behandlungsmittel bei
nen Größe und Lage des Defekts sowie das biologische Pseudarthrosen war. Die FDA-Produktkennzeichnung be-
Umfeld erörtert werden. sagt, dass das kommerziell erhältliche BMP OP-1 „als Al-
Diaphysäre Defekte kleiner als 6 cm mit einem stabilen ternative zur autogenen Transplantation bei therapiere-
mechanischen Umfeld benötigen sowohl ein Gerüst für sistenten Pseudarthrosen der langen Röhrenknochen in-
die Osteoinduktion als auch zelluläre und chemische diziert ist, wenn die Verwendung eines autogenen Trans-
Komponenten, um die Heilung zu stimulieren. Aus die- plantates nicht möglich ist und andere Behandlungsver-
sem Grund ist die autogene Spongiosaplastik die erste fahren fehlgeschlagen sind.“
Wahl. Ein allogenes Spongiosatransplantat mit aspirier-
tem Knochenmark kann ähnliche Heilungsergebnisse er-
Tipps und Tricks
reichen, dies konnte aber noch nicht eindeutig in pro-
spektiven klinischen Studien am Menschen nachgewie- ■ Eine erfolgreiche Pseudarthrosenbehandlung erfor-
sen werden. dert Kompression im Bereich der Fragmente.
Bei diaphysären Defekten größer als 6 cm kann ein kor- ■ Zusätzlich zum exzentrischen Besetzen der Schrau-
tikales autogenes oder allogenes Transplantat erforder- benlöcher lässt sich auf drei Arten Kompression an
lich sein, um Strukturstabilität zu erreichen. Vaskulari- der Pseudarthrose erzeugen:
sierte kortikale autogene Transplantate besitzen Vorteile – durch eine Verbrügge-Zange,
gegenüber nichtvaskularisierten autogenen oder alloge- – durch ein Plattenspanngerät,
nen Transplantaten, weil sie schneller und kompletter – durch den Femurdistraktor.
einheilen, und wegen ihrer Fähigkeit zu hypertrophieren Die beiden letztgenannten können Kompression
(74). Finkemeier (74) weist darauf hin, dass kortikale al- und Distraktion erzeugen. Die Farbringe am Plat-
logene Transplantate am günstigsten in Bereichen von tenspanngerät zeigen, wieviel Kompression er-
hervorragender Blutversorgung, wie an der Metaphyse zeugt wird.
oder am Femur mit seinem umfassenden Muskelmantel,
■ Wir empfehlen die Verwendung langer Platten zur
zum Einsatz kommen sollten. In Knochenregionen mit Behandlung von Pseudarthrosen (80 % Abdeckung
der Knochenlänge).
schlechter oder unterbrochener Durchblutung sollte der
■ An der Metaphyse sollten nach Möglichkeit Winkel-
Chirurg sich streng an die autogenen vaskularisierten
platten oder Verriegelungsschrauben verwendet
Transplantate halten, um Heilung zu erzielen.
werden.
Metaphysäre Defekte bei Pseudarthrosen sollten wegen
■ Knochentransplante gewinnen wir durch Verwen-
ihrer osteoinduktiven Eigenschaften am besten mit auto-
dung einer Azetabulumfräse von der äußeren Darm-
gener Spongiosa versorgt werden. Eingedrückte meta-
beinschaufel. Zugang über eine senkrechte Inzision,
physäre Defekte oder Zysten mit guter Blutversorgung
die über dem Glutealmuskel oberhalb und hinter
können mit Knochenersatzstoffen oder allogenen korti-
dem Azetabulum liegt. Auf diese Weise lassen sich
kospongiösen Transplantaten adäquat versorgt werden.
häufig 40 – 75 ccm Knochentransplantat gewinnen
Das sogenannte „Skeletal Repair System“ (SRS) unter-
(Abb. 5.30).
scheidet sich von anderen Knochenersatzstoffen dadurch,
dass dieses Material nach 12 h aushärtet und das Mineral
108 5 Behandlungsstrategie für Pseudarthrosen und Fehlstellungen

Röhrenknochen aufzeigt, bei angemessener Behandlung


zu heilen.

Komplikationen bei der operativen


Hautinzision
Behandlung von Pseudarthrosen
Transplantat-- Häufige Komplikationen (62, 63, 72, 74) sind fortbeste-
gewinnung vom hende Pseudarthrose (0 – 20 %), Wunddehiszenz
glutealen Pfeiler (0 – 15 %) und Infektion (0 – 3 %). Die Gewinnung von au-
zerkleinerter togener Spongiosa ist mit einer Rate von 8,6 % größerer
Knochen von Komplikationen und 20,6 % kleinerer Komplikationen an-
der Fräse zusetzen (75).

5 Merke
■ In den USA tritt verzögerte Heilung bei 600 000 Patien-
Schale ten im Jahr auf.
■ Pseudarthrosen entstehen bei 100 000 Patienten im
Jahr.
■ Risikofaktoren für eine Pseudarthrose sind die Frag-
mentfehlstellung, Rauchen, segmentaler Knochenver-
lust, Hochrasanstraumata, das Ausmaß des Weichteil-
schadens, Diabetes, massiver Alkoholgenuss, Gefäß-
erkrankungen und bestimmte Medikamente.
■ Elefantenfuß- oder Pferdehuf-Pseudarthrosen sind mit
einer instabilen Fixation verbunden.
Abb. 5.30 Gewinnung von Knochentransplantat mit einer
Azetabulumfräse von der äußeren Darmbeinschaufel.
■ Bei oligotrophen Pseudarthrosen findet sich eine Dis-
traktion.
■ Atrophe Pseudarthrosen sind mit Interposition von Ge-
Ergebnisse nach webe verbunden.
■ Fragmentierte avaskuläre Pseudarthrosen sind mit In-
Pseudarthrosenoperationen terposition von Sequestern verbunden.
Die Ergebnisse bei Pseudarthrosenbehandlung variieren
■ Die häufigste proximale Humeruspseudarthrose ist eine
bemerkenswert in Abhängigkeit von den Komorbiditäten Zwei-Segment-Fraktur des Collum chirurgicum.
der Patienten, der Blutversorgung, der Verletzungsener-
■ Die kortikale Kontinuität ist das wichtigste Einzelkriteri-
um für die Voraussage der Torsionstärke der Fraktur,
gie und der Lokalisation der Pseudarthrose. Ring et al.
während Kallusgröße und Kallusausdehnung die am we-
(75) waren in der Lage eine Reihe von 14 therapieresis-
nigsten wichtigen Faktoren für die Knochenheilung
tenten Pseudarthrosen zusammenzustellen (> 10 Jahre),
sind.
mit einer mittleren Dauer von 4 Monaten. Bei den langen
■ Die Komplikationsrate bei der Gewinnung von auto-
Röhrenknochen handelte es sich um die Klavikula (2 Fäl-
gener Spongiosa beträgt 8,6 % größere und 20,6 % klei-
le), Humerus (5 Fälle), Femur (3 Fälle) und Tibia (4 Fälle).
nere Komplikationen.
Wir glauben, dass dies das große Potenzial für die langen

Inhalt der DVDs

Video 5-1 (DVD 1) Korrektur einer Varusfehlstellung des platte aus Titan. Es werden sowohl der laterale Zugang zum
proximalen Humerus durch Osteotomie. Der Patient in die- Femur als auch die Wichtigkeit des Débridements der Pseud-
sem Video hat eine Varusfehlstellung des proximalen Hume- arthrose sowie der Kompression brauchbarer Knochenfrag-
rus. Er wird gemäß der präoperativen chirurgischen Planung mente behandelt.
mit einer Closed-wedge-Osteotomie und einer winkelstabi- Video 5-3 (DVD 1) Verwendung eines „Reamer Irrigator
len Platte versorgt. Aspirators“ (RIA). Dieses Video zeigt eine neue Technik
Video 5-2 (DVD 1) Kompressionsplatteosteosynthese einer zur Gewinnung autogenen Knochentransplantats und eini-
Femurpseudarthrose. Dieses Video zeigt die Stabilisierung ger bioaktiver Substanzen mithilfe des RIA-Systems.
einer Femurpseudarthrose durch eine LC-DCP-Kompressions-
Literatur 109

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Konservative Therapie 111

6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule


C. Bellabarba, S. K. Mirza, J. R. Chapman
Übersetzer: C. Dehner, F. Gebhard

Die obere Halswirbelsäule (HWS) besteht aus knöcher-


Konservative Therapie
nen, ligamentären und neurovaskulären Strukturen, wel-
che sich von der Schädelbasis bis zum C2 erstrecken. Sie
Allgemeine Konzepte
beinhaltet die kraniozervikale Verbindung sowie die Ge-
lenke zwischen dem 1. und 2. Halswirbelkörper. Der entscheidende erste Therapieschritt besteht im zeit-
Die Verletzungsanfälligkeit der oberen HWS gründet in nahen Erkennen und Bestimmen der Stabilität. Repositi-
dem großen Hebelarm, welcher durch die Trägheit der onsmaßnahmen werden üblicherweise unter kranialem
Schädelmasse und die relative Bewegungsfreiheit der knöchernem Zug in der Notfallambulanz unter Röntgen-
kaudalen HWS hervorgerufen wird. Diese empfindliche kontrolle durchgeführt. Bei distrahierten HWS-Verletzun-
Funktionseinheit wird durch die hoch spezialisierten gen sind Traktionsmaßnahmen jedoch kontraindiziert.
knöchernen Segmente C1 und C2 gebildet und durch Die geschlossene Reposition von derartigen Distraktions-
ein komplexes – und nur unvollständig verstandenes – verletzungen kann die frühe Anwendung eines Halo-Fi- 6
ligamentäres System verbunden, wobei deren Verlet- xateurs bzw. die Stellungskontrolle in einem Rotorest-
zungsanfälligkeit die strukturelle Integrität des gesamten Bett oder mit Sandsäcken, die den Kopf umgeben, not-
kraniozervikalen Übergangs gefährden kann. Hierbei wendig machen. Beide Maßnahmen stellen üblicherweise
muss berücksichtigt werden, dass das kraniozervikale nur vorübergehende Maßnahmen bis zur operativen Sta-
Alignement eher durch die ligamentären Strukturen als bilisierung dar.
durch die eigentliche knöcherne Stabilität aufrechterhal- Begleitende Wiederbelebungsmaßnahmen beinhalten
ten wird. die medikamentöse Kreislaufunterstützung bei vermute-
Aufgrund der eng benachbarten neurovaskulären tem neurogenem Schock sowie die notfallmäßige Ein-
Strukturen besteht bei Verletzungen der oberen HWS – schätzung von möglichen intrakraniellen Verletzungen.
welche zu einem Verlust der kraniozervikalen Integrität Patienten mit neurologischen Verletzungen sollten
führen – eine hohe Todeswahrscheinlichkeit. Eine verbes- gemäß dem Studienprotokoll der 3. National Acute Spinal
serte Notfallversorgung hat die Überlebenswahrschein- Cord Injury Study (NASCIS III) für eine intravenöse Me-
lichkeit bei Verletzungen der oberen HWS verbessert thyl-Prednisolon-Therapie berücksichtigt werden, ob-
und zugleich die Verantwortung, diese lebensbedrohli- wohl die Bedeutung von Steroiden in der Behandlung
chen Verletzungen korrekt zu diagnostizieren und zu the- von akuten Rückenmarksverletzungen zunehmend un-
rapieren, erhöht. klarer geworden ist.
Dieses Kapitel konzentriert sich in erster Linie auf die Notfallmäßige operative Interventionen sind bei Pa-
Behandlung von 6 Verletzungstypen, welche vielfach tienten mit oberen HWS-Verletzungen selten notwendig.
auch nebeneinander bestehen können: Die offene Reposition und stabile innere Fixation sind
■ okzipitale Kondylenfrakturen, hilfreiche Strategien bei Patienten mit Dislokationen
■ kraniozervikale Dissoziationen, und Distraktionsverletzungen der oberen HWS. Das Vor-
■ Atlasfrakturen, liegen einer Rückenmarksverletzung erfordert üblicher-
■ C1/C2-Instabilitätsmuster, weise eine operative Stabilisierung und Dekompression,
■ Densfrakturen, um die Chance der neurologischen Regeneration zu ma-
■ traumatische Spondylolisthesen (Hangmans-Fraktu- ximieren.
ren) des C2. Konservative Behandlungsoptionen bestehen aus knö-
chernem Zug im Liegen, der Immobilisation in einer Zer-
Neben unserem Hauptziel, die operative Behandlung der vikalstütze oder einem Halo-Fixateur. Das Repositions-
Verletzungen der oberen HWS zu beschreiben, zielt das ergebnis kann durch laterale Röntgenaufnahmen im Lie-
Kapitel auch darauf ab, ein Grundverständnis für die kra- gen und Stehen bewertet werden. Die Dauer der externen
niozervikalen Instabilitätsmuster zu vermitteln, die Kom- Ruhigstellung beträgt üblicherweise 2 – 4 Monate und
plexität der Diagnosestellung und Klassifikation dar- hängt vom Verletzungstyp und dem Alter des Patienten
zustellen und die Vorgehensweise, mit der diese Prinzi- ab. Eine externe Ruhigstellung wird häufig auch postope-
pien die Entwicklung von Behandlungsmethoden bestim- rativ für 6 – 12 Wochen nach operativer Stabilisierung
men, zu erläutern. durchgeführt. Die Empfehlungen bezüglich der Notwen-
digkeit und der Dauer der externen Ruhigstellung variie-
ren stark.
112 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

bilitätsdauer beinhaltet jedoch ein erhöhtes Morbiditäts-


Zervikalstütze
und Mortalitätsrisiko, und die Verwendung eines Roto-
Beim Vorliegen einer minimal oder nicht dislozierten rest-Bettes sowie die mechanische und pharmokologi-
Fraktur der oberen HWS kann die alleinige Ruhigstellung sche Thromboembolieprophylaxe sollten in Erwägung
in einer Zervikalstütze in Erwägung gezogen werden. In gezogen werden (8).
Kadaveruntersuchungen (1) ist gezeigt worden, dass die
Ruhigstellung in einer sternookzipitomandibulären Or-
these (SOMI) wie z. B. einem Philadelphia-Kragen die ge- Verletzungsklassifikation und
ringste Beweglichkeit der oberen HWS unter den Nicht-
Indikationen zur operativen Therapie
Halo-Fixateuren erlaubt.
Okzipitale Kondylenfrakturen
Halo-Fixateure
Klassifikation
Orthesen wie Halo-Ringe und Halo-Westen bieten die
stabilste Form der externen Ruhigstellung der oberen Obwohl okzipitale Kondylenfrakturen prinzipiell oft sta-
HWS (1). Der Halo-Fixateur wurde für Patienten mit iso- bil sind, können sie hoch instabil sein, wenn sie eine
lierten okzipitalen Kondylenfrakturen, instabilen Atlas- knöcherne Avulsion der kraniozervikalen Hauptstabilisa-
ringfrakturen, Densfrakturen und dislozierten C2-Bogen- toren aufweisen. Anderson u. Montesano beschrieben ein
6 frakturen empfohlen (2). Entgegen der Ruhigstellung in Klassifikationssystem, welches aus 3 Kategorien besteht
einer Zervikalstütze ermöglicht der Halo-Fixateur bei ei- (Abb. 6.1):
nigen Frakturen die Manipulation und Korrektur der
Fehlstellung. Allerdings wurde bei ca. der Hälfte der Pa-
tienten ein sekundärer Repositionsverlust festgestellt (3).
Ein häufiger Mechanismus der Frakturdislokation im
Halo-Fixateur besteht im „Herausschlängeln“ der HWS
zwischen liegenden und stehenden Positionen (4). Ob-
wohl dieses Phänomen die Heilung von prinzipiell stabi-
len oberen HWS-Frakturen mit großen knöchernen Ober-
flächen wahrscheinlich nicht nachteilig beeinflusst, kön-
nen instabile Frakturen mit kleiner knöcherner Kontakt-
oberfläche wie z. B. Typ-II-Densfrakturen unzureichend
ruhig gestellt sein (5, 6).

a
Knöcherner Zug
Die knöcherne Zugbehandlung kann, neben ihrer Funk-
tion bei der akuten Frakturreposition, für einen verlän-
gerten Zeitraum zur Aufrechterhaltung des Wirbelsäu-
len-Alignementes und der Stabilität eingesetzt werden.
Es soll dadurch versucht werden, vor Mobilisierung des
Patienten mit einem Halo-Fixateur oder einer starren
Zervikalstütze, eine initiale Konsolidierung einer instabi-
len Fraktur zu erreichen. Obwohl es keine festen Richt-
linien für eine solche Behandlungsstrategie bei HWS-Ver-
letzungen gibt, erstreckt sich das vorgeschlagene Zeit-
fenster für die Traktionsbehandlung üblicherweise über
b
mehrere Tage bis Wochen (3, 7). Eine verlängerte Immo-

Abb. 6.1 Die Klassifikation nach Anderson u. Montesano der


okzipitalen Kondylenfrakturen.
a Typ-I-Verletzungen sind zertrümmerte, stabile Impressions-
frakturen, die durch eine axiale Krafteinleitung hervorgerufen
werden.
b Typ-II-Verletzungen sind Impaktions- oder Scherfrakturen,
die bis zur Schädelbasis reichen und üblicherweise stabil sind.
c Typ-III-Verletzungen sind Ligg.-alaria-Avulsionsfrakturen und
entsprechen instabilen Distraktionsverletzungen der kraniozer-
c
vikalen Verbindung.
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 113

■ Typ-I-Frakturen sind gewöhnlich stabil und werden Zusätzlich wird durch diese Klassifikation weder die Ver-
durch axiale Krafteinleitung hervorgerufen. letzungsschwere noch das Potenzial zur spontanen Repo-
■ Typ-II-Verletzungen sind potenziell instabile Verletzun- sition der Dislokation abgebildet. Diese Punkte zeigen die
gen, die durch Schermechanismen hervorgerufen wer- geringe Verwendbarkeit der richtungsgebundenen Klas-
den und in einer schrägen Fraktur, von der Kondyle bis sifikationssysteme, da das Ablösungsausmaß möglicher-
in die Schädelbasis ziehend, resultieren. weise den Instabilitätsgrad unterschätzt und die Ablö-
■ Typ-III-Verletzungen sind instabile Avulsionsverletzun- sungsrichtung wenig Einfluss auf die Prognose oder die
gen, die in einer Querfraktur durch die okzipitale Kon- Behandlungsmethode hat.
dyle resultieren (Abb. 6.2; 9). Jede okzipitale Kondylen- Ein sinnvolles Klassifikationssystem sollte die Stabilität
fraktur sollte als mögliche Komponente einer kranio- der kraniozervikalen Verbindung quantifizieren. Zeichen
zervikalen Dissoziation betrachtet werden. von Instabilität sind eine Translation oder Distraktion von
mehr als 2 mm in jeder Ebene (11), neurologische Verlet-
Indikationen zur Operation zungen und begleitende zerebrovaskuläre Verletzungen
(12). Das Problem besteht in der Einteilung der Patienten
Die operative Behandlung von okzipitalen Kondylenfrak- mit minimal abgelösten (≤ 2 mm) kraniozervikalen Ver-
turen ist allgemein den Typ-III-Verletzungen vorbehalten, letzungen. Diese Verletzungen können eingeteilt werden
die eine Avulsion der Ligg. alaria aufweisen und zu einer in relativ stabile Verletzungen, welche konservativ thera-
kraniozervikalen Instabilität führen (Abb. 6.2). Die Indika- piert werden können und hoch instabile, aber teilweise
tionen zur operativen Versorgung entsprechen daher de- reponierte Verletzungen, die trotz des irreführenden ge- 6
nen, welche im Folgenden für die kraniozervikale Dis- ringen Ablösungsgrads eine operative Stabilisierung er-
soziation beschrieben werden. forderlich machen. Wir haben festgestellt, dass es nütz-
lich ist die minimal abgelösten Verletzungen (≤ 2 mm)
unter manuellem Zug zu testen, und die operative Sta-
Kraniozervikale Dissoziationen
bilisierung den Patienten mit Typ-II- und Typ-III-Ver-
Klassifikation letzungen der kraniozervikalen Verbindung – die wir als
Dissoziationen definieren – vorzubehalten (Tab. 6.1).
Traynelis et al. identifizierten drei kraniozervikale Ablö-
sungsmuster, die der Dissoziationsrichtung des Schädels
gegenüber der HWS entsprechen (Abb. 6.3; 10). Wir Indikationen zur Operation
haben jedoch festgestellt, dass bei extremen Instabilitä-
ten dieser Verletzungen die relative Kopfposition zur Ablösungen im Atlantoaxialgelenk von > 2 mm, die sich
HWS komplett willkürlich und eher von äußeren Kräften entweder auf statischen Röntgenaufnahmen oder im Pro-
als von intrinsischen Verletzungscharakteristika abhängt. vokationstest unter Zug zeigen (Tab. 6.1; Abb. 6.4), oder

a b

Abb. 6.2 Okzipitale Kondylenfraktur Typ III als Teilkomponen- b Die koronare CT-Schicht zeigt die begleitende Avulsionsfrak-
te einer kraniozervikalen Dissoziation. tur der linken Okzipitalkondyle, die zu einem funktionellen Ver-
a Die lateralen HWS-Röntgenaufnahmen zeigen die Dislokati- sagen der ansetzenden Ligg. alaria führt.
on der atlantookzipitalen Gelenke bei einem 48-jährigen Mann,
der ein Pkw-Hochrasanztrauma erlitt.
114 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

a b

c d

Abb. 6.3 Klassifikation der kraniozervikalen Dissoziation nach c Typ II, Distraktionsverletzung.
Traynelis. d Typ III, posteriore Verschiebung.
a Normales atlantookzipitales Alignement.
b Typ I, ventrale Verschiebung.

Tab. 6.1 Harborview-Klassifikation der kraniozervikalen Verletzungen.


Stadium Beschreibung der Verletzung
1 MRT-Nachweis der Verletzung der kraniozervikalen osseoligamentären Stabilisation.
Kraniozervikales Alignement innerhalb von 2 mm der Norm
Auf Provokationsröntgenaufnahmen Distraktionstrecke von 2 mm oder weniger
2 MRT-Nachweis der Verletzung der kraniozervikalen osseoligamentären Stabilisation
Kraniozervikales Alignement innerhalb von 2 mm der Norm
Auf Provokationsröntgenaufnahmen Distraktionstrecke von mehr als 2 mm
3 Auf den statischen Röntgenaufnahmen kraniozervikale Fehlstellung von mehr als 2 mm
Schattierte Bereiche stellen Verletzungen dar, die als kraniozervikale Dissoziationen definiert sind.
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 115

a b

Abb. 6.4 Provokationsröntgenaufnahmen unter Zug zur Klas- a Unter zunehmendem manuellem Zug mittels einer kranialen
sifikation der kraniozervikalen Instabilität. Seitliche HWS-Rönt- Zange zeigt sich unter Durchleuchtung eine > 2 mm große
genaufnahme eines 22 Jahre alten Mannes, der ein Pkw-Hoch- Aufweitung des atlantoaxialen Gelenks ohne Hinweis auf
rasanztrauma erlitt, und sich mit Nackenschmerzen und mini- einen harten Endpunkt.
maler Subluxation (1 mm) vorstellte. In der CT- und MRT-Unter- b Dieser positive Provokationstraktionstests bestätigt eine
suchung (hier nicht gezeigt) war eine verstärkte Signalintensi- hoch instabile kraniozervikale Ligamentverletzung, die eine 6
tät im atlantoaxialen Gelenk festzustellen. operative Stabilisation erforderlich macht. Diese Verletzung
wird deshalb gemäß der Harborview-Klassifikation der kranio-
zervikalen Verletzungen als Typ-II-Verletzung definiert.

das Vorliegen einer neurologischen Verletzung stellen In- Wie bereits erwähnt, ist das Ausmaß der Massa-lateralis-
dikationen für eine kraniozervikale Stabilisierung dar. Be- Auftrennung entscheidender als die Anzahl der Fraktur-
sonders beim Vorliegen von neurologischen Defiziten fragmente.
wird die Stabilisations-Operation – im Zusammenhang
mit der intensiven Überwachung des Gesundheitszustan- Indikationen zur Operation
des dieser polytraumatisierten Patienten – so früh wie
möglich durchgeführt. Die meisten C1-Frakturen werden konservativ therapiert.
Die Indikation zur operativen Therapie ist hauptsächlich
mit dem Verlust der LTA-Integrität verbunden, welche
Atlasfrakturen
durch eine Massa-lateralis-Dislokation von 7 mm oder
Klassifikation mehr (8,1 mm auf Röntgenaufnahmen mit standardisier-
ter Vergrößerung) angedeutet wird und auf die Entwick-
Es ist sinnvoll, die Atlasfrakturen in stabile und instabile lung einer zunehmenden Massa-lateralis-Auftrennung,
Verletzungen einzuteilen (13). Die Instabilität ist unver- C1/C2-Instabilität und Pseudarthrose hinweisen kann
änderlich mit dem Vorliegen einer Insuffizienz des Lig. (14, 15). Bei diesen Patienten kann die alleinige Halo-Fi-
transversum atlantis (LTA) gleichzusetzen, welche auf di- xateur-Ruhigstellung zur Aufrechterhaltung eines akzep-
rektem Wege durch den Nachweis einer knöchernen tablen Alignements unzureichend sein. Wenn Röntgen-
Avulsion im CT oder einer ligamentären Ruptur im MRT bilder im Stehen in einem Halo-Fixateur eine zunehmen-
festgestellt werden kann. Der indirekte Nachweis kann de Massa-lateralis-Dislokation oder ein ventrales atlan-
durch das Erkennen einer seitlichen Verbreiterung der todentales Intervall (ADI) von > 3 mm zeigen, dann müs-
Massa lateralis (Abb. 6.5) von ≥ 7 mm relativ zur Massa sen die Patienten entweder mit verlängerter Ruhigstel-
lateralis des C2 erfolgen (14), wobei auf eine entspre- lung durch eine kraniale Zangentraktion (Abb. 6.5) oder
chende Korrektur bei Bildwandlervergrößerung geachtet durch eine operative Stabilisierung – im Allgemeinen
werden muss (s. spätere Diskussion; 15). eine posteriore C1/C2- oder C0/C2-Fixation – behandelt
Levine u. Edwards (16) beschrieben ein nützliches werden.
Klassifikationssystem: Operative Stabilisierungsoptionen bestehen in einer
■ dorsale Wirbelbogenfrakturen, transartikulären C1/C2-Schraubenfixation oder einer
■ Massa-lateralis-Frakturen, Segmentfixation mit C1-Massa lateralis-Schrauben und
■ isolierte ventrale Wirbelbogenfrakturen, C2-Pedikelschrauben, in Verbindung mit einer Platten-
■ Berstungsfrakturen. oder Stabkonstruktion (17). Die letztgenannte Methode
bietet die Möglichkeit zur Korrektur der C1-Massa-late-
ralis-Verbreiterung durch das Annähern der zwei Stäbe
mit einer Querverbindung. Die innere Fixation des C1-
116 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

a b

c d

Abb. 6.5 C1-Fraktur („Jefferson“) mit Verletzung des Lig. transversum


atlantis (LTA).
a Die a.–p. Denszielaufnahme zeigt einen Überhang der Massa late-
ralis von C1 von insgesamt 11 mm, was auf eine Ruptur des Lig.
transversum atlantis hinweist.
b Als Folge der hauptsächlich axialen Krafteinleitung und der dadurch
bedingten Schonung der sekundären atlantoaxialen Stabilisatoren
zeigt sich in der seitlichen Röntgenaufnahme keine Aufweitung des
atlantodentalen Intervalls.
c In der axialen CT-Bildgebung zeigt sich am Insertionspunkt des LTA
keine knöcherne Avulsion. Da der Patient keine operative Versorgung
wünschte, bestand die konservative Behandlung in einem 6-wöchigen
kranialen Zug im Liegen sowie einer anschließenden 6-wöchigen geh-
fähigen Ruhigstellung in einer Halo-Weste.
d Drei Monate nach dem Unfall zeigte die Denszielaufnahme einen
Gesamtüberhang der Massa lateralis von C1 von 9 mm.
e e Die seitlichen Röntgenaufnahmen zeigen in Verbindung mit den
Flexions-/Extensionsröntgenaufnahmen (nicht gezeigt) keine Aufwei-
tung des atlantodentalen Intervalls. Der Patient war beim letzten
Nachsorgetermin ein Jahr nach dem Unfall asymptomatisch.
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 117

a b

Abb. 6.6 Die direkte Wiederherstellung der Massa-lateralis-


Fraktur von C1.
a Die axiale CT-Schicht zeigt eine Massa-lateralis-Fraktur von
C1 links und der damit verbundenen posterioren Wirbelbogen-
fraktur bei einem älteren Patienten, der Schwierigkeiten hatte,
eine feste externe Ruhigstellung zu tolerieren. 6
b Die postoperative axiale CT-Schicht zeigt die direkte Wieder-
herstellung der C1-Fraktur mit C1-Massa-lateralis-Schrauben,
die mit einen Querträger verbunden sind. Die Indikation für
dieses Vorgehen ist bislang noch nicht gut gesichert.
c Altlasmodell mit C1-Massa-lateralis-Schraube mit Querträger.

Ringes durch das einfache Wiederannähern der Massa suffizienz in der Sagittalebene translatorisch instabil, und
lateralis mittels Massa-lateralis-Schrauben – verbunden Typ-C-Verletzungen sind durch eine vertikale atlantoaxia-
mit einem querverlaufenden Stab (Abb. 6.6) – ist mögli- le Dissoziation charakterisiert und stellen eine Variante
cherweise eine hilfreiche, aber bis jetzt nicht validierte der kraniozervikalen Dissoziation dar.
Behandlungsoption, die theoretisch die C1/C2-Beweglich-
keit erhält. Ein mögliches Defizit der direkten Wiederher- Typ-A-Verletzungen (Abb. 6.7). Rotationsverschiebungen
stellung von instabilen C1-Frakturen besteht darin, dass des atlantoaxialen Bewegungssegments sind am häufigs-
die damit verbundene LTA-Insuffizienz in einer persistie- ten nichttraumatisch und werden daher nicht weiter auf-
renden C1/C2-Instabilität resultieren kann. Im Gegensatz geführt. Traumatische Ursachen sind jedoch beschrieben
zu Scher- oder Distraktionsverletzungen können jedoch worden, und der Schweregrad reicht von leichten Sub-
bei axialen Krafteinleitungsmechanismen, die eine LTA- luxationen bis zur kompletten Dislokation der atlanto-
Ruptur mit dislozierten C1-Ringfrakturen verursachen, axialen Massa lateralis (19).
sekundäre Stabilisierungssysteme intakt bleiben. Dies
kann eine verbleibende atlantoaxiale Instabilität – wenn Typ-B-Verletzungen. Eine translatorische atlantoaxiale In-
der Atlas operativ stabilisiert worden ist – minimieren stabilität ist das Resultat einer LTA-Insuffizienz. Die Be-
(18). handlung dieser hoch instabilen Verletzungen hängt von
der Unterscheidung zwischen einer ligamentären Riss-
verletzung (Typ I) und einer knöchernen Avulsionsverlet-
Atlantoaxiale Instabilität
zung (Typ II) ab (Abb. 6.8).
Klassifikation
Typ-C-Verletzungen (Abb. 6.9). Atlantoaxiale Distraktions-
Drei atlantoaxiale Instabilitätsmuster stellen entweder verletzungen oder atlantoaxiale Dissoziationen bilden
isolierte oder kombinierte Verletzungen dar. Typ-A-Ver- eine Variante der kraniozervikalen Dissoziationen, da
letzungen sind in der Transversalebene rotatorisch dis- sich die rupturierten primären Bandstabilisatoren – die
loziert. Typ-B-Verletzungen sind aufgrund einer LTA-In- Ligg. alaria und die Tektorialmembran – vom C2 bis zum
118 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

3 mm

3–5 mm

a b

6 5 mm

Abb. 6.7 Klassifikation der rotationsbedingten atlantoaxialen a Typ I.


Instabilität (Typ A) nach Fielding u. Hawkins. b Typ II.
c Typ III.
d Typ IV.

Hinterhaupt ausdehnen. Häufig bestehen sie zusammen


Distraktionsverletzungen
mit offenen atlantookzipitalen Distraktionsverletzungen
(Abb. 6.10). Eine Distraktionsverletzung von C1/C2 mit einer Disloka-
tion von ≥ 2 mm erfordert eine operative Stabilisierung.
Diese Verletzung ist analog der kraniozervikalen Dis-
Indikationen zur Operation soziation im Atlantookzipitalgelenk zu betrachten und
sollte gemäß gleichen Richtlinien behandelt werden.
Translatorische Instabilität
Diese hoch instabile Verletzung erfordert generell eine
Densfrakturen
posteriore atlantoaxiale Arthrodese. Bei Vorliegen einer
knöchernen Avulsion kann jedoch nach einer Zeitphase Klassifikation
des knöchernen Zugs im Liegen, gefolgt von einer Ruhig-
stellung in einem Halo-Fixateur oder SOMI bei ca. 3 von 4 Densfrakturen sind die häufigsten C2-Frakturen (41 %;
Patienten eine erfolgreiche Heilung erreicht werden (13). 21). Alle Densfrakturen sind als instabil anzusehen. Das
Nach einer 3-monatigen Ruhigstellung weist ein ADI von Klassifikationssystem der Densfrakturen nach Anderson
> 3 mm auf Flexionsröntgenaufnahmen auf das Versagen u. D’Alonso ist zur Grundlage der Behandlung von Dens-
der konservativen Behandlung hin und verdeutlicht die frakturen geworden (Abb. 6.11; 22). Typ-I-Verletzungen
Notwendigkeit einer atlantoaxialen Arthrodese. werden als knöcherne Avulsionen der Ligg. alaria an der
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 119

a 6

◀ Abb. 6.8 Translationsbedingte atlantoaxiale Subluxation (Typ B) mit knö-


cherner Avulsion des Lig. transversum atlantis (LTA) bei einer 65-jährigen
Frau, die ein Pkw-Hochrasanztrauma erlitt. a Die laterale HWS-Röntgenauf-
nahme zeigt eine Aufweitung des atlantodentalen Intervalls.
b Die axiale CT-Schicht zeigt die Avulsionsfraktur an der linken LTA-Insertion.
Es wurden eine offene Reposition und posterior instrumentierte C1/C2-
b Arthrodese durchgeführt.
c Aufgrund des – für eine transartikuläre Schraubenplatzierung – ungüns-
tigen Verlaufs der A. vertebralis, wurde die Fixation durch C1-Massa-lateralis-
Schrauben und C2-Pars-interarticularis-Schrauben erreicht.

◀ Abb. 6.9 Distraktionsbedingte atlantoaxiale Instabilität (Typ C). Die sagitta-


le CT-Schicht zeigt eine kraniozervikale Distraktionsverletzung mit großer
Dislokation entlang der Gelenkverbindung von C1/C2. Man beachte die
damit verbundene, schleichende ventrale Subluxation von C0/C1. Da sich die
großen kraniozervikalen Bandstabilisatoren vom Foramen magnum bis zum
C2 ausdehnen, führen Distraktionsverletzungen in beiden Gelenken häufig
zur Instabilität der angrenzenden Gelenkverbindungen. Dies muss sorgfältig
untersucht werden, um das Ausmaß der notwendigen Fixation zu bestim-
men.
120 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

a b c

d e

Abb. 6.10 Kraniozervikale Dissoziation mit Subluxation im at- c Die Sagittale CT-Schicht in der Mittellinie der kraniozervika-
lantookzipitalen und atlantoaxialen Gelenk bei einer 17-jäh- len Verbindung zeigt eine Typ-I-Densfraktur (Pfeil) als Teilkom-
rigen Patientin, die ein Pkw-Hochrasanztrauma erlitt. Die Bilder ponente der kraniozervikalen Dissoziation.
zeigen eine kraniozervikale Dissoziation mit Subluxation, die d Sagittale MRT-Schicht in der Mittellinie der kraniozervikalen
Distraktion durch die Gelenkverbindungen von C0/C1 und Verbindung.
C1/C2 und die Ruptur des Tektorialbands. e Die Patientin hatte eine fortschreitende Rückenmarksverlet-
a Parasagittale CT-Schicht. zung und wurde notfallmäßig einer Stabilisierung vom Hinter-
b Parasagittale MRT-Schicht. haupt auf C3 unterzogen, wodurch sich ihr neurologischer Sta-
tus allmählich normalisierte.

superolateralen Seite der Densinsertion betrachtet und


stellen eine Teilkomponente der kraniozervikalen Dis-
Indikationen zur Operation
soziation dar. Typ-II-Verletzungen sind in der Densbasis
Typ I
lokalisiert und vom LTA bedeckt. Sie weisen aufgrund
ihrer geringen Frakturquerschnittsfläche und der Unter- Da die Behandlung der Typ-I-Densfrakturen davon ab-
brechung der Blutversorgung für das kraniale Fragment hängt, inwieweit die mit ihr verbundene Schwächung
die höchste Pseudarthroserate auf. Durch Hadley et al. ist der Ligg. alaria die kraniozervikale Stabilität betrifft
ein IIa-Subtyp der Densfraktur beschrieben worden, wel- (22), entsprechen die Indikationen zur operativen Versor-
cher in einer hoch instabilen, segmental begrenzten Ver- gung denen, die bereits für die Therapie der kraniozervi-
letzung besteht. Sie reicht von der Densbasis bis in den kalen Instabilität diskutiert wurden (s. Abb. 6.10 c).
Axiskörper (23). Typ-III-Frakturen breiten sich im spon-
giösen Wirbelkörper aus und haben größere, gut vasku-
larisierte spongiöse Frakturoberflächen.
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 121

Abb. 6.11 Klassifikation der Dens-


frakturen nach Anderson und
D’Alonzo mit Ergänzungen durch
Hadley et al.
a Typ-I-Frakturen der Densspitze
verkörpern Avulsionen der Ligg.
alaria.
b Typ-II- Frakturen treten in der
Densbasis über der Massa lateralis
von C2 auf.
c Typ-III-Frakturen breiten sich un-
a terhalb der Densbasis aus und füh-
ren zur Mitbeteiligung des Wirbel-
körpers und der Massa lateralis des
C2.
d Hadley et al. fügten die Typ-IIa-
Fraktur mit segmentaler Zertrüm-
merung der Densbasis hinzu.

chen), bei Vorliegen mehrerer Risikofaktoren für das Ent-


Typ II
stehen einer Pseudarthrose (23), bei Unmöglichkeit der
Die Behandlung der Typ-II-Densfrakturen wird kontro- Behandlung mit einem Halo-Fixateur aufgrund fort-
vers diskutiert. Befürwortet wird die operative Stabilisie- geschrittenen Alters (8), verbundenen Schädel- oder tho-
rung bei nichtreponierbaren Frakturen, bei Frakturen mit rakoabdominellen Verletzungen und bei Vorliegen zu-
Fragmentverschiebung und bei Frakturen mit verbunde- sätzlicher unterer HWS-Frakturen.
ner Rückenmarksverletzung (Abb. 6.12). Relative OP-Indi- Bei Patienten mit guter Knochenqualität und geeig-
kationen bestehen bei mehrfach verletzten Patienten, bei neter Körperhaltung sind nichtzertrümmerte Frakturen
zusätzlichen geschlossenen Schädelverletzungen, bei Dis- für eine ventrale Densschraubenfixation ideal geeignet
lokationen von 4 mm oder mehr, bei Angulationen > 10° (25). Dies erlaubt die Erhaltung einer atlantoaxialen Rest-
(5, 24), bei verzögerter Feststellung der Fraktur (> 2 Wo- beweglichkeit. Bei Patienten mit ausgedehnter Fraktur-
122 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

Abb. 6.12 Typ-II-Densfraktur


mit inkompletter Rücken-
marksverletzung.
a Diese 79-jährige Patientin er-
litt eine dislozierte C2-Dens-
fraktur wie sie auf der lateralen
Röntgenaufnahme zu sehen ist.
b Sagittale CT-Schicht.
c Sie erlitt gemäß der Ame-
rican Spinal Injury Association
(ASIA) eine inkomplette Rü-
ckenmarksverletzung Typ D
ohne Hinweise auf eine Rücken-
markssignaländerung in der
MRT-Bildgebung.
d Bei der Patientin wurde eine
posterior instrumentierte C1/
C2-Arthrodese – wie sie auf
den postoperativen lateralen
a b Röntgenbildern gezeigt ist –
durchgeführt.
6

c d

verschiebung oder eingeschränkter Knochenqualität Kompression zu einer inadäquaten Fixierung führt (28).
sowie bei Patienten, bei denen die erforderliche ventrale Bei diesen zwei Verletzungsuntertypen weist die poste-
Densschraubenplatzierung aufgrund der Körperhaltung riore C1/C2-Arthrodese mit transartikulären Schrauben
oder der – für die Aufrechterhaltung der Reposition – die besten Heilungsergebnisse auf (4, 26, 27).
notwendigen Nackenposition nicht möglich ist, bevor- Eine geeignete Patientenauswahl hilft, die hohen Kom-
zugen wir eine posteriore atlantoaxiale Fusion durch plikationsraten von bis zu 28 %, die bei Durchführung
eine transartikuläre Schraubenfixation oder eine seg- einer ventralen Densschraubenfixation berichtet wurden,
mentale C1/C2-Fixation (17, 26). Die posteriore atlanto- zu minimieren (25, 27, 29).
axiale Fusion wird für die beiden folgenden Subkatego-
rien der Typ-II-Densfrakturen, die für eine konservative
Typ III
Therapie oder eine innere Fixation mittels Denskompres-
sionsschrauben nicht geeignet sind, empfohlen. Zum Typ-III-Densfrakturen erfordern selten eine operative Sta-
einen für Typ-IIa-Densfrakturen, die aufgrund der seg- bilisierung. Wie bei Typ-II-Densfrakturen wird eine ope-
mentalen Verschiebung an der Densbasis prinzipiell in- rative Frakturstabilisierung bei begleitenden Rücken-
stabil sind (23). Zum anderen für sagittale Schrägfraktu- marksverletzungen oder distraktionsbedingten Instabili-
ren (27), bei denen die Frakturlinie parallel zur typischen tätsmustern befürwortet (Abb. 6.13 a–c). Die operative
Densschraubenrichtung verläuft, was zu einem Verlust Therapie der Wahl besteht in der posterioren C1/C2-Ar-
der Reposition und beim Versuch der interfragmentären throdese, da die ventrale Densschraubenfixation bei die-
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 123

a b c

Abb. 6.13 Typ-III-Densfraktur mit Distraktion. Diese atlanto- a Sagittale CT-Schicht.


axiale Distraktionsverletzung ist mit einer ausgedehnten Band- b Sagittale MRT-Schicht.
ruptur verbunden, was in der MRT-Untersuchung durch eine c Die seitliche Röntgenaufnahme zeigt 3 Monate nach der 6
verstärkte posteriore Signalintensität zwischen C1 und C2 ge- posterior instrumentierten C1/C2-Arthrodese eine Wiederher-
sehen werden kann. stellung des Dens und des atlantoaxialen Alignements.

sen Verletzungstypen eine hohe Versagerquote aufweist ergibt das Erscheinungsbild einer verlängerten Pars in-
(28). Relative OP-Indikationen bestehen bei stark dis- terarticularis und macht sie damit auf lateralen Rönt-
lozierten, nichtreponierbaren Frakturen, bei Patienten genaufnahmen weniger auffällig (Abb. 6.15).
mit verschobenen Verletzungen, die – aus bereits weiter ■ Typ-II-Frakturen entsprechen dislozierten Verletzun-
oben aufgeführten Gründen – nicht in einem Halo-Fixa- gen, die aus initialer Hyperextension und axialer Kraft-
teur therapiert werden können und bei Frakturen mit einleitung – gefolgt von einer Flexionskraft – resultie-
initialer Dislokation von 5 mm oder mehr, die besonders ren. Typ-II-Verletzungen sind auf Röntgenaufnahmen
beim älteren Patienten ein hohes Risiko für eine Pseudar- im Liegen den Typ-I-Verletzungen ähnlich, zeigen sich
throse aufweisen können (24). Die Ergebnisse sind mög- aber auf den Röntgenaufnahmen im Stehen disloziert.
licherweise weniger vorhersehbar als generell zugegeben, Auch medizinisch überwachte Flexions-/Extensions-
wobei das Auftreten von „delayed unions“ oder Pseudar- Röntgenaufnahmen von Typ-I-Verletzungen sind zur
throsen bei bis zu 54 % der konservativ behandelten Pa- Unterscheidung von spontan reponierten Typ-II-Verlet-
tienten (24), bei denen auch eine posteriore C1/C2-Fixa- zungen empfohlen worden (7).
tion möglich gewesen wären, berichtet wurde. ■ Als Ursache von Typ-IIa-Verletzungen wird ein Flexions-
Distraktions-Mechanismus angenommen. Sie sind auf-
Traumatische Spondylolisthese des Dens axis grund der damit verbundenen C2/C3-Bandscheibenrup-
tur als eher instabil einzuschätzen. Da sie Flexions-/Dis-
(Hangman-Fraktur)
traktionsverletzungen darstellen, tritt als vorherrschen-
Klassifikation de Deformität eher eine Kyphose als eine Translations-
fehlstellung auf (Abb. 6.16 a–c). Aufgrund des Unfall-
Hangman-Frakturen sind der zweithäufigste Typ der mechanismus tendieren die Frakturlinien der Pars inter-
Axisfrakturen (38 %). Effendi et al. beschrieben die folgen- articularis bei Typ-IIa-Verletzungen im Vergleich zu den
de einfache Klassifikation, welche im Folgenden durch üblichen Typ-II-Verletzungen mehr horizontal zu ver-
Levine u. Starr sowie Kollegen modifiziert wurde laufen. Levine hat postuliert, dass jede Verletzung, bei
(Abb. 6.14; 30–32). der bereits mit 5 kg Traktionsgewicht eine Distraktion
■ Typ-I-Verletzungen bestehen aus einer minimal dis- des C2/C3-Bandscheibenraumes auftritt, als Typ-IIa-Ver-
lozierten, relativ stabilen Fraktur der Pars interarticu- letzung betrachtet werden sollte.
laris, die durch eine Hyperextension und axiale Kraft- ■ Typ-III-Verletzungen sind selten und stellen hoch insta-
einleitung hervorgerufen wird. bile Verletzungen dar, bei welchen die Pars-interarticu-
■ Typ-Ia-Frakturen sind atypische instabile, seitlich gebo- laris-Frakturen mit einer komplett unilateralen oder
gene Frakturen, die schräg disloziert sind, üblicherwei- bilateralen C2/C3-Facettengelenks-Dislokation verbun-
se nur eine Pars interarticularis betreffen und sich nach den sind. Zur Reposition ist im Allgemeinen ein kon-
ventral zur gegenüberliegenden Pars interarticularis servatives Vorgehen nicht möglich. Gelegentlich
ausdehnen (32). Die schräge Ebene dieses Frakturtyps kommt es bei diesen Verletzungen zu einer spontanen
124 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

a b

6 3 mm

3 mm

koronarorientierte
c 3 mm Frakturen

Abb. 6.14 Effendi-Klassifikation der Hangman-Frakturen mo- a Typ I.


difiziert durch Levine. b Typ Ia.
c Typ II.

Reposition, sodass auf den initialen seitlichen Röntgen- ten Typ-II-Frakturen mittels eines Halo-Fixateurs (30).
aufnahmen im Liegen das eher gutartige Erscheinungs- Typ-IIa-Verletzungen können durch eine Halo-Fixateur-
bild einer Typ-I-Verletzung vorliegen kann (Abb. 6.17). Ruhigstellung behandelt werden, wenn ihr Alignement
Andere Klassifikationssysteme haben die Frakturstabi- erfolgreich aufrechterhalten werden kann. Eine Trakti-
lität anhand des Grades der Translationsverschiebung onsbehandlung ist jedoch bei diesen Verletzungen kont-
und der Winkeldislokation – als Maß der Integrität der raindiziert, da es ihre kyphotische Deformität verstärken
diskoligamentären Elemente von C2/C3 – bewertet. kann.
Wenn eine kyphotische Deformität bei Typ-IIa-Verlet-
Indikationen zur Operation zungen durch einen Halo-Fixateur nicht kontrolliert wer-
den kann, sollte die operative Versorgung in Erwägung
Die operative Stabilisierung ist bei traumatischen Spon- gezogen werden. Die ventrale zervikale Bandscheibenre-
dylolisthesen des Axis selten indiziert (33). Die meisten sektion und Bandscheibenfusion im Segment C2/C3 mit-
Verletzungen können durch eine frühe ambulante Ruhig- tels einer Plattenosteosynthese führt zur geringsten An-
stellung für eine Zeitdauer von 12 Wochen konservativ zahl an zu fusionierenden Segmenten und bewahrt die
therapiert werden. Typ-I-Frakturen (und die meisten Typ- atlantoaxiale Beweglichkeit (s. Abb. 6.17; 34, 35). Da das
Ia-Frakturen) mittels starrer Zervikalstütze und die meis- ventrale Längsband häufig die einzig verbliebene intakte
Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 125

horizontale Fraktur

d
C3
C2
C2 C2

6
C3

vorderes
longitudinales
Ligament C4

Abb. 6.14 Fortsetzung d Typ IIa.


e Typ III.

a b

Abb. 6.15 Traumatische Spondylolisthese Typ Ia des C2. belkörper und das Foramen transversum ausbreitet (weißer
a Die Frakturlinien sind auf der lateralen Röntgenaufnahme Pfeil). Die Verschiebung der Wirbelkörperfraktur in den Spinal-
versetzt, was den Eindruck einer verlängerten Pars interarticu- kanal führt bei Typ-Ia-Verletzungen zu einer höheren Wahr-
laris erweckt (weißer Pfeil). scheinlichkeit einer Rückenmarksverletzung als bei anderen
b Die axiale CT-Schicht zeigt auf der einen Seite den typischen Typ-I- oder Typ-II-Verletzungen. Dieser Patient war neurologisch
Verlauf der Pars-interarticularis-Fraktur (grauer Pfeil) und auf unauffällig und wurde in einer Halo-Weste erfolgreich thera-
der anderen Seite eine atypische Fraktur, die sich in den Wir- piert.
126 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

a b

6 Abb. 6.16 Traumatische Spondylolisthese Typ IIa des C2 bei einem


79-jährigen Mann nach einer Pkw-Kollision.
a Bei Typ-IIa-Verletzungen wird auf den lateralen HWS-Röntgenauf-
nahmen ein relatives Überwiegen der Angulation gegenüber der
Translation gesehen.
b Postoperative laterale Röntgenaufnahme.
c Postoperative sagittale CT-Schicht nach offener Reposition und
posterior instrumentierter C1/C3-Arthrodese. Das C2/C3-Segment
musste aufgrund der ausgedehnten Bandscheibenruptur stabilisiert
werden. Obwohl interfragmentäre Schrauben durch die Pars-inter-
articularis-Fraktur des C2 bilateral platziert wurden, wurde die Instru-
mentation auf das Segment C1 – aufgrund des fortgeschrittenen Al-
ters des Patienten und der bestehenden Osteoporose – ausgedehnt.

lenksfusionierung unter Verwendung von C2-Schrau-


Stabilisierungsstruktur auf Höhe C2/C3 ist, bleibt die pos-
ben, welche kurz vor dem Frakturspalt enden, gefolgt
teriore Stabilisierung jedoch weiterhin ein geeignetes
von einer Ruhigstellung in einer Zervikalstütze oder
operatives Verfahren. Ein Nachteil des posterioren Zu-
einem Halo-Fixateur für die übliche Behandlung von
gangs besteht in der Tatsache, dass bei fehlendem akzep-
Typ-I- und Typ-II-Verletzungen;
tablem C2-Schraubenhalt – im direkten Verlauf durch den
■ die ventrale zervikale Bandscheibenresektion und
Frakturspalt – die Fixation auf das C1-Segment aus-
Bandscheibenfusion im Segment C2/C3 (s. Abb. 6.17),
gedehnt werden muss und dadurch ein Verlust der atlan-
in dem seltenen Fall, dass die Reposition durch ge-
toaxialen Beweglichkeit resultiert (s. Abb. 6.16).
schlossene Maßnahmen erfolgt.
Typ-III-Verletzungen können im Allgemeinen nicht
durch eine Traktionsbehandlung reponiert werden und
erfordern die operative Reposition und Stabilisierung. Der Vorteil der drei letztgenannten Möglichkeiten be-
Operative Stabilisationsmöglichkeiten beinhalten steht im Erhalt der atlantoaxialen Beweglichkeit (7).
■ die posteriore C1/C3-Fusionierung (Abb. 6.18);

■ die posteriore C2/C3-Fusionierung unter Verwendung

von interfragmentären C2-Schrauben durch den Frak-


turspalt;
■ das Umwandeln der Fraktur in eine Typ-I- oder Typ-II-

Verletzung durch eine posteriore C2/C3-Facettenge-


Verletzungsklassifikation und Indikationen zur operativen Therapie 127

a b

Abb. 6.17 Traumatische Spondylolisthese Typ III des C2, welche durch eine ven-
6
trale Bandscheibenresektion und Fusion C2/C3 behandelt wurde.
a Die seitliche, in Rückenlage durchgeführte HWS-Röntgenaufnahme zeigt eine
scheinbare traumatische Spondylolisthese Typ I des C2 bei einer 37-jährigen Frau,
die eine Pkw-Kollision erlitten hatte. Die Patientin wurde in einer festen Zervikal-
stütze – ohne Durchführung von Röntgenaufnahmen im Stehen – ruhig gestellt.
b Die Patientin stellte sich zur Untersuchung mit zunehmenden Nackenschmerzen
und Parästhesien der oberen Extremitäten vor. Zu diesem Zeitpunkt zeigte die
seitliche, im Stehen durchgeführte HWS-Röntgenaufnahme in der festen Zervikal-
stütze eine C2/C3-Facettengelenksdislokation, die einer traumatischen Spondylo-
listhese Typ III des C2 entspricht.
c Nach einem vorsichtigen Manipulationsversuch war die geschlossene Reposition
der Facettengelenks-Dislokation erfolgreich. Anschließend konnte die ventrale
Bandscheibenresektion und instrumentierte interkorporelle Arthrodese von C2/C3
durchgeführt werden.

Abb. 6.18
a Traumatische Spondylolisthese Typ
III des C2 mit – einer der American
Spinal Injury Association (ASIA) ent-
sprechenden – inkompletten Rücken-
marksverletzung Typ C bei einem 19-
jährigen, nicht angeschnallten Pkw-
Mitfahrer, der in eine Pkw-Kollision
verwickelt war.
b Wie bei den meisten Typ-III-Verlet-
zungen konnte die Facettengelenks-
Dislokation nicht durch ein geschlos-
senes Vorgehen reponiert werden. Es
wurde die notfallmäßige offene Repo-
sition und posterior instrumentierte
C2/C3-Arthrodese durchgeführt.

a b
128 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

Operative Therapie Patientenlagerung


Eine instabile Fraktur oder Dislokation der oberen HWS
Operative Möglichkeiten
erfordert einen atraumatischen endotrachialen Atem-
Grundlegende operative Möglichkeiten bestehen aus De- wegszugang mit minimaler Manipulation. Die fiber-opti-
kompressionsmaßnahmen, Frakturosteosynthesen und sche Intubation und Lagerung des wachen Patienten er-
Fusionsoperationen der ventralen Bewegungssegmente. laubt die klinisch neurologische Überwachung. Die elek-
trophysiologische neurologische Überwachung kann als
Dekompression Alternative zur wachen Patientenlagerung durchgeführt
werden. Bei Verletzungen der oberen HWS kann der
Aufgrund des normalen anatomischen Spinalkanaldurch- Kopf des Patienten – wenn keine Schädelfrakturen vor-
messers ist eine Dekompression der neuralen Strukturen liegen – mit einer Gardner-Wells-Zange oder einer May-
bei Frakturen der oberen HWS selten notwendig. Gene- field-Zange gesichert werden. Der Operationstisch sollte
rell sollte eine chirurgische Dekompression nur dann den ungehinderten Bildwandlerzugang ermöglichen.
durchgeführt werden, wenn die indirekte Dekompression Die Rückenlagerung des Patienten erfolgt bei Platzie-
durch das Repositionsmanöver fehlschlägt. Außerdem rungen von Densschrauben sowie ventralen C2/C3-Band-
stellen die posterioren Elemente der kraniozervikalen scheibenentfernungen und Fusionsoperationen. In selte-
Verbindung wichtige Oberflächen zur knöchernen Hei- nen Fällen werden ventrale okzipitozervikale Zugänge –
6 lung bei Fusionsoperationen dar und sollten daher nicht einschließlich transoraler und submandibulärer lateraler
routinemäßig entfernt werden. Es sind Fallbeispiele über Zugänge – verwendet. Die Bauchlagerung des Patienten
transorale Densresektionen bei hypertrophen Pseudar- erfolgt bei atlantoaxialen und okzipitozervikalen Fusions-
throsen nach Densfrakturen beschrieben worden (36). operationen und bei den meisten neuralen Dekompressi-
Gelegentlich muss eine Impressionsfraktur des Atlas onsoperationen. Eine diskrete entgegengesetzte Trende-
oder des Axis operativ aufgerichtet werden. Bei aus- lenburg-Lagerung reduziert den venösen Blutstau in der
gewählten Patienten kann eine posteriore Dekompressi- oberen HWS und kann den Blutverlust minimieren. Nach
on der Fossa erforderlich sein. der Patientenlagerung wird die Frakturreposition mit
einem Bildwandler überprüft. Die neurologische Ree-
Osteosynthese valuation kann am wachen Patienten mit einer klinischen
Untersuchung wiederholt oder mittels einer erneuten
Die zwei Indikationen zur direkten Frakturversorgung in elektrophysiologischen Untersuchung durchgeführt wer-
der oberen HWS beziehen sich auf die Behandlung von den.
Typ-II-Densfrakturen (37) und auf die operative Versor-
gung einer Typ-II-Hangman-Fraktur mit interfragmentä-
Radiologische Bildgebung
rer Schraubenfixation. Die Validität von direkten Osteo-
synthesen bei Typ-II-Hangman-Frakturen ist hinterfragt Aufgrund der Nähe der knöchernen Elemente der oberen
worden, da diese Technik die begleitende Verletzung HWS zu den neuralen und vaskulären Strukturen erfor-
der Bandscheibe C2/C3 nicht berücksichtigt. dert die exakte knöcherne Platzierung eine intraoperative
Bildgebung. Wir bevorzugen die radiologische Bildgebung
Fusion unter Verwendung zweier biplanarer Bildverstärker und
für ausgewählte Operationen, wie z. B. der ventralen
Die Hauptstütze der operativen Behandlung von Fraktu- Densschraubenplatzierung 3D-Systeme. Die Darstellung
ren und Dislokationen der oberen HWS bleibt die Fusi- in der a.–p. Denszielaufnahme wird durch einen röntgen-
onsoperation, die am häufigsten über einen posterioren durchlässigen Bissblock verbessert.
Zugang durchgeführt wird. Am häufigsten werden atlan-
toaxiale Fusionen, gefolgt von okzipitozervikalen Fusio-
nen und C1/C3-Fusionen durchgeführt. Ventrale Stabili- Operative Zugänge
sierungen der oberen HWS sind bei Typ-IIa-Hangman-
Frakturen üblicherweise mit einer C2/C3-Fusion verbun-
Posteriorer Zugang zur oberen HWS
den. Ventrale atlantoaxiale Fusionen als „Rettungsopera-
Indikationen
tionen“ bei vorhergehend fehlgeschlagenen, posterioren
C1/C2-Fusionsoperationen und ventralen okzipitozervi- Die meisten Frakturen der oberen HWS werden operativ
kalen Techniken sind selten indiziert und werden nicht über einen posterioren Zugang behandelt. Die operativen
weiter diskutiert. Indikationen reichen von reinen Dekompressionsmaß-
nahmen wie z. B. der Entfernung des posterioren C1-Wir-
belbogens und der Dekompression der posterioren Fossa
bis hin zu Maßnahmen, die darauf abzielen, eine Seg-
mentfusion zwischen C1/C2 oder mit dem Hinterhaupt
Operative Therapie 129

zu erreichen (Video 6-1, DVD 1). Der posteriore Zugang 2. die ventrale interkorporelle Fusion und Verplattung
hat den Vorteil eine anatomisch vertraute und übersicht- des Bandscheibenraums von C2/C3 bei Typ IIa- oder
liche Darstellung des Situs zu ermöglichen. Zusätzlich Typ-III-Hangman-Frakturen,
sind die posterioren Instrumentierungstechniken den 3. die ventrale Arthrodese des atlantoaxialen Gelenks als
ventralen Stabilisierungsmethoden im Allgemeinen bio- eine seltene „Rettungsoperation“ bei fehlgeschlagenen
mechanisch überlegen. posterioren atlantoaxialen Fusionierungsversuchen
(28, 35, 39).

Technik
Technik
Bevor ein posteriorer Wirbelsäulenzugang durchgeführt
wird, sollte die Integrität der posterioren Strukturen Der anterolaterale Zugang zur HWS, der durch Smith u.
durch bildgebende Untersuchungen sichergestellt wer- Robinson beschrieben wurde, erlaubt die Darstellung der
den. Gefolgt von einer Längsinzision in der Mittellinie, ventralen HWS von der Basis des C2 bis zum zervikotho-
wird die intermuskuläre Mittellinienebene entwickelt, rakalen Übergang. McAfee et al. beschrieben eine sub-
die eine subperiostale Darstellung der posterioren Struk- mandibuläre retropharyngeale Modifikation dieses Zu-
turen erlaubt. Wenn das Hinterhaupt dargestellt werden gangs, was die ventrale Darstellung des atlantoaxialen
muss, wird die Inzision nach kanial bis zur Protuberantia Gelenks ermöglicht (40). Dieses Vorgehen kann gewählt
okzipitalis externa ausgedehnt. Während der anfäng- werden, wenn eine ventrale atlantoaxiale Arthrodese ver-
lichen Schnittführung stellt der große zweifächrige Dorn- sucht wird (41). Um die notwendige ventrale transarti- 6
fortsatz des Axis eine gute Orientierungshilfe dar. Wenn kuläre Schraubenrichtung zu erreichen, wurde über die
sich die beabsichtigte Fusionsoperation nicht bis unter- bilaterale submandibuläre Darstellung berichtet. Glück-
halb des C2 erstrecken soll, dann können die interspinö- licherweise muss dieses Vorgehen, das mit einer erhöh-
sen Bänder zwischen C2/C3 erhalten bleiben. Der Atlas ten Morbidität verbunden ist, selten bis nie durchgeführt
sollte – unter Beachtung des Verlaufs der A. vertebralis werden (41). Außerdem ist gezeigt worden, dass die ven-
im oberen Bereich des dorsolateralen Wirbelbogens – in trale transartikuläre Schraubenfixation durch den weni-
einer streng subperiostalen Ebene abgelöst werden. Aus ger invasiven ventralen Standardzugang zur HWS er-
dem gleichen Grund sollten sublaminäre Drähte oder reicht werden kann (39).
Drahtcerclagen um den Atlas atraumatisch und sub- Zur Minimierung von technischen Schwierigkeiten ist
periostal platziert werden. die korrekte Schnittführung essenziell. Bei Patienten, bei
Wenn eine Schraubenfixation des Axis mit Pedikel- denen eine Densverschraubung oder ventrale transarti-
schrauben oder transartikulären Schrauben angestrebt kuläre Schraubenplatzierung geplant ist, wird üblicher-
wird, wird die Darstellung der oberen und medialen weise ein transversaler Zugang vom Typ Smith-Robinson
Wand der C2-Pedikel als Bezugspunkt empfohlen. Dies auf Höhe des C 5 durchgeführt. Eine transversale Hautin-
erfordert die Ablösung der atlantoaxialen Membran von zision wird von der mittleren Begrenzung des M. sterno-
der oberen Lamina des Axis (38). Die Freilegung der C1/ cleidomastoideus bis zur Mittellinie durchgeführt. Für
C2-Gelenke kann unter Umständen für eine korrekt ventrale Arthrodesen von C2/C3 wird ein rechtsseitiger
durchgeführte Arthrodese dieses Bewegungssegments submandibulärer Schnitt verwendet. Das Platysma wird
notwendig werden, wenn z. B. kein intakter posteriorer im Faserverlauf getrennt, um das Intervall zwischen den
C1-Wirbelbogen vorliegt (26). Dies kann aufgrund des Mm. sternohyoidei medial und des M. sternocleidomas-
darüber liegenden ausgedehnten epiduralen Venenplexus toideus lateral darzustellen. Nachdem die oberflächliche
zu einer beträchtlichen Blutung führen. Um die Freile- Schicht der tiefen Zervikalfaszie längs inzidiert wurde,
gung zu erleichtern, wird die C2-Nervenwurzel nach kra- wird die Ebene medial des M. sternocleidomastoideus
nial weg gehalten. Wenn das atlantoaxiale Gelenk denu- weiterentwickelt, um die Darstellung der tieferen Schich-
diert oder dekortiziert wird, sollte der Verlauf der A. ver- ten zu verbessern. Die Karotidenaufteilung wird durch
tebralis – unmittelbar seitlich des Gelenks – berücksich- Palpation identifiziert und vorsichtig nach lateral weg
tigt werden. gehalten. Nach longitudinaler Inzision der mittleren
Schicht der tiefen Zervikalfaszie medial der Karotidenauf-
teilung werden die Trachea und der Ösophagus als Ein-
Ventraler Zugang zur oberen HWS heit – unter Verwendung eines stumpfen Retraktors –
nach medial weg gehalten. Auf Höhe C2/C3 können die
Indikationen
A. thyreoidea superior und die V. thyreoidea superior das
Es gibt 3 Hauptindikationen zur Darstellung der oberen Operationsgebiet kreuzen und eine Ligation erforderlich
HWS von ventral. Dies sind (geordnet in der Reihenfolge machen. Die Darstellung des Situs wird in üblicher Weise
ihrer Häufigkeit): aufrechterhalten. Die prävertebrale Faszie wird in der
1. die Schraubenfixation einer Typ-II-Densfraktur (Video Mittellinie longitudinal gespalten, und die Muskelbäuche
6-2, DVD 1), des M. longus colli werden von ihren vertebralen Ansät-
zen abgehoben. Die seitliche Schnittführung ventral des
130 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

M. longus colli kann zu einer Verletzung des Sympathikus sollte gegenüber der ernsten Morbiditätsgefahr von un-
führen und sollte vermieden werden. Indem die seitliche beabsichtigten Durarissen in diesem Gebiet sorgfältig ab-
Wirbelkörperablösung nur lateral der unkovertebralen gewogen werden. Eine Korrekturosteotomie bei der
Gelenke durchgeführt wird, können Verletzungen der A. Denspseudarthrose kann auch unterhalb des ventralen
vertebralis vermieden werden. Die Darstellung des Zwi- Atlasbogens ohne Resektion des gesamten Dens und des
schenwirbelraums von C2/C3 und der Densbasis zur Den- ventralen Wirbelbogens durchgeführt werden (6, 43).
schraubenfixation oder der ventralen Massa lateralis von
C2 zur ventralen, transartikulären Schraubenfixation von
Chirurgische Techniken
C1/C2 wird durch die Verwendung von speziellen Retrak-
torsystemen erleichtert. Okzipitozervikale Fusion
Unser bevorzugtes Vorgehen besteht in der Kombination
Transoraler Zugang von einer rigiden posterioren Segmentfixation mit einer
strukturellen Knochenspantechnik.
Indikationen
Ein transoraler Zugang kann bei Patienten mit Rücken-
Instrumentierungsmöglichkeiten
markskompression, welche durch einen persistierenden
Masseneffekt von ventralen Elementen der oberen HWS Wir bevorzugen eine rigide Fixation des kraniozervikalen
6 verursacht wird, indiziert sein (36). Bei Patienten mit Übergangs mit zwei separaten parasagittalen Platten
hypertropher Pseudarthrose einer Densfraktur mit neu- oder zervikalen Stäben. Obwohl Plattenkonstruktionen,
rologischer Verschlechterung wird der transorale Zugang die in der Mittellinie einen Schraubenhalt gewährleisten,
selten durchgeführt. Obwohl der transorale Zugang die theoretisch die Verwendung von längeren Schrauben in
Densresektion wirksam ermöglicht, wird dadurch die das Hinterhaupt erlauben, wird dieser Vorteil durch zwei
kraniozervikale Verbindung destabilisiert. Des Weiteren klare Probleme relativiert. Erstens muss der Knochen-
erlaubt dieser Zugang aufgrund der eingeschränkten Si- span über dem Implantat platziert werden und kann –
tusdarstellung und des unverhältnismäßig hohen Infekti- wenn das Implantat ausreißt – dislozieren oder muss,
onsrisikos keine ventrale Wirbelsäulenrekonstruktion wenn die Metallentfernung notwendig wird, entfernt
(42). werden. Zweitens ist die Rotationsstabilität, welche
durch die okzipitale Mittelebenenplatzierung des Implan-
tats gewährleistet wird, suboptimal. Wir empfehlen
Technik
daher keine Verwendung einer solchen „Y-Platte“.
Die transorale operative Darstellung der oberen HWS
kann trügerisch einfach sein. Wir empfehlen die Betei-
Knochenspan
ligung eines HNO-Arztes aufgrund des zugangsbedingten
Infektionsrisikos und einer möglichen Weichteildehis- Wir bevorzugen, in Ergänzung zur inneren Fixation,
zenz mit daraus entstehenden ernsthaften Folgen. Um einen kortikospongiösen Knochenspan an das Hinter-
eine ausreichende operative Situsdarstellung zu errei- haupt und die obere HWS zu platzieren. Typischerweise
chen, kann außerdem eine komplexere Osteotomie des wird auf jeder Seite in der Mitte zwischen der Protube-
harten Gaumens notwendig werden. Ein armierter oraler, rantia okzipitalis externa und dem Foramen magnum ein
endotrachealer Tubus und ein selbsthaltender oraler Re- kleines Loch platziert. Auf beiden Seiten wird ein Kabel
traktor werden verwendet. Indem der Tubus nach lateral mit einem Verschlussgerät von oben nach unten durch-
retrahiert wird und der überhängende weiche Gaumen geführt, was durch Verwendung von gebogenen Küretten
mit Ankernähten seitlich weg gehalten wird, kann übli- erleichtert wird. Die zervikale Fixierung des Knochen-
cherweise ein ausreichender Zugang zum Dens erreicht spans wird durch ein Paar von sublaminären C2-Drähten
werden. Der ventrale Atlasbogen, der Densfortsatz und erreicht. Der Knochenspan wird dann nach Dekortikation
der Wirbelkörper des Axis sind direkt neben einer dün- und Platzierung der rigiden inneren Fixation an die kra-
nen Schleimhautschicht und einer prävertebralen Faszie niozervikale Verbindung angebracht.
lokalisiert. Wenn eine Densresektion geplant ist, wird der
ventrale Atlasbogen unter a.–p. Röntgenkontrolle zwi-
Technik
schen seiner Verbindung mit der linken und rechten
Massa lateralis – innerhalb von höchstens 15 mm von Die Bauchlagerung des intubierten Patienten, welche
der Mittellinie – reseziert. Es wird dann der komplette einen uneingeschränkten Bildwandlerzugang ermöglicht,
Dens von der Spitze bis zur Basis entfernt. Das prädurale wird mit Mayfield-Zangen oder einem Halo-Fixateur –
Weichteilgewebe wie z. B. die Tektorialmembran sollten welcher für die Wirbelsäulenchirurgie am Operations-
entfernt werden, wenn sie eine mögliche Ursache für tisch geeignet ist – durchgeführt. Alternativ ist die nicht-
eine verbleibende Rückenmarkseinengung darstellen. invasive Lagerung in einer Carbonkopfschale ebenfalls
Die Notwendigkeit einer präduralen Weichteilresektion sehr effektiv möglich. Die kraniozervikale Verbindung
Operative Therapie 131

Abb. 6.19 Technik der okzipitozervikalen


Arthrodese. Die postoperative sagittale CT-
Schicht eines 17-jährigen Mannes, der eine
kraniozervikale Dissoziation unter Betei-
ligung der C0/C1- und C1/C2-Gelenke und
damit verbundener C2/C3-Subluxation erlit-
ten hat. Die wesentlichen Elemente der von
uns bevorzugten Technik der okzipitozervi-
kalen Arthrodese sind dargestellt.

wird unter Bildwandlerdarstellung mit dem Ziel repo- bikortikalen Kortikalisschrauben (3,5 mm) gesichert. Das
niert, ein neutrale kraniozervikale Ausrichtung zu errei- Bohren oberhalb der Protuberantia occipitalis externa
chen, um eine kompensatorische untere HWS-Fehlstel- sollte aufgrund der Risikos für eine Implantatauftragung
lung zu vermeiden. Die Mittelliniendarstellung wird von und mögliche Verletzung des Sinus transversus, was töd-
der Protuberantia occipitalis externa bis zum C3-Segment liche Folgen haben kann, vermieden werden. Ein Platten-
oder, wenn notwendig, auch weiter nach kaudal durch- abstand von 4 – 6 mm ist wünschenswert, um einen kor-
geführt. Danach werden Drahtcerclagen zur Knochen- respondierend großen Knochenspan zu fassen. Dieser
spanbefestigung am Schädel und der unteren HWS einge- Knochenspan wird geformt, um das Hinterhaupt zu hal-
bracht. Anschließend wird dann die C1/C2-Facettenge- ten und sich am C2-Dornfortsatz abzustützen. Der Kno-
lenksarthrodese durchgeführt (s. vorherige Beschrei- chenspan wird dann durch die vorher eingebrachten zer-
bung). Ein zervikaler Stab oder eine Platte wird an die vikalen und kranialen Drähte oder Drahtcerclagen über
kraniozervikale Verbindung angepasst. Eine schlechte Bohrlöcher durch den Knochenspan gesichert. Vor dem
Anformung der Platte sollte vermieden werden, da dies Straffen der Drahtcerclagen müssen die posterioren Kno-
zu einer Distraktion oder Translation führen. Im Hinblick chenelemente des kraniozervikalen Übergangs noch de-
auf das Ausmaß der kaudalen Fixierung sollte ein Paar kortiziert werden.
von gut platzierten transartikulären Schrauben ausrei-
chend sein (Abb. 6.19; s. transartikuläre Schraubentech- Atlantoaxiale Fusion
nik; 44). Alternativ können individuelle C1-Massa-latera-
lis-Schrauben zu dieser Konstruktion hinzugefügt wer- Unsere bevorzugte Methode zur atlantoaxialen Fusion
den oder in Verbindung mit C2-Pedikelschrauben ver- beinhaltet die posteriore transartikuläre Schraubenfixati-
wendet werden (17, 45, s. C1-Massa-lateralis-Schrauben- on, die direkte Dekortikation und die nach Gallie modifi-
technik und C2-Pedikelschraubentechnik). Sollte eine ri- zierte Drahcerclagenfixation eines strukturellen Kno-
gide Fixierung sowohl von C1 als auch C2 unter Verwen- chenspans im C1/C2-Gelenk. Wenn die transartikuläre
dung dieser Optionen nicht möglich sein, sollte die In- Schraubenplatzierung aufgrund eines atypischen A.-ver-
strumentierung – unter Verwendung von Massa-latera- tebralis-Verlaufs oder technischer Unzulänglichkeiten bei
lis-Schrauben – mindestens das C3-Segment beinhalten. anatomischen oder positionsbedingten Zwängen, nicht
Im Einzelfall kann in Verbindung mit der HWS-Verlet- möglich ist, so werden die transartikulären Schrauben
zung oder einer unzureichenden oberen HWS-Fixation durch zwischengeschaltete C1-Massa-lateralis-Schrauben
die zusätzliche kaudale Fixierung notwendig werden. und C2-Pedikelschrauben ersetzt. Die weiteren Elemente
Die Konstruktion wird dann im Hinterhaupt mit 3 – 4 des Vorgehens bleiben unverändert bestehen.
132 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

chen Ebene verwendet. Eine akribische Lagerung des Pa-


Drahtcerclagen und sublaminäre Haken
tienten ist notwendig. Um eine ausreichende kraniale
Posteriore Drahtcerclagentechniken sind vertraut, relativ transartikuläre Bohrrichtung zu erreichen, werden der
einfach und haben im Vergleich zu Schraubenfixations- Kopf und der Nacken des Patienten vorsichtig flektiert,
techniken ein geringeres Risiko einer A.-vertebralis-Ver- wobei die Frakturreposition unter Röntgenkontrolle auf-
letzung (46). Das Risiko einer neurologischen Verletzung rechterhalten wird. Vor Anpassung der beabsichtigten
ist ebenfalls gering, besonders wenn die Passage der transartikulären Bohrrichtung sollte eine ausreichende
Drahtcerclage bei Vorliegen einer anhaltenden atlanto- Rumpffreiheit – unter Röntgenkontrolle eines von extern
axialen Subluxation, bei der der verbliebene Platz für gegen den Patienten gehaltenen metallischen Gegen-
das Rückenmark reduziert ist, vermieden wird. Die stands – sichergestellt werden.
Hauptnachteile dieser Techniken – wenn sie alleine ver- Die operative Situsdarstellung vom Hinterhaupt bis
wendet werden – sind: zum C3 wird dann – wie bereits beschrieben – durch-
■ der relative Mangel an Rotationsstabilität, welcher die geführt. Die Facettengelenke C1/C2 und C2/C3 werden
postoperative Ruhigstellung mit einer zervikothoraka- beidseits identifiziert. Es werden dann – möglichst ohne
len Orthese oder einem Halo-Fixateur erfordert; ausgedehnte Blutung – die atlantoaxialen Gelenke beid-
■ falsche Kraftvektoren für die Behandlung einer poste- seits dekortiziert. Die C1/C2-Gelenkdekortikation sollte
rioren C1/C2-Subluxation – wie bei einer nach poste- dann in Erwägung gezogen werden, wenn die posterio-
rior dislozierten Densfraktur – und damit verbundenen ren Elemente zur Knochenspanverdrahtung nicht zur
6 Verstärkung der Dislokation; Verfügung stehen. Wenn es notwendig ist wird zunächst
■ die Unfähigkeit, diese Technik zu verwenden, wenn der die sublaminäre Verdrahtung fertig gestellt, bevor die
posteriore C1-Wirbelbogen fehlt oder mit verletzt ist. Schraubenlöcher gebohrt werden. Um eine Penetration
des Spinalkanals zu verhindern, wird der mediale Rand
Sie stellen daher eher nützliche Ergänzungen zu rigiden des Isthmus des Axis mit einem neuralen Elevator dar-
Instrumentierungsmethoden dar. gestellt. Es werden dann zwei kleine paramediane Inzi-
sionen im zervikothorakalen Übergang durchgeführt, um
die geeignete Bohrrichtung für das perkutane Bohren und
Transartikuläre Schraubentechnik
die Schraubenplatzierung über eine Bohrhülse mit Füh-
Transartikuläre C1/C2-Schrauben bieten die rigideste rungsdraht zu ermöglichen. Der Eintrittspunkt der trans-
Form der atlantoaxialen Stabilisierung (Abb. 6.20; 47). artikulären Schrauben liegt zwischen dem medialen und
Des Weiteren erfordern diese Stabilisierungstechniken zentralen Drittels des unteren Gelenkprozesses des Axis.
keine intakten Wirbelbögen von C1 oder C2. Diese Tech- Es erfolgt dann das Bohren mit einem langen Steinmann-
nik ist technisch herausfordernd und erfordert eine exak- Nagel oder einem Führungsdraht für ein System mit
te atlantoaxiale Gelenkreposition. Das Vorliegen von ana- durchbohrten Schrauben unter seitlicher Röntgendurch-
tomischen Varianten wie z. B. ein äußerst medialer Ver- leuchtung. Die Bohrrichtung weist eine vertikale Inklina-
lauf der A. vertebralis über das C2-Segment oder knö- tion von 45°– 60° auf und zielt auf das mittlere bis obere
cherne Dysplasien können entscheidende Hindernisse Drittel des ventralen Atlastuberkulums. Die intraartikulä-
zur sicheren Durchführung dieser Operation darstellen. re Passage des Bohrers oder Führungsdrahts kann durch
Da bei bis zu 20 % der Bevölkerung atypische A.-vertebra- die direkte Gelenkeinsicht sichergestellt werden. Eine
lis-Verläufe vorliegen (48, 49), ist eine sorgfältige Auswer- mediale Angulation von 0 – 15° ist wünschenswert, um
tung der präoperativen CT-Untersuchung entscheidend, einen optimalen C1-Massa-lateralis-Schraubenhalt zu er-
um die Durchführbarkeit dieser OP-Technik zu bestim- reichen und einen äußerst lateralen Verlauf, welcher zu
men. Des Weiteren kann das Erreichen der notwendigen einer Verletzung der A. vertebralis (38) und des N. hypo-
Schraubenrichtung für eine akzeptable Frakturversor- glossus (26, 50) führen kann, zu verhindern. Eine N.-hy-
gung durch den Körperstatus oder die Kopf- und Nacken- poglossus-Verletzung kann auch vermieden werden,
position des Patienten eingeschränkt ein. Wenn eine si- indem das Ausmaß, mit welchem die Bohrerspitze den
chere Platzierung der transartikulären Schrauben zwei- ventralen Kortex der Massa lateralis von C1 penetriert,
felhaft erscheint, sollte eine Platten- oder Stabfixation minimiert wird oder auf die Verwendung von extrem
zwischen den C1-Massa lateralis-Schrauben und den langen Schrauben verzichtet wird. Diese Maßnahmen re-
C2-Pedikelschrauben in Erwägung gezogen werden. Al- duzieren gleichzeitig auch das Risiko für eine A.-carotis-
ternative „Rettungsoptionen“ wie z. B. eine Brooks-Jen- Verletzung (26, 51, 52). Kadaverstudien und radiologische
kins-Verdrahtung oder Ausdehnung der Fusionsoperation Studien haben gezeigt, dass der ventrale Kortex der
auf den Schädel sollte in nur sehr wenigen Fällen erfor- Massa lateralis verstärkt wird, wenn die Schraubenspitze
derlich sein. im seitlichen Strahlengang im Durchschnitt 7 mm hinter
Dieses Vorgehen wird in Bauchlagerung des Patienten der ventralen Spitze des C1-Bogens liegt (51, 52).
durchgeführt, wobei der Kopf durch einen Halo-Fixateur Wenn durchbohrte Schrauben verwendet werden, soll-
oder Mayfield-Zangen gesichert wird oder in einer Kar- ten die Führungsdrähte den anterioren Kortex der Massa
bonkopfschale liegt. Ein Bildwandler wird in der seitli- lateralis C1 erreichen, ohne ihn jedoch zu penetrieren.
Operative Therapie 133

a b

c d

Abb. 6.20 Transartikuläre Schraubentechnik zur Stabilisierung d Die postoperative a.–p. Denszielaufnahme zeigt die Lage der
einer instabilen Densfraktur. Die CT-Schichten zeigen eine transartikulären Schrauben leicht medial zur Sagittalebene.
Denstrümmerfraktur Typ III mit Ausdehnung in die linke Seitlich gerichtete Schraubenplatzierungen sollten zur Vermei-
Massa lateralis des C2 (weißer Pfeil). Der Patient wurde mittels dung einer Verletzung der A. vertebralis nicht durchgeführt
transartikulärer Schraubenfixation behandelt. werden. Die Sicherheit dieser Technik wird durch die direkte
a Axiale CT-Schicht. Visualisierung des medialen Randes der Pars interarticularis
b Sagittale CT-Schicht. erheblich verbessert. Dies ermöglicht dem Operateur erstens
c Die postoperative seitliche Röntgenaufnahme zeigt die die Ausrichtung einer exakt sagittalen Ebene knapp seitlich
Schraubenrichtung, die auf den oberen Teil des C1-Wirbelbo- dieser Landmarke und zweitens die Auswahl des Eintrittspunkts
gens zielt. Dies erfordert im Allgemeinen in der oberen BWS entlang dieses Weges knapp oberhalb des C2/C3-Facetten-
eine perkutane, parasagittale Stichinzision. Durch eine ausrei- gelenks.
chend kraniale Schraubenrichtung wird die A. vertebralis inner-
halb des Foramen transversum von C2 (weißes Oval) gemieden
und ein geeigneter Halt der Massa lateralis des C1 erreicht.
134 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

Processus odontoideus

C1

a
b

Dens
Rückenmark C2

C1

6 C1
C2

C2

spinale
Nerven-
C3
wurzel
C3

C1

C2

C3

f
e

Abb. 6.21 C1-Massa-lateralis- und C2-Pedikelschraubenfixati- problematischen Blutungen durch den umgebenden Venenple-
on. a Die CT-Aufnahme und b das schematische axiale Bild xus führen. f, g Ein alternativer Eintrittspunkt – entlang des
des C1 zeigen die gewünschte Platzierung der C1-Massa-latera- posterioren C2-Wirbelbogens am Übergang zur Massa lateralis
lis-Schrauben. c Das schematische a.–p. Bild, d das schema- – ist schematisch und h in der sagittalen CT-Aufnahme dar-
tische laterale Bild und e die sagittale CT-Aufnahme zeigen gestellt. Dieser Eintrittspunkt kann die Notwendigkeit einer
die Platzierung der C1-Massa-lateralis-Schrauben, mit dem Ein- C2-Manipulation und Präparation durch den umgebenden Ve-
trittspunkt unterhalb des posterioren C1-Wirbelbogens an der nenplexus vermeiden. Er liegt allerdings unmittelbar neben der
posterioren Fläche der Massa lateralis. Dieser Eintrittspunkt A. vertebralis, welche in ihrem Verlauf entlang des posterioren
erfordert die Manipulation der C2-Nervenwurzel und kann zu C1-Wirbelbogens geschützt werden muss.
Operative Therapie 135

C1

C2

C3

Abb. 6.21 (Fortsetzung) 6

Die Bohrlängen werden dann gemessen. Wenn möglich, schrauben (Abb. 6.21; Video 6-1, DVD 1) ist eine wertvolle
wird ein spongiöser Knochenspan in das atlantoaxiale Alternative zu transartikulären Schrauben von C1/C2.
Gelenk platziert. Es werden dann 3,5- oder 4,0-mm- Dies gilt besonders beim älteren Patienten mit verstärk-
Schrauben mit ausreichender Länge platziert, um den ter thorakaler Kyphose, beim adipösen Patienten und
ventralen Kortex der Massa lateralis des Atlas zu errei- beim Patienten mit einem – für transartikuläre Schrau-
chen. Die optimale transartikuläre Schraubenlänge reicht ben – ungünstigen Verlauf der A. vertebralis.
von 34 – 48 mm (50, 52, 53). Aufgrund der Möglichkeit Sowohl die originale Beschreibung durch Goel (55) als
einer unerkannten A.-vertebralis-Verletzung sollte die auch die Modifikation durch Harms u. Melcher (45) ver-
Schraubenplatzierung auf einer Seite fertig gestellt wer- wenden einen Eintrittspunkt an der posterioren Seite der
den, bevor mit der Gegenseite begonnen wird. Die Dopp- Massa lateralis von C1, kaudal zur Prominenz, an der der
ler-Sonografie der A. vertebralis oberhalb des C1-Wirbel- posteriore Wirbelbogen die Massa lateralis trifft. Der Zu-
bogens ist nützlich, wenn Unsicherheit bezüglich einer gang zu diesem Eintrittspunkt erfordert die Durchtren-
möglichen Gefäßverletzung besteht. Sollte bei der Plat- nung des darüber liegenden, ausgedehnten Venenplexus,
zierung der ersten Schraube eine A.-vertebralis-Verlet- was zu problematischen Blutungen (55) führen kann. Au-
zung vermutet werden, dann sollte die kontralaterale ßerdem ist die Retraktion (45) oder Durchtrennen der
transartikuläre Schraube nicht platziert werden. Die C2-Wurzel notwendig (17), was in beiden Fällen zu okzi-
dann folgende Platzierung der transartikulären Schrau- pitaler Taubheit und Dysästhesie führen kann. Wir bevor-
ben im Sinne einer Mittellinienfusion wird unter Verwen- zugen den Eintrittspunkt für die C1-Schraube an der
dung der Gallie-Technik durchgeführt (46). leichter zugänglichen Verbindung des posterioren Wir-
belbogens mit der Massa lateralis, was die Notwendigkeit
zur Durchtrennung des venösen Plexus und die Verlet-
C1-Massa-lateralis- und C2-Pedikel-Schraubentechnik
zungswahrscheinlichkeit der C2-Nervenwurzel mini-
Die posteriore atlantoaxiale Fixation mit C1-Massa-late- miert. Ein zusätzlicher Vorteil kann darin bestehen, dass
ralis-Schrauben und C2-Pedikelschrauben (17, 45) hat der Schraubenhalt aufgrund des dickeren kortikalen Kno-
sich biomechanisch (54) und klinisch (45, 55) als gleich- chens im Verbindungsbereich des posterioren Wirbelbo-
wertige Methode zur Wiederherstellung der atlantoaxia- gens mit der Massa lateralis, verbessert ist.
len Stabilität entwickelt. Gleichzeitig konnten die Proble- Diese Technik wird in Bauchlagerung des Patienten
me bezüglich der transartikulären Schraubenrichtung und nach Sicherstellung des Kopfes mit einem Halo-Fixa-
und der Anatomie der A. vertebralis minimiert werden. teur, Mayfield-Zangen oder einer Karbonkopfschale
Da diese Technik keine Durchbohrung der atlantoaxialen durchgeführt. Um eine akzeptable Reposition zu errei-
Gelenke erfordert, ist auch die Möglichkeit der Wieder- chen, wird – wenn notwendig – eine Kopf- und Nacken-
herstellung der atlantoaxialen Beweglichkeit nach Kon- manipulation durchgeführt. Die Limitierungen bezüglich
solidierung der Densfraktur und Implantatentfernung be- der Kopf- und Nackenpositionierung sind für die Durch-
schrieben worden (45). führbarkeit dieser Technik geringer als bei der transarti-
Die Technik der posterioren atlantoaxialen Stabilisie- kulären Schraubenfixation. Es wird eine posteriore Mit-
rung mit C1-Massa-lateralis-Schrauben und C2-Pedikel- telliniendarstellung – wie es bereits für die transartikulä-
136 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

re Schraubenfixation beschrieben worden ist – durch- meiden. Eine schlechte Prognose für eine erfolgreiche In-
geführt. Die stumpfe Abtrennung des posterioren C1- strumentierung besteht bei Wirbelkörperfrakturen des
Wirbelbogens erfolgt lateral der Verbindung des Wirbel- Axis, bei Zertrümmerung des Dens und bei Patienten
bogens mit der Massa lateralis. Um eine Visualisierung mit Osteoporose. Obwohl Erfolge bei Pseudarthrosen bis
oder Palpation der medialen Wand der Massa lateralis zu 6 Monate posttraumatisch beschrieben wurden (28),
von C1 zu ermöglichen, wird die zirkumferente, sub- wird die Behandlung von Denspseudarthrosen durch eine
periostale Präparation des posterioren C1-Wirbelbogens alleinige ventrale Fixation generell nicht empfohlen. Da
mit eng gewinkelten Küretten durchgeführt. Diese Prä- dieses operative Vorgehen komplett von der radiologi-
paration erfolgt in strenger subperiostaler Weise über schen Visualisierung abhängig ist, besteht der kritischste
die obere Fläche des Wirbelbogens hinweg, um eine Ver- Teil dieses Eingriffs in der Fähigkeit, angemessene intra-
letzung der dargestellten A. vertebralis zu verhindern. operative seitliche Röntgenaufnahmen sowie Densziel-
Anschließend wird die mediale Wand des Wirbelbogens aufnahmen mit vorzugsweise zwei Bildverstärkern zu er-
von C2 – in ähnlicher Weise wie bei der transartikulären reichen. Und dies muss – unter Erhalt einer anatomi-
Schraubenplatzierung und der C2-Pedikelschraubenplat- schen, geschlossenen Reposition der Densfraktur – in
zierung – identifiziert. Wenn eine direkte Knochenspan- einer „Kopf in Nackenposition“ erfolgen, welche die er-
implantation geplant ist, wird das C1/C2-Gelenk nach forderliche Schraubenplatzierung zulässt. Sollte einer
Präparation der Pars interarticularis von C2 und Inzision dieser Voraussetzungen nicht gegeben sein, dann sollte
der posterioren Gelenkkapsel dargestellt. Dies erfordert der operative Plan korrigiert werden und eine posteriore
6 generell eine ausgedehnte bipolare Koagulation des darü- atlantoaxiale Stabilisierung in Erwägung gezogen wer-
ber liegenden, ausgedehnten Venenplexus. den. Ein weiteres potenzielles Hindernis stellt der Brust-
Zur Steuerung der bikortikalen Bohrung (Bohrerdurch- umfang des Patienten dar, der das Erreichen des horizon-
messer 2,0 mm) wird dann eine korrekt seitliche Rönt- talen Inklinationswinkels, der für diese Instrumentie-
gendarstellung des C1 durchgeführt. Der Eintrittspunkt rungstechnik erforderlich ist, behindern kann. Patienten
wird ca. 2 mm seitlich der Verbindung der Massa lateralis mit einem großen, fassförmigen Thorax oder Patienten
mit dem posterioren Wirbelbogen von C1 gewählt. Im mit ausgedehnter, fixierter zervikaler oder zervikothora-
Allgemeinen entspricht dies einem Eintrittspunkt, der ge- kaler Kyphose können daher für diese Technik ungeeig-
ringfügig medial der Verengung des posterioren Wirbel- net sein. Durch vorsichtigen Zug des Nackens kann unter
bogens im Sulkus der A. vertebralis lokalisiert ist. Zwi- Röntgenkontrolle die Kopfposition des Patienten opti-
schen dem Eintrittspunkt und der A. vertebralis wird am miert werden. Dies kann für das Erreichen der ge-
Oberrand des posterioren Wirbelbogens ein gebogenes wünschten Schraubenrichtung hilfreich sein. Das Vorlie-
Instrument platziert. Um das Wandern des Bohrers an gen eines ausreichenden Rumpfspielraums – zur Gewähr-
dem relativ engen und konvexen knöchernen Kamm zu leistung der beabsichtigten Schraubenrichtung – wird ab-
verhindern, ist es ratsam mit einer Bohrspitze zunächst schließend durch das Vorhalten eines metallischen Ge-
eine knöcherne Konkavität zu schaffen. Der Bohrer wird genstands gegen die Brust des Patienten unter Röntgen-
in einer streng sagittalen Ebene in Richtung Mitte des kontrolle überprüft. Für den Fall, dass eine Schraubenfi-
ventralen Randes von C1 – was auf dem seitlichen Rönt- xation des Dens nicht durchgeführt werden kann, sollten
genbild kontrolliert wird – bikortikal positioniert. Dieser Alternativpläne erstellt werden.
Eintrittspunkt und die Bohrrichtung sind hilfreich, um Diese Operation wird in Rückenlagerung des Patienten
ein Anbohren des Foramen der A. vertebralis, des Spinal- und ggf. nach Sicherstellung des Kopfes durch eine Fixie-
kanals und des atlantookzipitalen Gelenks zu vermeiden. rungshilfe wie z. B. mit Mayfield-Zangen durchgeführt.
Es wird dann eine bikortikale 3,5- oder 4-mm-Schraube Alternativ kann auch eine Karbonkopfschale verwendet
platziert. Die Probleme bezüglich der radiologischen Fest- werden. Ein konventioneller, rechts oder links lokalisier-
stellung der geeigneten Schraubenlänge und den Verlet- ter Smith-Robinson-Zugang wird üblicherweise über
zungsgefahren der A. carotis und des N. hypoglossus – bei dem C 5 zentriert. Um die prävertebrale Faszie zu errei-
ausgedehnter ventraler Bohrung oder Schraubenpenetra- chen, werden die Mm. longi colli nach seitlich abgelöst
tion –entsprechen der Problematik, die bereits für die und die Präparation über dem Bandscheibenfach C2/C3
transartikulären Schrauben beschrieben worden ist (26, ventralseitig durchgeführt. Ein gebogener röntgendurch-
50–52). lässiger submandibulärer Retraktor wird ventral über
dem Wirbelkörper C2 platziert. Der ventrale Anulus der
Ventrale Schraubenfixation des Dens Bandscheibe C2/C3 wird unter Belassen eines kleinen
Randes an der anterioren C3-Deckplatte entfernt, um
Dieses Vorgehen wird für die Behandlung von nichtzer- die anterior–inferiore Kante des C2 darzustellen. Diese
trümmerten Densfrakturen mit intaktem Wirbelkörper kortikale Kante kann mit einer Hochgeschwindigkeitsfrä-
des Axis (Abb. 6.22; Video 6-2, DVD 1) vorgeschlagen se entfernt werden, um eine glatte knöcherne Oberfläche
(25, 28, 29). Eine umsichtige Patientenauswahl und eine für die Instrumentierung vorzubereiten, was das Risiko
genaue technische Ausführung sind notwendig, um peri- eines ventralen kortikalen Ausbruchs der Axisbasis mini-
operative Komplikationen und hohe Fehlerraten zu ver- mieren soll. Die Densschraube sollte eine Frakturkom-
Operative Therapie 137

Abb. 6.22 Technik der ventralen Densschrau-


benfixation.
a Die Verwendung einer biplanaren Röntgen-
untersuchung erleichtert dieses Vorgehen er-
heblich. Bevor das OP-Gebiet desinfiziert wird,
ist es sinnvoll einen metallischen Marker zu ver-
wenden, um unter seitlicher Röntgendurch-
leuchtung sicherzustellen, dass die Nackenposi-
tion und die Brustmorphologie des Patienten
die gewünschte Schraubenrichtung erlauben.
Eine röntgendurchlässige Bissschiene verbessert
die ventrale Röntgendarstellung.
b Ein wesentlicher initialer Schritt ist die Exzisi-
on des ventralen Anulus von C2/C3 und die
Entfernung des anterior–superioren Wirbelkör-
pers und der Endplatte von C3, um einen aus-
reichenden posterioren Eintrittspunkt und eine
ausreichende kraniale Schraubenrichtung zu er-
reichen.
a c Die geeignete Positionierung des Eintritts-
punkts in der koronaren Ebene muss durch eine
a.–p. Röntgendarstellung sichergestellt werden. 6
Der Einfachheit halber ist die Mittellinienpo-
C1
sitionierung für eine einzelne Schraube dar-
gestellt. Die Autoren bevorzugen die Verwen-
C1 dung von 2 Schrauben, was einen leicht para-
medianen Eintrittspunkt für die beiden Schrau-
C2 C2 ben erforderlich macht.
d Die Bohrrichtung ist parallel zum ventralen
Denskortex ausgerichtet. Es ist wichtig, den
Kortex des proximalen Dens – bevorzugt in der
Densspitze oder knapp dahinter – zu penetrie-
ren.
C3
e Es wird das Bohren über die gesamte Strecke
einschließlich des Kortex an der Densspitze
empfohlen.
Fräse f Die Verwendung von Schrauben mit Endge-
C3
winde erleichtert die interfragmentäre Kom-
pression. Um eine optimale Fixation und Frak-
Positionierung in der Mittellinie turkompression zu erreichen, sollten sich die
Schraubenwindungen an der Spitze des Dens-
b c kortex eindrehen, der Schraubenkopf an der
Densbasis abstützen und alle Schraubenwin-
dungen innerhalb des proximalen Fragments
liegen.

C2 C2
C2

C3 C3

C3
Gewindeschneider
penetriert
die Spitze des Schraube in der richtigen
Os odontoideum Position
Bohrerspitze penetriert
f
die Spitze des Os odontoideum
d, e
138 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

pression entweder mithilfe eines endständigen Gewindes sorgung einer Hangman-Fraktur verwendet wird, dann
oder durch Bohren eines Gleitlochs im kaudalen Frag- fungiert sie als Abstützplatte. Um einen sekundären Re-
ment erreichen. Die Fixation kann entweder mit einer positionsverlust zu vermeiden, sollte die Platte dann eine
oder zwei Schrauben durchgeführt werden. In klinischen winkelstabile Schraubenfixierung ermöglichen.
und biomechanischen Untersuchungen ist gezeigt wor-
den, dass eine einzelne Kleinfragmentschraube in der
Tipps und Tricks
Regel eine ausreichende Stabilität bietet (37). Die gute
Platzierung von 2 Schrauben hat den Vorteil Rotations- ■ Eine vorsichtige umgekehrte Trendelenburg-Lage-
verschiebungen zu minimieren, muss aber als technisch rung reduziert während der Operation den venösen
herausfordernde Maßnahme betrachtet werden. Wir be- Blutstau in der oberen HWS und kann den Blutver-
vorzugen die Platzierung von 2 Schrauben mit einem lust minimieren.
Durchmesser von 3,5 mm, und falls diese Schrauben ■ Die postoperative Atemwegsbehandlung ist für die
nicht untergebracht werden können, den Rückzug auf Patienten, die sich einer operativen Stabilisierung
zwei 2,7-mm-Schrauben. Die Ziele der Schraubenplatzie- der oberen HWS unterziehen, entscheidend. Die
rung bestehen darin, parallel zur Längsachse des Dens zu vorzeitige Extubation kann zu Atemwegsobstruktio-
liegen, einen Schraubenhalt nur im proximalen Frak- nen führen und eine notfallmäßige Reintubation er-
turteil zu haben und den posterioren Kortex der Dens- forderlich machen. Die Bewertung der Atemwegs-
spitze mit den Schraubenendwindungen zu verstärken. schwellung vor der routinemäßigen postoperativen
Extubation sowie die Definition einer geringen
6 Die Wahl der spezifischen Technik – einfache oder zwei-
fache Schraubenbesetzung bzw. durchbohrte oder solide Schwelle für eine verzögerte Extubation – bis die
Schrauben – bleibt eine Frage der Vorliebe des Chirurgen, Schwellung komplett verschwunden ist – minimiert
aber sollte individuelle Patientenfaktoren mit in Betracht die Komplikationen. Auch der vorübergehende Ver-
lust des Schluckreflexes des Patienten sollte in der
ziehen.
initialen postoperativen Phase berücksichtigt wer-
den, um das Aspirationsrisiko zu minimieren.
Ventrale C2/C3-Bandscheibenresektion und ■ Die intraoperative Darstellung der oberen HWS auf
Fusion der a.–p. Denszielaufnahme kann durch einen rönt-
gendurchlässigen Bissschutz verbessert werden.
Dieses Vorgehen ist in erster Linie zur Behandlung von
■ Typ-IIa-Hangman-Frakturen sind potenziell instabil.
dislozierten Typ-II- oder -IIa-Hangman-Frakturen in Er-
Sie können aber spontan reponieren und auf den
wägung zu ziehen. Es sollte betont werden, dass der
initialen seitlichen Röntgenaufnahmen im Liegen
Großteil der Patienten mit Typ-II-Verletzungen konser-
das eher gutartige Erscheinen einer Typ-I-Verletzung
vativ behandelt werden kann. Der operative Zugang, die
aufweisen. Die Traktionsbehandlung ist bei Typ-IIa-
Bandscheibenresektion und Fusion mit einem Knochen-
Hangman-Verletzungen aufgrund der Überbetonung
span sowie die Plattenosteosynthese sind in ihrer Durch- der damit verbundenen kyphotischen Deformität
führung der unteren HWS sehr ähnlich und werden kontraindiziert.
daher an dieser Stelle nicht weiter thematisiert. Aufgrund ■ Bevorzugt wird die rigide Fixierung des kraniozervi-
der komplizierten Frakturreposition und Implantatplat- kalen Übergangs mit 2 separaten parasagittalen
zierung empfehlen wir die ventrale C2/C3-Fusionierung Platten oder zervikalen Stäben. Zweiplattenfixatio-
unter Bildverstärkerkontrolle in einer seitlichen Projekti- nen bieten – verglichen mit einer einfachen Mittel-
onsebene durchzuführen. Der Smith-Robinson-Zugang – linienplatte oder einer Y-Platte – eine verbesserte
über dem Bandscheibenfach von C3/C4 platziert – erlaubt Rotationsstabilität und ermöglichen eine Knochen-
üblicherweise die Darstellung des Bandscheibenfachs von spananlagerung.
C2/C3. Um eine entsprechende Darstellung der oberen ■ Wegen der Möglichkeit einer unerkannten A.-ver-
HWS zu erreichen, ist die Verwendung eines langen, ge- tebralis-Verletzung während der transartikulären
winkelten und röntgendurchlässigen Retraktors – wie be- C1/C2-Fixation sollten Schraubenplatzierungen zu-
reits für die Densschraubenfixierung beschrieben – hilf- nächst auf einer Seite fertig gestellt werden, bevor
reich. Alternativ kann eine rechts lokalisierte retropha- mit der Gegenseite begonnen wird. Die intraopera-
ryngeale Modifikation der Situsdarstellung – wie von tive Doppler-Ultraschalluntersuchung der A. ver-
Mc Afee et al. beschrieben – beim größeren Patienten tebralis oberhalb des C1-Wirbelbogens ist bei unsi-
hilfreich sein (40). cheren Fällen für die Bewertung einer möglichen
Die technischen Herausforderungen, die mit der ven- Verletzung sinnvoll.
tralen C2/C3-Fusionierung verbunden sind, bestehen
hauptsächlich in der intraoperativen Aufrechterhaltung
einer entsprechenden Situsdarstellung, Verhinderung
der ventralen Translation des Axis relativ zum C3-Wirbel-
körper und der Platzierung der ventralen Platte bündig
an die Wirbelkörper. Wenn eine anteriore Platte zur Ver-
Neue Technologien 139

Postoperative Nachbehandlung Die Entwicklung von verschiedenen intraoperativen,


bildgestützen Navigationssystemen bietet auch die Mög-
Die postoperative Atemwegsbehandlung ist für die Pa- lichkeit für eine sichere Platzierung der Implantate in der
tienten, die sich einer operativen Stabilisierung der obe- anatomisch komplexen kraniozervikalen Region, die auf-
ren HWS unterzogen haben, entscheidend. Die frühe Ex- grund der eng benachbart liegenden neurovaskulären
tubation kann zu Atemwegsobstruktionen führen und und viszeralen Strukturen nur geringen Spielraum für
eine notfallmäßige Reintubation erforderlich machen Fehler zulässt. Die 3 Hauptkategorien der aktuell verfüg-
(56). Die Bewertung der Atemwegsschwellung vor der baren Systeme stellen sich wie folgt dar:
routinemäßigen postoperativen Extubation sowie das
Anlegen einer geringen Schwelle für eine verzögerte Ex- Dreidimensionale (3D) CT- oder röntgengestütze Navigati-
tubation – bis die Schwellung komplett verschwunden ist onssysteme. Sie erfordern eine spezielle technische Aus-
– minimiert die Komplikationen. Auch der vorüber- stattung und verbinden die Integration der bildgebenden
gehende Verlust des Schluckreflexes des Patienten sollte Daten mit Markern, die im OP-Bereich angebracht sind.
in der initialen postoperativen Phase berücksichtigt wer- Diese Systeme erlauben intraoperativ eine virtuelle Echt-
den, um das Aspirationsrisiko zur minimieren. zeitdarstellung, zeigen während der Schraubenplatzie-
Die Art und Zeitdauer der externen postoperativen Ru- rung die gewünschte Bohrrichtung und erlauben die Aus-
higstellung variiert und sollte viele Faktoren berücksich- messung der geeigneten Schraubenlänge und des Schrau-
tigen. Die Patienten sollten nach einer operativen Stabili- bendurchmessers. Die Nachteile dieser Systeme sind u. a.
sierung generell in aufrechter Position mobilisiert wer- eine kostspielige Erhöhung der OP-Dauer sowie die Ge- 6
den. Eine feste Zervikalstütze wie ein Miami-J-Stütze fahr von Aufzeichnungsfehlern, welche zu einer Diskre-
oder ein Philadelphia-Kragen bieten postoperativ – panz zwischen der tatsächlichen Anatomie und der vir-
unter der Annahme, dass bei dem Patienten eine stabile tuellen Darstellung, auf die man sich intraoperativ ver-
innere Fixation durchgeführt wurde – üblicherweise eine lässt, führen.
ausreichende äußere Stabilität. Bei außergewöhnlichen
Umständen verbleibt ein Halo-Fixateur als optimale 3D-Röntgenuntersuchungen. Mit Darstellung von axialen,
Form der ergänzenden Ruhigstellung. Dies trifft vor koronaren und sagittalen Rekonstruktionen, die durch
allem auf Patienten mit zusätzlichen Gesichtsschädelfrak- die Integration von multiplen, aus verschiedenen Win-
turen, mit mehretageren Verletzungen, mit Osteoporose keln aufgenommenen Röntgenbildern erhalten werden.
und mit unsicherer Implantatfixation zu. Die postopera- Der Hauptnachteil dieser Technik besteht darin, dass die
tive externe Ruhigstellung dauert selten länger als 2 – 3 Qualität der C-Arm-basierten 3D-Bilder komplett von der
Monate. Wenn die externe Ruhigstellung beendet wird, Qualität der Röntgenaufnahmen abhängig ist. Gerade in
dann sollte unabhängig von der Behandlungsform, die diesem Körperareal, in welchem die Rekonstruktion ra-
Stabilität der Verletzung mit Flexions-/Extensions-Rönt- diologisch sehr schwierig zu visualisieren ist und tenden-
genaufnahmen sowie Denszielaufnahmen erneut bewer- ziell eine schlechte Bildauflösung besteht, ist eine 3D-Vi-
tet werden. Wenn ein stabiler kraniozervikaler Übergang sualisierung von größtem Nutzen. Außerdem kann diese
dokumentiert werden muss, ist die Durchführung von Form der 3D-Darstellung nur zur Sicherstellung der
Traktionsaufnahmen notwendig. Schraubenposition genutzt werden. Im Vergleich zu den
vorab beschriebenen Navigationssystemen ist die korrek-
te Führung der Schraubenplatzierung nicht möglich.
Neue Technologien
Intraoperative CT-Untersuchungen. Diese Geräte stellen
Der größte Fortschritt in der Instrumentierung besteht in ebenfalls eine suboptimale Lösung dar. Aufgrund ihrer
der Entwicklung von polyaxialen Schraubensystemen, fehlenden Vielseitigkeit und ihres Platzbedarfs werden
welche neue atlantoaxiale Fixationstechniken ermöglicht diese Geräte eher durch die C-Arm-basierten, 3D-gestütz-
haben (17, 45, 57). Diese Techniken haben eine erhöhte ten Navigationssysteme, die bereits beschrieben wurden,
Vielseitigkeit in der Behandlung atlantoaxialer Instabili- abgelöst werden. Obwohl die verschiedenen bildgeben-
täten ermöglicht und sowohl technische als auch ana- den Techniken, die bereits vorher beschrieben wurden,
tomische Hindernisse zum Erreichen einer rigiden C1/ weiter verbessert werden, sind sie gegenwärtig noch in
C2-Fixation praktisch beseitigt. C1/C2-Stabilisationen der Entwicklung. Dies kann möglicherweise jedoch nicht
unter Verwendung von C1-Massa-lateralis-Schrauben nur eine Verbesserung der Sicherheit der gegenwärtigen
und C2-Schrauben, die entweder im Pedikel, in die Pars OP-Techniken bieten, sondern auch die Entwicklung von
intraarticularis oder die Lamina platziert werden, haben neuen Fixationsmethoden erlauben.
sich in den meisten Fällen – im Vergleich zu der äußerst
rigiden aber weniger schonenden transartikulären
Schraubentechnik – als biomechanisch gleichwertig er-
wiesen.
140 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

Ergebnisse und Komplikationen gebenden Darstellung immer noch häufig übersehen. Das
frühe Erkennen und die zeitnahe operative Stabilisierung
Das Ergebnis bei Patienten, die eine Verletzung der obe- dieser Verletzung verbessern durch den Schutz vor einer
ren HWS erlitten haben, ist häufig stärker von den be- neurologischen Verschlechterung das Ergebnis. Bei ver-
gleitenden intrakraniellen Verletzungen abhängig als von zögerter Diagnosestellung dieser instabilen Verletzungen
der Wirbelsäulenverletzung. Die Komorbidität der Pa- ist eine sekundäre neurologische Verschlechterung mit
tienten führt bei vergleichbaren Verletzungen zu unter- möglicher Todesfolge bei bis zu 75 % der Patienten be-
schiedlichen Ergebnissen. Des Weiteren führt die große schrieben worden (61). Diese inakzeptabel hohe Zahl un-
Bandbreite von Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick terstreicht die Notwendigkeit der initialen CT-Diagnostik
auf die realistisch erreichbaren klinischen Ergebnisse zu dieser Verletzungen.
einer zusätzlichen Verwirrung. Das Wissen von spezi-
fischen Problemen, die bei gewissen Verletzungstypen Atlasfrakturen
bestehen, ist jedoch der erste notwendige Schritt zur Mi-
nimierung ihres Auftretens. Schwere Komplikationen, die mit einer isolierten Atlas-
fraktur verbunden sind, sind selten. Mit Ausnahme von
Verletzungsspezifische Ergebnisse und Schmerzen oder Gefühlsstörungen in den Versorgungs-
gebieten der Okzipitalnerven, sind neurologische Folgen
Komplikationen
selten. Falls neurologische Folgen vorliegen, sind diese
6 Okzipitale Kondylenfrakturen wahrscheinlich mit Begleitverletzungen verbunden. Pa-
tienten mit posterioren Wirbelbogenfrakturen heilen
Über die mit okzipitalen Kondylenfrakturen verbundene komplett oder mit geringen persistierenden Symptomen
Morbidität ist wenig bekannt (58). Das Ergebnis hängt aus. Eine Osteoarthrose der oberen HWS kann als Folge
vermutlich vom Vorliegen verschiedener Komorbiditäten einer dislozierten Massa-lateralis-Fraktur auftreten. Mi-
wie z. B. begleitenden Kopfverletzungen ab. Das Ergebnis nimal dislozierte Massa-lateralis-Frakturen oder Jeffer-
von Typ-III-Frakturen wird besser in der folgenden Dis- son-Berstungsfrakturen, die konservativ behandelt wur-
kussion über das Ergebnis von kraniozervikalen Disloka- den, sind mit einer Inzidenz von 80 % für bleibende Na-
tionen abgebildet. Obwohl die Inzidenz der posttrauma- ckenschmerzen und 17 % für die Entwicklung einer
tischen Arthrose unbekannt ist, ist das Gesamtergebnis Pseudarthrose verbunden (20). Welches Dislokationsaus-
vom Vorliegen oder Fehlen der Symptome einer posttrau- maß der oberen HWS-Gelenke toleriert werden kann,
matischen Arthrose wie Nackenschmerzen, okzipitalen ohne zur Entstehung einer posttraumatischen Arthrose
Kopfschmerzen oder eingeschränkter kraniozervikaler zu führen, ist unbekannt. Schwere Pseudarthrosen nach
Beweglichkeit abhängig. Aus einer chronischen atlantook- instabilen Atlasfrakturen, die zu einem schmerzhaften
zipitalen Subluxation kann ein Schiefhals resultieren. In Schiefhals führen, wie z. B. nach einer stark dislozierten
bis zu einem Drittel der Fälle ist außerdem ein Zusam- Massa-lateralis-Fraktur, können eine Wiederherstellung
menhang zwischen okzipitalen Kondylenfrakturen und des Alignementes und eine C0/C2-Fusion erfordern
Schädigungen der benachbarten Hirnnerven (IX, X, XI (Abb. 6.23).
und XII) beschrieben worden (59, 60).
Atlantoaxiale Instabilität
Kraniozervikale Dissoziation
Traumatische Insuffizienz des Lig. transversum. Akute
Die meisten kraniozervikalen Dissoziationen verlaufen traumatische Rupturen des Lig. transversum atlantis –
tödlich. Bei Überlebenden hängt das Ergebnis von folgen- mit Ausnahme von Bandverletzugen unter axialer Kraft-
den Aspekten ab: einleitung und damit verbundener dislozierter Atlasfrak-
■ vom Typ und der Schwere der begleitenden Verletzun- tur – verlaufen üblicherweise tödlich (62). Bei den weni-
gen, besonders von geschlossenen Schädelverletzun- gen Überlebenden können trotz initial unauffälliger neu-
gen, rologischer Untersuchungsbefunde schwere neurologi-
■ von der Schwere der neurologischen Verletzung, sche Langzeitdefizite vorliegen (63). Aufgrund des Schä-
■ von der Zeitdauer zwischen der Diagnosestellung der delanpralls und des dadurch verursachten Mechanismus
kraniozervikalen Dissoziation und der operativen Sta- einer erzwungenen Flexion oder Translation des C1 ge-
bilisierung. genüber des C2 werden häufig begleitende Schädelverlet-
zungen gefunden, die das Ergebnis vermutlich überwie-
Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Überlebenden gend beeinflussen (18, 62). Durch eine Verletzung des
eher geringer dislozierte oder auch spontan reponierte vertebrobasilären arteriellen Systems können Synkopen
Verletzungen aufweisen und neurologische Defizite in und Schwindel hervorgerufen werden.
geringerer Häufigkeit vorliegen. Unter anderem aus die- Patienten mit knöchernen Avulsionsverletzungen Typ II
sen Gründen werden kraniozervikale Dissoziationen des Lig. transversum atlantis entwickeln in 26 % der Fälle
trotz greifbarer Fortschritte in der neurologischen bild- nach konservativer Behandlung eine Instabilität (13). Bei
Ergebnisse und Komplikationen 141

a b 6

c d

Abb. 6.23 Die knöcherne Nichtvereinigung einer Massa-late- b Die koronare CT-Schicht zeigt die knöcherne Fehlstellung mit
ralis-Fraktur des Atlas mit kraniozervikaler Fehlstellung. seitlicher Verschiebung der rechten Massa lateralis. Dies führt
a A.–p. Röntgendarstellung einer 47-jährigen Frau, die eine zur direkten Verbindung der rechten okzipitalen Kondyle mit
Massa-lateralis-Fraktur von C1 rechts erlitt und konservativ be- der Massa lateralis von C2.
handelt wurde. Sie entwickelte eine zunehmende Verkippung c A.–p. Röntgenaufnahmen, die nach Durchführung einer Kor-
und Rotation in der kraniozervikalen Verbindung. rekturosteotomie mit posterior instrumentierter kraniozervika-
ler Arthrodese durchgeführt wurden.
d Seitliche Röntgenaufnahmen nach Korrekturosteotomie.

Patienten mit verzögertem Auftreten einer atlantoaxialen pression und kraniale Ausdehnung der Fusion bis zum
Instabilität, wie sie auf Flexions-/Extensions-Röntgen- Hinterhaupt erforderlich machen.
untersuchungen nachgewiesen werden können, oder bei Im seltenen Fall einer Ruptur des Lig. transversum at-
Patienten mit schmerzhafter atlantoaxialer Arthrose, wie lantis mit begleitender Densfraktur, kann aufgrund der
sie auf CT-Untersuchungen gezeigt werden können, muss hohen Wahrscheinlichkeit einer bleibenden C1/C2-Insta-
eine C1/C2-Fusion in Erwägung gezogen werden. Im Fall bilität – auch bei einer erfolgreichen Ausheilung der
lang bestehender und nicht reponierbarer Deformitäten Densfraktur – die Indikation zur frühen C1/C2-Stabilisie-
kann die operative Behandlung eine begleitende Dekom- rung gestellt werden (64).
142 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

Atlantoaxiale Distraktion. Die Prognose bezüglich der Er- Die konservative Behandlung von Typ-III-Densfraktu-
gebnisse und Komplikationen bei diesem Verletzungs- ren in einem Halo-Fixateur führt zu Pseudarthroseraten
muster sind am besten durch den vorhergehenden Ab- zwischen 9 und 13 % (5, 22). Frakturverschiebungen
schnitt über die Ergebnisse bei kraniozervikalen Dissozia- ≥ 4 mm oder Angulationen ≥ 10° sind mit Pseudarthrose-
tionen dargestellt. raten von 22 – 54 % verbunden (5, 24, 65). Wenn eine
operative Stabilisierung einer Typ-III-Densfraktur durch-
Densfrakturen geführt wird, sollte dies in Form einer atlantoaxialen Fi-
xation erfolgen, da bei Densschraubenfixationen äußerst
Densfrakturen sind mit einer erheblichen Morbidität und hohe Versagerraten (55 %) berichtet wurden (28).
auch Mortalität verbunden. Die häufigsten Ursachen für Obwohl Rückenmarksverletzungen bei Frakturen der
Komplikationen sind Pseudarthrosen und übersehene oberen HWS im Vergleich zur unteren HWS und BWS
Verletzungen. Primär neurologische Verletzungen oder seltener sind, stellen Typ-II-Densfrakturen die häufigste
sekundäre Verschlechterungen treten bei einer Densfrak- nichtdistraktive Frakturfrom der oberen HWS dar, die
tur selten auf (43). Sekundäre neurologische Verschlech- mit einer primär neurologischen Verletzung assoziiert
terungen sind meistens Folge von Pseudarthrosen bei ist. Neurologische Verletzungen treten bei Typ-II-Dens-
Typ-II-Densfrakturen (43). Das Vorliegen einer frakturen in 18 – 25 % der Fälle auf (5, 22). Die Schwere
Denspseudarthrose wird definiert als fehlende knöcherne der neurologischen Verletzung reicht dabei von isolierten
Überbrückung nach einer Zeitdauer von 4 Monaten nach Hirnnervenverletzungen bis zu Paraplegie.
6 Behandlungsbeginn (65). Bei Vorliegen eines Os odonto- Mit Frakturen der oberen HWS ist eine beträchtliche
ideum handelt es sich in den meisten Fällen tatsächlich Mortalitätsrate verbunden. Die hohe Gesamtmortalitäts-
um eine Pseudarthrose von Typ-I- oder Typ-II-Densfrak- rate scheint in erster Linie mit dem hohen Anteil älterer
turen (22). Patienten, bei denen diese Frakturen auf eine fortschrei-
Typ-I-Frakturen sind selten. Aufgrund der geringen tende Gebrechlichkeit hinweisen, verbunden zu sein. Da
Zahl beschriebener Fälle (5, 66) und dem Fehlen einer diese Frakturen im Allgemeinen im Rahmen von Hoch-
begleitenden kraniozervikalen Instabilität sind wenige rasanztraumen entstehen, besteht jedoch auch bei an-
Komplikationen oder verbliebene Symptome nach kon- sonsten gesunden Patienten eine hohe Mortalitätsrate.
servativer Therapie mittels externer Ruhigstellung be- Die für ältere Patienten mit Typ-II-Densfrakturen beste-
schrieben worden. hende Mortalitätsrate beträgt 27 – 42 % (8, 67, 70).
Typ-II-Densfrakturen haben unabhängig von der Art In einer Studie konnte die Mortalitätsrate nach Etab-
der konservativen Behandlung eine hohe Pseudarthose- lierung eines Protokolls zur frühen operativen Stabilisie-
rate. Ohne Ruhigstellung wurde bei Typ-II-Frakturen ein rung auf 0 % reduziert werden (8). Bei Verletzungen der
Risiko von 100 % für eine Pseudarthrose festgestellt (5, oberen HWS wird die frühe operative Stabilisierung und
66). Nach konservativer Behandlung mit einer Zervikal- Ruhigstellung in einer Zervikalstütze als allgemein bevor-
stütze oder einem Halo-Fixateur wurden Pseudarthose- zugte Behandlungsstrategie in dieser Altersgruppe be-
raten zwischen 15 und 85 % beschrieben (5, 22, 65). Die trachtet (8, 70).
Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche konservative
Behandlung ist die Aufrechterhaltung einer weitest- Traumatische Spondylolisthese des Dens axis
gehend anatomischen Frakturreposition ohne Distraktion (Hangman-Fraktur)
(5, 67). Eine Translationsverschiebung über 20 %, wie sie
auf Denszielaufnahmen oder seitlichen Röntgenaufnah- Obwohl Frakturen des Axis in 25 – 71 % unmittelbar am
men gesehen werden kann, weist bei einer Typ-II-Dens- Unfallort zum Tod führen, beträgt die später eintretende
fraktur auf eine nicht ausreichende Frakturoberfläche für Mortalität nach Hangman-Frakturen nur 2 – 3 % (66).
eine erfolgreiche knöcherne Heilung hin (68). Von vielen Neurologische Verletzungen, die mit diesem Frakturtyp
möglichen prädisponierenden Risikofaktoren für eine auftreten, wurden bei 3 – 10 % der Patienten festgestellt
Pseudarthrose ist eine Frakturverschiebung von (31, 33). Das Risiko für eine neurologische Verletzung
4 – 5 mm am häufigsten beschrieben worden (5, 65, 66). wurde bei Typ-III-Verletzungen aufgrund der bestehen-
Andere Risikofaktoren für eine Pseudarthrose sind ein den Facettengelenksdislokation mit einer Inzidenz von
Patientenalter über 60 Jahre, eine Frakturangulation von bis zu 60 % beschrieben (7). Bei Typ-Ia-Frakturen beste-
über 9° und eine verzögerte Behandlungsdurchführung hen, aufgrund der Spinalkanalkompression, welche ver-
(4, 27, 67, 68). mutlich durch die Frakturdislokation bei diesem untypi-
Eine Pseudarthrose nach Densschraubenosteosynthese schen schrägen Frakturtyp auftritt, in 33 % der Fälle be-
wurde – bei einer perioperativen Gesamtkomplikations- gleitende Rückenmarksverletzungen (s. Abb. 6.15). Typ-
rate von bis zu 28 % – bei 10 % der Patienten beschrieben Ia-Verletzungen weisen aufgrund der Foramen-transver-
(27, 29). Bei C1/C2-Fusionen wurden unter Verwendung sum-Beteiligung auch ein höheres Maß an A.-vertebralis-
von transartikulären Schrauben und drahtgestützten Verletzungen auf (32). Eine erfolgreiche Ausheilung von
Knochenspantransplantaten Pseudarthroseraten von traumatischen Spondylolisthesen des C2 wird bei 95 %
≤ 4 % berichtet (5, 26, 69). der Patienten erreicht (31). Selbst bei Vorliegen einer Dis-
Ergebnisse und Komplikationen 143

lokation der Pars interarticularis wird dies häufig durch Behandlungsspezifische Ergebnisse und
konservative Therapiemaßnahmen erreicht. Die Prognose
Komplikationen
wird durch begleitende obere HWS-Verletzungen (15 %),
subaxiale Verletzungen (23 %) oder Schädelverletzungen Knöcherner Zug und Halo-Weste
stärker beeinflusst als durch die C2-Fraktur selbst. Frak-
turen des Typs Ia, IIa und III stellen aufgrund ihrer atypi- Komplikationen der knöchernen Zugbehandlung beinhal-
schen Frakturorientierung oder ihrer dazugehörigen liga- ten lokale Komplikationen oder systemische Beschwer-
mentären Verletzungskomponente eine größere Behand- den, die in einer verlängerten Rekonvaleszenz resultie-
lungsherausforderung dar. ren. Lokale Komplikationen beinhalten die Pin-Infektion,
Eine symptomatische posttraumatische Degeneration den Fixationsverlust, die okzipitale Druckstellenbildung,
der C2/C3-Gelenkverbindungen – welche möglicherweise die durale Pin-Penetration und das Hervorrufen einer
eine Arthrodese erfordert – tritt bei ca. 10 % der Patienten Schädelfraktur. Systemische Komplikationen, die mit
auf. Sie entsteht häufiger bei Typ-I-Verletzungen, da die einem verlängerten knöchernen Zug verbunden sind,
meisten Patienten mit Typ-II-Verletzungen zu einer fort- können das Auftreten von Atemwegseinschränkungen,
schreitenden, spontanen ventralen Ankylose neigen (23). Thromboembolien, Dekubitalulzera und septischen
Dies kann erklären, warum Patienten mit dislozierten Krankheitsbildern beinhalten (72). Die pharmakologische
Verletzungen trotz der häufig fehlenden knöchernen Hei- Thromboembolieprophylaxe ist bei Patienten mit akuten
lung selten Langzeitbeschwerden entwickeln. Patienten, Wirbelsäulenverletzungen mit einem erhöhten Risiko
deren Frakturen in starker Kyphose ausheilen, haben von epiduralen Hämatomen verbunden. Trotz fehlender 6
möglicherweise Schwierigkeiten bei der Nackenextensi- Daten, die eine erhöhte Inzidenz von medizinischen
onsbewegung. Komplikationen beschreiben, sind verlängerte Traktions-
Symptomatische Pseudarthrosen sind ungewöhnlich. behandlungen bei Verletzungen der oberen HWS zuneh-
Bei Typ-I-Frakturen beinhaltet die operative Behandlung mend unpopulär geworden. Der vernünftige Gebrauch
entweder die direkte Osteosynthese mit interfragmentä- eines zervikalen Zugs bleibt daher unter gewissen Gege-
rer Kompression der Pars-interarticularis-Fraktur über benheiten eine valide Behandlungsoption. Bei älteren Pa-
einen posterioren Zugang oder die C2/C3-Arthrosdese tienten ist eine verlängerte Traktionsbehandlung mit
über einen ventralen Zugang (33). Bei Typ-II-Verletzun- einer erheblichen Morbidität verbunden und daher we-
gen ist die ventrale Fusion aufgrund der größeren Defor- niger wünschenswert (8).
mität und der Dislokation üblicherweise besser als eine Halo-Westen sind mit relativ hohen Komplikations-
direkte Osteosynthese geeignet. raten verbunden. Dies beinhaltet den Repositionsverlust
bei 46 % der Patienten, Druckstellen bei 11 % und durale
Gefäßverletzungen Pin-Penetrationen bei 1 % der Patienten. Als Pinkomplika-
tionen treten Pin-Lockerungen bei 36 % der Patienten, In-
Bei Verletzungen der oberen HWS sind Gefäßverletzun- fektionen bei 20 % der Patienten, Schmerzen an der Pin-
gen nicht selten. Die Inzidenz ist unklar und hängt von Stelle bei 18 % der Patienten und entstellende Narben bei
den verwendeten diagnostischen Maßnahmen ab (12, 9 % der Patienten auf. Beim älteren Patienten ist mit der
71). Eine Ruptur der A. vertebralis sollte bei allen distrak- Verwendung von Halo-Westen ein erhöhtes Auftreten
tiven Verletzungen der oberen HWS wie z. B. einer atlan- von pulmonalen Komplikationen verbunden (8). Trotz
toaxialen Dislokation oder bei Patienten mit atlantoaxia- dieser Komplikationsraten verbleibt der Halo-Fixateur
len Rotations-/Subluxationen Typ III oder Typ IV in Be- für eine Vielzahl von oberen HWS-Verletzungen eine
tracht gezogen werden. Zusätzlich sollten A.-vertebralis- mögliche Behandlungsoption.
Verletzungen bei jeder dislozierten Fraktur mit Betei-
ligung der Querforamina in Erwägung gezogen werden. Kraniozervikale Fusion
Trotz des sehr nahen Verlaufs der A. vertebralis zur obe-
ren Lamina des posterioren Atlasrings sind Atlasringfrak- Die kraniozervikale Dissoziation verläuft in der Vielzahl
turen selten mit einer lokalen A.-vertebralis-Verletzung der Fälle tödlich, was nur wenige Beschreibungen über
verbunden. Erzwungene Hyperflexionsverletzungen wie die Behandlungsergebnisse erlaubt. Bei Knochenspan-
z. B. eine nach ventral dislozierte Typ-III-Densfraktur kön- anlagerung und nichtrigider Fixierung (Verdrahtung)
nen die A. vertebralis unversehrt lassen, aber zu einer sind Pseudarthroseraten von bis zu 23 % beschrieben wor-
Thrombose der Carotiden führen. den (73–76). Unter isolierter Knochenspananlagerung,
was implantatassoziierte Komplikationen verhindert,
aber eine aggressive postoperative Ruhigstellung erfor-
dert, ist eine 89 %ige Fusionsrate beschrieben worden.
Die Ruhigstellung erfordert dann eine Zangentraktion
am Schädel im Liegen, das Tragen einer Minerva-Jacke
oder eines Halo-Fixateurs (77). Die Knochenspananlage-
rung mit alleinigen Drahtcerclagen führte zu verbesser-
144 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

ten Fusionsraten (75) aber hatte den Nachteil einer eher Posteriore Drahttechniken sind bei Verletzungen, bei
langen postoperativen externen Ruhigstellung. Kompli- denen der Atlas in Bezug zum Axis nach posterior dis-
ziert wurde dies außerdem durch Drahtbrüche bei 78 % loziert ist, ineffektiv. Bei diesen Verletzungen führt eine
der Patienten (78) und Spätfrakturen des Knochenspans posteriore Verdrahtung eher zu einer Verstärkung als zu
bei bis zu 15 % der Patienten (79). Diese Probleme wurden einer Korrektur der Deformität.
durch initiales Setzen einer Drahtschleife über dem ein- Da posteriore Verdrahtungen keine rigide Fixation er-
gebrachten Knochenspan minimiert (80, 81). möglichen und sie für posterior dislozierte Densfrakturen
Die Verwendung von rigiden Fixationssystemen mit nicht geeignet sind, wurden bei posterioren Knochen-
Platten oder Stäben und Schrauben hat die Pseudarthro- spananlagerungen und alleiniger Drahttechnik Repositi-
seraten auf unter 6 % verbessert (74, 76). Rigide kraniale onsverluste berichtet. Vornehmlich während der Draht-
Fusionstechniken unter Verwendung von Schrauben- und platzierung können – wenn auch selten – Rückenmarks-
Plattenkonstruktionen mit okzipital und sublaminär ver- verletzungen auftreten. Dies kann verhindert werden,
drahteten Knochenspantransplantaten haben trotz Ein- wenn die Drähte erst nach Erreichen der kompletten Re-
beziehung von weniger Bewegungssegmenten (82) – position eingebracht werden (5).
ohne Auftreten eines Implantatversagens oder der Not-
wendigkeit von instabilitätsbedingten Revisionseingriffen
Transartikuläre Schrauben
– zu Fusionsraten von annähernd 100 % geführt. Mögliche
technische Probleme beinhalten die Fehlreposition, was Die Einführung von transartikulären Schrauben hat ein
6 zu einer Verschlechterung der neurologischen Sympto- größeres Maß der atlantoaxialen Stabilität ermöglicht
matik führen kann und die mögliche Penetration des in- und ist in der Behandlung von Verletzungen der oberen
neren Kortex des Schädels, was Verletzungen der neura- HWS praktisch unverzichtbar geworden (44, 53, 84). Nach
len oder vaskulären Strukturen zur Folge haben kann. Die transartikulärer Schraubenfixation – üblicherweise in
größere Herausforderung in der Behandlung der über- Kombination mit einer posterioren Knochenspananlage-
lebenden Patienten mit einer kraniozervikalen Dissozia- rung und Drahttechnik – sind Fusionsraten von nahezu
tion besteht zum einen im Erkennen dieser radiologisch 100 % beschrieben worden (26, 69). Die Hauptprobleme
oft zarten, aber hoch instabilen Verletzungen und zum dieser Technik beziehen sich auf die Möglichkeit einer
anderen in der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Schraubenfehlpositionierung, was zu Verletzungen der
Stabilität – zum Schutz der neurologischen Funktion – A. vertebralis, des Rückenmarks, des N. hypoglossus und
während der initialen präoperativen Behandlungsphase. der A. carotis führen kann.
Diese Phase beinhaltet auch die Reanimation und Ganz- Die Nähe der A. vertebralis zum transartikulären
körperuntersuchung bei diesen im Allgemeinen polytrau- Schraubenweg hat zu einer berichteten klinischen Inzi-
matisierten Patienten. Im Vergleich zu den Patienten mit denz von A.-vertebralis-Verletzungen zwischen 0 und 6 %
einer verzögerten Diagnosestellung, bei denen eine neu- geführt. Dies wiederum ist mit dem Risiko unmittelbarer
rologische Verschlechterung mit einer Inzidenz von ca. neurologischer Defizite von 0,2 % und einer Mortalität
40 % aufgetreten ist, hat sich die frühe posteriore kranio- von 0,1 % verbunden (38, 86, 87). Sollte eine Verletzung
zervikale Stabilisierung als deutlich überlegen dargestellt der A. vertebralis vermutet werden, kann eine lokale Hä-
(82a). mostase mit Knochenwachs oder Platzierung der trans-
artikulären Schraube auf der betroffenen Seite erreicht
werden. Es sollte jedoch kein Versuch zur Platzierung
Posteriore atlantoaxiale Fusion der kontralateralen transartikulären Schraube unternom-
men werden. Postoperativ kann durch eine selektive an-
Knochenspantransplantat und Verdrahtung
giografische Embolisation eine zufriedenstellende Hä-
Obwohl Drahttechniken eine sichere direkte Methode der mostase erreicht werden und das Auftreten einer arterio-
atlantoaxialen Stabilisierung darstellen, treten Pseudar- venösen Fistel oder eines embolischen Ereignisses ver-
throsen trotz der Verwendung eher rigider ergänzender hindert werden.
externer Ruhigstellungsmethoden in bis zu 25 % der Fälle Ausgedehnte Bohrerpenetrationen durch den anterio-
auf (46, 83). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, ren Kortex des Atlas können zu Verletzungen der A. ca-
dass durch die alleinige posteriore Verdrahtung keine Ro- rotis interna und des N. hypoglossus führen (26). Es ist
tationskräfte und in einigen Fällen auch keine Translati- unwahrscheinlich, dass eine Verletzung der A. carotis in-
onskräfte neutralisiert werden können (65, 84). Eine an- traoperativ erkannt wird. Eine ausgedehnte retropharyn-
dere beschriebene Komplikation ist die Ausdehnung der geale Weichteilschwellung – wie sie auf seitlichen HWS-
Fusion bis zum Hinterhaupt (85). Nach dem Einzug von Röntgenaufnahmen gesehen werden kann – kann zur Di-
modernen inneren Fixationstechniken verbleiben die agnosestellung führen. Die angiografisch unterstützte
Drahttechniken jedoch sinnvolle unterstützende Maß- Embolisation – gefolgt von Verschlussversuchen mit
nahmen zur Stabilisierung und Sicherung von Knochen- einem intraarteriellen Ballonsystem – kann zur lokalen
spantransplantaten (86). Blutungskontrolle eingesetzt werden. Diese Komplikatio-
nen können vermieden werden, indem berücksichtigt
Ergebnisse und Komplikationen 145

wird, dass der anteriore Kortex der Massa lateralis von C1 akzeptable transartikuläre Schraubenrichtung unsicher
in der seitlichen Röntgenuntersuchung im Durchschnitt oder technisch unmöglich ist. Bislang wurden über die
7 mm hinter der am weitesten ventral projizierten Be- Verwendung dieser Technik nur kleine nichtkontrollierte
grenzung des C1-Wirbelbogens liegt. Durch die Auswer- Fallserien veröffentlicht. Verglichen zur transartikulären
tung der axialen Schichten des Atlas kann dies bereits Schraubentechnik zeigen sich dabei gleichwertige Fusi-
präoperativ abgeschätzt werden (51). ons- und Lockerungsraten (17, 45, 55).
Mittels transartikulärer Schraubenfixationen wurden
Fusionsraten von über 95 % berichtet. Ein frühes Implan- Ventraler Zugang
tatversagen ist ungewöhnlich und basiert üblicherweise
auf einem Schraubenausbruch entweder im Atlas oder im Die Risiken des ventralen operativen Zugangs beinhalten
Schraubenschaftbereich innerhalb des Axis. Anatomische neurologische Verletzungen sowie Verletzungen des Öso-
Variationen des Patienten wie z. B. ein sehr enger und phagus, der Trachea oder der Gefäßstrukturen. Es handelt
gebogener Isthmus können einen begrenzten Schrauben- sich um relativ seltene Ereignisse, welche bei weniger als
halt innerhalb des Axis begünstigen. In ähnlicher Weise 5 % der Patienten auftreten. Schluckstörungen sind als
kann eine unzureichende zephaläre Bohrrichtung zu Folge des ventralen Zugangs relativ häufig und treten in
einem limitierten Schraubenhalt am anterioren Unter- der oberen HWS möglicherweise häufiger auf als in der
rand der Massa lateralis des C1 führen. Späte Implantat- unteren HWS (40, 41, 56, 90). Die gewählte Zugangsseite
versagen können aus einer Pseudarthrose – wobei die zur oberen HWS scheint auf die Verletzungshäufigkeit
operative Lösung in einer posterioren Revision der atlan- des N. recurrens laryngeus keinen Einfluss zu nehmen. 6
toaxialen Fusion, der okziptozervikalen Fusion oder der
ventralen atlantoaxialen Arthrodese bestehen kann – re- Ventrale Densschraubenfixation
sultieren (39, 41, 88). Die Entfernung von gebrochenen
distalen transartikulären Schrauben ist normalerweise Die Ergebnisse der ventralen Densschraubenfixation sind
nicht notwendig und unpraktikabel. in der Literatur sehr unterschiedlich beschrieben. Obwohl
Die Nähe der C2-Nervenwurzel zum posterioren Isth- einige größere Untersuchungsreihen – unabhängig vom
mus des Atlas führt zu einer erhöhten Verletzungsgefahr Patientenalter und der Knochenqualität – exzellente Er-
während der posterioren C1/C2-Facettengelenksarthro- folgsraten mit Heilungsraten bei annährend 90 % der Pa-
dese. Die resultierenden Symptome von okzipitaler Taub- tienten, die innerhalb von 6 Monaten nach dem Unfall
heit oder Dysästhesie sind jedoch nur selten (26, 69). behandelt wurden, gezeigt haben (28, 91, 92), haben an-
Nach einer erfolgreichen C1/C2- Arthrodese kann ein dere Untersuchungsreihen höhere Komplikationsraten –
Verlust der Kopfrotationsfähigkeit von ca. 50 % vorherge- insbesondere Fixationsverluste bei Patienten mit Osteo-
sagt werden (89). Obwohl dies zu einem gewissen Grad porose – gezeigt (93). Zusätzlich zur Knochenqualität
zu einer funktionellen Verschlechterung führt, sind die scheint die Schräge der Fraktur in der Sagittalebene in
daraus resultierenden funktionellen Konsequenzen in ventraler Richtung, die der beabsichtigten Schrauben-
diesem Patientenkollektiv nicht gut dokumentiert. richtung entspricht, mit geringeren Heilungsraten (75 %)
verbunden zu sein (28). Patienten mit ventral dislozierten
Densfrakturen stellen im Vergleich zu posterior dislozier-
C1-Massa-lateralis-Schrauben und
ten Densfrakturen generell die größere operative Heraus-
C2-Pedikelschrauben
forderung zur Densschraubenfixation dar. Eine fehlende
Die Fixation, die einzelne Schrauben in der Massa latera- anatomische Reposition oder das Nichterreichen einer
lis von C1 mit den intraartikulären Schrauben von C2 interfragmentären Kompression verschlechtern die Effek-
verbindet, ist zunehmend beliebter geworden. Dies be- tivität der Densschraubenfixation erheblich.
gründet sich vermutlich darin, dass diese Technik im Ver- Bei Densschraubenfixationen sind Hauptkomplikati-
gleich zur transartikulären Schraubenfixation eine grö- onsraten von bis zu 28 % berichtet worden (25, 27–29,
ßere Vielseitigkeit aufweist (45). Diese Konstruktion zeig- 37). Als Hauptkomplikationen werden überwiegend im-
te sich im Vergleich zu transartikulären Schrauben mit plantatbezogene Komplikationen (10 %) und oberflächli-
zusätzlichem posterioren Knochenspan und Verdrahtung che Wundinfektionen (2 %) beschrieben (28). Die implan-
als biomechanisch gleichwertig. Die Hauptvorteile dieser tatbezogenen Komplikationen bestehen bei Patienten mit
Technik beziehen sich auf die Verwendung der C2-Pedi- Typ-III-Densfrakturen zur Hälfte aus Schraubenlockerun-
kelschrauben. Die Schraubenrichtung ist leichter erreich- gen im C2-Wirbelkörper, was die Frage aufwirft, ob diese
bar und es besteht im Vergleich zu den transartikulären Technik bei derartigen Densfrakturen geeignet ist. Eine
Schrauben ein geringeres Risiko für eine Verletzung der zweite häufig gesehene implantatbezogene Komplikation
A. vertebralis. Diese Stabilisierungsmethode ist besonders ist das Zurückwandern der Densschraube. Dies tritt über-
als Alternative zur transartikulären Schraubenfixation wiegend dann auf, wenn die Schraubenspitze im apikalen
wertvoll. Dies gilt vor allem dann, wenn aufgrund eines Kortex des Dens keinen ausreichenden Halt findet. Ein
abweichenden Verlaufs der A. vertebralis, anatomischer Versagen der Schraubenfixation kann katastrophale Kon-
Gegebenheiten oder lagerungsbedingter Faktoren eine sequenzen haben, wie ein Bericht über das Auftreten
146 6 Verletzungen der oberen Halswirbelsäule

einer Tetraplegie mit Todesfolge aufgrund einer Fraktur- Ventrale Bandscheibenresektion und Fusion
dislokation nach Fixationsverlust aufzeigt (28). In ande- von C2/C3
ren Situationen ist über ähnliche Folgen nach einer Dens-
schraubenfixation berichtet worden (91). Eine dritte im- Da die operative Versorgung einer traumatischen Spon-
plantatbezogene Komplikation bezieht sich auf die dylolisthese des Axis selten notwendig ist, gibt es nur
Schraubenfehllage. Die Versagerrate von Densschrauben- wenige Berichte über die Behandlungsergebnisse der
fixationen ist bei Verwendung 1 Schraube gegenüber 2 ventralen C2/C3-Bandscheibenresektion und Fusion
Schrauben vergleichbar hoch (28, 37, 94). Andere tech- unter traumatischen Bedingungen. Eine Studie mit 5 Pa-
nische Fehler beinhalten einen übertrieben ventralen tienten (35) beschreibt die komplikationsfreie Durchfüh-
Schraubeneintrittspunkt, dies führt zum Aufbrechen rung dieser Technik bei traumatischen Spondylodesen
einer schmalen ventralen Knochenschuppe im Axis, wel- des Dens-axis-Typ-II mit begleitender oberer HWS-Ver-
che dem Schraubenschaft keinen ausreichenden Halt bie- letzung. Es wurde hierzu ein trikortikaler Knochenspan,
tet. Wenn ein System mit durchbohrten Schrauben ver- eine ventrale Plattenosteosynthese und die anschließen-
wendet wird, sollte darauf geachtet werden, dass die de externe Ruhigstellung in einem Halo-Fixateur durch-
Drahtspitze des Führungsdrahts nicht über die Densspit- geführt. Die Patienten, die neurologische Defizite aufwie-
ze läuft. Intraoperative Rückenmarks- und Hirnnerven- sen, zeigten eine postoperative Erholung.
verletzungen sind, wenn auch selten, beschrieben wor- Die mit diesem Verfahren verbundenen Komplikatio-
den (27, 29). Es ist aus der Literatur ersichtlich, dass für nen betreffen den gut beschriebenen ventralen Zugang
6 dieses komplexe operative Vorgehen eine beträchtliche zur oberen HWS (56), die Gefahr einer Pseudarthrose
Lernkurve besteht (5, 27). oder eines Fixationsverlusts, wobei die Häufigkeit dieser
Obwohl die Verzögerung der operativen Versorgung in Komplikationen schlecht dokumentiert ist. Zugänge zur
einem Zeitfenster von bis zu 6 Monaten die Frakturver- oberen HWS scheinen ein höheres Risiko für atemwegs-
einigung nicht zu beeinflussen scheint, ist der therapeu- bezogene Probleme zu haben (56). Aufgrund der gerin-
tische Effekt einer ventralen Schraubenfixation bei lange gen Patientenzahl ist ein Vergleich zu den posterioren
bestehenden Denspseudarthrosen schlecht. So ist in einer Zugängen nicht möglich. Die Mandibula behindert häufig
Studie mit 18 Patienten, die aufgrund einer Pseudarthose die operative Darstellung des ventralen oberen Nacken-
in einem Zeitraum zwischen 18 und 48 Monate nach dem bereichs und erhöht zusätzlich die Komplexität des Ver-
Unfallereignis operiert wurden, eine Heilungsrate von fahrens. Die Probleme, die bei einer ventralen Fusion von
25 % berichtet worden (28). Die implantatbezogene Kom- C2/C3 berichtet worden sind, sind in erster Linie tech-
plikationsrate von 25 % bestand in dieser Patientengruppe nischer Natur. Dies umfasst das Erreichen einer ausrei-
hauptsächlich aus Schraubenbrüchen. Dies entspricht chenden ventralen Dekompression, einer geeigneten
früheren Erfahrungsberichten über Densschraubenfixa- Knochenspanpositionierung und einer stabilen nicht auf-
tionen bei Pseudarthrosen (27). tragenden Platzierung der Instrumentierung. Prominente
Bei der Platzierung ventraler Densschrauben sind Implantate können zu problematischen Schwellungen
Komplikationen, wie bereits für den Smith-Robinson-Zu- und sogar zu Erosionen des Ösophagus führen und soll-
gang beschrieben, aufzuführen. Es handelt sich hierbei ten daher vermieden werden. Als häufige Komplikatio-
um ösophageale und neurovaskuläre Verletzungen, nen dieses Verfahrens in der Behandlung von traumati-
Schluckstörungen und pharyngeale Ödeme (27, 28, 91, schen Spondylolisthesen des Axis sind das Auftreten
95). eines Horner-Syndroms, subokzipiale Schmerzen sowie
Technische Überlegungen, die möglicherweise die Ver- damit verbundene degenerative Veränderungen von C2/
wendung einer Densschraubenfixation ausschließen, be- C3 berichtet worden (34).
inhalten in erster Linie physische Charakteristika, die Da in bis zu 20 % der Fälle ein atypischer Verlauf der A.
eine akzeptable Schraubenrichtung nicht erlauben. Dies vertebralis vorliegt, ist – bevor eine transartikuläre
umfasst z. B. eine prominente thorakale Kyphose, einen Schraubenfixation von C1/C2 durchgeführt wird – eine
Fassthorax sowie Frakturcharakteristika die eine Flexi- sorgfältige Auswertung der präoperativen CT-Bildgebung
onshaltung des Kopfes zur Aufrechterhaltung einer ak- entscheidend.
zeptablen Reposition erfordern.
Literatur 147

Merke

■ A.-vertebralis-Rupturen sollten bei jeder Distraktionsverlet- ■ Typ-II-Densfrakturen haben – wenn sie ohne Ruhigstellung
zung der oberen HWS, bei Patienten mit atlantoaxialen behandelt werden – ein 100 %iges Risiko für eine Pseudar-
Rotations-Subluxationen-Typ-III und -IV, sowie bei dislozier- throse. Die initiale Ruhigstellung erfolgt entweder in einer
ten Frakturen mit Beteiligung des Foramen transversum festen Zervikalstütze oder einem Halofixateur und resul-
ausgeschlossen werden. tiert in Pseudarthroseraten zwischen 15 und 85 %. Von
■ Jede okzipitale Kondylenfraktur sollte als mögliche Kom- vielen möglichen prädisponierenden Risikofaktoren für
ponente einer kraniozervikalen Dissoziation und damit als eine Pseudarthrose ist eine Frakturverschiebung von
potenziell instabil betrachtet werden. 4 – 5 mm am häufigsten beschrieben worden.
■ Die Integrität des LTA ist bei Verletzungen des Atlas der ■ Im Gegensatz zum vorigen Punkt ist die konservative Be-
primäre Stabilitätsfaktor. Zeichen einer LTA-Insuffizienz handlung von Typ-III-Densfrakturen in einem Halo-Fixateur
bestehen in knöchernen Avulsionen, Erweiterungen der mit Pseudarthroseraten zwischen 9 und 13 % verbunden.
Massa lateralis auf Röntgen- oder CT-Untersuchungen ■ Aufgrund der hohen Versagerrate einer ventralen Dens-
und Bandrupturen in der MRT-Untersuchung. schraubenfixation ist bei Typ-III-Densfrakturen die poste-
■ Typ-II-Densfrakturen sind die häufigsten nichtdistrahierten riore C1/C2-Arthrodese die operative Behandlung der
Verletzungen der oberen HWS, welche zu einer primären Wahl.
neurologischen Verletzung führen. Die Häufigkeit neuro- ■ Die direkte Osteosynthese von Typ-II-Hangman-Frakturen
logischer Verletzungen bei Typ-II-Densfrakturen variiert berücksichtigt nicht die damit verbundene Verletzung der 6
zwischen 18 und 25 %. Die Schwere reicht von isolierten C2/C3-Bandscheibe.
Hirnnervenverletzungen bis zur Paraplegie.

Inhalt der DVDs

Video 6-1 (DVD 1) Posteriore Instrumentierung und Fusion Video 6-2 (DVD 1) ORIF einer Densfraktur. Dieser Patient
von C1/C3. Dieser Patient erlitt eine nicht reponierbare Sub- erlitt eine Typ-II-Densfraktur und wurde mittels offener Re-
luxationsfraktur von C1/C2. Die Behandlung bestand aus position und innerer Fixierung durch eine Plattenosteosyn-
einer posterioren Instrumentierung und Fusion von C1 auf these behandelt.
C3 mit Massa-lateralis-Schrauben auf Höhe C1.

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150 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule


J. C. France
Übersetzer: C. Dehner, F. Gebhard

Verletzungen der unteren Halswirbelsäule können für Während der Phase des spinalen Schocks (innerhalb der
den traumatisierten Patienten gravierende Folgen haben, ersten 24 – 48 h) kann die Verletzung noch nicht sicher
und es bleibt in der Verantwortlichkeit aller in der Trau- als komplett bezeichnet werden. Die Wahrscheinlichkeit
maversorgung Beteiligten sicherzustellen, dass diese Ver- der neurologischen Erholung ist jedoch kleiner als 3 %,
letzungen korrekt festgestellt und behandelt werden. Da wenn innerhalb der ersten 24 h keine Anzeichen einer
die anatomischen Gegebenheiten der Halswirbelsäule in distalen neurologischen Funktion oder perianalen Sensi-
den unteren Segmenten C3/C7 im Wesentlichen identisch bilität festzustellen sind (2, 3). Ein inkomplettes neurolo-
sind, sind auch die Unfallmuster in diesen Segmente ver- gisches Defizit kann sich als isoliert erhaltene perianale
gleichbar und können zusammen diskutiert werden. Dies Sensibilität mit intakter Fußflexionsfähigkeit darstellen.
unterscheidet sich von der oberen Halswirbelsäule (Okzi- Dies bedeutet, dass das Potenzial für eine neurologische
put bis C2), in der jedes Segment einzigartig ist und kom- Regeneration besteht. Inkomplette neurologische Defizite
plett unterschiedliche Verletzungen bedingt. Der Großteil können weiter in verschiedene Verteilungsmuster unter-
der bestehenden Literatur über Verletzungen der unteren teilt werden. Am häufigsten ist das zentrale Rückenmark-
Halswirbelsäule ist von schlechter methodischer Qualität. syndrom (Contusio spinalis), welches typischerweise
Es können daher keine Standardtherapien festgesetzt durch eine periphere Krafteinleitung auf das Rückenmark
7
werden, sondern nur Richtlinien gegeben werden (1). hervorgerufen wird, was zu einer Kompression des zen-
Dies sollte beim Lesen dieser Thematik stets beachtet tralen Rückenmarks führt. Die einwirkenden Kräfte sind
werden. im zentralen Rückenmark am größten, was in einem ty-
pischen, durch die anatomische Anordnung der spinalen
Bahnen erklärten Verletzungsmuster resultiert. Da die
Unfalleinschätzung und Klassifikation zervikalen Anteile weiter zentral lokalisiert sind und
sich die sakralen Bahnen weiter in der Peripherie befin-
Verletzungen der unteren Halswirbelsäule können an- den, sind die oberen Extremitäten stärker betroffen als
hand der knöchernen Strukturen, der Anatomie, des Un- die unteren Extremitäten. Die Prognose, eine gehfähige
fallmechanismus, der Art der neurologischen Verletzung Funktion wiederzuerlangen, ist relativ gut. Vordere Rü-
oder durch die Kombination dieser Kriterien klassifiziert ckenmarksyndrome betreffen die anterior gelegenen
werden. Jede dieser Klassifikationen hat ihre spezielle Bahnen des Rückenmarks, die hinteren Säulen ausspa-
Bedeutung, und sie können auch zusammen verwendet rend, sodass der Vibrationssinn, die Propriozeption und
werden, um eine präzise Darstellung einer Verletzung zu die Tiefenwahrnehmung bewahrt bleiben. Die motori-
ermöglichen und zur Entwicklung eines individuellen Be- schen Funktionen sind neben der Schmerz- und Tem-
handlungsplans zu führen. Einer der Hauptfaktoren ist peraturwahrnehmung am stärksten betroffen. Das Rege-
der neurologische Status des Patienten. Wenn bei einem nerationspotenzial ist hier gering, da die Ursache für
Patienten ein neurologisches Defizit besteht, kann dieses diese Syndrome oft eine Durchblutungsstörung ist. Hin-
weiter in komplett oder inkomplett unterteilt werden. tere Rückenmarksyndrome stellen im Wesentlichen das
Diese Unterscheidung beeinflusst sowohl die Therapie- Gegenteil zu den vorderen Rückenmarksyndromen dar
entscheidung als auch das zeitliche Vorgehen der Be- und sind eine relativ seltene Verletzungsfolge. Sind iso-
handlung. Besteht ein komplettes neurologisches Defizit, liert die hinteren Säulen betroffen, ist dies möglicherwei-
kann definitionsgemäß unterhalb der Verletzungshöhe se durch eine Krafteinleitung im Rahmen einer Lamina-
keine motorische oder sensorische Funktion bestehen. fraktur verursacht worden. Brown-Sequard-Syndrome
Jede erkennbare motorische oder sensorische Funktion sind aufgrund der anatomischen Erklärung für das resul-
unterhalb der Verletzungshöhe führt zur Definition tierende neurologische Verletzungsmuster interessant.
eines inkompletten Defizits. Da sich die Höhe der neuro- Die motorische Funktion ist auf der gleichen Seite wie
logischen Verletzung von der Höhe der knöchernen Ver- der Unfall beeinträchtigt, während die Schmerz- und
letzung unterscheiden kann, ist häufig direkt kaudal der Temperaturwahrnehmung auf der Gegenseite der Verlet-
knöchernen Verletzung eine neurologische Funktion zu zung geschädigt ist. Dies erklärt sich durch die Tatsache,
erkennen und die neurologische Schädigung trotzdem dass sich die Nervenfasern der motorischen Bahnen im
als komplett zu betrachten. Zusätzlich kann eine intakte Bereich des Hirnstamms proximal der Verletzung kreu-
Sensibilität im Schulterbereich den neurologischen Status zen, während die Nervenfasern der Schmerz- und Tem-
verschleiern, da weiter kranial gelegene Nervenwurzeln peraturempfindung sich unmittelbar vor Erreichen der
der Halswirbelsäule dieses Gebiet mitversorgen können. Nervenwurzel kreuzen. Diese Verletzung resultiert am
Unfalleinschätzung und Klassifikation 151

Distraktion/Flexion Distraktion Distraktion/Extension

Flexion Extension

Flexion/Kompression Kompression Extension/Kompression

Abb. 7.1 Mechanisch orientierte Allen-Ferguson-Klassifikation von subaxialen HWS-Frakturen (Chapman JR, Anderson PA. Cervical
spine trauma. In: Frymoyer J, ed. The Adult Spine: Principles and Practice. 2nd ed. Philadelphia: Lippincott-Raven; 1997:1270).

häufigsten durch penetrierende Verletzungen, aber kann tienten einzuschätzen, wie z. B. in der Frankel-Klassifika-
auch nach stumpfer seitlicher Krafteinwirkung auf das tion (4).
Rückenmark auftreten. Zuletzt sind Verletzungen der ■ Funktionslevel A entspricht dem kompletten Verlust

Nervenwurzeln aufzuführen, die sich von den o. g. in- der sensorischen und motorischen Funktion unterhalb
kompletten Querschnittsyndromen dahingehend unter- der Verletzungshöhe.
scheiden, dass nur die untere Motoneuronenfunktion be- ■ Level B ist definiert durch den Erhalt der sensorischen

teiligt ist, was ein verbessertes Regenerationspotenzial Funktion ohne motorische Funktion unterhalb der Ver-
bedingt. letzungshöhe.
Eine weitere neurologisch basierte Klassifikationsmög- ■ Level C ist definiert durch eine gebrauchsunfähige mo-

lichkeit besteht darin, den funktionellen Status des Pa- torische Funktion unterhalb der Verletzungshöhe.
152 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

■ Level D ist bestimmt durch eine gebrauchsfähige sen- reich der mittleren Halswirbelsäule (z. B. C3/C4) eher zu
sorische und motorische Funktion unterhalb der Ver- einer Facettengelenksdislokation oder einem Bandschei-
letzungshöhe. benvorfall als zu einer Berstungs- oder Teardrop-Fraktur
■ Level E entspricht der normalen motorischen und sen- (vorderer unterer Kantenbruch des Wirbelkörpers als
sorischen Funktion unterhalb der Verletzungshöhe. Zeichen einer Ruptur des vorderen Längsbands bei Flexi-
onstrauma), welche in der unteren Halswirbelsäule häu-
Eine mechanisch orientierte Klassifikation wurden durch figer auftreten würde (7). Zusätzlich können Rotations-
Allen et al. entwickelt und basiert auf der retrospektiven kräfte, die oft nicht ausreichend berücksichtigt werden,
Untersuchung von 165 Verletzungen der Halswirbelsäule eine wichtige Rolle für das Frakturmuster spielen (8).
(Abb. 7.1; 5). Die Autoren beschrieben 6 Verletzungsmus- Auch können verschiedene Krafteinflüsse innerhalb des-
ter entsprechend der eingenommenen Haltung der Hals- selben Patienten zusammentreffen. So kann z. B. ein
wirbelsäule zum Verletzungszeitpunkt (z. B. Flexion oder Sturzereignis, das zu einem Kopfaufprall führt, den Na-
Zug) und der überwiegenden Art der entstehenden Fehl- cken in eine Flexionsstellung zwingen und gleichzeitig
haltung (z. B. Kompression oder Distraktion). Diese Klas- durch Drehung des Rumpfes eine Rotationskomponente
sifikation ist relativ kompliziert und schließt eine mecha- beinhalten.
nisch basierte Interpretation der statischen Röntgenbil- Die bekannteste in der Literatur verwendete Klassifika-
der ein. Die Behandlung kann basierend auf der Umkeh- tion ist die einfache Frakturbeschreibung basierend auf
rung des Verletzungsmechanismus abgeleitet werden der Pathoanatomie. Typische Verletzungsmechanismen
und impliziert eine Stabilisierung in derartiger Weise, beinhalten dislozierte Facettengelenksfrakturen (unilate-
dass eine Reproduktion der destabilisierenden Kräfte ver- ral oder bilateral), axiale Verletzungen (Kompressions-
hindert wird. So resultiert z. B. eine Flexions-/Distrakti- frakturen, Teardrop-Frakturen, Berstungsfrakturen) und
onsverletzung in einer Ruptur der posterioren Bänder Extensionsfrakturen (Teardrop-Avulsionsfrakturen, Dorn-
7
und Facettengelenke und kann sich bei ausreichend gro- fortsatzfrakturen, Massa-lateralis-Frakturen). Mit dieser
ßen Kräften bis auf den posterioren Anulus der Band- Klassifikation sind jedoch die Feinheiten jeder dieser be-
scheibe ausdehnen. Wenn das posteriore Längsband rup- sonderen Frakturgruppen schwierig zu unterscheiden, ob-
turiert ist, besteht die logische Therapiemaßnahme in der wohl dies wichtige Auswirkungen für die Therapieauswahl
Wiederherstellung des Längsbands über einen posterio- haben kann. So sind z. B. Facettengelenksdislokationen, die
ren Zugang. Dennoch korreliert der Verletzungsmecha- mit einer Fraktur der oberen oder unteren Facette verbun-
nismus nicht immer mit dem resultierenden Frakturmus- den sind, instabiler als Facettengelenksdislokationen ohne
ter. Torg et al. (6) werteten die US-amerikanische Natio- Begleitfraktur. Die Reposition kann daher zwar leichter
nal Football Head and Neck Injury Registry aus und fan- erreicht werden, aber auch leichter wieder verloren gehen.
den, dass gleiche Verletzungsmechanismen abhängig von Dies kann Auswirkungen auf die Auswahl eines anterioren
der Verletzungshöhe in verschiedenen Frakturtypen re- oder posterioren Zugangs haben, was später diskutiert
sultieren. So führt z. B. eine axiale Krafteinleitung im Be- werden soll. Es wurde versucht, die neurologischen und

Abb. 7.2
a Ein älterer Patient, bei dem das initiale
Röntgenbild fälschlicherweise als negativ
interpretiert wurde.
b Er erlitt nach Entfernung der Zervikal-
stütze eine bilaterale Facettengelenksdis-
lokation. Die degenerativen Veränderun-
gen erschwerten die Interpretation der
Röntgenbilder, und der Verlust der Elasti-
zität führte zu einer rigideren Wirbel-
säule, was das Auftreten einer Fraktur
erleichterte.

a b
Unfalleinschätzung und Klassifikation 153

morphologischen Klassifikationen zu korrelieren, doch ist Schwimmeraufnahme oder Schrägaufnahmen (erhält


dies für den einzelnen Patienten bislang von begrenztem man leichter durch Rotation der Röntgenröhre als durch
Wert (9). Drehung des Patienten) benutzt werden (11). Eine Viel-
zahl von radiologischen Zeichen wie z. B. die „leere Facet-
te“ wurden als Hilfsmittel zur Diagnose und Charakteri-
Bildgebung
sierung der Verletzung beschrieben (12, 13). Mehr als
Zur korrekten Klassifizierung einer Verletzung ist eine 90 % der Verletzungen können primär durch die konven-
geeignete radiologische Bildgebung notwendig (10). tionelle Röntgendiagnostik entdeckt werden (14). In der
A.–p., seitlich und Denszielaufnahmen sind für das initia- unteren Halswirbelsäule und dem zervikothorakalen
le Screening allgemein akzeptiert. Zur besseren Visuali- Übergang kann die Visualisierung jedoch schwierig sein
sierung des zervikothorakalen Übergangs können eine und die Durchführung einer Computertomografie (CT)

a b

Abb. 7.3
a Rein ligamentäre Verletzungen können auf dem initialen
seitlichen Röntgenbild übersehen werden, wenn die Rönt-
genuntersuchung bei regelrechtem Alignement der Wirbel-
säule durchgeführt wurde.
b Die Instabilität kann auf einem seitlichen Flexionsröntgen-
bild entdeckt werden.
c Oder mithilfe einer sagittalen Schichtaufnahme in der
Kernspintomografie festgestellt werden.

c
154 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

zur kompletten Evaluation erforderlich machen (15). Wahrscheinlichkeit einer Bandscheibenruptur, verbun-
Massa-lateralis-Frakturen (16–19) und Frakturen bei den mit einer Facettengelenksdislokation vor und nach
schweren degenerativen Veränderungen (20) sind in der Reposition, zu bestimmen (34). 2 der 11 Patienten hatten
radiologischen Routinediagnostik schwierig zu visualisie- bereits vor der Reposition einen Bandscheibenvorfall. 9
ren. Um bei diesen Traumapatienten mit Nackenschmer- der 11 Patienten wurden erfolgreich unter geschlosse-
zen trotz normal erscheinender radiologischer Bilder nem Zug reponiert und bei 5 der 9 Patienten wurde
feine Frakturen erkennen zu können, ist eine CT-Unter- eine Bandscheibenruptur nach Reposition festgestellt.
suchung notwendig (21). Spiral-CT-Untersuchungen bie- Ein Patient erlitt eine neurologische Verschlechterung.
ten eine vorzügliche Lösung für sagittale und koronare Schließlich kann die MRT-Untersuchung der Halswirbel-
Rekonstruktionen und sind die Bildgebung der Wahl. Spi- säule beim bewußtlosen Patienten hilfreich sein. Unter
ral-CT-Untersuchungen sind zur Unterteilung der Fraktu- diesen Umständen sollte eine MRT-Untersuchung eine
ren in stabile und instabile Verletzungen erforderlich inverse Rekonstruktion oder fettgesättigte T2-Sequenzen
(22). Größte Vorsicht muss beim älteren Patienten mit beinhalten und in einem engen zeitlichen Rahmen durch-
spondylitischen Veränderungen geübt werden, da dies geführt werden, um Ödeme und die Bandrupturen sicht-
zu einer starren Wirbelsäule führen kann. Obwohl diese bar zu machen (35). Andere Diagnosemöglichkeiten be-
Frakturen atypisch und radiografisch eher unauffällig inhalten beim unauffälligen Patienten die dynamische
sind, können sie instabil sein und damit das Risiko für Röntgenuntersuchung während der Distraktions- und
eine spätere neurologische Kompression beinhalten Flexions-/Extensionsbewegung. Der Zeitpunkt der Unter-
(Abb. 7.2; 23). Auch wenn eine Fraktur in der konventio- suchung und die entsprechende Informationsverarbei-
nellen Röntgenuntersuchung identifiziert wurde, wird tung werden weiter kontrovers diskutiert (36).
eine CT-Untersuchung zur weiteren Analyse der Fraktur
empfohlen (24, 25). Wenn eine HWS-Fraktur identifiziert
7
ist, dann sind a.–p. und seitliche Röntgenaufnahmen von
der Brust- und Lendenwirbelsäule indiziert, um Begleit- Konservative Behandlung
frakturen – welche in 6,4 % der Patienten auftreten – aus-
zuschließen (26). Bei Patienten, bei denen die Durchfüh- Viele Verletzungen der unteren Halswirbelsäule werden
rung einer Kernspintomografie(MRT)-Untersuchung konservativ behandelt. Das Spektrum der konservativen
nicht möglich ist, kann eine Myelografie notwendig wer- Behandlung reicht vom Belassen therapeutischer Maß-
den, um den Spinalkanal bezüglich eines Bandscheiben- nahmen bis zur Halo-Fixateur-Ruhigstellung. So sind
prolaps oder eines epiduralem Hämatoms zu unter- z. B. Dornfortsatz- und Querfortsatzfrakturen stabil und
suchen (27, 28). einer einfachen Ruhigstellung in einer steifen Zervikal-
Die Bedeutung des MRT in der Bestimmung von HWS- stütze für 6 Wochen zugänglich oder ermöglichen sogar
Verletzungen nimmt ständig zu. Es ist für die Beurteilung die Behandlung mit einer weichen Zervikalstütze oder
der Bänder, Bandscheiben und neurologischen Struktu- bewusstem Therapieverzicht. Man muss sich jedoch be-
ren sehr geeignet (29). Bei einer kleinen Gruppe von wusst sein, dass Dornfortsatzfrakturen häufiger durch
Patienten bestehen bei unauffälliger initialer konventio- einen Flexionsmechanismus (37) auftreten können als
neller Röntgendiagnostik ligamentäre Verletzungen bei Extensionsbewegung, aktivem Muskelzug (38, 39)
(Abb. 7.3; 30, 31). Das Ausmaß der Instabilität oder Ver- oder direkter Krafteinwirkung (38). Wenn die Flexions-
letzung kann bei diesen Patienten nur mit riskanten bewegung den Verletzungsmechanismus darstellt, kann
Funktionsaufnahmen in Flexions- und Extensionsstel- zusätzlich eine ausgeprägtere posteriore Bandverletzung
lung, klinischen Folgeuntersuchungen – welche den vorliegen, welche möglicherweise zu einer instabilen Si-
Nachweis der Verletzung mit zeitlicher Verzögerung er- tuation führt und ein aggressives therapeutisches Vor-
bringen – (eine ungünstige Weise der Diagnosestellung) gehen – unter Umständen auch eine operative Stabilisie-
oder eben einer MRT-Untersuchung bestimmt werden. rung – notwendig macht (Abb. 7.4). Zur Unterscheidung
Diese Patienten können jung sein, mit einer ansonsten einer Flexionsverletzung von einer eher „gutartigen“ Ex-
normal erscheinenden Wirbelsäule oder älter, mit fort- tensionsverletzung können sowohl dynamische Flexi-
geschrittenen degenerativen Veränderungen, welche die ons-/Extensions-Röntgenuntersuchungen als auch eine
vorliegenden Bandschäden maskieren. In der zweiten MRT-Untersuchung verwendet werden. Isolierte Fraktu-
Gruppe sind die Bandstrukturen rigide und verhalten ren durch das Foramen transversum sind normalerweise
sich eher wie eine Fraktur als wie eine ligamentäre Rup- gutartig und werden bis zum Ausschluss einer weiteren
tur. Die Rolle der MRT-Untersuchungen in der Bestim- Instabilität durch Ruhigstellung in einer Zervikalstütze
mung von Facettengelenksdislokationen ist etabliert behandelt, bevor die Behandlung anschließend symptom-
(32). Vaccaro et al. verwendeten MRT-Untersuchungen, orientiert fortgeführt werden kann. Man muss sich je-
um das Ausmaß der ligamentären Schädigung, verbun- doch immer bewusst sein, dass bei dieser Frakturform
den mit unilateralen und bilateralen Facettengelenksdis- die A. vertebralis mit verletzt sein kann (40). Ein Angio-
lokationen, zu zeigen (33). Die MRT-Untersuchungen MRT kann hier hilfreich sein.
wurden außerdem bei 11 Patienten verwendet, um die
Konservative Behandlung 155

a b c
7
Abb. 7.4 Eine atypische Dornfortsatzfraktur, aufgetreten an b Die sagittale T2-gewichtete MRT-Schicht zeigt eine Ruptur
der Basis des Dornfortsatzes und verbunden mit einer poste- des posterioren Anulus der Bandscheibe und ein Anreiche-
rioren Bandverletzung sowie einer Ruptur des posterioren Anu- rungssignal im Bandscheibenfach, was auf eine erhebliche Fle-
lus. xionsverletzung hinweist.
a Die seitliche Röntgenuntersuchung der HWS zeigt eine C6- c Diese Feststellungen implizieren eine Flexionskomponente
Fraktur an der Basis des Dornfortsatzes. und können eine operative Stabilisierung rechtfertigen.

Teardrop-Frakturen sind typischerweise geringere Ex- tus des Patienten. Wenn eine Rückenmarksverletzung be-
tensionsverletzungen, bei denen ein kleines Knochen- steht, muss angenommen werden, dass die knöcherne
fragment aus dem anteroinferioren Bereich des Wirbel- Verletzung instabil ist und der Patient operativ stabili-
körpers durch den Anulus herausgeschlagen wird. Diese siert werden muss.
Frakturen werden mit einer Ruhigstellung für 6 Wochen Bei einer isolierten Nervenwurzelverletzung ist bei zu
in einer Zervikalstütze behandelt. Gelegentlich kann die erwartender Wiederherstellung des Defizits eine konser-
Hyperextension stärker ausgeprägt sein und in einer Hy- vative Behandlung möglich. Wenn die Fraktur nicht oder
perextensionsdislokation resultieren (41). Diese Verlet- nur geringfügig disloziert ist und die Nervenwurzelver-
zungen sind oft assoziiert mit weiteren Gesichtsverlet- letzung bereits beim Aufprallereignis auftrat, so ist die
zungen. Die Teardrop-Avulsionsverletzung darf nicht ver- externe Ruhigstellung in einer festen Zervikalstütze,
wechselt werden mit der schwerwiegenderen Teardrop- einem Brace wie z. B. einem sternookzipitalmandibulären
Fraktur, welche aus einem Kompressions-Flexions-Me- Immobilizer (SOMI) oder einem Philadelphia-Kragen
chanismus resultiert (Abb. 7.5). Die letztgenannte Verlet- möglich. Dies erfordert allerdings engmaschige radiologi-
zung wird auch als eine „viereckige“ Fragmentfraktur be- sche Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss einer se-
zeichnet. Dies verdeutlicht das Vorliegen einer sehr viel kundären Dislokation. Wenn die vorliegende Frakturdis-
instabileren Verletzung, welche nur selten konservativ lokation zum Hervorrufen einer Neuroforamenkompres-
behandelt wird. Abgrenzende radiologische Kriterien für sion geeignet ist und eine bleibende Nervenwurzelkom-
eine Teardrop-Fraktur beinhalten ein größeres anterior- pression hervorrufen kann, dann sollte eine operative
inferiores Fragment (eher einen Block als einen Splitter), Behandlung in Erwägung gezogen werden. Eine derartige
eine posteriore Rückversetzung der kranialen Wirbelsäu- Frakturdislokation stellt oft ein Rotationsproblem dar,
le, eine Aufweitung der Facettengelenke und eine charak- welches durch Zug reduziert werden kann, aber selbst
teristische sagittale Spaltbildung im Wirbelkörper (42, bei Immobilisation in einem rigiden Halo-Fixateur zur
43). Eine MRT-Untersuchung bringt hier Klarheit. Redislokation neigt (44).
Massa-lateralis-Frakturen variieren in der Schwere und Im Falle einer Facettengelenksdislokation spielt die
können vielfach erfolgreich konservativ behandelt wer- konservative Therapie – besonders bei bilateralen Facet-
den. Der erste Faktor, welcher in der Therapieentschei- tengelenksdislokationen – nur eine geringe Rolle. Dies
dung betrachtet werden muss, ist der neurologische Sta- erklärt sich dadurch, dass die posterioren Bandverletzun-
156 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

a b c

Abb. 7.5 b Dies steht im Gegensatz zu der schwerwiegenderen Tear-


a Eine Teardrop-Avulsionsfraktur ist eine relativ gutartige Ver- drop-Fraktur
letzung, die durch eine schmale Knochenschuppe im anterior- c mit einem größeren Knochenstück am anterior-inferioren
inferioren Bereich des Wirbelkörpers repräsentiert ist. Wirbelkörper, Rückschlagen des kranialen Wirbelkörperanteils
und sagittaler Spaltbildung in der Computertomografie.
7
in einem Halo-Fixateur therapiert wurden, eine klinische
Stabilität erreicht werden. Interessanterweise korrelierte
ein schlechtes anatomisches Ergebnis nicht immer mit
einem schlechten klinischen Ergebnis (44). Selbst die Ver-
letzungen, die stabil ausgeheilt waren, zeigten schlechte
klinische Ergebnisse. Die Ausnahme zu dieser Verall-
gemeinerung stellen möglicherweise die unilateralen Fa-
cettengelenksdislokationen dar. Gelegentlich findet man
bei Patienten, die anamnestisch eine unbehandelte Na-
ckenverletzung aufweisen, eine alte unilaterale Facetten-
gelenksdislokation (Abb. 7.6). Da die gegenüberliegende
Facettengelenkskapsel intakt ist, neigt das dislozierte Fa-
cettengelenk dazu, sich in seiner neuen Position zu ver-
riegeln, was zu einer relativen Stabilität führt. Solange die
knöcherne Integrität verbleibt, können diese Patienten
asymptomatisch sein und fallen möglicherweise erst
auf, wenn sie eine neue Verletzung erlitten haben oder
die Abklärung von chronischen Nackenschmerzen erfolgt.
Eine spontane Fusion des verletzten Facettengelenks
kann auftreten. Tatsächlich haben in der Vergangenheit
die Behandlungsoptionen darin bestanden, die Facetten-
gelenksdislokation einfach zu belassen oder die Disloka-
tion durch eine externe Ruhigstellung zu reduzieren.
Abb. 7.6 Ausgeheilte unilaterale Facettengelenksdislokation
bei einem asymptomatischen Patienten, der sich mit einer un- Diese Vorgehensweise ist aber wahrscheinlich mit einer
abhängigen zweiten Wirbelkörperfraktur vorstellte. höheren Inzidenz von chronischen Schmerzen verbun-
den.
Auch Frakturen, die durch eine axiale Krafteinleitung
gen keine, für die Wiederherstellung der strukturellen resultieren wie z. B. Kompressions-, Berstungs- und Tear-
Stabilität der Wirbelsäule, ausreichende Heilungstendenz drop-Frakturen bieten die Möglichkeit für eine konser-
zeigen. Bei diesen Verletzungen ist die rezidivierende vative Behandlung (Abb. 7.7). Die chirurgische Behand-
Dislokation trotz rigider äußerer Ruhigstellung in einem lung ist eher angebracht, wenn eine Rückenmarksverlet-
Halo-Fixateur in der Literatur beschrieben (45, 46). In zung vorliegt. Wenn keine Rückenmarksverletzung be-
einer Studie (44) konnten bei nur 44 % der Facettenge- steht, bestimmt der Grad der knöchernen und ligamen-
lenksdislokationen (unilateral ähnlich wie bilateral), die tären Verletzung, wie aggressiv die Behandlung sein soll-
Indikationen zur operativen Therapie 157

a b c
7
Abb. 7.7 logische Folgen, wurde die HWS mit einem Minerva-Brace er-
a Der Patient stellte sich 4 Tage nach einem Unfall mit Nacken- folgreich ruhig gestellt. Die Flexions-/Extensions-Röntgenauf-
schmerzen vor. Das seitliche Röntgenbild zeigt eine axiale Tear- nahmen zeigen nach 6 Monaten die Stabilität der HWS.
drop-Kompressions-Flexions-Fraktur. Da er bereits 4 Tage un- b Flexionsröntgenaufnahme 6 Monate nach dem Unfall.
eingeschränkt mobil war, ohne Frakturdislokation oder neuro- c Extensionsröntgenaufnahme 6 Monate nach dem Unfall.

te. Die Definition der Stabilität kann unter diesen Um- der Halo-Fixateurgruppe (11,4° gegenüber 3,5°) feststel-
ständen schwierig sein. White u. Panjabi versuchten die len. Es gelang ihnen aber nicht, die größere verbliebene
Halswirbelsäuleninstabilität mithilfe eines numerischen Deformität mit einem schlechteren klinischen Ergebnis
Systems zu definieren (47). Dieses numerische System zu korrelieren. Bei 4 der 24 Patienten wurde jedoch eine
bewertet dabei verschiedene, mit der Verletzung assozi- chirurgische Intervention notwendig, da es entweder zu
ierte Faktoren. Wenn eine umschriebene posteriore einem Verlust des Alignements oder zu einer neurologi-
Bandverletzung in Verbindung mit einer anterioren knö- schen Verschlechterung gekommen war.
chernen Verletzung besteht, dann ist die operative Be-
handlung angebracht. Gelegentlich ist eine derartige Ver-
letzung bereits in der konventionellen Röntgenunter-
Indikationen zur operativen Therapie
suchung oder CT-Untersuchung ersichtlich. Eine MRT-
Untersuchung kann bei verbliebenen ungeklärten Fra-
Allgemeine Indikationen
gestellungen hilfreich sein. Die konservative Behandlung
sollte nur durchgeführt werden, wenn das Ausmaß der Die Ziele der operativen Behandlung sind im Wesentli-
Deformität auf den initialen Röntgenaufnahmen akzepta- chen die gleichen wie bei der konservativen Behandlung:
bel ist, da durch eine externe Ruhigstellung das Korrek- Erreichen der Stabilität, Wiederherstellung und Aufrecht-
turergebnis nach longitudinalem Zug nur sehr unwahr- erhaltung des Wirbelsäulenalignementes, Dekompression
scheinlich aufrechterhalten werden kann. Da diese Frak- und Schutz neurologischer Strukturen sowie Minimie-
turen zur Ausbildung einer Kyphose neigen, sollte jede rung von Langzeitschmerzen. Die operative Behandlung
externe Maßnahme auf eine gute Extensionsunterstüt- sollte in Betracht gezogen werden, wenn es unwahr-
zung und rigide Abstützung abzielen. Kadaverstudien scheinlich ist, dass diese Ziele durch ein konservatives
haben gezeigt, dass die Spinalkanalkompression mit Po- Vorgehen erreicht werden können. Obwohl die Indikati-
sitionierung in Kompression und unter Zug zunimmt und onsstellung zur operativen Therapie sich auf den Fraktur-
damit ein höheres Risiko für die neuralen Strukturen be- typ und den neurologischen Status des Patienten fokus-
dingt (48). Daher besteht in der Verwendung eines SOMI siert, sollte man auch weitere Faktoren, wie z. B. das Al-
oder Halo-Fixateurs die beste Option. Im direkten Ver- ter, vorbestehende medizinische Probleme, die Körper-
gleich zwischen der Verwendung eines Halo-Fixateurs haltung, Begleitverletzungen, die Patienten-Compliance
und einer ventralen Korporektomie mit Stabilisation und die Patientenerwartungen, mit in Betracht ziehen.
konnten Fisher et al. (49) eine größere Restkyphose in
158 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

Während die Stabilität durch das Ausheilen einer knö-


Neurologisches Defizit
chernen Verletzung eventuell erreicht werden kann,
Ein neurologisches Defizit stellt die häufigste Indikation bleibt bei überwiegend ligamentären Verletzungen häu-
zur operativen Versorgung dar. Wenn man eine neurolo- fig eine Instabilität bestehen.
gische Verletzung betrachtet, sollte man bestimmen, ob
es sich um einen Rückenmarksschaden oder eine Nerven-
Facettengelenksdislokation
wurzelläsion handelt. Rückenmarksverletzungen können
weiter unterteilt werden in inkomplette oder komplette Aufgrund des Ausmaßes der ligamentären Verletzung ist
Läsionen. Wenn ein neurologisches Defizit isoliert eine es erwiesen, dass die operative Stabilisierung bei bilate-
Nervenwurzel betrifft, dann ist die Indikationsstellung ralen Facettengelenksdislokationen erforderlich ist (50).
zur Operation weniger stark gegeben. Da die Nervenwur- Kontroverser wird die Behandlung bei einseitigen Facet-
zel einem unteren Motoneuron entspricht, ist das Poten- tengelenksdislokationen diskutiert. Nach erfolgreicher
zial zur Regeneration auch bei konservativer Behandlung Reposition ist eine unilaterale Facettengelenksdislokation
größer als bei Rückenmarksverletzungen. Wenn ein Ner- stabiler als eine bilaterale Dislokation. Auch eine beglei-
venwurzeldefizit bei einer nichtdislozierten oder mini- tende Fraktur entweder oberhalb oder unterhalb des Fa-
mal dislozierten Wirbelkörperfraktur auftritt, sollte die cettengelenks bestimmt die Stabilität nach Reposition.
konservative Behandlung in Erwägung gezogen werden. Wenn eine Facettengelenksfraktur besteht, wird eine Re-
Eine Ausnahme besteht dann, wenn die knöcherne Ver- dislokation leichter auftreten. Wenn die Reposition be-
letzung instabil ist und durch kontinuierliche Frakturbe- reits durch leichten Zug möglich ist, wird eine Redisloka-
wegungen eine wiederholte neurale Schädigung möglich tion ebenfalls wieder leichter auftreten. Im Vergleich zur
ist. Wenn die neurologische Verletzung das Rückenmark extremen Flexion kann die Dislokation bereits früher bei
mitbetrifft, ist generell davon auszugehen, dass die damit geringerer Flexion durch eine anteriore Translation der
7
verbundene knöcherne Verletzung instabil ist. Auch unteren Facette über die obere Facette auftreten. Ohne
wenn eine entscheidende Komponente der neurologi- Vorliegen einer Fraktur ist das reponierte Facettengelenk
schen Verletzung während des Zeitpunkts des Aufpralls häufig akzeptabel stabil, und spontane Fusionen treten
auftritt, verbleibt oft eine Restkompression des Rücken- tatsächlich in ca. 50° der Fälle auf (51). Dies kann auch
marks, und das Risiko sich wiederholender neuraler Ver- für eine nichtreponierte einseitige Facettengelenksdis-
letzungen – aufgrund der knöchernen Instabilität – ist lokation zutreffen. Wenn eine einseitige Facettengelenks-
hoch. Die operative Intervention ist daher indiziert, um dislokation geschlossen reponiert wird, kann sie instabi-
die verbliebene Restkompression auf das Rückenmark zu ler als vor Reposition sein (52), was möglicherweise eine
reduzieren und eine weitere Schädigung zu verhindern. operative Behandlung erforderlich macht. Beyer et al. ver-
Diese Prinzipien gelten für alle Verletzungen der unteren glichen Patienten, die konservativ durch eine Halo-Fixa-
Halswirbelsäule, aber die Vorgehensweise zum Erreichen teur-Ruhigstellung behandelt wurden, mit Patienten, die
dieser Ziele variiert mit dem Verletzungsmuster. So kann eine posteriore Fusion erhielten (51, 53). Sie fanden, dass
z. B. eine neurologische Dekompression bei einer Facet- bei nur 25 % der Halo-Fixateur-Patienten die anatomische
tengelenksdislokation durch Zug zum Realignement der Reposition erreicht und aufrecht erhalten werden konnte,
knöchernen Strukturen initial konservativ erreicht wer- verglichen mit 60 % der operativ behandelten Patienten.
den. Durch die sich anschließende operative Stabilisie- Als Ergebnis hieraus war die Häufigkeit von chronischen
rung wird dann die Redislokation und damit ein weiterer Schmerzen in der konservativen Gruppe höher. Die ope-
neurologischer Schaden verhindert. Dies unterscheidet rative Fusion ist bei diesen Patienten zur Minimierung
sich vom Vorgehen bei einer Berstungsfraktur mit Frag- der chronischen Schmerzen indiziert (53–55). Die Auto-
mentverschiebung nach posterior in das Rückenmark. ren bevorzugen unter der Annahme fehlender relevanter
Unter diesen Umständen besteht durch Zug nur eine be- Begleitumstände die operative Stabilisierung von einsei-
grenzte Möglichkeit der Rückenmarksdekompression. tigen Facettengelenksdislokationen.
Eine komplette Dekompression kann nur operativ durch
direktes Entfernen des Knochenfragments aus dem Spi-
Berstungs- und Teardrop-Frakturen
nalkanal erreicht werden.
Da Berstungs- und Teardrop-Frakturen häufig das Ergeb-
nis einer Kompression sind, können die Bänder erhalten
Stabilität
sein, was in einer überwiegend knöchernen Verletzung
Ein weiterer Grund zur operativen Versorgung besteht in resultiert. Wenn eine zusätzliche Flexionskomponente
dem Ziel, die Stabilität verbunden mit einem regelrech- auftritt, besteht ein größeres Ausmaß einer Bandruptur,
ten anatomischen Alignement zu erreichen. Die Fest- was die Wahrscheinlichkeit einer späten Instabilität er-
legung des Grads der Instabilität, welche eine operative höht (56). Wenn der Patient neurologisch unauffällig ist,
Stabilisierung erforderlich macht, wird kontrovers dis- bestimmen hauptsächlich der Umfang der Deformität
kutiert. Eine wichtige Unterscheidung wird zwischen und das Ausmaß der ligamentären Verletzung die Be-
knöchernen und ligamentären Verletzungen getroffen. handlung. Unglücklicherweise erleiden viele Patienten
Operative Behandlung 159

mit diesen Frakturen neurologische Verletzungen, was


Operative Behandlung
aufgrund der Notwendigkeit einer Spinakanaldekompres-
sion die Indikation zur operativen Versorgung darstellen
Allgemeine Betrachtungen
kann. Das Vorliegen einer neurologischen Verletzung
deutet darauf hin, dass eine größere Energie auf die Wir- Die operative Frakturversorgung der Halswirbelsäule
belsäule einwirkte und erhöht die Wahrscheinlichkeit kann nur 3 Ziele verfolgen:
einer Instabilität (57). In einem Literaturvergleich von ■ Veränderung/Wiederherstellung des Alignements,

operativen gegenüber konservativen Behandlungen von ■ Erreichen der Stabilität durch Fusion,

Berstungs- und Teardrop-Frakturen wurde in der opera- ■ Dekompression der neurologischen Strukturen.

tiven Gruppe eine signifikant bessere neurologische Re-


generation (gemessen am Frankel-Grad), eine bessere Wenn eine operative Behandlung durchgeführt wird,
Spinalkanalrekonstruktion sowie ein besseres sagittales hängt das am besten geeignete Verfahren vom Fraktur-
Gesamtalignement festgestellt (58, 59). Auch wenn eine typ, dem Wirbelsäulenalignement, der Stabilität und der
komplette Querschnittverletzung festgestellt wird, wird Notwendigkeit einer neurologischen Dekompression ab.
eine aggressive Dekompression zur Verbesserung der Diese Ziele können durch ventrale, posteriore oder kom-
Nervenwurzelfunktion unterhalb der Verletzungshöhe binierte Zugänge erreicht werden. Der wichtigste Faktor
für erforderlich gehalten (60, 61). für die Therapieentscheidung ist der neurologische Status
des Patienten und dieser sollte als erstes betrachtet wer-
den.
Massa-lateralis-Frakturen
Wenn eine neurologische Schädigung besteht, sollte
Massa-lateralis-Frakturen treten selten in Kombination die Spinalkanaldekompression als erster Faktor bei der
mit Rückenmarksverletzungen auf. Der Großteil der neu- operativen Planung betrachtet werden. Die Dringlichkeit
7
rologischen Defizite ist bei diesem Frakturtyp mit einzel- einer Dekompression ist Gegenstand zahlreicher Diskus-
nen Nervenwurzelverletzungen verbunden. Daher stellt sionen. Eine indirekte Dekompression des Rückenmarks
das neurologische Defizit üblicherweise keine Indikation kann durch Zug erreicht werden. So führt z. B. die Repo-
zum operativen Vorgehen dar. Diese Verletzungen sind sition einer Facettengelenksdislokation zum Realigne-
häufig schwierig durch konventionelle Röntgenaufnah- ment des knöchernen Rings des Spinalkanals. In anderen
men zu entdecken und werden typischerweise erst Fällen – wie z. B. bei einer Berstungsfraktur – ist zur De-
durch eine CT-Untersuchung festgestellt. Das Ausmaß kompression möglicherweise das direkte operative Ent-
der Instabilität basiert jedoch auf dem Grad der beste- fernen von zurückgeschlagenen Knochenfragmenten aus
henden Band- und Bandscheibenrupturen, welche am dem Spinalkanal notwendig. Idealerweise kann der ope-
besten durch eine MRT-Untersuchung gesehen werden rative Zugang, der zur spinalen Dekompression verwen-
können. Die Instabilität bei diesen Verletzungen besteht det wird, auch zur Stabilisierung der Wirbelsäule genutzt
im Allgemeinen in Rotationsrichtung, was durch eine werden. Wenn dies nicht möglich ist, werden unter Um-
konservative Therapie selbst im Halo-Fixateur nur ständen auch zwei Zugänge notwendig. Diese Thematik
schwierig zu kontrollieren ist (62). Wenn auf konventio- wird in den folgenden Abschnitten im Hinblick auf die
nellen Röntgenaufnahmen oder der CT-Untersuchung die besonderen Frakturtypen gesondert diskutiert.
Subluxation größer als 15 % ist oder die Angulation mehr
als 10° beträgt, dann deutet dies auf eine Instabilität hin, Facettengelenksfrakturen –
die eine operative Stabilisierung erforderlich macht (44).
Facettengelenksdislokationen
Sehr geringe Dislokationsausmaße können möglicher-
weise auf den konventionellen Röntgenaufnahmen über- Facettengelenksfrakturen und -dislokationen sind das Er-
sehen werden, sodass Halliday et al. forderten, den Insta- gebnis von Flexions-/Distraktions-Mechanismen, die zu
bilitätsgrad durch das Ausmaß der kernspintomografisch einer Ruptur der posterioren Bandstrukturen führen.
nachgewiesenen ligamentären Mitbeteiligung vorherzu- Eine zusätzliche Rotationskomponente liegt dann vor,
sagen (63). Sie zogen die Schlussfolgerung, dass eine ope- wenn die Dislokation unilateral ist. Daher ist in den meis-
rative Stabilisierung in Erwägung gezogen werden sollte, ten Fällen ein posteriorer Zugang geeignet, das posteriore
wenn mindestens drei der folgenden Bänder beteiligt Längsband wiederherzustellen (Video 7-1, DVD 1). Als
sind: die Facettengelenkskapsel, die interspinösen Bän- allgemeine Regel wird vor der operativen Versorgung zu-
der, das vordere Längsband und das hintere Längsband. nächst die Dislokation durch zervikalen Zug reponiert.
Üblicherweise wird die Reposition in der Notfallabteilung
unmittelbar nach radiologischer Diagnosestellung – unter
Verwendung von konventionellen Röntgenaufnahmen
und CT-Untersuchungen – durchgeführt. Dies kann beim
wachen Patienten, der bei neurologischen Untersuchun-
gen während des Repositionsvorgangs kooperiert, sicher
durchgeführt werden (64). Diese Maßnahme hat bei Pa-
160 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

tienten mit neurologischen Defiziten die größte Dring- der Nacken extendiert werden, um das anatomische
lichkeit. Besonders gilt dies für Patienten mit inkomplet- Alignement zu erhalten.
tem Querschnittsyndrom (65, 66). Einige Chirurgen emp- Die meisten bilateralen Facettengelenksdislokationen
fehlen vor geschlossener Reposition die Durchführung können durch diese Technik vor dem operativen Eingriff
einer MRT-Untersuchung, um bei Nachweis eines Band- reponiert werden. Da unilaterale Facettengelenksdisloka-
scheibenprolapses die Planung zur offenen ventralen zer- tionen die Tendenz aufweisen sich zu „verriegeln“, kön-
vikalen Bandscheibenresektion zu ermöglichen (67). Die nen diese unter Umständen schwieriger zu reponieren
aktuelle Literatur deutet jedoch nicht darauf hin, dass sein. Wenn unter Zug das Facettengelenk in eine schwe-
dies zu einem klinisch signifikant besseren Ergebnis bende Position distrahiert werden konnte, kann eine
führt als die sofortige geschlossene Reposition beim wa- sanfte Manipulation in Flexionsrichtung mit Rotations-
chen Patienten (68, 69). bewegung – weg von der dislozierten Seite – die endgül-
Zur Reposition der Facettengelenksdislokationen kön- tige Reposition erleichtern (70). Wenn sich während des
nen Gardner-Wells-Zangen oder Crutchfield-Zangen mit Repositionsmanövers unter Zug ein neurologisches Defi-
den Spitzen in einer Linie zum äußeren Gehörgang posi- zit entwickelt, sollte als Ätiologie kein Bandscheibenpro-
tioniert werden. Sie können etwas ventral oder posterior laps angenommen werden. In dieser Situation ist viel-
positioniert werden, je nachdem ob eher eine Extensi- mehr eine MRT-Untersuchung gerechtfertigt, um die ge-
ons- oder eine Flexionsstellung angestrebt wird. Auch naue Ursache zu diagnostizieren und präoperativ den
durch die Patientenlagerung kann eine Flexions- oder operativen Zugang zu planen. Ludwig et al. beschreiben
Extensionskrafteinleitung während des Zugs aufrecht- einen Fall, in dem sich während der Reposition ein epi-
erhalten werden (70). Es sollte darauf geachtet werden, durales Hämatom entwickelte und zu einem fortschrei-
dass die Zangenspitzen unterhalb der maximalen Kopf- tenden neurologischen Defizit führte (74). In diesem Fall
zirkumferenz positioniert sind, um ein Abwandern der wurde eine posteriore Rückenmarkkompression gefun-
7
Zange nach kranial und damit einen Fixationsverlust zu den, was eher eine posteriore Laminektomie als eine ven-
verhindern. Zusätzlich sollte sichergestellt sein, dass trale Bandscheibenresektion rechtfertigte.
keine Schädelfraktur mit begleitender geschlossener In dem unüblichen Fall, dass die geschlossene Reposi-
Kopfverletzung vorliegt, was zu einer Beeinträchtigung tion misslingt, muss mit einer offenen Reposition fort-
der Pin-Positionierung führen würde. gefahren werden (75). Bevor eine offene Reposition
Für den Zug wird initial ein Gewicht von 5 – 7,5 kg durchgeführt wird, ist eine Kernspintomografieunter-
angelegt, um das Kopfgewicht aufzunehmen. Nachdem suchung notwendig, um begleitende Bandscheibenvorfäl-
der Zug angelegt ist, sollte eine seitliche Röntgenschräg- le, welche eine Verschlechterung des neurologischen De-
aufnahme durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass fizits während der offenen Reposition verursachen könn-
an dem dislozierten Facettengelenk keine übermäßige ten, auszuschließen (76). In einer Studie mit 55 Patienten
Distraktion erfolgt oder eine okkulte Begleitverletzung mit einer HWS-Verletzung wurden im Rahmen der Kern-
wie z. B. eine zervikookzipitale Dissoziation vorliegt. spintomografieuntersuchung in 42 % akute Bandschei-
Unter regelmäßigen neurologischen Untersuchungen benvorfälle festgestellt (77). Bei Patienten mit einem an-
und wiederholten Röntgenschrägaufnahmen wird dann terioren Rückenmarkssyndrom lag die Inzidenz bei 100 %.
das Gewicht in Schritten von 2,5 – 5 kg erhöht. Eine leich- Wenn ein relevanter Bandscheibenvorfall besteht, ist vor
te Sedierung ist sinnvoll, um den Patienten zu relaxieren. der offenen Reposition ein ventrales Vorgehen zum Aus-
Es sollte dabei auf eine ausreichende Zeitdauer zu den räumen des Bandscheibenmaterials indiziert. Es gibt eine
Röntgenuntersuchungen geachtet werden, um dem Pa- Vielzahl von Techniken, um nach der Bandscheibenaus-
tienten die Relaxierung der Nackenmuskeln zu ermögli- räumung die Reposition der Facettengelenke zu erreichen
chen. Weiterhin ist entscheidend, dass der Patient wäh- (78). Durch die ventrale Operation ist ein direktes Ein-
rend des Vorgehens kontrollfähig und kooperativ bleibt, sehen auf das vordere Alignement der Wirbelkörper
um eine effektive neurologische Untersuchung zu ermög- möglich. Es sollte intraoperativ trotzdem eine seitliche
lichen. Es werden solange Gewichte hinzugefügt, bis ent- Röntgenuntersuchung durchgeführt werden, um sicher
weder die Reposition erreicht ist, ⅔ des Körpergewichts zu stellen, dass die Reposition korrekt ist. Die radiologi-
angebracht sind (71), eine Überdistraktion der verletzten sche Untersuchung zur Überprüfung des Repositions-
oder begleitenden Segmente auftritt oder der Patient ergebnisses kann in den weiter kaudalen Höhen, wie
neurologische Beschwerden oder übermäßige Schmerzen z. B. C6/C7 schwierig sein (Abb. 7.8). Die Stabilisierung
beklagt. Klinische und Kadaverstudien beschreiben Dis- mit einem ventralen intervertebralen Knochenspan mit
traktionsgewichte bis zu 63,5 kg (72, 73). Platte scheint klinisch ausreichend, obwohl es im Ver-
Wenn schwere Gewichte verwendet werden, sollten gleich zu einer posterioren Stabilisierung biomechanisch
Gardner-Wells-Stahlzangen verwendet werden, da MRT- schwächer erscheint (79–81). Wenn ein isolierter ventra-
kompatible Karbonfaserzangen typischerweise auf 30 kg ler Zugang durchgeführt wird, muss darauf geachtet wer-
limitiert sind. Der Zug in gewisser Flexionsstellung kann den, dass durch den Knochenspan die Facettengelenke
das Entriegeln einer bilateralen Facettengelenksdislokati- nicht überdistrahiert werden. Man muss insbesondere
on unterstützen. Wenn die Reposition erreicht ist, sollte im Falle einer relevanten Facettengelenksfraktur sorgsam
Operative Behandlung 161

sein, wobei im Vergleich zur Flexion und Distraktion vor partielle Facettengelenksresektion bleibt typischerweise
allem durch alleinige Translation ein instabileres Fraktur- den Patienten vorbehalten, die sich in der Klinik ver-
muster entsteht (Abb. 7.9). Unter diesen Umständen sollte zögert vorstellen, was üblicherweise mit einer schwieri-
auch die Durchführung einer posterioren Stabilisierung geren Reposition verbunden ist (83–85).
in Betracht gezogen werden. Bei fehlender Dokumentati- Eine erfolgreiche geschlossene Reposition dekompri-
on eines Bandscheibenvorfalls kann eine posteriore Sta- miert den Spinalkanal, und die Wirbelsäulenstabilisie-
bilisierung durchgeführt werden. Wenn die Reposition rung kann zu einem geeigneteren Zeitpunkt später
schwierig bleibt, kann eine sanfte intralaminäre Distrak- durchgeführt werden. Es sollte zunächst eine Kernspin-
tion durchgeführt werden, um das Facettengelenk vor der tomografie durchgeführt werden, um einen Bandschei-
posterioren Translation zu entriegeln (82). Alternativ benvorfall festzustellen, welcher möglicherweise den Spi-
kann eine partielle Facettengelenksresektion durch- nalkanal weiter komprimieren kann, wenn die Facetten-
geführt werden, um eine direktere Translation zu ermög- gelenke während der Wiederherstellung des posterioren
lichen und die Notwendigkeit für eine übermäßige Dis- Längsbands komprimiert werden. Wenn ein relevanter
traktion zu reduzieren. Der Nachteil der zuletzt genann- Bandscheibenvorfall besteht, sollte zunächst mit einem
ten Technik besteht darin, dass die verbliebene Facette ventralen Zugang, wie bereits diskutiert, fortgefahren
zur Abstützung an der Gegenfacette geringer ist und werden. Wenn kein Bandscheibenvorfall festgestellt
damit die Stabilität nach Reposition verringert ist. Eine wird, wird die posteriore Stabilisierung bevorzugt und
der Patient in Bauchlage gedreht. Das Drehen des Patien-
ten in die Bauchlage ist eine der gefährlichsten Maßnah-
men während der gesamten Behandlung. Einige Formen
der neurologischen Überwachung sollten in Betracht ge-
zogen werden. Eine Möglichkeit besteht in der Wachin-
7
tubation und Positionierung des wachen Patienten, um
eine neurologische Untersuchung nach der Positionie-
rung zu ermöglichen. Alternativ können evozierte Poten-
ziale, welche vor und nach Positionierung des Patienten
gemessen werden, verwendet werden. Zusätzlich sollte
eine seitliche Röntgenuntersuchung unmittelbar nach
Drehen des Patienten in die Bauchposition durchgeführt
werden, um das Alignement der HWS zu überprüfen.
Der posteriore Zugang erfolgt durch eine standardisier-
te Mittellinienfreilegung, wobei darauf geachtet wird,
keine angrenzenden Weichteilstabilisatoren zu durch-
trennen. Es sind viele Techniken zur interspinösen Ver-
drahtung mit und ohne Knochenspan beschrieben wor-
Abb. 7.8 Seitliche Aufnahme bei einem adipösen Patienten
den (86–91). Hadra gebührt die Anerkennung, 1891 die
mit schlechter Darstellung der subaxialen Wirbelsäule. Diese
erste interspinöse Verdrahtung im Sinne einer internen
Situation macht die intraoperative radiologische Sicherstellung
einer Facettengelenksreposition über einen ventralen Zugang Fixation durchgeführt zu haben (86). Die Technik von
äußerst schwierig.

Abb. 7.9
a Die Überdistraktion der
Facettengelenke durch
einen intervertebralen
Knochenspan kann die
Facettengelenke entrie-
geln, was zur Reduktion
der mechanischen Stabili-
tät bei alleiniger ventraler
Plattenfixation führt.
b Der gleiche Effekt kann
Frakturen der auftreten, wenn eine
unteren/oberen ausgeprägte Fraktur der
Überdistraktion
Facetten Facettengelenke vorliegt
und bereits ohne Flexi-
onsbewegung zum Ent-
riegeln der Facette eine
Translation von posterior
a b
nach anterior ermöglicht.
162 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

Rogers, zur interspinösen Dornfortsatzverdrahtung Da sich die posterioren Drahtkonstruktionen direkt in


wurde 1942 veröffentlicht (87). Davey et al. (88) und der Mittellinie befinden, sind sie für die Kontrolle von
Segal et al. (89) beschrieben die Dewar-Technik, in wel- Rotationskräften, wie sie z. B. bei unilateralen Facettenge-
cher Kirschner-Drähte durch die angrenzenden Dornfort- lenksdislokationen auftreten, von biomechanischem
sätze perkutan gebohrt werden, ein Beckenkammspan Nachteil. Um dies zu verhindern, kann eine schräge Fa-
eingebracht wird und die gesamte Konstruktion mit cettengelenksverdrahtung zwischen der kranial dislozier-
einer Achterdrahtschleife befestigt wird. Verschiedene ten Facette und dem kaudalen Dornfortsatz hinzugefügt
Modifikationen der Dewar-Technik sind mittlerweile in werden. Die schräge Verdrahtung ist ebenfalls nützlich,
der Literatur vorgeschlagen worden (90). Die Bohlmann- wenn der posteriore Wirbelbogen unterbrochen ist, was
Dreifachdrahttechnik minimiert den Drahtausriss, indem eine Verdrahtung eines Dornfortsatzes unmöglich macht
zusätzlich zum Durchführen des Drahtes durch den (95). Für die posteriore HWS-Stabilisierung sind spezielle
Dornfortsatz eine Schlinge gebildet wird und ein weiterer Hakenplatten entwickelt worden, welche eine interspinö-
Draht zur direkten Sicherung des Knochenspans am se Spankompression erlauben und die Facettengelenke in
Dornfortsatz verwendet wird (91). Obwohl gewisserma- ihrer Position verschließen (Abb. 7.10; 96). Dieses Implan-
ßen historisch, bleiben diese Techniken praktikable Mög- tat erlaubt im Vergleich zu posterioren Drahttechniken
lichkeiten der posterioren Stabilisierung, entweder als einen erhöhten biomechanischen Widerstand gegenüber
isoliertes Vorgehen oder in Kombination mit moderneren Flexionsbelastungen (81). Solange kein direkter Druck auf
Instrumentierungstechniken. Feldborg et al. beschrieben das posteriore Rückenmark durch eine Laminafraktur
bei 34 Patienten mit Frakturen die posteriore Verdrah- ausgeübt wird, sollte in der Behandlung der Facettenge-
tung ohne die Verwendung von Knochenspänen oder an- lenksdislokation keine Laminektomie durchgeführt wer-
deren Fusionstechniken (92). Bei einem mittleren Follow- den (97). Dies begründet sich darin, dass die Laminekto-
up von 38 Monaten (12 – 78 Monate) betrug der mittlere mie zu einer weiteren Schwächung der Wirbelsäulensta-
7
Lordoseverlust 7,5°. 8 von 34 Patienten hatten einen bilität führt und die Oberfläche, welche für eine Fusion
Drahtbruch, 10 Patienten hatten eine Pin-Migration, verfügbar ist, reduziert wird.
aber immerhin 26 Patienten hatten Anzeichen einer ven- Roy-Camille et al. beschrieben als erste die Verwen-
tralen oder posterioren Fusionierung. 24 der 34 Patienten dung von Platten und Schrauben, welche von posterior
beklagten lang anhaltende Schmerzen, welche von den durch die Massa lateralis angelegt wurden, um die pos-
meisten Patienten als geringfügig eingeschätzt wurde. teriore Fixation zu verbessern (98). Plattenfixierungen
Diese schlechten Ergebnisse bestätigen die Notwendig- bieten eine bessere Rotationsstabilität, da die Platten ent-
keit für eine begleitende Fusion, während der posterioren fernt von der Mittellinie platziert werden und damit so-
Instrumentierung. Biomechanische Studien zeigen, dass wohl für unilaterale als auch bilaterale Facettengelenks-
die Verwendung von Polymethylmethacrylat in Kom- dislokationen anwendbar sind. Grob u. Magerl (99) stell-
bination mit der interspinösen Verdrahtung die initiale ten fest, dass eine biomechanisch bessere (100) Schrau-
Winkelsteifheit der Drähte über dem Knochenspan ver- benfixierung der Massa lateralis erreicht werden kann,
bessert (93). Allerdings bestehen Bedenken über die wenn die Schrauben 30° nach kranial und 10° nach late-
Langzeitstabilität, und die Versagerquote im klinischen ral gerichtet sind, verglichen zu einer senkrecht nach
Einsatz ist aktuell zu hoch (94). vorne gezielten Fixierung (Abb. 7.11). Über zahlreiche Va-

Abb. 7.10 Die


Hakenplattenkon-
struktion (Jeanneret B,
Magerl F, Ward EH,
Ward JC. Posterior
stabilization of the
cervical spine with
hook plates. Spine
1991; 16(Suppl 3):
S56–S63).
a Blick von posterior.
b Blick von lateral.

a b
Operative Behandlung 163

7
10° lateral
a

1mm

1mm

25° lateral
b

Abb. 7.11 Platzierung der Massa-lateralis-Schrauben (Choue- a Technik nach Roy-Camille.


ka J, Spivak JM, Kummer FJ, Steger T. Flexion failure of posterior b Technik nach Magerl.
cervical lateral mass screws: influence of insertion technique
and position. Spine 1996;21:462–468).
164 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

riationen dieser Technik zur Massa-lateralis-Fixation malinvasive Vorgehen in der Traumaversorgung steckt
wurde berichtet, und es ist die bevorzugte Methode der noch in den Kinderschuhen.
posterioren Stabilisierung geworden (101, 102). Auf Höhe Die vom Autor bevorzugte Technik der posterioren Sta-
C7 kann die Massa lateralis für die Schraubenfixation bilisierung beinhaltet die Verwendung eines interspinö-
ungeeignet sein. Unter diesen Umständen können die sen Dornfortsatzdrahts zum Verschluss der Facettenge-
Schrauben durch die Pedikel geführt werden (Abb. 7.12). lenke, gefolgt von einer Massa-lateralis-Plattenosteosyn-
Das Einbringen der Schrauben durch die Facette ist als these (Abb. 7.13). Die posteriore Präparation wird in stan-
Notlösung der posterioren Stabilisierung beschrieben dardmäßiger subperiostaler Art durchgeführt. Es sollte
worden, wenn die Massa-lateralis-Schrauben ausreißen jedoch große Vorsicht aufgebracht werden, um alle
oder eine atypische Anatomie gegeben ist. Die biomecha- Weichteilverbindungen zu den angrenzenden unverletz-
nische Stabilität dieser Schrauben wurde in einer Kada- ten Segmenten aufrecht zu erhalten. Die seitliche Grenze
verstudie untersucht und ist vergleichbar zu den Massa- der Präparation sollte der seitliche Rand der Massa late-
lateralis-Schrauben. Allerdings wurde in diesem Modell ralis sein, aber nicht hinter oder vor dem Rand liegen, um
nicht die Situation simuliert, dass bereits eine Massa-la- eine venöse Blutung zu verhindern. Der erste Schritt zur
teralis-Schraube zuvor versagt hatte (103). Vor einiger Stabilisierung ist die Verwendung einer einfachen Dorn-
Zeit wurde die Technik der perkutanen Massa-lateralis- fortsatzverdrahtung. Ein Bohrloch wird an der Basis des
Schraubenplatzierung veröffentlicht (104). Dieses mini- Dornfortsatzes auf jeder Seite der Verletzung einge-
bracht. Um die Gefahr eines Drahtausrisses zu reduzie-

Abb. 7.12
C7
7 a Axiales Schaubild der Platzierung der C7-Pedikelschrauben.
b Blick von posterior, um den Unterschied des Eintrittpunkts der
Massa-lateralis-Schrauben auf C5 (obere Höhe) und der Pedikel-
schrauben auf Höhe C7 (untere Höhe) zu zeigen.
c Blick von lateral, um die kraniokaudale Bohrrichtung zu zeigen.

40°

Eintrittspunkt für die Schraube


in der Massa lateralis

Eintrittspunkt für die


b, c C7-Pedikelschraube
Operative Behandlung 165

Abb. 7.13 Die vom Autor


bevorzugte Stabilisations-
methode einer Facetten-
gelenksdislokation, wenn
der posteriore Zugang
verwendet wird. Ein inter-
spinöser Draht wird zu-
nächst zum Verschluss der
Facettengelenke verwen-
det, gefolgt von der Plat-
tenfixation der Massa la-
teralis. Das Loch durch die
Basis des Dornfortsatzes
wird am kranialen Dorn-
fortsatz eher am oberen
Ende gebohrt und am
kaudalen Dornfortsatz
eher am unteren Ende,
um das Risiko eines
Drahtausbruchs zu mini-
mieren.
a Postoperative Ansicht in
a.–p. Projektion.
a b
b Postoperative Ansicht in
lateraler Projektion.
7

ren, sollte tendenziell im oberen Bereich des kranialen bietet die Verwendung eines ventralen Zugangs einige
Dornfortsatzes und im unteren Bereich des kaudalen Herausforderungen. Es muss berücksichtigt werden,
Dornfortsatzes gebohrt werden. Nachdem die Draht- dass dann die Reposition intraoperativ über den ventra-
schlinge verschlossen ist, erfolgt die Platzierung der Mas- len Zugang erreicht werden muss. Verschiedene Tech-
sa-lateralis-Schrauben. Es werden zunächst die Grenzen niken sind beschrieben worden, um dies zu erreichen
der Massa lateralis definiert, anschließend der zentrale (Abb. 7.14; 78, 109).
Punkt identifiziert und dann eine Ahle zum Perforieren Es ist notwendig sicherzustellen, dass die Reposition
des vorhergesehenen Eintrittpunktes ca. 1 mm medial erreicht worden ist und keine Überdistraktion besteht,
des zentralen Punktes verwendet. Dadurch kann das Ri- bevor mit der inneren Fixation fortgefahren wird. Die
siko, dass der Bohrer während des Bohrens nach seitlich intraoperative Bildgebung der HWS kann beim adipösen
wegläuft, minimiert werden. Die Autoren bevorzugen Patienten, bei Patienten mit starker Schultermuskulatur
einen Kirschner-Draht zum Bohren, welcher den Kno- und bei Patienten mit kurzem Nacken ein schwieriges
chen um das Bohrloch ankörnt und den Schraubenhalt Unterfangen sein, besonders wenn die Dislokation in
unterstützt. Bevor die Verbindungsstäbe an die Massa den unteren Segmenten, wie z. B. auf Höhe C6/C7 vor-
lateralis angebracht werden, werden die Facettengelenke liegt. Gelegentlich muss der Patient auf den Bauch ge-
entknorpelt und ein Beckenkammspan direkt in das Fa- dreht werden, um vor Durchführung des ventralen Zu-
cettengelenk platziert. Nachdem die Stäbe verbunden gangs zur internen Stabilisierung eine zusätzliche poste-
sind, wird der Rest des Knochenspans über die freigelegte riore Reposition zu erreichen. Dies wurde als der „720°-
Lamina und die Dornfortsätze gelegt. Die postoperative Zugang“ beschrieben. Letztlich muss berücksichtigt wer-
Ruhigstellung mit einer festen Zervikalstütze sollte ab- den, dass bei einer größeren Facettengelenksfraktur die
hängig von der intraoperativen Bewertung der erreichten Stabilität der Wirbelsäule weiter vermindert wird (110),
Stabilität zwischen 6 und 12 Wochen erfolgen. und damit eine größere operative Stabilität erreicht wer-
Es besteht eine zunehmende Tendenz zum ventralen den muss. Unter diesen Umständen sollte ein zusätzliches
Zugang zur Stabilisierung von Facettengelenksdislokatio- posteriores Vorgehen in Betracht gezogen werden. Letzt-
nen (105, 106). Aebi et al. berichteten von 64 Patienten, lich sollte man mit all diesen Techniken vertraut und
welche durch eine ventrale Platte versorgt wurden, erfahren sein, um die Bandbreite der Verletzungskom-
wobei nur bei einem Patienten ein Fixationsverlust auf- binationen effektiv behandeln zu können.
trat (107). Razack et al. berichteten auch über günstige
Stabilisierungsergebnisse unter Verwendung von unikor-
tikalen ventralen Platten (108). Der ventrale Zugang kann
nach geschlossener Reposition bei allen Facettengelenks-
dislokationen leicht verwendet werden. Wenn eine ge-
schlossene Reposition vorab nicht erreicht werden kann,
166 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

C3 C3
C4

C4

Abb. 7.14 Eine Vielzahl von Techniken kann zur Reposition a Die Retraktorpins vom Kaspar-Set können in der gezeigten
der Facettengelenke über einen ventralen Zugang durch- Richtung platziert werden und erlauben die Rotation und Fle-
geführt werden (Ordonez BJ, Benzel EC, Naderi S, Weller SJ. xion/Distraktion der Facettengelenke, um die Reposition zu
Cervical facet dislocation: techniques for ventral reduction erleichtern.
and stabilization. J Neurosurg 2000;92(Suppl 1):18–23). b Alternativ kann mithilfe eines Wirbelsäulenspreizers die Dis-
traktion und posteriore Translation des unteren Wirbelkörpers
zur Reposition verwendet werden.
Operative Behandlung 167

Abb. 7.14 (Fortsetzung) sodass der obere Wirbelkörper nach posterior gedrückt werden
c Letztendlich kann ein Cobb-Elevatorium posterior in der kann.
Bandscheibe zur Distraktion und Flexion verwendet werden,
7

verlusts, der Kyphoseentstehung und der Schmerzinten-


Merke
sität inakzeptabel. Sie änderten ihr Behandlungspro-
■ Der posteriore Zugang ist unter biomechanischen Ge- tokoll, um ein ventrales Vorgehen zu verwenden und un-
sichtspunkten die beste Methode der Stabilisierung und tersuchten diese zweite Gruppe von Patienten, wobei
wird bei Patienten ohne Bandscheibenvorfall bevorzugt. eine signifikante Verbesserung dieser Faktoren gezeigt
■ Der ventrale Zugang kann für die Stabilisierung klinisch werden konnte. Interessanterweise korrelierte in ihrer
gleichwertig sein, wenn ein Bandscheibenvorfall be- Studie der Grad der verbliebenen Kyphose mit der
steht, der den Zugangsweg für das Erreichen der De- Schmerzintensität. Vorteile des ventralen Zugangs beste-
kompression vorgibt. hen darin, dass die ventrale Wirbelsäule biomechanisch
■ Wenn der ventrale Zugang verwendet wird, sollte da- direkt verstärkt werden kann sowie zurückgeschlagene
rauf geachtet werden, dass die Reposition sichergestellt
Knochenstücke eingesehen und verlässlich aus dem Rü-
wird, die Facettengelenke nicht überdistrahiert werden
ckenmarkskanal entfernt werden können (107, 112). Der
und Begleitfrakturen der Facettengelenke gering sind,
ventrale Zugang zur Korporektomie ist für die meisten
sodass die Facettengelenke zum Erreichen der Translati-
Kompressions-, Berstungs- und Teardrop-Frakturtypen
onsstabilität in ihrer Stellung verschlossen werden kön-
anwendbar. Die Korporektomie ist erst dann vollständig,
nen.
wenn mindestens die Weite des Rückenmarks und die
Distanz von der Bodenplatte des kranialen Wirbelkörpers
bis zur Deckplatte des kaudalen Wirbelkörpers erreicht
Kompressions-, Berstungs- und Teardrop- werden. Dieser Dekompressionsdefekt wird mit einem
Allograft oder einem autogenen Knochenspan rekonstru-
Frakturen
iert und dann plattenosteosynthetisch versorgt. Eine zu-
Frakturen, die eine axiale Krafteinleitung beinhalten, sätzliche posteriore Stabilisierung ist bei den Patienten
welche einen Verlust der ventralen Wirbelsäulenhöhe indiziert, die entweder eine relevante posteriore Fraktur
verursachen und zur operativen Versorgung vorgesehen oder eine Bandverletzung aufweisen (Abb. 7.15; 113). Die
werden, können am besten über einen ventralen Zugang Teardrop-Frakturen sind oft mit posterioren Verletzun-
angegangen werden, um ein direktes Eingehen auf die gen verbunden, da der Unfallmechanismus eine kom-
Pathologie zu ermöglichen (105). Ein klassisches Beispiel binierte Flexions- und axiale Krafteinleitung beinhaltet.
für solch eine Verletzung ist die Berstungsfraktur. His- Eine Massa-lateralis-Fixation wird bevorzugt, wenn eine
torisch wurde eine alleinige posteriore Fusionierung zusätzliche posteriore Instrumentierung erforderlich ist.
durchgeführt, wenn die Fraktur als instabil eingeschätzt
wurde. Favero u. Van Peteghem (111) analysierten jedoch
eine Reihe von Patienten, die mit posteriorer Verdrah-
tung versorgt wurden, und fanden die Rate des Fixations-
168 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

a b

c d

Abb. 7.15 Bei einer Kompressions- oder Berstungsfraktur be- b Die Verletzung in a wurde durch eine einfache isolierte ven-
stimmt der Grad der posterioren Verletzung, ob eine einfache trale Fixation operativ versorgt.
ventrale Fusion ausreichend ist oder ob eine kombinierte ven- c Diese axiale CT-Schicht zeigt einen anderen Fall mit einer
trale und posteriore Fusion zum Erreichen der Stabilität not- Verletzung der posterioren stabilisierenden Strukturen, zusätz-
wendig ist. lich zu der ventralen Verletzung.
a Eine axiale CT-Schicht der Verletzung mit relativ intakten d Bei dieser schweren Verletzung wurde eine kombinierte ven-
posterioren Elementen. troposteriore Stabilisierung durchgeführt.

Merke Massa-lateralis-Frakturen
■ Das primäre Vorgehen sollte von ventral sein, um die Es wird angenommen, dass Massa-lateralis-Frakturen in
ventrale Wirbelsäulenstabilität zu rekonstruieren und Folge eines Extensions-Kompressions-Mechanismus auf-
jegliche notwendige Dekompression zu ermöglichen. treten. Da die Massa lateralis sowohl die oberen als auch
■ Das zusätzliche posteriore Vorgehen sollte sich an dem die unteren Facetten des gebrochenen Wirbelkörpers be-
Grad der posterioren Verletzung der Facettengelenke inhalten, sind typischerweise zwei angrenzende Bewe-
und Bandstrukturen orientieren. gungssegmente betroffen. Bei einigen Frakturen tritt wäh-
rend der Verletzung eine Rotationskomponente auf, wel-
che im Allgemeinen auf einer Bandscheibenhöhe verläuft,
die Frakturen instabiler macht und möglicherweise eine
operative Stabilisierung rechtfertigt. Das betroffene Band-
scheibenfach kann gelegentlich durch eine konventionelle
Röntgenaufnahme bestimmt werden, kann aber deutli-
Operative Behandlung 169

cher durch eine Kernspintomografieuntersuchung dar- sen. Der ventrale Zugang ist der vom Autor bevorzugte
gestellt werden. Da diese Verletzungen in erster Linie die Weg der Stabilisierung, um damit die Fusion auf ein ein-
posterioren Elemente betreffen, ist die bevorzugte Metho- zelnes Bewegungssegment zu reduzieren. Die zu fusio-
de der operativen Stabilisierung traditionell von posterior. nierende Bandscheibenhöhe basiert auf der Höhe der
Da die Massa lateralis nicht länger mit dem restlichen Wir- Subluxation oder der Verletzung, welche durch die
belkörpers verbunden ist, sollte die posteriore Fixierung MRT-Untersuchung festgestellt wird. Es ist deutlich ge-
zwei Bewegungssegmente umfassen, um dadurch eine worden, dass auch die angrenzende Höhe eine Verlet-
entsprechende Kontrolle der Instabilität zu gewährleisten zung erleidet, aber dies kann üblicherweise durch Tragen
(114). Vom biomechanischen Standpunkt aus ist eine ge- einer postoperativen Zervikalstütze konservativ behan-
rade Mittellinienfixierung, wie z. B. eine Dornfortsatzver- delt werden. Eine andere mögliche, aber selten durch-
drahtung zur Kontrolle der Rotation nicht ausreichend geführte Technik ist die direkte Schraubenfixation der
(ähnlich der unilateralen Fasettengelenksdislokation). Massa lateralis durch den Pedikel. Dies bietet den Vorteil
Daher sollte eine C 5-Massa-lateralis-Fraktur mit einer einer direkten Frakturosteosynthese, während eine Fusi-
posterioren Fusion C4/C6 versorgt werden. Die Massa-la- on von Bewegungssegmenten vermieden wird. Diese
teralis-Schrauben können auf der frakturierten Seite auf technisch anspruchsvolle Technik ist durch Magerl be-
Höhe C4 und C6 und auf der nichtfrakturierten Seite auf schrieben worden, aber es bestehen wenig klinische
allen drei Höhen platziert werden. Daten über die Ergebnisse dieses Vorgehens (Abb. 7.17;
Unter der Überlegung eine Zweisegmentfusion zu ver- 116).
hindern, ist eine ventrale Bandscheibenresektion und
-fusion auf Höhe der Rotationsverletzung als besserer
Weg der Stabilisierung dieses Frakturtyps postuliert wor- Merke
den (Abb. 7.16; 115). Das Segment oberhalb oder unter- Die posterioren Strukturen sind über zwei Segmente

7
halb der ventralen Fusion kann durch die Fraktur noch betroffen, während eine ventrale Zerreißung im All-
mitbeteiligt sein und muss durch eine Ruhigstellung in gemeinen ein Segment betrifft.
einer festen Zervikalstütze geschützt werden. Lifeso u. ■ Die ventrale Fixation kann üblicherweise auf ein Seg-
Colucci (115) verglichen Patientenkollektive mit posterio- ment beschränkt bleiben, während die posteriore Fusi-
ren und ventralen Stabilisierungen von Massa-lateralis- on zwei Segmente beinhalten muss.
Frakturen und fanden, dass die ventral stabilisierten Pa- ■ Eine MRT-Untersuchung kann bei der Bestimmung des
tienten geringere Höhenminderungen der Fraktur und ventralen Verletzungssegments nützlich sein.
eine geringere Inzidenz der Kyphoseentstehung aufwie-

neurovaskuläres
Bündel

Foramen

C5

(Pedikel)
Frakturlinie
Frakturlinie

C6

C7
a

Abb. 7.16 b Dies erklärt sich dadurch, dass bei einer Fraktur der Massa
a Wenn eine Massa-lateralis-Fraktur über eine posteriore Stabi- lateralis der restliche Wirbelkörper abgetrennt ist und sowohl
lisierung versorgt wird, muss das Implantat zur ausreichenden die inferiore als auch superiore Facette instabil verbleiben.
Immobilisierung der Fraktur zwei Segmente umfassen.
170 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

Abb. 7.17 Direkte Osteosynthese der frakturierten


Pedikel bei einer Massa-lateralis-Fraktur.
a Eine schematische Darstellung der Schraubenplatzie-
rung zur direkten Stabilisierung der Pedikel. Man kann
sehen, dass die Bohrrichtung eine getrennte Stichinzision
lateral des medianen Zugangs erfordert (Jeanneret B,
Gebhard JS, Magerl F. Transpedicular screw fixation of
articular mass fracture-separation: results of an anatomi-
cal study and operative technique. J Spinal Disord 1994;
7:222–229).
b Geeignete Bohrrichtung in axialer Ebene.
c Geeignete Bohrrichtung in sagittaler Ebene.

a
7

°45

b
c

Ergebnisse einflusst, scheint sie nicht die generelle Regenerations-


fähigkeit zu beeinflussen (119). Das Ausmaß der Spinal-
Bei Patienten mit subaxialen Verletzungen (C3/C7) ist der kanalkompression, welches in der posttraumatischen CT-
neurologische Status der vorrangige Faktor in der Patien- Untersuchung festgestellt wird, kann jedoch eine gewisse
tenfunktion. Auch persistierende Schmerzen bestimmen Vorhersagekraft für das verbleibende neurologische Defi-
das Ergebnis. Ungünstigerweise ist Schmerz ein sehr sub- zit und das Regenerationspotenzial des Patienten mit
jektives Kriterium, was durch viele Faktoren, wie z. B. das Berstungsfrakturen bieten (120).
Wirbelsäulenalignement, die Gesamtmobilität, die ver-
bliebene Nervenwurzelkompression, die Nichtvereini- Intervall zur Dekompression
gung der Fraktur und vielen psychosozialen Fragen be-
einflusst wird. Das Zeitintervall zwischen Unfall und Spinalkanaldekom-
pression wirkt sich möglicherweise auf die Wahrschein-
lichkeit der neurologischen Regeneration und damit das
Faktoren für das Langzeitergebnis
Langzeitergebnis aus. Hadley et al. werteten 68 Patienten
Ausdehnung des Spinalkanals mit Rückenmarksverletzungen nach zervikalen Facetten-
gelenksfrakturen und -dislokationen aus, welche entwe-
Obwohl die Ausdehnung des Spinalkanals vor dem Unfall der durch geschlossene oder offene Reposition behandelt
die Schwere der Rückenmarksverletzung, die durch eine wurden (66). Bei den Patienten mit signifikanter neuro-
HWS-Fraktur oder Dislokation resultiert (117, 118), be- logischer Regeneration war der Zeitpunkt der Dekom-
Ergebnisse 171

pression im Vergleich zur Behandlungsart der größere Kosteneffektivität


Einflussparameter. Papadopoulos et al. entwickelten in
ihrer Einrichtung ein Frühdekompressionsprotokoll für Wenn das wirtschaftliche Ausmaß der Behandlung bei
Patienten mit kernspintomografisch dokumentierter, an- HWS-Frakturen analysiert wird, wird deutlich, dass das
haltender Spinalkanalkompression (121). Sie untersuch- Rehabilitationspotenzial durch operative Maßnamen ver-
ten in einer prospektiven Studie 91 Patienten, wobei 66 stärkt wird und die Aufenthaltsdauer in Rehabilitations-
Patienten gemäß dem Protokoll und 25 Patienten abwei- einrichtungen verkürzt wird (130). Cotler et al. betrach-
chend vom Protokoll behandelt wurden, da eine Spinal- teten die finanzielle Auswirkung der operativen Stabili-
kanaldekompression bei diesen Patienten aufgrund ver- sierung gegenüber der konservativen Behandlung bezüg-
schiedener Gründe verspätet durchgeführt werden konn- lich der akuten Krankenhauskosten. Sie fanden in der
te. 50 % der Patienten im Protokoll erzielten signifikante operativen Gruppe eine durchschnittliche Kostenerspar-
Verbesserungen im Frankel-Grad, verglichen mit nur 24 % nis von 18 407,00 US-Dollar (131).
in der verspäteten Therapiegruppe. Tiermodelle haben in
ähnlicher Weise den Nutzen einer frühen Dekompression Schmerz
bezüglich der neurologischen Wiederherstellung gezeigt
(122–125), aber das Zeitintervall bis zur Dekompression Die Rolle des Schmerzes als Einflussparameter ist ein
war in diesen Studien sehr kurz und ist möglicherweise Thema für sich und wird durch psychosoziale Faktoren,
im klinischen Alltag nicht durchführbar. Von Unfallauf- wie z. B. Rechtsstreitigkeiten, Lohnfortzahlungen, Depres-
nahmen wissen wir, dass das Ausmaß der Deformität sionen oder Drogenabhängigkeit erheblich beeinflusst.
zum Aufprallzeitpunkt erheblich größer ist als die blei- Dies sind komplizierte, erwähnenswerte Aspekte, welche
bende Deformität, die in der Notfallambulanz gesehen im Rahmen dieses Kapitels jedoch nicht vollständig erör-
wird. Daher resultiert ein Großteil der Rückenmarksschä- tert werden können. Die Wiederherstellung des anatomi-
7
digung aus dem initialen Aufprall und kann durch opera- schen Alignements ist Ziel jeder Therapie – sowohl der
tive Maßnahmen nicht verändert werden. Wenn der Pa- konservativen als auch der operativen – und wurde in
tient weiter umherbewegt wird, kann jede verbleibende den in diesem Kapitel zitierten Studien im Allgemeinen
Spinalkanalkompression jedoch potenziell zu einer Ver- untersucht. In den Studien, in denen die konservative
schlechterung der primären Rückenmarksverletzung füh- und operative Behandlung (unter Verwendung von mo-
ren und sekundäre Rückenmarksschädigungen als Ergeb- dernen Stabilisationstechniken) von ähnlichen Fraktur-
nis von anhaltender Ischämie oder anderen Mediatoren typen verglichen wurden, wird die operative Stabilisie-
zur Folge haben. Eine frühe Dekompression kann – ver- rung als bester Weg zur Wiederherstellung und Aufrecht-
gleichbar zur Gabe von Methylprednisolon – helfen, diese erhaltung des Wirbelsäulenalignements klar favorisiert.
sekundären Schäden zu minimieren. Die Korrelation zwischen dem wiederhergestellten Ali-
Jamundowicz et al. unterstützen diese Theorie, indem gnement und der Schmerzintensität ist jedoch weniger
sie in einem Kaninchenmodell zeigten, dass durch die übereinstimmend (44, 49, 51, 53). Vielleicht würde sich
Dekompression eine Verbesserung in der Mikrozirkulati- dieses Ergebnis im Langzeit-Follow-up ändern, wenn sich
on des Rückenmarks resultiert (126). Intuitiv ist eine aufgrund des verbliebenen Ungleichgewichts degenerati-
frühe Dekompression für die meisten Wirbelsäulenchi- ve Veränderungen in den Anschlusssegmenten ent-
rurgen sinnvoll, was aber gegenüber der Durchführung wickeln. Im Fall von unilateralen Facettengelenksdisloka-
technisch anspruchsvoller operativer Eingriffe zu un- tionen, welche in ihrer dislozierten Position belassen
günstigen Zeiten und mit einem unerfahrenen Team ab- wurden, scheint eine höhere Inzidenz von chronischen
gewogen werden muss. Die Thematik hat in letzter Zeit Schmerzen zu bestehen (132).
eine große Aufmerksamkeit erhalten (127), und Fehlings
et al. (128) sowie andere Autoren (129) haben versucht, Wahl der chirurgischen Technik
basierend auf der gegenwärtigen Literatur Richtlinien zu
formulieren. Fehlings et al. weisen in einer sehr gründli- Wie im Abschnitt über die chirurgische Stabilisation be-
chen Literaturdurchsicht daraufhin, dass es zwar Level-II- reits bemerkt, gibt es eine Vielzahl von Studien, die ver-
und -III-Evidenz zur Unterstützung einer früheren De- schiedene Fusionstechniken betrachten. Aber nur sehr
kompression gibt, jedoch keine Level-I-Daten existieren. wenige Studien vergleichen direkt die Effektivität von
Fehlings et al. zogen die Schlussfolgerung, dass im Hin- zwei Techniken. Shapiro et al. verglichen zwei Typen
blick auf das neurologische Ergebnis die Notwendigkeit der posterioren Stabilisierung und Fusion bei unilateral
zur Durchführung von gut kontrollierten prospektiven versperrten Facettengelenken (133). Sie verglichen die
Studien zur besseren Terminierung der Dekompression interspinal geflochtenene Verdrahtung mit Plattenfixati-
besteht. on der Massa lateralis (die vom Autor bevorzugte Tech-
nik) und die interspinöse Verdrahtung mit Verdrahtung
der Facettengelenke unter Verwendung eines Becken-
kammspans. Sie schlussfolgerten, dass die Gruppe mit
Plattenfixation der Massa lateralis eine signifikant gerin-
172 7 Verletzungen der unteren Halswirbelsäule

gere Kyphose erlitt und ein besseres klinisches Ergebnis und haben verheerende Folgen bis hin zur Letalität (144).
zeigte. Wahrscheinlich ist dieses Ergebnis im Vergleich Bei Nachweis einer A.-vertebralis-Verletzung beinhaltet
zur isolierten Verdrahtung auf die größere Rigidität der die Behandlung die Reposition und Stabilisierung jegli-
Plattenfixation der Massa lateralis zurückzuführen. Mög- cher Fehlstellung und – unter der Annahme dass auf-
licherweise wird dieser Trend durch die aktuell verfüg- grund des Gesamttraumas keine Kontraindikationen zur
baren winkelstabilen Plattenkonstruktionen noch weiter Antikoagulation bestehen – die mögliche Antikoagulati-
verstärkt werden. on. Zusätzlich zur A.-vertebralis-Verletzung sind Verlet-
zungen der A. carotis und des Ösophagus beschrieben
worden (145).
Komplikationen
Viele der möglichen Komplikationen in der Behandlung Neue Technologien und zukünftige
von subaxialen HWS-Verletzungen wurden bereits im Behandlungen
vorhergehenden Text angesprochen. Spezifische Kompli-
kationen zu den Techniken der inneren Fixation sollten Wie auch in anderen Bereichen der Frakturbehandlung
besonders unter Berücksichtigung der posterioren HWS- verläuft die gegenwärtige Entwicklung hin zu minimalin-
Verplattung, welche mittlerweile alltäglich geworden ist, vasiven Techniken, die zu einem besseren Erhalt des un-
betrachtet werden. Heller et al. (134) untersuchten 654 verletzten Gewebes und zur Verbesserung in der Funk-
Massa-lateralis-Schrauben, welche bei 78 Patienten auf- tionswiederherstellung führen sollen. Gegenwärtig stellt
grund verschiedener Indikationen eingebracht wurden. die Verwendung eines Beckenkammspans die häufigste
Die pro eingebrachte Schraube festgestellten Komplika- Vorgehensweise zur Fusionierung dar, was allerdings
tionen beinhalteten in 0,6 % Nervenwurzelverletzungen, mit einer messbaren Morbidität verbunden ist. Wenn
7
in 0,2 % Facettengelenksschädigungen, keine A.-vertebra- die knochenmorphogenetische Proteintechnologie
lis-Verletzungen, in 0,3 % gebrochene Schrauben und in (BMP) leichter verfügbar wird, sollte sich die Notwendig-
1,1 % Schraubenlockerungen. Zur Risikominimierung von keit zur Verwendung eines Beckenkammspans vermin-
Nervenwurzelverletzungen muss man die Anatomie der dern. Zum Zeitpunkt als dieses Kapitel geschrieben wur-
Massa lateralis und deren Bezug zu den umgebenen de, war rekombinantes BMP nur zur Verwendung von
Strukturen verstehen. Xu et al. analysierten die Anatomie ventralen Wirbelsäulenfusionen verfügbar und von der
in einer Kadaverstudie und stellten fest, dass der Mittel- „Food and Drug Administration“ in den USA nur spezi-
punkt der Massa lateralis ein sicherer Platz für die fisch bei Verwendung von lumbalen ventralen Wirbelkör-
Schraubeninsertion ist (135). Fixationsverluste sind eva- perfusionen mit Cages zugelassen. Außerdem sind die
luiert worden, da sie sich auf die Technik der Schrauben- gegenwärtigen Kosten für den Routinegebrauch bei Fu-
einbringung beziehen. Choueka et al. verglichen die Tech- sionierungstechniken unerschwinglich. Da sich diese As-
nik von Roy-Camille mit der Technik von Magerl und pekte verbessern werden, kann die Morbidität, die mit
fanden, dass die Technik von Magerl Vorteile bezüglich der Entnahme eines Beckenkammspans verbunden ist,
der Schraubenplatzierung aufweist (136). beseitigt werden und die Tür zu perkutanen Fusionstech-
Es ist wichtig daran zu erinnern, dass A.-vertebralis- niken weiter geöffnet werden.
Verletzungen mit einer Vielzahl von HWS-Frakturen ein- Die perkutane Instrumentierung der zervikalen Wir-
hergehen können und nicht nur bei Frakturen des Fora- belsäule ist in ihren Kinderschuhen. Die meisten verfüg-
men transversum auftreten (137–139). Die Inzidenz ist baren Daten beinhalten thorakoskopisch eingebrachte
bei Frakturen, bei denen eine operative Stabilisierung er- Skolioseinstrumentierungen, ventrale Cages und postero-
forderlich war, mit bis zu 46 % beschrieben worden (140). laterale Fusionstechniken. Sehr wenig ist bislang über
Flexions-Distraktions-Verletzungen sind möglicherweise perkutane HWS-Instrumentierungen geschrieben wor-
der häufigste Grund für eine A.-vertebralis-Verletzung den. Wenn sich die bildgestützten Technologien weiter
(141), und je stärker die Verletzungsschwere ausgeprägt entwickeln, sollte sich das Risiko dieser Verfahren in der
ist, desto wahrscheinlicher besteht eine okkulte A.-ver- HWS-Frakturversorgung reduzieren und die Genauigkeit
tebralis-Verletzung (142). Die Durchführung einer MR- der Instrumentierung weiter verbessern. Aktuell jedoch
Angiografie hat sich in der Feststellung dieser Verletzun- muss noch jede dieser Techniken in der Verwendung bei
gen als nützlich erwiesen(143). Es existiert aber keine subaxialen HWS-Verletzungen als experimentell betrach-
Übereinkunft, ob und falls ja, wie A.-vertebralis-Verlet- tet werden.
zungen bei asymptomatischen Patienten behandelt wer-
den sollen. Aktuell ist die MR-Angiografie den Patienten
vorbehalten, deren Symptome auf eine arterielle Verlet-
zung hinweisen oder den Patienten mit bekannter Verlet-
zung einer Arterie, bei denen die gegenseitige Arterie
durch die Behandlung gefährdet werden könnte. Beidsei-
tige A.-vertebralis-Verletzungen sind beschrieben worden
Literatur 173

Inhalt der DVDs

Video 7-1 (DVD 1) Posteriore offene Reposition C6/C7 mit operative Behandlung bestand in der offenen Reposition der
posteriorer Fusion C6 auf Th 1 und Instrumentierung. Der bestehenden Subluxation, gefolgt von der posterioren In-
Patient erlitt eine bilaterale Facettengelenksfraktur mit Dis- strumentierung und Fusion von C6 auf Th1. Auf Höhe T1
lokation auf Höhe C6/C7 mit Rückenmarksverletzung. Die wurden Pedikelschrauben instrumentiert.

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Klassifikation 177

8 Frakturen der Brustwirbelsäule


R. K. Sethi, K. B. Wood, M. B. Harris
Übersetzer: M. Schultheiss, D. Gulkin

Frakturen der Brustwirbelsäule (BWS) betreffen in der oder Frakturierung des Sternum ist von hoher Relevanz,
Regel den 1.– 10. Brustwirbelkörper; Frakturen, die den da der Brustkorb zusammen mit dem Sternum als „ven-
11. und 12. Brustwirbel betreffen, werden normalerweise trale vierte Säule“ dient, die dabei hilft, die BWS gegen
als Frakturen des thorakolumbalen Übergangs bezeich- übermäßige Flexions- und Extensionskräfte zu stabilisie-
net. Nur 10 – 20 % aller Wirbelkörperfrakturen betreffen ren (11, 12). Andriacchi et al. berechneten, dass die Tole-
die BWS (1–3). Aufgrund der oft schlechten Qualität der ranz für Kompressionskräfte, die auf die Wirbelsäule wir-
initialen, notfallmäßigen Röntgendiagnostik und beglei- ken um den Faktor 4 erhöht ist, wenn Brustkorb und
tender Verletzungen werden Frakturen der BWS in der Sternum intakt sind (13). Außerdem konnten sie zeigen,
Notaufnahme oft übersehen; gleichwohl ist die spätere dass die Entfernung von 1 – 2 Rippen, wie es für einige
Komplikationsrate dieser Verletzungen signifikant hoch. Zugänge in der Wirbelsäulenchirurgie nötig ist, die Stei-
Aufgrund der speziellen Anatomie dieser Region und den figkeit der BWS nicht signifikant beeinflusste, solange das
benötigten Kräften, die zu einer knöchernen Verletzung Sternum intakt blieb (13). Daher sollten selbst triviale
führen, werden BWS-Frakturen oft bei Polytraumata oder Keilfrakturen der Wirbelsäule in Kombination mit dis-
in Begleitung von Rückenmarksverletzungen gesehen (4– lozierten Sternumfrakturen als potenziell instabil be-
8). Meyer (1) berichtete, dass über einen Zeitraum von 15 trachtet werden. Ein operatives Vorgehen sollte in Be-
Jahren 63 % der Patienten mit Frakturen im Bereich der tracht gezogen werden, um weitere Kyphosierung sowie
BWS einen kompletten neurologischen Querschnitt erlit- chronische Schmerzen, Deformitäten oder neurologische
ten. Daher sollten Traumatologen gut mit den Fraktur- Verletzungen zu verhindern (14).
morphologien, biomechanischen Hintergründen und der 8
Versorgung von BWS-Frakturen vertraut sein.
Klassifikation
Biomechanik Die am häufigsten verwendete Klassifikation von Brust-
und Lendenwirbelfrakturen basiert auf einem System,
Die Biomechanik der Brustwirbelsäule unterscheidet sich das zuerst von Magerl et al. vorgestellt wurde (15, 16).
deutlich von der der Halswirbelsäule oder Lendenwirbel- Es handelt sich um eine offene, auf mechanischen Grund-
säule. Die BWS ist über die kostovertebralen Gelenke mit lagen basierende Klassifikation, die nahezu jedes Fraktur-
dem knöchernen Thorax verbunden. Diese bestehen aus muster beschreibt (Abb. 8.1). Die Frakturen sind nach
den transversalen Gelenkflächen und den Rippenköpf- Schwere der knöchernen und Weichteilverletzung geord-
chen. Diese Tatsache verleiht der gesamten BWS-Region net und weisen somit einen aufsteigenden Grad an Insta-
extrem viel Stabilität, besonders bei Zug, Seitwärtsbie- bilität auf. Es gibt 3 Hauptfrakturtypen:
gung und axialer Rotation (9). Die meisten knöchernen ■ Typ-A-Frakturen sind in der Regel Kompressionsfraktu-

Verletzungen entstehen daher in Flexion und gleichzeiti- ren, die vorwiegend die vordere Säule betreffen.
ger Krafteinwirkung von axial, da der knöcherne Thorax ■ Bei Typ-B-Verletzungen handelt es sich um Distrakti-

dieser Krafteinwirkung am wenigsten entgegenzusetzen onsverletzungen, die entweder vorwiegend ossäre Lä-
hat. Im Falle einer Schädigung der kostovertebralen Ge- sionen (B1) oder vorwiegend ligamentäre Verletzun-
lenke ist die Stabilität des Thorax entscheidend gestört. gen (B2) im Bereich der posterioren Strukturen aufwei-
Bei der Untersuchung von Patienten mit Verletzung der sen.
kostovertebralen Gelenke muss die Stabilität der Wirbel- ■ Typ-C-Verletzungen betreffen sowohl die vordere Säule

säule klinisch sehr genau überprüft werden. Obwohl der als auch die hinteren Strukturen. Diese Verletzungen
Brustkorb für einen großen Teil der Steifigkeit sorgt, zei- sind multidirektional und weisen typischerweise Ver-
gen isolierte laterale Rippenfrakturen bei Patienten, die schiebungs- sowie Rotationskomponenten auf. Typ-C-
konservativ behandelt wurden jedoch keinerlei Korrela- Frakturen sind oft disloziert und daher mit einem
tion mit späteren Deformitäten (7). hohen Grad an Instabilität verbunden. Dies beinhaltet
Eine weitere wichtige Komponente der Stabilität der eine hohe Gefahr von neurologischen Komplikationen
BWS ist das Sternum. Bei Patienten mit einem Hoch- im Verlauf des stationären Aufenthalts (17).
rasanzthoraxtrauma kann das Sternum deformiert oder
gar frakturiert sein. Dieses Verletzungsmuster wird meist
bei Pkw-Unfällen durch einen Schlag gegen das Lenkrad
oder das Armaturenbrett gesehen (10). Eine Stauchung
178 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

Abb. 8.1 Schematische Übersicht über die Klassifikation von b Vorwiegend ligamentäre Läsion des posterioren Ligaments;
Brustwirbelsäulenfrakturen nach Gertzbein (modifiziert nach primär knöcherne Läsion posterior; ventrale Läsion mit Betei-
Gertzbein SD. Spine update: Klassifikation von thorakalen und ligung der Bandscheibe (v.l.n.r.).
lumbalen Frakturen. Spine 1994; 19: 626 – 628). c Kompressionsverletzung mit Rotationskomponente; B-Verlet-
a Impaktions-/Kompressionsfraktur; sagittale Spaltkompressi- zung mit Rotationskomponente; Scherverletzung mit Rotati-
onsfraktur; Berstungsfraktur (v. l. n. r.). onskomponente (v.l.n.r.).
Klassifikation 179

Einfache Verletzungen Berstungsbrüche


Einfache Verletzungen der BWS beinhalten die Fraktur Im Vergleich zu den einfachen Kompressionsfrakturen
der Processus spinosi oder transversi. Auch die Frakturen weist die Berstungsfraktur der BWS (Typ A3) eine we-
der Pars interarticularis sowie isolierte Frakturen der Fa- sentlich höhere axiale Krafteinwirkung auf den Wirbel-
cettengelenke oder der Lamina zählen zu den trivialen körper auf. Dies führt zur Fraktur der Hinterkante mit
Verletzungen der BWS. Solche Verletzungen zeigen nur darauffolgender Affektion des Spinalkanals. Eine neurolo-
sehr selten neurologische Beeinträchtigungen im Verlauf gische Störung ist daher möglich.
und sind insgesamt stabil. In beinahe allen Fällen ist eine In der BWS weisen die Berstungsfrakturen eine deut-
konservative Therapie möglich. Regelmäßige Kontrollen lich geringere Häufigkeit auf als im Bereich des thorako-
sowie das Tragen von Orthesen sind dabei die Mittel der lumbalen Übergangs (Th 10 –L 2). Diese Tatsache wird
Wahl. Eine adäquate Schmerztherapie sowie Ruhigstel- verschiedenen Faktoren zugeschrieben. Zum einen sorgt
lung sollten aufgrund der auftretenden Symptome durch- die natürliche Kyphose in dieser Region für eine Lastver-
geführt werden. teilung auf den vorderen Bereich des Wirbelkörpers, zum
anderen besteht eine zusätzliche Stütze durch den Brust-
korb (3, 18). In den lateralen Röntgenaufnahmen
Schwere Verletzungen
(Abb. 8.3) zeigt sich eine Unterbrechung der Kortikalis
Kompressionsverletzungen im Bereich der Hinterkante des Wirbelkörpers. Zusätzlich
lässt sich eine Verminderung der Wirbelkörperhöhe fest-
Kompressionsverletzungen der BWS (Typ A1 und A2) stellen. Aufgrund der Nähe zum Spinalkanal und der
weisen eine Unterbrechung der vorderen Säule auf. Die deutlich verringerten Fläche des Spinalkanals im Ver-
Verletzung entsteht durch axiale Kompression (Abb. 8.2). gleich zum Lendenwirbelsäulenbereich, tritt bei Bers-
Dabei bleibt der posteriore Anteil des Brustwirbelkörpers tungsfrakturen der oberen BWS häufiger ein neurologi-
unverletzt, eine Vorwölbung des Knochens in den Spinal- sches Defizit auf.
kanal findet also nicht statt. Kompressionsfrakturen sind
die häufigste Verletzung im Bereich der BWS und reprä- 8
Flexions-/Distraktionsverletzungen
sentieren mehr als 50 % aller schwerwiegenden Verlet-
zungen an der Wirbelsäule insgesamt (13). Obwohl Flexions-/Distraktionsverletzungen der BWS (Typ B1 und
diese Frakturen im gesamten Bereich der BWS auftreten B2) weisen in erster Linie einen Defekt der posterioren
können, sind sie meist auf Höhe Th 6 –Th 8 anzusiedeln. Bänder (B1) oder der posterioren knöchernen Strukturen
Dies ist dem hohen Anteil der axialen Krafteinwirkung (B2) auf (Abb. 8.4). Diese Art von Verletzung ist im Be-
auf die vordere Säule zu verdanken, die an der Spitze reich der BWS weniger häufig. In der Regel ist diese Ver-
der natürlichen Kyphose der Wirbelsäule verstärkt auf- letzung im Bereich des thorakolumbalen Übergangs oder
tritt. der Lendenwirbelsäule anzusiedeln, da diese Bereiche
nicht durch den Brustkorb und das Sternum zusätzlich

Abb. 8.2
a Seitliche Röntgenaufnahme einer
Th 7-Kompressionsfraktur bei einer
23-jährigen Frau, die in einen Ver-
kehrsunfall verwickelt war. Die Patien-
tin wurde über 2 Monate mit einem
thorakolumbosakralen Korsett behan-
delt.
b Seitliche Röntgenaufnahme dersel-
ben Patientin 12 Monate später. Es
zeigt sich nur eine minimale Keil-
wirbelbildung. Die Patientin war
schmerzfrei.

a b
180 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

a b

Abb. 8.3 b Die axiale Bildgebung in der Computertomografie auf Höhe


a Seitliche Röntgenaufnahme einer Th4-Berstungsfraktur bei der Fraktur gibt einen exzellenten Einblick über die Frakturmor-
einem 39 Jahre alten Mann, der von einem langen Metallstab phologie. Zu beachten ist, dass die kostovertebralen Gelenke
am Rücken getroffen wurde. Zu beachten ist sowohl die ven- intakt sind.
trale als auch die posteriore Verminderung der Wirbelkörper-
höhe.

8
Dislozierte Frakturen
Dislozierte Frakturen der BWS (Typ C) stellen den höchs-
ten Grad der Instabilität aller BWS-Frakturen dar. Sie wei-
sen einen Defekt sowohl der vorderen als auch der hin-
teren Strukturen der Wirbelsäule auf. Dies geschieht in
Kombination von Kompressions-, Zug-, Rotations- und
Scherkräften (18). Dislozierte Frakturen entstehen auf-
grund von hohen Krafteinwirkungen und repräsentieren
diejenigen Verletzungen der BWS mit den meisten neu-
rologischen Komplikationen (1, 3). In der Röntgenaufnah-
me zeigt sich typischerweise eine Verschiebung oder Ro-
tation des Wirbelkörpers in den koronaren und/oder sa-
gittalen Aufnahmen (Abb. 8.5). Die Computertomografie
stellt dabei die entscheidende Hilfe bei der Identifikation
der Fraktur dar. Dabei sind multiplanare Rekonstruktio-
nen in allen Ebenen erforderlich.
Abb. 8.4 Sagittale MRT-Aufnahme eines 17 Jahre alten Jun-
gen, der von einem Balkon aus dem 2. Stock fiel und sich
dabei eine Flexions-/Distraktionsverletzung der mittleren Brust- Hyperextensionsverletzungen
wirbelsäule zuzog.
Hyperextensions- oder Scherverletzungen der BWS (B3)
weisen vorrangig einen Defekt der vorderen Säule in Ex-
tension auf. Auch diese Verletzungen sind selten, auch
stabilisiert sind. Basierend auf dem Ausmaß der knöcher- aufgrund der protektiven Rolle von Sternum, Brustkorb
nen oder ligamentären Verletzung sind verschiedente und ALL. In manchen Hyperextensionsverletzungen stellt
Subtypen beschrieben (19). Die ventrale Keilbildung des sich der offensichtliche Schaden der vorderen Säule mi-
Wirbelkörpers ist typischerweise gering ausgeprägt, auch nimal dar; dies ist vor allem der Fall bei einer Kompres-
das anteriore longitudinale Ligament (ALL) bleibt in der sionsverletzung der hinteren Säule. Typische radiologi-
Regel intakt. sche Veränderungen sind die Erweiterung des ventralen
Bandscheibenfachs, die sagittale Verschiebung, sowie die
Kantenabsprengung der unteren Deckplatte (Abb. 8.6).
Verletzungen des ALL sind am besten in der Kernspinto-
Klassifikation 181

Abb. 8.5 CT-Bilder eines 35 Jahre


alten Mannes mit kompletter Läh-
mung der unteren Extremitäten,
der aus ca. 6 m Höhe von einem
Dach auf seinen Rücken fiel.
a A.–p. Aufnahme.
b Sagittale CT-Aufnahme.

a b

lisierung der Wirbelsäule bewirken, sind bei diesen insta-


bilen Verletzungen besonders empfehlenswert.
8
Ankylosierende Spondylitis / diffuse
idiopathische Skeletthyperostose
Pathologische Knochenerkrankungen wie die ankylosie-
rende Spondylitis (Morbus Bechterew) oder diffuse idio-
pathische Skeletthyperostose (DISH) resultieren in einer
erhöhten Brüchigkeit der Wirbelsäule und sind damit die
Ursache für ein erhöhtes Frakturrisiko auch bei geringem
Trauma (20). Frakturen, die mit DISH assoziiert sind ver-
laufen typischerweise durch den Wirbelkörper, wohin-
gegen das Frakturmuster bei der ankylosierenden Spon-
dylitis typischerweise durch die Zwischenwirbelscheibe
verläuft. Die Prognose bei diesen Verletzungen ist abhän-
gig vom Unfallmechanismus, vom Grad der osteo-
ligamentären Verletzung und dem Vorhandensein eines
neurologischen Defizits (21). Bei Patienten mit ankylosie-
render Spondylitis besteht oftmals eine Ossifikation der
Ligamente, die daraufhin auch bei minimaler Krafteinwir-
Abb. 8.6 Extensionstyp einer dislozierten Fraktur bei einer 63
Jahre alten Frau, die von einem PKW angefahren wurde. Die kung unter Zug reißen können. Des Weiteren tendieren
Röntgenaufnahme zeigt den erweiterten Bandscheibenraum Patienten mit ankylosierender Spondylitis häufiger zu
ventral sowie die posteriore Verschiebung des Wirbelkörpers. posttraumatischen spinalen epiduralen Hämatomen,
selbst nach relativ geringem Trauma. Das spinale epidu-
rale Hämatom zeigt sich in der Kernspintomografie als
mografie ausfindig zu machen. Durch die Verletzung des eine keilförmige epidurale Masse, die das Rückenmark
ALL und die Kompressionsverletzung der hinteren Säule komprimiert. Eine sofortige Dekompression ist die Me-
sind diese Frakturen von Natur aus instabil. Bei der chi- thode der Wahl, und die Indikation dazu abhängig vom
rurgischen Stabilisierung muss eine Überkorrektur ver- Grad des neurologischen Defizits. Erwähnenswert ist die
mieden werden; dabei darf die Stabilisierung nicht nur erhöhte Morbidität und Mortalität bei Patienten mit pa-
als hintere Verspannung dienen. Systeme mit Pedikel- thologischen Knochenerkrankungen.
schrauben, die eine segmentale, dreidimensionale Stabi-
182 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

dabei sowohl Ödeme und Blutungen als auch Verletzun-


Radiologische Beurteilung
gen des Rückenmarks darstellen. Die Untersuchungs-
Die Diagnostik von Frakturen im oberen BWS-Bereich bei ergebnisse im MRT zeigten dabei eine verlässliche Korre-
Polytraumapatienten ist weiterhin eine große Herausfor- lation mit der späteren neurologischen Regeneration (25,
derung. Die klinischen Symptome sind oftmals schwer zu 26). Des Weiteren liefert das MRT Informationen über das
eruieren, vor allem bei gleichzeitiger Präsenz von Extre- anteriore und posteriore longitudinale Ligament (ALL und
mitätenfrakturen, Schädel-Hirn- oder Brustkorbverlet- PLL), Strukturen die im CT oft schwierig zu evaluieren
zungen, die eine Beatmung nötig machen (21). In Abwe- sind (27). Der Nachteil des MRT bei der Untersuchung
senheit von neurologischen Symptomen kann eine po- des akut traumatisierten Patienten ist die Tatsache, dass
tenziell instabile Fraktur unerkannt bleiben. In 5 – 27 % das Monitoring des verletzten Patienten in der MRT-
der Fälle können multiple, oftmals nicht zusammenhän- Röhre sich als schwierig erweisen kann. Auch Beat-
gende Frakturen der Wirbelsäule gefunden werden. Diese mungssysteme sind oft im Magnetfeld des Kernspinto-
befinden sich typischerweise in der unteren Lendenwir- mografen nicht einsetzbar (28).
belsäule oder im zervikothorakalen Übergang (4, 5, 8, 22, Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der radiologischen
23). Daher muss zum Ausschluss einer Fraktur der BWS Untersuchung eines Traumas der BWS ist die Evaluation
immer ein CT erfolgen. Umgekehrt sollte jede Fraktur im von Verletzungen der Aorta, die oft ähnliche klinische
Bereich der Halswirbelsäule oder Lendenwirbelsäule und radiologische Befunde wie Verletzungen der BWS
ebenfalls zu einer kompletten axialen Untersuchung der aufweisen. Da eine Aortenruptur den kollateralen Kreis-
Wirbelsäule führen. Diese Untersuchung wird mittels lauf der Spinalarterien kompromittieren und damit eine
Spiral-CT durchgeführt. Bei Verdacht auf eine isolierte ischämische Nekrose des Rückenmarks hervorrufen kann,
BWS-Verletzung kann zunächst eine Röntgenaufnahme kann auch die Aortenruptur zu einer Paraparese oder
a.–p. und seitlich durchgeführt werden. In der Regel Paraplegie führen. Charakteristische radiologische Befun-
wird der Patient aber mittels CT untersucht. Die Bild- de einer potenziellen Aortenpräparation sind ein erwei-
gebung des zervikothorakalen Übergangs stellt sich oft- tertes Mediastinum, pleurale Flüssigkeit, Hämatothorax
mals als schwierig dar; dabei zeigen die seitlichen Auf- oder ein Pneumomediastinum (29, 30). Jedoch können
8 nahmen im Röntgen oftmals den 6. und 7. Halswirbel ähnliche Befunde im konventionellen Röntgen auch bei
nicht mehr adäquat an. Als Ergänzung ist hier das CT vielen Patienten mit ansonsten unkomplizierten knöcher-
nötig, um diese Region korrekt darzustellen. Aus Erfah- nen Verletzungen der oberen BWS gesehen werden (5,
rung besitzt die seitliche Aufnahme einen größeren Stel- 29).
lenwert. Aber auch die a.–p. Aufnahme sollte gründlich Initiale Anzeichen einer Verletzung der Aorta können
inspiziert werden, da sie, wenn korrekt durchgeführt, äu- in den konventionellen Röntgenaufnahmen des Thorax
ßerst hilfreich bei der Identifikation von Deckplattenver- gesehen werden. So verbleibt bei einer isolierten Wirbel-
letzungen oder Fehlern des Alignements sein kann. Das körperfraktur der linke Hauptbronchus in seiner norma-
CT dient schon seit längerem als Untersuchung der Wahl len Lage, wohingegen der Bronchus bei Verletzungen der
bei der detaillierten Darstellung von ossären Läsionen der Aorta teilweise komprimiert wird. Im Falle einer Aorten-
Wirbelsäule. Aufgrund der Fortschritte in der Bilddarstel- präparation wird eine evtl. gelegte Magensonde nach
lung ist das CT oft schon in der Notaufnahme oder im rechts verschoben (4). Aufgrund der hohen Mortalitäts-
Schockraum verfügbar und wird daher in der Regel an- rate, die mit Aortenverletzungen assoziiert ist (historisch
statt klassischer Röntgenaufnahmen eingesetzt. Das CT sterben 80 % dieser Patienten bevor sie in die Klinik trans-
muss immer bei beatmeten oder sedierten Polytrauma- portiert werden können) sprachen sich Bolesta u. Bohl-
patienten oder bei Patienten, bei denen der Unfallmecha- mann für den initialen Ausschluss einer Aortenverletzung
nismus eng mit Verletzungen der BWS assoziiert ist, ein- mittels Angiografie vor der operativen Stabilisation der
gesetzt werden. Albrecht et al. verglichen unlängst post- BWS bei Patienten mit einem Hochrasanztrauma aus
konventionelle Röntgenaufnahmen mit dem CT bei Poly- (29). Die Untersuchung erfolgt heute automatisch in der
traumapatienten und zeigten dabei, dass im konventio- Traumaspirale (CT) durch Applikation von Kontrastmittel.
nellen Röntgen bis zu 50 % der instabilen Wirbelsäulen-
frakturen nicht erkannt wurden. Diese konnten allerdings
alle im CT identifiziert werden (24). In dieser Studie wur- Therapieplanung
den alle akut versorgungsbedürftigen Verletzungen der
Wirbelsäule im CT entdeckt. Die Einschätzung der Stabilität der verletzten BWS ist der
Auch das MRT wird zunehmend bei Traumata der Wir- wichtigste und meistens auch der schwierigste Schritt bei
belsäule eingesetzt, vor allem zur Beurteilung der Weich- der Therapieentscheidung. Nach White u. Panjabi ist die
teile und Rückenmarkspathologien. Dabei verschafft uns klinische Instabilität der Wirbelsäule definiert als „der
das MRT einen relativ schnellen Überblick über die ver- Verlust der Wirbelsäule ihre Statik unter physiologischer
letzten Areale, z. B. das Rückenmark, die Bandscheiben, Belastung so zu bewahren, dass es nicht zum initialen
den Liquor, den Epiduralraum, die posterioren Band- oder zusätzlichen neurologischen Defizit, signifikanter
strukturen sowie das Knochenmark. Das MRT kann Deformität oder unerträglichen Schmerzen kommt“
Operative Therapie 183

(31). Verschiedene Faktoren müssen berücksichtigt wer- Operative Therapie


den, um definitiv die Stabilität der BWS nach einer Ver-
letzung beurteilen zu können. Dazu zählen der Unfall- Die Indikation zur operativen Intervention ist in erster
mechanismus, die Größe der einwirkenden Kraft, die Linie abhängig von der Stabilität der verletzten Wirbel-
Knochenqualität, der radiologische Befund der beteiligten säule und vom neurologischen Status des Patienten. Dis-
Strukturen, sowie der neurologische Status des Patienten. lozierte Frakturen (Typ C) sind die am häufigsten opera-
Dabei wird die spinale Instabilität nicht durch ein „Alles- tiv, mittels offener Reposition, Stabilisation und Spondy-
oder-Nichts-Prinzip“ definiert, sondern durch den Zu- lodese behandelten Verletzungen. Jedoch können auch
sammenhang vieler Faktoren. Wie schon vorher erwähnt, Kompressionsfrakturen mit einem Höhenverlust von
sollte jede Verletzung der BWS, die mit der Fraktur des mehr als 50 % im ventralen Anteil des Wirbelkörpers im
Sternums einhergeht, als potenziell instabil gewertet Verlauf eine progressiv schmerzvolle Kyphose entwickeln
werden. Die Verletzung der posterioren Strukturen (Frak- und daher eine operative Stabilisation erfordern (3, 7, 33,
turen des Processus spinosus, Subluxation der Facetten- 34). Hanley u. Eskay fanden heraus, dass 75 % der Patien-
gelenke, komplette Luxationen) kann die Wirbelsäulen- ten mit Kompressionsfrakturen die konservativ behandelt
stabilität entscheidend beeinflussen, vor allem, wenn wurden, im Verlauf über Schmerzen bei längerem Stehen
diese Verletzungen mit einer Schädigung der anterioren aufgrund von knöcherner Sinterung und übermäßiger
Bandstrukturen einhergehen. Rotationskräfte in Kom- Kyphose klagten (3). Gelegentlich können Kompressions-
bination mit übermäßiger Flexion sind ebenfalls in der frakturen vor allem bei älteren Patienten mit einem ge-
Lage, das ALL zu verletzen und damit die Wirbelsäule zu wissen neurologischen Defizit verknüpft sein, welches
destabilisieren. Eine klinische Instabilität kann dabei normalerweise aufgrund eines Bandscheibenprolapses
nicht sicher durch konventionelle Röntgenbilder abgelei- oder aufgrund von fortschreitender Kyphosierung und
tet werden, da auch ähnliche biomechanische Kräfte oft Deformität entsteht (33). Eine frühzeitige Dekompression
komplett unterschiedliche Verletzungen hervorrufen. Bei in Verbindung mit Stabilisation bei Patienten dieser Al-
der Planung der Therapie ist ein gutes Verständnis der tersgruppe kann dabei empfehlenswert sein. Auf der an-
Biomechanik und der biologischen Aspekte einer Verlet- deren Seite sollten die Risiken einer operativen Interven-
zung von höchster Bedeutung. tion bei Kompressionsfrakturen streng abgewogen wer- 8
Die Ziele der Therapie sind dabei streng definiert: den, falls in der radiologischen Diagnostik kein Anhalt auf
■ Stabilisation der Wirbelsäule um weitere Deformität zu eine Spinalkanalkompression besteht und im CT oder
verhindern, MRT keine ligamentären Verletzungen nachzuweisen
■ frühzeitige Mobilisierung, sind.
■ Verhindern von (zusätzlicher) neurologischer Schädi- Der operative Zugang (anterior vs. posterior) bei Frak-
gung, turen der BWS ist nicht nur von der Notwendigkeit einer
■ Schmerzreduktion, Dekompression bei neurologischem Defizit abhängig,
■ die Einsparung von Behandlungskosten sofern möglich. sondern auch vom Frakturmuster des verletzten Wirbel-
körpers. Die verschiedenen Zugänge und deren Erklärung
sind in Abb. 8.7 dargestellt. Die ventrale Rekonstruktion
Konservative Therapie ist evtl. zur Wiederherstellung der Lastaufnahme der vor-
deren Säule nötig. Wenn die lasttragende vordere Säule
Die Mehrheit der BWS-Verletzungen sind relativ stabil nicht komplett zertrümmert ist, ist der posteriore Zugang
und können konservativ therapiert werden. Kompressi- zu bevorzugen, vor allem bei polytraumatisierten Patien-
ons- und die meisten Berstungsbrüche bei Patienten mit ten.
intakten kostovertebralen Verbindungen, intaktem Brust-
korb und stabilem neurologischen Status können mit spe-
Vertebroplastie und Kyphoplastie
ziellen Orthesen über 6 – 12 Monate behandelt werden.
Dabei werden kleinere Kompressionsfrakturen immer Im Verlauf der letzten Jahre war ein stetiger Anstieg der
öfter durch frühe ambulante Behandlung ohne Orthesen, Patienten zu verzeichnen, die bei erlittenen Kompressi-
jedoch mit gleichen Resultaten therapiert (7, 32). Die onsfrakturen, speziell bei osteoporotischen Knochen, ent-
meisten Patienten profitieren dabei von der Durchfüh- weder mit einer Vertebroplastie oder Kyphoplastie ver-
rung von krankengymnastischer Rückenschule. Eine Fle- sorgt wurden (35–37). Dabei wird bei der Vertebroplastie
xions-/Distraktionsfraktur mit rein ossärer Frakturkom- unter Durchleuchtung Polymethylmetacrylat (Knochen-
ponente (B2), kann auch ohne Orthese knöchern aushei- zement) perkutan in den frakturierten Wirbelkörper
len. Dabei ist zu beachten, dass Verletzungen der oberen über einen posterior-transpedikulären Zugang injiziert.
BWS (oberhalb Th 6) oft schwer in einer Orthese ruhig- Dieser Eingriff wird oft schon ambulant durchgeführt.
zustellen sind, ohne dabei den Kopf und die Halswirbel- Initial wurde dieses Therapieverfahren für isolierte Wir-
säule mit einzuschließen. Daher werden diese zerviko- belkörpermetastasen entwickelt, so z. B. für Patienten mit
thorakalen Orthesen typischerweise schlecht toleriert. multiplem Myelom. Das Verfahren zeigte rasch seine Vor-
184 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

a b

c d

Abb. 8.7 Verschiedene Zugänge zur Dekompression des Spi- c Die Kostotransversektomie ermöglicht eine ähnliche Darstel-
nalkanals auf Höhe der Brustwirbelsäule (Lemole GM, Henn JS, lung des lateralen Spinalkanals kombiniert mit einem Zugang
Sonntag VKS. Thoracic fractures. In: Vaccaro AR, ed. Fractures zum anterioren Teil des Wirbelkörpers.
of the Cervical, Thoracic and Lumbar Spine. New York: Marcel d Der transthorakale Zugang erfordert eine Thorakotomie, er-
Dekker; 2003;407–439). möglicht aber den besten Zugang zum ventralen Abschnitt des
a Laminektomie bei der posterioren Kompression. Spinalkanals.
b Der transpedikuläre Zugang erlaubt die Dekompression des
lateralen Anteils des Spinalkanals.

teile auch bei nichtpathologischen Kompressionsfraktu- tionären Behandlung sowie eine verbesserte körperliche
ren. und geistige Funktion der Patienten aufweisen. Coumans
Die Kyphoplasie ist eine ähnliche Methode; jedoch et al. konnten aufgrund ihrer Erfahrungen am Massachu-
wird hier vor Einbringung des Knochenzements ein klei- setts General Hospital zeigen, dass nach Kyphoplastie
ner Ballon im frakturierten Wirbelkörper aufgeblasen, eine signifikante Verbesserung bei den Short Form (SF)
um die kollabierten Deckplatten anzuheben und die ini- 36 Scores bestand. Des Weiteren konnten sie bei einem
tiale Höhe des Wirbelkörpers im sagittalen Profil wieder Nachuntersuchungsintervall von 1 Jahr diese Resultate
herzustellen. Nach Reposition der Fraktur wird die Luft nach Kyphoplastie bestätigen (38). McKiernan et al. be-
aus dem Ballon wieder herausgelassen und der Zement treuten in einer prospektiven Studie 46 Patienten bis zu 6
eingefüllt. Durch den Zement wird der Defekt aufgefüllt Monate nach der Vertebroplastie. Sie konnten eine sofor-
und das Repositionsergebnis bewahrt (Abb. 8.8). tige und statistisch signifikante Reduktion der Schmerzen
Der Vorteil dieses Verfahrens ist die erhöhte Wider- sowie eine Verbesserung in allen Bereichen des „Osteo-
standsfähigkeit des Wirbelkörpers sowie die sagittale porosis quality of life questionnaire“ nachweisen. Diese
Wiederherstellung der Wirbelkörperhöhe und damit der Verbesserung der Lebensqualität konnte bei jeder Nach-
natürlichen Brustkyphose. untersuchung während des 6-monatigen Intervalls bestä-
Beide Verfahren, sowohl die Vertebroplastie als auch tigt werden (p < 0,007; 39). Jedoch gibt es noch keine
die Kyphoplastie konnten eine Verbesserung der Vergleichsstudien dieser Prozeduren mit konservativen
Schmerzsymptomatik, die frühe Entlassung aus der sta- Therapieregimen, wie z. B. Ruhigstellung mittels Orthese,
Operative Therapie 185

aufblasbarer Knochen-
verdichter über eine
Wirbelkörper- Arbeitskanüle
kompressions-
fraktur mit
Kyphose

a b
axiale Ansicht
Aufblasen des Verdichters
Knochenverdichter

Auffüllen der Höhle

Abb. 8.8 Das Verfahren der Kyphoplastie. b Der Ballon wird nun aufgepumpt, dabei wird die Keilbildung
a Durch eine Kanüle wird ein Ballon in den frakturierten Wir- des Wirbelkörpers korrigiert.
belkörper eingebracht. c Die Luft wird aus dem Ballon wieder heruasgelassen und
Zement wird in den entstandenen Hohlraum injiziert.

Bettruhe und Analgesie. Da beide Prozeduren das Ein- Weichteilgewebe oder sogar die Embolisation von Orga-
bringen von Knochenzement in einen relativ begrenzten nen wie dem Herz oder den Lungen möglich (35, 37)
Raum beinhalten, besteht eine generelle Kontraindikation
bei Hinterkantenbeteiligung der Wirbelkörperfraktur. Bei
Posteriore Instrumentierung
Wirbelkörperfrakturen mit Hinterkantenbeteiligung, wie
z. B. bei Berstungsfrakturen, besteht ein erhöhtes Risiko In den meisten Fällen von instabilen traumatischen De-
für Verletzung des Rückenmarks durch die Injektion und formierungen (Berstungsfrakturen, Flexions-/Distrakti-
Extravasation des flüssigen Zements. Zusätzlich ist das onsverletzungen, dislozierten Frakturen) ist die multiseg-
Auslaufen des Polymethylmetacrylats in das umgebene mentale posteriore Instrumentierung anzuwenden. Typi-
186 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

scherweise müssen mehrere Segmente oberhalb und un- Der Zeitpunkt der chirurgischen Dekompression wird
terhalb der Verletzung bei der Spondylodese mit einge- immer noch kontrovers diskutiert. Es besteht weiterhin
schlossen werden, da starke Biegungskräfte auf die natür- keine strenge Korrelation zwischen dem Grad des initia-
liche Kyphose im BWS-Bereich wirken (Video 8-1, len neurologischen Defizits mit dem Grad der Einengung
DVD 1). Auch eine postoperativ angelegte Orthese kann des Spinalkanaldurchmessers; daher ist die alleinige Prä-
hier zu einer Verbesserung des Ergebnisses beitragen senz einer Läsion, die in den Spinalkanal reicht, noch
40 – 42). keine Indikation zur Dekompression (5, 50). Auf der an-
Moderne multisegmentale Instrumentationssysteme deren Seite zeigten einige experimentelle Studien an Tie-
erlauben eine steifere Fixierung über eine kürzere Stre- ren, dass die neurologische Regeneration direkt in Zu-
cke, vor allem wenn Pedikelschrauben benutzt werden sammenhang mit der Dauer der Rückenmarkskompressi-
können (Abb. 8.9; 8, 43, 44). on steht (51, 52). Auch beim Menschen existieren Fälle
Diese intrapedikulären Schrauben sind besonders dann von deutlicher Verbesserung eines neurologischen Defi-
indiziert, wenn eine strikte dreidimensionale Stabilisie- zits nach akuter Dekompression; diese sind jedoch auf
rung der dislozierten Wirbelsäule nötig ist, z. B. bei dis- Einzelfälle beschränkt (12, 53–56). Krengel et al. (57)
lozierten Frakturen oder Hyperextensionsverletzungen. sowie andere Autoren (3, 5, 22, 58) zeigten eine dramati-
Eine weitere, erst kürzlich hinzugefügte Option für die sche Verbesserung und verschiedene Stufen von neurolo-
Behandlung von Frakturen der BWS ist die endoskopische gischer Regeneration bei Patienten mit inkomplettem
Stabilisierung und Instrumentierung (45, 46). Obwohl die Querschnitt nach Trauma im BWS-Bereich. Diese Patien-
Lernkurve bei der thorakoskopischen Operation immer ten wurden mittels früher Dekompression, spinalem Re-
noch sehr steil ist, zeigt sich eine relativ niedrige Kom- alignement und operativer Stabilisation therapiert. Diese
plikationsrate bei erfahrenen Operateuren (< 2 %). Beim Studien zeigten ein verbessertes Outcome im Vergleich
Vergleich mit Patienten, die über eine offene Thorakoto- zu älteren Arbeiten, bei denen eine spätere operative In-
mie operiert wurden, zeigt sich ein geringerer postope- tervention durchgeführt wurde. Das Fehlen von verglei-
rativer Analgetikabedarf. chenden Studien macht es schwierig, ein Ursache-Wir-
kung-Prinzip zwischen dem Zeitpunkt der Dekompressi-
8 on und dem Grad der neurologischen Erholung aufzuzei-
Spinale Dekompression
gen, dass sich von der natürlichen neurologischen Erho-
Die generelle Indikation zur operativen Dekompression lung bei konservativ therapierten Patienten signifikant
der Wirbelsäule besteht bei neurologischer Verschlechte- unterscheidet. Es besteht die einhellige Meinung, dass
rung oder bei inkomplettem neurologischen Defizit in eine frühe operative Therapie beim polytraumatisierten
Verbindung mit dem radiologischen Nachweis einer, Patienten die Komplikationen, die postoperativ in Verbin-
den Wirbelkanal beeinträchtigenden, Weichteil- oder dung mit der Rückenmarksverletzung stehen, verringert.
Knochenläsion. Dazu gehören z. B. die Pneumonie, tiefe Beinvenenthrom-
Das initiale Ausmaß der neurologischen Verletzung bosen, Lungenarterienembolien sowie Dekubitalulzera.
hilft dem Operateur bei der Entscheidung eine spinale Auch die Anzahl der Tage des stationären Aufenthalts
Dekompression durchzuführen. Ein kompletter Quer- sowie die Tage auf der Intensivstation und die Gesamt-
schnitt kann dabei auf eine schwerwiegende anatomi- kosten sind hier geringer (59).
sche Verletzung oder funktionelle Durchtrennung des Rü- Ein weiterer Bereich der kontrovers diskutiert wird, ist,
ckenmarks schließen lassen. Die Erfahrung zeigt, dass ob Frakturen der BWS in Zusammenhang mit komplet-
diese Patienten selten Vorteile von der operativen Thera- tem Querschnitt operativ versorgt werden sollen (5, 47).
pie haben (5, 7, 34, 47). Ein weiterer beeinflussender Fak- Befürworter beziehen sich auf die Vorteile der verkürzten
tor ist das Alter; Patienten über 50 Jahre mit einer Rü- stationären Behandlung, der geringeren Kosten, der
ckenmarksverletzung haben eine schlechtere Prognose schnelleren Mobilisierung, der schnelleren Einleitung
für die Regeneration eines neurologischen Defizits als einer Anschlussheilbehandlung und auf das Verhindern
jüngere Patienten (48). einer fortschreitenden und ggf. schmerzhaften Kyphosie-
Wenn die Indikation besteht, sollen die meisten Frak- rung (60). Auf der anderen Seite berichten viele Autoren
turen vorzugsweise durch einen ventralen Zugang de- von Komplikationen in Verbindung mit langstreckigen
komprimiert und das nach posterior verlagerte Knochen- thorakalen Spondylodesen. Dazu gehören die aufsteigen-
fragment entfernt werden (34, 47). Die posteriore De- de Paraplegie, Wundinfektionen, Pneumonien, Auslaufen
kompression und die damit verbundene Manipulation von Liquor und die Entwicklung von Pseudarthrosen. Die
des Rückenmarks zeigte im Vergleich zum ventralen Zu- Tendenz geht aber eindeutig hin zur operativen Stabili-
gang eine größere Gefahr der iatrogen verursachten neu- sierung der Wirbelsäule beim Querschnitt (5, 7, 34, 41, 60,
rologischen Komplikationen (5, 47, 49). Inkomplette 61).
Quertschnittssymptomatik kann durch Frakturreposition
und Wiederherstellung des spinalen Alignements sowie
endgültige Stabilisation verbessert werden.
Operative Therapie 187

a b

8
c

Abb. 8.9
a Posteriore Sicht auf die Eintrittspunkte bei der di-
rekten transpedikulären Verschraubung.
b Posteriore Sicht auf die Eintrittspunkte der thora-
kalen Pedikelschrauben bei einem lateralen Zugang.
c Axiale Sicht auf thorakale transpedikuläre Schrau-
ben.
d Axiale Übersicht über die verschiedenen Eintritts-
winkel bei der Einbringung der Pedikelschrauben, ab-
hängig von der Höhe der Fraktur.
e e Laterale Übersicht zur Darstellung der verschiede-
nen Eintrittswinkel in der sagittalen Ebene bei der
Einbringung von thorakalen Pedikelschrauben je nach
Höhe der Fraktur.
(Fisher C. Thoracic pedicle screw placement. In: Vac-
caro AR, Albert TJ, eds. Spine Surgery: Tricks of the
Trade New York: Thieme; 2003:90–91).
188 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

Operative Technik der ventralen Operative Technik und Instrumentation der


Dekompression und Spondylodese posterioren Dekompression und
Spondylodese (Video 8-1, DVD 1)
Wie schon erwähnt, ist die chirurgische Versorgung von
ventral bei Verletzungen der BWS bei folgenden Verlet- Es wird die standardisierte posteriore Dekompressions-
zungen indiziert: technik der Autoren beschrieben. Der Hautschnitt in der
■ bei der notfallmäßigen Dekompression und Stabilisati- Mittellinie führt vom kranialen bis zum kaudalen Proces-
on einer instabilen Berstungsfraktur mit neurologi- sus spinosus. Die Lokalisation der Höhe des Hautschnitts
schem Defizit, sollte unter Bildwandlerkontrolle erfolgen. Nach erfolgte
■ bei der Korrektur einer posttraumatischen Kyphose, Hautinzision wird mit dem elektrischen Messer bis auf
■ bei der Rekonstruktion der vorderen Säule, um eine die Processi spinosi präpariert. Eine wiederholte Kontrol-
fortschreitende kyphotische Deformierung zu verhin- le mittels Bildwandler sollte durchgeführt werden sobald
dern. die Präparation lateral der Processi spinosi erfolgt. Dabei
kann z. B. eine Tuchklemme am betroffenen Prozessus
Der vordere Zugang zur Wirbelsäule ist auf Höhe Th4 – befestigt werden.
Th9 transthorakal, auf Höhe Th10 –L1 thorakoabdominal Nach durchgeführter Höhenkontrolle durch den Bild-
und auf Höhe Th12 –L5 retroperitoneal zu wählen. Bei wandler werden nun die muskulären Ansätze an den
der transthorakalen Operation ist der Zugang rechtsseitig Processi spinosi und an den Laminae mit dem Elektro-
zu bevorzugen, um vor allem bei Verletzungen oberhalb kauter durchtrennt. Dabei sollten nach Möglichkeit die
von Th10 die vitalen Strukturen zu schonen. Die Rippen Kapseln der Facettengelenke nicht beschädigt werden,
auf Höhe der Verletzung können reseziert werden. Da- falls die Spondylodese nicht auf der Höhe der Dekom-
raufhin wird die parietale Pleura dargestellt und zur Hälf- pression geplant ist. Die interspinalen Ligamente werden
te zwischen dem Neuroforamen und dem vorderen Anteil daraufhin mit dem Rongeur entfernt, woraufhin die Pro-
des Wirbelkörpers inzidiert. Daraufhin sollte zur Doku- cessi spinosi mit der Knochenfräse en bloc reseziert wer-
mentation mittels Bildwandler die korrekte Höhe kon- den können. Anschließend kann die Dekompression des
8 trolliert werden. Die segmentalen Blutgefäße über dem Spinalkanals durchgeführt werden. Zunächst sollte dabei
verletzten Wirbelkörper werden nun dargestellt und li- die Dekompression des Zentralkanals im Vordergrund
giert. Die Pleura und das Periost werden daraufhin abge- stehen. Dafür wird zur Ausdünnung der Lamina die Kno-
hoben. Dadurch ist die Positionierung eines stumpfen chenfräse genutzt. Zur Schonung der Dura sollte das Liga-
Hakens zwischen der vorderen Wirbelsäule und den Ge- mentum flavum intakt bleiben. Auch die Pars articularis
fäßen möglich. Ein weiterer stumpfer Haken wird nun im sollte durch äußerst vorsichtiges Arbeiten geschont wer-
Neuroforamen am lateralen Rand des Spinalkanals plat- den. Im Anschluss werden die Laminae mit einem Ron-
ziert, um das laterale Weichteilgewebe zu retrahieren. geur von kaudal nach kranial entfernt. Im Falle einer
Daraufhin werden die angrenzenden Bandscheiben Berstungsfraktur können die in den Zentralkanal reichen-
scharf inzidiert und entfernt. Nun erfolgt die Darstellung den Bruchstücke nach durchgeführter Laminektomie nun
des Pedikels nach Entfernung des Rippenköpfchens. Der entfernt werden. Falls nötig kann der Operateur jetzt mit
Pedikel wird später mit einem Punch oder einer Kno- der Dekompression der lateralen Recessus und der ein-
chenfräse entfernt. Nach erfolgreicher Entfernung des Pe- zelnen Foramina fortfahren, dies würde eine partielle
dikels erfolgt die Darstellung der hinteren Grenze des mediale Facettektomie benötigen. Ob eine Dekompressi-
Wirbelkörpers und die darauffolgende Entfernung dessel- on der lateralen Recessus und der einzelnen Foramina
ben. Die Dekompression wird dann fortgeführt, bis der nötig ist, hängt von der Frakturmorphologie in der prä-
mediale Rand des kontralateralen Pedikels zur Darstel- operativen Bildgebung ab. Die Laminektomie einer oder
lung kommt (62). Sobald die Dekompression beendet mehrerer Segmente bedarf der Freilegung des hinteren
ist, wird eine adäquate Rekonstruktion der vorderen Kanals. Die Kostotransversektomie und ein transpediku-
Säule durchgeführt. Darauf folgt die ventrale oder poste- lärer Zugang erlauben die Behebung eines lateralen und,
riore Stabilisation. Danach erfolgen der Verschluss der in seltenen Fällen, vorderen Impingements.
Pleura und die Einlage einer Thoraxdrainage. Zuletzt Die Techniken der Instrumentation haben sich über die
Wundverschluss und Einlage von oberflächlichen Draina- letzten Jahrzehnte von der Spondylodese ohne Instru-
gen. mentation, über den Einsatz von Haken, Stäben und
Falls posterior keine signifikante knöcherne oder liga- Drähten bis zur Verwendung von Pedikelschrauben wei-
mentäre Schädigung besteht, kann eine ventrale Spondy- terentwickelt (Abb. 8.10; Video 8-1, DVD 1). Die Pedikel-
lodese mittels zweier Stäbe oder Plattenosteosynthese schrauben stabilisieren beide Säulen der Wirbelsäule und
ausreichend sein. Zur Rekonstruktion der vorderen, ge- erreichen damit eine Korrektur in 3 Ebenen. Idealerweise
wichtstragenden Säule kann ein passender Allograft, Au- wird diese Technik bei dislozierten Frakturen der BWS
tograft oder Cage benutzt werden. eingesetzt, da hier die Stabilisation über mehrere Seg-
mente erweitert werden kann ohne für die Beweglichkeit
wichtige Segmente zu opfern, wie es in der Lendenwir-
Operative Therapie 189

Abb. 8.10 Th4-Berstungsfraktur.


a A.–p. CT-Schnitt.
b Sagittaler CT-Schnitt.
c A.–p. Röntgenaufnahme nach Stabilisation über meh-
rere Segmente unter Verwendung von Pedikelschrauben.
d Seitliche Röntgenaufnahme nach Stabilisation.

a b

c d

belsäule der Fall wäre. Alle posterioren Instrumentierun- von Vorteil sein, um den Zugang und die genaue Platzie-
gen sollten durch vorsichtige Dekortikation und Kno- rung der Schrauben sicherzustellen (63). In einer Studie
chenersatz, vorzugsweise Autografts, ergänzt werden. an Kadavern zeigten Fayyazi et al. eine relativ geringe
Trotz neuer Systeme ist weiterhin ein äußerst vorsichti- Sensitivität der Computertomografie, verglichen mit offe-
ges Vorgehen indiziert. Das Einbringen der Schrauben in ner Präparation, was die Beurteilung der Position der
die thorakalen Pedikel erweist sich immer wieder als thorakalen Pedikelschrauben betrifft. Diese Daten können
schwierig. Daher ist eine genaue radiologische Bild- zu einer steigenden Akzeptanz für die computernavigier-
gebung präoperativ nötig, um die korrekte Schrauben- ten Operationstechniken führen (64).
platzierung zu planen. Dabei ist durch die Überlagerung
der kostotransversalen Facetten und Gelenksfacetten die
genaue Anatomie der thorakalen Pedikel teilweise ver-
deckt. Im Unterschied zur Lendenwirbelsäule kann der
Thekalsack nicht retrahiert werden, um den medialen
Anteil des Pedikels darzustellen. Eine von Bildgebung un-
terstützte Operationstechnik (3D-C-Arm) kann hierbei
190 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

Rehabilitation Generelle Langzeitverläufe nach Frakturen


der Brustwirbelsäule
Die Versteifung mit neueren Instrumentationssystemen
erlaubt eine schnellere postoperative Nachbehandlung. In einer prospektiven Studie untersuchten McLain et al.
Vor der Entwicklung dieser neuen Systeme war der Ge- 70 Patienten, die mit posteriorer Instrumentierung bei
brauch von externen Orthesen zum Erreichen des ge- instabilen thorakalen und thorakolumbalen Frakturen
wünschten spinalen Alignement und zur Erhaltung dieser behandelt wurden. Davon wies die Hälfte der Patienten
Position während der knöchernen Konsolidierung weit initial ein neurologisches Defizit auf. Untersucht wurden
verbreitet. Durch den Einsatz von Pedikelschrauben und die Wiedereingliederung an den alten Arbeitsplatz und
den erwähnten neueren, stabileren Instrumentationssys- das funktionelle Langzeitergebnis über eine postoperati-
temen ist die Dauer der postoperativen Immobilisierung ve Periode von 5 Jahren. Sie beschrieben, dass 70 % der
nun stark reduziert. Die Entscheidung über eine Orthese Patienten an ihren Arbeitsplatz zurückkehrten, davon er-
sollte nun in Abhängigkeit des Gesamtzustands des ein- reichten 54 % ihren vorherigen Status ohne funktionelle
zelnen Patienten, der biomechanischen Eigenschaften des Einschränkung. Das initiale neurologische Defizit hatte
eingesetzten Systems und der begleitenden psychosozia- den größten Einfluss auf das funktionelle Ergebnis, dieser
len Komponente getroffen werden. Bei einem Trauma im Einfluss war signifikant größer als bei allen anderen Va-
thorakolumbalen Übergang sollte der Operateur neben riablen (65). Die Eigenschaft der modernen multisegmen-
dem Allgemeinzustand des Patienten auch das Ausmaß talen Instrumentierung, die Kraft über mehrere Segmen-
der Spondylodese berücksichtigen. Als Beispiel ist die ver- te verteilen zu können, weist ein deutlich niedrigeres
längerte Zeit der Knochenheilung bei einem Raucher zu Risiko von Implantatbrüchen auf. Diese Implantatbrüche
nennen. wurden in etwa 15 % aller Patienten, die mit der ersten
Bei der Zusammenstellung einer Anschlussheilbehand- Generation an Harrington-Stäben versorgt wurden, gese-
lung sollten bestimmte Faktoren eines jeden Patienten hen.
berücksichtigt werden. Dazu zählen das Alter, der All- Langzeitverläufe bei Patienten, die aufgrund von Flexi-
gemeinzustand und die gewünschte Aktivität. Viele Chi- ons-/Distraktionsverletzungen oder dislozierten Fraktu-
8 rurgen empfehlen daher eine aktive Anschlussheilbe- ren operativ behandelt wurden, zeigen bisher nur sehr
handlung mit Beginn 4 – 6 Wochen postoperativ. Diese wenig vergleichende Informationen über das funktionelle
beinhaltet Übungen zur Stärkung des Rückens sowie ein Ergebnis. Solche Studien wären nicht nur bei der Ent-
kardiovaskuläres Fitnessprogramm. Das langfristige Ziel scheidung über Behandlungsoptionen (konservativ vs.
ist, den Patienten in seinen Beruf wieder einzugliedern operativ) sondern auch bei der Entscheidung über Zu-
und einen akzeptablen Grad der Funktion zu erreichen. gang, Operationstechnik, Zeitintervall bis zur Operation,
Nachsorge postoperativ und zur Beurteilung der Lang-
zeitergebnisse äußerst hilfreich.
Verläufe und Ergebnisse
Kompressionsfrakturen Komplikationen
Die meisten Kompressionsfrakturen, die mittels Orthese Die operative Therapie von ventral liefert eine sichere
oder Immobilisation behandelt wurden, zeigen gute Dekompression des Rückenmarks und eine berechenbare
Langzeitergebnisse. Diese Ergebnisse werden deutlich knöcherne Konsolidierung. Nichtsdestotrotz existieren
schlechter, sobald eine Kyphose von mehr als 30° oder Komplikationsmöglichkeiten (66–69). Oskouian u. John-
eine Zerstörung der vorderen, gewichtstragenden Säule son untersuchten 207 Patienten retrospektiv, die sich
von mehr als 50 % besteht (22). einer ventralen Dekompression und Rekonstruktion un-
terzogen. Bei 12 Patienten (5,8 %) kam es zu vaskulären
Komplikationen, 2 Patienten (1 %) verstarben. 5 Patienten
Berstungsfrakturen
(2,4 %) entwickelten eine tiefe Beinvenenthrombose,
Die meisten Berstungsfrakturen ohne neurologisches De- davon starb ein Patient aufgrund einer Lungenarterien-
fizit heilen ohne größere Komplikationen bei konser- embolie (70).
vativer Therapie aus. Dabei ist es von größter Wichtigkeit Vaskuläre Komplikationen sollten idealerweise durch
eine Schädigung der posterioren ligamentären Struktu- eine sofortige Rekonstruktion behoben werden. Lediglich
ren oder eine begleitende Sternumfraktur auszuschlie- bei einer ungefährlichen venösen Blutung kann die Ge-
ßen, da diese die Stabilität vor allem in der sagittalen rinnung abgewartet werden. Der sorgfältige Verschluss
Ebene gefährden würde. Wie schon vorher erwähnt, zei- der parietalen Pleura kann dabei bei der Eindämmung
gen diese kombinierten Verletzungen die Tendenz zu einer postoperativen Blutung hilfreich sein. Zur Beseiti-
einer ausgeprägten Kyphose im Verlauf und damit den gung von Hämatomen sollten Drainagen perkutan in den
Hang zu schlechten Langzeitverläufen. retroperitonealen Raum oder ggf. Thoraxdrainagen plat-
ziert werden. Bei einem plötzlichen Anstieg der geförder-
Neue Techniken 191

ten Blutmenge ist an eine akute Verletzung zu denken. das eingebrachte Metall entfernt werden. Neue Ansätze
Des Weiteren ist eine Verletzung des lymphatischen Sys- mittels Vakuumtherapie helfen nicht nur bei der Behand-
tems beim vorderen Zugang möglich, diese kann wäh- lung des akuten Infekts, sondern beschleunigen auch die
rend der OP leicht übersehen werden. Bei Verdacht auf Wundheilung. Verletzungen des Rückenmarks, vor allem
Verletzung des lymphatischen Systems kann die Diagnose während der Dekompression, sind sowohl beim posterio-
über Analyse des Sekrets aus den Thoraxdrainagen ge- ren als auch ventralen Zugang möglich und werden in
stellt werden, insbesondere wenn dieses Sekret Fett ent- gleicher Weise behandelt. Ein postoperativ aufgetretenes
hält. In diesem Fall wird die Thoraxdrainage über einen Hämatom kann sowohl als Schmerzquelle, potenzielle In-
längeren Zeitraum belassen, bis die Lipidbeladung nach- fektionsquelle oder als Auslöser für eine Wunddehiszenz
lässt. Des Weiteren kann Schonkost mit geringem Fett- dienen. Daher sollten Drainagen beim sorgfältig durch-
anteil bei der Reduktion des lymphatischen Flusses hel- geführten Wundverschluss eingelegt werden; diese soll-
fen. Pulmonale Verletzungen reichen von der postopera- ten ständig unter Sog stehen bis die geförderte Menge
tiven Atelektase bis hin zur Verletzung des Parenchyms nur noch gering ist. Eine weitere potenzielle Komplikati-
während des Zugangs. Die Atelektase wird mittels ag- on ist der Implantatbruch. Im Falle eines Implantatbruchs
gressiver Bronchialtoilette, ggf. Antibiose und Einlage sollte die schnelle Entfernung und ggf. die Reosteosyn-
einer Drainage therapiert. Parenchymale Verletzungen, these durchgeführt werden.
darunter der Pneumothorax, werden durch Dekompres-
sion mittels einer Thoraxdrainage stabilisiert. In seltenen
Fällen ist bei offensichtlichen Verletzungen der Lunge Neue Techniken
eine thoraxchirurgische Konsultation und operative The-
rapie indiziert. Postoperative Schmerzen der Thorakoto- Bei der Behandlung von BWS-Frakturen haben neue
mie können durch subkostale Analgetikaapplikation the- Techniken bisher nur einen geringen Einfluss. Im Ver-
rapiert werden. Postoperative Infektionen, obwohl weni- gleich dazu profitierten Patienten mit zervikalen, thora-
ger häufig als beim posterioren Zugang, werden mit kolumbalen und unteren Lendenwirbelsäulenfrakturen
Weichteildébridement, Spülung, Drainage und adäquater deutlich mehr von neueren Technologien. Dies ist nicht
Antibiose therapiert. Verletzungen am Rückenmark sind nur auf die erhöhte Inzidenz dieser Frakturen zurück- 8
ebenfalls möglich, vor allem während der Dekompressi- zuführen, sondern auch auf die Bedeutung des Erhalts
on. Der Einsatz von postoperativen Steroiden bei solch einer Restmobilität der spinalen Segmente. Moderne pos-
einem Ereignis wird weiterhin kontrovers diskutiert. teriore Instrumentierungssysteme führten zum erhöhten
Eine engmaschige intraoperative neurophysiologische Gebrauch von Pedikelschrauben in der BWS. Der Einsatz
Überwachung, darunter somatosensorische und moto- dieser Pedikelschrauben führte zu einer deutlich erhöh-
risch evozierte Potenziale, finden vor allem Anwendung ten Stabilität der Fixierung und zu einer vielseitigeren
bei Operationen, die eine Dekompression erfordern. Der Einsetzbarkeit der posterioren Instrumentierung. Dabei
Blutdruck sollte durch den Anästhesisten konsequent wurde der iatrogen verursachte Verlust der natürlichen
überwacht werden, um eine Hypotonie, vor allem bei Brustkyphose, der bei der Benutzung von reinen Distrak-
Verdacht auf Rückenmarksläsion, zu verhindern. tionssystemen regelmäßig gesehen wurde, beinahe kom-
Der posteriore Zugang stellt einen vertrauteren Weg plett beseitigt. Die Einführungstechnik der Pedikel-
zur Stabilisierung von thorakolumbalen Wirbelsäulenver- schrauben sowie das Wissen um die Pedikelmorphologie
letzungen dar und erlaubt dennoch einen suffizienten sind wichtige Hilfsmittel für den erfahrenen Wirbelsäu-
Zugang zur Dekompression des Spinalkanales, wenn nö- lenchirurgen. Von besonderer Wichtigkeit ist das Wissen
tig. Danisa et al. zeigten in einer retrospektiven Analyse um die sog. „Wasserscheide“, die sich zwischen Th3 und
von Patienten, die aufgrund einer instabilen thorakolum- Th7 befindet. Dort sind die thorakalen Pedikel oft zu
balen Berstungsfraktur operiert wurden, dass in beiden klein für einen intrapedikulären Zugang (72).
Gruppen, mit ventralem oder posteriorem Zugang, ähn- Die Vertebroplastie und Kyphoplastie werden immer
liche neurologische Verbesserungen eintraten, bei deut- häufiger im Bereich der BWS eingesetzt (73–75). Der ur-
lich niedrigerer OP-Zeit und reduziertem Blutverlust in sprüngliche Einsatz dieser Technik war bei Patienten mit
der Gruppe mit posteriorem Zugang (71). Myelom oder anderen osteolytischen Läsionen gedacht
Potenzielle Komplikationen beim posterioren Zugang (76, 77). Jedoch führte der hohe Grad an Schmerzreduk-
sind in der Regel weniger lebensgefährlich, jedoch ins- tion durch diese Operationstechniken dazu, dass die Ver-
gesamt häufiger als nach ventralem Zugang. Eine frühe tebroplastie und Kyphoplastie Einzug in die Behandlung
postoperative Infektion wird typischerweise mit ausgie- von osteoporotischen Kompressionsfrakturen der Brust-
biger Spülung und Débridement sowie adäquater Anti- wirbelsäule erhielten (78). Aufgrund der aktuellen Litera-
biose therapiert. Im Falle einer frühen postoperativen In- tur ist zur Behandlung von Kompressionsfrakturen der
fektion sollte die durchgeführte Spondylodese nicht ent- BWS sowohl die Vertebroplastie als auch die Kyphoplas-
fernt werden, falls diese stabil ist, da die Stabilisierung tie zu empfehlen, jedoch fehlen bis zum heutigen Tage
bei der Behandlung des Infekts mitwirkt. Falls der Infekt eindeutige statistische Daten, dass diese Formen der In-
nach knöcherner Durchbauung diagnostiziert wird, kann
192 8 Frakturen der Brustwirbelsäule

tervention mit Sicherheit das funktionelle Resultat ohne Deformitäten. Darüber hinaus besteht, aufgrund der wei-
signifikante Risikoerhöhung verbessern (79). teren Verbesserung der Technik und der endoskopischen
Die Tendenz zu endoskopisch, minimalinvasiven Ver- Instrumente, eine zunehmende Indikation für dieses Ver-
fahren bei der ventralen Wirbelsäulenchirurgie besteht fahrens zur endoskopischen Versorgung von BWS-Frak-
weiter. Nach aktuellem Stand zeigen die endoskopisch turen. In einer ähnlichen Art und Weise können auch
thorakalen Diskektomien einen hohen Effektivitätsgrad, Tumormetastasen an der BWS mittels endoskopischer
wenngleich die Lernkurve sehr steil bleibt (80). Dieses Technik angegangen werden (81). Durch die steigende
Verfahren wird z. B. bei Bandscheibenvorfällen im Bereich Erfahrung mit endoskopischen Verfahren sowie Weiter-
der BWS mit Myelopathie eingesetzt. Als äußerst günstig entwicklungen der Instrumente wird die endoskopische
erweist sich dieses Verfahren jedoch bei der ventralen Versorgung von BWS-Frakturen in der Zukunft zu einem
Dekompression in Kombination mit der Korrektur von Routineeingriff werden.

Inhalt der DVDs

Video 8-1 (DVD 1) Offene posteriore Reposition Th 4 –Th 5, mentation sowie Spondylodese von Th2 –Th7 therapiert. Für
posteriore Stabilisierung Th 2 –Th 7. Der Patient erlitt eine eine adäquate Stabilisation beinhaltete die Instrumentation
dislozierte Fraktur von Th 4 –Th 5 kombiniert mit einer Ver- 2 Segmente oberhalb und 2 Segmente unterhalb der fraktu-
letzung des Rückenmarks. Die Verletzung wurde mittels of- rierten Region.
fener Reposition und posteriorer Pedikelschraubeninstru-

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Klassifikation 195

9 Trauma der Lendenwirbelsäule


und des thorakolumbalen Übergangs
S. M. Theiss
Übersetzer: M. Schultheiss, D. Gulkin

Obwohl sie den größten Teil der Wirbelsäulenfrakturen wurden bereits verschiedenste Klassifikationssysteme
darstellen, sind thorakolumbale und LWS-Frakturen ins- vorgeschlagen (5–13). Diese Klassifikationssysteme basie-
gesamt relativ selten. Die Häufigkeit wird auf 64 Verlet- ren auf verschiedensten Aspekten der Verletzung, darun-
zungen pro 100 000 Personen pro Jahr geschätzt. Diese ter der Anatomie der Verletzung, dem Unfallmechanis-
Frakturen sind oft mit Begleitverletzungen und einem mus oder der daraus resultierenden Veränderung der
langen Krankenhausaufenthalt verbunden (1). Bei der Stabilität. Doch trotz der Auswahl der verschiedensten
Untersuchung von Patienten, die aufgrund eines stump- Klassifikationen gibt es bis jetzt keine einzige, die all-
fen Traumas in einem Haus der Maximalversorgung ein- gemein akzeptiert wird. Tatsache ist aber auch, dass es
geliefert wurden, präsentierten nur etwa 6 % der Patien- bisher keine Klassifikation gibt, mit der der behandelnde
ten, bei denen ein Röntgenbild des thorakolumbalen Unfallchirurg die adäquate Therapie für den Hauptteil der
Übergangs durchgeführt wurde, tatsächlich eine Verlet- thorakolumbalen Verletzungen planen kann.
zung der Wirbelsäule. Die meisten Verletzungen ereignen Die wahrscheinlich einfachste und am weitesten ver-
sich auf Höhe von L 1, gefolgt von L 2, L 3 und Th 12 (2). breitete Klassifikation ist die von Denis (8, 9). Denis führ-
Die häufigste Verletzung im Bereich des thorakolumbalen te als erster das Konzept der 3 Säulen der Wirbelsäule ein
Übergangs ist die Kompressionsfraktur. Im Bereich der und beschrieb dadurch die Auswirkungen auf die Stabili-
Lendenwirbelsäule (LWS) ist die häufigste Verletzung tät. Er erweiterte damit die vorher geltenden Konzepte,
die Fraktur der Prozessi spinosi. die meist auf 2 Säulen beruhten, um eine weitere Säule.
Die hohe Prävalenz der Verletzungen im Bereich des Laut Denis besteht die hintere Säule aus dem knöchernen
thorakolumbalen Übergangs, sowie das spezielle Verlet- Wirbelbogen (Pedikel, Lamina, Processus spinosus, Pro-
zungsmuster in diesem Bereich der Wirbelsäule wird auf cessus transversus) und den ligamentären Strukturen 9
verschiedene Faktoren zurückgeführt. Dabei sind zu- (Lig. supraspinosum, Lig. interspinosum, Facettenkapsel
nächst die anatomischen Besonderheiten der Brustwir- und Lig. flavum). Die mittlere Säule besteht aus dem Lig.
belsäulen- und LWS-Region zu nennen. Darunter der longitudinale posterior, dem hinteren Anteil des Anulus
Übergang von der thorakalen Kyphose zur lumbalen Lor- und der posterioren Wand des Wirbelkörpers. Die vor-
dose, die Änderung in der Ausrichtung der Facettengelen- dere Säule besteht aus dem Lig. longitudinale anterior,
ke von koronar nach sagittal, sowie die Änderung der dem vorderen Anteil des Anulus und dem ventralen Teil
Flexibilität der Wirbelsäule beim Übergang von der tho- des Wirbelkörpers. Aufgrund dieser Definition beschrieb
rakalen in die lumbale Region (2). Auch die speziellen Denis 4 anatomische Typen von thorakolumbalen Verlet-
anatomischen Eigenschaften der Wirbelkörper an sich zungen, die dann in Subklassifikationen aufgeteilt sind.
beeinflussen die Frakturmorphologie in dieser Region. Zusätzlich wurde der Unfallmechanismus für jeden Frak-
So konzentriert sich die Belastung, die in den Wirbelkör- turtyp beschrieben. Der erste Frakturtyp ist die Kompres-
pern wirkt an der Basis der Pedikel, wo es zu einer Aus- sionsfraktur, bei der sowohl ein durch Kompression her-
dünnung der Kortikalis des hinteren Wirbelkörpers vorgerufener Defekt der vorderen Säule, als auch eine
kommt. Da dies auch der Ort der größten Zug- und übermäßige Zugbelastung auf die hintere Säule zu einer
Druckbelastung ist, kommt es an dieser Stelle oft zu Frak- schweren Keilwirbelbildung nach ventral führen kann
turen (3, 4). (Abb. 9.1). Definitionsgemäß ist die mittlere Säule bei die-
ser Verletzung intakt und es besteht keinerlei Subluxati-
on oder posteriorer Versatz des Knochens in Richtung
Klassifikation Rückenmark. Die Kompressionsfrakturen sind in die ven-
tralen und lateralen Kompressionssubtypen unterteilt.
Klassifikationssysteme müssen verschiedensten Anforde- Der zweite Frakturtyp, der sogenannte Berstungsbruch,
rungen genügen. So soll durch die Klassifikation eine ver- resultiert aus einer axialen Krafteinwirkung. Bei diesem
ständliche Terminologie für die damit vereinfachte Kom- Frakturtyp entsteht ein Defekt der vorderen und mitt-
munikation und Forschungsarbeit ermöglicht werden. leren Säule mit einem daraus resultierenden posterioren
Darüber hinaus soll die Klassifikation Informationen Versatz der Hinterkante des Wirbelkörpers in Richtung
über den Schweregrad der Verletzung sowie die empfoh- Rückenmark. Oft ist auch die hintere Säule mitbetroffen,
lene Behandlungsmethode geben (5). Im Falle der Fraktu- in der Regel aufgrund einer vertikalen Splitterung der
ren im LWS-Bereich und am thorakolumbalen Übergang Lamina und durch einen vergrößerten interpedikulären
196 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Abb. 9.1 Patient mit Kompressi- Abb. 9.2 a A.–p. und b laterale Röntgenbilder der LWS zeigen eine Berstungs-
onsfraktur auf Höhe L 1 mit einer fraktur auf Höhe L 3 mit einem Höhenverlust des Wirbelkörpers und Hinterkan-
Kompression der vorderen Säule tenbeteiligung mit begleitender Vorwölbung in den Spinalkanal. Zu beachten ist
und intakter Hinterkante. Ein Ver- die erweiterte Strecke zwischen den Pedikeln im a.–p.-Bild.
sagen der hinteren Säule unter
Zugbelastung ist oftmals assozi-
iert mit einer ventralen Sinterung
von 50 % oder mehr.
9

Abb. 9.3 a Seitliche Röntgenaufnahme und b sagittale Ebene


in der Computertomografie zeigen eine sogenannte Sicher-
heitsgurtverletzung mit Versagen der hinteren und mittleren
Säule unter Zugbelastung. In diesem Fall zeigt sich zusätzlich Abb. 9.4 a A.–p. und b seitliche Röntgenaufnahme eines Pa-
eine Kompressionsverletzung der vorderen Säule. tienten mit einer L3/L4-Dislokationsfraktur. Diese Verletzung
geht mit einem Versagen aller 3 Säulen der Wirbelsäule einher.
Konservative Therapie 197

Abstand (Abb. 9.2). Die Berstungsfrakturen sind weiter Klinisch gesehen ist die Klassifikation von McCormack
unterteilt in Typ A–E. A, B und C beinhalten einen poste- et al. die wahrscheinlich nützlichste (11). Sie stellt die
rioren Versatz und die Fraktur beider Deckplatten, so- einzige Klassifikation dar, die exklusiv zur operativen Pla-
wohl der oberen als auch der unteren Deckplatte. Typ- nung benutzt wird. Daher ist die Klassifikation nur bei 3-
D-Frakturen sind Berstungsfrakturen mit Rotationskom- Säulen-Frakturen, die eine operative Therapie benötigen,
ponente, die übersichtsradiografisch einer dislozierten anwendbar. Mit ihrer Hilfe kann entschieden werden,
Fraktur ähnlich sein können, jedoch in erster Linie die welche Frakturen für eine kurzstreckige Stabilisation ge-
Eigenschaften eines Berstungsbruchs aufweisen. Typ-E- eignet sind und welche Verletzungen eine größere Inter-
Frakturen sind Berstungsfrakturen, bei denen vorzugs- vention benötigen, z. B. eine Kombination aus ventraler
weise die laterale Kortikalis des Wirbelkörpers involviert Knochenspaneinbringung und langstreckiger Stabilisati-
ist. on. Dabei orientiert sich diese Klassifikation am Grad
Der dritte Haupttyp der Frakturklassifikation von Denis der Zertrümmerung, der Dislokation und der Deformität
beschreibt die sog. „Sicherheitsgurtverletzung“. Dabei der verletzten Segmente und verteilt 1 – 3 Punkte für
entsteht ein Defekt der vorderen und mittleren Säule jede der Kategorien (Abb. 9.5). Dabei stellen 3 Punkte
durch Zugbelastung, wobei das Rotationszentrum über die schwerwiegendste Verletzung dar, und ein Gesamt-
der vorderen Säule liegt, die dadurch als Scharnier fun- score von 9 Punkten beschreibt den höchsten Grad der
giert (Abb. 9.3). Instabilität. Die Autoren empfehlen bei Scores von < 7
Als letzten Typ beschreibt Denis die Luxationsfraktur, eine kurzstreckige posteriore Instrumentierung, wohin-
die einen Defekt aller 3 Säulen voraussetzt (Abb. 9.4, 9). gegen Verletzungen mit Scores von 7 oder höher einen
Nun wurde die Instabilität unter mechanischen und/ ventrale Abstützung mittels Knochenspan und/oder eine
oder neurologischen Gesichtspunkten definiert. Dabei langstreckige Stabilisierung benötigen (11).
hängt die Stabilität hauptsächlich von der Intaktheit der
mittleren Säule ab. Dabei stellte Denis die Hypothese auf,
dass ein Defekt der mittleren Säule in Kombination mit
einer Verletzung entweder der vorderen oder der hin- Konservative Therapie
teren Säule mit einer Instabilität einhergehe. Obwohl
diese Klassifikation sehr populär ist, ergeben sich daraus Die Ziele bei der Versorgung von thorakolumbalen Frak-
keinerlei Anhaltspunkte für eine adäquate Versorgung turen sind eindeutig: Zum einen sollen die Stabilität der
der Verletzungen. Wirbelsäule sowie das spinale Alignement erhalten wer- 9
Um dem Chirurgen die Planung der Therapie zu er- den. Darüber hinaus soll der höchstmögliche Grad an
leichtern, entwickelten andere teilweise detailliertere neurologischer Regeneration erreicht werden. Wie bei
Klassifikationssysteme, die u. a. begleitende Faktoren jeder anderen Fraktur sollte die konservative Therapie
mit berücksichtigen, darunter eine evtl. Fragmentierung, von thorakolumbalen Verletzungen angestrebt werden,
Deformität oder Dislokation der Fraktur (6, 7, 11, 14). Die falls die Behandlung zu einem klinischen Erfolgt führt,
umfangreichste dieser Klassifikationen ist die von Magerl ohne die Morbidität zu erhöhen. Obwohl die Indikation
et al. (5). Sie basiert auf den pathomorphologischen Ei- zur konservativen Therapie für manche Typen von thora-
genschaften der Verletzung und ist in Tab. 9.1 dargestellt; kolumbalen Frakturen eindeutig ist, wird sie umso hefti-
sie zeigt sich als sehr umfangreich und kann bei der Wahl ger bei nichteindeutigen Indikationen diskutiert. Fakt ist,
der adäquaten Therapie helfen. Zunächst werden die Ver- dass wenig evidenzbasierte Studien zur Verfügung ste-
letzungen in 3 Kategorien unterteilt, die bereits über- hen, um eine operative Vorgehensweise zu stützen. Un-
sichtsradiografisch auseinandergehalten werden können. glücklicherweise sind selbst die handfesten anatomischen
Die 3 Verletzungstypen sind Parameter, die wiederhergestellt sein müssen, um gute
■ die Kompressionsverletzung, die durch axiale Stau- Resultate zu bekommen, umstritten (15–17). Sicher ist
chung entsteht; nur, dass die Stabilität der Wirbelsäule erreicht bzw. er-
■ die Distraktionsverletzung der ventralen und posterio- halten bleiben muss, um ein neu entstandenes oder fort-
ren Strukturen, die durch Zugbelastung entsteht; schreitendes neurologisches Defizit während oder nach
■ sowie die Torsionsverletzung der ventralen und poste- der Behandlung zu verhindern. Jedoch ist die Stabilität
rioren Strukturen, die durch ein axiales Drehmoment der Wirbelsäule schwer zu definieren. Whitesides defi-
entsteht. niert die stabile Wirbelsäule als eine, die multidirektio-
nalen Kräften standhält, ohne eine fortschreitende Defor-
Jeder Verletzungshaupttyp wird daraufhin in 3 Gruppen mität oder neurologisches Defizit zu entwickeln (18). Der
und danach in Subgruppen unterteilt. Dies geschieht auf- wichtigste Aspekt der Wirbelsäulenstabilität ist dabei der
grund von detaillierteren morphologischen Kriterien. Ob- Schutz der neuronalen Strukturen. Bei kompletten knö-
wohl diese Klassifikation etwas komplizierter ist als die chernen und diskoligamentären Verletzungen zeigt sich
von Denis, ist sie insgesamt vollständiger und kann bei die Wirbelsäule bei jeglicher Krafteinwirkung instabil
der Entscheidung über konservative oder operative The- und die Indikation zur operativen Stabilisation ist ein-
rapie behilflich sein (5). deutig. Obwohl einige Autoren eine konservative Thera-
198 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Tab. 9.1 Die AO-Klassifikation von thorakolumbalen Frakturen.


Typ A: Kompressionsverletzungen Typ B: Distraktionsverletzungen Typ C: Verletzungen der vorderen und
hinteren Strukturen in Kombination mit
Rotation
A1 Impaktionsverletzungen B1: posteriore Läsion vorwiegend li- C1 Typ-A-Verletzungen mit Rotation (Kom-
■ A1.1 Deckplattenimpaktion gamentär (Flexion/Distraktion) pressionsverletzungen mit Rotation)
■ A1.2 Keilfraktur ■ B1.1 mit transversaler Verletzung ■ C1.1 Rotationskeilbruch
– superiore Keilfraktur der Bandscheibe ■ C1.2 Rotationsspaltbruch
– laterale Keilfraktur – Flexion/Subluxation – sagittaler Rotationsspaltbruch
– inferiore Keilfraktur – vordere Dislokation – koronarer Rotationsspaltbruch
– 1. oder 2. in Kombination mit – Kneifzangenrotationsspaltbruch
einer Fraktur des Proc. articularis – komplette Spaltung des Wirbelkörpers
■ B1.2 mit gleichzeitiger Kompressi-
onsverletzung (Typ A)
– Flexion/Subluxation plus Typ-A-
Fraktur
– vordere Dislokation plus Typ-A-
Fraktur
– 1. oder 2. in Kombination mit
einer Fraktur des Proc. articularis
plus Typ-A-Fraktur
A2 Spaltfrakturen B2 posteriore Läsion vorwiegend C2 Typ-B-Verletzung mit Rotation
■ A2.1 sagittale Spaltfraktur ossär (Flexions-/Distraktionsverlet- ■ C2.1 B.1-Verletzungen mit Rotation
■ A2.2 frontale Spaltfraktur zung) – Rotations-/Flexionssubluxation
■ A2.3 Kneifzangenfraktur ■ B2.1 transversale Fraktur durch zwei – 1. plus einseitige Fraktur durch den Proc.
Säulen (Chance-Fraktur) articularis
■ B2.2 mit Läsion der Bandscheibe – einseitige Dislokation
– Läsion durch die Pedikel und – vordere Rotation/Dislokation mit oder
Bandscheibe ohne Fraktur des Proc. articularis
– Läsion durch die Pars interarticu- – Rotations-/Flexionssubluxation ohne oder
laris und Bandscheibe mit einseitiger Fraktur des Proc. articularis
■ B2.3 mit Kompressionsverletzung plus Typ-A-Fraktur
des Wirbelkörpers – einseitige Dislokation plus Typ-A-Fraktur
– Fraktur durch den Pedikel plus – vordere Rotationsdislokation mit oder
9 Typ-A-Fraktur ohne Fraktur des Proc. articularis plus Typ-
– Fraktur durch die Pars interarti- A-Fraktur
cularis plus Typ-A-Fraktur ■ C2.2 B.2-Verletzungen mit Rotation (Flexions-
Distraktionsverletzungen mit Rotation)
– transversale Rotationsfraktur durch zwei
Säulen
– einseitige Flexionsspondylolyse mit Läsion
der Bandscheibe
– einseitige Flexionsspondylolyse plus Typ-A-
Fraktur
■ C 2.3 B.3-Verletzungen mit Rotation (Hyper-
extension-Scherverletzungen mit Rotation)
– Rotations/Hyperextensions-Subluxation
mit oder ohne Fraktur der posterioren
Strukturen des Wirbelkörpers
– einseitige Hyperextensions-Spondylolyse
– hintere Luxation mit Rotation
A3 Berstungsfrakturen B3 anteriore Läsion durch die Band- C3 Rotationsscherbruch
■ A3.1 inkomplette Berstungsfraktur scheibe (Hyperextensions-/Scherver- ■ C3.1 Slicefraktur
– superiore inkomplette Berstungsfraktur letzung) ■ C3.2 Rotationsschrägbruch
– laterale inkomplette Berstungsfraktur ■ B3.1 Hyperextension/Subluxation
– inferiore inkomplette Berstungsfraktur – ohne Verletzung der hinteren
■ A3.2 Berstungsspaltfrakturen Säule
– superiore Berstungsspaltfraktur – mit Verletzung der hinteren
– laterale Berstungsspaltfraktur Säule
– inferiore Berstungsspaltfraktur ■ B3.2 Hyperextension/Spondylolyse
■ A3.3 komplette Berstungsfraktur ■ B3.3. hintere Luxation
– Kneifzangenberstungsfraktur
– komplette Flexionsberstungsfraktur
– komplette axiale Berstungsfraktur
Quelle: Nach Daten von Magerl et al.
Konservative Therapie 199

Fällen, in denen sich die Wirbelsäule nur gegenüber iso-


lierten Kräften instabil zeigt, sind die Vorzüge einer ope-
rativen Therapie weniger deutlich und zusätzlich abhän-
gig von der Frakturmorphologie und vom Unfallmecha-
gering mittel nismus. Aufgrund dessen wird die konservative Therapie
für jeden einzelnen „Denis“-Frakturtyp besprochen.

Kompressionsfrakturen
Eine konservative Therapie ist für den Großteil der Kom-
a ausgeprägt pressionsfrakturen geeignet. Dieser Frakturtyp entspricht
dem Typ A1 und A2 bei der Klassifikation nach Magerl.
Definitionsgemäß gehen Kompressionsfrakturen nicht
mit einem neurologischen Defizit einher; jedoch sind
sie potenziell instabil gegenüber Flexions- und Kompres-
sionskräften (5). Daher versuch die konservativen Thera-
piemöglichkeiten diesen Kräften entgegenzuwirken.
b minimal verbreitert weit
Klassischerweise orientiert sich die Indikation der opera-
tiven Stabilisation am Grad der Sinterung des Wirbelkör-
pers und der daraus resultierenden Kyphose. Dabei sind
die Grenzen für eine operative Intervention variabel (15,
22–24).
wenig mittel Der zu akzeptierende Grad der lokalen Kyphosierung
im Bereich der Fraktur variiert von Autor zu Autor zwi-
schen 15 und 50° (15). Zur allgemeinen Verunsicherung
kommt hinzu, dass einige Studien keine starke Korrelati-
on zwischen endgültiger Kyphose und persistierenden
Schmerzen oder Bewegungseinschränkung nachweisen
c ausgeprägt konnten (15, 23, 25). Ob der Grad der Sinterung oder 9
der Kyphose durch konservative Therapie signifikant ver-
Abb. 9.5 Die Einteilung der tragenden Elemente der Wirbel- hindert werden kann, ist jedoch ebenfalls fraglich. Hyper-
säule wird dazu benutzt, herauszufinden, welche Frakturen der extensionsschienen können anfangs die Kyphose und die
3-Säulen-Theorie für eine kurzstreckige posteriore Instrumen- Sinterung abmildern, jedoch tendiert die Deformität
tierung geeignet sind. Frakturen mit einem Score von weniger
dazu, sich über einen längeren Zeitraum zu verstärken
als 7 sind für diese Verfahrenstechnik geeignet (Parker JW,
(15, 26, 27).
Lane JR, Karaikovic EE, Gaines RW. Successful short-segment
instrumentation and fusion for thoracolumbar spine fractures: Aktuell werden Kompressionsfrakturen oft konservativ
a consecutive 4-year series. Spine 2000;25:1157–1170). therapiert. Dabei sollte eine Operation in Erwägung ge-
Grad der Zertrümmerung zogen werden, wenn eine lokale Kyphosierung von mehr
1. Gering: < 30 %, Trümmerzone auf den sagittalen als 20° besteht oder eine fortschreitende Deformität
Aufnahmen des CT einen potenziellen Defekt der posterioren ligamentären
2. Moderat: 30 – 60 % Zertrümmerung
Strukturen vermuten lässt. Letzteres geht oft mit einer
3. Schwerwiegend: mehr als 60 % Zertrümmerung
Stellung der Fragmente ventralen Sinterung des Wirbelkörpers von mehr als
1. Minimal: geringe Dislokation der Fragmente in der 50 % einher (28). Die Magnetresonanztomografie wird
axialen CT-Schicht dazu verwendet, die Intaktheit der posterioren ligamen-
2. Versprengt: mindestens 2 mm Verschiebung von weniger tären Strukturen zu überprüfen und damit eine Vorher-
als 50 % der Wirbelkörperfläche sage über den Kollaps der Fraktur treffen zu können. Es
3. Weitläufig: mindestens 2 mm Verschiebung von mehr als
besteht aktuell aber kein allgemeiner Schwellenwert, ab
50 % der Wirbelkörperfläche
dem die Indikation zu einer operativen Therapie gestellt
Deformität
1. Gering: kyphotische Veränderung von ≤ 3° auf den wird. Weitere Faktoren, die berücksichtigt werden müs-
seitlichen Röntgenaufnahmen sen, sind das gesamte sagittale Alignement der Wirbel-
2. Moderat: kyphotische Veränderung von 4 – 9° säule, der Grad des Schmerzes und der Grad der Verlet-
3. Schwerwiegend: kyphotische Veränderung von ≥ 10° zung an sich. Die Patienten sollten forciert mobilisiert
und eine lange Liegezeit verhindert werden (15, 26, 29).
Ein Hyperextensionskorsett kann verwendet werden, je-
pie durch lange Immobilisierung bei manchen Patienten doch sollte man im Hinterkopf behalten, dass dieses
verteidigen, sollte dies nur geschehen, wenn eine opera- keine signifikanten Auswirkungen auf den Grad der Sin-
tive Stabilisation absolut nicht möglich ist (19–21). Bei terung oder der Kyphose hat. Obwohl diese Korsette
200 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

strukturell bei Patienten mit 30 % Sinterung oder weniger formitäten, als Patienten, die mit einem Korsett gestützt
nicht nötig sind, können sie einen positiven Effekt auf die werden, sogar bei Mitverletzung der posterioren Struktu-
Schmerzen haben (15). Aufrechte Röntgenkontrollen soll- ren (44). Falls eine posttraumatisch entstandene Kyphose
ten unter Last vor der Entlassung und bei den Nachkon- korrigiert werden soll, muss also eine operative Therapie
trollen durchgeführt werden. Falls eine Schienung, z. B. durchgeführt werden. Dabei ist jedoch der zu akzeptie-
mit einem Korsett durchgeführt wird, sollte dies für 3 rende Grad der Kyphose in der Diskussion. Langzeitstu-
Monate geschehen. Die Fraktur sollte über einen Zeit- dien deuten darauf hin, dass der Grad der Kyphosierung
raum von 6 Monaten kontrolliert werden. Durch die eng- weder mit dem Schmerz, noch der Bewegungseinschrän-
maschige Kontrolle können Frakturen mit einer fort- kung korreliert. Diese Studie wurde an einer Gruppe von
schreitenden Sinterung oder einer nichtakzeptablen Ky- Patienten mit einer Durchschnittsdeformität von 20 – 25°
phosierung rechtzeitig erkannt und im Verlauf operativ durchgeführt (23, 41). Daher sollte aufgrund der Limitie-
stabilisiert werden. rung der konservativen Therapieverfahren eine aufgrund
einer Berstungsfraktur oder Magerl Typ-A3-Fraktur ent-
standene lokale Kyphosierung von mehr als 30° mittels
Berstungsfrakturen
operativer Reposition und Stabilisierung behandelt wer-
Der Frakturtyp, der die meisten Diskussionen auslöst, den. Auch bei einer lokalen Kyphosierung von 20 – 30°
wenn es um die Rolle der konservativen Therapie geht, sollte die operative Therapie in Betracht gezogen werden.
ist die Berstungsfraktur oder Magerl Typ-A3-Fraktur. Die Hinzu kommen einige Faktoren, die zusätzlich zur Verlet-
konservative Behandlung von Berstungsfrakturen ist bei zung bedacht werden sollten, darunter das spinale Ali-
Patienten ohne neurologisches Defizit oder mit isolier- gnement, Begleitverletzungen, das Nebenerkrankungs-
tem Wurzeldefizit möglich. Obwohl es keine Daten mit profil und die Geschwindigkeit, mit der die Kyphosierung
Evidenzgrad I darüber gibt, dass sich Patienten mit einem fortschreitet. Patienten, bei denen keine Indikation zur
signifikanten neurologischen Defizit im Anschluss an Operation besteht, sollten mit einer thorakolumbosakra-
eine Dekompression und Stabilisation verlässlich verbes- len Orthese behandelt werden, die immer dann getragen
sern (30), so ist doch die chirurgische Intervention bei werden sollte, wenn die Patienten sich in einer aufrech-
Patienten mit einem neurologischen Defizit die Methode ten Position befinden.
der Wahl. Grundsätzlich gibt es 3 Faktoren, die die ope- Patienten mit weniger als 20° Kyphosierung können
rative Intervention bei Berstungsfrakturen der LWS indi- konservativ behandelt werden. Dies wurde eindeutig
9 zieren: durch eine prospektive randomisierte Studie bestätigt,
■ die Kompression des Spinalkanals, bei der die operative und die konservative Therapie von
■ die Sinterung des Wirbelkörpers, thorakolumbalen Berstungsfrakturen ohne neurologi-
■ die Kyphosierung (31). sches Defizit untersucht wurden. In besagter Studie zeig-
ten Patienten ohne neurologisches Defizit mit einer
Jeder dieser Parameter wurde bei konservativ therapier- durchschnittlichen Kyphosierung von knapp über 10°
ten Patienten mit Berstungsfrakturen im thorakolumba- ein besseres Outcome bei der konservativen Therapie im
len Übergang im Verlauf verfolgt. So beschreiben ver- Vergleich zur operativen Therapie (36). Aufgrund dieser
schiedene Autoren, dass ein nach posterior verschobenes Daten sollte der Großteil der thorakolumbalen Berstungs-
Knochenfragment im Spinalkanal bei Patienten, die kon- frakturen ohne neurologisches Defizit konservativ thera-
servativ therapiert wurden, mit der Zeit resorbiert wird piert werden. Die operative Intervention bleibt dem Pa-
(26, 32–36). Der neurologische Verfall wurde ebenfalls im tienten mit einer Kyphosierung von mindestens 20° oder
Verlauf beobachtet, jedoch war die Inzidenz niedrig (37, fortschreitender Sinterung vorbehalten. Berstungsfraktu-
38). ren im unteren Bereich der LWS, nämlich auf Höhe von
Die Verbesserung einer Spinalkanalkompression bei L 3 oder darunter, eignen sich dabei mehr für die konser-
konservativer Therapie ist jedoch nicht auf die fortschrei- vative Therapie als Frakturen am thorakolumbalen Über-
tende Kyphose und Sinterung des Wirbelkörpers über- gang. Dies beruht darauf, dass Berstungsfrakturen der
tragbar. Die Sinterung des Wirbelkörpers alleine ist unteren LWS aufgrund der starken ligamentäre Verbin-
dabei keine strenge Indikation zur operativen Therapie. dung zum Becken weniger zur Kyphosierung und Defor-
Das Hauptproblem bei der Sinterung ist die daraus resul- mität tendieren, als die Frakturen im thorakolumbalen
tierende spinale Deformität, hauptsächlich die Ausbil- Übergang (47). Einige Berichte zeigen, dass sich Patienten
dung einer Kyphose. Dabei konnten mehrere Autoren mit isolierten Nervenwurzelverletzungen unter konser-
nachweisen, dass die zunehmende Kyphosierung durch vativer Therapie klinisch zwar verbesserten, jedoch
konservative Therapiemaßnahmen nicht beeinflusst wer- waren die Ergebnisse der operativen Versorgung in die-
den kann (16, 36, 39–42). Die initiale Verbesserung der sen Studien hier überlegen (45, 46).
Kyphose wird oft wieder verloren, auch wenn die erzielte
Aufrichtung mit einem steifen Korsett zunächst gehalten
wird (16, 43). Tatsächlich entwickeln Patienten, die ohne
externe Stabilisierung behandelt werden, nicht mehr De-
Operative Behandlung 201

Flexions-/Distraktionsverletzungen Operative Behandlung


Die Möglichkeiten zur konservativen Therapie von Ma-
Indikationen zur operativen Behandlung
gerl Typ-B-Frakturen oder Sicherheitsgurtfrakturen nach
Denis sind limitiert. Definitionsgemäß beinhalten diese Die Indikation zur operativen Versorgung ist für die ver-
Verletzungen den Defekt von mindestens 2 Säulen und schiedenen Frakturtypen unterschiedlich und wird daher
sind daher instabil bei speziellen, wenn nicht sogar allen für jeden einzelnen Frakturtyp extra besprochen.
Krafteinwirkungen. Bei den Verletzungen, die primär aus
Verletzung der Bänder bestehen, ist die konservative The- Kompressionsfrakturen
rapie aufgrund des geringen Heilungspotenzials nicht zu
empfehlen. Diese Patienten benötigen eine operative Sta- Wie schon erwähnt, bedarf es bei Denis-Kompressions-
bilisation. Jedoch können Patienten mit einem transver- frakturen sowie Magerl Typ-A1- und-A2-Frakturen nur
salen knöchernen Defekt der posterioren und mittleren selten einer operativen Intervention. Definitionsgemäß
Säule auch konservativ behandelt werden. Dieser Frak- resultiert aus diesen Verletzungen kein sekundäres neu-
turtyp entspricht der B2.1-Fraktur nach Magerl oder Ein- rologisches Defizit. Es besteht die Indikation zur operati-
segment-Chance-Fraktur nach Denis (9). Diese Patienten ven Intervention bei Fällen von thorakolumbaler Kypho-
können durch eine Zugreposition und Immobilisierung sierung über 20 – 30° oder bei geringerer Kyphosierung
mittels thorakolumbosakraler Orthese (TLSO) oder Gips- in Kombination mit einer generellen sagittalen Dekom-
korsett behandelt werden. Bei der Therapie mit einer pensation. Dies geschieht jedoch in der Regel meist nur
TLSO muss diese ständig getragen werden. Da es sich bei Frakturen von mehreren Segmenten. Eine weitere In-
hier um eine ausschließlich knöcherne Verletzung han- dikation zur OP besteht bei der Magerl-Spaltfraktur (A2),
delt, besteht hohes Heilungspotenzial. Belastungsrönt- mit einer daraus resultierenden Pseudarthrose oder bei
genaufnahmen sollten in aufrechter Position engmaschig einer Erweiterung des Frakturspalts der Spaltfraktur und
durchgeführt werden, um einen evtl. Verlust der Reposi- einer daraus resultierenden potenziellen Pseudarthrose.
tion oder eine fortschreitende Deformität rechtzeitig er-
kennen zu können. Die konservative Therapie sollte für Berstungsfrakturen
insgesamt 12 Wochen durchgeführt werden. Bei der
Chance-Verletzung hat sich allerdings inzwischen die Die Indikation zur operativen Versorgung bei Denis-Bers-
operative Therapie durchgesetzt. Röntgenaufnahmen in tungsfrakturen oder Magerl Typ-A3-Verletzungen sind 9
Flexion und Extension sollten am Schluss der Immobili- immer noch kontrovers diskutiert, allerdings mit der Ten-
sationsperiode durchgeführt werden, um die vollständige denz zur operativen Vorgehensweise. Die einzige absolute
knöcherne Durchbauung zu verifizieren. Operationsindikation besteht bei einem neurologischen
Defizit aufgrund der Verletzung. Wie schon vorher er-
wähnt, kann die konservative Therapie eine Option bei
Dislozierte Frakturen
isolierter Nervenwurzelverletzung aufgrund einer Bers-
Die konservative Therapie von Magerl Typ-C-Frakturen tungsfraktur im Bereich der unteren LWS, vor allem L 3/
oder dislozierten Frakturen nach Denis wird nur er- L 4/L 5, sein. Jedoch gibt es darüber kaum Daten in der
wähnt, um davon abzuraten. Aufgrund der globalen In- Literatur (48). Generell lässt sich sagen, dass alle Patienten
stabilität durch die Verletzung von multiplen Säulen gibt mit Berstungsfrakturen im thorakolumbalen Übergang in
es keine Möglichkeit, den Patienten zu mobilisieren und Kombination mit einem neurologischen Defizit eine ope-
dabei das spinale Alignement konservativ zu erhalten. rative Versorgung erhalten sollten. Es besteht eine relative
Wenn überhaupt, besteht die konservative Therapie aus Indikation zur operativen Versorgung aufgrund des Grades
langer Bettruhe ohne Mobilisierung. Diese verlängerte der Spinalkanalverlegung, des Grades der Sinterung des
Liegezeit resultiert in einem langen stationären Aufent- Wirbelkörpers und der daraus resultierenden Deformität.
halt und in einer hohen Rate von Komplikationen, die mit Die Entscheidung zur operativen Therapie sollte daher von
verlängerter Bettruhe assoziiert sind, wie z. B. der Ausbil- Fall zu Fall getroffen werden. Dies wird unterstrichen
dung einer venösen Thrombose, dekubitalen Ulzera oder durch die bisher fehlenden Korrelationen zwischen Out-
pulmonalen Komplikationen. Obwohl es retrospektive come der Patienten und Grad der Deformität oder Grad
Daten darüber gibt, dass bei strikter Bettruhe in einem der Wirbelkörpersinterung (36, 49, 50).
kinetischen Bett keine erhöhte Inzidenz an Komplikatio- Auf der anderen Seite gibt es Situationen, bei denen die
nen im Vergleich zu einer operierten Patientengruppe operative Intervention bei Deformität oder Sinterung in-
auftritt, so resultiert die konservative Therapie doch in diziert ist. Etablierte Parameter, die in Abwesenheit eines
einem signifikant längeren Krankenhausaufenthalt (21). neurologischen Defizits trotzdem zur operativen Versor-
Daher ist der aktuelle Goldstandard für die Versorgung gung führen sollten, sind die Kyphosierung von mehr als
von dislozierten Frakturen die operative Stabilisation und 20°, die Sinterung von mehr als 50 % sowie eine Spinal-
die frühzeitige Mobilisierung. kanalverlegung von mehr als 50 % (51). Von diesen Para-
metern ist der wichtigste Faktor der Grad der Deformität
202 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Abb. 9.6 a Diese seitliche Röntgenaufnahme zeigt


eine Berstungsfraktur bei einem Patienten mit
konstanten Schmerzen. b In dieser nach einem
Discogramm durchgeführten Computertomografie
zeigt sich eine Kontrastmittelansammlung im Be-
reich eines nichtkonsolidierten Anteils der Spalt-
fraktur.

a b

oder Kyphose. Die Verlegung des Spinalkanals verbessert Orthese in Hyperextension oder in einem Gipskorsett er-
sich auch bei den Patienten die konservativ therapiert halten werden kann, ist die Heilungschance relativ groß,
werden, und eine neurologische Verschlechterung ist sel- da diese Verletzungen in Extension stabil sind. Jedoch ist
ten (33, 34, 52). Daher sollte die Entscheidung zur opera- es dabei obligat, dass der Patient die Orthese jederzeit
tiven Versorgung bei Patienten ohne neurologisches De- trägt und engmaschig radiologisch kontrolliert wird, um
fizit aufgrund der Kyphosierung und der Sinterung des einen evtl. Verlust der Reposition frühzeitig zu ent-
Wirbelkörpers getroffen werden. Diese Faktoren müssen decken. Heute ist die konservative Behandlung einer Fle-
9 im Kontext mit der Klinik des Patienten gesehen werden. xions-/Distraktionsverletzung aber die absolute Ausnah-
Es gibt jedoch keinen Schwellenwert dieser Parameter, me. In nahezu allen Fällen benötigen diese Verletzungen
ab dem eine operative Versorgung obligat ist. Eine ope- eine operative Versorgung. Dies gilt vor allem bei Verlet-
rative Versorgung wird bei Patienten mit einer Kyphosie- zungen, die die ligamentären Strukturen mit betreffen, da
rung von mehr als 20 – 30° empfohlen, ebenfalls beim diese keinerlei Möglichkeit zur Heilung bei konservativer
Patienten mit fortschreitender Kyphosierung oder einer Therapie besitzen, auch wenn sie anatomisch reponiert
generellen sagittalen Dekompensation. Bei Patienten mit worden sind. Daher erfordern z. B. Flexions-/Distrakti-
einer stabilen Kyphosierung von weniger als 20° ist die onsverletzungen durch die Bandscheibe eine Operation.
operative Versorgung nur in seltenen Fällen eindeutig Eine Operation ist ebenfalls indiziert, wenn vorwiegend
bzw. relativ indiziert und mit dem Patienten zu bespre- knöcherne Verletzungen nicht anatomisch reponiert wer-
chen. Genauso wie bei Patienten mit Kompressionsfrak- den können oder die begleitenden Verletzungen des Wir-
turen, ist eine Magnetresonanztomografie geeignet, die belkörpers in einer signifikanten Deformität resultieren.
posterioren ligamentären Strukturen zu beurteilen. Eine
gleichzeitige Verletzung dieser Strukturen kann auf eine Dislozierte Frakturen
potenziell fortschreitende Sinterung im Falle einer kon-
servativen Therapie hindeuten. Zu guter Letzt kann eine Dislozierte Frakturen nach Denis oder Magerl Typ-C-Ver-
operative Intervention bei Berstungsfrakturen mit einem letzungen (Rotationsverletzungen) sind grundsätzlich in-
Spaltfragment dann indiziert sein, wenn ein erweiterter stabil und von allen Verletzungen diejenigen, die am häu-
Frakturspalt oder eine Pseudarthrose vorliegen (Abb. 9.6). figsten mit einem neurologischen Defizit einhergehen
(5). Aufgrund der hochgradigen Instabilität dieser Verlet-
Flexions-/Distraktionsverletzungen zungen ist es sehr schwierig sie konservativ zu behandeln
und die Stabilität und das Alignement zu erhalten. Daher
In der Regel werden Flexions-/Distraktionsverletzungen erfordern alle diese Verletzungen eine Operation. Eine
oder Magerl Typ-B-Verletzungen operativ versorgt. Der konservative Therapie ist nur für Patienten vorgesehen,
seltene Fall einer konservativen Therapie ist dann mög- die aufgrund anderer Erkrankungen für eine Operation
lich, wenn die Verletzung vorwiegend ossäre Strukturen nicht geeignet sind.
betrifft und die Facettengelenke intakt sind bei fehlen-
dem neurologischen Defizit. Falls diese Art von Fraktur
reponiert und die Reposition in einer thorakolumbalen
Operative Behandlung 203

bei der LWS ist die Verlegung der intervertebralen Fora-


Anatomie und chirurgischer Zugangsweg
mina. Diese können wiederum sowohl durch den ventra-
Sobald die Entscheidung zur operativen Versorgung ge- len als auch den posterioren Zugang dekomprimiert wer-
fallen ist, gibt es in der Regel 3 Optionen bei der Auswahl den, falls diese Verletzung in der Diagnostik erkannt
des Zuganges: wird. Die Mischform aus ventralem und posteriorem Zu-
■ ventraler Zugang, gang wird zur Dekompression der neurologischen Struk-
■ posteriorer Zugang, turen fast nie eingesetzt.
■ eine Mischung aus beiden.

Reposition von Deformitäten der Wirbelsäule


Die Entscheidung darüber, welcher Zugang der richtige
ist, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. Die Ein weiterer Faktor, der bei der Auswahl des Zugangs
Ziele der operativen Versorgung sind wichtig ist, ist die Notwendigkeit einer Reposition einer
■ die Dekompression der neurologischen Strukturen, Verletzung durch den gewählten Zugang. Dies ist vor
■ die Wiederherstellung des spinalen Alignements, allem relevant bei Verletzungen, die mit einer Dislokation
■ die steife Stabilisierung der instabilen Segmente der Facettengelenke einhergehen. Dabei zeigt sich, dass
■ die knöcherne Heilung der betroffenen Segmente. es oft schwierig ist, Facettengelenksluxationen indirekt
über einen ventralen Zugang zu reponieren. Daher sollte
Im Falle einer Arthrodese sollten dabei so wenige Seg- nach Möglichkeit ein posteriorer Zugang gewählt wer-
mente wie möglich versteift werden. den, um die Facettengelenke unter Sicht direkt wieder
reponieren zu können. Trotz dieses Gesichtspunkts ist
Dekompression der neurologischen Strukturen das Outcome bei thorakolumbalen Verletzungen sowohl
beim Benutzen des ventralen als auch des posterioren
Bei einer neurologischen Verletzung ist das Hauptziel die Zugangs in der Regel gut (53–82). Generell gilt für jede
Dekompression der beteiligten neurologischen Struktu- Verletzung, dass die Evaluation des Unfallmechanismus
ren. Dabei hängt die Auswahl des geeigneten Zugangs und der daraus resultierenden Instabilität eine Hilfe bei
von der betroffenen Region der Wirbelsäule, dem Grad der Wahl des chirurgischen Zugangs sein kann. Die Re-
der Kompression und der Lokalisation der Kompression konstruktion der knöchernen und ligamentären Struktu-
im Spinalkanal ab. Bei Verletzungen im Bereich des tho- ren, die verletzt wurden und eine Deformität oder Insta-
rakolumbalen Übergangs und der LWS können dabei das bilität hervorrufen könnten, sollte bei der Stabilisation 9
Rückenmark, der Conus medullaris und die Cauda equina von thorakolumbalen Frakturen nach Möglichkeit direkt
betroffen sein. Die Lokalisation des Conus medullaris ist durchgeführt werden. Dabei sollte der Operateur eine
im thorakolumbalen Übergang variabel. Typischerweise iatrogene Verletzung von noch intakten stabilisierenden
lässt er sich jedoch auf Höhe LWK 1 antreffen. In man- Strukturen möglichst vermeiden. Mithilfe der Instrumen-
chen Fällen auch über der Zwischenwirbelscheibe L1/L2. tation kann dann das Alignement sowohl in der sagitta-
Etwas kaudal davon gelegen ist die Cauda equina, beste- len als auch in der koronaren Ebene wieder hergestellt
hend aus einem korrespondierenden Nervenwurzelpaar, werden. Die endgültige Stabilität der Versorgung hängt
das unter jedem Pedikel der LWS entspringt. Dabei ist die dabei von der Anzahl der beweglichen Segmente, die ver-
genaue Lokalisation des Conus medullaris von höchster sorgt werden müssen, den Kräften, die zur Reposition
Wichtigkeit, da diese Struktur während der Dekompres- nötig sind, und dem initialen Grad der Instabilität ab. Es
sion auf keinen Fall direkt manipuliert werden sollte. Bei sollte dabei diejenige Technik gewählt werden, die bei
der Dekompression in dieser Region sollte diejenige Tech- der Versteifung am wenigsten Bewegungssegmente mit
nik verwendet werden, die den Subarachnoidalraum so einbezieht. Zuletzt muss jedoch durch den gewählten Zu-
gut wie möglich schont. Sowohl der ventrale als auch der gang die Chance auf eine solide Arthrodese gegeben sein,
posteriore Zugang eignen sich, um eine ventrale Kom- um den größtmöglichen Grad an Korrektur und Realigne-
pression zu behandeln, wohingegen bei einer posterioren ment zu erreichen. Im Vergleich zu den intervertebralen
Kompression aufgrund der Enge zwischen Weichteil- und Knochenersatztechniken (bonegraft), bei denen der Vor-
Knochengewebe der posteriore Zugang nötig ist. teil der gut vaskularisierten Wirbelkörper genutzt wird,
Die Cauda equina darf während der chirurgischen De- weisen Knochentransplantate ausschließlich an den pos-
kompression vorsichtig retrahiert werden, um das Entfer- terioren Strukturen wenig erfolgreiche Arthrodesener-
nen von knöchernen oder weichteiligen Strukturen zu gebnisse auf, speziell beim Hochrasanztrauma (66, 83).
vereinfachen. Dadurch besteht eine etwas höhere Flexibi- Neben den bisher genannten Faktoren, die die Auswahl
lität in diesem anatomischen Bereich was die Wahl des des operativen Zugangs beeinflussen, gibt es noch einige
chirurgischen Zugangs betrifft. Auch hier kann eine ven- anatomische Besonderheiten, die berücksichtigt werden
trale Kompression der Cauda equina entweder von ven- sollten. Bereits erwähnt wurde die charakteristische Neu-
tral oder posterior behoben werden, wohingegen bei der roanatomie und deren Einfluss auf die Dekompression
posterioren Kompression auch wieder der posteriore Zu- bei der Operation. Ein weiterer wichtiger Faktor bei der
gang am besten geeignet ist. Ein weiterer Gesichtspunkt Beurteilung, ob ein ventraler Zugang geeignet ist, ist die
204 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Anatomie der Gefäße. So sollte der ventrale Zugang im Ventraler Zugang


Bereich des thorakolumbalen Übergangs vorzugsweise
retroperitoneal von der linken Seite durchgeführt wer- Der bevorzugte ventrale Zugang im Bereich des thorako-
den. Dieser Weg ist deswegen zu bevorzugen, weil die lumbalen Übergangs und des Bereichs distal davon ist der
Aorta auf der linken Seite leichter zu manipulieren und retroperitoneale Zugang (Abb. 9.7; Video 9-2, DVD 1).
zu retrahieren ist, als die V. cava auf der rechten Seite. Dieser ist entweder über eine schräge Inzision in der
Zur Darstellung und Rekonstruktion von Verletzungen Flanke oder durch einen longitudinalen paramedian ge-
kranial von L2 muss auch das Diaphragma inzidiert wer- legenen Schnitt parallel zur lateralen Begrenzung der
den. Jedoch sollte deswegen noch lange nicht jede höhere Rektusscheide möglich. Die paramediane Inzision ist
LWK-Fraktur über einen ventralen Zugang versorgt wer- dabei am besten für Verletzungen von L4 –S1 geeignet.
den, wenn sich zeigt, dass andere Anteile der Verletzung Die schräge Inzision erlaubt die Freilegung von mehreren
besser von posterior zu versorgen sind. Das größte Ge- Segmenten, inkl. des lumbosakralen Übergangs, erfordert
genargument zum ventralen Zugang bei Verletzungen im jedoch auf der anderen Seite das Abhängen des Zwerch-
thorakolumbalen Übergang ist die Anatomie der Gefäße fells, ggf. die Resektion von Rippen und damit die Dar-
in der unteren Lumbalregion. Die Bifurkation der Aorta stellung der unteren thorakalen Wirbelsäule. Bei beiden
befindet sich auf Höhe der Zwischenwirbelscheibe L4/L5, Schnittführungen erfolgt die tiefe Präparation von retro-
dies führt zum direkten Verlauf der A. und V. iliaca com- peritoneal. Zwar kann der transperitoneale Zugang zur
munis entlang des fünften Lendenwirbelkörpers. Auf- Freilegung des lumbosakralen Übergangs genutzt wer-
grund der Nähe zu diesen vaskulären Strukturen stellt den, jedoch zeigt sich der retroperitoneale Zugang als
sich die ventrale Instrumentation von L5 oder S1 als genauso geeignet mit einem deutlich geringeren Risiko-
sehr schwierig dar. Der posteriore Zugang in dieser Regi- potenzial für Komplikationen im Vergleich zur intraabdo-
on besitzt keinerlei derartige anatomische Einschränkun- minellen Freilegung. Oberflächlich werden nach Hautin-
gen, jedoch ist unglücklicherweise eine gute Rekonstruk- zision und Präparation durch das subkutane Fettgewebe
tion der vorderen Säule über einen posterioren Zugang die drei Lagen des M. obliquus externus parallel zur Hau-
sehr schwierig. Dies gilt vor allem, wenn durch die Ver- tinzision gespalten. Nach der Spaltung des M. obliquus
letzung eine signifikante Berstung oder Splitterung des externus und internus mit dem Elektrokauter wird der
ventralen Wirbelkörpers entstanden ist und daher eine M. transversalis stumpf gespalten, bis die retroperitonea-
große Abstützung erforderlich ist. le Höhle identifiziert werden kann. Das Peritoneum wird
9 nun von der Unterseite der Faszia transversalis gelöst, bis
Posteriorer Zugang die retroperitoneale Höhle eingesehen werden kann. In
einem weiteren Schritt werden nun die Segmentarterien
Der posteriore Zugang erfolgt durch eine longitudinale und Venen auf jeder Höhe dargestellt und ligiert. Dies
Inzision über den Processus spinosi der Wirbelkörper, erlaubt die Freilegung des anterolateralen Anteils der
die versorgt werden sollen (Video 9-1, DVD 1). Bei elek- Wirbelkörper und Bandscheiben. Der lumbosakrale Über-
tiven Operationen kann dabei der Blutverlust durch die gang kann durch Palpation des sakralen Promontoriums
Injektion der Dermis mit Adrenalin reduziert werden. Bei identifiziert werden, jedoch sollte dies durch eine intra-
einem akuten Trauma ist dies jedoch kontraindiziert, da operativ durchgeführte Röntgenaufnahme kontrolliert
das Adrenalin freigelegte neurologische Strukturen po- werden. Am leichtesten gelingt die Darstellung des lum-
tenziell verletzen kann. Nun erfolgt die Präparation bis bosakralen Übergangs zwischen den zwei gemeinsamen
auf die thorakolumbale Faszie, die mit dem Elektrokauter Iliakalgefäßen durch vorsichtiges Retrahieren der ipsila-
über den Processi spinosi gespalten wird. Nun wird mit teralen V. iliaca nach lateral. Die Freilegung der Band-
dem Cobb-Elevator die Muskulatur des Erector spinae scheibe L4/L5 sowie der Bandscheiben darüber sollte am
subperiostal von den Processi spinosi, der Lamina und besten lateral der Aorta geschehen.
den Kapseln der Facettengelenke abgehoben. Dies ge-
schieht von kaudal nach kranial. Diese Richtung ist nötig,
Zeitpunkt der Operation
um den M. multifidus effektiv abheben zu können, der
schräg an den posterioren Strukturen von kaudal nach Es gibt keinen Konsens über das optimale Timing einer
kranial ansetzt. Nun kann die Präparation nach lateral Operation bei Patienten mit Verletzungen im thorako-
fortgeführt werden, um die Processi transversi freizule- lumbalen Übergang. Der ideale Zeitpunkt zur chirurgi-
gen; diese befinden sich lateral der superioren Facette. schen Intervention, um eine maximale neurologische Ge-
Dabei wird eine Hämostase am besten durch das Sicher- nesung zu gewährleisten, ist unbekannt. Tierstudien zeig-
stellen einer subperiostalen Abhebung des Erector spinae ten, dass eine frühzeitige Dekompression bei der neuro-
sowie durch Kompression (z. B. mit Bauchtüchern) der logischen Genesung von Vorteil ist, jedoch sollte diese auf
freigelegten Areale gewährleistet. alle Fälle innerhalb der ersten 6 Stunden nach der Verlet-
zung durchgeführt werden (84). Diese Ergebnisse konn-
ten beim Menschen noch nicht reproduziert werden. Im
Gegensatz zu der früheren Annahme zeigte eine frühe
Operative Behandlung 205

retroperitoneales Fett
Zwerchfell
M. obliquus externus
M. obliquus internus
M. transversus abdominis

IVC

T8 L
L1 2
V. azygos T9 T
10 T11 T12

L5

Interkostal-
gefäße
sympathische
M. quadratus M. psoas
Ganglien
lumborum
Resektion der
9. Rippe 9
Abb. 9.7 Vorderer Zugang von retroperitoneal mit Sicht auf den thorakolumbalen Übergang. IVC = V. cava inferior.

operative Intervention bei akutem Querschnitt kein er-


Chirurgische Techniken
höhtes Risiko einer neurologischen Verschlechterung
(85). Es gibt sogar retrospektiv durchgeführte Kohorten- Kompressionsfrakturen
studien, die eine verbesserte neurologische Genesung bei
Patienten sehen, die unmittelbar operiert wurden, ein Kompressionsfrakturen nach Denis oder Magerl Typ A1,
spezifischer Zeitpunkt wurde hier jedoch nicht genannt die eine operative Stabilisation benötigen, werden am
(86, 87). Daher ist eine prospektive Analyse nötig, bevor besten durch eine posteriore Instrumentierung und ggf.
diesbezüglich eine definitive Aussage gemacht werden Arthrodese versorgt. Definitionsgemäß geht eine Kom-
kann (88). Die sofortige Intervention sollte auf jeden Fall pressionsfraktur, die mit einer schwerwiegenden Defor-
bei Patienten durchgeführt werden, die sich mit einem mität oder nicht akzeptablen Kyphosierung verbunden
fortschreitenden neurologischen Defizit präsentieren ist, mit einer Verletzung der posterioren ligamentären
(85). Ein anderer Faktor, der das Timing der chirurgischen Strukturen einher. Daher sollte bei einer operativen Ver-
Intervention bei Patienten mit akuten thorakolumbalen sorgung der Fokus auf die Rekonstruktion des Zugbands
Verletzungen beeinflusst, ist der medizinische Gesamt- gerichtet sein.
status des Patienten. Wie vorher schon erwähnt, besitzen Wie schon erwähnt, sollte die Instrumentierung und
Patienten mit thorakolumbalen Verletzungen oft auch Arthrodese über so wenig Segmente wie möglich erfol-
andere signifikante Verletzungen (1). Daher sollte auf- gen. Dabei kann eine Verletzung im thorakolumbalen
grund der fehlenden Evidenz zur sofortigen chirurgi- Übergang eine Instrumentierung über zwei Segmente
schen Versorgung der Patient vor der Operation aus me- proximal der Verletzung und ein Segment distal erforder-
dizinischer Sicht optimal vorbereitet werden. lich machen (64). Verletzungen der LWS sollten über ein
Segment oberhalb sowie ein Segment unterhalb der Ver-
letzung instrumentiert werden. Ausnahmen entstehen
bei signifikanter Trümmerzone oder Spaltung des Wir-
206 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

belkörpers. Obwohl sich die Klassifikation von McCor- schreitend bis auf Höhe von Th11 und Th12 , deren Win-
mack et al. auf die drei Säulen bei thorakolumbalen Frak- kel weniger als 10° beträgt. Die Durchleuchtung ist bei
turen bezieht, kann das Konzept auch bei der Entschei- der Einführung der Schrauben behilflich, jedoch nicht
dung über eine kurzstreckige Stabilisierungen bei Kom- zwingend nötig in Fällen, bei denen die Orientierungs-
pressionsfrakturen mit signifikanter Trümmerzone ange- punkte klar sind.
wandt werden. Das angemessene Vorgehen in diesem Fall Nach Platzierung der Pedikelschrauben sollte deren Po-
beinhaltet eine längerstreckige posteriore oder ventrale sition mit dem Bildwandler kontrolliert werden. Die
Rekonstruktion (11). Bei der häufigeren posterioren Ver- Startposition bei der Platzierung von thorakalen Pedikel-
sorgung befindet sich der Patient in Bauchlage auf einem schrauben befindet sich an der oberen Kante des Proces-
strahlendurchlässigen Tisch. Allein die Bauchlagerung er- sus transversus von kranial nach kaudal zeigend, an der
zielt oft die Reposition der Fraktur. Eine Kyphosierung im Stelle, wo das laterale Drittel der superioren Facette ge-
thorakolumbalen Bereich kann durch vollständige Exten- schnitten wird (Abb. 9.9). Nachdem alle Schrauben plat-
sion im Hüftbereich und Platzierung von Polstern unter ziert sind, kann die Fraktur reponiert und stabilisiert
den Schenkeln verringert werden (Abb. 9.8). Daraufhin werden. Die Stäbe werden in der sagittalen Ebene aus-
wird der posteriore Zugang wie vorher beschrieben gerichtet und zunächst an den Schrauben kranial der
durchgeführt. Dabei sollte stets die korrekte Höhe unter Fraktur befestigt. Danach können die Stäbe vorsichtig an
Bildwandler kontrolliert werden. Es sollten alle Processi den kaudalen Schrauben befestigt werden. Dabei sollte
transversi freigelegt werden, die später Teil der Instru- ein übermäßiges Hebeln der kranialen Schrauben ver-
mentierung sind. Definitionsgemäß kommt es bei diesem mieden werden, vor allem bei Patienten mit Osteopenie
Frakturtyp zu keinerlei Kompression der neuronalen und daraus resultierender schlechter Verankerung der
Strukturen, was eine Dekompression daher auch nicht Schraube. Die kranialen Schrauben werden dann pro-
nötig macht. Vorzugsweise sollten immer Pedikelschrau- beweise festgezogen und die Konstruktion unter Span-
ben verwendet werden, da diese biomechanisch den Har- nung gestellt. Diese Spannung stellt den Hauptteil des
rington-Stäben überlegen sind (89). Nach der Freilegung Repositionsmanövers dieser Verletzung dar. Das sog. „He-
werden die Orientierungspunkte zur Platzierung der Pe- beln“ während der Reposition geht oft mit dem Heraus-
dikelschrauben identifiziert. Die Ausgangsposition für die ziehen der Pedikelschrauben bei kurzstreckigen Instru-
Schrauben im Bereich der Lendenwirbelsäule ist der mentierungen einher (90).
Punkt, an dem der Processus transversus, die superiore Nach der Positionierung der Stäbe kann nun ein Teil
9 Facette und die Pars interarticularis sich schneiden. Das des Beckenkamms von der Spina iliaca superior posterior
Startloch sollte dabei mit einer Fräse oder einer Ahle entnommen werden, wenn eine knöcherne Fusion ange-
gemacht werden, wonach der Pedikel mit einer stumpfen strebt wird. Nach der Dekortikation der Processi trans-
Sonde abgetastet wird. Bei der groben Orientierung versi können die Knochenspäne zwischen diesen plat-
sowie Feststellung der Position des Pedikels in der sagit- ziert werden. Obwohl ein autogener Knochenspan wei-
talen Ebene kann die vorher durchgeführte Röntgenüber- terhin bevorzugt wird, zeigten andere Graft-Methoden
sicht durch den Bildwandler helfen. Die Ausrichtung des mit knochenähnlichen Proteinen oder autogenen Stamm-
Pedikels in der koronaren Ebene variiert je nach Höhe der zellen in Studien bereits viel versprechende Ergebnisse
Verletzung. Die Ausrichtung des Pedikels in der Richtung (91). Zu guter Letzt werden 1 – 2 Quergestänge platziert,
von lateral nach medial verringert sich von kaudal nach um die Steifigkeit des Konstrukts zu erhöhen.
kranial. Auf Höhe von S 1 beträgt die mediale Angulation
des Pedikels 35°, diese Angulation verringert sich fort-

Abb. 9.8 Patient in Bauchlage auf


einem röntgendurchlässigen OP-
Tisch. Die Hüften sind komplett
gestreckt, was bei diesem Patien-
ten mit kyphotischer Deformität
wichtig ist, um eine optimale Kor-
rektur der Kyphose zu ermöglichen.
Operative Behandlung 207

Abb. 9.9 Anatomische Orien-


L3 tierungspunkte für die Einbrin-
gung der Pedikelschrauben.
a Im LWS-Bereich.
T9 b Im Bereich der unteren
Brustwirbelsäule.

L4

T10

L5
T11

T12

L1

a b

kombinierte ventroposteriore Zugang über 2 Inzisionen


und die ventrale und posteriore Versorgung über eine
einzelne Inzision beschrieben (54, 63, 83, 91–94).
Die wahrscheinlich größte Herausforderung bei der
Versorgung dieser Frakturen ist die Wahl des Zugangs, 9
da es wenig wissenschaftliche Daten darüber gibt wel-
cher Zugang für welche Verletzung geeignet ist. Jeder
der oben genannten Zugänge zeigt dabei gute Resultate
(53, 87, 93, 95). Grundsätzlich kann man sagen, dass beim
Vergleich ventraler versus posteriorer Zugang verschie-
denste Studien in etwa vergleichbare Ergebnisse zeigten,
mit dem Vorteil einer deutlich niedrigeren Operationszeit
und deutlich weniger Blutverlust beim posterioren Zu-
gang (91, 92, 96). Jedoch zeigt die kurzstreckige posterio-
re Stabilisierung eine hohe Rate von ausgeprägter sekun-
därer Kyphosierung postoperativ, vor allem bei Bers-
tungsfrakturen mit signifikanter Trümmerzone des Wir-
belkörpers (Abb. 9.10; 11).

Abb. 9.10 Bei diesem Patienten wurde eine kurzstreckige Ventraler Zugang. Die idealen Patienten zur Versorgung
posteriore Instrumentierung bei L 4-Berstungsfraktur durch- von ventral sind diejenigen mit einer Spinalkanalver-
geführt. Die Röntgenaufnahme wurde 6 Wochen postoperativ legung > 80 % und gleichzeitigem inkompletten Quer-
angefertigt und demonstriert eindrucksvoll den Höhenverlust
schnitt, schwerwiegender Zertrümmerung des Wirbel-
mit vermehrter Kyphose.
körpers oder einer Kyphosierung von > 30° (Abb. 9.11;
Video 9-2, DVD 1; 97).
Bei der Durchführung einer ventralen Dekompression,
Berstungsfrakturen Reposition und Stabilisation wird der Patient in Rechts-
seitenlage auf dem OP-Tisch positioniert. Daraufhin wird
Genauso wie es eine Kontroverse darüber gibt welche eine Nierenstütze positioniert und der OP-Tisch flektiert,
Berstungsfrakturen einer operativen Therapie erfordern, um den M. obliquus vorzudehnen und somit den Raum
gibt es Diskussionen darüber welches der beste Zugangs- zwischen der letzten Rippe und dem Beckenkamm zu
weg bei diesen Eingriffen ist. Als mögliche Zugänge wer- vergrößern. Das untere Knie wird flektiert, um den Pa-
den der ventrale Zugang, der posteriore Zugang, der tienten insgesamt zu stabilisieren, jedoch sollte dabei der
208 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

N. peroneus unterpolstert werden, um ihn zu schützen. der kranialen Deckplatte des Wirbelkörpers oberhalb
Zur Prophylaxe einer tiefen Beinvenenthrombose können der Fraktur bis zur kaudalen Deckplatte des Wirbelkör-
dem Patienten Thrombosestrümpfe angelegt werden, ggf. pers unterhalb der Fraktur reichen. Die Höhe sollte mit-
auch pneumatische Kompressionsstrümpfe. Beim ventra- tels Bildwandler kontrolliert werden. Die Zwischenwir-
len retroperitonealen Zugang sollte die Freilegung von belräume sollten dabei möglichst nicht verletzt werden,

a b

c d

Abb. 9.11 Dieser Patient erlitt eine Berstungsfraktur mit einer 90 %igen
Verlegung des Spinalkanals und einem damit einhergehenden inkompletten
neurologischen Defizit. Der Patient wurde mit einer ventralen Korpektomie
und darauffolgenden Rekonstruktion mittels Einsetzen eines Allografts und
ventraler Instrumentierung behandelt. Der ventrale Zugang wurde auf-
grund der hochgradigen Verlegung des Spinalkanals gewählt.
a A.–p. Röntgenaufnahme der Verletzung.
b Seitliche Röntgenaufnahme der Verletzung.
c Die axiale Schicht der Computertomografie zeigt die Vorwölbung des
knöchernen Fragments in den Spinalkanal.
d Postoperative Röntgenkontrolle in a.–p. Strahlengang.
e Postoperative Röntgenkontrolle in seitlichem Strahlengang.

e
Operative Behandlung 209

da diese nicht Teil der Arthrodese sind. Mithilfe des Elek-


trokauters werden nun der frakturierte Wirbelkörper
sowie die zwei Wirbelkörper darüber und darunter frei- Kürette
gelegt. Dies gelingt durch die subperiostale Abhebung des Knochenfragment
M. psoas. Der M. psoas sollte nach lateral angehoben
werden bis die Basis der Pedikel sichtbar ist. Auch hier
sollten wiederum die ipsilateralen Pedikel der Wirbelkör-
per oberhalb und unterhalb der Fraktur dargestellt wer-
den, um die genaue Platzierung des Instrumentariums zu
ermöglichen.
Nachdem die Darstellung komplett ist, sollten zunächst
nma rk
die Bandscheiben oberhalb und unterhalb der Fraktur Rücke
entfernt werden. Es können dabei ein Cobb-Elevator
und eine Kürette genutzt werden, um die knorpelige
Endplatte vom subchondralen Knochen zu trennen. Dies
vereinfacht die darauf folgende Diskektomie. Über die
Diskektomie kann die Ausdehnung des Wirbelkörpers ab-
geschätzt und dadurch der Spinalkanal identifiziert wer-
den. Es empfiehlt sich, primär die kranialen Schrauben zu
setzen oder zu markieren, da dies die Orientierung wäh-
rend der nun folgenden Entfernung des Wirbelkörpers Abb. 9.12 Wenn ein Fragment der oberen Deckplatte in den
erleichtert. Um den Blutverlust aufgrund des gut vasku- Spinalkanal vorgewölbt ist, sollte es vorzugsweise durch Rota-
larisierten spongiösen Wirbelkörpers zu minimieren, tion in Richtung inferior und anterior mit einer Kürette entfernt
werden, um einen iatrogen induzierten neurologischen Scha-
sollte zunächst unbedingt der Spinalkanal identifiziert
den zu verhindern.
werden noch bevor größere Teile des Wirbelkörpers ent-
fernt werden. Der Spinalkanal kann entweder über die
Deckplatten der Wirbelkörper oberhalb und unterhalb Autograft ein Risiko durch die iatrogene Verletzung bei
der Fraktur oder durch Resektion des ipsilateralen Pedi- der Gewinnung besteht, ist der Allograft mit einer höhe-
kels auf Höhe der Fraktur dargestellt werden. Nach der ren Pseudarthrosenrate verbunden (98). Die wahrschein- 9
Darstellung des Spinalkanals lassen sich die vorderen ⅔ lich beste Lösung ist aktuell der Cage, So sorgt dieser
des Wirbelkörpers rasch mit dem Meißel oder Rangeur nicht nur für eine gute Abstützung der vorderen Säule
entfernen. Durch Knochenwachs oder Druck kann der sondern weist gleichzeitig die Vorteile der Knochenhei-
Blutverlust reduziert werden. Präoperativ sollte abge- lung eines Autograft auf, da er mit dem körpereigenen
schätzt werden, welcher Teil des Wirbelkörpers nach Knochengewebe aus dem entfernten Wirbelkörper gefüllt
posterior in Richtung Spinalkanal disloziert ist, um das werden kann (99). Die anatomische Reposition muss vor
erforderliche Manöver zur Bergung der Fragmente planen der Einbringung des Knochenmaterials erreicht werden.
zu können. Wenn das Fragment beispielsweise von der Bei der ventralen Versorgung von Berstungsfrakturen
kranialen Deckplatte stammt, sollte es nach Möglichkeit wird dies durch Distraktion der durch die Entfernung
durch Rotation und Zug nach kaudal entfernt werden des Wirbelkörpers entstandenen Wundhöhle erreicht.
(Abb. 9.12). Oft kommt es bei der Dekompression zu sig- Nun stehen verschiedene ventrale Instrumentierungssys-
nifikanten epiduralen Blutungen. Für den Fall dass eine teme zur Verfügung, darunter Schrauben-Stab-Systeme,
solche Blutung mit dem bipolaren Elektrokauter nicht Schrauben-Platten-Systeme, sowie winkelstabile Platten.
kontrolliert werden kann, sollte zunächst die gesamte Dabei werden bei allen Systemen ähnliche gute Ergeb-
Dekompression erfolgen bevor die endgültige Blutstil- nisse erreicht (63, 66, 96, 100, 101). Die eben beschriebe-
lung, z. B. mit Gelschaum im Epiduralraum, erreicht ne Distraktion der Höhle sollte erst nach Platzierung der
wird. Ein Nachteil des ventralen Zugangs ist, dass poste- Schrauben in den Wirbelkörper oberhalb und unterhalb
rior liegende traumatische Risse der Dura nicht direkt der Fraktur durchgeführt werden. Um die korrekte Posi-
repariert werden können. In diesem Fall sollte ein Liquor- tionierung des Instrumentariums zu gewährleisten, ist es
leck postoperativ durch strikte Bettruhe in Rückenlage nötig die Basis der Pedikel des Wirbelkörpers darzustel-
therapiert werden. len, in den die Schrauben platziert werden. Dies erlaubt
Nach der Entfernung des Wirbelkörpers und der Blut- dann die Darstellung des Ausgangspunkts der posterioren
stillung wendet man sich nun der Rekonstruktion und Schraube die später im hinteren Teil des Wirbelkörpers
Arthrodese zu. Als Optionen zum Knochenersatz stehen platziert wird. Dadurch wird die Schraube sicher am Spi-
der trikortikale Knochenspan aus dem Beckenkamm, nalkanal vorbeigeleitet, ohne dabei die maximale Länge
strukturelle Allografts oder sogenannte distrahierbare oder Stabilität zu verringern. Die meisten Fehler entste-
Cages zur Verfügung. Dabei besitzt jede Knochenersatz- hen dadurch, dass die Instrumente zu weit ventral plat-
methode ihre eigenen Vor- und Nachteile. Während beim ziert werden. Dies führt oft dazu, dass die Schrauben in
210 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

einem Winkel in Richtung Spinalkanal stehen. Nachdem einem röntgendichten Tisch. Um die kyphotische Defor-
die Distraktion durchgeführt wurde, kann nun der aus- mität im Bereich der Fraktur zu verringern, wird der Pa-
gewählte Knochenersatz platziert werden (Abb. 9.13). tient im Hüftgelenk extendiert. Zur Prophylaxe einer tie-
Dabei sollten im Sinne der Knochenheilung die Deckplat- fen Beinvenenthrombose werden auch hier dem Patien-
ten angefrischt werden. Im Anschluss kann der Rest der ten Antithrombosestrümpfe oder pneumatische Kom-
Instrumentation platziert werden. Postoperativ sollte der pressionsstiefel angelegt. Beim posterioren Zugang wer-
Patient so schnell wie möglich mobilisiert werden. den die posterioren Strukturen und Processus transversi
auf Höhe der Fraktur sowie der Wirbelkörper oberhalb
Posteriorer Zugang. Alternativ kann ein posteriorer Zu- und unterhalb davon dargestellt.
gang genutzt werden. Dieser sollte speziell für Frakturen, Zunächst wird die Instrumentierung vorbereitet. Dazu
die für eine kurzstreckige Versorgung geeignet sind, ge- gehört bei einer kurzstreckigen Versorgung die Platzie-
wählt werden (11). Auch für langstreckige Versorgungen rung der Pedikelschrauben in den Wirbelkörpern ober-
kann der posteriore Zugang verwendet werden, jedoch halb und unterhalb der Fraktur. Eingebracht werden
ist hier die Einbeziehung mehrerer Segmente nötig. Bei diese Pedikelschrauben anhand der vorher beschriebenen
der Versorgung befindet sich der Patient in Bauchlage auf

Abb. 9.13
a Einbringung der Schrau-
ben in den Wirbelkörper.
b Distraktion der durch die
Korporektomie entstande-
nen Wundhöhle und Einsatz
des Transplantats. Dabei
kann mithilfe der vertebra-
len Schrauben eine Distrak-
tion erfolgen.

9 Netzhalter

Distraktor

b
Operative Behandlung 211

anatomischen Orientierungshilfen unter radiologischer mente geborgen werden. Im Anschluss an das Dekompres-
Kontrolle. sionsmanöver kann nun der kontralaterale Stab positio-
Als Nächstes kann einseitig ein Längsstab platziert, und niert werden, und die Distraktion über diesem Segment
dadurch die Fraktur distrahiert werden. Dies sorgt indirekt ist komplett. Da durch die Distraktion eine relative Kypho-
für eine Dekompression der neurologischen Strukturen se entsteht, sollten die Stäbe vor der Einbringung in eine
über Ligamentotaxis. Nun erfolgt die direkte Dekompres- leichte Lordose vorgebogen werden, um eine Flachrücken-
sion der neurologischen Strukturen. Auf Höhe des Conus deformität zu verhindern (Abb. 9.15). Die Reposition der
medullaris und darüber sollte der Zugang dafür posterola- posttraumatischen Kyphose wird also durch die Positio-
teral sein, während im Bereich der Cauda equina das Ma- nierung des Patienten und durch die Vorformung der
növer von posterior durchgeführt werden kann. Bei der Stäbe erreicht. In situ dürfen die Stäbe allerdings nicht
posterolateralen Technik muss der seitliche Anteil der ip- mehr verformt werden, da dies in vielen Fällen zum Ver-
silateralen Lamina, inklusive des angrenzenden Facetten- lust des Repositionsergebnisses bei kurzstreckigen Versor-
gelenks entfernt werden (Abb. 9.14). Nun wird der Pedikel gungen führt oder einen Schraubenausriss riskiert (102).
dargestellt, genauso wie die Nervenwurzel, die kaudal die- Nun werden ggf. Querstreben platziert, und autogenes
ses Pedikels entspringt. Unter Schonung der Nervenwurzel Knochenmaterial vom Beckenkamm kann posterolateral
und der Dura wird nun mit einer Fräse der mittlere Anteil zwischen den verbleibenden posterioren Strukturen plat-
des Pedikels entfernt. Daraufhin wird die mediale Wand ziert werden. Eine schnelle Mobilisierung postoperativ ist
kürettiert. So kann die posteriore Kortikalis des frakturier- erwünscht.
ten Wirbelkörpers dargestellt werden. Nun kann durch
Kürettage ein Hohlraum im Wirbelkörper geschaffen wer- Kombinierter ventraler und posteriorer Zugang. Die kom-
den, durch den die nach posterior dislozierten Fragmente binierte ventrale und posteriore Versorgung kann eben-
nun nach ventral geschoben werden können, was zur di- falls bei Berstungsfrakturen im thorakolumbalen Bereich
rekten Dekompression des Subarachnoidalraums führt. Im angewandt werden. In der Literatur sind gute Ergebnisse
Falle eines posterioren Risses der Dura sollte dieser primär damit beschrieben, jedoch ist die genaue Indikation für
versorgt werden. Normalerweise muss die posterolaterale diesen Zugang nicht definiert (59, 91, 93). In der Regel
Dekompression nur von einer Seite durchgeführt werden, wird dieser Zugang immer dann gewählt, wenn die Indi-
um eine vollständige Dekompression des Spinalkanals zur kation zur ventralen Versorgung besteht, in Kombination
erreichen. Im Bereich der Cauda equina sollte routine- mit einem Verdacht auf Verletzung der hinteren Säule.
mäßig eine Laminektomie erfolgen. Während man die Bei der Durchführung dieser Versorgung wird zunächst 9
neurologischen Strukturen vorsichtig zur ipsilateralen die ventrale Dekompression und Spondylodese durch-
Seite hält, können die nach posterior verschobenen Frag- geführt. Die entstandene Höhle wird dann distrahiert,

Rückenmark
Rückenmark

Stößel

b
a

Abb. 9.14 b Darauffolgend wird im Wirbelkörper eine Höhle geschaffen


a Bei der posterolateralen Dekompression werden zunächst und die Fragmente, die den Spinalkanal komprimieren, werden
die ipsilaterale Facette und der Pedikel entfernt. über diese Höhle entfernt.
212 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Abb. 9.15 Wenn durch Distraktion


über der Lendenwirbelsäule die Wirbel-
körperhöhe wieder hergestellt ist, ent-
steht automatisch eine relative Kyphose
oder Flachrückendeformität. Daher soll-
te die natürliche Lordose durch Zurecht-
L2 biegen der Stäbe beibehalten werden.

Bandscheibe Stab

L3

Bandscheibe

L4

und die ventrale Abstützung mit Knochenersatzmaterial der Hauptteil der Instabilität in Flexion entsteht, ist die
in Position gebracht. Dies geschieht jedoch ohne Instru- Rekonstruktion dieser Verletzung am besten durch eine
mentierung. Daraufhin wird von posterior über die Pedi- posteriore Instrumentation anzustreben (Video 9-1,
kelschraube komprimiert, um den eingebrachten Kno- DVD 1). Dabei kann bei der Reposition der Deformität
chenersatz zu sichern und die Lordose zu erhöhen. die mittlere Säule als Hebelpunkt genutzt werden. Die
initiale Höhe einer Kompression der vorderen Säule
Flexions-/Distraktionsverletzungen wird dadurch wieder hergestellt. Um dies zu erreichen,
wird der Patient in Bauchlage auf einem röntgendichten
9 Definitionsgemäß verursachen Flexions-/Distraktionsver- OP-Tisch positioniert. Die Hüftgelenke sind voll exten-
letzungen eine Distraktion der hinteren Säule entweder diert, um durch die Lagerung die Deformität so gut wie
durch die Ligamente der hinteren Säule oder durch die möglich zu verringern. Über den normalen posterioren
ossären Strukturen. Zwei der vielen Verletzungstypen, Zugang werden die posterioren Strukturen oberhalb
die durch Flexions-/Distraktionskräfte entstehen, sind und unterhalb des frakturierten Wirbelkörpers dar-
die Sicherheitsgurtverletzung nach Denis sowie die klas- gestellt. Eine eventuelle Fraktur durch die Lamina oder
sische Chance-Fraktur (8). Eine detaillierte Beschreibung den Processus spinosus muss präoperativ festgestellt
der Verletzungen, die durch Flexions-/Distraktionskräfte werden, um während des Zugangs einen iatrogen ver-
entstehen, liefert uns die Klassifikation nach Magerl und ursachten neurologischen Schaden zu vermeiden. Da-
Gertzbein (5, 103). Bei der Planung einer operativen In- raufhin werden die Pedikelschrauben mithilfe der gängi-
tervention ist es wichtig die verletzten stabilisierenden gen Orientierungshilfen in die Pedikel des Wirbelkörpers
Strukturen zu erkennen. Bei fast allen diesen Verletzun- oberhalb und unterhalb der Verletzung eingebracht. Eine
gen versagt die hintere Säule unter Zug. Auch die mittlere kurzstreckige Versorgung kann sowohl bei ligamentären
Säule versagt fast immer unter Zug, kombiniert mit ent- als auch knöchernen Verletzungen der hinteren Säule
weder einer ligamentösen oder Bandscheibenverletzung durchgeführt werden (104). Bei einer ligamentären Ver-
oder Mitbeteiligung der Hinterkante unter Zug. Die Art letzung kann die Instrumentierung nur ein einziges Be-
der Verletzung der vorderen Säule hängt von der Lokali- wegungssegment beinhalten. Die Anzahl der mit einge-
sation des Rotationszentrums in der Wirbelsäule ab. schlossenen Bewegungssegmente hängt dabei auch von
Wenn das Rotationszentrum ventral des Lig. longitudina- der Stabilität der beteiligten Pedikel ab.
le anterius liegt, ist die vordere Säule ebenfalls unter Zug- Oft geht eine Fraktur nur durch den inferioren Teil des
belastung gestört. Auf der anderen Seite, wenn das Dreh- Pedikels. In diesem Fall können trotzdem Schrauben in
zentrum im Bereich des Wirbelkörpers selber liegt, be- den verletzten Wirbelkörper eingebracht werden. Teil-
steht die Störung der vorderen Säule bei Kompressions- weise kann dann eine Wirbelkörperfraktur nur mittels
kräften. Dabei muss dieser Typ der ventralen Kompressi- posteriorer Kompression über dem verletzten Wirbelkör-
onsverletzung ganz klar von einer normalen Kompressi- per behandelt werden, ohne Arthrodese. Die Fraktur wird
onsfraktur unterschieden werden, da die Flexions-/Dis- in diesem Fall durch die posteriore Kompression repo-
traktionsverletzung eine signifikant höhere Rate an fort- niert und stabilisiert. Die Kompression liegt dabei über
schreitender Deformität und Subluxation besitzt die Pedikelschrauben oder die intralaminären Haken an.
(Abb. 9.16). Da bei Flexions-/Distraktionsverletzungen In Fällen bei denen der verletzte Pedikel nicht instrumen-
Operative Behandlung 213

a b c

Abb. 9.16
a Röntgenaufnahme eines Patienten, bei
dem fälschlicherweise eine Kompressions-
fraktur diagnostiziert wurde.
b In der sagittalen Schicht der Computer-
tomografie zeigt sich jedoch eine Flexions-/
Distraktionsverletzung.
c 8 Wochen später zeigte sich bei dem Pa-
tienten eine zunehmende Deformität. Es
bestand nun die Indikation zur operativen 9
Intervention. Da es sich um keine frische
Verletzung handelte, war eine Instrumen-
tierung über zwei Segmente oberhalb und
unterhalb der Fraktur nötig, um die Defor-
mität auszugleichen und das Ergebnis hal-
ten zu können.
d In der postoperativ durchgeführten a.–p.
Röntgenaufnahme zeigt sich die erfolgrei-
che Korrektur und Stabilisation der Defor-
d e mität.
e Postoperativ durchgeführte seitliche
Röntgenaufnahme.

tiert werden kann, muss die Instrumentierung auf den muss notfallmäßig durch Bildgebung und gegebenenfalls
nächst höher gelegenen Wirbelkörper ausgedehnt wer- Diskektomie angegangen werden (106). Zum Schluss
den (105). Nach der Platzierung der Pedikelschrauben werden, falls geplant, die posterioren knöchernen Struk-
und Kontrolle der korrekten Lage mithilfe des Bildwand- turen angefrischt und ggf. Knochenersatz sowie Querstre-
lers werden die Stäbe nun zurechtgebogen und platziert. ben eingebracht.
Zur Reposition der Deformität und Rekonstruktion des Einen besonderer Unfallmechanismus bei Flexions-/
hinteren Zugbands wird nun das gesamte Konstrukt Distraktionsverletzungen liegt vor, wenn die Fraktur zu
unter posteriore Kompression gesetzt. Vor der Kompres- einer Kompressionsverletzung der Hinterkante mit Vor-
sion müssen jedoch eingeschlagene und/oder gerissene wölbung des Knochens in den Spinalkanal führt. Dieses
Anteile des Lig. flavum entfernt werden, um das Risiko Verletzungsmuster resultiert in einer Distraktion der hin-
einer iatrogenen Verletzung der neurologischen Struktu- teren Säule, sowie Kompression der mittleren und vor-
ren zu vermeiden. Im Falle einer Verletzung der Band- deren Säule. Da die Hinterkante hierbei geschädigt wird,
scheiben und damit möglichen Verletzung des posterio- besteht eine Kontraindikation für die posteriore Instru-
ren Anulus, muss der Operateur einen potenziellen Pro- mentierung unter Kompression und unter Verwendung
laps bei der Kompression mitbedenken. Jede postoperativ der Hinterkante als Hebel. Daher muss mit der posterio-
eingetretene Veränderung des neurologischen Status ren Instrumentierung, ähnlich wie bei Berstungsfraktu-
214 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Abb. 9.17
a Die sagittale Schicht der Computerto-
mografie zeigt eine Flexions-/Distrakti-
onsverletzung mit Vorwölbung der Hin-
terkante in den Spinalkanal und einer
damit einhergehenden Paraparese.
Diese Verletzung unterscheidet sich ent-
scheidend von einer Berstungsfraktur
aufgrund des Versagens der hinteren
Säule unter Zugbelastung.
b Postoperative Röntgenaufnahme des
Patienten nach posteriorer Dekompres-
sion sowie Reposition und Spondylode-
se.

a b

ren, die mittlere Säule mittels Distraktion wieder her- Dislozierte Frakturen
gestellt werden, um so den Spinalkanal indirekt zu de-
komprimieren. Da die posterioren Strukturen einer Zug- Dislozierte Frakturen können durch verschiedenste Kraft-
belastung nicht mehr Stand halten, muss bei dieser Ver- einwirkungen auf die Wirbelsäule entstehen, darunter
letzung die Distraktion jedoch sehr vorsichtig erfolgen, da Distraktion, Rotation und Scherkräfte (5, 8). In jedem
hier die Gefahr einer übermäßigen Distraktion besteht. Fall stellen sich diese Verletzungen als höchst instabil
9 Da die Distraktion bei der Korrektur generell zu einer dar, da sie alle drei Säulen mit betreffen. Oft werden
Kyphose über dem Frakturspalt führt, sollte die kyphoti- diese Verletzungen von einem neurologischen Defizit be-
sche Deformierung durch Vorformung der Stäbe und kor- gleitet. Daher ist mit wenigen Ausnahmen eine operative
rekte Lagerung des Patienten verringert werden. Nach Versorgung indiziert. Aufgrund der Dislokation kann sich
der Wiederherstellung des posterioren Zugbands kann die Verschiebung des betroffenen Bewegungssegments
eine zusätzliche Dekompression des Spinalkanals über als hochgradig und in mehreren Ebenen instabil darstel-
einen posterolateralen Zugang erfolgen, wenn dies nötig len. Die Reposition und Stabilisation über einen ventralen
ist. Eine kurzstreckige Instrumentierung kann bei diesem Zugang stellt sich bei dieser Verletzung als schwierig dar,
Frakturtyp ausreichend sein, jedoch ist dies vor allem von deshalb ist die posteriore Versorgung hier die bessere
der ventralen Trümmerzone abhängig. Die Entscheidung Wahl. Der posteriore Zugang erlaubt in diesem Fall eine
zur kurzstreckigen Instrumentierung ist dabei ähnlich langstreckige Darstellung mehrerer Bewegungssegmente
wie bei der kurzstreckigen Versorgung von Berstungs- und damit eine genaue Reposition der Fraktur sowie die
frakturen zu treffen (Abb. 9.17). starre Stabilisation (105). Falls eine Dekompression des
Bei einem Patienten mit Flexions-/Distraktionsverlet- Spinalkanals nötig sein sollte, kann diese auch über den
zung ist die alleinige ventrale Versorgung der Verletzung posterioren Zugang durchgeführt werden (Abb. 9.18).
nicht indiziert. Die Flexionsinstabilität, die mit dieser Der Patient wird, wie schon vorher beschrieben, wie-
Verletzung einhergeht, wird durch die bloße ventrale Ab- der in Bauchlage auf einem röntgendichten Tisch gela-
stützung nicht genügend stabilisiert. Da sich die vordere gert. Beim standardmäßigen Zugang zum thorakolumba-
Abstützung unweigerlich in der Nähe oder direkt am len Übergang werden mindestens 2 Bewegungssegmente
Zentrum der Instabilität befindet, wird der nötige Kno- kranial sowie kaudal der Verletzung freigelegt. Dabei ist
chenersatz ebenfalls an einem mechanisch ungünstigen ein äußerst sorgsames Vorgehen erwünscht, um iatrogen
Ort platziert. Wenn das posteriore Zugband nicht mehr induzierte neurologische Schäden zu vermeiden. Diese
intakt ist, ist die alleinige ventrale Distraktion nicht in Gefahr ist besonders dann hoch, wenn frakturierte oder
der Lage die Lordose korrekt wieder herzustellen. Daher gestörte posteriore Strukturen präoperativ nicht erkannt
sollte im Falle einer ventralen Wirbelkörpertrümmerzo- wurden. Nach erfolgtem Zugang wird die Instrumentie-
ne oder einer Beteiligung des Spinalkanals eine ventrale rung platziert. Aufgrund der äußerst instabilen Verhält-
Rekonstruktion im Anschluss an die posteriore Instru- nisse bei dislozierten Frakturen ist eine kurzstreckige In-
mentierung und Reposition erfolgen. Dies kann ein- strumentierung normalerweise nicht indiziert, da diese
oder zweizeitig geschehen. mit einer hohen Versagensrate einhergeht (107). Falls
Operative Behandlung 215

a b

Abb. 9.18 b Die Versorgung beinhaltete zwei Segment oberhalb und un-
a Prä- und postoperative Röntgenaufnahmen eines Patienten terhalb der Fraktur.
mit einer L 3/L 4-Dislokationsfraktur. Der Patient erhielt eine
posteriore Dekompression sowie Reposition und Spondylodese.

möglich, sollte die Instrumentierung immer mit Pedikel- und die verbleibenden posterioren Elemente ggf. vor der
schrauben durchgeführt werden (108). Die durch die Pe- Platzierung des Knochenersatzmaterials angefrischt.
dikelschrauben erreichte Fixierung aller 3 Säulen ist ge- Nach posteriorer Reposition und Stabilisation von tho- 9
rade bei dislozierten Frakturen äußerst hilfreich, da eine rakolumbalen Dislokationsfrakturen werden gute Lang-
höhergradige Dislokation einen Kraftaufwand in ver- zeitergebnisse berichtet (58, 60, 69, 80, 108–112). Den-
schiedenen Ebenen zur Reduktion erforderlich machen noch halten einige Autoren bei manchen Patienten eine
kann. Grundsätzlich ist es auch bei dislozierten Frakturen zusätzliche Versorgung von ventral für nötig (59, 105).
sicher, Pedikelschrauben im Bereich der Brustwirbelsäule Die zusätzliche ventrale Versorgung sollte für diejenigen
und LWS zu platzieren. Jedoch sollte dem Operateur eine Patienten reserviert bleiben, die unter einer beständigen
potenzielle posttraumatische Deformität der Wirbelsäule ventralen neurologischen Kompression auch nach der
bewusst sein, da diese die Ausrichtung der Pedikel ver- posterioren Versorgung leiden oder für den Fall, dass
ändern kann (108). Die Instrumentierung sollte mindes- eine ventrale Trümmerzone des Wirbelkörpers so aus-
tens 2 Wirbelkörper oberhalb und unterhalb der Fraktur geprägt ist, dass ein ventraler Wirbelkörperersatz indi-
mit einschließen. Die einzige Ausnahme hierfür stellt der ziert ist. Jedoch gibt es keine eindeutigen Daten darüber,
seltene Fall einer reinen Dislokation dar. In diesem Fall dass eine ventrale Trümmerzone mit dem Versagen einer
kann eine kurzstreckige Instrumentierung die Verletzung langstreckigen posterioren Stabilisierung einhergeht.
adäquat stabilisieren, da die intakten posterioren Struk- Daher beruht die Entscheidung eine ventrale Korpekto-
turen ebenfalls zur Stabilität beitragen können. Nach der mie durchzuführen oder einen ventralen Knochenersatz
Platzierung der Pedikelschrauben können nun Knochen- zu platzieren, oft auf den individuellen Präferenzen des
fragmente, die in den Spinalkanal hineinreichen, entfernt behandelnden Chirurgen.
werden, auch Risse in der Dura werden nun direkt ver-
schlossen. Zu guter Letzt wird die Fraktur reponiert.
Dabei variiert das durchzuführende Repositionsmanöver
je nach Dislokationsgrad, der durch die Verletzung her-
vorgerufen wurde. In vielen Fällen kann die Reposition
durch Befestigung eines physiologisch vorgeformten Sta-
bes an den kaudalen Schrauben mit darauffolgender Aus-
richtung der kranialen Segmente auf den Stab erreicht
werden. Zur endgültigen Reposition ist oft noch eine ge-
wisse Distraktion oder Kompression auf die Instrumen-
tierung nötig. Daraufhin werden Querstreben eingesetzt
216 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

Tipps und Tricks


■ Geht man bei der LWS von kaudal nach kranial, so verrin- – Wenn im Gegensatz dazu die Rotationsachse im oder
gert sich die mediale Ausrichtung der Pedikel. Auf Höhe posterior des Wirbelkörpers liegt, wird die vordere
S1 beträgt der nach medial gerichtete Winkel des Pedikels Säule unter Kompressionsbelastung versagen. Dabei
35°, im Vergleich dazu beträgt die mediale Ausrichtung ist es wichtig, diese Art der Kompressionsverletzung
des Pedikels auf Höhe Th11 oder Th12 weniger als 10°. von einer Kompressionsfraktur zu unterscheiden, da
■ Wenn eine Dislokation der Facetten besteht, sollte diese bei der Flexions-/Distraktionsverletzung eine signifi-
unter Sicht von posterior reponiert werden. kant höhere Gefahr einer fortschreitenden Deformität
■ Der größte Risikofaktor bei der ventralen Versorgung und Subluxation besteht.
von thorakolumbalen Verletzungen ist die Gefäßana- – In seltenen Fällen besteht eine Kompressionsverlet-
tomie im Bereich der unteren LWS. Die Bifurkation der zung der Hinterkante des Wirbelkörpers mit gleichzei-
Aorta liegt im Bereich von L4/L5, dabei überqueren die tiger Vorwölbung des Knochens in den Spinalkanal.
A. und V. iliaca communis den Wirbelkörper von L5. Dieses Verletzungsmuster entsteht dann, wenn die
Aufgrund dieser beschriebenen Nähe zu den Gefäßen Drehachse im Spinalkanal liegt. Es resultiert eine Dis-
ist eine Versorgung von ventral auf Höhe von L5 oder traktion der hinteren Säule sowie eine Kompression
S1 äußerst schwierig. der mittleren und vorderen Säule. Da in diesem Fall
■ Kompressionsfrakturen im Bereich des thorakolumbalen die Hinterkante mitbeteiligt ist, ist eine posteriore
Übergangs verlangen nach einer posterioren Stabilisie- Kompressionsinstrumentierung mit der Hinterkante
rung zwei Segmente oberhalb und ein Segment unter- als Drehachse nicht das Mittel der Wahl. Eine poste-
halb der Verletzung (64). Im Vergleich dazu bedarf es bei riore Instrumentierung dieser Verletzung muss daher
der Instrumentierung von Verletzungen im LWS-Bereich distrahieren, um die Höhe der mittleren Säule wieder
nur einer Stabilisierung eines Segments oberhalb und herzustellen und indirekt den Spinalkanal zu dekom-
unterhalb der Verletzung. primieren. Jedoch muss aufgrund des Versagens der
■ Bei lumbalen Berstungsfrakturen mit signifikanter Trüm- posterioren Strukturen unter Zugbelastung, im Ge-
merzone ist die Versagensrate einer alleinigen kurzstre- gensatz zu einer normalen Berstungsfraktur, die Dis-
ckigen posterioren Instrumentierung und damit die Ge- traktion äußerst vorsichtig erfolgen, da speziell bei
fahr einer verbleibenden Kyphosierung hoch (11). dieser Verletzung eine Überdistraktion droht.
■ Bei der Versorgung einer Berstungsfraktur muss eine ■ Eine Läsion der posterioren Strukturen sollte präoperativ
9 posterolaterale Dekompression nur von einer Seite durch Bildgebung ausgeschlossen werden, um eine In-
durchgeführt werden, um den Spinalkanal komplett zu karzeration der neuronalen Strukturen in einer mögli-
dekomprimieren. chen Laminafraktur während des Repositionsmanövers
■ Bei der Distraktion einer von posterior zu versorgenden zu verhindern.
Berstungsfraktur der LWS besteht stets die Gefahr einer ■ Bei einer Läsion der Bandscheibe in Kombination mit
relativen Kyphosierung. Um nach der Distraktion eine einer Flexions-/Distraktionsverletzung muss auf eine po-
Flachrückendeformität zu verhindern, sollten die Stäbe tenzielle Verletzung des posterioren Anulus und einer
vor dem Einbringen in eine leicht lordotische Form ge- daraus entstehenden Bandscheibenvorwölbung auf-
bogen werden. grund der Kompression auf das Konstrukt geachtet wer-
■ Bei Berstungsfraktur im LWS-Bereich sollten Patienten den.
dann von ventral operiert werden, wenn die Spinalkanal- ■ Da sich die Reposition und Stabilisierung von thorako-
verletzung mehr als 80 % beträgt, mit inkomplettem lumbal dislozierten Frakturen über einen ventralen Zu-
neurologischem Defizit, einer schwerwiegenden Trüm- gang als sehr schwierig darstellt, ist die Versorgung von
merzone des Wirbelkörpers oder einer Kyphosierung posterior das Mittel der Wahl.
von mehr als 30° (97). ■ Aufgrund der Instabilität von dislozierten Frakturen ist
■ Die größte Gefahr bei der Versorgung von Berstungsfrak- eine kurzstreckige Instrumentierung in der Regel nicht
turen von ventral besteht darin, die Instrumentierung zu indiziert, da diese mit einer hohen Versagensrate einher-
weit ventral anzusetzen. Dies führt dazu, dass die einge- geht (107).
brachten Schrauben in einem ungünstigen Winkel in Rich- ■ Nach der posterioren Reposition und Fixation einer tho-
tung Spinalkanal zeigen oder keinen Halt finden. rakolumbalen dislozierten Fraktur ist eine darauffolgen-
■ Bei einer Kombination von ventralem und posteriorem de ventrale Versorgung bei manchen Patienten indiziert.
Zugang bei der Versorgung einer thorakolumbalen Bers- Dies ist vor allem der Fall bei anhaltender ventraler Kom-
tungsfraktur sollte die posteriore Dekompression und pression der neuronalen Strukturen, oder wenn die
Spondylodese zunächst durchgeführt werden. Trümmerzone des ventralen Wirbelkörpers so stark aus-
■ Bei der Beurteilung von Flexions-/Distraktionsverletzun- geprägt ist, dass eine vordere Abstützung nötig ist.
gen, muss das Frakturmuster vorsichtig analysiert wer- ■ Im Falle einer Wundinfektion sollte diese aggressiv the-
den. Dabei gibt es 3 Variationen, die von der Lage der rapiert werden. Zu empfehlen ist dabei die chirurgische
Rotationsachse abhängig sind: Drainage, ausführliches Débridement und intraoperative
– Wenn die Rotationsachse ventral des anterioren lon- Abstrichentnahme, sowie ggf. ein Vakuumschaumver-
gitudinalen Ligaments liegt, wird auch die vordere band.
Säule unter Zugbelastung versagen.
Komplikationen 217

Komplikationen In den meisten Fällen entstehen Komplikationen nach


der Versorgung einer thorakolumbalen Fraktur aufgrund
Wie bei allen größeren Verletzungen, die eine aus- des Eingriffs oder der Verletzung. Dazu gehören die In-
gedehnte Rekonstruktion nach sich ziehen, kann auch fektion, die Pseudomeningozele, die posttraumatische
die chirurgische Versorgung von thorakolumbalen Verlet- Deformität der Wirbelsäule, Pseudarthrosen und ein Fort-
zungen mit einer Fülle an Komplikationen verbunden schreiten des neurologischen Defizits. Eine postoperativ
sein. Dies können generell auftretende Komplikationen aufgetreten Wundinfektion nach chirurgischer Interven-
wie bei jeder anderen größeren Operation sein. Es gibt tion muss rasch diagnostiziert und behandelt werden. In
jedoch auch charakteristische Komplikationen im An- den meisten Fällen tritt diese Infektion im Anschluss an
schluss an die Reposition und Stabilisation der thorako- eine posteriore Stabilisation auf (120). Jedoch gibt es kei-
lumbalen Frakturen. Dabei kann die Komplikationsrate nen Hinweis darauf, dass sich die Infektionsrate nach
sehr hoch ausfallen. In einem Rückblick zeigten Knopp Stabilisation einer Fraktur von der Infektionsrate bei an-
et al., dass die perioperative Komplikationsrate bis zu deren rekonstruktiven Wirbelsäuleneingriffen unter-
15 % betragen kann, davon benötigten die Hälfte der Pa- scheidet. Die Infektionsrate liegt dabei je nach Studie
tienten einen Revisionseingriff (113). Aus diesem Grund zwischen 5 und 10 % (21, 59, 121, 122). Der wichtigste
muss dem Operateur eine potenziell eintretende Kompli- Aspekt bei der Behandlung einer postoperativ aufgetrete-
kation stets bewusst sein, um diese im Umkehrschluss nen Wundinfektion ist die schnelle Diagnose. Jeder Pa-
adäquat zu therapieren. tient mit einer sezernierenden Wunde steht im Verdacht,
Die wahrscheinlich gefährlichste Komplikation bei Pa- eine postoperative Wundinfektion zu haben. Dabei sollte
tienten mit thorakolumbalen Frakturen ist die tiefe Bein- die Behandlung einer sezernierenden Wunde nach pos-
venenthrombose und daraus resultierend die Lungen- teriorer Instrumentierung und Stabilisation unter keinen
arterienembolie. Generell zeigt sich zwar kein erhöhtes Umständen nur mit Verbandswechseln und oraler Anti-
Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose bei Patienten biose behandelt werden, da dieses Therapieregime zum
nach größeren Wirbelsäuleneingriffen für verschiedenste Scheitern verurteilt ist. Im Falle einer postoperativen
Diagnosen (114). Jedoch können diese Daten nicht für Wundinfektion sollte nach Diagnosesicherung eine ag-
Patienten mit akuten thorakolumbalen Verletzungen her- gressive Therapie eingeleitet werden, darunter die opera-
genommen werden, da in diesem Fall die Inzidenz einer tive Drainage, Débridement und intraoperative Abstrich-
tiefen Beinvenenthrombose und Lungenarterienembolie entnahme (120). Die oberflächlichen Schichten werden
signifikant höher ausfällt. Die größte Gefahr für eine freigelegt und ausgiebig débridiert. Wenn sich die Faszie 9
Thrombose und Lungenarterienembolie besteht für Pa- komplett intakt zeigt, sollte ein Abstrich über einen wei-
tienten, die eine Verletzung des Rückenmarks oder eine teren Zugang erfolgen, um eine subfasziale Ausdehnung
Verletzung der langen Röhrenknochen erlitten haben, der Infektion auszuschließen. Falls die Faszie selbst nicht
sowie bei älteren Patienten (115, 116). Jedoch basieren mehr intakt ist, sollte die Wunde komplett geöffnet und
die prophylaktischen Therapieregime auch bei diesen sorgfältig débridiert werden. Die eingebrachte Instru-
Hochrisikopatienten oftmals auf individuellen Meinun- mentierung wird belassen, dabei sollte offensichtlich ne-
gen und Kohortenstudien, anstatt auf Klasse-I-Daten. krotisches Material jedoch entfernt werden. Bei ober-
Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse behauptet, flächlichen Infektionen mit geringem nekrotischen Anteil
dass die Inzidenz einer tiefen Beinvenenthrombose und kann die Wunde nach Einlage einer Drainage wieder ver-
Lungenarterienembolie die gleiche ist, ganz gleich, ob die schlossen werden. Im Falle einer signifikanten Nerkrose
Patienten eine Prophylaxe erhielten oder nicht (117). oder bei tiefgreifenden Infektionen ist ein wiederholtes
Nichtsdestotrotz ist eine Thromboseprophylaxe bei allen Débridement indiziert. Ein Vakuumschaumverband ist
Patienten mit thorakolumbalen Frakturen essenziell. Bei in diesem Fall vorzuziehen, um einen ständigen Abfluss
den Patienten mit Rückenmarksverletzungen erhöhte der Infektion und die Bildung von Granulationsgewebe zu
sich das Risiko einer tiefen Beinvenenthrombose signifi- garantieren. Der dabei eingebrachte Schwamm sollte in
kant, wenn diese gleichzeitig eine Fraktur der langen der Tiefe platziert werden und darf dabei auch direkt auf
Röhrenknochen erlitten. Daher sollte speziell bei diesen dem exponierten Knochen oder der Instrumentation zu
Hochrisikopatienten die Prophylaxe sowohl mechanisch, liegen kommen (123). Daraufhin wird der Patient nach
als auch durch Medikamente erfolgen. Die Platzierung 48 – 72 Stunden wieder im OP débridiert. Sobald sich
eines prophylaktischen V.-cava-inferior(VCI)-Filters er- gesundes Granulationsgewebe gebildet hat, werden Drai-
scheint als nicht sinnvoll (118). Jedoch ist bei Patienten nagen eingelegt und die Wunde verschlossen. Solang sig-
mit einer bekannten Lungenarterienembolie in der aku- nifikante nekrotische Anteile zu sehen sind wird der Va-
ten postoperativen Phase eine therapeutische Antikoagu- kuumschaumverband erneuert, bis sich die Wunde sau-
lation oftmals mit einer hohen Komplikationsrate ver- ber zeigt. Diese lokale Wundversorgung wird mit i. v. An-
bunden. In diesem Fall sollte über den Einsatz eines tibiotika kombiniert, die basierend auf den durchgeführ-
VCI-Filters anstatt der Antikoagulation nachgedacht wer- ten Abstrichen ausgewählt werden sollten.
den (119). Risse in der Dura treten oft in Verbindung mit thora-
kolumbalen Frakturen auf und zeigen eine gewisse Asso-
218 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

ziation mit Flexions-/Distraktionsverletzungen, dislozier-


ten Frakturen und Berstungsfrakturen (124–126). Dabei
wird die stärkste Assoziation zwischen Berstungsfraktu-
ren und duralen Lazerationen gesehen. Ob nun spezielle
Frakturcharakteristika mit einem erhöhten Risiko an Ris-
sen in der Dura einhergehen, ist fraglich, jedoch sind
diese Risse mit neurologischen Verletzungen und Lami-
nafrakturen assoziiert (124, 127–129). Dabei kann sich
die Lazeration sowohl an der ventralen als auch an der
posterioren Dura befinden (130). Bei einigen wenigen
Fällen kann sogar ein Anteil der Cauda equina in einer
Laminafraktur eingeklemmt werden. Dabei ist es äußerst
wichtig, diese Situationen präoperativ durch Bildgebung
zu erkennen, um eine Inkarzeration der neurologischen
Strukturen bei der Reposition einer Laminafraktur zu ver-
hindern (127, 131). Wenn man auf einen Riss in der Dura
trifft, sollte dieser direkt verschlossen werden. Persistie-
rende Pseudomeningozelen sollten entweder revidiert
und verschlossen oder durch eine geschlossene subarach-
noidale Drainage therapiert werden (132).
Nach der Versorgung einer thorakolumbalen Fraktur
können die Patienten eine posttraumatische Deformität
entwickeln. Diese Komplikation ist generell bei allen Abb. 9.19 Diese posttraumatische Deformität entstand im
Typen der thorakolumbalen Verletzung möglich. Die Anschluss an eine multisegmentale Korporektomie und poste-
Gründe einer solchen Deformität sind unterschiedlich, riore Stabilisation bei mehreren frakturierten Segmenten.
dazu gehören eine ungenügende initiale Stabilisierung, Diese Deformität entwickelte sich aufgrund einer Pseudarthro-
das Implantatversagen, die Pseudarthrose oder eine be- se.
gleitende Laminekomie (133). Dabei stellt die zunehmen-
9 de thorakolumbale Kyphosierung die häufigste posttrau-
matische Deformität dar, mit Schmerzen als Hauptsymp- bei Patienten, die aufgrund einer posttraumatischen Spi-
tom (Abb. 9.19). Gertzbein zeigte in einer Multicenterstu- nalkanalverengung operativ versorgt wurden (133, 136).
die retrospektiv, dass Patienten mit thorakolumbalen Bei der Planung einer chirurgischen Intervention bei
Verletzungen und einer gleichzeitigen Kyphosierung von einem Patienten mit posttraumatischer Deformität wur-
mehr als 30° nach operativem Eingriff ein erhöhtes Risiko den verschiedene chirurgische Zugänge beschrieben. Da-
für Schmerzen hatten (134). Auch eine fortschreitende runter der ventrale Zugang, die posteriore Osteotomie
Kyphosierung nach operativer Versorgung von thorako- und Stabilisation sowie kombinierte ventrale und poste-
lumbalen Frakturen ist assoziiert mit erhöhten Schmer- riore Interventionen (133).
zen (135). Die effektivste Behandlung der posttraumati- Eine weitere Komplikation bei der Versorgung von tho-
schen Deformität ist die Prävention. Fortschreitende De- rakolumbalen Frakturen ist die Pseudarthrose. Unabhän-
formitäten resultieren meistens aus inadäquater Immobi- gig vom Zugangsweg wird diese Komplikation bei so
lisation einer instabilen Dreisäulenverletzung. Meistens ziemlich jeder klinischen Studie beschrieben (55–57, 64,
ist dies der Fall bei nicht erkannten Verletzungen der 66, 71, 74, 80, 93, 98, 100, 137, 138). Die Inzidenz der
posterioren Säule in Kombination mit einer Kompressi- Pseudarthrosenbildung ist dabei nicht bekannt, jedoch
onsverletzung der vorderen Säule. Eine genaue klinische vermuten einige Autoren eine geringere Rate nach der
und radiologische Untersuchung ist daher äußerst wich- Versorgung von thorakolumbalen Frakturen im Vergleich
tig, um eine Deformität nach der Behandlung zu vermei- zu elektiven Fusionseingriffen (139). Dabei gibt es ver-
den. In diesem Fall ist das MRT hervorzuheben, speziell schiedene Faktoren, die zur Entwicklung einer Pseudar-
bei der Suche nach Verletzungen der posterioren Liga- throse beitragen können. Darunter die Verwendung eines
mente (135). Sobald sich eine Deformität entwickelt, Allografts, Rauchen, der postoperative Gebrauch von
kann die Behandlung sich als äußerst schwierig erweisen. nichtsteroidalen Entzündungshemmern sowie schlechte
Die chirurgische Intervention ist dabei für die Patienten Ernährung postoperativ (98, 140). Aus diesem Grund soll-
vorgesehen, die eine fortschreitende Deformität oder ein te, wenn möglich, immer ein Autograft benutzt werden,
fortschreitendes neurologisches Defizit präsentieren. Der auch eine ausreichende Ernährung ist postoperativ äu-
Schmerz allein ist dabei keine chirurgische Indikation, da ßerst wichtig. Die Diagnose einer Pseudarthrose wird üb-
keine sichere Schmerzreduktion nach einer Korrektur der licherweise durch Dünnschichtcomputertomografie in
Deformität eintritt. Jedoch beschreiben Baccaro u. Silber sagittaler und koronarer Ebene gestellt. Die Indikation
sowie Ohlmann et al. eine konstante Schmerzreduktion zur operativen Behandlung einer Pseudarthrose besteht
Neue Techniken 219

bei fortschreitender Deformität oder fortschreitendem durchgeführten Operation (72, 142, 143, 145). Wie vorher
neurologischen Defizit. Die operative Behandlung einer schon erwähnt, ist die Auswirkung der zeitlichen Planung
Pseudarthrose allein zur Schmerzreduktion ist umstrit- einer operativen Intervention auf die neurologische Ge-
ten, da Pseudarthrosen genauso asymptomatisch sein nesung immer noch unbekannt (88). Der primäre neuro-
können (140). logische Status des Patienten prognostiziert dabei am
Eine Komplikation im Rahmen einer operativen Versor- ehesten das endgültige funktionelle Ergebnis (144).
gung von Wirbelfrakturen ist auch die neurologische Ver- Wenn man nur das funktionelle Ergebnis betrachtet, zei-
schlechterung. Falls diese im Anschluss an eine operative gen einige Kohortenstudien, dass zwischen 70 und 80 %
Stabilisation einer thorakolumbalen Fraktur auftritt, soll- der Patienten an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren,
te sie so schnell wie möglich diagnostiziert und thera- jedoch geschieht dies häufig nur mit Einschränkungen
piert werden. Die Diagnosestellung kann sich jedoch als (70, 143–145). So konnten Patienten mit einer akademi-
schwierig erweisen, speziell bei eingetrübten Patienten. schen Ausbildung häufiger in ihren alten Beruf zurück-
In diesem Fall sollte der Operateur ein intraoperatives kehren (145). Bei Patienten mit chronischen Schmerzver-
neurologisches Monitoring mithilfe von somatosenso- läufen zeigt sich, dass neuropathische Schmerzen den
risch evozierten Potenzialen (SSEP) in Erwägung ziehen, Patienten deutlich mehr Probleme bereiten, als reguläre
um eine potenzielle neurologische Verletzung erkennen Rückenschmerzen. Es zeigt sich dabei, dass eine große
zu können. Obwohl die Erfahrung mit SSEPs bei der Frak- Anzahl der Patienten mit signifikanten Rückenschmerzen
tur geringer ist als bei der elektiven Deformitätenchirur- eine identifizierbare Ursache dafür haben, darunter die
gie, konnte ein Zusammenhang zwischen permanent ver- Pseudarthrose, Deformität und Instabilität (144). Pro-
ringerten Amplituden und einem postoperativen neuro- spektive Studien sind nötig, um herauszufinden, welche
logischen Defizit bei Patienten mit einer Wirbelsäulen- der verschiedenen Behandlungsoptionen die beste ist,
fraktur festgestellt werden (141). Falls eine Veränderung um den Patienten die größtmögliche Chance auf die
des neurologischen Status beim Patienten postoperativ Rückkehr zum präoperativen Aktivitätsniveau zu gewähr-
festgestellt wird, ist eine schnelle Reevaluation nötig. Po- leisten.
tenziell reversible Gründe für ein neurologisches Defizit
können falsch platzierte Implantate, ein Bandscheiben-
vorfall aufgrund des Repositionsmanövers, erhöhte Vor- Neue Techniken
wölbung des Knochens in den Spinalkanal sowie ein epi-
durales Hämatom sein. Irreversible Ursachen sind Verlet- Die operativen Eingriffe zur Behandlung von thorakolum- 9
zungen der neuronalen Strukturen aufgrund der Manipu- balen Frakturen haben oft sehr ausgedehnte Zugänge und
lation während des Eingriffs oder die Rückenmarksisch- gehen mit einer signifikanten Morbidität einher. Daher
ämie. In jedem Fall sollte eine prompte neurologische richtet sich das Augenmerk einiger neuer Techniken auf
Untersuchung und Bildgebung erfolgen. Falls eine rever- das Ziel einer minimalinvasiven Operation. Das Ziel eines
sible Läsion diagnostiziert werden kann, vor allem auf solchen Eingriffs ist die Reduktion einer spinalen Defor-
Höhe des Rückenmarks oder des Conus medullaris, mität oder Kyphose, speziell bei Patienten mit Kompres-
muss der Patient sofort wieder zurück in den OP-Saal sions- oder Berstungsfrakturen unter Schonung der pa-
gebracht werden. ravertebralen Muskulatur. Die Kyphoplastie wurde be-
reits erfolgreich bei Patienten mit osteoporotischen Kom-
pressionsfrakturen eingesetzt, um eine kyphotische De-
Ergebnisse formität zu verringern oder schmerzhafte Bewegungsseg-
mente zu stabilisieren (147). Diese Technik wurde eben-
Eine generelle Aussage zu den Langzeitverläufen nach der falls bei Patienten mit akuten traumatischen Berstungs-
Behandlung von thorakolumbalen Verletzungen ist auf- frakturen angewendet. Dabei hilft die Kyphoplastie des
grund der Vielseitigkeit dieser Verletzungen, der ver- frakturierten Wirbelkörpers eine Kyphosierung zu ver-
schiedenen operativen Zugänge, sowie der verschiedenen mindern und die vordere Säule zu verstärken. Die Kypho-
Techniken und Instrumentationssysteme nicht zu treffen. plastie wird im Anschluss durch eine kurzstreckige pos-
Ein Grund dafür ist, dass die meisten Langzeitstudien teriore Instrumentierung und Spondylodese unterstützt.
kleinere Kohorten beinhalten und zum größten Teil re- Vorläufige Ergebnisse zeigten, dass Patienten, bei denen
trospektiv sind (72, 134, 142–146). Bei der Analyse der die frakturierten Wirbelkörper mithilfe der Kyphoplastie
Langzeitverläufe gibt es 2 große Faktoren, die untersucht augmentiert wurden, eine größere Chance auf die Ver-
werden müssen. Zum einen die neurologische Genesung meidung einer fortschreitenden Kyphosierung hatten,
und zum anderen die funktionelle Verbesserung der Pa- als ohne diese Maßnahme (148).
tienten. In der Regel zeigen sich deutliche Verbesserun- Auch minimalinvasive Instrumentationssysteme haben
gen beim neurologischen Status im Anschluss an eine inzwischen ihren Platz bei Patienten mit thorakolumba-
operative Versorgung von thorakolumbalen Frakturen. len Frakturen. Diese Technik steht sowohl bei der ven-
Dies gilt vor allem bei Patienten mit einer inkompletten tralen, als auch der posterioren Stabilisierung und Spon-
neurologischen Verletzungen, unabhängig vom Typ der dylodese zur Verfügung. Das Hauptaugenmerk dabei liegt
220 9 Trauma der Lendenwirbelsäule und des thorakolumbalen Übergangs

auf der Stabilisierung und Reposition der Fraktur durch


Merke
kleine Schnitte und Zugänge mit geringerer Morbiditäts-
rate. Die meisten Erfahrungen wurden dabei nach heuti- ■ Etwa 6 % der Patienten mit einem stumpfen Trauma, die
gem Stand bei der Versorgung von thorakolumbalen sich in einem Haus der Maximalversorgung vorstellen,
Frakturen mit minimalinvasiven ventralen Instrumenta- weisen Verletzungen der Wirbelsäule auf.
tionssystemen gemacht (79, 149–151). Die posterioren
■ Obwohl der Conus medullaris auf verschiedenen Höhen
Systeme werden meistens zur Behandlung anderer tho- der Wirbelsäule liegen kann, ist er typischerweise auf
rakolumbaler Pathologien verwendet, können aber sehr Höhe des Wirbelkörpers L 1 oder auf Höhe der Band-
wahrscheinlich zur Versorgung von Traumapatienten scheibe L 1/L 2 lokalisiert.
■ Indikationen zur operativen Versorgung einer Bers-
übernommen werden (152). Auch navigationsgestützte
tungsfraktur bei Patienten ohne neurologisches Defizit
Eingriffe können dem Operateur bei der Behandlung
sind eine Kyphosierung von mehr als 20°, eine Wirbel-
von thorakolumbalen Verletzungen behilflich sein. So
körpersinterung von mehr als 50 % sowie eine Kompro-
können z. B. Pedikelschrauben mithilfe dieser Systeme
mittierung des Spinalkanals von mehr als 50 % (156).
sehr genau platziert werden (153). Diese Technologie
Dabei ist der Grad der Spinalkanalverlegung wohl die
kann auch bei Dekompressionseingriffen helfen und
geringste Indikation zur Operation, wohingegen der
dabei sowohl die OP-Zeit, als auch die potenziell iatrogen
Grad der kyphotischen Deformität die wichtigste Indi-
verursachten neurologischen Verletzungen reduzieren.
kation darstellt.
Zu guter Letzt sei noch die stetig wachsende Rolle von ■ Alle Patienten mit thorakolumbalen Berstungsfrakturen
Wachstumsfaktoren und Knochenersatzstoffen erwähnt.
und neurologischen Defiziten sollten operativ versorgt
Auch diese finden bei der Behandlung von thorakolum-
werden.
balen Frakturen ihre Anwendung. Die sogenannten kno- ■ Eine konservative Therapie von thorakolumbalen Dis-
chenähnlichen Proteine (BMPs) zeigten bereits klinische lokationsfrakturen ist in der Regel nicht indiziert. Aus-
Erfolge bei elektiven Zwischenwirbelkörper- und postero- nahmen bestehen nur, wenn ein Patient nicht operati-
lateralen lumbalen Spondylodesen (154). Ein potenzielles onsfähig ist. Da die Reposition und Stabilisation dieser
Anwendungsgebiet im Falle einer traumatischen Verlet- Verletzung von ventral sehr schwierig ist, sollte ein pos-
zung besteht darin, diese Wachstumsfaktoren lokal ein- teriorer Zugang gewählt werden.
zusetzen, um die Knochenheilung der frakturierten Wir- ■ Potenziell reversible Ursachen von intraoperativ indu-
belkörper zu stimulieren und die Zeit der Heilung zu zierten neurologischen Verletzungen sind falsch plat-
9 reduzieren. Eine Studie mit BMP-7 konnte zwar keine zierte Implantate, ein Bandscheibenprolaps aufgrund
erhöhte Knochenaktivität beim transpedikulären Ge- der Reposition, eine zunehmende Vorwölbung des Kno-
brauch nachweisen, jedoch war die Kohorte in diesem chens in den Spinalkanal sowie ein epidurales Häma-
Falle auch sehr klein (155). Weitere Studien können hel- tom.
fen, den Nutzen dieser Stoffe bei der Versorgung von ■ Patienten mit einer Kyphosierung von mehr als 30°
thorakolumbalen traumatischen Verletzungen zu evaluie- nach Behandlung haben ein erhöhtes Schmerzrisiko.
ren.

Inhalt der DVDs

Video 9-1 (DVD 1) Offene Reposition, dorsolaterale Dekom- Video 9-2 (DVD 1) Ventrale Korpektomie L 1. Ventrale
pression Th 12, posteriore Spondylodese Th 10 –L 2 mit In- Spondylodese Th 12 –L 2 mit einem ausfahrbaren Cage
strumentierung. Dieser Patient erlitt eine Flexions-/Distrak- und Instrumentierung. Dieser Patient erlitt eine L 1-Bers-
tionsverletzung auf Höhe Th12 mit Verletzung des Rücken- tungsfraktur mit Neurologie. Durchgeführt wurde eine ven-
marks. Die operative Versorgung bestand aus einer offenen trale Korpektomie mit Rekonstruktion und Spondylodese
Reposition, gefolgt von einer Instrumentierung und Spondy- unter Verwendung eines dehnbaren Cages und ventraler
lodese von Th10 auf L 2 mit posterolateraler Dekompression Instrumentierung von Th12 –L2.
auf Höhe T12.
Literatur 221

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226 10 Verletzungen des Schultergürtels

10 Verletzungen des Schultergürtels


P. A. Cole, D. J. Marek
Übersetzer: S. Ruchholtz

Luxation des Akromioklavikulargelenks Tab. 10.1 Kombinierte Tossy- und Allman-Klassifikation für die
AC-Gelenkluxation.
Die Luxation des Akromioklavikulargelenks (AC-Gelenks)
Typ Beschreibung
ist wegen der prominenten Lage dieses Gelenks in der
superolateralen Region der Schulter eine häufige Verlet- I Teilweiser Bänderriss, minimale Schmerzen, Druck-
schmerz über dem AC-Gelenk, keine AC-Gelenk-
zung. Aufgrund der knöchernen Anatomie des Schulter-
lockerung. Unauffälliger Röntgenbefund.
gürtels ist das AC-Gelenk bei jeder direkten Verletzung,
wie beispielsweise beim Fall auf die Schulter, besonders II Ruptur von Kapsel und AC-Band. Intakte korakoklavi-
gefährdet. kuläre Bänder, Schmerzen und Druckschmerz über
dem AC-Gelenk; möglicherweise sichtbare Deformie-
Das AC-Gelenk ist ein Synovialgelenk mit einem runden
rung. Im Röntgenbild Erhöhung der Klavikula um
fibrokartilaginären Meniskus. Die laterale Klavikula ist weniger als die Schaftbreite.
durch 2 Bänder, das korakoklavikuläre und das korako-
III Ruptur sowohl der akromio- als auch der korakoklavi-
akromiale Band, sowie die AC-Gelenkskapsel mit der obe-
kulären Bänder, Schmerzen und Druckschmerzen über
ren Extremität verbunden. Die Luxation des AC-Gelenks dem AC-Gelenk und dem distalen Drittel der Klavikula.
entsteht durch die mindestens teilweise Zerreißung der Auffällige Veränderung im Seitenvergleich. Im Rönt-
genannten Strukturen. Die sorgfältige Diagnose einer AC- genbild großer Abstand zwischen Klavikula und Kora-
Gelenkluxation und indikationsgerechte operative Inter- koid.
vention hilft, die Entstehung posttraumatischer Kompli-
kationen wie Arthrose, Instabilität und Fehlfunktion zu
vermeiden.
Das AC-Gelenk spielt eine wichtige Rolle bei der Fixie- ist eine inferiore Luxation der Klavikula unter das Kora-
rung der oberen Extremität am Rumpf. Das Gelenk er- koid.
laubt bis zu 20 Rotationsgrade (1). Das Gewicht des
Armes und starke muskuläre Zugkräfte wirken direkt
Klinische Untersuchung
10 und indirekt auf die kleine Fläche des AC-Gelenks. Diese
Faktoren verdeutlichen, warum eine Operation häufig Das verletze AC-Gelenk ist geschwollen und empfindlich.
fehlschlägt und weshalb so viele verschiedene Techniken Eine sichtbare oder fühlbare Stufe oder distale Instabilität
der operativen Versorgung des AC-Gelenks beschrieben der Klavikula weist auf eine mindestens Typ-II-Verletzung
wurden. hin. Häufig sind die Schmerzen bei Typ-I- und Typ-II-Ver-
Laterale Klavikulafrakturen werden gesondert am Ende letzungen stärker und dauern länger als bei Typ-III-Ver-
dieses Kapitels behandelt. Einige Überlegungen zur Diag- letzungen, da ein Restkontakt durch die eingerissenen
nose und Therapie der AC-Gelenksluxation sind jedoch Bänder im Gelenk bestehen bleibt. Die Haut in der supe-
auch auf die dislozierte oder intraartikuläre distale Klavi- rolateralen Region der Schulter wird auf Abschürfungen
kulafraktur übertragbar. untersucht, da eine erforderliche Operation erst nach
Reepitheliasierung erfolgen sollte.
Ein a.–p. Röntgenbild der Schulter zeigt die Verletzung.
Klassifikation
Noch genauer lässt sich das AC-Gelenk im Röntgenbild in
Sowohl Tossy et al. (2) als auch Allman (3) entwickelten der Technik Zanca bei 15° nach oben gerichtetem Strah-
Systeme zur Klassifikation der AC-Gelenkluxation. Dabei lengang in a.–p. Richtung einsehen. Eine Darstellung bei-
werden der Schweregrad der Bandverletzung und radio- der AC-Gelenke erlaubt den Vergleich des Luxationsgrads
logische Kriterien herangezogen (Tab. 10.1). Rockwood et mit der Gegenseite sowie auftretende Variationen in der
al. (4) beschrieben später 3 weitere, schwerere Verlet- Anatomie des AC-Gelenks. Dies kann zur besseren Dar-
zungsgrade (Typ IV–VI) bezogen auf die Richtung und stellung im Vergleich auch mit jeweils 10 kg Gewicht an
das Ausmaß der Luxation. Die Typ-IV-Verletzung nach beiden Armen erfolgen.
Rockwood bezeichnet eine vollständige Luxation mit pos-
teriorer Verlagerung der Klavikula. Die Typ-V-Verletzung
nach Rockwood stellt eine extreme Variation der Typ-III-
Verletzung dar, wobei die Klavikula den Trapezmuskel bis
in das subkutane Gewebe durchsticht. Typ VI wiederum
Luxation des Akromioklavikulargelenks 227

Fälle das AC-Gelenk inkongruent ist (7). Die laterale Fa-


Konservative Behandlung
cette liegt in 3 % der Fälle sogar unterhalb des Akromions
Indikationen für die konservative Behandlung (8, 12). Die Kenntnis der individuellen anatomischen Va-
riation ist für die Operationsplanung hilfreich. Moseley
Rockwood Typ-I- und -II-Verletzungen sollten mit der konnte überdies zeigen, dass bei vertikalen und unterhalb
Aussicht auf sehr gute kurz- bis mittelfristige Ergebnisse liegenden Variationen mehr posttraumatische Komplika-
konservativ behandelt werden. Im Falle einer späteren tionen zu erwarten sind (12). Die Kapsel des AC-Gelenks
Arthrose kann eine elektive distale Klavikularesektion ist am stabilsten im oberen und hinteren Teil.
zur Beseitigung der Schmerzen und Wiederherstellung Das Schulterblatt ist mit der Klavikula durch die kora-
der Funktion vorgenommen werden (5). koklavikulären Bänder verbunden, bestehend aus dem
Die Studienlage zum Vergleich der operativen mit der gut ausgebildeten trapezoiden und dem konoiden Band.
konservativen Behandlung der Typ-III-AC-Gelenkluxation Diese verlaufen von der Unterseite des Korakoids zum
ergibt keinen signifikanten Vorteil für die Operation (6, Unterrand der Klavikula. Das trapezoide Band reicht von
7), wobei einige Autoren raten, Handwerkern und Ath- der Basis des Korakoids bis knapp lateral des konoiden
leten der Wurfdisziplinen eine operative Versorgung an- Bands. Diese starken Bänder schützen die Klavikula vor
zubieten (8, 9). der kranialen Dislokation.

Verbandstechniken und Orthesen Operationstechniken


Eispackungen sind in der akuten Phase zur Reduktion Viele Operationsverfahren zur Reparatur eines luxierten
von Schmerz und Schwellung sinnvoll. Eine Armschlinge AC-Gelenks stehen zur Auswahl, darunter die Fixierung
entlastet die Schulter vom Gewicht des Armes. Eine Re- der distalen Klavikula direkt an das Akromion, die Ver-
position ist nicht zu empfehlen, da es keine Möglichkeit stärkung der korakoklavikulären Bänder oder beides. Ob-
gibt, das Ergebnis in einem Verband, auch nicht im Ruck- wohl alle Verfahren sowohl in der Akutsituation als auch
sackverband, zu fixieren. zur sekundären Rekonstruktion (nach mehr als ca. 6 – 8
Wochen) angewendet werden können, wird in der Regel
Rehabilitation die sekundäre Rekonstruktion mit einer lateralen Klavi-
kularesektion kombiniert.
Ein (Gilchrist-)Verband oder eine einfache Armschlinge Die bekannteste Operationstechnik zur sekundären Re-
für 1 – 2 Wochen stützt den Arm während der ersten konstruktion ist die von Weaver u. Dunn beschriebene,
schmerzhaften Phase. Bewegungsübungen werden je bei der das Lig. acromioclaviculare mit dem Ende der
nach Abnahme der Beschwerden intensiviert. Die anfäng- lateral resezierten Klavikula verbunden wird (13). Viele 10
liche Ruhephase richtet sich nach dem Schweregrad der Operateure kombinieren dieses Verfahren mit einer zu-
Verletzung. sätzlichen Fixierung des AC-Gelenks oder einer Naht um
das Korakoid (12). Dieselben Operationsverfahren wur-
den für laterale Klavikulafrakturen verwendet, insbeson-
Operationsindikationen
dere wenn das distale Ende wegen eine Ruptur der kora-
Eine Operation ist für Patienten mit AC-Gelenkluxationen koklavikulären Bänder nach kranial disloziert ist (Typ IIa
Rockwood IV–VI indiziert. Das Management der Typ-III- in der Einteilung nach Breitner/Jäger; Abb. 10.1).
Luxationen wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Die Versorgung einer lateralen Klavikulafraktur stellt
Mehrheitlich wird das konservative Management emp- im Hinblick auf die Erhaltung des Fixierungsergebnisses
fohlen, während einige Experten für Handwerker und eine ähnliche Herausforderung dar wie die einer AC-Lu-
Wurfsportler eine Operation auch bei Rockwood Typ-III- xation.
AC-Gelenkluxationen vorschlagen (10 – 12).
Lagerung
Operative Therapie
In Beach-Chair-Lagerung werden die Extremität und der
Anatomie Oberkörper der betroffenen Seite bis hin zum Hals sorg-
fältig abgedeckt. Idealerweise sollte durch Herausnahme
Die sekundären Knochenkerne wachsen etwa im 17. Le- des entsprechenden Tischsegments unter der betroffenen
bensjahr um die akromiale Seite und im 24. Lebensjahr Schulter (neuere Beach-Chair-OP-Tische) eine gute intra-
um die klavikuläre Seite des AC-Gelenks zusammen (10). operative Bildgebung mit dem Bildverstärker ermöglicht
Die durchschnittliche Größe des AC-Gelenks beträgt werden. Des Weiteren sollte die Extremität auf mögliche
9 × 19 mm (11, 12). Zweige der Nn. axillaris, suprascapu- Rotations- und Elevationsmanöver vorbereitet werden.
laris, und pectoralis lateralis innervieren das AC-Gelenk
(4). Urist stellte fest, dass die Klavikula bei ca. der Hälfte
der Bevölkerung das Akromion überragt, und in 21 % aller
228 10 Verletzungen des Schultergürtels

Abb. 10.1 Extraartikulä-


re laterale Klavikulafrak-
dislozierte tur. Beachte die Zerrei-
Klavikula ßung der korakoklaviku-
lären Bänder und die
Fehlstellung der Klavikula
durch den Zug des M.
sternocleidomastoideus.
Unabhängig davon, ob
TL
CL sich die Fraktur nach in-
traartikulär ausdehnt
Akromion
oder nicht, ist die direkte
und primäre Reposition
der Fragmente unnötig
und evtl. sogar schädlich.
Korakoid

Tuberculum majus
Tuberculum minus
Lig. conoideum

Lig. trapezoideum

10

des Korakoids unterhalb der gemeinsamen Sehne ge-


Zugänge
schlungen, vorn an dem hakenförmigen Korakoid vorbei,
Eine 4 – 6 cm lange Inzision wird zur Darstellung der AC- durch das Bohrloch in der Klavikula hindurch geführt
Gelenkluxation über der Vorderecke der distalen Klaviku- und zum Schluss, nach erfolgter Reposition, fest einge-
la zentriert. Die Inzision kommt in den Langer-Linien zu näht. Das nichtresorbierbare synthetische Band ist
liegen, also in vertikaler Richtung, etwa in Form eines einem mehrfachen Vernähen starker Fäden durch das
Säbels, um eine direkte Sicht auf die zerrissenen Bänder Bohrloch vorzuziehen, da die Gefahr eines weiteren „Aus-
und das Korakoid zu ermöglichen. Die Weichtteilschich- schneidens“ des Bohrlochs geringer ist. Nichtsdestotrotz
ten werden sorgfältig zwischen M. deltoideus und Tra- wurde dieses durch die starken einwirkenden Kräfte be-
pezmuskel präpariert, um später diese deltoideotrapezia- dingte Phänomen auch bei Bandanwendung beschrieben.
le Gewebsebene gut verschließen zu können. Nach Expo- Alternativ kann auch die Augmentation mittels eines in
sition der lateralen Klavikula und AC-Gelenk wird die den Processus coracoideus eingebrachten Fadenankers
typischerweise zerfetzte AC-Gelenkkapsel débridiert. mit starkem Nahtmaterial (Fibre-Wire) verwendet wer-
Dann wird die Integrität des Gelenks überprüft und ge- den.
gebenenfalls abgelöster Gelenkknorpel entfernt. Vor Ort Zur zusätzlichen Stabilisierung bzw. Sicherung der
sollte die Klavikula inspiziert und exakt reponiert wer- Bandrekonstruktion werden unterschiedliche Verfahren
den. Die korakoklavikulären Bänder werden anschlie- empfohlen. Durch eine zusätzliche Schraube von der obe-
ßend auf Verletzungen überprüft. ren Klavikula hinunter zur Basis des Korakoids kann an-
Zur Rekonstruktion/Augmentation der korakoklaviku- schließend die Verbindung verstärkt werden. Hierfür
lären Bänder kann bei der akuten AC-Luxation ein Loch wird eine 6,5 mm starke Teilgewindeschraube eingesetzt,
lateral der Insertion der Bänder in die Klavikula gebohrt sodass durch den Zugschraubeneffekt das Mersilene-
werden. Danach wird ein Mersilene-Band um die Basis Band entlastet wird. Wie bereits erwähnt, empfehlen
Luxation des Akromioklavikulargelenks 229

Platte

Akromion

Kla
v iku
Korakoid la
Lig. conoideum
Lig. trapezoideum

Abb. 10.2 Eine sehr effektive Stabilisierungsmethode bei dis- Bewegung im AC-Gelenk eine Lockerung oder ein Ausbruch
taler Klavikulafraktur oder AC-Gelenkluxation ist die Hakenplat- des Implantats oder auch eine Osteolyse des Akromions aus-
te (Synthes USA, Paoli, Pennsylvania). Dieses Implantat bietet gelöst werden können. Dementsprechend ist ein sorgfältiger
eine wirkungsvolle indirekte Reposition der Fraktur mit Ver- Verschluss der Weichteile für die Heilung des Kapsel-Band-Ap-
ankerung der Schrauben in der Klavikuladiaphyse und überdies parats von großer Bedeutung. Bei Zerstörung der distalen Kla-
einen stabilen Anker am Akromion, unter welchem der Haken vikula kann man sie um einen Zentimeter distal verkürzen und
wie abgebildet zu liegen kommt. Die Hakenplatte sollte 4 – 6 das korakoakromiale Band in ein Bohrloch in der Klavikula rein-
Wochen nach der Operation entfernt werden, da durch die serieren.

die Autoren, die Schraube nach Heilung der korakoklavi- gebohrt. Das CA-Band wird dann von seinem Ansatz am
kulären Bänder 3 Monate postoperativ zu entfernen. Akromion gelöst, und durch eine geflochtene Naht (Stär-
Alternativ zur Schraube wird die Hakenplatte aufgrund ke 2) in der Technik nach Krackow oder modifiziert nach 10
der besseren Implantathaltbarkeit immer häufiger einge- Bunnell gefasst und durch das Ende der Klavikula hinauf
setzt (15, 16). Die Platte wird an der Kopfseite der latera- durch ein Bohrloch gezogen, dort als Schlaufe um das
len Klavikula fixiert und ihr endständiger Haken kommt distale Ende der resezierten Klavikula herumgeführt
unter das Akromion zu liegen, um das Ausbrechen der und fixiert. Dies ist die von Weaver u. Dunn beschriebene
Klavikula nach oben zu verhindern (Abb. 10.2; Video 10- Technik, die sich für das vorliegende klinische Problem
1, DVD 2). Die Platte kann auch bei kombinierten Skapu- durchgesetzt hat (13).
lahals- und distalen Klavikulafrakturen eingesetzt wer-
den (Abb. 10.3), sodass der Operateur durch einen Zugang
Tipps und Tricks
an beiden Operationsstellen arbeiten kann.
Obwohl die Hakenplatte eine sehr gute Hebelwirkung ■ Es ist sinnvoll, die Augmentation der Bandrekon-
gegen die auf die distale Klavikula wirkenden deformie- struktion durch eine zusätzliche Fixierung zu entlas-
renden Kräfte ausübt, kann es doch durch „Erosion“ zu ten. Die Insertion einer Teilgewindeschraube (modi-
einer Schwächung und Fraktur des Akromions kommen fizierte Bosworth-Schraube) von der oberen Klaviku-
(17, 18). Außerdem ist sie prominent unter der Haut tast- la hinunter zum Korakoid ist sowohl der Verwen-
bar, sodass aus diesen beiden Gründen eine Plattenentfer- dung von Kirscher-Drähten, die das AC-Gelenk que-
nung nach Fraktur- und/oder Bandheilung erfolgen sollte. ren als auch der Plattenosteosynthese vorzuziehen,
Im Falle einer symptomatischen chronischen Luxation, da die beiden letztgenannten senkrecht zur defor-
einer AC-Gelenksarthrose oder vollständigen Zertrüm- mierenden Kraft stehen. Bedingt durch die Rotation
merung der lateralen Klavikula sollte diese reseziert wer- des AC-Gelenks sollte jedoch mit der Zeit eine Lo-
den mit anschließender Rekonstruktion der korakoklavi- ckerung der Schraube erwartet und elektiv eine
kulären Bänder. Die Klavikula wird bis zur Insertionsstel- Materialentfernung geplant werden. Wegen der
le der korakoklavikulären Bänder um ca. 1,5 cm gekürzt. schmalen gekurvten Form des distalen Korakoids
Die laterale Klavikula wird präpariert durch Öffnung und sollte die Dissektion entlang der proximalen und
Glättung des Ausgangs des Markkanals. Ein weiteres Loch posterioren Kante verlaufen, um die dortige breitere
Basis für die Fixierung zu nutzen. Andernfalls be-
wird ein wenig proximal in die Oberseite der Klavikula
230 10 Verletzungen des Schultergürtels

a b

10

c d

Abb. 10.3 Formation des seitlichen Rands gezeigt, wobei der Verbands-
a Die a.–p. Aufnahme der Schulter zeigt mehrere Verletzun- clip die Darstellung einschränkt.
gen: eine laterale Klavikulafraktur (rechter Pfeil), eine Skapula- c A.–p. Röntgenaufnahme drei Monate nach Stabilisierung der
halsfraktur (linker Pfeil) und multiple Rippenfrakturen. laterale Klavikula und Skapulahalsfraktur. Die laterale Klavikula
b Die Y-Aufnahme der Skapula verdeutlicht die Luxation der wurde per Hakenplatte fixiert.
Klavikula (breiter Pfeil). Außerdem werden die Translation der d Postoperative Y-Aufnahme der Skapula zeigt die Wiederher-
lateralen Randfragmente (schmale Pfeile), die geringe Winkel- stellung des seitlichen Rands und des AC-Gelenks.
bildung zwischen diesen Fragmenten und die bajonettförmige

steht die Gefahr, dass das Korakoid beim Einbrringen Rehabilitation


der Schraube bricht. Alternativ kann die Stabilisie-
Die Patienten sollten nach der operativen AC-Gelenkbe-
rung bzw. Sicherung der Bandrekonstruktion auch
handlung 4 – 6 Wochen lang eine Schlinge tragen. In die-
durch Verwendung einer Hakenplatte, die jedoch
ser Zeit sollten passive bzw. frühfunktionelle Übungen
nach ca. 3 Monaten entfernt werden muss, erfol-
erfolgen, wobei die Abduktion auf 90° limitiert werden
gen.
sollte, da ab 90° Kraft auf das AC-Gelenk ausgeübt wird.
■ In der Schulterchirurgie sollte die Möglichkeit zur
lokalen Schmerzkontrolle, z. B. per interskalenärem Die Patienten sollten jedoch keine ziehenden, drücken-
Block, genutzt werden. Mittels Katheteranästhesie den oder ausholend greifenden Bewegungen ausführen.
können die ersten 1 – 2 Tage postoperativ gut über- Der aktive Bewegungsradius sollte von der sechsten post-
brückt werden, um auch eine frühe Physiotherapie operativen Woche an erweitert werden, stärkendes Trai-
zu ermöglichen. ning von der achten Woche an. Kontaktsportarten dürfen
nach 6 Monaten wieder aufgenommen werden (14).
Skapulafrakturen 231

Tab. 10.2 Ideberg-Klassifikation modifiziert durch Mayo et al.


Neue Techniken
(28).
Mit zunehmender Verbesserung der arthroskopischen Typ Beschreibung
Möglichkeiten kann die Rekonstruktion der korakoklavi-
I Transverse anteriore Glenoidfraktur
kulären Bänder auch unter arthroskopischer Kontrolle in
der sogenannten „Tight-Rope“-Technik erfolgen (71). II Transverse superiore Glenoidfraktur
Dabei wird unter arthroskopischer Darstellung ein III Transverse inferiore Glenoidfraktur
Endo-Button in das Korakoid eingebracht und an seinem IV Transverse durch den Körper verlaufende Fraktur
Unterrand fixiert. Der Bohrkanal für den Endo-Button
bzw. die daran befestigten Fäden wurde zuvor mithilfe V Transverse durch Körper und Glenoid verlaufende
Fraktur, kombiniert mit Korakoid-, Akromion- oder
eines Zielgeräts durch die laterale Klavikula und das Ko-
Halsfrakturen
rakoid gesetzt. Die an dem Endo-Button befestigten
Fäden (Fibre-Wire) werden nach Reposition der lateralen
Klavikula über einem zweiten Endo-Button verknotet,
der dem kranialen Anteil des Knochens direkt aufsitzt.
Diese Methode erspart dem Patienten den zweiten Ein- tel liegende Skapula, die außerdem sehr mobil am Thorax
griff zur Materialentfernung. Allerdings ist bisher nicht befestigt ist, zu brechen. In der Regel geben die umge-
eindeutig geklärt, ob diese Technik mit gleichen oder benden muskuloskeletalen Strukturen (proximaler Hu-
besseren Ergebnissen einhergeht und ob zur Verhin- merus, AC-Gelenk, Klavikula) zuerst nach (22).
derung eines Korrekturverlusts ein zweiter „Tight-Ro- Entsprechend treten Frakturen des Skapulahalses und
pe“-Zügel eingesetzt werden soll. -blatts üblicherweise nach direktem Hochenergietrauma
gegen den posterosuperioren und lateralen Oberkörper
auf. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass
Ergebnisse
ca. 90 % der Patienten Begleitverletzungen aufweisen
Die Prognose der Typ-I-Verletzungen ist bei konservati- (23, 24).
vem Vorgehen exzellent. Typ-II-Verletzungen haben eine
gut bis sehr gute Langzeitprognose (4). Ein kleiner Pro-
Klassifikation
zentsatz der Patienten, meist nach Typ-II-Verletzung, ent-
wickelt eine symptomatische AC-Gelenkarthrose und be- Wegen der Seltenheit dieser Verletzung gibt es nur we-
darf der distalen Klavikularesektion (4, 19). Sollte das nige anerkannte Klassifikationen für die Fraktur der Ska-
konservative Management scheitern, liefert eine arthro- pula. Sowohl die Klassifikation von Ada u. Miller (25) als
skopische oder offene Operation mit Resektion der dis- auch die Klassifikation von Hardegger et al. (26) sind 10
talen 1,5 – 2 cm Knochen in der Regel gute Ergebnisse (4). umfassend und anatomisch definiert.
Von Ideberg (27) und Mayo et al. (28) wurden Klassifi-
kationen speziell für intraartikuläre Glenoidfrakturen
Komplikationen
entwickelt. Die Ideberg-Klassifikation basiert auf 100
Operationsassoziierte Komplikationen umfassen das Glenoidfrakturen. Das Mayo-Schema erweitert die Ide-
Scheitern der Operation mit Instabilität, wiederkehren- berg-Klassifikation um die Bildgebungs- und Operations-
dem Hochstand der lateralen Klavikula und Schmerzen. befunde von 27 intraartikulären Glenoidfrakturen
Implantatversagen und Repositionsverlust treten bei (Tab. 10.2). Mayo et al. beabsichtigten, eine Klassifikation
jeder Art von OP-Methode auf. Beschrieben sind: mit direktem Einfluss auf das chirurgische Procedere zu
■ Wanderung der Kirschner-Drähte, schaffen. Daher werden die häufig als Begleitverletzun-
■ Auslockerung der korakoklavikulären Schrauben, gen auftretenden Frakturen der Skapula, des Akromions
■ Ausschneiden des Nahtmaterials durch die laterale Kla- und des Korakoids mit in Betracht gezogen. Dieser Ansatz
vikula oder das Korakoid, hat sich in der Versorgung der Glenoidfrakturen bewährt.
■ Erosion und ggf. Fraktur des Akromions bei der Haken- Die OTA-Klassifikation (Orthopaedic Trauma Associa-
platte. tion) verwendet ein alphanumerisches System zur Klas-
sifikation sowohl der intra- als auch der extraartikulären
Varianten. Der Hauptschwachpunkt der OTA-Klassifikati-
Skapulafrakturen on liegt darin, dass sie entwickelt wurde, ohne definierte
Verletzungsmuster mit Behandlungsmöglichkeiten oder
Frakturen der Skapula machen 3 – 5 % der Frakturen des -ergebnissen zu korrelieren.
Schultergürtels (2 – 26) bzw. laut einer Übersicht von
Wilson (21) an 4390 Fällen im Jahr 1938 weniger als 1 %
aller Frakturen aus. Eine Skapulafraktur beweist das Vor-
liegen eines sehr starken Traumas. Große Krafteinwir-
kung ist notwendig, um die in ihrem dicken Muskelman-
232 10 Verletzungen des Schultergürtels

„abgekoppeltem“ oder zertrümmertem Seitenrand zu


Klinische Beurteilung
einer verstärkten Abkippung und Medialisierung in den
In der Akutsituation wird nach typischen Begleitverlet- ersten 2 – 3 Wochen (Abb. 10.5).
zungen, insbesondere zum Ausschluss lebensgefährlicher
Traumen, gefahndet. Die Untersuchung findet am entklei-
Konservative Behandlung
deten Patienten statt. Besonders ist auf eine Medialisie-
rung oder Absenkung der betroffenen Seite zu achten. Indikationen für die konservative Behandlung
Häufig ist die Verschiebung auffällig und entstellend.
Die Deformität entspricht in der Regel auch dem Grad In der Vergangenheit wurde die Fraktur der Skapula in
der Medialisierung, womit sich bereits ein wichtiger Hin- der Regel konservativ behandelt, möglicherweise auf-
weis auf eine Operationsindikation gewinnen lässt. grund der spärlichen Informationen hinsichtlich der Er-
Verletzungen des Schultergürtels gehen häufig mit Ge- gebnisse oder auch wegen der relativ geringen Erfahrung
fäß-Nerven-Läsionen einher. Daher müssen die Funktion in der Behandlung dieser Verletzungen (28). Selbstver-
des Plexus brachials und die periphere Durchblutung ge- ständlich sollten isolierte und minimal dislozierte Skapu-
nauestens überprüft werden. Bei einer Skapulafraktur lafrakturen konservativ behandelt werden. Zur Therapie
liegt in 13 % der Patienten eine Plexusläsion vor (28). gehören Symptomkontrolle und Schmerzreduktion. In
Die Nn. suprascapulares und axillaris sind besonders ge- der Tat kann das extrem bewegliche Schultergelenk
fährdet (Abb. 10.4). In der Regel ist es zwar wegen der einen gewissen Grad an Verschiebung tolerieren, wobei
Schmerzen und Bewegungseinschränkung durch die deren genaue Grenzen in klinischen Studien nicht ein-
Fraktur unmöglich ihre motorische Funktion zu testen, deutig definiert werden konnten. Nach Wiedererlangen
die Sensibilität im Bereich des N. axillaris sollte jedoch der Beweglichkeit nach 4 – 6 Wochen konzentriert sich
unbedingt dokumentiert werden. Abschürfungen im Be- die Behandlung auf eine Rehabilitation der Rotatoren-
reich der Skapula und des Akromions sind häufig, wes- manschette und Stärkung der paraskapulären Muskula-
halb der Hautzustand für die Operationsplanung auch tur. Da mehr als 90 % aller Skapulafrakturen nur minimal
mit in Betracht gezogen werden sollte. disloziert sind (29), werden folglich die meisten konser-
Zur radiologischen Dokumentation einer möglichen vativ behandelt (24, 25, 30 – 40).
Wanderung der Frakturfragmente in den ersten Wochen
können regelmäßige Röntgenkontrollen erfolgen. Gemäß
den Erfahrungen der Autoren kommt es besonders bei

10

a b

Abb. 10.4 b Ob traumatisch oder operativ bedingt ist eine Läsion des N.
a Klinisches Foto eines Patienten 3 Jahre nach offener Fraktur- suprascapularis bei dislozierten Frakturvarianten wie bei der
versorgung mit innerer Fixation einer Ideberg-IV-Fraktur. Beach- hier gezeigten modifizierten Ideberg-V-Variante häufiger. Hier-
te die Atrophie des M. infraspinatus. Postoperativ stellte sich in bei zieht die Fraktur bis in die supraglenoidale Kerbe, wie in der
der Elektromyografie und bei der Untersuchung der Nervenleit- dreidimensionalen CT-Rekonstruktion dargestellt. Der Pfeil
geschwindigkeit eine Schädigung des N. suprascapularis he- zeigt den kritischen Bereich des Austritts des Gefäß-Nerven-
raus. Bündels unterhalb des Akromions. Bei dieser Art von Fraktur
sollte 2 Wochen nach der Verletzung eine neurologische Kon-
trolluntersuchung erfolgen.
Skapulafrakturen 233

a b

Abb. 10.5 b A.–p. Röntgenbild nach einer Woche. Eine signifikante Ver-
a A.–p.Aufnahme einer Schulter mit der Darstellung einer Ska- änderung ist trotz der Immobilisierung eingetreten. Der Pa-
pulahalsfraktur und gleichseitigen Klavikulafraktur (Pfeile) kurz tient beklagte stärkere Schmerzen und ein verstärktes Absen-
nach der Verletzung. Die Klavikula ist nicht verkürzt. Ebenso ken der Schulter. Beachte die vermehrte Verkürzung der Klavi-
erscheint das Glenoid nicht wesentlich medialisiert. Aus diesen kula, die stärkere Absenkung und mediale Versetzung des Gle-
Gründen wurde zunächst ein konservatives Vorgehen gewählt. noids (obere und untere Pfeile). Die Rippen waren ebenfalls
stärker verschoben (mittlerer Pfeil). Der Patient entschied sich
zur Operation.

Repositions- und Verbandstechniken, Indikationen zur chirurgischen Intervention


funktionaler Stützverband
Anmerkung: Der Übersetzer hat mit dem unten beschrie-
Die Fraktur der Skapula kann durch keine bekannten Re- benen sehr offensiven Vorgehen in Bezug auf das
positions- oder Verbandstechniken, auch nicht durch Skapulablatt ein Problem. In der eigenen Klinik erfolgen
Stützverbände zur Ausheilung gebracht werden. Rekonstruktionen am Skapulablatt nur bei Beteiligung 10
des Glenoids. Die „Floating Shoulder“ stabilisieren wir
Rehabilitation sonst im Wesentlichen durch Osteosynthese der beglei-
tenden Klavikulafraktur.
Die konservative Behandlung der Skapulafraktur beginnt Eine klare Indikation zur Operation besteht bei der um
mit einer 2-wöchigen Immobilisierung in einer Arm- > 2 – 4 mm dislozierten Fraktur durch das Glenoid. Zur
schlinge. Dabei sollte zu aktiver Bewegung des Ellbogens Prävention einer Subluxation des Humeruskopfs, einer
und des Handgelenks ermuntert werden, um die Schwel- frühen Arthrose und eines schlechten Gesamtergebnisses
lung abzubauen und einer Versteifung vorzubeugen. Im sollte eine offene Osteosynthese vorgenommen werden.
Anschluss beginnt eine Phase der passiven Bewegungs- Frakturen des Skapulahalses können operativ versorgt
übung mit fortschreitender Steigerung bis zur vollen Be- werden, sobald die resultierende Dislokation oder Abkip-
weglichkeit, immer soweit es die Symptomatik erlaubt. pung die periskapuläre Muskulatur zu stark in der Funk-
Anfangs sind Pendelübungen zu empfehlen, alle weiteren tion behindert. Miller u. Ada empfehlen eine offene Os-
passiven Bewegungsübungen sollten unter physiothera- teosynthese, wenn das Glenoid > 9 mm nach medial dis-
peutischer Anleitung ausgeführt werden. Die gesunde Ex- loziert ist oder ein Abkippwinkel von > 40° vorliegt (33).
tremität sollte in die Übungen mit einbezogen werden. Wir selbst empfehlen, bei einer Dislokation von mehr als
Frakturen der Skapula heilen wegen der guten Blutver- 15 mm oder einer Winkelbildung von mehr als 25° eine
sorgung schnell. Daher kann die aktive Bewegungsübung Operation zu erwägen.
nach 4 Wochen begonnen und schnell gesteigert werden. Auch die doppelte Zerreißung der oberen Schulterauf-
Übungen gegen Widerstand starten nach 8 Wochen, und hängung (Superior Shoulder Suspensory Complex, SSSC)
alle Verbote (auch das Heben betreffend) werden je nach gehört zu den Operationsindikationen bei Skapulafraktur.
Symptomatik nach 3 Monaten aufgehoben. Das SSSC wird von einem teils knöchernen, teils binde-
gewebigen Ring aus Glenoid, Korakoid, Akromionfortsatz,
dem AC-Gelenk und den korakoklavikulären Bändern ge-
bildet. Die obere Strebe ist die mittlere Klavikula, die
untere die laterale Skapula.
234 10 Verletzungen des Schultergürtels

a b

10
c d

Abb. 10.6 a – f

e
Skapulafrakturen 235

◀ Abb. 10.6
a Dreidimensionale CT-Rekonstruktion der Skapula eines 52-
jährigen Patienten nach Autounfall. Er hatte dislozierte Rippen-
frakturen, Frakturen der linken Klavikula, des proximalen Hu-
merus und des Skapulahalses. Das Glenoid war um ca. 15 mm
nach medial verschoben. Die Pfeile weisen auf die frakturierte
obere Skapula.
b Seitliche 3D-CT-Rekonstruktion der Schulter desselben Pa-
tienten mit einer Drehung von ca. 15° zur Koronarebene an
der seitlichen Kante, verdeutlicht durch die schwarzen Linien.
c Ein Übersichtsbild der Brust inklusive beider Schultern dient
zur Beurteilung einer möglichen Asymmetrie. Man beachte die
auffällige Medialisierung des linken Schultergürtels über meh-
reren Rippenfrakturen. Außerdem kommt das linke Glenoid
deutlich tiefer zu Darstellung (rechte und linke Pfeile), ein ty-
pisches Zeichen bei der „floating shoulder“. Die Verletzung
wird wegen der ipsilateralen Klavikulafraktur als „floating shoul- a
der“ (vertikaler Pfeil) bezeichnet.
d Operative Rekonstruktion aller Frakturen. Die a.–p. Röntgen-
aufnahme 6 Monate postoperativ zeigt die Heilung der Skapula
und des Humerus bei liegenden Implantaten.
e Y-Darstellung der Skapula 6 Monate postoperativ. Ein retro-
grader Humerusnagel stabilisiert die proximale Humerusfrak-
tur, sodass beide Operationen in Seitenlage ausgeführt werden
konnten.
f Die Axillaransicht der Schulter zeigt die anatomische Reposi-
tion des Humeruskopfs und bestätigt die extraartikuläre Im-
plantatlage. 2 Jahre später war die Schulter um 165° nach
ventral flektierbar, 40° nach außen rotierbar und symmetrisch
in Innenrotation und Abduktion. Maximale Kraft- und Ausdau-
ertests waren nahezu identisch, obwohl der DASH-Score nach 6
Monaten nur 43 betrug.

b
Verletzungen mindestens zweier dieser Strukturen de- 10
Abb. 10.7
stabilisieren theoretisch die Schulter mit der Folge einer
a A.–p. Aufnahme der Schulter einer 72-jährigen Patientin.
„floating shoulder“. Daher erscheint die Stabilisierung Dreifragmentfraktur des proximalen Humerus mit begleitender
einer der beiden oder beider Verletzungen geraten, um vorderer Glenoidfraktur (siehe Pfeil). Weder Y-Aufnahme der
die Integrität der SSSC und damit die stabile Verbindung Skapula noch Axillaransicht zeigten das Fragment deutlich.
zwischen Thorax und oberer Extremität sowie die sichere b Im CT zeigt sich eine Länge des Fragments von 3 cm. Der
Verankerung der vielen an der Schulterfunktion beteilig- Pfeil weist auf die Glenoidfraktur, die auf diesem koronaren
Rekonstruktionsbild zu sehen ist. Da ein deltopektoraler Zu-
ten Weichteilstrukturen wiederherzustellen (41).
gang für die Versorgung der Humerusfraktur erforderlich war,
Die Kombination einer Skapulahalsfraktur mit ipsilate- wurde die Glenoidfraktur über diesen Zugang mitversorgt (s.
raler Klavikulafraktur ist eine kontroverse Indikation für Abb. 10.22).
chirurgisches Vorgehen. Im Allgemeinen handhaben die
Autoren diese Doppelverletzung per Osteosynthese mit
dem Ziel einer Rekonstruktion des SSSC, sofern die Klavi-
kulafraktur oder AC-Gelenksprengung allein bereits ope- genbild der verletzten Schulter ist häufig nicht ausrei-
riert werden müsste (z. B. bei Typ-IV-AC-Gelenkluxation chend, da das Glenoid deutlich versetzt und abgewinkelt
oder medialer Klavikulaabkippung um > 2 cm). Zusätzlich sein kann, wodurch das glenohumeralen Gelenk nicht im
zur Versorgung der Klavikula oder des AC-Gelenks kann Sinne eines „wahren“ a.–p. Bilds senkrecht zur Normebe-
bei Vorliegen der chirurgischen Indikation, wie oben dis- ne der Skapula abgebildet wird. Eine saubere Sicht durch
kutiert, die Skapula rekonstruiert werden; also bei das glenohumerale Gelenk wird in der Regel als Kriteri-
15 mm Medialisierung oder 25° Winkeldeformität, um um für ein korrektes a.–p. Bild gefordert.
die biomechanische Funktion des glenohumeralen Ge- Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass die fol-
lenks wiederherzustellen (Abb. 10.6 a, Abb. 10.6 b). Der genden Indikationen zur osteosynthetischen Versorgung
Autor verwendet dazu ein a.–p. Röntgenbild der gegen- extraskapulärer Frakturen bestehen:
seitigen Schulter und ein CT, um diese Entscheidungen zu ■ vollständige (100 %) Translation des Seitenrands der

treffen. Ein Röntgenbild des Thorax kann zusätzlich hin- Skapula,


zugezogen werden (Abb. 10.6 c). Ein einfaches a.–p. Rönt-
236 10 Verletzungen des Schultergürtels

■ 25° Winkeldeformität des Glenoids in der Semikoro- Operative Behandlung


narebene (in der Y-Ansicht der Skapula erkennbar),
■ 15 mm Medialisierung des Glenoids. Anatomie
Die Skapula ähnelt einem platten Dreieck mit dünnem,
Diese Kriterien sind jedoch nicht absolut, sondern müs- durchscheinendem Körper und stark aufgeworfenen Rän-
sen immer im Zusammenhang mit dem Patientenalter, dern, die für eine Reihe von Muskeln als Ursprung und
der Aktivitätsanforderung und der Seitendominanz gese- Ansatz dienen. Bei Frakturen sind die typischen Land-
hen werden (Abb. 10.6 d, Abb. 10.6 e, Abb. 10.6 f). Andere marken schwerer auszumachen, da sie durch Muskelzug-
extraartikuläre Frakturen mit Operationsindikation sind kräfte in unterschiedliche Richtungen verlagert werden
dislozierte Frakturen der Spina scapulae, des Korakoids (Abb. 10.8). Die Spina scapulae unterteilt die Skapula ho-
und des Akromions. Letztere haben eine schlechte Hei- rizontal. Die Fossa supraspinata kommt kranial, die Fossa
lungsprognose bei konservativer Behandlung (30, 31, 33, infraspinata kaudal der Spina zu liegen. Die Fossae dienen
35 – 37). den gleichnamigen Muskeln als Ursprung (Abb. 10.9). Aus
Intraartikuläre Frakturen sollten bei einer Stufe von der breiten konkaven Vorderseite entspringt der M. sub-
mindestens 4 mm, bei Beteiligung von > 20 % der Gelenk- scapularis.
fläche oder bei resultierender Instabilität des Humerus- Die Spina scapulae endet lateral als Akromion, welches
kopfs operativ versorgt werden (Abb. 10.7). wiederum bogenförrmig über den Humeruskopf reicht,
von dem es durch die Rotatorenmanschette und die sub-
akromiale Bursa getrennt ist. Zusammen mit der Klavi-

Korakoid

Humeruskopf

Akromion

10

Akromion
Korakoid
b
a
Spin
Humeruskopf Abb. 10.8
a Ein typisches Verletzungsmuster bei extraartikulärer Ska-
pulafraktur. Die primäre Frakturlinie recht vom Seitenrand
ina
Sp zum Innenrand und / oder zum Grat des Akromions. Selte-
ner verläuft die primäre Frakturlinie vom Seitenrand direkt
hinauf durch die Einkerbung des Glenoids. Die untere Illus-
tration zeigt die Medialverschiebung des Glenoids relativ
zum Fragment des Corpus scapulae. Bei der Operation wird
typischerweise eine große Stufe an der Seite der Skapula
gefunden. In der Ansicht von oben (Blick hinunter auf die
Oberfläche) wird mit dem gebogenen Pfeil die typische
Anteversionsdeformität des Skapulahalses dargestellt.
b Eine dreidimensionale CT-Rekonstruktion der Skapula
von der Innenseite aus gesehen. Dieser Patient zeigt dass
typische Verletzungsmuster wie in Abb. 10.8 a dargestellt.
Beachte die charakteristische Anteversion des Glenohu-
meralgelenks in Relation zum Skapulakörper. Dieser Fall
weist also nicht nur eine Winkeldeformität, sondern auch
a eine Rotationsfehlstellung des Skapulahalses (siehe gebo-
genen Pfeil).
Skapulafrakturen 237

Abb. 10.9 Durch die Störung des


s Spina scapulae
ziu dynamischen Gleichgewichts der
ape anterior Akromion Muskelkräfte werden die individu-
. tr
M ellen Fragmente in bisher nicht
eindeutig zugeordneter Weise ver-
M. supraspinatus
schoben. Diese Darstellung zeigt
unter
den Muskelmantel der gebroche-
M. trapezius
nen Skapula, um die möglichen
Spina scapulae Fragmentverschiebungen zu ver-
M. deltoideus
medialis anschaulichen. Weitere, hier nicht
dargestellte Muskeln sind der M.
levator scapulae, welcher am su-
peromedialen Winkel ansetzt,
sowie die Mm. rhomboides major
und minor, welche am Innenrand
M. infraspinatus ansetzen. Der M. latissimus dorsi
(nicht abgebildet) verstärkt die
Medialisierung und Absenkung des
Glenoids indirekt durch Zug am
proximalen Humerus. Beachte wie
die Muskelzüge die Fragmente
verschieben können.
M. teres minor

M. teres major

kula dient das Akromion als Ursprung des M. deltoideus. Rand umgeben ist, welcher oberhalb, am supragleno-
Der M. trapezius entspringt ebenfalls am Akromion und idalen Tuberkel, mit der langen Bizepssehne verwächst. 10
der Vorderseite der Skapula. Am medialen Rand der Ska- Diese zirkuläre, randständige Lippe vergrößert die
pula liegt der Ansatz des M. serratus anterior, welcher Breite des Glenoids um 50 % (38). Die Fossa glenoidalis
während der Vorwärtsbewegung, und der Mm. rhombo- misst ca. 39 mm in superioinferiorer Richtung und
idei, die während der Rückwärtsbewegung der Skapula 29 mm in anterioposteriorer Richtung in der unteren
aktiv sind. Der M. levator scapulae inseriert an der obe- Hälfte, welche wiederum 20 % breiter ist als die obere
ren medialen Kante der Skapula und ist nach seiner he- Hälfte (39). Die Skapula ist Teil des oberen Schultersus-
benden Funktion benannt. Die seitliche Kante der Skapu- pensoriums, welches die obere Extremität an der Klavi-
la schwingt sich vom unteren Winkel hinauf und bildet kula mit dem Rumpf verbindet. 18 Muskelursprünge und
eine dicke Knochenformation, die im Hals der Skapula Ansätze an der Skapula (33) unterstützen ihre Funktion,
endet. Von der Seitenkante entspringen die Mm. teres eine stabile Basis für die glenohumerale Bewegung zu
major und minor, während dort am Hals der lange Kopf bieten (40).
des M. triceps und in der unteren Ecke ein Teil des M.
latissimus dorsi ansetzen. Der Processus coracoideus (Ko- Operationstechniken
rakoid) ist ein gebogener knöcherner Fortsatz medial des
vorderen Halses der Skapula. Er dient als Ursprung der Wichtig bei der Entscheidung für den richtigen Zugang ist
korakoklavikulären und akromialen Bänder sowie für den eine optimale Frakturexposition, eine Minimierung der
M. coracobrachialis, den kurzen Kopf des M. triceps und Begleitschädigung und die Berücksichtigung und Kennt-
den M. pectoralis minor. Knapp oberhalb des Korakoids, nis der biologischen Heilungsprozesse (42). Die meisten
am oberen Ende der Skapula, liegt die Incisura scapulae. Skapulafrakturen sind am besten vom hinteren Zugang
Dort zieht das transverse Skapulaband hindurch. Über nach Judet oder dem vorderen deltopektoralen Zugang
dem Band liegt die A. suprascapularis, unter ihm der aus erreichbar.
gleichnamige Nerv.
Am Seitenrand der Skapula liegt die birnenförmige
Fossa glenoidalis, die von einem fibrokartilaginären
238 10 Verletzungen des Schultergürtels

Hinterer Zugang Der hintere Zugang nach Judet wird unter Berücksich-
tigung dieser Landmarken angelegt. Der horizontale
Lagerung. Zunächst erfolgt die Lagerung in der lateralen Schenkel liegt 1 cm kaudal (distal) der akromialen Spina,
Dekubitus-Position, mit leicht verstärkter Vorneigung, der vertikale Schenkel 1 cm lateral des medialen Rands.
um einen optimalen Zugang zur hinteren Schulter zu er- Diese Ausrichtung platziert die Narbe wegen der bessern
möglichen. Eine Achselrolle wird eingelegt. Armstützen, Plattendeckung nicht direkt auf den prominenten knö-
Tücher oder speziell geformte Positionskissen halten den chernen Rand. Außerdem hat der etwas dünnere Ge-
Arm optimalerweise in 90° (Vor-)Beugung und leichter webslappen eine Retraktionsmöglichkeit nach lateral.
Abduktion (Abb. 10.10; Video 10-2, DVD 2). Die gesamte Die Inzision reicht durch das Subkutangewebe direkt
obere Extremität mitsamt dem seitlichen Rumpf wird auf den knöchernen Rand der akromialen Spina, die ge-
großzügig vorbereitet und abgedeckt, um bei der Opera- samte Strecke um den oberen medialen Winkel herum
tion einen freien Zugang zur Schulter zu ermöglichen. bis hinab, den medialen vertrebralen Rand entlang. Im
Hinblick auf den Zugang zur lateralen Skapula muss
Inzisionen. Die hintere Schulter ist durch einen Mantel eine großzügige Inzision mit einem großen Gewebelap-
aus Muskeln der Rotatorenmanschette und Teilen des pen angelegt werden. Der Faszienschnitt entlang der
M. deltoideus eingehüllt. Die Landmarken akromiale akromialen Spina und des medialen Rands sollte eine
Spina und seitlicher Rand der Skapula müssen sorgfältig
Manschette hinterlassen, die beim Verschluss der Inzision
abgetastet werden. Das prominente posterolaterale Akro-
eine stabile Annaht an den knöchernen Ursprung ermög-
mion wird zuerst aufgesucht, nach medial zum supero- licht.
medialen Winkel der Skapula und danach kaudalwärts
entlang dem medialen Rand der Skapula verfolgt. Es ist Größe des Zugangs. An dieser Stelle hängt das weitere
besonders hilfreich, die Skapula per Vor- und Zurück- Vorgehen davon ab, ob eine limitierte oder komplette
bewegung des Armes vor- und zurückzuschieben, um Freilegung der hinteren Skapula erforderlich ist (s. Tipps
die skapulothorakale Exkursion für die genaue Lagebe- und Tricks). Eingeschränkte Operationsfenster ermögli-
stimmung zu nutzen. Diese indirekte Manipulation er- chen einen Zugang zu speziellen Frakturabschnitten ein-
laubt eine bessere Palpation der medialen Seite. Beachte, schließlich des seitlichen Rands, der akromialen Spina
dass die Inzision einen spitzen Winkel an der superome- und des medialen Rands (Video 10-2, DVD 2). Der exten-
dialen Ecke der Skapula erzeugt. sive Zugang wiederum legt die gesamte hintere Skapula
frei. Dies bedeutet jedoch nicht, dass mit dem extensiven
Zugang die Skapula komplett devitalisiert würde. Der ge-
samte M. subscapularis bleibt erhalten. Des Weiteren
10 wird keine Gefäßebene durchschnitten, da der Zugang
einen Gewebelappen im Bereich des Gefäß-Nerven-Bün-
dels der A. suprascapularis impliziert. Aufgrund der Res-
pektierung der Versorgungsbiologie bei dem großen Zu-
gang gab es im Krankengut der Autoren keine Komplika-
tionen bei der Knochenheilung der in 50 von 100 Fällen
per extensivem Zugang versorgten Skapulafrakturen.
Begrenzte Fenster werden im Bereich der hinteren Ska-
pula je nach Erfordernis der jeweiligen Fraktur angelegt.
Die eröffnete Muskelschicht seitlich der Akromionkante
liegt zwischen dem M. trapezius, der an der Oberkante
entspringt (wird nicht geschädigt) und dem M. delto-
ideus, welcher an der unteren Kante entspringt und ge-
hoben wird. Der M. deltoideus wird im Anschluss vom
muskulären Ursprung des M. infraspinatus gelöst und
für die spätere Wiederanheftung markiert (Abb. 10.11).
Abb. 10.10 Dieses präoperative Foto zeigt die Lagerung des Durch einen Langenbeck-Haken wird der M. infraspinatus
Patienten für den hinteren Zugang zur Skapula. Der Patient von seinem Ursprung in der Fossa abgehoben, entweder
liegt in der lateralen Dekubitus-Position mit leichter Vorbeu- in der Nähe des akromialen Oberrands oder an der me-
gung, die Abdeckung ermöglicht einen freien Zugang zum dialen Seite (Abb. 10.12).
Arm. Ziel ist ein breites Operationsfeld mit freier Beweglichkeit An der medialen Seite der Skapula verläuft die Muskel-
zur optimalen Frakturreposition und eventuellen späteren Lö-
grenzschicht zwischen M. infraspinatus und Mm. rhom-
sung von Adhäsionen. Die hier vorliegende Luxation des AC-
Gelenks wird in der Hautzeichnung nachvollziehbar (Pfeil). boidei (werden nicht geschädigt), die zur Retraktion der
Das glenohumerale Gelenk ist bei diesem Frakturmuster sehr Skapula führen.
tiefstehend. Eine sorgfältige Palpation mit Aufzeichnung der Das wichtigste Fenster liegt zwischen den Mm. infra-
Strukturen auf der Haut hilft bei der Planung der Inzision sehr. spinatus und teres minor. Es ist für den Zugang zur late-
Skapulafrakturen 239

Abb. 10.11 Die hintere Schultermuskulatur nach


Hautinzision und Dissektion des Subkutangewebes
subkutane Faszie und des M. deltoideus von der akromialen Spina und
Schicht M. deltoideus des medialen Randes. Dieser Zugang wird gewählt,
Spina scapulae Akromion wenn der laterale Rand durch den Raum zwischen den
Mm. infraspinatus und teres minor erreicht werden soll
(s. Abb. 10.13 a). Wenn der gesamte Muskelmantel
aus der Fossa infraspinata gehoben werden soll, ist
eine gemeinsame Dissektion des subkutanen Gewebes
m und des M. deltoideus anzuraten (s. Abb. 10.14 und
de
ber atus Abb. 10.15 a – e). Wird ein einzelner muskulokutaner
ü n
zie spi or Lappen gehoben, wird die hintere Kapselspaltung un-
Fas infra m
in
. es möglich und damit die Einschätzung des intraartikulä-
M
er ren Schadens, da der dicke Lappen die Seitverschie-
.t
M bung und damit die Sicht behindert.
M. deltoideus
r

Fett
ajo
sm
re
te
M.

Faszie
M. deltoideus

um den Zwischenraum zwischen den beiden richtig ein-


schätzen zu können. Der Verlauf der Muskelfasern vari-
iert ein wenig, und ihre Charakteristika sind etwas ver- 10
schieden. Beginnt man zu weit superior, ist die teilweise
Denervierung des M. infraspinatus unausweichlich. Be-
ginnt man zu weit inferior, sind der N. axillaris und die
A. circumflexa humeri posterior in der lateralen Achsel-
lücke gefährdet. Sobald dieser wichtige Spalt eröffnet ist,
kann die laterale Skapula erreicht werden und die Fehl-
stellung des Glenoids korrigiert und per Osteosynthese
versorgt werden. Man beachte, dass diese beiden Zwi-
schenräume an der medialen und der lateralen Kante
auch durch eine gerade Inzision erreicht werden können
(Abb. 10.13 a). Die gerade Inzision kann bei der einfachen
mediolateralen Skapulafraktur verwendet werden oder
auch bei isolierter hinterer Glenoidfraktur. Wenn die Ge-
lenkoberfläche des Glenoids überprüft werden muss,
Abb. 10.12 Auf dem intraoperativen Foto zeigt sich die He- kann eine vertikale Kapsulotomie gesetzt werden, bei
bung des M. infraspinatus vom oberen medialen Winkel der
der eine Manschette an der glenoiden Seite des glenohu-
Skapula an der medialen Kante. Die hintere Inzision nach
Judet ist bereits erfolgt. Auch ist der M. deltoideus von der meralen Gelenks stehen gelassen wird, um den Ver-
Rotatorenmanschette abgelöst worden, um eine Reposition schluss zu ermöglichen (Abb. 10.13 b).
und Osteosynthese zu ermöglichen. Beachte die Verschiebung Ein extensiverer Zugang schließt die Hebung der Mm.
der Fraktur auf einer Strecke von 4 cm, siehe Pfeile. infraspinatus, teres minor und deltoideus von ihrem Ur-
sprung als einem gemeinsamen muskulokutanen Lappen
ein. Dabei wird allerdings die Gefahr der Devitalisierung
ralen Skapula und bei Bedarf zum glenohumeralen Ge- größer und die Sicht auf das Gelenk schlechter
lenk vonnöten (Video 10-2, DVD 2). Die Faszien dieser (Abb. 10.14). Wichtig ist die Reinsertion der Muskeln
Muskeln müssen früh sehr genau erkennbar werden, durch ein Bohrloch am Ende der Operation.
240 10 Verletzungen des Schultergürtels

Sehne M. infraspinatus

Klavikula
Akromion

M. infraspinatus

Kapsel

Sehne M. teres minor

M. deltoideus
M. teres minor

10 2,7 mm
Rekonstruktionsplatte

2,0 mm

2,7 mm
dynamische
Rekonstruktionsplatte

Abb. 10.13 Gelenkfrakturen verwendet. Größere Rekonstruktionsplatten


a Hier wird der Zugang im muskulären Raum zwischen den (2,7 mm) kommen an der Basis des Akromions zum Einsatz.
Mm. infraspinatus und teres minor dargestellt. Nach gerader b Einführen eines Fukuda-Retraktors durch eine hintere Kapsu-
Hautinzision werden lateraler Rand, Skapulahals und Basis des lotomie in das glenohumerale Gelenk zur Retraktion des Hume-
Akromions freigelegt. Dieser Zugang ist für relativ frische, we- ruskopfs und zur besseren Übersicht über die glenoide Fossa.
nige Tage alte Frakturen geeignet, wenn die Reposition ein-
facher ist. Minifragmentplatten (2,0 mm) werden für kleinere

Repositionstechnik. Die laterale Kante der Skapula und und T-Griff werden für die Ausrichtung der wichtigsten
der Hals des Glenoids weisen die beste Knochenqualität Fragmente benutzt, sollten aber die bevorzugte Plattenla-
auf, weshalb bevorzugt dort die manuellen Repositions- ge nicht behindern (Abb. 10.15 c; Video 10-2, DVD 2). Im
manöver und die Osteosynthese erfolgen sollten Allgemeinen wird zumindest eine 2,7-mm-Platte entlang
(Abb. 10.15 a, Abb. 10.15 b). Schanz-Schrauben (4 mm) der lateralen Kante angelegt, um Frakturen in dieser Re-
gion zu stabilisieren (Abb. 10.15 d).
Skapulafrakturen 241

Nach erfolgter Reposition zeigt sich, ob diese stabil ist mion zur perfekten Reposition als Vorbereitung zur Plat-
oder zur Osteosynthese gehalten werden muss. Ist die tenanlage (s. Abb. 10.14).
Reposition bei Entfernung der Schanz-Schrauben nicht
stabil, können kleine Knochenrepositionsklammern ein- Wahl des Implantats. Im Allgemeinen sind 2,7-mm-
gesetzt werden (Abb. 10.15 e). Ist die Reposition immer Niedrigprofilplatten am besten geeignet und stabil
noch nicht stabil, kann etwas medial mithilfe eines Assis- genug für die Platzierung an der Skapulakante. Größere
tenten eine provisorische Plattenosteosynthese zur Sta- 3,5-mm-Platten bieten nicht so viele Fixierungspunkte,
bilisierung der medialen Kante erfolgen, selbstver- sind schwerer zu biegen und zu prominent für die Ver-
ständlich außerhalb der definitiven Anlage einer dyna- wendung entlang der akromialen und medialen Ränder.
mischen Kompressionsplatte von 2,7 mm (Abb. 10.3 c, Weil die Seitenkante den größten Kräften ausgesetzt
Abb. 10.15 d). ist, sollte hier eine dynamische Kompressionsplatte ver-
Ist die Fraktur stark verschoben und sind die deformie- wendet werden (Abb. 10.16). Normalerweise ist keine
renden Kräfte schwer zu überwinden, kann ein Kleinfrag- Biegung zur Einpassung der Platte erforderlich. Zur Ver-
ment-Fixateur-externe an dieser Stelle eingesetzt wer- sorgung einer einfachen Fraktur sollten 4 Schrauben dis-
den, um die Reposition der lateralen Kante zu halten. tal und mindestens 3 Schrauben proximal in den Skapu-
Es kann vorkommen, dass die Reposition der Seiten- lahals eingebracht werden.
kante durch andere Frakturlinien in der Skapula behin- Auf der anderen Seite sind zur Versorgung der akro-
dert wird. Ist dies der Fall, sollte eine anatomische Repo- mialen und medialen Seiten der Skapula 2,7-mm-Rekon-
sition dieser zusätzlichen Frakturen mit einem Zugang zu struktionsplatten stark genug. Überdies sind diese Platten
der akromialen Spina oder der medialen Kante je nach zur Anpassung an die superomediale Kante besser kon-
Erfordernis erfolgen, wo andere Möglichkeiten der Osteo- turierbar, wo die Platte oft 2 Frakturlinien überbrücken
synthese bestehen. Oft führt eine Kombination aus Klam- muss (Abb. 10.16). Da sie in 3 Ebenen gebogen werden
mern an der lateralen und medialen Kante und am Akro- muss, ist die perfekte Anpassung der Platte in den supe-
romedialen Winkel sehr schwierig (Abb. 10.17); man

Abb. 10.14 Beim extensiven Zugang


werden die Mm. infraspinatus, teres
minor und deltoideus als gemeinsamer
muskulokutaner Lappen von ihren Ur-
N. suprascapularis Akromion
sprüngen gelöst. Dies birgt eine grö-
u. Gefäße ßere Gefahr der Devitalisierung und
schränkt überdies die Sicht auf die in- 10
Faszienhülle traartikuläre glenoidale Gelenkfläche
ein.

Frakturlinie

M. deltoideus
infraspinator
und M. teres minor

Schanz-Schraube

M. teres major
242 10 Verletzungen des Schultergürtels

a b

d
c
10
Abb. 10.15
a Intraoperative Fotografie des hinteren Zugangs nach der An-
lage zweier Schanz-Schrauben. Eine der beiden Schrauben be-
findet sich im proximalen Fragment des glenoidalen Halses, die
andere im distalen lateralen Kantenfragment. 4-mm-Schanz-
Schrauben sind für diese Fragmente optimal geeignet. Für grö-
ßere Repositionskräfte sind sie jedoch nicht stark genug. Ein T-
Griff wird auf die Schrauben aufgesetzt, um sie in der perfek-
ten Position in das Fragment einbringen zu können. Ein Ham-
mergriff zwischen den Schanz-Schrauben dient als Hebel zur
Lockerung eventuell vorhandener Kontrakturen und Lösung
verkeilter Fragmente. Dies ist ein sinnvolles Manöver in Fällen,
wo die Operation um drei oder mehr Wochen verschoben wur-
de.
b 3D-CT-Rekonstruktion einer Typ-IV-Ideberg-Fraktur nach
Sturz mit dem Snowmobil bei einem 34-jährigen Patienten. e
Die Aufsicht zeigt die hintere Seite der Skapula mit einem
etwa 2 cm breiten Versatz im Gelenk sowie eine Luxation so- Rekonstruktionsplatte fixiert. Die 2,0-mm-Platte diente zur pro-
wohl des Skapulahalses als auch des superomedialen Winkels visorischen Reposition während der Entfernung der Schanz-
(Pfeile). Dieses Bild korrespondiert mit den intraoperativen Schrauben, wonach die 2,7-mm-Platte befestigt werden konn-
Fotos der Abb. 10.15 a, Abb. 10.15 c, und Abb. 10.15 e. te. Die Weber-Zange wird inferior am Hals angesetzt, während
c Dieser extensive hintere Zugang zeigt die verschobenen die andere Zange durch ein strategisches Bohrloch fasst, um
Fragmente der Fraktur. Die Mm. infraspinatus und teres die Reposition der beiden Hauptfragmente (wie in Abb. 10.15 b
minor liegen hinter dem Retraktor, und man blickt von medial gezeigt), vorzubereiten.
nach lateral in die Wunde. Beachte, wie der Humeruskopf e Das endgültige Repositionsmanöver zur Vereinigung der Ge-
durch die verschobenen Fragmente „fällt“, während das infe- lenk- und Skapulakörperfragmente durch Zusammenziehen der
riore Glenoid komplett luxiert ist (s. Abb. 10.15 b). Zange. Die nächsten Schritte sind die Plattenmontage zur Ver-
d Das inferiore Glenoid und seine korrespondierende Halskom- bindung der wesentlichen superioren und inferioren Fragmen-
ponente werden an die distale Seitenkante mit einer 2,7-mm- te an der medialen und lateralen Kante.
Skapulafrakturen 243

Abb. 10.16 Eine erfolgreiche Technik zur


Stabilisierung der meisten Varianten der häu-
figsten Skapulakörper und -halsfrakturen.
Eine einzige dynamische Kompressionsplatte
lange
von 2,7 mm an der Seitenkante, die nicht
Schraube
extra gebogen werden muss, leitet die adä-
quate Reposition ein. Längere Platten werden
für zertrümmerte Kanten benötigt, aber für
einfache Frakturen reicht die 8-Loch-Platte
aus. Eine 2,7-mm-Rekonstruktionsplatte wird
für die Überbrückung außerhalb der akro-
mialen Spina und medialen Kante liegender
Frakturen eingesetzt. Die Platte für die exakte
Passung am superomedialen Winkel zurecht-
zubiegen ist nicht einfach, aber eine effektive
Maßnahme, um die Kräfte von der Osteosyn-
these der Seitenkante abzuleiten. Beachte die
unterschiedlich angewinkelten Schrauben zur
2,7 mm 2,7 mm dynamische optimalen Verankerung der Plattenosteosyn-
Rekonstruktions- Kompressionsplatte these, was in Anbetracht der dünnen Kanten
platte der Skapula, die medial bloß etwa 8 – 10 mm
messen, sehr wichtig ist. Im Allgemeinen
kann eine Fraktur im Zentrum der Skapula
vernachlässigt werden.

kann hierfür gut 2 Kocher-Klemmen verwenden. Man tannaht für über eine Woche alte Verletzungen, da die
sollte für jede Frakturseite 6 Schrauben vorsehen, da Narbenbildung an dieser Stelle überschießend sein kann.
diese typischerweise 8 – 10 mm lang sind und es schwer
ist, die Platte gut zu fixieren. Außerdem sollten die Vorderer Zugang
Schrauben in verschiedene Richtungen weisen, um den
Halt der Osteosynthese zu optimieren. Lagerung. Der Patient wird in Beach-Chair-Lagerung mit
Armstütze positioniert. Da der vordere Zugang für die 10
Wundverschluss. Nach erfolgter Osteosynthese wird der Versorgung anteriorer Glenoidfrakturen gewählt wird,
Arm bewegt, um die Stabilität der Skapula zu unter- erfolgt die Kontrolle der Reposition meist über den direk-
suchen. Verbleibende Verwachsungen und Versteifungen ten Einblick. Eine intraoperative Fluoroskopie ist deshalb
sollten noch in Narkose gelöst werden. Dies gilt beson- meist nur optional.
ders dann, wenn die Operation erst sehr spät, z. B. wegen
Zuverlegung oder Priorität anderer Verletzungen, vor- Hautinzisionen. Eine Inzision erfolgt ausgehend vom tast-
genommen werden konnte. baren Korakoid knapp lateral der vorderen Axillarlinie
Vor dem Wundverschluss wird noch alles avitale Mus- (der sog. deltopektoralen Furche; Abb. 10.18). Diese Inzi-
kelgewebe débridiert. Die Drainage wird unter dem myo- sion wird zum deltopektoralen Intervall fortgeführt. Dort
kutanen Lappen angelegt und nach anterior und pro- wird die V. cephalica aufgesucht. Die Inzision kann zur
ximal durch einen langen Tunnel ausgeleitet. Wegen der besseren Übersicht distal bis zum Ansatz des M. delto-
sich in Rückenlage sammelnden Flüssigkeit ist eine sorg- ideus und proximal zur Klavikula erweitert werden.
fältige Drainage besonders wichtig.
Bei der Wiedereinpassung des myokutanen Lappens Intraoperative Exposition. Nach Darstellung der V. cepha-
werden zur Reinserierung der Faszien in ihre knöchernen lica in der deltopektoralen Vertiefung wird sie gemein-
Ursprünge drei 2,5 mm breite Bohrlöcher in die akromiale sam mit dem M. deltoideus nach lateral gehalten, um sie
Spina und drei weitere in die mediale Kante gebohrt. Es ist während der Operation zu schützen. Die Region zwi-
von essenzieller Bedeutung, den Lappen sicher zu refixie- schen den Mm. deltoideus und pectoralis major wird bis
ren, da sonst während der Rehabilitation ein Abriss der hinunter zur klavipektoralen Faszie, welche die Sehnen
Mm. deltoideus, infraspinatus oder teres minor droht. der Mm. coracobrachialis und subscapulalis bedeckt, prä-
Die Naht erfolgt mit starkem, geflochtenem, nichtresor- pariert (Abb. 10.19).
bierbarem Nahtmaterial der Stärke 2. Die Fasziennaht wird Zunächst werden die oberen und unteren Wundhaken
mit geflochtenen, resorbierbaren Fäden der Stärke 0 er- eingebracht. Zur Einschätzung der Spannung auf der Sub-
gänzt. Die Autoren bevorzugen die resorbierbare Intraku- skapularissehne und ihres Ansatzes am Tuberculum
minus wird der Humerus gedreht. An der unteren Grenze
244 10 Verletzungen des Schultergürtels

der Sehne liegen die A. und V. circumflexa humeri ante-


riores. Diese werden unterbunden oder kauterisiert. Ge-
fährlich nah unterhalb dieses Gefäßbündels liegt der N.
axillaris. Die Inzision muss nicht weiter nach unten aus-
gedehnt werden. Bei Neutralposition des Humerus sollte
die Subskapularissehne 1 cm medial des Ansatzes einge-
schnitten werden, um eine Manschette für die spätere
Reparatur zu erhalten. Oft lässt sich der M. subscapularis
nur schwer von der Gelenkkapsel lösen. Obwohl es besser
ist, diese beiden Schichten zu trennen, um sie später ein-
zeln zu verschließen, kann es nach unvorhergesehener
Dissektion in die Kapsel hinein erforderlich sein, sie ge-
meinsam zu nähen. Haltenähte werden auf beiden Seiten
des M. subscapularis als Orientierungspunkte für den
Verschluss und als Rückhalt zur Verhinderung einer me-
dialen Verlagerung des Muskels eingesetzt. Alternativ
kann der M. subscapularis in seinem Faserverlauf mittig
Abb. 10.17 Das Muster einer vorgebogenen 2,7-mm-Rekon- oder auf Höhe des unteren Drittels horizontal gespalten
struktionsplatte zur Versorgung des superomedialen Winkels werden. Durch Retraktion des geteilten Muskels nach
der Skapula. Der obere Teil liegt der akromialen Spina an, der
kranial und nach kaudal gelingt die Darstellung der ven-
untere der medialen Kante. Die Platte fixiert die mediale Kante,
womit eine Entlastung der Osteosynthese der Seitenkante er-
tralen Kapsel und des Glenoids ohne den Muskel an sei-
reicht wird. Überdies kann so die Skapula wieder als Einheit nem Ansatz am Oberarmkopf abzutrennen.
bewegt werden.

Humeruskopf
Proc. coracoideus
jus
ma
m
Fraktur am ulu
erc Klavikula
10 vorderen Tub
Glenoid Akromion

V. cephalica
eus
d
toi
del
M.

M. pectoralis major

Hautinzision

Hautinzision
Tuberculum minus

Abb. 10.18 Die deltopektorale Inzision erfolgt ausgehend zeigt den Patienten in Beach-Chair-Lagerung, der Kopf wird
vom tastbaren Korakoid entlang des deltopektoralen Intervalls dabei abgewendet und in dieser Seitenlage befestigt. Der vor-
in Richtung der Insertion des M. deltoideus. Die V. cephalica dere Zugang wird bei Ideberg-Typ-II-Frakturen und vorderen
markiert die Grenze zwischen den Muskeln. Das obere Bild Glenoidfrakturen gewählt.
Skapulafrakturen 245

Im Anschluss wird die Gelenkkapsel betrachtet. Diese Fragmenten empfohlen. Wenn eine Trümmerzone vor-
kann entweder vertikal knapp medial des tastbaren Gle- liegt, kann am anterioinferioren Winkel des Glenoids
noidrands eröffnet werden, um eine gute direkte Über- eine kleine Abstützplatte angebracht werden
sicht zu ermöglichen (Abb. 10.20). Oder aber der Zugang (Abb. 10.23).
erfolgt durch die Fraktur hindurch. Das Gelenk wird aus- Die Kapsel und der M. subscapularis werden mit ge-
gespült und später durch Stabilisierung des extraartiku- flochtenem Nahtmaterial der Stärke 2 versorgt. Das Sub-
lären Teils des Fragments indirekt reponiert. Bei Zer- kutangewebe sollte mit Fäden der Stärke 2-0 repariert
trümmerung des Gelenks muss die Kapsel in jedem Fall werden. Die Hautnaht erfolgt mit resorbierbaren Mono-
eröffnet werden, um auf beiden Seiten arbeiten zu kön- filamentfäden.
nen. Um das Gelenk bestmöglich zu beurteilen, kann ein
Haken direkt im Gelenk am hinteren Winkel des Glenoids Rehabilitation
platziert werden. Damit kann der Humeruskopf von der
Gelenkfläche der Skapula weggehebelt werden Die Rehabilitation ist für den vorderen und hinteren Zu-
(Abb. 10.21). gang ähnlich. Das Ziel der Operation ist eine übungssta-
Die Reposition erfolgt mit einem Zahnarzthaken oder bile Osteosynthese für passive Bewegungen. Die Schulter
Schulterhaken, die provisorische Sicherung mit Kirsch- des Erwachsenen versteift schnell. Ein voller Bewegungs-
ner-Drähten. Fluroroskopie ist meist überflüssig und umfang sollte erhalten werden, was intraoperativ unter
wenig zielführend, wenn das Gelenk direkt beurteilt wer- Bildwandlerkontrolle der Osteosynthese überprüft wer-
den konnte. Abhängig von der Größe des Fragments oder den kann. Ist die Fraktur nicht stabil versorgt, sollte
dem Grad der Zertrümmerung wird die Stärke der jeder Versuch unternommen werden, eine Stabilisierung
Implantate (Schrauben) von 2,0 – 3,5 mm gewählt zu erreichen, außer man akzeptiert die Versteifung durch
(Abb. 10.22). Bei kleineren Fragmenten (< 20 % der gleno- Immobilisierung oder ein Versagen der Osteosynthese.
idalen Gelenkfläche) kann auch eine Refixation mit Fa- Direkt nach der Operation sollten passive Bewegungs-
denankern erfolgen. Diese Technik wird insbesondere bei übungen einsetzen.
osteoporotischem Knochen oder in sich frakturierten

Abb. 10.19 Darstellung der Grenze


zwischen M. pectoralis major und del-
Korakoid toideus. Die V. cephalica wurde nach
lateral verdrängt. Nach Inzision der cla-
Klavikula
vipectoralen Faszie (nicht gezeigt) wird
Akromion
M. deltoideus der M. coracobrachialis dargestellt und 10
nach medial gehalten. Darunter kommt
die breite, flache Sehne des M. subsca-
V. cephalica pularis zum Vorschein, welche wieder-
um die Kapsel des Schultergelenks ver-
birgt. Die Dissektion sollte sich auf die
gemeinsame Sehne Strukturen oberhalb der A. circumflexa
humeri anterior und ihres gleichnami-
M. pectoralis major gen Begleitnerven beschränken.

Sehne M. subscapularis

A. + V. circumflexa humeri anterior


246 10 Verletzungen des Schultergürtels

Anschnitt laterale Kapsel und ◀ Abb. 10.20 Darstellung der Technik der
langer Teil der Bizepssehne, Schultergelenkseröffnung. Die Haltefäden
Sehne d. M. subscapularis
der die Kapsel penetriert in der Kapsel und im Gewebe des M. sub-
scapularis dienen der Retraktion und bes-
seren Übersicht. Das Labrum glenoidale
mion
Akro und der Humeruskopf sind leicht zu erken-
M. deltoideus Labrum glenoidale nen.

Tuberculum
minus

Korakoid

Humeruskopf

Abb. 10.21 Ein Humeruskopfretraktor


dient zur Verschiebung des Humeruskopfs
nach posterior, um damit die Sicht auf das
Glenoid zu verbessern. Die Reposition des
Gelenks kann nun beurteilt werden. Der
Skapulahals wurde von Periost befreit, um
die extraartikuläre Frakturreposition besser
einschätzen zu können. Das dargestellte
spitze Repositionswerkzeug schafft Platz
A. + V. Ausschnitt des M. subscapularis für die Einbringung der provisorischen
circumflexa retrahiert Kirschner-Drähte. Beachte den stehenden
humeri Rest der Subskapularissehne unterhalb des
unteren Wundhakens, der zum Schutz des
Gefäßbündels belassen wurde. Wichtig ist
die Konservierung der Gefäßversorgung
der Kapsel und des Labrums.

langer Bizepssehnenkopf
in der Kapsel
10 Labrum
Sehne des M. supraspinatus
mediale Kapselligamente
Akromion

gemeinsame Sehne

Korakoid M. pectoralis minor

M. deltoideus

A. circumflexa
humeri anterior
+ posterior

M. subscapularis

N. axillaris
M. teres major
Skapulafrakturen 247

Abb. 10.22 durch die häufig nach solchen Verletzungen auftretende Atonie
a A.–p.Röntgenaufnahme des Patienten aus Abb. 10.7 sechs des M. deltoideus bedingt.
Wochen nach Osteosynthese des proximalen Humerus und b Die Axialaufnahme zeigt die Reparatur mit Kongruenz so-
des anterioren Glenoids. Die Subluxation des Humerus ist wohl der Humerus- als auch der Glenoidseite des Gelenks.

Glenoid

Humeruskopf
Frakturlinie Humeruskopf
vorderes Fraktur-
Glenoid linie 10

T-Platte
T-Platte

M. infraspinatus M. supraspinatus

Abb. 10.23 Die Einbringung der Abstützplatte an das ante- ren. Das Bild links zeigt einen Querschnitt des Glenoids und
rior-inferiore Glenoid wird in zwei Ansichten gezeigt. Minifrag- verdeutlicht den Stützcharakter der Platte, während die sub-
mentschrauben der Stärke 2,0 mm sind in der Regel gut geeig- chondralen Schrauben das Glenoidfragment komprimieren.
net, besonders bei eingestauchten oder Mehrfragmentfraktu-

In den ersten 4 Wochen nach der Operation ist eine Physiotherapie ungeeignet ist, eine Alternative darstellen.
Wiedererlangung und Erhaltung der Beweglichkeit das Die CPM ist bei Patienten mit Plexusschaden eine interes-
oberste Ziel der Rehabilitation. Kraft ist nicht das Ziel, sante Therapiemöglichkeit. Des Weiteren ist eine gute
und dies sollte dem Patienten bewusst sein. Eine stabil Schmerzbehandlung für das Erreichen des gesamten Be-
versorgte Fraktur behindert den Patienten sehr bald nicht wegungsumfangs erforderlich. Übungen für Ellbogen,
mehr sehr, und daher ist für viele Patienten die Schonung Handgelenk und Hand mit 1 – 2 kg schweren Gewichten
nicht unmittelbar einleuchtend. Die Schulter darf aber in bei unterstütztem Ellbogen sind erlaubt und gewollt.
den ersten 4 Wochen weder aktiv bewegt noch zum Diese Übungen vermindern die Gefahr der Atrophie der
Heben oder Tragen benutzt werden. Muskulatur der oberen Extremität und reduzieren das
Eine Motorbewegungsschiene (CPM, Continuous Passi- Gewebsödem.
ve Motion) kann für Patienten, für die eine klassische
248 10 Verletzungen des Schultergürtels

Tipps und Tricks


Hinterer Zugang durch den Spalt zwischen den Mm. teres minor und
infraspinatus erfolgen.
■ Verzögerte Behandlung. Da Patienten mit Skapulafraktur
■ Infraspinatus-Tenotomie. Für einen breiteren Zugang zur
oft schwer verletzt sind, werden auch komplizierte Ska-
glenoidalen Gelenkfläche oder zum oberen Glenoid
pulafrakturen häufig erst spät operiert. Nichtsdestotrotz
kann eine Tenotomie des M. infraspinatus mit Belassen
ist es möglich, in einem Zeitraum von bis zu 6 Wochen
einer 1 cm breiten Manschette am Tuberculum majus
nach der Verletzung noch eine Operation durchzuführen.
für die Reparatur (Abb. 10.24) ausgeführt werden. Da-
Die spätere Operation mit sorgfältiger Entfernung des
durch kann der schlanke muskulotendinöse Teil des M.
Kallus sollte unter genauer Kenntnis der Frakturmuster
infraspinatus von der oberen Glenoidregion gehoben
und der deformierenden Kräfte im Bereich der Verletzung
und ein leichterer Zugang zum Glenohumeralgelenk er-
erfolgen. Patienten sind auch bei später Operation froh
möglicht werden. Besonders bei sehr muskulösen Pa-
über die besseren kosmetischen Ergebnisse, die Schmerz-
tienten mit Ideberg Typ-II-Frakturen ist dieser Zugang
reduktion und die bessere Beweglichkeit.
eine wertvolle Alternative.
■ Zusätzliche Wirbelsäulenverletzung. In 1 von 5 Fällen ist
■ Eine weitere Modifikation stellt der dorsale subdeltoidale
die Skapulafraktur mit einer Verletzung der Hals- oder
Zugang dar. Nach einem Hautschnitt über ca. 10 cm,
Brustwirbelsäule vergesellschaftet (26). Dann sollten La-
der dem lateralen Rand der Skapula folgt, wird bei Ab-
gerung und Narkose unter Beachtung der neurochirurgi-
duktion des Armes auf ca. 90° unter dem dorsalen Rand
schen Prämissen erfolgen. In der Regel sollte zunächst
des M. deltoideus die Muskulatur der dorsalen Rotato-
die Stabilisierung der Wirbelsäule stattfinden. Bei konser-
renmanschette aufgesucht. Der Zugang zum Glenoid
vativem Vorgehen muss die intraoperative Stabilität (Ha-
erfolgt dann zwischen M. infraspinatus und M. teres
loextension) gewährleistet sein.
minor. Dadurch kann bei dorsalen inferioren Fragmen-
■ Schürfwunden. Da Skapulafrakturen in der Regel bei
ten der ausgedehnte Zugang mit Ablösung des M. del-
stumpfem Trauma auftreten, sind Schürfwunden häufig.
toideus von der Spina vermieden werden.
Diese Hautverletzungen heilen unter einfacher Wundbe-
handlung in der Regel innerhalb von 2 Wochen ab. Diese Reposition und Osteosynthese
Zeit sollte unbedingt abgewartet werden, wenn die Ab- ■ Osteosynthese der Seitenkante. Bei den üblichen Varian-

schürfungen in das Operationsgebiet hineinragen, um ten des Skapulahalses sollte ein Joystick die distale late-
optimale Voraussetzungen zu erhalten. rale Kante der Skapula und die mediale Oberfläche des
■ Lagerung für den hinteren Zugang. Je nach Zielsetzung Halses fixieren. Per 4 mm Schanz-Pin oder Kleinfrag-
der Versorgung kann die Lagerung variiert werden. Bei ment-Fixateur-externe kann die Reposition des lateralen
extraartikulären Frakturen sollte der Patienten in leichter Halses gehalten werden. Diese Geräte erlauben genug
10 Vorneigung in Seitenlage gelagert werden. Bei hinterem zusätzlichen Platz zur korrekten Bohrrichtung, sowie zur
Zugang zum Glenoid sollte der Rumpf vertikal bleiben, Positionierung der Repositionszangen und Schrauben.
um die Anteversion der Skapula am Thorax zu erhalten. Die standardmäßig verwendeten Repositionszangen
Damit erübrigt sich das Ankämpfen gegen die Schwer- sind wegen der dicken Weichteilschicht für diese Frak-
kraft und das „auf den Kopf gestellte“ Arbeiten bei der turversorgung in der Regel ungeeignet.
Gelenkrekonstruktion des Glenoids. ■ Versorgung der medialen Kante. Da die mediale Kante

Wahl des hinteren Zugangs der Skapula ziemlich dünn ist, sollten in vertikaler Aus-
richtung spitze Repositionszangen in kleine Bohrlöcher
■ Extensiver Zugang. Die Ausdehnung des Zugangs hängt
durch die posteromediale Oberfläche der Skapula ge-
vom Frakturtyp und der Zeitdauer bis zur Operation ab.
setzt werden. Vermieden werden sollte eine Klamme-
Bei Operationen nach mehr als einer Woche oder kom-
rung der medialen Kante selbst, da dort die Platte zu
plexen Frakturen mit mehr als 3 Ausgängen um den
liegen kommt, deren Implantation sonst nicht ohne Ent-
„Ring“ der Skapula herum, sollte der ausgedehnte Zu-
fernung der Klammern möglich wäre.
gang gewählt werden. Dabei werden in toto die Mm.
■ Optimierung von Kontur und Halt des Implantats.
deltoideus, infraspinatus und teres minor angehoben.
– Zur Optimierung des Schraubenhalts an der medialen
Der extensive Zugang erlaubt eine vollständige Übersicht,
Kante der Skapula wird jede Schraube in etwa 30° un-
ermöglicht die einzelne Manipulation aller beteiligten
terschiedliche Richtungen gesetzt. Diese Strategie ver-
Fragmente und eine sorgfältige Entfernung jeglicher Kal-
längert jede Schraube um 1 – 2 mm, wodurch der Halt
lusbildung. Man sollte darauf achten, den Lappen nicht zu
wiederum weiter verbessert wird. Mit 8 mm dicken
weit zurückzuklappen, um eine Schädigung des Gefäß-
Schrauben in verschiedenen Winkeln kann der Erfah-
Nerven-Bündels zu vermeiden. Außerdem ist bei komplet-
rung der Autoren zufolge ein zufriedenstellendes Ergeb-
ter Retraktion des Lappens ein direkter Zugang zur in-
nis ohne Versagen der Osteosynthese erreicht werden.
traartikulären Inspektion des Gelenks nicht möglich.
■ Gerade Inzision. Eine hintere Glenoidfraktur oder intraarti-
– Die beste Stabilisierung des oberen medialen Winkels
der Skapula wird durch Nutzung des sehr guten Kno-
kuläre Glenoidfraktur mit Einbezug des Skapulahalses, mi-
chens an der Basis der Fossa des M. supraspinatus er-
nimaler Beteiligung oder Verschiebung der akromialen
reicht. Sogar Schrauben mit einer Länge von über
Spina und des medialen Randes kann durchaus per gera-
20 mm können mit dem korrekten Bohrvektor in dieser
dem Hautschnitt erreicht werden. Bei diesen einfacheren
Region eingebracht werden. Das Gebiet unterhalb des
Frakturen können die Inspektion der gesamten Patholo-
M. levator scapulae sollte vorher palpiert werden, um
gie, die Reposition und die komplette Osteosynthese
den genauen Vektor für die Platzierung der Schrauben
planen zu können.
Skapulafrakturen 249

Labrum Abb. 10.24 Der Zugang zwischen


Knorpel den Mm. infraspinatus und teres mi-
mediale
Knochen nor. Zusätzlich Tenotomie des M. in-
Nerv und Gefäße Grenze der Spina
fraspinatus zur besseren Darstellung
suprascapulare
des Glenoids. Dieser Zugang wird ge-
zeigt mit einer posterioren Kapsuloto-
mie über dem Rand des Glenoids ohne
Fascia deltoidea Verletzung des Labrums. Das Gefäß-
Nerven-Bündel oberhalb der Skapula
muss vor übermäßigem Zug geschützt
werden. Beachte die Modifikation der
Hautinzision, die gerade ist. Diese Inzi-
Humerus- sion erlaubt notfalls auch einen Zu-
kopf gang zum superomedialen Winkel der
Skapula zur Plattenanlage durch ein
anderes Fenster.

Kapsel
Sehne d.
M. infraspinatus
M. teres minor

M. deltoideus

Postoperative Behandlung Ab der 6. Woche beginnt die Belastung mit Gewichten 10


von 1 – 2 kg. Die allmähliche weitere Steigerung ist ab-
Postoperative Anweisungen
hängig von der patientenseitigen Symptomatik. Am 6-
■ Schlinge zur Entlastung der Schulter; Wochen-Nachsorgetermin sollten ausbleibende Fort-
■ volle passive Bewegung der Schulter; schritte in der Beweglichkeit auffallen. Ursächlich sind
■ keine aktive Bewegung der Schulter; häufig Plexusläsionen, Kopfverletzungen, Immobilisation
■ Übungen an Hand, Handgelenk und Ellbogen (1 – 2 kg) wegen Wirbelsäulenverletzungen in Halofixateur oder
mit voller aktiver und passiver Bewegung. komplexe zusätzliche Frakturen der gleichen Seite. Zu
diesem Termin kann eine Durchbewegung in Narkose
die Beweglichkeit sehr gut anschieben. Sollte zu diesem
Nachbehandlung Zeitpunkt keine Verbesserung des Bewegungsumfangs
erreicht werden, kann der Funktionsverlust mit großer
Die Patienten sollten sich in der Regel 2, 6 und 12 Wo- Wahrscheinlichkeit bleibend werden.
chen nach der Operation wieder vorstellen. Jedes Mal Am 3-Monats-Nachsorgetermin werden die Fortschrit-
sollte die Schulter a.–p., Skapula Y und axial geröntgt te des Patienten geprüft. Moderate weitere Steigerungen
werden. Danach ist in den meisten Fällen ein Termin der Kraft, Ausdauer und Feinmotorik können bis zu 18
nach 6 Monaten und einem Jahr ausreichend, um die Monate nach dem Unfall erreicht werden. Die lange Zeit
maximal erreichbare Funktion zu dokumentieren. Ab der Rekonvaleszenz sollte dem Patienten deutlich ge-
dem Halbjahrestermin reicht eine a.–p. Röntgenkontrolle macht werden.
aus. Bei begleitenden Verletzungen beispielsweise unter
Einbeziehung des Plexus brachialis kann eine längere Caveats
Nachsorge erforderlich sein.
Nach 2 Wochen sollte die Wunde kontrolliert werden. Beim vorderen Zugang sollte eine passive Außenrotation
Die Phase der passiven Bewegungsübungen geht bis zu 4 über Neutral ebenso wie eine Innenrotation gegen Wi-
Wochen, wonach aktive Bewegungsübungen beginnen, derstand für die gesamte Dauer von 6 Wochen postope-
noch ohne Gewicht bis auf die Schwerkraft. rativ verhindert werden. Solange benötigt die Sehnen-
250 10 Verletzungen des Schultergürtels

naht des M. subscapularis zu Heilung. Nach 6 Wochen Einige Autoren diskutieren die Behandlungsmethoden
kann diese Anweisung zurückgenommen werden. bei doppeltem Ausriss des oberen Schultersuspensori-
Bei hinteren Zugängen mit Mobilisierung der Mm. in- ums. Hersovici et al. berichten von der operativen Ver-
fraspinatus und teres minor von ihren Ursprüngen (s. sorgung von 7 Patienten mit Klavikulafraktur mit ipsila-
Wahl des hinteren Zugangs, extensiver Zugang) und bei teraler Skapulahalsfraktur (35). Alle Patienten wiesen bei
Ablösung des M. deltoideus von der Spina sollten wieder- der Untersuchung nach 48,5 Monaten eine exzellente
um die genannten Muskeln für 6 Wochen geschützt wer- Funktion ohne Deformität auf. Zwei weitere Patienten
den. Das postoperative Vorgehen wie beschrieben er- aus dieser Serie, die nicht operiert wurden, litten unter
reicht diese Forderung automatisch. Die aktive Außen- signifikanter Absenkung der Schulter und eingeschränk-
rotation und Schulterextension nach 4 Wochen behindert tem Bewegungsumfang. Andere vertreten die Ansicht, le-
die Heilung der genannten Muskeln nicht wesentlich. diglich die Klavikula sei operativ zu versorgen, um die
Sehr wichtig ist die Lösung von Vernarbungen und Länge beizubehalten und eine ausreichende Stabilität
Kontrakturen bei Patienten ohne Fortschritte nach Ablauf der Schulter zu erreichen (26, 44). Leung u. Lam versorg-
von 6 Wochen. Die in Narkose durchgeführte Manipula- ten bei 15 solcher Patienten beide Frakturen operativ und
tion der Schulter kann nach 3 Monaten schon zu spät und fanden bei 14 von ihnen 25 Monate später gute bis sehr
ineffektiv sein. Patienten mit erhöhtem Versteifungsrisiko gute Ergebnisse (45). Auf der anderen Seite konnten
sind jene mit Kopfverletzungen oder Plexusläsionen (die- Ramos et al. 16 konservativ behandelte Patienten mit
se Patienten können komplett von fremder Hilfe abhän- ipsilateraler Klavikulafraktur und Skapulahalsfraktur
gig sein) sowie Patienten mit komplexen ipsilateralen Be- nachuntersuchen (26). Dabei stellte sich heraus, dass
gleitverletzungen, und Wirbelsäulenverletzte mit Halo- nach 7,5 Jahren 92 % der Patienten gute bis sehr gute
fixateur. Die Einspritzung von 10 ml Lokalanästhetikum Ergebnisse aufwiesen. Eine signifikante Schwäche aller 3
und Kortikosteroid nach der Manipulation der Schulter Studien ist die fehlende Dokumentation des Grades an
kann die erneute Bildung von intraartikulären Adhäsio- Dislokation der Skapulahalsfraktur; in der letzten Studie
nen mildern. war das Röntgenergebnis bis auf einen Fall gut, was auf
eine minimale originale Dislokation hinweist. In einer
jüngeren retrospektiven Studie von Edwards et al.
Ergebnisse
wurde die konservative Behandlung bei ipsilateraler Kla-
Bei dislozierten intraartikulären Glenoidfrakturen steht vikula- und Skapulafraktur nach im Mittel 28 Monaten
die operative Versorgung außer Frage. Mayo et al. (28) untersucht (47). 19 von 20 heilten ohne Probleme, mit
haben die größte Serie intraartikulärer Glenoidfrakturen sehr gutem Bewegungsumfang und Funktion. In dieser
publiziert. Unter den 27 nach 43 Monaten nachunter- Studie wurde der Dislokationsgrad der Klavikula- und
10 suchten Patienten befanden sich 82 % mit guten oder der Skapulafraktur dokumentiert. Interessanterweise ist
sehr guten postoperativen Ergebnissen. dies eine Studie an meist äußerst gering dislozierten
Studien stützen die These, dass Frakturen des Skapula- Frakturen. Nur 2 der 20 Skapulae und 8 der 20 Klavikulae
halses, deren Abkippung oder Dislokation zu einer star- waren mehr als 1 cm disloziert.
ken Einschränkung des Zusammenspiels der paraskapu-
lären Muskulatur führt, operativ behandelt werden soll-
Komplikationen
ten. Miller u. Ada empfehlen die Osteosynthese bei me-
dialer Dislokation des Glenoids um mehr als 9 mm oder Die gravierendsten Komplikationen bei Skapulafrakturen
mehr als 40° Abkippung (33). Diese Empfehlung basiert betreffen nicht die Skapula selbst, sondern eher die
auf der Nachuntersuchung von 16 nichtoperierten Pa- gleichzeitige begleitende Verletzung benachbarter oder
tienten, von denen 50 % unter Schmerzen, 40 % unter auch fernerliegender Strukturen. Weil Skapulafrakturen
Schwäche und 20 % unter Bewegungseinschränkung min- bei Hochrasanztraumen auftreten, sind häufig die ipsila-
destens 15 Monate nach der Verletzung litten. Die Ver- terale Schulter, obere Extremität, Lunge und der Thorax
gleichsgruppe von 8 Patienten erreichte nach Operation verletzt. Die Letalitätsrate bei Patienten mit Skapulafrak-
zu 100 % eine schmerzfreie Vollbeweglichkeit. Hardegger tur liegt bei 2 %. In 10 – 40 % der Fälle liegt eine zusätzli-
et al. berichten von 79 % guten und sehr guten Ergebnis- che Hirnverletzung und in 15 – 55 % ein zusätzliches Trau-
sen in einer Serie von 37 operierten Patienten, wobei nur ma der Lunge wie Pneumothorax oder Lungenkontusion
5 eine schwere Dislokation oder Instabilität aufwiesen vor.
und nicht gesondert analysiert wurden (26). Nordqvist Komplikationen der Skapulafraktur selbst sind sehr sel-
u. Petersson analysierten 68 Patienten nach im Mittel 14 ten. Es wird berichtet, dass in einzelnen Fällen Frakturen
Jahren (43). 50 % der Patienten mit Residualdeformitäten schlecht oder nicht heilen, eine glenohumerale degene-
hatten eine Schultersymptomatik. Armstrong u. Van Der rative Gelenkerkrankung oder eine Instabilität resultie-
Spuy fanden bei 6 von 11 Patienten mit dislozierten Ska- ren. Außerdem kann die Schulterinstabilität der Abkip-
pulahalsfrakturen nach 6 Monaten eine geringe bleiben- pung des Skapulahalses geschuldet sein. Bei verkippter
de Schultersteifigkeit (30). Skapulafraktur können glenohumerale Schmerzen und
Klavikulafrakturen 251

Dysfunktion resultieren. Schließlich kann eine unzurei-


Merke
chende Nachbehandlung zur verstärkten Schulterverstei-
fung führen (48). ■ Die typischen Beschwerden sind Schmerzen und Defor-
mierung an der Klavikula. Ekchymose und Verziehun-
gen der Haut können auftreten. Bei der körperlichen
Untersuchung tritt häufig eine knöcherne Krepitation
Klavikulafrakturen auf. Die Haut muss auf Hinweise für offene Frakturen
Die Klavikula stellt die knöcherne Verbindung zwischen wie Durchspießungen untersucht werden. Da die Klavi-
dem Achsenskelett und der oberen Extremität dar. Jede kula direkt vor dem Plexus brachialis und der A. sub-
clavia liegt, müssen Durchblutung und neurologische
Krafteinwirkung auf die obere Extremität wird durch die
Funktion der oberen Extremität überprüft werden.
Klavikula via AC-Gelenk und Sternoklavikulargelenk
Dies gilt insbesondere für Patienten nach Hochrasanz-
übertragen. Klavikulafrakturen gehören mit 5 – 10 % aller
trauma.
Brüche (49, 50) zu den häufigsten Frakturen überhaupt
und machen etwa 35 % aller Schultergürtelfrakturen aus
(51). Obwohl sie meist bei Kindern und jungen Erwach-
senen vorkommen (52), werden sie zunehmend auch bei
Konservative Behandlung
älteren Patienten besonders im Rahmen der Osteoporose
gefunden. Indikationen für konservatives Vorgehen
Das konservative Vorgehen wird bei medialen, mittleren
Klassifikation
und kaum verschobenen lateralen Frakturen gewählt.
Es gibt eine Reihe von Klassifikationen. Allman teilte die Sind die korakoklavikulären Bänder unversehrt, sind la-
Klavikula einfach in 3 anatomische Abschnitte und be- terale Frakturen meist nicht gravierend disloziert. Ex-
nannte das mittlere Drittel als Gruppe I, das laterale Drit- traartikuläre Frakturen mit einer Dislokation unter 1 cm
tel als Gruppe II und das mediale Drittel als Gruppe III werden mit einer einfachen Schlinge oder einem Gil-
(Tab. 10.3). Neer (53) definierte laterale Klavikulafraktu- christverband ruhiggestellt.
ren als lateral des medialen Winkels des trapezoiden Auch intraartikuläre laterale Klavikulafrakturen erlau-
Bandes liegend (Tab. 10.4). ben in der Regel ein konservatives Vorgehen. Im Falle
einer intraartikulären Klavikulafraktur mit Gelenkstufe
oder Zertrümmerung sollte über möglicherweise entste-
Tab. 10.3 Klassifikation der Klavikulafraktur nach Allman.
hende degenerative Beschwerden aufgeklärt werden.
Gruppe Lokalisation Diese Komplikation kann durch Resektion der lateralen 10
I mittleres Drittel Klavikula behoben werden. Bei Kindern sollte eine Ruhig-
stellung für 2 Wochen genügen, um genug Kallusbildung
II laterales Drittel
für eine gute knöcherne Durchbauung der Fraktur zu er-
III mediales Drittel möglichen. Bei Erwachsenen sollte eine Ruhigstellung
über 4 Wochen erfolgen. Die Patienten sollten wöchent-
lich nachuntersucht werden, bis eine Konsolidierung
nachweisbar ist, da sich diese Frakturen erheblich ver-
Tab. 10.4 Klassifikation der lateralen Klavikualfraktur nach
schieben können (Abb. 10.25). Bei signifikanter Dislokati-
Neer.
on kann eine Operation notwendig werden.
Typ Beschreibung
I Fraktur inklusive des lateralen Endes der Klavikula
Operationsverfahren und Verbandstechniken
bei intakten korakoklavikulären Bändern.
II Fraktur inklusive des lateralen Endes der Klavikula Die typische Deformität nach Klavikulafraktur mit Anhe-
und Abriss der korakoklavikulären Bänder mit gro- bung des proximalen (medialen) Fragments der Klavikula
ßer Fragmentdislokation – großes Risiko einer wird durch den kranialen Zug des auf dem proximalen
Nichtheilung. Teil der Klavikula inserierenden M. sternocleidomasto-
ideus ausgelöst. Die Deformität wird durch das Gewicht
der oberen Extremität mit Zug nach distal verstärkt
(Abb. 10.26). Eine Reposition verschobener Klavikulafrak-
turen wird vermieden, ähnlich wie die Reposition der AC-
Gelenksfraktur, da die große Instabilität das Ergebnis
schnell wieder zunichte machen kann. Überdies lässt
sich eine äußere Schienung nur sehr schwierig anbrin-
gen.
252 10 Verletzungen des Schultergürtels

Funktionale Schienung
Zur Immobilisierung der Schulter erhalten die Patienten
eine Schlinge. Es gibt Stimmen, die eine Schlinge in der
Form einer Acht empfehlen, wobei diese nach allgemei-
ner Einschätzung keinen Vorteil bietet. Vergleichsstudien
haben keine Unterschiede in Schulterfunktion, bleiben-
den Schäden oder Zeitdauer bis zur vollen Beweglichkeit
nachweisen können (54 – 56). Die Schlinge sollte bei Kin-
dern 3 – 4 Wochen, bei Jugendlichen und jungen Erwach-
senen 4 – 6 Wochen und bei Erwachsenen 6 – 8 Wochen
belassen werden (57).

Rehabilitation
a
Übungen zur Förderung des Bewegungsumfangs wie Pen-
delübungen und aktive Flexion vorwärts und Abduktion
beginnen nach Abnahme der Schlinge. Ist die Heilung
nachgewiesen, können die Patienten nach und nach die
Schultermuskulatur wieder trainieren.

Indikationen zur Operation


Es gibt einige Indikationen zur operativen Behandlung
von Klavikulafrakturen. Die klarste Indikation ist die of-
fene Fraktur, die eine sorgfältige Spülung, umfassendes
b Débridement und eine Stabilisierung erfordert. Das übli-
che Operationsverfahren ist die Plattenosteosynthese.
Frakturen lateral des Korakoids können mit der Ruptur
der korakoklavikulären Bänder einhergehen. Dann ver-
schiebt sich der Schaft der Klavikula nach proximal, wäh-
10 rend das distale Fragment am Akromion hängen bleibt
(Abb. 10.27). Diese Frakturvariante ist mit einer hohen
Pseudarthroserate verbunden. Ein konservatives Vor-
gehen kann mit dem Patienten im Hinblick auf Aktivitäts-
niveau, Seitendominanz, Alter und Begleiterkrankungen
diskutiert werden. Ist das laterale Fragment mehr als
1 cm verschoben, sollte eher eine operative Versorgung
erwogen werden (Abb. 10.27).
Eine weitere relative Indikation zur Operation ist die
c Medialisierung der Schulter um mehr als 2 cm, darge-
stellt durch die Überlappung der Schaftfragmente
Abb. 10.25 (s. Abb. 10.25). McKee et al. stellten in Ausdauertests
a A.–p. Röntgenaufnahme der Schulter einer 16-jährigen Eis- und einem valdierten Ergebnistest ein schlechteres Ab-
läuferin mit konservativer Behandlung einer Klavikulafraktur im schneiden der Patienten mit einer Verkürzung von mehr
mittleren Drittel.
als 2 cm fest (58). Sie konnten zeigen, dass die operative
b Röntgenkontrolle a.–p. 2 Wochen später. Die Klavikula ist
deutlich verkürzt mit einer Überlappung von mehr als 2 cm.
Korrektur von schlechten Heilungsergebnissen eine Ver-
An dieser Stelle erschien eine Operation indiziert, sowohl aus besserung der Funktion und Kraft ermöglicht (Video
kosmetischen Gründen als auch zur Vermeidung einer Funk- 10-3, DVD 2; 59).
tionsbehinderung nach mangelnder Frakturheilung der Klavi- Ist der Skapulahals auch gebrochen, sollte eine Stabili-
kula. sierung der Klavikula zur Behebung der Floating-Shoul-
c Postoperatives a.–p. Röntgenbild der Patientin. Sie erlangte der-Situation erwogen werden (s. Abb. 10.3, Abb. 10.5).
nach 6 Wochen die volle Funktion der Schulter wieder.
Dieser Verletzungskomplex wurde beschrieben als „dop-
pelte Ruptur des oberen Schultersuspensoriums“ und im-
pliziert, dass das Glenohumeralgelenk nicht stabilisiert
ist (34). Andere Autoren empfehlen unter diesen Umstän-
den eine Stabilisierung der Skapula (25). Nicht zuletzt
Klavikulafrakturen 253

Abb. 10.26 Dieser Patient wies im a.–p. Röntgenbild eine


stark verschobene Klavikulafraktur mit etwa 3 cm Überlappung
auf. Dieses Bild zeigt den Patienten 3 Monate nach dem Unfall
bei dem Versuch, die Schultern zurückzuziehen. Die weißen
Linien verdeutlichen das Ausmaß der Schulterabsenkung. Der
Patient klagte über schlechte Funktion und starke Einschrän-
kungen bei der Gartenarbeit und vor allem bei Überkopfarbei-
ten. Er hatte das Gefühl, ein schweres Gewicht baumele an
seiner linken Seite. Er entschied sich für eine operative Rekon-
struktion. b

Abb. 10.27 A.–p. Röntgenaufnahme der Schulter eines 42-


wird auch die Fixierung beider Verletzungen vorgeschla- jährigen 3 Monate nach Fahrradsturz mit lateraler Klavikulafrak-
tur (Bild oben). Er klagte über Schmerzen und Schwäche und
gen (45).
empfand auch die Deformierung als Einschränkung. Er ent-
schied sich zu diesem Zeitpunkt für eine operative Rekonstruk-
Operative Versorgung tion. Das untere Bild zeigt die Osteosynthese im a.–p. Strahlen-
gang. Die laterale Klavikula wurde mit einer Symphysenplatte
fixiert, da diese in der Mitte eine Verstärkung aufweist, wo-
Anatomie
durch die Platte besonders stabil ist und auch eine aggressive
Die chirurgische Anatomie der Klavikula wurde von Ab- Rehabilitation zulässt.
bott u. Lucas (60) ausführlich beschrieben und von Craig 10
(61) revidiert. Der M. sternocleidomastoideus inseriert
am medialen Drittel der Klavikula. Oberhalb der Klaviku- klavipektoralen Faszie. Diese myofasziale Schicht schützt
la befindet sich ein lediglich loses Fettgewebe enthalten- die Verbindung der Vv. subclavia und axillaris, die in un-
der Raum. Die oberflächliche Faszienschicht verbreitert mittelbarer Nähe der Klavikula direkt an der mittleren
sich lateral und bildet die Unterfläche des M. trapezius. medialen Kante liegen. Die genannte myofasziale Schicht
Die Oberfläche der tiefen Faszienschicht reicht nach late- bedeckt außerdem die V. jugularis interna sowie die Vv.
ral und bildet eine inverse Schlinge um den M. omohyo- subclaviae, welche sich in der Nähe des Sternoklavikular-
ideus, während ihr unterer Anteil mit der Faszie des M. gelenks zur V. anonima vereinigen (54, 62).
subclavius verschmilzt (54, 62).
Die vordere Axilla besteht aus 2 Schichten. Die ober- Operationstechnik
flächliche Schicht umfaßt den M. pectoralis major und
seine Faszie, während die tiefe Schicht den M. pectoralis Eine gerade Inzision wird etwa 1 cm unterhalb der tast-
minor und die klavipektorale Faszie enthält. Die pektora- baren Klavikula mit dem Zentrum über der Fraktur an-
le Faszie setzt an der Unterseite der Klavikula an. Das gelegt (Video 10-3, DVD 2). Im Unterhautgewebe liegen
infraklavikuläre Dreieck wird oben von der Klavikula, in- supraklavikuläre Nerven, die schwer zu identifizieren
feromedial vom M. pectoralis major und inferolateral sind. In der Regel werden 2 – 3 von ihnen sichtbar. Die
vom vorderen Teil des M. deltoideus gebildet. Die klavi- Verletzung dieser Nerven führt zu Taubheit oder eher
pektorale Faszie reicht über den M. subclavius, heftet sich noch zu schmerzhaften Dysästhesien im Bereich der obe-
an die Klavikula und reicht als axilläre Faszie bis nach ren Brust. Muss wegen einer Trümmerzone der Schnitt
inferior. Der M. subclavius entspringt von der ersten erweitert werden, ist es schwierig, diese Nerven zu scho-
Rippe und dem Manubrium und setzt an der Unterseite nen. Nichtsdestotrotz empfehlen manche Autoren, diese
der Klavikula an (60, 61). Nerven so weit wie möglich darzustellen und unversehrt
Hinter der Klavikula, vor den großen Gefäßen und Ner- zu lassen (Abb. 10.28).
ven, die vom Hals in die Achsel ziehen, liegt eine myofas- Nach Dissektion der oberen Schicht wird das Platysma
ziale Schicht bestehend aus der omohyoidealen und der mit einem Skalpell scharf von der Vorderkante der Klavi-
254 10 Verletzungen des Schultergürtels

Draht die Reposition halten, während die Fasszange ent-


fernt und die Platte angebogen wird. Eine Neutralisie-
rungsplatte mit mindestens sechsmaliger Fixation in der
Kortikalis wird auf beiden Seiten der Fraktur angebracht
(Abb. 10.28). Die Platte kann im vorderen unteren Bereich
zu liegen kommen, um sie besonders bei schlanken Pa-
tienten nicht durch die Haut sichtbar werden zu lassen
(Abb. 10.29). Diese Positionierung erlaubt außerdem die
Schraubenanlage weg von den empfindlichen Gefäßen
und Nerven unterhalb der Klavikula. Bei den meisten
Patienten wird die 3,5 mm starke Kompressionsplatte
wegen ihrer Stärke ausgewählt. Bei kleineren Personen
kann eine 2,7 mm starke dynamische Kompressionsplatte
empfehlenswert sein. Bei jungen Patienten kann auch
Abb. 10.28 Intraoperatives Foto des vorderen Zugangs bei eine 2,5 mm starke Rekonstruktionsplatte wegen der
Klavikulafraktur. In diesem Fall wurde eine vordere untere Plat- schnellen Knochenheilung angelegt werden.
te angelegt. Infolge dieser Positionierung ist die Platte weniger Bei der kranialen Positionierung der Platte liegt der
prominent und störend. Ein Ast des N. supraclavicularis kreuzt Vorteil in einer geringeren Denudierung der Weichteile
die Platte schräg. Wann immer möglich, versuchen die Autoren vom vorderen Anteil der Klavikula. Wegen der möglichen
diese Nerven zu schonen, um postoperative Nervenschäden zu
Irritation der sehr dünnen Weichteile über der Platte,
vermeiden. In diesem Fall wird zwar eine Rekonstruktionsplatte
gezeigt, wir raten wegen des häufigen Implantatversagens im sollten hier jedoch optimal angepasste Platten verwendet
Vergleich zur Standardplatte jedoch eher von der Nutzung die- werden. Hierzu werden mittlerweile sehr schöne ana-
ser Platten ab, außer bei der Versorgung junger, schnell heilen- tomisch vorkonturierte Platten angeboten.
der Patienten. Eine wesentliche Schwierigkeit bei der Versorgung von
Klavikulafrakturen ist der Ausgleich der deformierenden
Kräfte, die auf das nach superior verschobene proximale
(mediale) Fragment wirken, verstärkt durch den per
Schwerkraft nach unten wirkenden Zug des distalen Frag-
ments. Besonders wenn eine breite Trümmerzone den
Einsatz der Repositionszange erschwert, ist die Osteosyn-
these sehr anspruchsvoll. Anstatt unter Mühen ein zer-
10 trümmertes Segment zu rekonstruieren, was in der Regel
zu verzögerter oder verhinderter Heilung aufgrund der
verschlechterten Blutversorgung führt, sollte eine Über-
brückungsplatte angelegt werden. Zunächst wird eine ge-
eignete Platte mit nicht weniger als 6 Kontaktpunkten
am medialen Fragment befestigt. Danach wird durch Ma-
nipulation der Schulter durch Bewegung des Armes das
Abb. 10.29 Diese a.–p. Röntgenaufnahme zeigt die bevorzug- laterale Fragment an das mediale Fragment herangeführt.
te Positionierung einer Platte an der vorderen unteren Kante Wenn der Arm nicht offen liegt, kann das Manöver auch
der Klavikula. Die Platte ist dort durch die Haut nicht tastbar. In durch die Abdeckung hindurch erfolgen. Mithilfe einer
diesem Fall kam es zur Primärheilung nach neutralisierender spitzen Knochenrepositionszange lateral der Fraktur
Anlage einer 3,5-mm-Kompressionsplatte und Zugschrauben. kann das distale Fragment sodann an die Platte angelegt
Aktuell müssen vorgebogene Platten an der Oberseite der Kla-
werden. Die Fraktur selbst muss nicht berührt werden.
vikula angebracht werden, was einer der Nachteile ihrer An-
wendung ist. Die laterale Fixierung wiederum erfordert ein Minimum
von 6 Kontaktpunkten.
Platysma und Unterhaut werden mit geflochtenem, re-
sorbierbarem Nachtmaterial der Stärke 2-0, die Epider-
kula abgesetzt. Die folgende supraperiostale Dissektion mis intrakutan mit fortlaufendem resorbierbarem Faden
der Klavikulavorderkante legt die Fraktur frei. Eine nach der Stärke 4-0 genäht.
inferior und kaudal reichende Dissektion durch Mobili-
sierung von Teilen des Ursprungs des M. pectoralis wird
wegen des breiten Ursprungs in der Regel gut toleriert.
Eine einfache Querfraktur kann nach Reposition mit
der Fasszange per Zugschraube der Stärke 2,7 oder
3,5 mm (Platzierung senkrecht zur Fraktur) versorgt wer-
den. Wenn nötig, kann ein provisorischer Kirschner-
Klavikulafrakturen 255

Tipps und Tricks


■ Es kann hilfreich sein, die Platte vor Beginn der Ope-
ration an einem Knochenmodell vorzubiegen. Be-
sonders wenn die Fraktur verschoben oder zertrüm-
mert ist, ist eine genaue Beurteilung der Knochen
intraoperativ sehr schwierig. Alternativ können auch
vorgeformte Platten eingesetzt werden.
■ In der Regel sind 6 Kontaktpunkte auf jeder Seite
der Fraktur ausreichend. Bei Trümmerfrakturen oder
bei Patienten mit Osteoporose müssen jedoch häu-
fig mehr Schrauben gesetzt werden. In beiden ge-
nannten Situationen sollte der Einsatz einer Verrie- Abb. 10.30 Röntgenaufnahme einer neuen vorgeformten
gelungsplatte erwogen werden. Die Verriegelungs- Platte. Diese wird von einigen Chirurgen bevorzugt. Aufgrund
ihrer Platzierung an der Zugspannungsseite der Klavikula hat
platte ist auch vorzuziehen, wenn nicht genug Platz
sie bessere biomechanische Eigenschaften. Außerdem entfällt
auf den Knochenfragmenten für die Anlage von
die Vorbereitungsarbeit des Zurechtbiegens. Die Autoren set-
mehr als 6 Kontaktpunkten vorhanden ist. zen dieses Implantat bei ipsilateraler Skapulahalsfraktur und
gleichzeitiger Klavikulaversorgung ein. Dann wird die Klavikula
durch den gleichen Zugang wie der hintere Glenoidfortsatz
Rehabilitation erreicht.

In der ersten Woche wird eine Schlinge getragen, in wel-


cher leichte Pendelübungen erlaubt sind. Danach wird
das Training forciert. Aktive und passive Übungen zur seren Kosmetik. Nachtteilig erweist sich neben der ver-
Erweiterung des Bewegungsradius sind zu empfehlen. mehrten intraoperativen Röntgenzeit jedoch die Tatsa-
Nach 6 Wochen kann der Patient aggressivere aktive che, dass gelegentlich das geschlossene Aufnehmen des
Übungen und leichtes Gewichtheben mit 1 – 2 kg begin- lateralen Fragments nicht gelingt, weil der Markraum
nen. Nach 3 Monaten ist in der Regel eine gute Funktion nicht ohne zusätzliches Aufbohren zu penetrieren ist. In
wiederhergestellt. Dann können alle Einschränkungen diesen Fällen ist meist eine zusätzliche Inzision über der
aufgehoben werden. Parallel ist nach 3 Monaten in der Fraktur (ca. 3 cm) notwendig, um nach Erweiterung des
Regel die Knochenheilung auch im Röntgenbild komplett. lateralen Markraums (z. B. mit einem Pfriem) den Mark-
Die gewohnte Kraft und Beweglichkeit der Schulter wie- nagel offen einzuführen. Trotz dieses semi-geschlossenen
derzuerlangen kann jedoch besonders beim älteren Pa- Vorgehens stellt die Marknagelung in einigen Kliniken 10
tienten noch Monate dauern. das gegenüber der offenen Plattenostesynthese bevorzug-
te Verfahren dar.
Neue Techniken
Ergebnisse
Relativ neu wurden anatomisch vorgeformte Implantate
zur Anbringung an der Oberkante der Klavikula einge- Viele Autoren sind der Ansicht, eine routinemäßige ope-
führt. Ihr Vorteil besteht darin, dass die Biegung der Plat- rative Versorgung der Klavikulafraktur sei nicht erforder-
te zur Anpassung an das kurvige mittlere und distale lich (49, 57). Die Nichtheilungsrate bei konservativer Be-
Drittel der Klavikula entfällt. Damit wird eine indirekte handlung ist mit 0,1 – 0,8 % sehr gering (49, 57). Nichts-
Frakturrekonstruktion möglich, was insbesondere bei destotrotz können diese Daten missverständlich sein, da
Trümmerbrüchen die Ostesynthese erleichtert. Sie passen der größte Teil der Patienten mit Klavikulafraktur Kinder
nicht an die untere Kontur der Klavikula sondern werden und Jugendliche sind. Unverschobene Frakturen des mitt-
an der biomechanisch vorteilhaften Zugspannungsseite leren Klavikuladrittels sind bei Kindern, dislozierte Frak-
der Klavikula befestigt (Abb. 10.30). turen des lateralen Drittels bei älteren Erwachsenen häu-
In den letzten letzten Jahren wird zunehmend auch die fig (51, 63), weshalb ältere Patienten eine schlechtere
Marknagelung der Klavikula über einen von medial ein- Ergebnisquote haben. Stanley u. Norris berichten, dass
gebrachten Titannagel (Stärke zwischen 2 und 4 mm) das Alter des Patienten Einfluss auf die Heilungstendenz
durchgeführt. Voraussetzung ist eine mittig gelegene hat (56). 33 % der über 30-Jährigen haben auch 3 Monate
Fraktur (Allman Typ I) mit einem ausreichend langen la- nach der Fraktur noch Beschwerden.
teralen Fragment, welches genug Anteil von röhrenförmig
konfiguriertem Knochen bietet, um die stabile distale
Komplikationen
Verankerung des Marknagels zu gewährleisten. Außer-
dem muss der Patient auf einem strahlendurchlässigen Patienten sollten direkt am Anfang darüber aufgeklärt
Tisch gelagert werden. Der Vorteil liegt vor allem in der werden, dass bei konservativer Behandlung am Ort der
deutlich verminderten Zugangsmorbidität und der bes- Fraktur eine bleibende Schwellung zu erwarten ist. Publi-
256 10 Verletzungen des Schultergürtels

zierte Nichtheilungsraten bewegen sich zwischen 0,1 und


Merke
0,8 % (49, 57). Distale Frakturen hingegen sind mit einer
Nichtheilungsrate von etwa 30 % behaftet (45, 64, 66). ■ Die Ausreifung und Fusion der sekundären Knochenker-
Risikofaktoren sind Dislokation und Alter (66). Mögli- ne um das AC-Gelenk findet hinsichtlich des akromialen
cherweise spiegeln die höheren Nichtheilungsraten aus Teils um das 17. Lebensjahr, an der distalen Klavikula
jüngeren Studien verschiedene Frakturmuster nach um das 24. Lebensjahr statt.
Hochenergietraumen wieder. Mit der Nichtheilung ver-
■ Die Kapsel des AC-Gelenks ist an den oberen und hin-
bundene Komplikationen sind u. a. limitierte Schulter- teren Stellen am stärksten.
funktion, neurologische Symptome, thorakales Outlet-
■ Begleitverletzungen treten bei 90 % der Patienten mit
Skapulafraktur auf.
syndrom und arterielle Ischämie (67 – 70).
■ 13 % der Patienten mit Skapulafraktur erleiden eine Lä-
sion des Plexus brachialis. Verletzungen der Hals- und
Brustwirbelsäule sind in 1 von 5 Fällen mit einer Skapu-
lafraktur assoziiert.

Inhalt der DVDs

Video 10-1 (DVD 2) Osteosynthese der distalen Klavikula- Video 10-3 (DVD 2) Rekonstruktion einer Pseudarthrose
fraktur unter Verwendung einer Hakenplatte. Dieses der Klavikula. Dieses Video zeigt die Osteosynthese einer
Video zeigt die Implantation einer Hakenplatte zur Repositi- Klavikulapseudarthrose. Eine signifikante Dislokation und an-
on und Stabilisierung einer Klavikulafraktur und eines AC- haltende Schmerzen bei Überkopfarbeiten nach 6 – 8 Wo-
Gelenks bei einem Patienten, welcher zusätzlich wegen chen erforderten eine operative Intervention. Nach sorgfälti-
einer Skapulafraktur osteosynthetisch versorgt wurde. ger Abtragung des Kallus wurde die Platte mit Zugschrauben
Video 10-2 (DVD 2) Osteosynthese der Skapula per hin- fixiert und eine anatomische Rekonstruktion erreicht.
terem Zugang und intermuskulärem Fenster. Dieses
Video zeigt die Reparatur einer Skapulatrümmerfraktur per
Judet-Zugang in Kombination mit einem intermuskulären
Fenster mit Zugang zur lateralen Skapula.

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10
Proximale Humerusfrakturen 259

11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation


A. H. Schmidt
Übersetzer: S. Ruchholtz

Proximale Humerusfrakturen sind häufig. Sie machen 5 % Beginn bessere Ergebnisse gesehen (14). Ist eine Fraktur
der Gesamtheit aller Frakturen aus. Besonders häufig des proximalen Humerus entweder gravierend disloziert
sind ältere Personen mit Osteoporose nach Stürzen be- oder zu instabil für die frühe Bewegungsübung, sollte bei
troffen. Die Inzidenz steigt mit der demografischen Ent- jedem Patienten, der eine maximale Funktion der Schul-
wicklung. Auch jüngere Patienten können eine proximale ter wiedererlangen möchte, operativ interveniert wer-
Humerusfraktur erleiden, in der Regel als Folge eines den. Ob dies am besten per Osteosynthese oder Prothese
Hochrasanztraumas. Hier sind in vielen Fällen Begleitver- geschieht, hängt von den Erwartungen und Bedürfnissen
letzungen vorhanden wie Gefäß-Nerven-Läsionen sowie des Patienten, vom Frakturtyp, von der Knochenqualität,
Verletzungen der Hals- und Brustwirbelsäule. Im Laufe von dem Vorhandensein geeigneter Implantate und von
des letzten Jahrzehnts wurden lebhafte Kontroversen der Erfahrung des Operateurs ab.
über die Bedeutung der konservativen gegenüber der Die Stabilisierung des proximalen Humerus bei Poly-
operativen Therapie der proximalen Humerusfraktur ge- traumapatienten mit früher Übungsstabilität und Ge-
führt (1 – 4). Darüber hinaus bestand Uneinigkeit über die wichtsbelastung der betroffenen Extremität wird weiter-
operative Technik, ob also die Osteosynthese oder die hin empfohlen. Durch die Anwendung neuer Techniken
prothetische Versorgung vorzuziehen sei. Techniken und wie Marknagelung oder Verriegelungssystemen kann
Implantate sowohl für eine Osteosynthese der proxima- eine weniger invasive Osteosynthese vorgenommen wer-
len Humerusfraktur als auch für die Schulterprothese den (15). Es gibt allerdings nur wenige Studien mit diesen
sind in den vergangenen Jahren deutlich verbessert wor- Verfahren, sodass sie nicht als Standardverfahren angese-
den (5 – 7). In laufenden Studien werden die Vorzüge der hen werden sollten.
konkurrierenden Techniken verglichen (8).
Luxationen des Schultergelenks sind ebenso sehr häu-
Klassifikation
fig und betreffen Patienten aller Altersstufen. Das Thera-
pieziel ist die rasche Reposition und Rehabilitation zu Mit der sorgfältigen und umfassenden Einschätzung der
voller Funktion. Das Rezidivrisiko ist schwer zu beziffern funktionalen Bedürfnisse und Möglichkeiten des Patien-
(9, 10). Sportliche jüngere Patienten neigen nach trauma- ten, der Untersuchung auf kognitive oder physische Ein-
tischer Schulterluxation jedoch in einem hohem Maße zu schränkungen, der genauen Analyse der Fraktur, der Kno-
Rezidiven. Für diese Patienten kann eine arthroskopische chenqualität, der Besprechung der patientenseitigen Er-
Evaluation der reponierten Schulter nach Luxation eine wartungen und seiner Rehabilitationsfähigkeit beginnt
sinnvolle Abschätzung des Instabilitätsrisikos erlauben. In das Management der proximalen Humerusfraktur. Das
11
der Folge ist eine frühe Reparatur im Einzelfall eine gute Ziel der Behandlung ist die Frakturheilung in Verbindung
Möglichkeit, um die chronische Instabilität zu verhindern mit maximalem Funktionserhalt unter Vermeidung von
(11, 12). Ältere Patienten haben häufig eine begleitende Komplikationen. Darüber hinaus müssen die Erfahrung
Verletzung der Rotatorenmanschette. Dann sollte eben- des Operateurs und die vorhandenen Ressourcen in Be-
falls eine operative Versorgung in Erwägung gezogen tracht gezogen werden.
werden (11, 13). Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung der
proximalen Humerusfraktur oder der Schulterluxation
ist die Kenntnis der komplexen Anatomie des Schulter-
Proximale Humerusfrakturen gürtels. Frakturen des proximalen Humerus zeigen typi-
sche Muster. Die Dislokation der einzelnen Fragmente
Das oberste Prinzip bei der Therapie der proximalen Hu- durch den Zug der verschiedenen ansetzenden Muskeln
merusfraktur ist die Wiederherstellung einer normalen lässt sich gut vorhersagen (Abb. 11.1). Darüber hinaus
Funktion. Die Beweglichkeit der Schulter ist abhängig beeinflussen die muskuläre und neurovaskuläre Ana-
vom Bewegungsausmaß des Humeruskopfs, der Rotato- tomie des proximalen Humerus die Behandlung und die
renmanschette und des M. deltoideus. Kapselverklebun- Komplikationen.
gen oder Verlust dieser Gleitstrukturen machen die Die Klassifikation nach Neer bleibt der weltweite Stan-
Schulter steif und schmerzhaft. Die frühe Mobilisation dard für die Evaluation und Diskussion dieser Verletzun-
auch nach nichtdislozierten proximalen Humerusfraktu- gen. Die Klassifikation nach Neer beurteilt die Dislokation
ren ist als wichtiger Faktor identifiziert worden (14). Bei oder Abwinkelung jeder der 4 großen Segmente des pro-
Beginn der aktiven Bewegung vor Ablauf von 14 Tagen ximalen Humerus: Humeruskopf, Tuberculum majus, Tu-
nach Trauma werden im Vergleich zu einem späteren berculum minus, und Schaft. Die AO/OTA-Klassifikation
260 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Fragment d.
Tuberculum
majus

Inzision

Fragment d.
Tuberculum minus

Abb. 11.1 Die Pathoanatomie proximaler Humerusfrakturen. Beachte die vorhersagbare Dislokation durch die Insertion der
Muskulatur.

(Arbeitsgemeinschaft ffür Osteosynthesefragen / Ortho- der Fraktur außer Frage steht (21), sollte man sich der
paedic Trauma Association) betont die Bedeutung der Einschränkungen dieser Aufnahme bewusst sein. Patien-
Blutversorgung des Humeruskopfs und hat 27 Unterord- ten und Röntgenassistenten sind der Aufnahme wegen
11 nungen, die eine sehr spezifische Identifikation der Frak- der Schmerzen bei der notwendigen Bewegung des
turen erlauben. Die eher alphanumerischen als deskripti- Armes eher abgeneigt. Außerdem zeigt sie die Abkippung
ven Bezeichnungen dieser Klassifikation sind jedoch re- des chirurgischen Halses nicht genau (22). Eine Alterna-
lativ schwierig zu handhaben und verstehen. tive zur Axillaaufnahme ist eine Aufnahme in genau ent-
Proximale Humerusfrakturen sind erwiesenermaßen gegengesetzter Richtung mit dem Arm in einer Schlinge;
sehr schwer in reproduzierbarer Art zu klassifizieren. oder man zieht die transversen Schnitte bzw. Rekonstruk-
Verschiedene Studien haben eine schlechte Inter- und tion einer CT-Aufnahme heran. In jedem Fall bestätigt die
Intraobserverreliabilität. Die Reliabiltät kann weder axilläre Röngten- oder CT-Aufnahme die Notwendigkeit
durch simplifizierte Klassifikationsschemata noch durch der Operation, zeigt, ob sich im Gelenk freie Gelenkkör-
den zusätzlichen Einsatz von CT-Diagnostik gesteigert per befinden, diagnostiziert Glenoidfrakturen und be-
werden (17 – 20). Vierfragmentfrakturen werden in der stimmt das Ausmaß und die Richtung der Dislokation
Regel noch weiter unterteilt, da valgusimpaktierte Vier- der Tuberkula.
fragmentfrakturen eine bessere Prognose haben als an- Obwohl fortgeschrittene Bildgebungsverfahren die Ver-
dere (7). lässlichkeit der Klassifikation nicht erhöhen, stellt die CT
Die Diagnose einer proximalen Humerusfraktur ist ein- im Einzelfall eine nützliche und manchmal notwendige
deutig. Der Patient klagt über Schmerzen und eine Unterstützung bei der Beurteilung der proximalen Hu-
Schwellung der Schulter nach einer Verletzung. Die Diag- merusfrakturen dar (23). Die CT liefert wichtige Informa-
nose wird durch die Bildgebung bestätigt. Zunächst wer- tionen über den Grad der Zertrümmerung, die Existenz
den konventionelle Röntgenbilder, nämlich die bekannte intraartikulärer Frakturlinien, glenohumeraler Subluxa-
Schulterserie mit a.–p. Aufnahme, tangentialer Skapula- tionen oder artikulärer Impaktierung sowie die eventu-
und Axillaaufnahme angefertigt (Abb. 11.2). Obwohl die elle Frakturierung des Tuberculum minus (Abb. 11.3). Für
Bedeutung der Axillaaufnahme für die Klassifizierung die klinische Entscheidungsfindung essenziell ist die Un-
Proximale Humerusfrakturen 261

Abb. 11.2 Die Schulter-Traumaserie mit a.–p. (mittleres Bild), lateraler Skapula- (linkes Bild) und Axillaaufnahme (rechtes Bild).

11

Abb. 11.4 Röntgenbilder einer stabilen valgusimpaktierten


Fraktur. Diese ist durch den eher nach oben als zum Glenoid
weisenden Stand des Humeruskopfs charakterisiert. Das Tuber-
Abb. 11.3 Ein axialer CT-Schnitt bei proximaler Humerusfrak- culum majus ist typischerweise disloziert.
tur. In der Nähe des Tuberculum minus sind einige nichtdis-
lozierte Frakturlinien sichtbar. Diese Frakturlinien können Aus-
wirkungen auf die Blutversorgung des Humeruskopfs haben.
Das glenohumerale Verhältnis erscheint normal. Wäre die mentfraktur eingeteilt. Dann sind Prognose und thera-
Schulter disloziert, wäre dies in der Abbildung zu sehen, ge- peutisches Vorgehen in der Folge von dem hohen Risiko
nauso wie jegliche Impaktierung des Humeruskopfs. der avaskulären Kopfnekokrose des Humerus bestimmt.
Eine besondere Frakturform hat eine spezielle Beach-
tung verdient. Im Jahr 1991 beschrieben Jakob et al. die
terscheidung von Drei- und Vierfragmentfrakturen. Diese valgusimpaktierte Vierfragmentfraktur des proximalen
Frage lässt sich anhand der Beurteilung des Tuberculum Humerus (24). Diese Fraktur erscheint typisch als einge-
minus beantworten. Ist es nicht gebrochen und an sei- stauchtes Gelenksegment, welches in den vom Tubercu-
nem Platz am Humeruskopf verblieben, kann die Blutver- lum majus verlassenen Raum fällt, sodass die Gelenkflä-
sorgung des Humeruskopfs als gesichert gelten. che nach oben weist (Abb. 11.4). Unter diesen Umständen
Die Fraktur kann dann durch Reposition von Kopf und bleiben trotz der Zertrümmerung die am Gelenksegment
Schaft mit der Korrektur der Dislokation der Tuberkula anhaftenden Weichteile intakt. Dadurch wird die Osteo-
versorgt werden. Ist neben dem Tuberculum majus auch synthese erleichtert und die Vitalität des Gelenksegments
das Tuberculum minus disloziert, wird sie als Vierfrag- erhöht. Bei der ursprünglichen Beschreibung dieser Frak-
262 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

tur berichteten Jakob et al., dass die Osteonekroserate in Ein Jahr nach der Verletzung hatten 80 % der meist älte-
ihrer Serie von 19 solcher Frakturen nur bei 26 % lag, ren Patienten ein gutes bis sehr gutes Ergebnis, trotz
niedriger als bei der Vierfragmentfraktur typischerweise bleibender Defizite hinsichtlich Stärke und Bewegungs-
zu erwarten ist (24). umfang (25).

Konservative Behandlung Indikationen zur konservativen Behandlung


Die meisten proximalen Humerusfrakturen sind nur ge- Wichtige Voraussetzungen für eine konservative Therapie
ring disloziert. Diese stabilen Frakturen können durch sind Übungsstabilität und nur geringfügige Dislokation
kurzzeitige Ruhigstellung in einer Schlinge behandelt der Fraktur (Abb. 11.5). Bei der ersten Untersuchung soll-
werden (Abb. 11.5). Funktionsübungen können begonnen te überprüft werden, dass sich bei Bewegung des Armes
werden sobald es die Schmerzen erlauben. Koval et al. das Schultergelenk und nicht die Fraktur bewegt. Das
konnten zeigen, dass ein Beginn der Therapie innerhalb Tuberculum majus sollte nicht deutlich nach hinten oder
von 14 Tagen das funktionale Ergebnis verbessern kann oben disloziert sein. Nichtkorrigierte Dislokationen der
(14). Tuberkula haben ungünstige Auswirkungen auf die Funk-
Bei proximalen Humerusfrakturen hat die Kombination tion der Rotatorenmanschette. Eine unterbleibende Ver-
aus mangelndem operativ-technischen Konsens und bindung des chirurgischen Halses hat Auswirkungen auf
hohen Komplikationsraten zu einer großen Zahl an kon- den Bewegungsumfang. Ein Patient mit hohen Funktions-
servativen Behandlungen geführt. Im Allgemeinen bietet ansprüchen und einer dislozierten proximalen Humerus-
die Literatur wenig hochqualitative Untersuchungen zum fraktur sollte eher operativ versorgt werden, um früh mit
Vergleich der konservativen Behandlung und spezifischer Bewegungsübungen beginnen zu können.
operativer Therapieverfahren. Eine jüngst publizierte Me-
taanalyse zur Behandlung von Drei- und Vierfragment- Repositionstechniken
frakturen stellte bei konservativ behandelten Patienten
mehr Schmerzen und eine schlechtere Beweglichkeit Die Dislokation des Tuberculums majus ist konservativ
fest als bei mit Prothese oder Ostesynthese versorgten schwer zu beherrschen. Eine Ausnahme ist die Fraktur
Patienten (2). des Tuberkulums in Verbindung mit der Schulterluxation.
Court-Brown berichtet über eine Serie von 125 valgus- In diesem Fall kann nach dem Einrenken die Dislokation
impaktierten Frakturen mit konservativer Behandlung. des Tuberkulums ebenfalls aufgehoben sein.

11

a b

Abb. 11.5 b Die Nachuntersuchungsbilder 12 Wochen nach der Verlet-


a Eine Dreifragmentfraktur (chirurgischer Hals und Tubercu- zung zeigen eine gute Knochenheilung und eine ausreichende
lum majus) bei einer älteren weiblichen Patientin. Die Patientin Stellung. Die Patientin hatte keine Schmerzen und erreichte
trug eine Schlinge und machte früh Bewegungsübungen. leicht mit der Hand ihren Scheitel.
Proximale Humerusfrakturen 263

Dislozierte Frakturen des chirurgischen Halses können tiver Weise, basierend auf dem Verstehen der Frakturlini-
im Einzelfall durch Traktion am betroffenen Arm in Ad- en und der Dislokationen. Frakturen des proximalen Hu-
duktion behandelt werden. Die Adduktion neutralisiert merus schließen entweder den chirurgischen Hals oder
die deformierende Kraft des M. pectoralis, der am dis- die Tuberkula oder beide gleichzeitig ein. Auf der anderen
talen Fragment inseriert. Kann die Fraktur impaktiert Seite beeinflusst die Dislokation der Fragmente die bio-
werden und verbleibt sie in einer stabilen Position, ist mechanische Funktion der Schulter und die Vaskularisie-
ein konservatives Vorgehen geeignet. rung der Fragmente. Beide Aspekte müssen bei jedem
identifizierten Fragment beachtet werden. Ein weiterer
Schienenverbände wichtiger Gesichtspunkt ist die Stabilität der Fraktur. Als
stabil angesehen werden Frakturen, die eine frühe funk-
Schienenverbände sind bei der proximalen Humerusfrak- tionale Bewegung erlauben. Im Allgemeinen ist ein ope-
tur wegen der starken Deformationskräfte der umliegen- ratives Vorgehen indiziert, wenn die Instabilität der Frak-
den Muskulatur eher ungeeignet. Früher wurde in be- tur eine frühe funktionelle Bewegung verhindert oder
stimmten Fällen ein sogenannter Thoraxabduktionsgips wenn das Frakturmuster abträgliche Eigenschaften auf-
mit der Schulter in Abduktion oder Anteversion ange- weist, welche in späteren Abschnitten besprochen wer-
bracht. Da eine solche Position schwer zu tolerieren ist, den. Frakturen des chirurgischen Halses können nichtdis-
gibt es aus Sicht der Autoren keine Indikation für diese loziert oder disloziert sein, einfach oder fragmentiert.
Behandlungsform. Dislozierte Frakturen des chirurgischen Halses sollten re-
poniert werden, um die translationale Dislokation und
Nachbehandlung Abkippung aufzuheben. Es gibt eine Reihe von Osteosyn-
thesetechniken, inklusive Plattenosteosynthese, perkuta-
Die frühe Funktionsübung mit größtmöglichem Bewe- ne Pindrahtversorgung, Zuggurtung, oder Marknagelung
gungsumfang korreliert mit den besten Ergebnissen. entweder mit flexiblen oder verriegelnden Systemen
Koval et al. konnten zudem zeigen, dass eine vor Ablauf (Abb. 11.6). In einigen Fällen ist die Versorgung mit
der ersten 14 Tage einsetzende Physiotherapie auch zu einer Prothese das Mittel der Wahl. Die ideale Versorgung
besseren Ergebnissen führte (14). Ihr Protokoll wird im im Einzelfall hängt von vielen Faktoren ab. Dazu gehören
Folgenden beschrieben. der Grad der Zertrümmerung, die Qualität des Knochens
Zunächst wurde für die anfängliche Schmerzbehand- und die Erfahrung des Operateurs. Isolierte Frakturen des
lung eine Schlinge angelegt. Alle Patienten wurden nach anatomischen Halses sind extrem selten und können
einer Woche nachuntersucht, lernten Bewegungsübun- beim jungen Patienten mit einer Pin-Draht- oder Schrau-
gen und wurden in der Folge von Physiotherapeuten mit- benosteosynthese, beim älteren Patienten mit einer Pro-
betreut. Die Physiotherapeuten kontrollierten die aktiven these behandelt werden. Wesentlich häufiger ist die Frak-
Bewegungsübungen für Ellbogen, Handgelenk und Hand tur des anatomischen Halses mit komplexeren Frakturen,
in Kombination mit passiven Bewegungsübungen für die die auch die Tuberkula und die metaphysäre Region be-
verletzte Schulter zweimal pro Woche. Die Schulterübun- treffen, kombiniert (Abb. 11.7). Bei diesen Verletzungen
gen begannen in Rückenlage des Patienten für die Ante- ist die Metaphyse zertrümmert, während das artikuläre
11
version, Außenrotation und Innenrotation zur Brust. Zu- Segment als gut definiertes Fragment erscheint. Chirurgi-
sätzlich wurden die Patienten gebeten, die Übungen bis sche Indikationen sind bei diesen komplexeren Frakturen
zu 4-mal täglich zuhause zu machen. Die Schlinge wurde kontroversen Diskussionen unterworfen und werden in
4 – 6 Wochen, bis zur klinischen Heilung, beibehalten. späteren Abschnitten besprochen.
Danach wurden aktive Übungen für den Bewegungs- Isolierte Frakturen des Tuberculum majus treten nicht
umfang, zunächst noch in Rückenlage, dann in sitzender selten in Kombination mit einer vorderen Schulterluxa-
Position des Patienten begonnen. Schließlich wurden iso- tion auf. Das Tuberkulum disloziert vorzugsweise nach
metrische Übungen zur Stärkung des M. deltoideus und oben oder hinten oder beides. Die posteriore Dislokation
der Rotatorenmanschette hinzugefügt. Sobald eine nen- ist auf dem Röntgenbild schwieriger zu sehen, sodass
nenswerte aktive Beweglichkeit der Schulter wiederher- eine CT notwendig sein kann. Beide Muster der Disloka-
gestellt werden konnte, wurden zusätzlich Übungen tion bergen die Gefahr eines Impingements gegen das
gegen Widerstand für den M. deltoideus und die Rotato- Akromion. Dislozierte Fragmente des Tuberkulums soll-
renmanschette begonnen. Etwa 12 Wochen nach der ten reponiert und fixiert werden (Abb. 11.8). Der Grad
Fraktur wurde ein kräftigeres physiotherapeutisches Pro- der hinnehmbaren Dislokation ist Thema von Kontrover-
gramm gestartet. sen. Eine Studie zeigte, dass schon die Dislokation um
3 mm bei sportlichen Personen zu Symptomen von Im-
pingement führt (26). Es ist allgemein akzeptiert, dass
Indikationen zur operativen Therapie
5 mm Dislokation eine Indikation zur operativen Inter-
Obwohl die Klassifikation nach Neer oft für die chirurgi- vention bei Patienten bedeutet, die ihren Arm für Über-
sche Entscheidungsfindung herangezogen wird, nähern kopfarbeiten gebrauchen. Zuggurtungsverfahren unter
wir uns der chirurgischen Entscheidung eher in deskrip- Verwendung von Draht oder starkem Faden haben exzel-
264 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

11
b

Abb. 11.6
a Beispiel einer dislozierten Fraktur des chirurgischen Halses
bei einem jungen Patienten. In diesem Fall ist der Humeruskopf
b
in Varusstellung abgekippt. Es ist eine Trümmerzone zu sehen.
Beachte, dass das Profil des Sulkus der langen Bizepssehne auf
Abb. 11.7
der lateralen Skapulaaufnahme zu erkennen ist (linkes Bild).
a Beispiel einer Trümmerfraktur. Sowohl beide Tuberkula als
b Postoperative Kontrollen nach Osteosynthese mit einer win-
auch der Humeruskopf sind gebrochen. Das Resultat ist eine
kelstabilen proximalen Humerusplatte. Beachte, dass eine der
Vierfragmentfraktur.
vorderen Schrauben etwas länger ist und scheinbar über den
b Röntgenbilder 6 Monate nach limitierter Osteosynthese mit
subchondralen Knochen hinausragt.
Halbrohrplatte und nichtresorbierbarem Faden. Eine gering-
fügige Dislokation und Stauchung (Kollaps) der Metaphyse blei-
ben bestehen. Der Patient nahm seine Arbeit als Installateur
lente Ergebnisse (Abb. 11.9). Die Anlage einer Schrauben- wieder auf. Diese Form der nichtwinkelstabilen Plattenosteo-
synthese ist jedoch nur bei guter Qualität des Knochens emp-
osteosynthese kann bei geringgradiger Zerstörung und
fehlenswert.
guter Knochenqualität erwogen werden. Insbesondere
bei primär dislozierten Frakturen des Tuberculum majus
ist diese Form der Osteosynthese jedoch der Gefahr einer
sekundären Dislokation durch den Zug des M. supraspi- Große Fragmente des Tuberculum minus können bei Dis-
natus ausgesetzt. lokation eine osteosynthetische Versorgung erfordern.
Isolierte Frakturen des Tuberculum minus sind selten Viele proximale Humerusfrakturen stellen verschiede-
und können mit Dislokationen nach hinten einhergehen. ne Kombinationsmuster dieser elementaren Frakturen
Proximale Humerusfrakturen 265

ren sind primär vom Grad der Dislokation des Tuberku-


lums oder der Abkippung von Kopf und Hals abhängig
(23). In bis zu 27 % der Dreifragmentfrakturen kommt
eine avaskuläre Nekrose vor. Diese ist häufig asymptoma-
tisch, weil nur ein Teil des Humeruskopfs beteiligt ist
(Abb. 11.10; 23). Daher sollten Dreifragmentfrakturen
des proximalen Humerus eher hinsichtlich der biomecha-
nischen Konsequenzen der Fraktur als in Bezug auf die
Blutversorgung des Humeruskopfs behandelt werden
(23). Steht eine volle Restitution der Funktion des
Armes für den Patienten im Vordergrund, sollte eine Fi-
xierung der dislozierten Tuberkulafragmente erfolgen
sowie eine Korrektur der Stellung des Humeruskopfs
(s. Abb. 11.7).
Abb. 11.8 Dislozierte Fraktur des Tuberculum majus. In die- Für die Versorgung der Fraktur des chirurgischen Hal-
sem Fall liegt eine stabile valgusimpaktierte Fraktur des Hume- ses kann in Abhängigkeit von der Qualität des Knochens
ruskopfs vor. Das Tuberculum majus wurde durch Anhebung
jede Technik angewendet werden, in Kombination mit
des Humeruskopfs und Fixierung mit zwei Schrauben und einer
unsichtbaren Zuggurtung reponiert. Diese Form der isolierten Pin-Drahtfixierung und Zuggurtung des Tuberculum
Schraubenosteosynthese ist jedoch nur bei guter Qualität des majus (27).
Knochens empfehlenswert. Bei Vierfragmentfrakturen jedoch kommt die avaskulä-
re Kopfnekrose häufiger vor. Die Folgen sind typischer-
weise eine komplette Nekrose des Humeruskopfs, starke
dar. Dreifragmentfrakturen sind im Allgemeinen eine Schmerzen und Steifigkeit (23, 28). Die meist assoziierte
Kombination aus Fraktur des Collum chirurgicum und schlechte Knochenqualität und höhergradige Zertrüm-
einer Fraktur des Tuberculum majus (s. Abb. 11.4 und merung sind zusätzliche häufige Gründe für ein Scheitern
Abb. 11.5). Die Behandlungsergebnisse bei diesen Fraktu- der Osteosynthese. Daher basiert die Therapie der dis-

M. supraspinatus

Tuberculum M. subscapularis
majus
11

Tuberculum
minus

TM

Abb. 11.9 Eine Nahtosteosynthese bei dislozierter Dreifrag- fassen das dislozierte Tuberculum majus Fragment und das
mentfraktur mit offenem Zugang und Bandnaht. Die Fäden Fragment mit Tuberculum minus und Humeruskopf.
266 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Abb. 11.10 Beispiel einer Osteonekrose des Humeruskopfs Abb. 11.11 Eine valgusimpaktierte Fraktur mit mehr als 1 cm
nach minimal dislozierter Fraktur. Der Patient zeigte geringe lateraler Dislokation des Humeruskopfs im Vergleich zum
Beschwerden. Schaft (Pfeil). Dies weist auf eine Zerreißung der den Humerus-
kopf versorgenden Gefäße hin.

Abb. 11.12
a A.–p. Röntgenbild einer Trümmerfraktur
des Humeruskopfs. Beachte die Erscheinung
der Doppelkontur.
b Axiale CT-Aufnahme mit Darstellung der
Fraktur des Humeruskopfs, die die Gelenk-
flächen spaltet.
11

a b

lozierten Vierfragmentfrakturen eher auf biologischen als sen sein, und eine avaskuläre Nekrose wird wahrschein-
auf mechanischen Prinzipien. Viele Experten empfehlen licher. Liegt keine Verschiebung des Humeruskopfs vor,
eine prothetische Versorgung. Nichtsdestotrotz berichten ist seine Vitalität in der Regel nicht beeinträchtigt.
einige Autoren über eine erfolgreiche minimalinvasive Neuere Arbeiten zeigen, dass auch die Ergebnisse kon-
operative Therapie, was besonders für aktive Patienten servativer Behandlung der valgusimpaktierten Humerus-
in Betracht kommt, da die Ergebnisse der anatomischen frakturen zufriedenstellend sein können. Randomisierte
Frakturendoprothese häufig nur mittelmäßig sind (7). kontrollierte Studien sind erforderlich, um die Indikatio-
Liegt eine valgusimpaktierte Fraktur vor, muss besonders nen für ein operatives Vorgehen bei valgusimpaktierten
sorgfältig nach der lateralen Verlagerung des Humerus- Frakturen genau zu definieren. Bis solche Daten bereit-
kopfs gefahndet werden (Abb. 11.11; 7). Ist dies der Fall, stehen, muss der Operateur auf seine Erfahrung zurück-
können die medialen periostalen Gefäße durchaus geris- greifen und die Wünsche des Patienten beachten. Es
Proximale Humerusfrakturen 267

konnte gezeigt werden, dass die Schwere der Symptoma- Deltasplit-Zugang manchmal bei der Versorgung einer
tik aufgrund avaskulärer Nekrosen klar mit der bleiben- isolierten Fraktur des Tuberculum majus zum Einsatz
den Dislokation der Fragmente korreliert. Kann die Ana- kommt (Abb. 11.14). Der Deltasplit-Zugang kann mithilfe
tomie des Humeruskopfs stabil rekonstruiert werden, perkutanter Techniken der Plattenfixierung (z. B. über
sind die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit partieller Zielbügelsysteme) auch bei der minimalinvasiven Technik
avaskulärer Nekrose mit jenen von Patienten ohne eine verwendet werden.
Nekrose vergleichbar (28). Perkutane Zugänge sind für die Pin-Drahtversorgung
Indikationen für die prothetische Versorgung der des proximalen Humerus und die Insertion von Verriege-
Schulter sind klassischerweise die dislozierte (osteoporo- lungsschrauben beim Implantieren von Marknägeln er-
tische) Vierfragmentfraktur beim älteren Patienten, die forderlich. Die größte Gefahr beim perkutanen Zugang
Vierfragmentluxationsfraktur, die „Head-Split-Fraktur“ ist die iatrogene Schädigung von Zweigen des N. axillaris
und die Fraktur mit signifikanter Gelenkimpaktierung (Abb. 11.15; 29, 30). Der N. axillaris verlässt die laterale
(Abb. 11.12). Im Einzelfall wurden auch dislozierte Drei- Achsellücke und verzweigt sich an der Unterseite des M.
fragmentfrakturen bei Patienten mit Osteoporose prothe- deltoideus. In einer Leichenstudie zur Analyse des Risikos
tisch versorgt. Dieses Vorgehen hat sich jedoch angesichts bei der perkutanen Pin-Drahtversorgung wurde ein mitt-
der Entwicklung neuer Techniken für Frakturen, die sel- lerer Abstand des proximalen lateralen Pins von 3 mm
ten eine Osteonekrose nach sich ziehen, überholt. vom N. axillaris gemessen (30). Weitere anatomische
Strukturen sind in Gefahr durch die vorderen Pins: die
lange Bizepssehne (im Mittel 2 mm vom anterioren Pin
Operative Versorgung
entfernt, bei 3 von 10 Proben war die Sehne aufgespießt
Anatomie worden) und die V. cephalica (mittlerer Abstand 11 mm,
einmal perforiert). Schließlich kamen die Tuberkulum-
Drei Herangehensweisen stehen für die Rekonstruktion Pins 6 – 7 mm vom N. axillaris bzw. der A. circumflexa
der proximalen Humerusfraktur zu Verfügung: die offe- humeri zu liegen (30). Ähnliche Probleme sind bei ante-
ne, die minimalinvasive (bzw. mini-open) oder die per- graden Nägeln zu beachten. Die stumpfe Dissektion und
kutane Operation. Offene Verfahren verwenden häufig die Verwendung von Bohrhülsen macht die Insertion von
den deltopektoralen Zugang (Abb. 11.13), während der Verriegelungsschrauben sicherer. Trotz dieser theoreti-

Abb. 11.13 Die Anatomie des delto-


Tuberculum majus pektoralen Zugangs.
Proc. coracoideus

laterale Hälfte der


gemeinsamen
Sehne 11
Tuberculum
minus

V. cephalica
M. deltoideus

langer Kopf
der Bizepssehne
durchtrennter Anteil
des M. pectoralis major
268 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Abb. 11.14 Der Deltasplit-Zu-


Proc. acromialis gang. Beachte die Zweige des
M. trapezius
N. axillaris in einem Mindest-
abstand von 5 cm zum Akromion.
Durch Einführen des Fingers in die
mittlerer Anteil Bursa subacromialis kann der
des M. deltoideus Nerv in seinem Verlauf an der
Innenseite des M. deltoideus gut
getastet werden. Ggf. kann eine
Muskelnaht die unbeabsichtigte
vord. Anteil des
Verletzung verhindern.
M. deltoideus

V. cephalica

Naht M. pectoralis major

Äste des
N. axillaris

schen Risiken sind klinisch relevante neurovaskuläre


Frakturlinie Komplikationen sehr selten.
Beim deltopektoralen Zugang bestehen einige signifi-
kante Risiken (s. Abb. 11.13). Die V. cephalica markiert
die deltopektorale Grenze. Sie sollte identifiziert und ge-
meinsam mit dem M. deltoideus retrahiert werden. Wäh-
11 rend der tiefen Dissektion ist das Korakoid mit seinen
angrenzenden Muskelbändern eine wichtige Landmarke.
Fraktur- Die lange Bizepssehne dient als Wegweiser zu Tubercu-
linie
lum majus (lateral der Sehne) und minus (medial der
Sehne). Während der anfänglichen Exposition und Mobi-
lisation der Fraktur ist die Schonung der aus dem bogen-
förmigen Zweig der A. circumflexa humeri anterior ent-
springenden Gefäße, die im Sulkus der langen Bizepsseh-
ne verlaufen, und der Ansätze der Rotatorenmanschette
wichtig (s. Abb. 11.13).
Obwohl die Frakturmuster recht unterschiedlich er-
Äste des N.
axillaris scheinen, zerfällt der proximale Humerus in relativ kon-
sistente Fragmente (s. Abb. 11.1). Meistens sind Fraktur-
linien im Bereich des chirurgischen Halses und des Tuber-
culum majus zu finden.
Das Gelenksegment wird abhängig von den an den
Humeruskopf angrenzenden Weichteilstrukturen und je
nach Frakturtyp disloziert. Eine sorgfältige Beurteilung
der Frakturanatomie und der Dislokation des Humerus-
kopfs ermöglicht oft einen vernünftigen Plan für die not-
Abb. 11.15 Die erwünschte Platzierung der Pins im richtigen wendigen Operationsschritte. Beispielsweise disloziert
Abstand zum N. axillaris. bei der valgusimpaktierten Fraktur das Tuberculum ma-
Proximale Humerusfrakturen 269

jus, und der Humeruskopf „fällt“ in den entstehenden muss die Anatomie der Fraktur mit ihren deformierenden
proximalen Raum. Oft bleibt medial zwischen Humerus- Einflussfaktoren in Gänze verstanden werden. Neben der
kopf und -schaft eine Weichteilverbindung erhalten. Zur Reposition der Fraktur muss beim Einsatz mehrerer Pins
Versorgung dieser Fraktur wird der Humeruskopf durch zur Frakturstabilisierung für eine Divergenz der Pins in
direkte Manipulation (z. B. Stößel) mit medialem und den verschiedenen Ebenen gesorgt werden (s. Abb. 11.5).
proximalem Druck auf den lateralen Humeruskopf wie- Biomechanische Studien zeigen, dass die Stabilität der
der in seine normale Position gebracht. Dabei wird der Osteosynthese am besten ist, wenn bikortikale Tuberku-
Humeruskopf auf der intakten Weichteilverbindung wie lumdrähte und a.–p. Pins zu mindestens 2 lateralen Pins
auf einem Scharnier verdreht. Nach Reposition des Hu- hinzugefügt werden (33).
meruskopfs wird das Tuberculum majus reponiert, wo- Der Patient wird in Rückenlage oder Beach-Chair-Posi-
nach es die Retention des Humeruskopfs unterstützt. tion gelagert. Der Bildverstärker kommt an die verletzte
Seite parallel zum Operationstisch in die Nähe des Kop-
fes. So können a.–p. und axilläre Aufnahmen gemacht
Operationstechniken werden.
Die notwendigen Schritte zur Reposition der Fraktur
Allgemeine Überlegungen
sollten vor der Eröffnung und chirurgischen Präparation
Patienten, deren proximale Humerusfraktur operiert geübt werden. Fast immer findet sich eine apex-anteriore
wird, sollten eine prophylaktische Antibiotikatherapie er- Abkippung, welche durch Druck nach unten bei hoch-
halten. Bei mehrfach verletzten Patienten sollte die Hals- gehobenem Arm korrigiert werden kann (Abb. 11.16).
wirbelsäule abgeklärt werden, um die für die Operation Die Reposition der Tuberkula und die endgültige Osteo-
erforderliche Kopfposition zu erlauben. synthese des Humeruskopfs können durch perkutane Joy-
Die Fixierung aller Implantate im proximalen Humerus sticks erfolgen.
ist aufgrund der bei dieser Diagnose häufig assoziierten Mit dieser Technik wird die Fraktur durch multiple
Osteopenie limitiert. In einer jüngeren biomechanischen Kirschner-Drähte stabilisiert (Abb. 11.15 und Abb. 11.17).
Studie konnte eine Korrelation zwischen der Stärke der Die Drähte werden durch den nahen Kortex gebohrt, soll-
Schraubenfixierung und der Positionierung der Schrau- ten aber mit der Hand in den Humeruskopf eingebracht
ben im Humeruskopf festgestellt werden (31). An paa- werden. Zunächst wird der Humeruskopf mit dem be-
rigen Leichenproben konnte gezeigt werden, dass die schriebenen Manöver reponiert. Wenn nötig, wird ein
Pull-out-Ausrißfestigkeit am höchsten war, wenn die weiterer Draht als Joystick in den Humeruskopf für die
Schrauben subchondral im Zentrum des Humeruskopfs Reposition des Kopfes auf den Schaft gebohrt. Der erste
verankert waren (31). Pin wird retrograd in den anterolateralen Humerusschaft
Neuere biomechanische Studien evaluierten die relati- in das proximale Segment platziert. Ein zweiter Draht
ve Stärke verschiedener Methoden zur Osteosynthese des kann in einem etwas anderen Winkel divergierend in
proximalen Humerus (5). Bei Plattenosteosynthese ist of- den Humeruskopf eingebracht werden. Die Pins werden
fensichtlich die winkelstabile der konventionellen Platte
überlegen (5). Koval et al. verglichen an gefrorenen und
11
formalinfixierten Leichenknochen 10 Operationstech-
niken für die osteosynthetische Versorgung von proxima-
len Humerusfrakturen (6). Bei den gefrorenen Proben, die
für die Patienten mit guter Knochenqualität standen, er-
zielte die T-Platte die besten Ergebnisse. Bei den forma-
linfixierten Knochen, die wiederum als Modell für Osteo-
porose dienten, erreichte der Ender-Nagel mit Zuggur-
tung die beste osteosynthetische Verbindung. Bei beiden
Knochenarten war die Zuggurtung allein die schlechteste
Fixierung (6). In einem Osteotomiemodell konnte durch
Anwendung von Kalziumphosphatzement die Stabilität
nach Pin-Drahtung oder Kleeblatt- oder Klingenplatten-
osteosynthese auch bei osteoporotischem Knochen ver-
bessert werden.

Perkutane Pindrahtosteosynthese
Die perkutane Versorgung mit Pin-Drähten ist eine für Abb. 11.16 Intraoperatives Foto zur Darstellung, wie eine
viele proximale Humerusfrakturen anwendbare Technik. nach hinten gerichtete Krafteinwirkung am proximalen Hume-
Die einzige Voraussetzung ist die geschlossene oder per- rus die häufige apex-anteriore Abkippung des chirurgischen
kutane Reposition der Fraktur (Video 11-1, DVD 2). Dafür Halses aufheben kann.
270 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Abb. 11.17
a Beispiel einer abgekippten Fraktur des chirurgi-
schen Halses.
b Postoperative Bilder nach Osteosynthese mit vier
Kirschnerdrähten.
c c Röntgenbilder nach 6 Wochen.
d Röntgenbilder bei Ausheilung nach 3 Monaten.

11
vorsichtig vorgeschoben. Zusätzliche Pins werden bei Be-
Plattenosteosynthese
darf von der Höhe des Tuberculum majus nach medial in
den Humerushals gesetzt, sowie vorn in das Tuberculum Die Plattenosteosynthese zur Versorgung der proximalen
minus in den hinteren Humerus. Oft sind 7 – 8 Pins nötig. Humerusfraktur ist eine weitere sehr adaptationsfähige
Nach der Insertion werden die Drähte so tief wie möglich Technik zur Versorgung vieler Frakturmuster, von ein-
unter der Haut abgeschnitten. fachen dislozierten Frakturen des chirurgischen Halses
Die Nachsorge muss sehr sorgfältig erfolgen. Leider er- bis zu komplexen Mehrfragmentfrakturen (s. Abb. 11.6
möglichen die Pins nur eine eingeschränkte Bewegung und Abb. 11.7; Videos 11-2 und 11-3, DVD 2). Es werden
der Schulter, aber die Patienten dürfen Pendelübungen für die Plattenosteosynthese sowohl der deltopektorale
machen. Zugang als auch der minimalinvasive Deltasplit-Zugang
Zur Überwachung des Heilungsfortschritts kann eine beschrieben.
wöchentliche Nachuntersuchung notwendig sein. Manch- Neben dem Patienten in Beach-Chair-Position wird pa-
mal treten die Drähte prominent unter der Haut hervor, rallel zum Tisch am Kopfende der Bildverstärker platziert.
nachdem die Schwellung des Gewebes nachgelassen hat. Intraoperativ werden a.–p. und axilläre Bilder benötigt.
Dann müssen sie gekürzt werden. Die Drähte am Tuber- Das deltopektorale Intervall wird präpariert. Eine Abduk-
culum majus werden nach 4 Wochen, die übrigen nach tion der Schulter während des Zugangs entspannt den M.
6 – 8 Wochen entfernt. Nach der Entfernung der Pins er- deltoideus und erleichtert die Darstellung. Ein stumpfer
hält der Patient ein intensiveres Physiotherapiepro- Haken kann an der Seite des proximalen Schaftes gesetzt
gramm. werden, und der vordere Teil des Ansatzes des M. delto-
ideus kann bei Bedarf vom Humerus gelöst werden. Die
Sehnenansätze am Processus coracoideus werden identi-
Proximale Humerusfrakturen 271

fiziert und mit einem weiteren Haken nach medial retra- offenen Vorgehen. Die Operation selbst (hier dargestellt
hiert, besonders schonend wegen des Verlaufs der Nn. für das NCB-System) erfolgt in 9 Schritten:
musculocutaneus und axillaris. Der obere Teil des Ansat- 1. Anterolateraler ca. 3 cm langer Deltasplit und Eröff-
zes des M. pectoralis major am Humerus darf bei Bedarf nung der Bursa subdeltoidea.
ebenso abgelöst werden (s Abb. 11.13). 2. Identifikation des N. axillaris mit dem Zeigefinger in
Die Fragmente werden stumpf präparierend identifi- der Bursa und Markierung des Verlaufs auf der Haut.
ziert und exponiert. Die lange Bizepssehne ist eine wich- 3. Temporäre Fixierung und Manipulation der Tuberkula
tige Landmarke zur Identifikation der Tuberkula. In die (falls frakturiert) mit Haltenähten durch die Rotatoren-
Ansätze der Rotatoren werden Haltefäden platziert. Das manschette.
Tuberculum majus ist oft nach hinten disloziert und kann 4. Reposition der Fraktur durch Längszug am Oberarm
bei abduziertem Arm reponiert werden. Haltefäden in nach distal (Ligamentotaxis) sowie ggf. durch indirekte
den sehnigen Ansätzen sichern die Fragmente besser als oder direkte Manipulation (z. B. mit einem Stößel) und
Knochenzangen. Anhängende Weichteile sollten geschont Zug an den Haltenähten der Tuberkula analog zum of-
werden, wenn nötig kann jedoch auch der Zwischenraum fenen Verfahren.
zwischen den Rotatoren geöffnet werden. Im Fall einer 5. Temporäre Fixierung der reponierten Fraktur durch
Dislokation des Humeruskopfs kann das artikuläre Seg- Einbringen eines Kirschner-Drahts in kraniokaudaler
ment per Kirschner-Draht (Joystick) reponiert werden. Richtung, wobei der Draht proximal des Tuberculum
Heute wird zumeist eine vorgeformte dünne Platte be- majus in den Kopf eingebohrt und durch die gegen-
nutzt. Der Humeruskopf wird per stumpfem Elevatorium überliegende Kortikalis des Schaftes ausgebohrt wird.
oder Joysticks unter Bildwandlerkontrolle reponiert. In 6. Einbringen der Platte mit dem Zielbügel und Fixation
den reponierten Humeruskopf wird unter Bildwandler- durch einen Kirschner-Draht im Kopffragment und
kontrolle in zwei Ebenen ein Führungsdraht zur tempo- einem Kirschner-Draht im Schaft (perkutan über den
rären Stabilisierung eingesetzt. Zielbügel). NB: Die Platte sollte ca. 1 cm unterhalb der
Die Autoren empfehlen besonders für osteoporotischen Spitze des Tuberculum majus liegen.
Knochen eine Platte mit winkelstabilen Schrauben 7. Kontrolle der korrekten Position der Platte auf Schaft
(s. Abb. 11.6). Die Platte wird temporär mittels Kirsch- und Kopf durch Innenrotation des Armes um 90° unter
ner-Drähten am Humerus fixiert und mit 1 oder 2 dem Bildverstärker und perkutane Fixierung am Schaft
Schrauben am Humerusschaft angebracht. Die Höhe der mit 3 Schrauben durch den Zielbügel weit genug unter
Platte wird per Bildwandler kontrolliert, um sicher zu dem N. axillaris.
sein, dass die Platte nicht absteht. Eine weitere Schraube 8. Fixierung des Kopfes an der Platte durch winkelstabile
wird an der distalen Platte befestigt, um die Platte exakt (idealerweise poliaxial) Schrauben.
entlang dem Humerusschaft auszurichten. Bei monoaxia- 9. Zusätzliche Fixierung der Tuberkula an der Platte durch
len Verriegelungssystemen werden zumeist Bohrhülsen Fibre-Wire oder Drahtcerclage.
an der Platte befestigt, um die adäquate Bohrrichtung
vorzugeben (sonst passt später das Gewinde des Schrau-
benkopfs nicht in das Gewinde der Platte). Die Schrauben
Marknagelung 11
werden vermessen und eingebracht. Übrige Schrauben Die Marknagelung einer proximalen Humerusfraktur ist
werden in den Humeruskopf und den Schaft gesetzt. bei Patienten mit Osteoporose, mit Metastasen oder mit
Die Tuberkula müssen stabil in ihre anatomische Posi- diaphysären Extensionen von möglichem Vorteil
tion reponiert und fixiert werden, sodass die Rotatoren- (Abb. 11.18; Videos 11-4 und 11-5, DVD 2). Das Verfahren
manschette in ihrem muskulotendinösen Teil rekonstru- kann bei Frakturen des chirurgischen Halses perkutan
iert ist und frühe Beübung aushalten kann. Die Tuberkula erfolgen, erfordert aber bei 3- oder 4-Fragmentfrakturen
werden an den Humerusschaft meist mithilfe der Platte eine weitere Eröffnung des anterolateralen M. deltoideus.
fixiert. Die Haltefäden können durch nichtresorbierbare Eine Bildverstärkung ist notwendig. Eine ausreichende
Fäden ersetzt werden und an die Platte oder in ein Bohr- Erfahrung in der Nagelung von Humerusschaftfrakturen
loch im Knochen fixiert werden werden. Unter genauer ist vorteilhaft.
Beobachtung der Rekonstruktion bewegt der Operateur Es gibt zwei Möglichkeiten, den Patienten und den C-
die Schulter in mehrere Richtungen, um die postoperati- Arm zu positionieren. Der Autor bevorzugt die Rücken-
ven Bewegungsradien festlegen zu können. Nach Repara- lagerung des Patienten mit einer etwa 30-gradigen Ab-
tur der Tuberkula und Überprüfung der Osteosynthese im kippung des Torsos zur gesunden Seite. Der C-Arm wird
Bildwandler wird der deltopektorale Zugang geschlossen. von der Gegenseite herangeführt, sodass leicht a.–p. und
laterale Bilder gewonnen werden können. Die Alternative
ist die Beach-Chair-Positionierung mit Platzierung des C-
Minimalinvasive Plattenosteosynthese
Arms vergleichbar der Plattenosteosynthese. Ganz abge-
Die Reposition und Stabilisierung der Oberarmkopffrak- sehen vom Zugang sollte vor der Operation ein „Praxis-
tur kann auch über den Deltasplit-Zugang erfolgen. Lage- bild“ mit dem C-Arm erfolgen, um vor der präoperativen
rung und Position des Bildverstärkers entsprechen dem
272 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

11 b c

Abb. 11.18
a A.–p., axillär laterale und laterale Skapula-Aufnahmen einer b Postoperative Bilder nach Marknagelung mit einem
proximalen Humerusfraktur mit Zertrümmerung des oberen proximalen Humerusnagel.
Drittels des Humerusschafts. Die Humeruskopfkomponente c Abschließende Röntgenbilder nach Frakturheilung.
beinhaltet eine nichtdislozierte Fraktur des Tuberculum majus
und eine dislozierte Fraktur des chirurgischen Halses.

Abdeckung und Vorbereitung des Patienten die Visuali- Tuberkula werden die Ansätze der Rotatoren mit Haltefä-
sierung der Repositionsmanöver zu bestätigen. den versorgt und die Tuberkula mobilisiert. Per Kirsch-
Der Arm des Patienten wird vorbereitet und frei be- ner-Draht im Humeruskopf wird dieser in seine anatomi-
weglich abgedeckt. Die erste 2 cm lange Inzision wird sche Position rotiert. Das spezifische Manöver hängt vom
schräg neben dem anterolateralen Akromion gesetzt. Bei Frakturtyp ab. Man sollte den normalen Sulkus zwischen
komplizierteren Frakturmustern kann eine bis zu 5 cm dem lateralen Winkel der Gelenkoberfläche des Hume-
lange Inzision erforderlich sein. Laterale deltsplittende ruskopfs und dem Tuberculum majus erkennen können.
Zugänge sollten vermieden werden, da erhöhte Gefahr Wenn nötig, kann der Humeruskopf zeitweise per Pin an
von Schulterschmerzen besteht und die Nagelinsertion das Glenoid fixiert werden, um ihn in der Reposition zu
erschwert ist (34). halten.
Die Bildverstärkung sollte zur Identifikation des Start- Ein Führungsdraht wird in der Folge in den proximalen
punkts assistierend eingesetzt werden. Bei Frakturen der Humerus inseriert und in den Schaft hinunter vorgescho-
Proximale Humerusfrakturen 273

ben. Der genaue Eintrittspunkt hängt von der Form des


Hemiarthroplastik
ausgewählten Nagels ab. Man sollte die Herstelleranga-
ben zum Nagel beachten. Der Pin wird im lateralen Bild Die Rolle der prothetischen Versorgung proximaler Hu-
zentral ausgerichtet. Die Frakturkomponente des chirur- merusfrakturen bleibt nach wie vor Thema kontroverser
gischen Halses wird typischerweise durch Manipulation Diskussionen (Abb. 11.19; 4). Jüngste Berichte legen nahe,
des Armes reponiert. dass die Ergebnisse nach Hemiarthroplastik nicht so gut
Ist der Führungsdraht an der gewünschten Stelle, wird sind wie geschätzt (1, 4, 35). Überdies zeitigt die frühe
der Startpunkt mit einem kanülierten Bohrer eröffnet. Der prothetische Versorgung bessere Ergebnisse, wenn sie
Markraum des Schaftes wird je nach Situation erweitert, nach einer gescheiterten Osteosynthese nach ausbleiben-
was bei älteren Patienten oft unnötig ist. Nach Überprü- der Heilung bei konservativer Behandlung erfolgt falls die
fung seiner Länge wird der Nagel behutsam eingeführt. Tuberkula an antomischer Stelle eingeheilt sind (1). Eine
Die proximalen Verriegelungsschrauben werden mit- sichere Reparatur der Tuberkula, eine Rekonstruktion der
hilfe eines Zielbügels eingebracht. In der Regel wird eine normalen Retroversion des Humeruskopfs und eine Wie-
Kombination von Schrauben in verschiedenen Ebenen derherstellung der normalen Länge des Humerus selbst
angelegt. Insbesondere bei osteoporotischem Knochen sind die Schlüsselschritte für die Erlangung guter Ergeb-
wird die Verwendung von Nagelsystemen mit winkelsta- nisse bei der Hemiarthroplastik nach proximaler Hume-
biler Fixierung der Verriegelungsbolzen empfohlen. rusfraktur (Abb. 11.20).
Die Tuberkula werden mit einer Kombination aus Zug Die Technik der Hemiarthroplastik an der Schulter
durch die vorher eingesetzten Haltefäden, Kirschner- nach proximaler Humerusfraktur unterscheidet sich in
Drähte oder spitze Zangen reponiert. Mithilfe der Halte- wesentlichen Punkten von der gängigeren Technik der
rungen werden die Verriegelungsschrauben in die repo- wegen einer Arthrose vorgenommenen Schulterprothese
nierten Tuberkula inseriert. Schließlich wird die Osteo- (Video 11-6, DVD 2). Diese Unterschiede rühren in erster
synthese der Tuberkula mit zusätzlichen Nähten ver- Linie von der Zerreißung der Anatomie und dem Verlust
stärkt. Eine distale Verriegelung ist in der Regel empfeh- an Knochen her, die eine prothetische Versorgung
lenswert.

Tuberculum Tuberculum
a majus minus
11

Abb. 11.19 Eine zertrümmerte, dislozierte 4-Fragmentfraktur,


versorgt durch eine Hemiarthroplastik.
a A.–p. und laterale Aufnahmen der Verletzung. Abb. 11.20 Rekonstruktion der Tuberkula nach Hemiarthro-
b A.–p. und axilläre Aufnahmen ein Jahr nach der Operation plastik. Vertikale Nähte werden in beide Tuberkula, und eine
mit einem Niedrigprofilnagel und Rekonstruktion des Tuberku- horizontale Cerclagenaht zwischen die Tuberkula gelegt.
lums.
274 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

schwieriger machen. Da die Funktion der Schulter letzt- Der definitive Humerusnagel wird einzementiert. Um
endlich sehr von der Funktion der Rotatorenmanschette ein sicheres Einheilen der Tuberkel zu gewährleisten,
abhängt, ist ein extrem wichtiger Schritt bei der Hemiar- sollte darauf geachtet werden, dass der Zement das Ni-
throplastik der Schulter die sorgfältige Rekonstruktion veau der Frakturhöhe am Schaft nicht überschreitet. Nach
der Rotatorenmanschette und der Tuberkula um das Im- Aushärten des Zements wird der definitive Humeruskopf
plantat herum. eingesetzt. Eine sichere, schrittweise Reparatur der Tu-
Auch bei einer prothetischen Versorgung spielt die ge- berkula ist der letzte und wichtigste Schritt. Zunächst
naue präoperative Planung anhand konventioneller Rönt- werden 2 der horizontalen Fäden in Tuberculum majus
genaufnahmen eine wichtige Rolle. Wenn möglich, sollte medial um den Hals herumgeführt und verknüpft. Die
ein Röntgenbild der gesunden Seite im a.–p. Strahlengang übrigen 2 horizontalen Fäden werden ebenfalls medial
aufgenommen werden. Mit diesem Vergleichsbild kann um den Hals herumgeführt, verknüpft, aber zusätzlich
man oft beginnen, die Höhe des Humeruskopfs und die noch um das Tuberculum minus gebunden, um dies zu
Abkippung des Halses einzuschätzen. sichern. Die beiden Fäden im Humerusschaft werden an-
Der Zugang erfolgt deltopektoral wie oben beschrieben. schließend als vertikales Zugband eingesetzt. Zusätzliche
Oft muss die Sehne des M. pectoralis major auf einer Fäden im Rotatorenintervall und zwischen den Tuberkula
Breite von 1 – 2 cm oben von ihrem Ansatz am Humerus vervollständigen die Reparatur. Spongiosa aus den rese-
abgelöst werden. Stumpfe runde Haken werden unter zierten Fragmenten kann an den proximalen Schaft für
dem M. deltoideus und der gemeinsamen Sehne platziert. eine schnellere Anheilung der Tuberkula angelagert wer-
Das korakoakromiale Band wird geschont. den. Nach der Operation sollte die Schulter in einigen
Der erste Schritt besteht in der Identifizierung der Bi- Ebenen bewegt werden. Die Weichteilversorgung sollte
zepssehne, welche wiederum zu den Fragmenten der Tu- stabil und spannungsfrei sein.
berkula führt. Ein kräftiger Haltefaden kann um die Bi-
zepssehne geführt werden. Mehrere starke, nichtresor-
Inverse Prothese
bierbare horizontale Fäden werden in die Ansätze der
Rotatorenmanschette an den Tuberkula platziert. Das Ro- Bei starker Zerstörung des Kopfes mit sehr kleinen und
tatorenintervall wird für einen besseren Zugang zum Ge- avitalen Tuberkula bzw. bei vorbestehendem großen De-
lenk eröffnet, um anschließend die Tuberkula zu mobili- fekt der Rotatorenmanschette kann als Alternative zur
sieren. Die Fragmente des Humeruskopfs werden ent- anatomischen Hemiarthroplastik eine inverse Prothese
fernt. Wenn möglich, wird der Humeruskopf mit dem verwendet werden.
Zirkel oder einem Modell gemessen, um die erforderliche Hierbei wird das Rotationszentrum im Schultergelenk
Größe des Implantats bestimmen zu können. durch Implantation einer konvexen Glenosphäre (halb-
Der Humerusschaft wird aufgesucht, um den Mark- kugelförmige Gelenkkomponente) auf das Glenoid nach
raum zu débridieren. Das folgende vorsichtige Aushöhlen distal medial versetzt. In den Schaft wird eine konkave
dient der Größenabschätzung des Nagels. Daraufhin wird Gelenkkomponente gesetzt, die mit der Glenosphäre ar-
ein geeigneter Probenagel implantiert. Wenn möglich, tikuliert. Bei Aktivierung des Deltamuskels zur Abduktion
11 wird der Nagel mit einem stabilisierenden Apparat an kommt es dadurch nicht zur Luxation des Humerus nach
den Arm fixiert. Der Nagel sollte in 20° Retroversion im kranial. Bei Verwendung dieser Prothese ist eine intakte
Vergleich mit der transepikondylären Achse sitzen. Ein Supraspinatussehne nicht notwendig.
Probekopf der geeigneten Größe wird angefügt, um die
Operation weiterzuführen. Schließlich werden die Tuber-
Tipps und Tricks
kula durch Zug an den angenähten Haltefäden in ihre
Position gehoben. ■ Fast in jedem Fall findet sich eine apex-anteriore
Die Probereposition verläuft in mehreren Schritten. Zu- Abkippung des chirurgischen Halses des Humerus,
nächst wird die Höhe des Nagels durch eine Überprüfung welche sich durch Druck nach unten im Bereich der
der muskulären Vorspannung am Bizeps und Ausschluss Fraktur bei Anhebung des Armes beheben lässt.
einer Überlappung von Tuberkula und Nagel überprüft. ■ Unabhängig vom geplanten Zugang sollte in jedem
Die Spitze des Tuberculum majus sollte etwas niedriger Fall vor der Abdeckung eine Kontrollaufnahme mit
als die Obergrenze des Humeruskopfs sein. Die Rotation dem C-Bogen erfolgen, um intraoperativ eine zufrie-
ist korrekt, wenn der prothetische Kopf in Neutralpositi- denstellende Visualisierung der Repositionsmanöver
on zum Glenoid weist und das Tuberculum majus die sicherzustellen.
Finne der Prothese bedeckt. Ist die korrekte Position er- ■ Die Abduktion der Schulter mit Entspannung des M.
reicht, erfolgen Referenzmarkierungen für Höhe und Ro- deltoideus und verbesserter Übersicht erleichtert
tation. Nach Entfernung des Probenagels werden mindes- beim offenen Zugang die Anlage einer Plattenosteo-
tens 2 Löcher in den anterolateralen Teil des Schafts ge- synthese.
bohrt, in die 2 dicke, nichtresorbierbare Fäden eingeführt
werden.
Proximale Humerusfrakturen 275

Rehabilitation tur die Rotatorenmanschette genauer zu untersuchen


und zu behandeln.
Die Rehabilitation nach chirurgischer Versorgung der Das Resultat nach Hemiarthroplastik ist schwer mit
proximalen Humerusfraktur ist ähnlich der bei konser- jenem nach Osteosynthese zu vergleichen. Nach Implan-
vativem Vorgehen. Hogson et al. fanden heraus, dass Pa- tation der Prothese scheint der Schmerz ausreichend be-
tienten, die sofort nach der Operation mit Physiotherapie handelt zu sein, die Wiederherstellung des funktionellen
begannen, weniger Schmerzen und eine bessere Beweg- Bewegungsumfangs jedoch ist weniger gut vorherzusa-
lichkeit hatten als Patienten, die 3 Wochen immobilisiert gen (35). Es scheint überdies einen Unterschied in den
wurden (36). Pendelübungen sind im Allgemeinen sofort Ergebnissen je nach Untersuchungsmethode zu geben
möglich. Ist die Wundheilung zeitgerecht, kann ein assis- (1). Offenbar werden weitere randomisierte, prospektive
tiertes aktives Programm begonnen werden. Nach Vergleichsstudien benötigt, um diese Fragen abschlie-
Plattenosteosynthese oder Nagelung sind passive Übun- ßend zu beantworten.
gen in der Regel anzuraten, unter Berücksichtigung der
folgenden Überlegungen: Wurden Frakturen des Tuber- Winkelstabile Implantate
culum majus versorgt, sollte die aktive Abduktion und
Außenrotation auf die Zeit nach der Heilung der Weich- Sogenannte winkelstabile Platten sind beliebte neue Im-
teile verschoben werden. Nach Hemiarthroplastik oder plantate, wobei erst wenige Daten über ihre Effektivität
bei Frakturen mit Reparatur des Tuberculum minus bei proximalen Humerusfrakturen publiziert wurden
muss der M. subscapularis vor Innenrotation oder passi- (s. Abb. 11.6). Theoretisch halten Verriegelungsplatten
ver Außenrotation geschützt werden. Im Allgemeinen be- am osteoporotischen Knochen besser und sind somit
ginnen aktive Bewegungen innerhalb von 6 – 8 Wochen ideal für die Versorgung proximaler Humerusfrakturen.
und Widerstandsübungen innerhalb von 10 – 12 Wochen Im Rahmen nationaler Kongresse wurden Fallstudien
nach der Frakturheilung. präsentiert, deren Ergebnisse nahelegen, dass das Verfah-
ren bei älteren Patienten ebensogut einsetzbar ist wie bei
jungen Patienten mit geringeren Komplikationen. Wir
Ergebnisse
müssen jedoch die Publikation vergleichender, Peer-Re-
Viele Studien haben die Behandlungsergebnisse nach Ver- view-Studien abwarten, bevor die Indikationen und zu
sorgung der proximalen Humerusfraktur mit verschiede- erwartenden Ergebnisse der Verriegelungssysteme
nen Messmethoden untersucht (3, 37). Retrospektive Stu- genau definiert werden können. Trotz des Mangels an
dien scheinen zu suggerieren, dass das funktionale Er- publizierten Ergebnissen sind viele Operateure begeistert
gebnis sowohl nach konservativer als auch nach operati- von ihrem Einsatz.
ver Versorgung bei valgusimpaktierten 3-Fragmentfrak-
turen älterer Patienten gleich ist (3, 25). In einer Studie Hemiarthroplastik
waren 96 % der älteren Patienten mit ihrer Schulterfunk-
tion 3 Jahre nach dem Trauma zufrieden (3). Im Gegen- 1970 berichtete Neer von 90 % guten Ergebnissen nach
satz dazu waren 67 % der Patienten mit 4-Fragmentfrak- Prothesenimplantation bei Patienten mit proximaler Hu-
11
tur unzufrieden und zeigten vielfach röntgenologische merusfraktur (16). Seitdem wurde die Hemiarthroplastik
Zeichen einer Osteoarthrose oder avaskulären Nekrose. erfolgreich zur sicheren Behandlung älterer Patienten mit
Der Constant Score scheint mit der eigenen Meinung komplexen Frakturen eingesetzt. Nichtsdestotrotz schei-
der Patienten gut zu korrelieren. Die Einteilung nach nen moderne Untersuchungen darauf hinzuweisen, dass
Neer ist hingegen von geringerer prädiktiver Kraft (3). die Ergebnisse doch nicht so gut sein könnten. Obwohl
In der einzigen prospektiven, randomisierten Studie, die der Schmerz nach Hemiarthroplastik behoben ist, wer-
bis heute vorgelegt wurde, fanden Zyto et al. keine funk- den inkonstistente funktionelle Resultat erzielt (35).
tionalen Unterschiede zwischen Patienten mit 3- oder 4- Movin et al. evaluierten 29 Patienten zwischen 2 und 12
Fragmentfrakturen nach konservativer Versorgung oder Jahren nach humeraler Hemiarthroplastik bei Fraktur
Zuggurtungsosteosynthese (8). und fand unerfreuliche Ergebnisse (38). Alle Patienten
Eine entscheidende Rolle für die Ergebnisqualität spielt litten unter eingeschränkter Funktion, mit einem mitt-
die Funktion der Rotatorenmanschette. In einer Studie leren Constant Score von nur 38 (16 – 69). Schmerz, ge-
wurden die Ergebnisse gemäß dem Constant Score mit messen in der visuellen Analogskala, war 21 in Ruhe und
der Integrität der Rotatorenmanschette im Ultraschall 47 bei Bewegung der Schulter. Unterschiede im Ergebnis
korreliert (37). Es zeigte sich, dass die Pathologie der Ro- waren zum Operationszeitpunkt oder zum Typ der Pro-
tatorenmanschette durchaus, wie zu erwarten, mit der these nicht zu korrelieren (38).
Schwere der Fraktur und insbesondere der Dislokation
korrelierte und die Integrität der Manschette mit dem
Ergebnis zusammenhing (37). Dieses Studienergebnis
spricht dafür, bei Patienten mit proximaler Humerusfrak-
276 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

eine Computertomografie erforderlich sein. Eine Revisi-


Komplikationen
onsoperation ist in der Regel möglich. Das intramedulläre
Allgemeine Überlegungen Einbringen von Fibulaallograft kann die Versorgung nach
Erfahrung des Autors unterstützen (Abb. 11.21). In selte-
Eine Wiederherstellung der anatomischen Situation, eine nen Fällen ist eine Prothese die bessere Lösung.
stabile Osteosynthese ohne Einklemmung, eine unver- Eine in Fehlstellung verheilte Fraktur ist ein häufigeres
sehrte Gefäßversorgung des Humeruskopfs und eine nor- und schwierigeres Problem. Bei den Tuberkula kann sie
male neurologische Funktion und frühe funktionelle Re- zu einer Funktionsbehinderung der Rotatorenmanschette
habilitation führen zu besten Ergebnissen bei der Versor- und einem subakromialen Impingement führen
gung proximaler Humerusfrakturen. Alle diese Ziele zu (Abb. 11.22). In einer biomechanischen Studie führte die
erreichen ist illusorisch, und diese Frakturen gehen häu- superiore Dislokation des Tuberculum majus zu einem
fig mit Komplikationen einher. Eine schlechte Knochen- um 16 % erhöhten Kraftaufwand des Deltoideus bei der
qualität ist fast eine universelle Konstante bei diesen Ver- Abduktion. Kombinierte posteriore/superiore Dislokatio-
letzungen, wodurch eine stabile Osteosynthese schwierig nen um 1 cm erhöhten denselben um 29 % (40). Ins-
wird. Am proximalen Humerus inserieren viele Muskeln, gesamt kann die Fehlheilung des Humeruskopfs oder
deren deformierende Kräfte ausgeglichen werden müs- des chirurgischen Halses zu einer Einschränkung des Be-
sen. Diese Kräfte führen in der Regel zu einem Versagen wegungsradius und der allgemeinen Schulterfunktion
der Osteosynthese bzw. zum Repositionsverlust führen (Abb. 11.23; Video 11-7, DVD 2).
(s. Abb. 11.1). Das subdeltoidale und subakromiale Gleit-
lager muss rekonstruiert werden, um die Beweglichkeit Osteosynthese
zu gewährleisten. Adhäsionen in diesem Bereich als Er-
gebnis des Initialtraumas, der operativen Intervention Die Komplikationen bei Osteosynthese können in ver-
oder der Immobilisierung tragen zu schlechter Funktion schiedene Kategorien eingeteilt werden. Diese beinhalten
bei. die Osteonekrose, das Osteosyntheseversagen, sowie die
In 5 – 6 % der Fälle treten nach proximalen Humerus- Nicht- oder Fehlheilung.
frakturen klinisch relevante neurovaskuläre Komplikatio- Wegen der engen Assoziation von Osteoporose und
nen auf. Subklinische neurologische Befunde bei der elek- proximaler Humerusfraktur sind Osteosyntheseversagen
tromyografischen Untersuchung sind in der Mehrzahl der und Implantatwanderung häufige Komplikationen. Das
Patienten zu finden (39). Die am häufigsten verletzen Risiko hängt mit der gewählten Osteosynthesetechnik zu-
Gefäß-Nerven-Strukturen sind A. und N. axillaris. sammen. Eine Fehlheilung wurde bei 19 % der Patienten
Die Gefäßversorgung des Kopfes ist per se begrenzt mit Osteosynthese und Pin-Drahtversorgung gefunden
und bei der Humerusfraktur bedroht. Eine avaskuläre (41). Ein Osteosyntheseversagen mag mit den neueren
Nekrose ist bei komplexen Humerusfrakturen häufig, Platten und winkelstabilen Schrauben seltener geworden
wobei die Signifikanz dieser Komplikation nicht klar ist sein.
(28). Das Risiko einer Osteonekrose hängt vom Fraktur- Die Osteonekrose des Humeruskopfs nach Fraktur kann
11 typ ab, vom Grad der Dislokation und von der Ostesyn- partiell oder komplett sein. Die Signifikanz dieser Kom-
thesemethode. Das Risiko ist bei 4-Fragmentfrakturen plikation steht nach wie vor zur Diskussion. Wijgman et
mit bis zu 40 % am höchsten, mit bis zu 15 % bei 3-Frag- al. untersuchten 10 Jahre nach Trauma 60 Patienten mit
mentfrakturen niedriger und sehr selten bei Frakturen 3- oder 4- Fragmentfrakturen des Humerus, welche ent-
des chirurgischen Halses. Überdies ist das Risiko bei val- weder per Platte oder Cerclage versorgt worden waren
gusimpaktierten 4-Fragmentfrakturen im Vergleich zu (42). Obwohl 22 der 60 Patienten (37 %) eine Osteonekro-
anderen 4-Fragmentfrakturen geringer (24). Neuere Stu- se hatten, hatten 17 von diesen (also 77 % der Patienten
dien konnten diese Fragen klären und zeigen, dass die mit Osteonekrose) eine gute oder sehr gute Funktion. Es
avaskuläre Nekrose nach 3-Fragmentfrakturen selten ist, fand sich kein Zusammenhang zwischen dem Auftreten
und wenn sie auftritt, nur einen Teil des Humeruskopfs einer Osteonekrose und der Technik der Frakturversor-
betrifft und wenig Beschwerden hervorruft (23). Im Ge- gung (42).
gensatz dazu ist eine komplette avaskuläre Nekrose nach Komplikationen nach Osteosynthese und Pin-Drahtver-
4-Fragmentfrakturen häufig und führt zu stärkeren Ein- sorgung beinhalten Fehlstellung und Repositionsverlust,
schränkungen (23, 28). Gerber et al. zeigten, dass die kli- Pin-Kanalinfektion, und Pin-Lockerung. Das Risiko der
nische Ergebnisqualität der Patienten mit der anatomi- Osteonekrose ist vom Frakturmuster abhängig und ver-
schen Rekonstruktion der Fraktur zusammenhängt. Pa- mutlich von der Technik unabhängig. Demgemäß sind
tienten mit Osteonekrose, aber ohne Fehlstellung, hatten Fälle von Osteosyntheseversagen bei 3- und 4-Fragment-
ein besseres Ergebnis als Patienten mit sowohl Osteone- frakturen häufiger.
krose als auch einer Fehlstellung (28). Die Osteosynthese per Platte erfordert einen invasi-
Nichtheilungen sind selten und meist bei Frakturen des veren Zugang mit einem erhöhten Osteonekroserisiko,
chirurgischen Halses zu finden. Sie sind meist auf dem immer abhängig von der speziellen Technik. Andererseits
nativen Röntgenbild zu sehen, manchmal mag jedoch kann eine festere Osteosynthese zu einer besseren Revas-
Proximale Humerusfrakturen 277

Abb. 11.21
a Röntgenbilder einer zertrümmerten Fraktur des chirurgischen
Halses. 11
b Kontrollröntgenbilder 8 Wochen nach der Fraktur zeigen
keine Heilung.
c Eine axiale CT-Aufnahme beweist die fehlende Heilung.
d Die Fraktur ist 6 Monate nach der Osteosynthese mit einer
verriegelten Schaufelplatte, die aus einer standardmäßigen
3,5-mm-Rekonstruktionsplatte gemacht wurde, verheilt.

d
278 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

kularisation des Humeruskopfs durch einwachsende Ka- Die Marknagelung des Humerus erscheint attraktiv
pillaren und einer geringeren Gefahr des Gelenkkollapses wegen der geringeren Abhängigkeit vom Halt der Schrau-
bei Osteonekrose beitragen. Osteosynthesebedingte Kom- ben im Humerus und des daraus folgenden geringeren
plikationen sind technischer Art (unzureichende Reposi- Risikos eines Implantatversagens. Nichtsdestotrotz hat
tion, falsche Auswahl oder inkorrekte Platzierung der Im- sich der Halt der Schrauben im Humeruskopf in einigen
plantate), Osteosyntheseversagen und iatrogene Verlet- Studien als problematisch herausgestellt (44). Des Wei-
zung der Rotatorenmanschette. Bei der Verwendung von teren ist die Osteosynthese durch das Implantat nicht
konventionellen T-Platten kam es in der Vergangenheit in einfacher, und der Zugang erfordert eine Verletzung der
14 % der Fälle zu einem späten Osteosyntheseversagen Rotatorenmanschette mit der Gefahr eines chronischen
(43). Der Gebrauch von winkelstabilen Platten oder Sys- Schulterschmerzsyndroms.
temen mit Verriegelungsmöglichkeiten und/oder Verstär-
kung der Fraktur mit PMMA (Polymethymethacrylat) Hemiarthroplastik
oder Kalziumphosphatzement verringern dieses Risiko.
Mögliche Komplikationen nach Hemiarthroplastik wegen
proximaler Humerusfraktur sind zahlreich und umfassen
die Schulterinstabilität (Dislokation des Prothesenkopfs
vom Glenoid), Fehlheilung des Tuberculum majus und
komplexe Fehlstellung (Fehler in der Wiederherstellung
der Höhe oder Rotation oder beidem).
Die komplexe Fehlstellung ist häufig. Sie ist teils be-
dingt durch Instabilitätsprobleme des Probenagels. Meist
ähnelt der übrigbleibende Humerusschaft einer „Pfeife“,
wodurch es extrem schwierig ist, die korrekte Höhe und
Rotation des Schafts während der Probereposition und
der Nagelinsertion beizubehalten. Fehler bei der Abschät-
zung der korrekten Höhe des Humeruskopfs beeinflussen
den Grad der Retroversion der Schulter und damit ihre
Biomechanik. Die Bandbreite der normalen Retroversion
des Humerus ist groß. Daher ist die Rekonstruktion die-
ser wichtigen anatomischen Größe noch schwieriger. Der
Sulkus der langen Bizepssehne wird zur Festlegung der
Rotation gern benutzt; diese ist in diesen Fällen jedoch
meist nicht auffindbar. Durch Variationen im Ellbogen-
winkel ist auch die Vorderarmachse nicht verlässlich.
Diese Probleme können durch die Benutzung eines Halte-
11 ärmels (Halteapparats) bei der Probeversorgung sowie
durch Markierungen am Schaft zur Höhenabschätzung
umgangen werden.
Abb. 11.22 Ein a.–p. Röntgenbild einer Schulter. Es zeigt sich
eine bleibende Dislokation des Tuberculum majus (Pfeil) nach
einem Osteosyntheseversuch durch eine Schraube.

Abb. 11.23 Nicht ver-


heilte Fraktur des chirur-
gischen Halses. Dieser Fall
zeigt die universelle Ten-
denz dieser Frakturen, va-
rische und apex-anteriore
Deformierungen zu ent-
wickeln.
a A.–p. Aufnahme.
b Axilläre laterale Auf-
nahme.

a b
Schulterluxationen 279

Schulterluxationen Indikationen zur konservativen Behandlung


Die Stabilität der Schulter ist ein komplexes Phänomen, In der Regel werden akute Schulterluxationen nicht un-
welches nach wie vor intensiv erforscht wird. Die Mecha- mittelbar operativ versorgt. Eine Operation unter Vollnar-
nismen, die zur Stabilität der Schulter beitragen, werden kose ist nur bei nichtreponierbaren Luxationen, bei Luxa-
kontinuierlich definiert. In Abwesenheit einer intrinsi- tionen mit Frakturen des chirurgischen Halses, die wäh-
schen knöchernen Unterstützung ist die Stabilität der rend des Manövers dislozieren könnten und bei dislozier-
Schulter in erster Linie von Weichteilstrukturen abhän- ten Frakturen des Tuberculum majus indiziert (47).
gig, mit einem Kapsel-Band-Apparat für die statische und
einem Muskelmantel für die dynamische Stabilität. Repositionstechniken
Es gibt eine Vielzahl von Techniken zur Reposition der
Klassifikation
luxierten Schulter. Die meisten beruhen auf Längenzug
Schulterluxationen werden gemäß ihrer Ätiologie, ihrer und Anhebung des verletzten Armes bei relaxiertem Pa-
Richtung und der Latenz bis zur Diagnose klassifiziert. tienten. Die klassische hippokratische Methode nutzt die
Gegenstand dieses Kapitels sind ausschließlich traumati- grobe Kraft der Ferse des Behandlers in der Axilla des
sche Dislokationen. Patienten. Eine weitere traditionelle Methode ist die des
Die meisten Luxationen gehen nach vorn unten, wobei Längszugs am Arm durch eine erste und Druck auf den
auch hintere sowie die ungewöhnliche inferiore (luxatio Rumpf des Patienten durch eine zweite Person, während
erecta) Luxationen beschrieben werden. Hintere Luxatio- ein Tuch um die Brust des Patienten gewickelt ist. Diese
nen des glenohumeralen Gelenks müssen bei jedem Pa- Methoden sind schmerzhaft, manchmal nicht erfolgreich
tienten mit Schulterverletzung ausgeschlossen werden. und können mit Komplikationen behaftet sein, sogar mit
Die Diagnose wird oft verzögert, da die a.–p. Röntgendar- einer Humerusfraktur oder neurovaskulären Schäden.
stellung der Schulter die hintere Schulterluxation ver- Viele atraumatische Methoden wurden beschrieben.
schleiern kann. Eine frühe Darstellung im MRT zur Defi- Die bekannteste ist die Methode nach Kocher. Hier wird
nition der Gelenkpathologie ist einer verspäteten Bild- zunächst der Arm im Ellbogen gebeugt, dann der Arm
gebung vorzuziehen (45). Im Allgemeinen sind die Risiko- voll außenrotiert, welcher dann komplett adduziert
faktoren für rezidivierende Luxationen das Alter des Pa- wird unter Anhebung der Olekranonspitze und Rotation
tienten, die Stärke der Gewalteinwirkung bei der Verlet- der Schulter, um diese zu reponieren. Wie von Zahiri et
zung und die Verletzungsart am vorderen Labrum und al. beschrieben, wurde die Methode 1865 von Kocher
den anhängenden Kapselstrukturen. Eine frühe Arthro- eingeführt und seither immer wieder kritisiert (48).
skopie kann Patienten mit hochrisikohaften Verletzungen Nichtsdestotrotz fanden Thakur und Narayan in einer
identifizieren helfen, sodass durch eine frühe operative Serie an 16 Patienten mit Luxation in jedem eine erfolg-
Reparatur negative Langzeitfolgen eingedämmt werden reiche Reposition ohne Anästhesie oder Schmerzen und
können (12). Eine Zerreißung der Rotatorenmanschette ohne Komplikationen (49).
ist bei Patienten über 40 Jahre häufiger und kann zu 1938 beschrieb Milch eine weitere einfache Methode.
11
bleibenden Einschränkungen führen, wenn sie nicht be- Der Mediziner steht auf der verletzten Seite des Patien-
hoben wird (9). ten. Er legt die ipsilaterale Hand mit dem Daumen auf
den luxierten Humeruskopf weisend vor die Schulter,
während seine andere Hand den Unterarm des Patienten
Konservative Behandlung
fasst. Der Mediziner abduziert und rotiert die Schulter
Akute vordere Schulterluxationen werden sofort vorsich- nach außen, mit einer teilweisen Flexion des Ellbogens,
tig geschlossen reponiert. Eine neurologische Schädigung bis der Arm sich über dem Kopf des Patienten befindet.
ist auszuschließen (39). Meist ist der N. axillaris geschä- Der Humeruskopf sollte dann durch Rotation und vor-
digt, obwohl alle Teile des Plexus brachialis lädiert sein sichtigen Daumendruck in seine normale Position repo-
können. Sowohl vor als auch nach der Reposition sollte niert werden.
eine neurologische Untersuchung erfolgen und doku- Eine neuere Technik, die externe Außenrotations-
mentiert werden. Des Weiteren werden Röntgenbilder methode, ist auch sicher, verlässlich und bequem für
zur Dokumentation der Luxation und zum Ausschluss den Patienten (51). Neben dem Patienten in Rückenlage
assoziierter Frakturen vor der Reposition gefordert. Ob- steht der Mediziner auf der verletzten Seite. Der Ellbogen
wohl auch nach der Reposition routinemäßig Röntgen- wird dabei um 90° gebeugt, während der Arm neben
bilder angefordert werden, fand eine Studie, dass der dem Brustkorb liegt. Dann wird der Arm sanft angeho-
Nutzen dieser Untersuchung so gering ist, dass Zeit und ben, bis sich die Schulter in 20° Elevation vorwärts befin-
Kosten dieser Routine nicht gerechtfertigt erscheinen det. Daraufhin fasst der Mediziner Hand- und Ellbogen-
(46). Die Frage der Immobilisation nach Reposition wird gelenk des Patienten und rotiert die Schulter vorsichtig
weiterhin kontrovers diskutiert. nach außen, bis sie reponiert ist. Schließlich kommt der
Arm nach Innenrotation der Schulter auf der Brust des
280 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Patienten zu liegen. Unlängst wurde berichtet, dass die suchungszeitpunkt von 15,5 Monaten. Der Unterschied
Außenrotationsmethode in 36 von 40 Fällen akuter in der Rezidivrate war bei unter 30-Jährigen sogar noch
Schulterluxation erfolgreich durchgeführt werden konn- höher (45 % in der Innenrotations- gegenüber 0 % in der
te. In 29 Fällen war keine Prämedikation erforderlich (49). Außenrotationsgruppe). Die Autoren schließen, dass die
Trotzdem versagte die Methode in 4 Fällen, wobei 2 die- Rezidivrate durch Rotation des Armes nach außen bei der
ser Patienten eine dislozierte Fraktur des Tuberculum Immobilisierung nach Reposition einer akuten Schulter-
majus aufwiesen. Die Autoren empfehlen, die Luxationen luxation deutlich gesenkt werden kann (56).
mit dislozierten Frakturen des Tuberculum majus in Nar-
kose zu reponieren (47).
Indikationen zur Operation
Eine weitere Technik ist die Methode nach Stimson.
Hierbei wird der Patient auf den Bauch gelegt und am Zwei Aspekte sind beim Management der Schulterluxati-
herabhängenden verletzten Arm ein Gewicht befestigt. on zu beachten: die Behandlung der akuten Verletzung
Nach einiger Zeit reponiert sich die Schulter, eventuell und die definitive Versorgung der verletzten Strukturen.
unter sanfter Manipulation der Skapula, von selbst, Eine traumatische Schulterluxation ist mit einer Über-
ohne spezielles Repositionsmanöver. dehnung und Zerreißung der Kapsel-Band-Strukturen
Bei jeder Technik sollte auf eine gute Analgesie und verbunden. Darüber hinaus bildet sich ein Hämatom. Ei-
Muskelentspannung geachtet werden. Neue kurzwirk- nige Forscher raten zu einer frühen arthroskopischen La-
same Analgetika wie Propofol und Metohexital (beide in vage zur Dekompression der Schulter, zur besseren Adap-
einer Dosis von 0,5 mg/kg alle 2 Minuten) können in der tation der zerrissenen vorderen Kapsel und besseren Pro-
Notaufnahme sicher gegeben werden (52). Die Injektion priozeption (57). Obwohl umstritten, ist die frühe opera-
eines Lokalanästhetikums ins Gelenk ist eine weitere ge- tive Versorgung einer Schulterluxation bei jungen, hoch-
eignete Methode der Analgesie, besonders wenn eine in- anspruchsvollen Patienten, die ihren Lebensstil nicht än-
travenöse Analgesie nicht vorhanden oder nicht geraten dern möchten, keine vorherige Luxation, Subluxation
ist. Miller et al. verglichen die intravenöse und die in- oder Impingement in der Anamnese und keine neurolo-
traartikuläre Analgesie bei vorderer Schulterluxation an gische Schädigung haben eine mögliche Vorgehensweise
30 Patienten. Die Reposition wurde in der Methode nach (58). Da Davy u. Drew bei 21 % ihrer Patienten mit akuter
Stimson ausgeführt (53). Die Gruppe mit Lokalanästheti- traumatischer Schulterluxation ein Rezidiv nach 1 Jahr
kum verbrachte weniger Zeit in der Notaufnahme (75 vs. feststellten (von denen 43 % zwischen 15 und 22 Jahre
185 Minuten in der Analgosedierungsgruppe, p < 0,01). alt waren), raten sie zu einer arthroskopischen Lavage
Weder im Hinblick auf die Schmerzen, den Erfolg der innerhalb der ersten 10 Tage nach erstmaliger akuter
Stimson-Technik, noch auf die Zeitdauer bis zur Repositi- traumatischer Schulterluxation (59).
on gab es signifikante Unterschiede zwischen den Grup- Patienten mit Frührezidiv bedürfen einer sorgfältigen
pen. Intravenöse Sedierung war deutlich teurer als die Untersuchung. Robinson et al. zeigten, dass Patienten mit
Verwendung von Lidokain (53). Rezidiv innerhalb einer Woche entweder einen Riss der
Rotatorenmanschette, eine Fraktur des Glenoidrands
11 oder eine Fraktur sowohl des Glenoidrands als auch des
Rehabilitation
Tuberculum majus aufwiesen (60). Patienten mit diesen
Es wird immer noch heftig diskutiert, ob die Schulter Verletzungen und gleichzeitiger schwerer Instabilität
nach einer traumatischen Luxation immobilisiert werden sollten operativ versorgt werden.
soll oder nicht. Obwohl die Immobilisierung eine bessere Blockierte hintere Luxationen stellen eine besondere
Heilung der verletzten Weichteile begünstigen soll, Herausforderung dar. Ist die Luxation subakut oder chro-
haben einige Studien keinen klaren Vorteil einer längeren nisch sollte operiert werden. Zeigt sich eine kleine Hill-
Immobilisierung zeigen können (10). Maeda et al. fanden Sachs-Läsion, sollte das Tuberculum minus in die Läsion
2 Jahre nach traumatischer Luxation bei jungen Rugby- hineingeschwenkt werden. Liegt ein schwerer Defekt des
spielern bei Spielern, die eine 4- bis 7-wöchige Immobi- Gelenkknorpels vor, eine reverse Hill-Sachs-Läsion von
lisierung erhalten hatten eine geringere Rezidivrate als mehr als 45 % des Humeruskopfs oder eine Luxationsdau-
bei jenen mit einer weniger als 3 Wochen währenden er von mehr als 6 Monaten, ist eine Schulterprothese
Immobilisierung (54). angezeigt (61).
Jüngst wurde die Immobilisierungsstellung untersucht. Während des prothetischen Gelenkersatzes bei blo-
Itoi et al. stellten in einer Leichenstudie eine bessere Ap- ckierter hinterer Schulterluxation kann eine zweite hin-
position der vorderen Schulterkapsel in Außenrotation tere Inzision zur Extraktion des dislozierten Humerus-
fest. In einer Studie zur klinischen Nachuntersuchung kopfs nötig sein (61).
wurden 40 Patienten mit akuter Schulterluxation entwe-
der mit klassischer Immobilisierung oder mit Ruhigstel-
lung in Außenrotation behandelt (56). Die Rezidivrate in
der Innenrotationsgruppe lag bei 30 % und bei 0 % in der
Außenrotationsgruppe an einem mittleren Nachunter-
Schulterluxationen 281

Luxation der Schulter beim jungen Patienten senken


Operative Versorgung
könne (61).
Anatomie
Arthroskopisch assistierte Kapselraffung
Die traumatische Schulterluxation kann zu einer breiten
Palette von Pathologien führen. Die klassische Bankart- Bottoni et al. verglichen in einer randomisierten Studie
(oder auch Perthes-)Läsion ist die Ablösung des vorderen die arthroskopische Stabilisierung der Schulter innerhalb
unteren Labrums vom Glenoid. Obwohl diese Läsion häu- von 10 Tagen nach Trauma mit dem konservativen Vor-
fig ist, wurde auch betont, dass zeitgleich eine gewisse gehen (63). Bei 10 Patienten wurde eine Bankart-Läsion
Zerrung des Kapsel-Band-Apparats auftritt. Seltener ist mit dem Suretac-Gerät arthroskopisch versorgt. Nur einer
ein Abriss der glenohumeralen Bänder vom Humerus, dieser Patienten entwickelte eine rekurrierende Instabili-
die sogenannte HAGL (humerale Avulsion des glenohu- tät, im Gegensatz zu 75 % der konservativ behandelten
meralen Ligaments). Patienten. Larrain et al. berichten in einer nichtrandomi-
Hintermann u. Gachter führten an 212 Patienten mit sierten Studie eine Rezidivrate von 95 % im Vergleich zu
mindestens einer Luxation Arthroskopien der Schulter 4 % nach akuter arthroskopischer Reparatur mit transgle-
durch. Sie fanden eine Vielzahl von pathologischen Be- noidalen Nähten oder einem Knochenanker (64). Für die
funden (11). Anteriore Labrumrisse kamen in 87 % der detaillierte Beschreibung der arthroskopischen Schulter-
Fälle vor und waren damit am häufigsten. Des Weiteren chirurgie wird auf weiterführende Studienliteratur ver-
wurden in absteigender Häufigkeit die Kapselinsuffizienz wiesen.
(79 %), die Hill-Sachs-Läsion des Humeruskopfs (68 %), die
glenohumerale Bandinsuffizienz (55 %), die komplette
Ergebnisse
Zerreißung der Rotatorenmanschette (14 %) und hintere
Labrumrisse (12 %) sowie obere vordere und hintere Überraschenderweise ist der natürliche Verlauf der trau-
SLAP-Läsionen (7 %) gefunden. Ein ähnliches Spektrum matischen Schulterluxation nicht bekannt. Kürzlich wur-
stellten Taylor u. Arciero fest (12). den die Ergebnisse einer über 3 Jahre laufenden Beobach-
tungsstudie an 538 konsekutiven Patienten mit erstmali-
Operationstechniken ger vorderer Schulterluxation veröffentlicht (60). 17
(3,2 %) der Patienten erlitten ein frühes Rezidiv innerhalb
Eine detaillierte Beschreibung der mannigfachen Metho- einer Woche. Risikofaktoren für eine frühe Reluxation
den und der kontroversen Diskussionen bezüglich der sind Hochrasanztrauma (relatives Risiko 13,7), assoziierte
späten Reparatur rezidivierender Schulterluxationen ist neurologische Schäden (relatives Risiko 2,3), großer Riss
nicht Gegenstand dieses Kapitels. Hier wird auf andere der Rotatorenmanschette (relatives Risiko 29,8), Fraktur
Texte zu diesem Thema verwiesen. In den folgenden Ab- des Glenoidrands (relatives Risiko 7,0) und Fraktur so-
schnitten wird die Bedeutung der arthroskopischen Lava- wohl des Glenoidrands als auch des Tuberculum majus
ge und der arthroskopisch assistierten Kapselraffung kurz (relatives Risiko 33,5; 60).
diskutiert, da diese Methoden in der unmittelbar post-
11
traumatischen Phase für den behandelnden Arzt interes-
Komplikationen
sant sein können.
Die Beurteilung des neurologischen Begleitschadens bei
Luxation der Schulter ist wegen der auftretenden
Arthroskopie
Schmerzen, die selbst eine scheinbare Schwäche auslösen
Viele Autoren befürworten zur besseren Diagnose und können, nicht einfach. Visser et al. führen an 215 Patien-
Therapie der traumatischen Schulterluxation eine frühe ten mit Schultertrauma elektromyografische Unter-
Arthroskopie (12, 57, 59). Die arthroskopische Lavage suchungen durch. Sie dokumentierten in 62 % der Fälle
scheint zur Dekompression der Schulter, zur besseren abnorme Befunde. Die Tests von Motorik und Sensibilität
Adaptation der verletzten Strukturen oder zur verbesser- hatten keine Vorhersagekraft für im EMG dokumentierte
ten Propriozeption zu führen. Eine jüngere Studie kam neurologische Schäden. Daher wird eine große Zahl die-
hingegen zu dem Schluss, dass die frühe Arthroskopie ser Schäden nicht entdeckt (39).
nicht von Vorteil sei. In einer Serie mit 31 Patienten im
Alter von 16 – 39 stellen Slaa et al. fest, dass die in der
Arthroskopie diagnostizierte Gelenkpathologie nicht mit Merke
einer folgenden Schulterinstabilität korrelierte. Darüber ■ Subklinische pathologische Befunde können in 60 %
hinaus gab es keinen Zusammenhang zwischen sport- aller Patienten mit Schultertrauma erhoben werden.
licher Aktivität und Schulterinstabilität. Daher fanden ■ Ein Riss der Rotatorenmanschette nach Luxation der
die Autoren es unwahrscheinlich, dass die arthroskopi- Schulter ist bei Patienten über 40 Jahre häufiger.
sche Lavage die Rezidivrate nach akuter traumatischer
282 11 Proximale Humerusfraktur und Schulterluxation

Inhalt der DVDs

Video 11-1 (DVD 2) Osteosynthese und perkutane Pin- Video 11-5 (DVD 2) Marknnagelung des proximalen Hume-
Drahtversorgung. Dieses Video zeigt die Technik der Osteo- rus mit einem Spiralklingennagel. Dieses Video zeigt die
synthese und der Pin-Drahtversorgung einer Fraktur des chi- Versorgung einer instabiles Fraktur des chirurgischen Halses
rurgischen Halses. mit einem Marknagel, der ein „spiral blade“ zur Fixierung des
Video 11-2 (DVD 2) Osteosynthese einer vorderen Schulter Humeruskopfs nutzt.
luxationsfraktur mit einer nichtverriegelnden periartikulä- Video 11-6 (DVD 2) Schulter-Hemiarthroplastik bei pro-
ren Platte. Dieser Patient hatte sowohl eine vordere Disloka- ximaler Humerusfraktur. Dieses Video zeigt die Technik
tion des Humeruskopfs als auch eine Schrägfraktur des pro- der Schulter-Hemiarthroplastik zur Versorgung einer pro-
ximalen Humerusschafts. ximalen Humerusfraktur mit besonderer Beachtung der
Video 11-3 (DVD 2) Osteosynthese einer Trümmerfraktur Technik der Rekonstruktion des Tuberkulums.
des proximalen Humerus mit einer winkelstabilen Plat- Video 11-7 (entspricht Video 5-1, DVD 1) Korrektur einer in
te. Dieses Video zeigt die Versorgung einer valgusimpaktier- Varusfehlstellung befindlichen nicht verheilten proximalen
ten Fraktur in Assoziation mit Dislokation und Zertrümme- Humerusfraktur per Osteotomie. Dieses Video zeigt die
rung beider Tuberkula durch eine winkelstabile proximale Hu- Korrektur einer in varischer Fehlstellung befindlichen nicht
merusplatte. verheilten proximalen Humerusfraktur durch Closed-wedge-
Video 11-4 (DVD 2) Marknagelung des proximalen Hume- Osteotomie und Verriegelungsplatte.
rus mit einem Verriegelungsnagel. Dieses Video zeigt die
Versorgung einer instabilen Fraktur des chirurgischen Halses
mit einem Marknagel mit Verriegelungsschrauben für die
Stabilisierung des Humeruskopfs.

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11
Konservative Therapie 285

12 Frakturen des Humerusschafts


D. C. Templeman, S. A. Sems
Übersetzer : A. Krüger

Anhand der Daten aus Traumaregistern beträgt der Anteil handelt, bei denen die Pseudarthrosenrate steigt, oder
von Humerusschaftfrakturen circa 1 % aller Frakturen. wenn zum anderen persistierende Achsfehlstellungen
Obwohl die Marknagelung der langen Röhrenknochen von > 20° vorliegen. Grobe Achsfehler können zu einer
der unteren Extremitätten nahezu überall anerkannt ist, eingeschränkten Beweglichkeit des Schultergelenks füh-
können viele Frakturen des Humerusschafts konservativ ren. Insbesondere können Varusfehlstellungen in funktio-
behandelt werden. Bei den Frakturen, die operativ be- nellen Einschränkungen der Abduktion im Schulterge-
handelt werden müssen, erzielen sowohl Platten- als lenk resultieren. Im Gegensatz dazu scheint eine Verkür-
auch Marknagelosteosynthesen gleiche Ergebnisse. Beide zung des Humerus nicht zu schlechteren funktionellen
Verfahren haben jedoch jeweils typische Komplikationen. Ergebnissen zu führen. Castellá et al. berichteten kürzlich
Jede Methode hat ihre Vor- und Nachteile, die in diesem über eine Serie von 30 Pseudarthrosen des Humerus
Kapitel diskutiert werden. nach konservativer Therapie. 9 Pseudarthrosen traten
Begleitende Verletzungen des N. radialis treten bei bei vergleichbaren Patienten auf. Bei diesen Patienten
6 – 17 % der Humerusschaftfrakturen auf; diese werden handelte es sich um ältere Frauen mit einem langen,
hauptsächlich bei dislozierten Schrägfrakturen des mitt- lateralen, schmetterlingsförmigen Frakturfragment am
leren Schaftes beobachtet. Diese Tatsache macht eine ge- Übergang des mittleren zum distalen Drittel des Hume-
naue präoperative neurologische Überprüfung und Doku- rus (4).
mentation insbesondere der Motorik der Handgelenksex-
tensoren bei jeder Humerusschaftfraktur erforderlich.
Oberarmschiene
Wichtig ist für die Überprüfung der Funktion des N. ra-
dialis die Funktion der Extensoren des Handgelenks zu Oberarmschienen aus Weißgips oder anderen Materia-
überprüfen und nicht wie häufig fälschlich, insbesondere lien sind häufig die erste Wahl bei der initialen Stabili-
nach Ruhigstellung, die Funktion der Fingerextensoren, sierung der Humerusschaftfraktur in der Notaufnahme.
die von der intrinsischen Muskulatur der Hand bewegt Die Schienen können U-förmig sein und sollten medial-
und vom N. ulnaris innerviert werden. Die Überprüfung seitig möglichst weit in die Axilla reichen. Die Schiene
des N. radialis erfolgt durch Testung der Handgelenksex- wird dann um den Ellbogen gelegt und lateral bis über
tension und Graduierung der Kraftgrade. den M. deltoideus hinaus angepasst (Abb. 12.1). Bei pro-
ximal gelegenen Frakturen kann die Schiene lateral bis
zum Hals weitergeführt werden. Dies verstärkt die Im-
mobilisation der Schulter und reduziert hierdurch die
Konservative Therapie
Schmerzen insbesondere in der ersten Woche der Be-
handlung. Eine schlauchförmige Stockinette kann über
Generelle Überlegungen 12
die Schiene gezogen und locker um den Hals geknotet
Zurzeit besteht im angloamerikanischen Sprachraum bei werden, um ein Verrutschen der Schiene insbesondere
einer Großzahl isolierter Humerusschaftfrakturen die In- bei Immobilisation „über der Schulter“ zu vermeiden.
dikation zur konservativen Therapie. Die guten klinischen Frakturen, die mit einer U-Schiene behandelt werden,
Ergebnisse die mittels Brace und frühfunktioneller The- können versehentlich aufgrund der Stellung des Armes
rapie erzielt werden können, wurden von Sarmiento be- zum Körper in einer Varusfehlstellung ruhiggestellt wer-
schrieben. Sarmiento berichtet über Heilungsraten von den. Dies tritt gehäuft auf, wenn der axilläre Teil der
99 % bei sowohl geschlossenen und offenen Frakturen Schiene an oder distal der Fraktur endet (Abb. 12.2).
deren Ursache kein Hochrasanzunfall war (1 – 3). Andere Um varische Fehlstellungen zu vermeiden, kann die
Methoden der konservativen Therapie beinhalten die Ru- Schiene valgisch angepasst werden (bananenförmig).
higstellung mittels Schiene (z.B: Kramerschiene, Sam- Der axilläre Teil der Schiene sollte gut gepolstert sein,
Splint) oder Hängegips mittels unterschiedlichster um Hautirritationen und Dekubiti zu vermeiden. Wö-
Schlingen und Instrumentarien, die in diesem Kapitel chentliche Röntgenaufnahmen sind zur Kontrolle der kor-
ebenfalls vorgestellt werden. rekten Stellung der Fragmente bei dieser Behandlungs-
Bei einigen Frakturen oder besonderen Situationen eig- technik erforderlich. Wie der Hängegips kann auch die
net sich die konservative Therapie jedoch weniger. Zum U-Schiene zur initialen Therapie genutzt werden. In der
Beispiel treten bei der konservativen Therapie isolierter Regel sollte im Verlauf auf einen funktionellen Brace als
Schaftfrakturen des Humerus häufiger Probleme auf, definitive Therapie konvertiert werden.
wenn es sich zum einen um dislozierte Querfrakturen
286 12 Frakturen des Humerusschafts

a b

12
c d

Abb. 12.1 Beispiel der Ruhigstellung mittels U-Schiene. c Nach neu angelegter engerer Schiene zeigt sich ein besseres
a A.–p. Röntgenbild einer Fraktur des mittleren Humerus- Repositionsergebnis.
schafts. d Endgültige Röntgenaufnahmen im funktionellem Brace.
b A.–p. und laterale Bilder einer schlecht angelegten Schiene
mit nur geringer Reposition.

grenzenden Gelenke, während die Fraktur immobilisiert


Funktioneller (Sarmiento-)Brace
wird. Der aktive Gebrauch der Muskulatur unterstützt die
Die Therapie mittels funktionellem Brace ist eine effekti- Frakturreposition hinsichtlich Angulation und Rotation
ve Methode, um eine Frakturheilung von Humerusschaft- (3).
frakturen zu erreichen, ohne gleichzeitig die Beweglich- Ein Brace des Humerus besteht aus 2 ineinanderpas-
keit von Schulter- und Ellbogengelenk einzuschränken. sende Schalen (Abb. 12.3). Die eine Schale ist so geformt,
Grundlage des funktionellen Brace ist eine zirkuläre dass sie sich dem Bizeps brachii anpasst, die andere dem
Kompression der umgebenden Weichteile, die zu einem Trizeps brachii. Die Schalen sollten nicht in der Ellbeuge
Anstieg des hydrostatischen Drucks um die Fraktur führt. anliegen oder die Beweglichkeit des Ellbogengelenks ein-
Der funktionelle Brace ermöglicht Bewegungen der an- schränken. 2 oder 3 Klettverschlüsse dienen dazu, den
Konservative Therapie 287

ist es sinnvoll, die initiale Immobilisation für die ersten


1 – 2 Wochen zunächst mit einer U-Schiene, einem Häng-
gips oder einem Gilchrist-Verband zu erreichen. Patien-
ten dürfen mit dem Brace funktionell nachbehandelt wer-
den. Alle Aktivitäten dürfen so durchgeführt werden, wie
der Patient sie toleriert, wobei darauf geachtet werden
sollte, die Schulterabduktion zu limitieren, um Varusfehl-
stellungen zu vermeiden. Die Behandlung im Brace sollte
für ungefähr 8 Wochen erfolgen oder bis der Patient den
Arm schmerzfrei bewegen kann und eine knöcherne
Durchbauung radiologisch nachgewiesen werden kann.
Es gibt mehrere große Fallserien, die dokumentieren,
dass bei dieser Behandlung Pseudarthrosen sehr selten
sind (1 – 3).

Hängegips (Hanging Cast)


Sogenannte Hängegipse wurden traditionell zur Behand-
lung dislozierter Humerusschaftfrakturen verwendet. Der
Einsatz basiert auf der Vorstellung, dass die Schwerkraft
über das Gewicht des Gipses das Alignement des Armes
wiederherstellt. Frakturen, die grundsätzlich für diese Be-
handlung in Betracht kommen, sind verkürzte sowie
Abb. 12.2 Röntgenaufnahme einer Varusfehlstellung einer langstreckige Spiralfrakturen. Die Heilung dieser Fraktur-
mittels U-Schiene behandelten Fraktur. Diese Fehlstellung ist
typen ist durch eine potenzielle Verlängerung, die aus
bei Patienten, die nicht aufrecht mobilisiert werden können,
schwer zu vermeiden. Dieser Patient lag auf einer Intensivsta- dem Zug resultieren kann, nicht gefährdet. Im Gegensatz
tion. Die Schwerkraft unterstützt die Reposition bei aufrechter hierzu werden Querfrakturen idealerweise nicht durch
Position des Patienten. Zug behandelt, da die Fragmente durch zu starke Distrak-
tion keinen Kontakt zueinander finden und hieraus eine
Pseudarthrose entstehen kann. Eine Ruhigstelllung mit
Brace den Weichteilverhältnissen anpassen zu können Hängegips kann in der ersten Woche nach Unfall erfol-
und eine enge Passform zu ermöglichen. Die Möglichkeit gen, um eine Reposition einer verkürzten Fraktur zu er-
den Brace zu adjustieren, erlaubt es, diesen am 5. – 7. Tag reichen. Nach einer Woche wird ein Wechsel auf einen
nach der Verletzung in Abhängigkeit von den Weichteil- funktionellen Brace bevorzugt, da die prolongierten Ru-
verhältnisse anzulegen. Parallel zum Rückgang der higstellung, die für die Behandlung im Hängegips erfor-
Weichteilschwellung muss der Brace enger geschnallt derlich ist, zu einer Schulter- und Ellbogensteife führen
werden. Aufgrund der Kompression der Weichteile wird kann. Die Technik des Hängegipses basiert auf der
der funktionelle Brace unmittelbar nach Trauma nur Schwerkraft und macht eine ständige aufrechte Position
schlecht von den Patienten toleriert. Aus diesem Grund des Patienten erforderlich, um die Reposition zu halten. 12

Abb. 12.3 Brace


bei Humerusschaft-
fraktur. Eine
schlauchförmige
Stockinette kann
unter dem Brace
getragen werden.
Der Patient muss
täglich die Klettver-
schlüsse nachzie-
hen, um ein enges
Anliegen des Braces
zu gewährleisten.
288 12 Frakturen des Humerusschafts

Andernfalls kann das Gewicht des Gipses die Dislokation lung zum Einsatz kommen. Bei diesen Verbänden wird
der Fragmente verstärken. Manche Patienten tolerieren die obere Extremität am Rumpf fixiert. Diese Verbände
diese Technik schlecht, da das Schlafen im Sessel oder eignen sich zur initialen Therapie, sollten aber durch an-
Lehnstuhl erforderlich ist. Der Hängegips sollte nicht zu dere funktionellere Verbände ersetzt werden. Spica-Ver-
schwer sein, um eine Überdistraktion zu vermeiden. Der bände der Schulter wurden bei Frakturen, die eine starke
Gips sollte so angelegt werden, dass er proximal der Frak- Abduktion zur Reposition benötigen, eingesetzt. Diese
tur beginnt, das Ellbogengelenk 90° gebeugt ist und der Verbände sind schwer anzulegen und haben einen sehr
Unterarm in Neutralstellung ruhiggestellt wird. Das geringen Tragekomfort. Bei Frakturen, die in einem Schul-
Handgelenk sollte nicht ruhiggestellt werden, um eine ter-Spica-Verband ruhiggestellt werden müssen, besteht
freie Handgelenks- und Fingerbeweglichkeit zu ermögli- in der Regel eine Indikation zur operativen Versorgung.
chen. Der Hängegips wird mit einer Schlinge, die um den Extensionsbehandlungen, bei denen der Pin durch das
Hals des Patienten geführt wird und am Handgelenk en- Olekranon getrieben wird, wurden ebenfalls zur Behand-
det, unterstützt. Diese Schlinge kann am Handgelenk je lung verwendet. Die Extensionsbehandlung zur konser-
nach Frakturtyp adjustiert werden. Varische Fehlstellung vativen Behandlung von Humerusschaftfrakturen wurde
machen eine Lateralisierung (weg vom Körper) der nahezu vollständig durch den Fixateur externe ersetzt,
Schlinge erforderlich, valgische Fehlstellungen können der wesentlich einfacher anzuwenden ist.
durch eine Medialisierung (hin zum Abdomen) der
Schlinge korrigiert werden. Anteversionen können durch
weiter distale Fixierung, Retroversionen durch weiter Klassifikation der Verletzungen
proximale Fixierungen der Schlinge korrigiert werden.
Die Klassifikation der Frakturen des Humerusschafts er-
folgt deskriptiv, wobei viele charakteristische Merkmale
Andere konservative Therapieoptionen
bei der Beschreibung berücksichtigt werden müssen.
Viele andere nichtoperative Methoden zur Behandlung Frakturen der Diaphyse des Humerus können nach der
einer Humerusschaftfraktur wurden beschrieben. Gil- Frakturhöhe eingeteilt werden: Frakturen im proximalen,
christ- oder Dessault-Verbände können bei der Behand- mittleren oder distalen Drittel des Schaftes. Eine mor-

Korakoid
Akromion
Klavikula
M. deltoideus M. deltoideus

12

M. pectoralis
M. pectoralis
M. pectoralis major
major
major

Abb. 12.4 Unterschiedliche Dislokationen der Fragmente je nach Lokalisation der Fraktur im Verhältnis zu den Ansätzen der Mm.
deltoideus und pectoralis major (Beschreibungen im Text).
Indikationen für eine chirurgische Therapie 289

phologisch sinnvollere Klassifikation bezieht die Ansätze


Begleitende artikuläre Verletzungen
der Muskulatur am Humerusschaft mit in die Lokalisati-
onsbeschreibung ein. Am proximalen Teil des Humerus- Frakturen des Humerusschafts, bei denen zusätzlich eine
schafts setzen der M. pectoralis major und der M. delto- intraartikuläre Verletzung des Schulter- oder Ellbogenge-
ideus an. Bei Frakturen, die über dem Ansatz des M. lenks vorliegt, die operativ behandelt werden muss, soll-
pectoralis major lokalisiert sind führt der Muskelzug am ten ebenfalls stabilisiert werden (Abb. 12.5). Zu einer in-
distalen Fragment zu einer Medialisierung des Humerus- traartikulären Beteiligung kann es zum einen kommen,
schafts. Das proximale Fragment ist durch den Zug der wenn die Schaftfraktur im Gelenkbereich ausläuft, zum
Rotatorenmanschette in der Regel abduziert und außen- anderen wenn Stückfrakturen des Schaftes mit zusätzli-
rotiert. Bei einer Fraktur, die zwischen den Ansätzen des chen separaten Schulter- oder Ellbogenfrakturen vorlie-
M. deltoideus und M. pectoralis major verläuft wird der gen. Nach erfolgter operativer Stabilisierung der intraar-
proximale Anteil über den Zug des M. pectoralis major tikulären Fraktur ist eine frühe funktionelle Therapie für
nach medial disloziert, der distale Anteil wird durch den die Gelenkfunktion von entscheidender Bedeutung. Eine
M. deltoideus nach kranial und lateral verschoben Stabilisierung des Humerusschafts ist hierfür zwingend
(Abb. 12.4). Bei Frakturen unterhalb des Ansatzes des M. erforderlich. Den Humerusschaft nicht zu stabilisieren,
deltoideus führt der Zug des stärkeren M. deltoideus zu verhindert die frühfunktionelle krankengymnastische Be-
einer Abduktion des proximalen Fragments. übung und führt zu einer erhöhten Rate von Bewegungs-
Zusätzlich zur Lokalisation der Fraktur sollte die Klas- einschränkungen der betroffenen Gelenke.
sifikation die Morphologie der Fraktur berücksichtigen.
Quer-, Schräg-, Spiral-, Stück- und Trümmerfrakturen
Begleitende neurovaskuläre Verletzungen
können unterschieden werden. Neben dem Dislokations-
grad sollte die Klassifikation die Weichteilverhältnisse Verletzungen des N. radialis sind die häufigste Nerven-
beschreiben. Für geschlossene Frakturen wird die Klassi- schädigung bei Frakturen des Humerusschafts mit einer
fikation nach Tscherne u. Gotzen (5) für offene Frakturen beschriebenen Inzidenz von 1,8 – 34 % (8 – 11). Die meis-
die nach Gustilo u. Anderson (6) verwendet. ten primären und sekundären Schädigungen des N. radia-
lis enstehen durch Dehnung und/oder Druck (Neurapra-
xie). Bei einem Großteil der Funktionsausfälle kommt es
Indikationen für eine chirurgische zu einer spontanen Remission. Aus diesem Grund ist un-
klar, welche Nervenschädigungen zwingend eine offene
Therapie
Exploration des Nervs erforderlich machen. Läsionen des
N. radialis bei Frakturen des distalen Drittels des Schaftes
Repositionsverlust
mit langstreckigem Längs- oder spiralförmigem Fragment
Bei circa 90 % der konservativ behandelten Humerus- (sogenannte Holstein-Lewis-Fraktur) sind ein Beispiel für
schaftfrakturen kann eine knöcherne Heilung erzielt wer- Frakturen, bei denen eine operative Exploration des
den. Bei bestimmten Frakturen ist jedoch ein operatives Nervs erwogen werden sollte. Bei diesem Frakturtyp kön-
Vorgehen indiziert. Sollte das Repositionsergebnis durch nen Lazerationen oder Durchspießungen des Nervs durch
die konservative Therapie nicht in bestimmten Grenzen scharfe knöcherne Fragmente oder Einklemmungen des
gehalten werden können, muss eine operative Therapie Nervs zwischen Fragmenten vorliegen (8). Im Gegensatz
erwogen werden. Klenerman zeigte, dass eine Angulation zu den distalen Frakturen ist bei den Schädigungen des N. 12
von bis zu 20° in der a.–p. Ebene, 30° Valgus- oder Varus- radialis bei mittleren Schaftfrakturen häufig eine Quet-
fehlstellung sowie eine Verkürzung von bis zu 3 cm gut schung oder Kontusion ursächlich für die Dysfunktion
toleriert werden können (7). (12). Grundsätzlich werden gute Ergebnisse bei konser-
vativer Therapie von Läsionen des N. radialis bei beglei-
tender Humerusschaftfraktur beschrieben (10, 11).
Offene Frakturen
Eine der am meisten kontrovers diskutierten Indikatio-
Offene Frakturen sollten operativ mit gründlichem Débri- nen für eine operative Exploration des N. radialis ist die
dement aller devitalisierten knöchernen und Weichteil- iatrogene Schädigung nach Reposition einer Humerus-
strukturen sowie Stabilisierung der Fraktur behandelt schaftfraktur, insbesondere bei scharfkantigen, langstre-
werden. Die Wichtigkeit der Stabilisierung des Knochens ckigen Frakturen des distalen Drittels des Humerus-
bei offenen Frakturen soll hier unterstrichen werden. Die schafts. Obwohl diese Läsionen im Allgemeinen eine In-
Stabilität spielt eine entscheidende Rolle beim Schutz der dikation für eine operative Exploration darstellen, konnte
Weichteile vor weiteren Schäden und erlaubt eine bes- nachgewiesen werden, dass ein Großteil dieser Läsionen
sere, schnellere Erholung der betroffenen Extremität. ebenfalls spontan heilen kann (13). Bei offenen Frakturen
konnte gezeigt werden, dass der Nervenschaden häufig
durch eine direkte Lazeration bedingt ist (14). Eine per-
sistierende Dehiszenz im Bereich des Frakturspalts einer
ansonsten einfachen Fraktur bei begleitendem Nerven-
290 12 Frakturen des Humerusschafts

12

d e

Abb. 12.5 Ipsilaterale offene Humerusschaft- und Unterarm- c Röntgenaufnahmen des Unterarms in 2 Ebenen in der Gips-
fraktur. schiene: dislozierte Unterarmfraktur mit begleitender Ellbogen-
a Fotografie des Armes eines Patienten der von seinem PKW luxationsfraktur.
überrollt wurde. d Röntgenaufnahmen des Oberarms in 2 Ebenen nach offener
b Die Röntgenaufnahme im a.–p. Strahlengang zeigt die Hu- Reposition und Plattenosteosynthese mit einliegenden Antibio-
merusschaftfraktur sowie Luxation des Radiusköpfchens bei tikaketten.
proximaler Ulnafraktur (Monteggia-Fraktur). e Postoperative Röntgenaufnahme des Unterarms.
Indikationen für eine chirurgische Therapie 291

a b c

d e
12
Abb. 12.6 c Die intraoperative Fotografie zeigt den eingklemmten N. ra-
a Initiale Röntgenaufnahme einer Humerusfraktur im Bereich dialis (schwarzer Pfeil) im Bereich der Fraktur (weißer Pfeil).
des mittleren Schafts. Klinisch lag zu diesem Zeitpunkt keine d Intraoperative Fotografie nach Reposition des Nervs und
Nervenläsion vor. Plattenosteosynthese.
b Nach Reposition liegt ein gutes Alignement vor. Bei persis- e Postoperative Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen nach offener
tierender Dehiszenz und neu aufgetretenem Schaden des N. Reposition und Plattenosteosynthese.
radialis kann dies ein Hinweis auf eine Einklemmung des
Nervs im Frakturspalt sein.

schaden kann ein Hinweis auf einen im Frakturspalt ein- folgen. Diese Verletzungen erfordern eine konstruktive
geklemmten Nerv sein (Abb. 12.6). interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Gefäßverletzungen bei Frakturen des Humerusschafts
treten gehäuft bei penetrierenden Verletzungen auf (15).
„Floating Elbow“-Verletzungen
Eine operative Stabilisierung der Fraktur ist erforderlich,
um stabile Verhältnisse ohne Abknicken oder Verkürzung Unterarmfrakturen, die mit Humerusschaftfrakturen ver-
des Gefäßes nach Gefäßrekonstruktion zu erreichen. gesellschaftet sind und bei denen eine Instabilität des
Wann immer möglich, sollte daher die Stabilisierung Ellbogengelenks vorliegt, werden optimalerweise opera-
des Knochens durch Osteosynthese oder Fixateur externe tiv behandelt (s. Abb. 12.5). Die Stabilisierung aller Frak-
vor der Rekonstruktion oder dem Ersatz des Gefäßes er- turen ermöglicht eine frühfunktionelle krankengymnas-
292 12 Frakturen des Humerusschafts

tische Nachbehandlung, die zum Erhalt der Gelenkfunk- ipsilateraler Humerusschaft- und Unterarmfrakturen
tion sehr wichtig ist. Diese Begleitverletzungen nicht (Floating-Elbow) sowie Humerusschaftfrakturen bei po-
operativ zu versorgen, kann zu einer prolongierten Im- lytraumatisierten Patienten, bei denen durch die Stabili-
mobilisation und daraus resultierender schlechter Funk- sierung die Pflege und Mobilisation erleichtert werden.
tion von Schulter- und Ellbogengelenk führen. Eine wichtige Voraussetzung für die konservative Thera-
pie ist die Fähigkeit des Patienten in einer aufrechten
Drohende pathologische Position zu sitzen und oft auch zu schlafen. Diese auf-
rechte Position erlaubt der Schwerkraft die Humerus-
Humerusschaftfrakturen
schaftfraktur über den Zug des Armes zu reponieren.
Drohende pathologische Frakturen des Humerusschafts Bei Patienten mit einer Humerusschaftfraktur und
sind eine signifikante Ursache für Schmerzen und Ein- einer zusätzlichen Verletzung der unteren Extremität,
schränkungen bei Patienten mit metastasierten Tumor- die eine postoperative Entlastung erforderlich macht,
erkrankungen oder metabolischen Erkrankungen des kann die Stabilisierung der Humerusschaftfraktur die
Knochenwachstums. Diese drohenden Schaftfrakturen postoperative Mobilisation mit Gehstöcken oder Rollator
können durch eine Vielzahl operativer Techniken behan- vereinfachen. Tingstad et al. merken an, dass die oberen
delt werden. Eine Stabilisierung sollte erwogen werden, Extremitäten beim Gebrauch bilateraler Achselgehstöcke
wenn 50 – 75 % des Knochens auf Röntgenaufnahmen in 2 mit bis zu 80 % des Körpergewichts belastet werden und
Ebenen betroffen bzw. zerstört sind (18). Die Kombinati- dass Plattenosteosynthesen, wenn sie korrekt durch-
on aus operativer Stabilisierung und zusätzlicher Strah- geführt wurden ausreichende Stabilität gewährleisten,
lentherapie verstärkt den Effekt der Schmerzreduktion um ein Gehen mit Gehstöcken zu ermöglichen (19). Zu-
und ermöglicht eine freie Funktion des Armes. Die ope- sätzlich schätzen viele Unfallchirurgen und Orthopäden
rative Stabilisierung kann mit einer Zementaugmentation eine Marknagelosteosynthese bei bestimmten Fraktur-
kombiniert werden, um eine erhöhte Stabilität zu errei- typen für ausreichend stabil ein, um eine Mobilisation
chen und um die analgetischen Effekte der Zementaug- an Gehstöcken zu ermöglichen. Als Beispiel hierfür kann
mentation zu nutzen. eine Marknagelosteosynthese bei Querfraktur im Bereich
des mittleren Humerusschafts dienen. Zurzeit steht der
Beweis jedoch noch aus, dass auch andere Frakturformen,
Polytraumatisierte Patienten
die mit einer Marknagelosteosynthese stabilisiert wur-
Patienten mit multiplen Extremitätenverletzungen, bei den voll belastet werden dürfen.
denen Frakturen des Humerusschafts vorliegen sind Kan- Platten- und Marknagelosteosynthesen sind die gän-
didaten für eine operative Stabilisierung des Humerus- gigsten Verfahren zur operativen Behandlung von Frak-
schafts. Bei Patienten mit begleitendem Schädel-Hirn- turen des Humerusschafts. Die Stabilisierung mittels Fi-
Trauma und zu erwartender prolongierter intensivmedi- xateur externe wird aufgrund der potenziellen Verlet-
zinischer Behandlung erleichtert die operative Behand- zung neurovaskulärer Strukturen durch das Einbringen
lung die Pflege, den Transport und die Mobilisation des der Schanz-Schrauben sowie des Risikos für Pin-Kanal-
Patienten. Bei Patienten mit multiplen Verletzungen der infekte seltener genutzt.
Extremitäten sollte auch berücksichtigt werden, dass die Die Indikation für Platten- oder Marknagelosteosyn-
Mobilisation mit Gehstöcken einfacher fällt, wenn eine these wird kontrovers diskutiert und ist abhängig von
12 Humerusschaftfraktur operativ stabilisiert wurde. Mit einigen Faktoren wie z. B.: Frakturform und Lokalisation,
einer Plattenosteosynthese ist eine Vollbelastung mög- begleitenden Weichteil- oder Gefäß-Nerven-Verletzun-
lich, ohne dass das Risiko für Komplikationen ansteigt gen, vorbestehender Osteoporose, begleitenden ipsilate-
(19). Bei Patienten mit bilateralen Verletzungen der obe- ralen Verletzungen und letztendlich Vorlieben des Ope-
ren Extremitäten sollte ebenfalls bedacht werden, dass rateurs.
die operative Versorgung dem Patienten eine schnellere Die Markraumosteosynthese von Frakturen des Hume-
Rehabilitation und eigenständige Verrichtung alltäglicher russchafts wurde vor der Entwicklung von Verriegelungs-
Dinge ermöglicht. nägeln selten angewandt. Nach Einführung der Verriege-
lungsnägel weiteten sich die Indikationen auf die Versor-
gung von Humerusschaftfrakturen aus und erzielten po-
sitive Ergebnisse. Zurzeit scheinen die Heilungsraten für
Operative Therapie
Platten- und Marknagelosteosynthesen identisch zu sein.
Die Gegner der Marknagelosteosynthesen sehen eine der
Generelle Überlegungen
Schwächen der antegraden Marknagelosteosynthese in
Wie bereits beschrieben, bestehen einige Indikationen für dem Risiko für postoperative Schmerzen im Bereich des
die operative Therapie von Frakturen des Humerus- Schultergelenks, das im Vergleich zur konservativen The-
schafts. Als anerkannte Indikationen gelten offene Hume- rapie erhöht sein soll. Befürworter der Plattenosteosyn-
russchaftfrakturen, bilaterale Humerusschaftfrakturen, these führen an, dass das Risiko einer iatrogenen Schädi-
pathologische Frakturen, Kombinationsverletzungen aus gung des N. radialis bei blinder Versorgung mittels Mark-
Operative Therapie 293

nagelosteosynthese erhöht sein soll, Befürworter des DVD 2). Die Schulter wird 90° abduziert und der Arm
Marknagels halten dagegen, dass die zugangsbedingte ohne Extension gelagert. Ein Lagerungskissen unter der
Schädigung des N. radialis bei der offenen Plattenosteo- Brust des Patienten ermöglicht eine geringe Flexion der
synthese erhöht sei. Es wurden zahlreiche Versuche un- Schulter nach vorne und reduziert das Risiko für deh-
ternommen, die relativen Vorteile und Probleme, die für nungsbedingte Läsionen des Plexus brachialis. Ein rönt-
beide Verfahren beobachtet wurden, untereinander zu gendurchlässiger Armtisch, der am OP-Tisch befestigt
vergleichen (20 – 23). Prospektive, randomisierte Studien wird, bietet eine adäquate Arbeitsfläche mit der Möglich-
mit kleiner Fallzahl sowie Metaanalysen kommen zum keit der intraoperativen Durchleuchtung.
Ergebnis, dass beide Verfahren, Marknagel und Plattenos-
teosynthese, hohe Raten an knöcherner Fusion erzielen. Bildgebung
Der Hauptunterschied beider Techniken liegt bei den
spezifischen verfahrensassoziierten Komplikationen. Präoperativ sollten konventionelle Röntgenaufnahmen
des Humerus in 2 Ebenen vorliegen. Initial sind eine Auf-
Chirurgische Technik der offenen Reposition nahme im a.–p. Strahlengang und eine seitliche Aufnah-
me ausreichend. Der proximale und distale Humerus
und Plattenosteosynthese
können mit vielen Spezialaufnahmen dargestellt werden,
Lagerung des Patienten mit den o. g. Ebenen lassen sich die Diaphysen des Hu-
merus jedoch am besten beurteilen.
Die Lagerung des Patienten richtet sich nach dem Zugang, Viele Brüche können aufgrund des klinischen Erschei-
der gewählt wird, um die Fraktur darzustellen. Beim an- nungsbilds reponiert und ruhiggestellt werden. Die intra-
terolateralen Zugang erleichtert die Rückenlagerung des operative Durchleuchtung mit dem Bildverstärker ist je-
Patienten auf einem für Röntgenstrahlen durchlässigen doch bei nahezu jeder Humerusschaftfraktur hilfreich.
Tisch den Eingriff. Gegebenenfalls kann der Arm auf Die Bildgebung hilft sowohl bei der Beurteilung der Re-
einem Armtisch ausgelagert werden. Im Falle eines poly- position als auch bei der Lagekontrolle der Implantate
traumatisierten Patienten, bei dem eventuell noch eine und Schrauben. Bei Seitenlagerung des Patienten emp-
Verletzung der Wirbelsäule vorliegt oder noch nicht aus- fiehlt es sich den C-Arm vor dem Patienten zu positionie-
geschlossen wurde, ist die Rückenlagerung sinnvoll. Der ren, wobei der Strahlengang vertikal ausgerichtet wird.
Patient kann so positioniert werden, dass der Kopf von Diese Positionierung ermöglicht eine intraoperative Dar-
der OP-Seite weggedreht und das Gesicht abgewendet stellung im a.–p. Strahlengang. Der Arm des Patienten
wird. Dies erleichtert die Abdeckung und vermindert kann um 90° gedreht werden, um eine zweite Ebene
das Risiko der iatrogenen Verletzung des Gesichts durch bzw. Darstellung im seitlichen Strahlengang zu erhalten.
Instrumente während der Operation. Sollte der Patient In Rücken- oder Bauchlage wird der C-Arm ebenfalls so
orotracheal intubiert sein, kann der Tubus im Mundwin- positioniert, dass der Strahlengang vertikal verläuft. Die
kel der Gegenseite fixiert werden. Der Torso des Patien- Darstellung des Humerus in 2 Ebenen erfolgt durch Ro-
ten sollte soweit wie möglich nach lateral an die Tisch- tation des Armes um 90° in der Schulter.
kante gebracht werden. Eine kleine Erhöhung unter dem
Schulterblatt hebt die Schulter und erleichtert das Abwa-
schen und Abdecken mit sterilen Tüchern. Eine Abdukti-
Zugänge zum Humerusschaft
on im Schultergelenk von circa 60° erlaubt die Darstel- 12
Anteriorer Zugang
lung des gesamten Humerusschafts. Die Verwendung
einer unsterilen Blutsperre verhindert den adäquaten Zu- Der anterolaterale Zugang (Abb. 12.7) wird im Allgemei-
gang zu Schaftfrakturen, die im mittleren oder proxima- nen zur offenen Reposition und inneren Fixation (ORIF)
len Drittel des Humerusschafts lokalisiert sind. Sollte eine von Humerusschaftfrakturen genutzt. Dieser Zugang er-
Blutsperre zum Einsatz kommen, ist die Verwendung laubt die vollständige Darstellung der Humerusdiaphyse
eines sterilen Tourniquets sinnvoll. und kann je nach Bedarf nach proximal und distal erwei-
Die Lagerung des Patienten in Seitenlage ist zu emp- tert werden. Die Hautinzision und der oberflächliche Zu-
fehlen, wenn ein lateraler oder dorsaler Zugang gewählt gang erfolgen lateral der zu palpierenden Muskelbäuche
wird. Die Lagerung kann zur Vereinfachung auf einer Va- des M. bizeps brachii und M. brachialis. Der M. brachialis
kuummatratze erfolgen. Der Arm kann auf einer Tuchrol- wird knapp vor dem lateralen Septum intermusculare bis
le, die vor der Brust des Patienten befestigt wird oder auf zum Knochen präpariert. Präparation und Mobilisation
einer am Tisch fixierten Halterung (z. B.: Knierolle) wäh- des N. radialis müssen nicht regelhaft erfolgen. Es sollte
rend der Operation gelagert werden. In der Seitenlage im distalen Bereich des Zugangs darauf geachtet werden,
sollte der Torso des Patienten soweit wie möglich nach den N. cutaneus antebrachii lateralis nicht zu verletzen.
vorne auf dem Tisch gelagert werden. Zur maximalen
Exposition wird die Schulter 90° abduziert.
Der dorsale Zugang kann am einfachsten in Bauchlage-
rung des Patienten durchgeführt werden (Video 12-1,
294 12 Frakturen des Humerusschafts

Abb. 12.7 Antero-


lateraler Zugang zum
Humerusschaft.

N. radialis hinter Insertion des


Hautinzision dem Septum M. deltoideus

lateraler Kopf
des M. biceps M. brachialis

medialer Kopf
Mm. triceps und
des M. biceps
brachioradialis
hinter dem
Septum

N. radialis
mediales Septum

Abb. 12.8 Dorsale Plat-


tenosteosynthese am
Humerusschaft. Um eine
Kompression der Fraktur
zu erreichen, wurde die
Platte auf Höhe der Frak-
tur leicht angebogen.

12

riert (Abb. 12.9). Bei der tiefen Präparation muss der me-
Dorsaler Zugang
diale Kopf des M. triceps brachii unter Darstellung des N.
Der dorsale Zugang ermöglicht eine Darstellung der dis- radialis und der A. profunda brachii gepalten werden.
talen ¾ des Humerus und wird meist bei Frakturen des
distalen Drittels des Humerus verwendet. Bei diesen Ver-
Weitere Zugänge
letzungen eignet sich die relativ plane Rückseite des Hu-
merusschafts ideal zur Befestigung der Platte (Abb. 12.8). In seltenen Fällen kann ein direkter medialer oder late-
Der N. radialis ist beim dorsalen Zugang gefährdet und raler Zugang erforderlich sein. Mediale Zugänge werden
muss identifiziert und geschützt werden (24). Der dorsale genutzt, wenn bei offenen Frakturen die Verletzung me-
Zugang lässt sich in Bauchlagerung des Patienten ein- dialseitig gelegen ist oder wenn eine Darstellung der Ge-
facher durchführen, ist aber auch in Seitenlage des Pa- fäße erforderlich wird. Der laterale Zugang ist ein verlän-
tienten möglich. Die Hautinzision wird dorsalseitig in gerbarer Zugang, der in Rückenlagerung ohne Spaltung
der Mittellinie des Armes geführt. Oberflächlich wird der Muskulatur erfolgen kann (25).
das Intervall zwischen langem und lateralem Kopf sepa-
Operative Therapie 295

N. radialis und A.
profunda brachii
langer N. radialis
Kopf des und
M. triceps A. profunda
brachii
Haut-
inzision

mediales M. triceps
Septum medialer
(tiefer) Kopf
des M. triceps

a Trizepssehne
tiefer Kopf des
M. triceps vom
Humerus
subperiostal
subperiostal
abgeschoben
c
b

Abb. 12.9 Dorsaler Zugang zum Humerus. a Hautinzision entlang der gestrichelten Linie.
b Oberflächliche Präparation.
c Tiefe Präparation.

Reposition und Fixation Weichteilschaden im Bereich der Trümmerzone. Das Ri-


siko einer Verletzung des N. radialis steigt jedoch (27).
Sowohl die Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen Die Technik der perkutanen Plattenosteosynthese wurde
(AO) als auch die Association for the Study of Internal beschrieben. Hierbei wird eine Platte über 2 kleine Haut-
Fixation (ASIF) haben standardisierte Techniken der offe- schnitte, die jeweils proximal und distal der Fraktur an- 12
nen Reposition und Plattenosteosynthese festgelegt (26). gelegt werden, eingebracht und perkutan am Humerus-
Diese Techniken und Grundsätze beinhalten die Wahl schaft befestigt (28).
eines geeigneten Implantats sowohl für den individuellen
Patienten als auch für die Morphologie und Lokalisation
Wahl des Implantats
der Fraktur (siehe Diskussion weiter unten). Einfache
Frakturen wie Querfrakturen, kurzstreckige Schrägfrak- Typischerweise wird eine 4,5-mm-DCP (Dynamic Com-
turen und Frakturen mit kleinem Biegungskeil werden pression Plate) geeigneter Länge als Implantat verwen-
durch direkte offene Reposition behandelt. Am Knochen det. Das Implantat sollte so lang gewählt werden, dass
adhärentes Gewebe sollte belassen und zirkuläre Reposi- jeweils 4 Schrauben bikortikal im proximalen und dis-
tionszangen vermieden werden, um die periostale Per- talen Fragment eingebracht werden können. Obwohl für
fusion nicht zu kompromittieren. Die Platte kann als Re- die Versorgung für Humerus- und Femurfrakturen eine
positionshilfe verwendet werden. Trümmerfrakturen breite DCP empfohlen wird, können Frakturen bei kleine-
können überbrückend mit einer Plattenosteosynthese ren Patienten mit einer schmalen 4,5-mm-DCP behandelt
versorgt werden. Im Wesentlichen sollte hierbei die Frak- werden. Bei sehr kleinen Patienten kann alternativ eine
tur mit der Platte überbrückt werden. Die Platte wird im 3,5-mm-DCP implantiert werden. Zurzeit besteht der
proximalen und distalen Fragment unter Kontrolle von Trend längere Platten mit weniger Schraubenlöchern zu
Länge, Rotation und Achse befestigt. Diese Technik limi- verwenden.
tiert die Präparation und den daraus resultierenden
296 12 Frakturen des Humerusschafts

a b

Bei der Behandlung von Querfrakturen sollte die Platte


im Bereich der Fraktur leicht vorgebogen werden, um
eine Kompression auf die Frakturzone zu erreichen
(s. Abb. 12.8). Bei Schräg- oder Spiralfrakturen kann die
Verwendung von Zugschrauben hilfreich sein. Idealer-
weise werden die Zugschrauben durch die Plattenlöcher
eingebracht. Bei distalen Frakturen des Humerusschafts
ist es manchmal technisch nicht möglich 4 bikortikale
Schrauben im distalen Fragment zu verankern, ohne
dass die Platte zu weit in die Fosssa olecrani hineinreicht.
In diesen Fällen kann die von dorsal eingebrachte Platte
mit einer zweiten Platte, die um 90° versetzt entweder
von lateral oder medial eingebracht wird, ergänzt wer-
den (Abb. 12.10).
12
Knochentransplantation
Es ist nicht möglich abschließende Empfehlungen zur
Verwendung von Knochentransplantationen in Kombina-
tion mit Plattenosteosynthesen bei der Behandlung von
Humerusschaftfrakturen auszusprechen. Ein Großteil der
c
Literatur, die sich diesem Thema widmet, berichtet über
retrospektive Fallserien oder Fall-Kontroll-Studien, die
Abb. 12.10
entstanden bevor indirekte Repositionstechniken einge-
a Die Röntgenaufnahme des Humerus im a.–p. Strahlengang
zeigt eine verkürzte mehrfragmentäre Humerusfraktur im dis- setzt wurden. Die Indikation und Technik der Knochen-
talen Drittel des Schafts. transplantation in diesen Studien erfolgte je nach Vorlie-
b Postoperative Röntgenaufnahmen des Oberarms in 2 Ebe- be des Operateurs. In einer randomisierten Studie wer-
nen. Da eine Platte nicht genug Stabilität ergeben hätte, den die Verwendung von dynamischen Kompressions-
wurde zusätzlich eine zweite Platte implantiert, die um 90° platten mit und ohne Knochentransplantation mit Ergeb-
versetzt zur ersten Platte fixiert wurde.
nissen der Ender-Nagelung verglichen (29). In dieser Stu-
c Abschließende Röntgenaufnahmen.
die konnten Chiu et al. zeigen, dass die zusätzliche Trans-
plantation von Knochen bei Plattenosteosynthesen die
Frakturheilung um 3 Wochen beschleunigt (29). Es liegen
Operative Therapie 297

jedoch keine Daten zur Verwendung von Knochentrans- xiblen Drähte verbunden waren, gelöst. Das Prinzip der
plantation in Kombination mit aktuellen Implantaten vor. geschlossenen Reposition und perkutanen Fixation der
Die Autoren setzen keine prophylaktische Knochentrans- Fraktur konnte jedoch beibehalten werden. Verriege-
plantation ein, sondern fokussieren sowohl auf indirekte lungsnägel können gegenüber der intramedullären Schie-
Repositionstechniken als auch auf überbrückende nung mit flexiblen Drähten auch bei der Versorgung von
Plattenosteosynthesen bei Trümmerfrakturen. Trümmerfrakturen eingesetzt werden. Bedauerlicherwei-
se geht das erweiterte Indikationsspektrum für Verriege-
lungsnägel mit einer potenziell erhöhten Komplikations-
Nachbehandlung von Plattenosteosynthesen des
rate einher (36, 37). Das Einbringen der Verriegelungs-
Humerusschafts
schrauben birgt die Gefahr von Verletzungen neurovas-
Nach technisch einwandfrei durchgeführter Plattenosteo- kulärer Strukturen in sich (38, 39). Zusätzlich müssen
synthese einer Humerusschaftfraktur ist keine zusätzli- starre Verriegelungsnägel im Gegensatz zu flexiblen
che Immobilisation erforderlich. Grund für eine Ruhig- Drähten über Zugänge eingebracht werden, die nahezu
stellung können kritische Weichteilverhältnisse sein. Be- koaxial in der Verlängerung des Markraums lokalisiert
wegungsübungen des Schulter- und Ellbogengelenks sind. Bei der antegraden Marknagelosteosynthese muss
können sofort postoperativ begonnen werden. Die Pa- die Rotatorenmanschette inzidiert werden, bei der retro-
tienten sollten angehalten werden, selbstständig aktive graden muss eine relativ große Öffnung knapp über der
Bewegungen des Schulter- und Ellbogengelenks durch- Fossa olecrani geschaffen werden. Diese Zugänge und die
zuführen. Den Patienten ist gestattet, die obere Extre- damit verbundenen einzigartigen Komplikationen sollen
mität zum Transfer z. B. vom Bett in den Rollstuhl oder im Folgenden beschrieben werden.
zur Mobilisation mit Unterarmgehstöcken zu belasten. Marknägel können mit oder ohne vorheriges Aufboh-
Eine frühfunktionelle, schmerzadaptierte Nachbehand- ren der Markhöhle eingebracht werden. Wie bei anderen
lung je nach Aktivitätsgrad des Patienten scheint gerecht- Frakturen langer Röhrenknochen ist unklar, welche Me-
fertigt. Das Heben schwerer Lasten oder Aktivitäten, bei thode bessere Ergebnisse liefert. Anders als bei Frakturen
denen hohe Kräfte auf den Oberarm einwirken, sollten des Femurs und der Tibia konnte bei der aufgebohrten
bis zur radiologisch nachgewiesenen Heilung vermieden Technik keine erhöhte Heilungsrate für Humerusfraktu-
werden. ren nachgewiesen werden (40). Allerdings befürworten
einige Traumatologen aufgrund des engen Markraums
Marknagelosteosynthese des Humerus und der fehlenden weiten distalen Metaphyse das Auf-
bohren des Markraums, da hierdurch sowohl eine Ein-
Die Marknagelosteosynthese des Humerusschafts wird klemmung des Nagels als auch eine Distraktion des Frak-
von einigen Autoren als gute, wenn nicht sogar bevor- turspalts, die beide das Risiko für Pseudarthrosen erhö-
zugte Alternative zur Plattenosteosynthese bei Frakturen hen, vermieden werden sollen. Andere argumentieren,
des Humerusschafts betrachtet (30, 31). Allerdings konn- dass die Hitzeentwicklung durch das Aufbohren und die
ten die relativen Vorteile, die die Marknagelosteosynthe- thermisch bedingte Gewebsnekrose die Heilungsrate re-
se gegenüber der Plattenosteosynthese bei der Behand- duziert. Gleichwohl ermöglicht das Aufbohren des ana-
lung anderer Frakturen langer Röhrenknochen bietet, tomisch engen Markraums die Verwendung breiterer und
nicht vollständig auf die Behandlung von Humerusschaft- damit auch stabilerer Implantate. Die Technik des limi-
frakturen übertragen werden. Der Stellenwert beider Ver- tierten Aufbohrens, bei der darauf verzichtet wird, die 12
fahren wird bei der Humerusschaftfraktur nach wie vor endostale Oberfläche aggressiv aufzubohren, ermöglicht
kontrovers diskutiert. es, den zu verwendenden Nageldurchmesser genau zu
Die anfängliche Technik der intramedullären Schie- bestimmen. Um Verletzungen des N. radialis durch das
nung von Humerusschaftfrakturen erfolgte mit schmalen, Aufbohren zu vermeiden, sollte versucht werden, den
flexiblen Nägeln. Ender-Nägel und Rush-pins waren die nichtrotierenden Bohrer durch den Frakturspalt oder die
am häufigsten eingesetzten Implantate. Der Vorteil dieser Trümmerzone zu schieben, anstatt diesen Bereich mit
flexiblen Nägel war, dass sie durch exzentrische Zugänge Kraft zu überbohren. In einer Studie, bei der aufgebohrte
des Markraums und nicht durch die Rotatorenmanschet- und unaufgebohrte Marknagelosteosynthesen des Hume-
te hindurch eingebracht werden konnten. Eine retrograde rus miteinander verglichen wurden, konnten keine Un-
intramedulläre Schienung war über einen Zugang durch terschiede hinsichtlich der Heilungsrate nachgewiesen
die Epikondylen möglich. Hauptnachteil der flexiblen werden (40). Aufgrund des geringen Durchmessers des
Drähte war, dass die Primärstabilität geringer war und Humerus ist bei der retrograden Technik ein gewisses
es häufig zu Migrationen der Implantate kam. Bei korrekt Aufbohren erforderlich.
durchgeführter Implantation konnten Heilungsraten von
bis zu 90 % für Ender-Nägel, Hackethal-Nägel sowie Rush-
Pins nachgewiesen werden (29, 32 – 35).
Durch die Einführung von Verriegelungsnägeln wurden
die Stabilitätsprobleme, die mit der Verwendung der fle-
298 12 Frakturen des Humerusschafts

Präoperative Vorbereitung und intraoperative


Bildgebung
Antegrade Marknagelosteosynthese des Humerus
Für die antegrade Marknagelosteosynthese des Humerus
sind 2 Lagerungspositionen möglich. Bei beiden muss die
verletzte Extremität so weit wie möglich an die Tischkan-
te gebracht werden. Eine Möglichkeit der Lagerung ist
eine leichte Beach-chair-Position, bei der der Bildverstär-
ker so positioniert wird, dass der Strahlengang von kra-
nial über die Schulter des Patienten verläuft (Abb. 12.11).
Bei dieser Lagerung kann der Humerus leicht im a.–p.
Strahlengang dargestellt werden. Zusätzlich kann durch
Drehen des Bildwandlers in eine horizontale Position
eine Darstellung des Humerus in axialer, lateraler Ebene
erreicht werden. Bei der zweiten Lagerungsoption wird
der Patient auf dem Rücken gelagert. Der Oberkörper Abb. 12.11 Lagerung in der Beach-chair-Position zur antegra-
wird ca. 30 – 45° zur gesunden Seite gedreht und mit den Marknagelosteosynthese.
Tüchern unterpolstert. Der Bildverstärker wird von der

12 a b

Abb. 12.12 Alternative Lagerung des Patienten und Positio-


nierung des C-Arms, bei der ohne Bewegung des Arms des
Patienten a.–p. und Skapula-Y-Aufnahmen möglich sind.
a Der Patient wird auf dem Rücken gelagert, wobei der Ober-
körper 30 – 45° zur unverletzten Seite gedreht und mit Tüchern
unterpolstert wird.
b Der Bildverstärker wird so positioniert, dass eine a.–p. Pro-
jektion der Schulter möglich ist (korrespondierendes Bild auf
dem Bildverstärker oben rechts). Da der Patient zur gesunden
Seite hin gedreht ist, muss der Bildverstärker für eine a.–p.
Projektion „over the top“ gedreht werden.
c Ohne dass der Patient bewegt werden muss, kann durch
Drehen des Bildwandlers eine 2. Ebene in Skapula-Y-Projektion
dargestellt werden (korrespondierendes Bild auf dem Bildver-
stärker oben rechts).

c
Operative Therapie 299

Gegenseite an den Tisch gefahren. Durch Drehung des sich visuell davon zu überzeugen, dass der N. radialis
Bildwandlers gelingt es bei dieser Position leicht, Rönt- nicht im Frakturspalt eingeklemmt ist.
genaufnahmen in a.–p. sowie transskapulärer Y-Projekti-
on zu erhalten ohne den Arm des Patienten bewegen zu Anteriorer akromialer Zugang für die
müssen (Abb. 12.12; Videos 12-2, 12-3, DVD 2). Marknagelosteosynthese
Nachdem kontrolliert wurde, ob sich der Humerus bei
der Lagerung in 2 Ebenen darstellen lässt, kann der Arm ■ Indikationen. Für die antegrade Marknagelosteosynthe-
steril gewaschen werden. Offene Wunden werden aus- se wird hauptsächlich ein lateraler Zugang über Spal-
geschnitten und sorgfältig débridiert. Bei offenen Fraktu- tung des M. deltoideus beschrieben. Dieser ist identisch
ren ist es hilfreich die Fraktur manuell zu reponieren und zu dem Zugang, der zur Versorgung einer Fraktur des

Korakoid

Klavikula

Akromion M. subscapularis

Tuberculum minus

Sehne des M. supraspinatus


1cm lange (Insertion medial der „footplate“)
Inzision der
Rotatoren- Tuberculum majus
manschette

Tuberculum
minus
12
Achse für
Ahle/Nagel
„Footplate“ Sulcus
bicipitis

Tuberculum
Tuberculum majus
majus

Tuberculum
minus
b

Abb. 12.13 c In dieser Abbildung wird das räumliche Verhältnis des Inser-
a Die Hautinzision erfolgt von der Akromionspitze nach ante- tionspunkts zu den umgebenden knöchernen Strukturen dar-
rolateral im Faserverlauf des M. supraspinatus. gestellt. Durch Extension und Adduktion im Glenohumeralge-
b Der Zugang zum Markraum erfolgt über einen Schnitt ca. lenk kann der Insertionspunkt nach vorne verlagert und der
1 cm medial des Tuberculum majus am Rande des Gelenkknor- Nagel sicher am Akromion vorbei eingebracht werden.
pels.
300 12 Frakturen des Humerusschafts

Tuberculum majus genutzt wird. Allerdings hat dieser


Zugang eine wesentlich höhere Rate für postoperative
Schulterschmerzen sowie Bewegungseinschränkungen
der Schulter als der anteriore akromiale Zugang, der
zuerst von Riemer et al. beschrieben wurde (41). Eine
Untersuchung an anatomischen Präparaten zeigte, dass
der laterale Zugang durch den Deltamuskel zu einer
transversalen Durchtrennung der Rotatorenmanschette
am Ansatz des M. infraspinatus führt. Im Gegensatz
dazu verläuft die Inzision beim vorderen akromialen
Zugang direkt im Faserverlauf des M. supraspinatus.
Weiterhin ermöglicht der anteriore akromiale Zugang
das Eingehen in den Markraum vor dem Akromion
oder die Resektion, falls das Akromion die Insertion
behindert. Aus diesen Gründen wird in allen Fällen
der antegraden Marknagelung der anteriore akromiale
Zugang bevorzugt und im Folgenden beschrieben.
■ Technik. Ein ca. 2 – 3 cm langer Hautschnitt wird von
der Spitze des Akromions ausgehend nach anterolate-
ral geführt (Abb. 12.13). Der M. deltoideus und dessen
tiefe Faszie werden gespalten und zur Seite gehalten.
Die darunterliegende Sehne des M. supraspinatus wird
scharf inzidiert, und Haltefäden an den Schnittkanten Abb. 12.14 Intraoperative Darstellung mit dem Bildverstärker.
Der durchbohrte Bohrer wird über einen Führungsdraht einge-
platziert. Der Führungsdraht wird im Sulkus zwischen
bracht, um den Markraum am proximalen Humerus zu eröff-
Tuberculum majus und Gelenkfläche unter Bildwand- nen.
brachii

Humerusnagel
M. biceps
f des
brachii

Bizeps
wird „Split“ des N. ulnaris
12
langer Kop

lateral M. brachialis
M. biceps

gehalten
A. brachialis

N. ulnaris und
A. brachialis

N. musculo-
cutaneus M. brachialis M. brachialis

M. biceps
Humerusnagel
3 cm lange
Hautinzision
ulnare A.
brachialis

a b c

Abb. 12.15 c Die Fasern des M. brachialis werden im Verlauf longitudinal


a Ca. 3 cm langer Hautschnitt oberhalb der Fossa olecrani (Lo- gespalten, um den Knochen zu exponieren. Das Einsetzen von
kalisierung unter Bildwandlerkontrolle). stumpfen Hohmann-Haken erleichtert den Zugang zum Hume-
b Der M. biceps brachii wird nach lateral gehalten, um die rus.
Muskelfasern des M. brachialis darzustellen.
Operative Therapie 301

lerkontrolle in 2 Ebenen eingebracht (s. Abb. 12.12). im distalen Fragment zu vermeiden. Der Marknagel
Der Führungsdraht sollte in beiden Ebenen im Mark- wird im Anschluss über den Führungsdraht einge-
raum zentriert sein. Im Anschluss wird der Draht meh- bracht. Es muss darauf geachtet werden, dass die Frag-
rere Zentimeter in den Humerus vorgeschoben und der mente nicht durch das Einbringen des Nagels distra-
Markraum manuell mit einem durchbohrten Bohrer hiert werden. Axialer Druck auf die proximale Ulna
über den Führungsdraht eröffnet (Abb. 12.14). Der Füh- hilft eine Distraktion zu vermeiden. Die proximale Ver-
rungsdraht kann dann gegen einen längeren Bohrdraht riegelung erfolgt über den Zielbügel. Die Verriegelungs-
ausgetauscht werden, um das distale Fragment auf- schrauben sollten von lateral nach medial eingebracht
zufädeln. Über den Bohrdraht sollte minimal auf- werden, wobei hier je nach Implantat und Fabrikat
gebohrt werden, um ein Verklemmen des Marknagels unterschiedliche Verriegelungsoptionen bestehen. In

a b

12

c d

Abb. 12.16 Beispiel für eine retrograde Marknagelosteosyn- c Postoperative Röntgenaufnahme des Ellbogens von lateral
these des Humerus. nach retrograder Marknagelosteosynthese des Humerus sowie
a, b Röntgenaufnahmen einer Humerusschaftfraktur in Kom- Plattenosteosynthese der Ulna.
bination mit einer dislozierten proximalen Ulnafraktur. d Radiologische Verlaufskontrollen des Oberarms in 2 Ebenen.
302 12 Frakturen des Humerusschafts

allen Fällen sollte es vermieden werden, dass Schrau- osteosynthese angegangen werden, da die retrograde
ben die gegenüberliegende Kortikalis um mehr als we- Marknagelosteosynthese nur wenig Stabilität im dis-
nige Millimeter penetrieren, da hierdurch die Gefahr talen Drittel des Humerusschafts ermöglicht.
von Verletzungen neurovaskulärer Strukturen steigt ■ Technik. Die retrograde Marknagelosteosynthese lässt
(39). Die distalen Verriegelungsschrauben sollten von sich am einfachsten in Bauchlage des Patienten durch-
ventral nach dorsal platziert werden. Über eine führen. Der Arm sollte auf einem röntgendurchlässigen
3 – 4 cm lange Inzision über den Schraubenlöchern er- Tisch gelagert und der gesamte Arm steril gewaschen
folgt die stumpfe Präparation auf den Humerus. M. bi- werden. Die Anlage einer Blutsperre ist in der Regel
ceps brachii und M. brachialis werden im Faserverlauf nicht erforderlich. Der Ellbogen wird gebeugt, um Zu-
gespalten, der N. medianus und die A. brachialis nach gang zur Fossa olecrani zu erhalten. Die Hautinzision
medial retrahiert (Abb. 12.15). erfolgt am distalen Humerus dorsal in der Mittellinie.
Die Fasern des M. triceps brachii werden im Faserver-
lauf gespalten, um die Rückfläche des Humerus zu ex-
Retrograde Marknagelosteosynthese des Humerus
ponieren. Zwei Eintrittspunkte wurden beschrieben.
Um die Komplikation der postoperativen Schulter- Ingman u. Waters (31) favorisieren den weiter distal
schmerzen zu vermeiden, die mit dem Zugang der ante- gelegenen Zugang über die proximale Biegung der
graden Marknagelosteosynthese des Humerus assoziiert Fosssa olecrani (Abb. 12.17 links). Rommens et al. (42)
sind, wurde die retrograde Einführung des Marknagels in gehen direkt proximal der Fossa olecrani im Bereich
den Humerus vorgeschlagen (42). Eine sehr gute Indika- der Metaphyse des Humerus ein (Abb. 12.17 rechts).
tion für einen retrograden Zugang wäre ein Patient mit Da die Zugänge exzentrisch zum Markraum verlaufen,
einer ipsilateralen Fraktur des Olekranon in Kombination muss eine langstreckige, schräge Eröffnung des Hume-
mit einer Humerusschaftfraktur. Unter Verwendung eines russchafts erfolgen, um die starren Verriegelungsnägel
retrograden Zugangs für die Marknagelosteosynthese des einführen zu können. Im Allgemeinen wird zur Eröff-
Humerus können beide Verletzungen über einen Zugang nung des Markraums eine Kombination aus Bohrern
am dorsalen Ellbogen versorgt werden (Abb. 12.16). verwendet, um eine ovale Öffnung von ca. 1 cm Breite
und 2 – 3 cm Länge zu erhalten. Beim Eröffnen und
Spalten des M. triceps brachii für die Aufbohren ist Vorsicht geboten, um die ventrale Korti-
retrograde Marknagelosteosynthese kalis nicht zu verletzen oder zu schwächen
(Abb. 12.18). Das Einführen des Marknagels erfolgt ent-
■ Indikationen. Frakturen im Bereich des mittleren Hu- sprechend der Anleitungen des jeweiligen Implantats.
merusschafts und proximalen Drittels des Humerus Allerdings sollte bei zu hohem Widerstand beim Vor-
können mittels retrograder Marknagelosteosynthese treiben des Nagels die Insertionsstelle vergrößert wer-
behandelt werden. Frakturen des distalen Drittels kön- den, um zusätzliche Frakturen des distalen Humerus zu
nen besser mit antegrader Marknagel- oder Platten- vermeiden. Mittels Durchleuchtung werden Reposition

Abb. 12.17 Zwei mögliche


Zugänge für die retrograde
12 Marknagelosteosynthese des
Humerus. Links der weiter dis-
tal gelegenen Zugang über die
proximale Biegung der Fossa
olecrani, rechts der Zugang
Olekranonportal
direkt proximal der Fossa ole-
crani im Bereich der Meta-
physe des Humerus.

metaphysäres
Portal
Operative Therapie 303

Kontakt haben unmittelbar postoperativ voll belastet


werden.

Fixateur externe
Der Fixateur externe zur Behandlung von Humerus-
schaftfrakturen hat seine Indikation bei Frakturen, die
durch keine andere Osteosynthese versorgt werden kön-
nen. Zu dieser Gruppe von Frakturen zählen Brüche mit
großem Weichteilschaden, die einen ausgedehnten Zu-
gang benötigen, wie z. B. Frakturen bei großflächigen Ver-
brennungen oder Frakturen, die durch Projektile hervor-
gerufen werden (44 – 46). Patienten, die aufgrund aus-
gedehnter Weichteilverletzungen oder großem knöcher-
nen Substanzverlust keine Kandidaten für eine innere
Fixation sind, aber dennoch eine Stabilisierung der Frak-
tur zur Mobilisation erhalten müssen, können mittels Fi-
xateur externe behandelt werden. Frakturen können mit
einem Fixateur bis zur knöchernen Heilung behandelt
werden. In der Regel wird der Fixateur externe nur als
temporäre Methode eingesetzt, bis nach Konsolidierung
der Weichteile eine andere Form der Osteosynthese
durchgeführt werden kann.

Abb. 12.18 Beispiel für exzentrisches Bohren. Die ventrale Technik


Kortikalis des Humerus (Pfeil) wurde durch das Aufbohren per-
Der Patient wird auf dem Rücken auf einer röntgendurch-
foriert.
lässigen Unterlage, ggf. mit Auslagerung des Armes auf
einem Armtisch gelagert. Es wird kontrolliert, ob der ge-
sowie Lage des Implantats und der Verriegelungs- samte Humerus mit dem Bildwandler einsehbar ist. Je-
schrauben verifiziert. weils 2 bikortikale Schanz-Schrauben werden so weit wie
■ In einer Serie von 84 Patienten, die in 4 Zentren mittels möglich proximal und distal in der Humerusdiaphyse fi-
retrograder Marknagelosteosynthese des Humerus be- xiert. Um Verletzungen von Gefäßen oder Nerven zu ver-
handelt wurden, beobachteten Blum et al., dass die meiden, wird empfohlen die Schrauben unter Bildwand-
Technik der retrograden Marknagelosteosynthese im lerkontrolle einzubringen. Die Fraktur wird unter dem
Vergleich zur antegraden anspruchsvoller sei (43). Bildwandler reponiert und der Fixateur im Anschluss
Gründe hierfür waren die Komplexität der Anatomie montiert. Bei nicht zeitgerechter Frakturheilung ist es
des distalen Humerus und die hohen Kräfte, die für mit dem Fixateur externe möglich, Kompression auf den
die retrograde Insertion des Nagels erforderlich waren. Frakturspalt zu erzeugen. 12
Zusätzlich wurden Frakturen und Fissuren des distalen
Humerus bei der retrograden Technik beobachtet. Um Komplikationen
diese Komplikationen zu vermeiden, empfehlen die
Autoren, dass das Portal zur Insertion des Marknagels Bei bis zu 53 % der mittels Fixateur externe behandelten
mindestens eine Breite von 10 mm und eine Länge von Patienten wurden Pin-Kanalinfekte beobachtet (47). Die-
20 mm haben sollte. ser hohe Anteil lässt sich durch den ausgedehnten Mus-
■ Postoperative Behandlung. Nach retrograder kelmantel, der den Humerus umgibt und der mit den
Marknagelosteosynthese ist lediglich ein leichter Ver- Schanz-Schrauben durchquert werden muss, erklären.
band erforderlich, da die starre Markraumschienung Die ständige Bewegung der Weichteile um die Pins
keine zusätzliche äußere Stabilisierung der Extremität herum mag zu der hohen Rate an Pin-Kanalinfekten bei-
benötigt. Der Patient wird dazu aufgefordert frühzeitig tragen. Verletzungen des N. radialis nach Behandlung
mit der aktiven Bewegung des Schulter- und Ellbogen- mittels Fixateur externe wurden ebenfalls beschrieben
gelenks zu beginnen. Die Stabilität der Osteosynthese (48). Bei Auftreten von Irritationen des N. radialis unmit-
muss von Fall zu Fall geprüft werden. Frakturen mit telbar nach Implantation eines Fixateur externe ist eine
größerer Trümmerzone und geringem direkten Kon- sofortige Exploration des Nervs indiziert.
takt sollten nicht voll belastet werden. Allerdings kön-
nen alle Brüche, bei denen die Kortikalizes direkten
304 12 Frakturen des Humerusschafts

Ein Standardverfahren bei der Behandlung von hyper-


Nachbehandlung
trophen und atrophen Pseudarthrosen ist die Osteosyn-
Nach Implantation eines Fixateur externe kann der Pa- these mittels Kompressionsplatte. Nach Darstellung der
tient so mobilisiert werden, wie er es toleriert. Die Belas- atrophen Pseudarthrose und ausgedehntem Débridement
tung kann parallel zur radiologisch dokumentierten Frak- der Weichteile werden die Knochenenden angefrischt
turheilung gesteigert werden. Unmittelbare Vollbelastung und von allen fibrösen Strukturen befreit. Es ist wichtig
ist im Vergleich zur Platten- oder Marknagelosteosynthe- alle faserigen Anteile zu entfernen, die einen Kontakt der
se nicht gestattet. Der Patient wird dazu angehalten, so- Frakturstücke verhindern. Eine Knochentransplantation
fort mit der Beübungen des Schulter- und Ellbogenge- in Form autologer Spongiosa aus dem Beckenkamm
lenks zu beginnen. kann bei geringem Substanzverlust an Knochen zusätz-
lich zur Plattenosteosynthese verwendet werden. Bei grö-
ßeren Substanzdefekten können aufwendigere Operatio-
nen wie Transplantationen trikortikaler Beckenkamm-
Ergebnisse und Komplikationen
späne oder gefäßgestielter Fibulatransplantate erforder-
lich werden. Hypertrophe Pseudarthrosen können mit
Frakturheilung in Fehlstellung
einfachen Kompressionsplatten behandelt werden. Re-
Nichtanatomisch ausgeheilte Frakturen werden im All- sektionen der Pseudarthrose und Knochentransplantatio-
gemeinen gut von den Patienten toleriert. Achsfehlstel- nen sind für die Behandlung von hypertrophen Pseudar-
lungen bis zu 30° sowie Verkürzungen des Humerus füh- throsen nicht erforderlich.
ren in der Regel nicht zu funktionellen Einschränkungen. Die Marknagelosteosynthese kann bei hypertrophen
Die Behandlung einer symptomatischen, in Fehlstellung Pseudarthrosen ohne Substanzverlust eine Alternative
geheilten Fraktur erfolgt nach den gleichen Prinzipien zur Plattenosteosynthese sein. Die Marknagelosteosyn-
nach denen eine frische Fraktur behandelt wird. Eine these ist bei Patienten mit Pseudarthrose nach patholo-
Korrekturosteotomie gefolgt von einer stabilen Osteosyn- gischen Frakturen, sowie bei Patienten mit schlechter
these führt regelhaft zu akzeptablen Ergebnissen. Knochenqualität, die nicht mittels Plattenosteosynthese
behandelt werden können, hilfreich. Die Marknägel soll-
ten proximal und distal der Fraktur verriegelt werden,
Pseudarthrose
um sowohl eine Rotationsstabilität als auch eine Verkür-
Die Pseudarthrosenrate nach konservativer Behandlung zung zu vermeiden. Geschlossene Marknagelosteosyn-
einer Humerusschaftfraktur wird mit ca. 5 % beziffert thesen können mit einer Spongiosatransplantation (z. B.
(3). Die Rate an Pseudarthrosen nach operativer Therapie über eine Thoraxdrainage) direkt an die Stelle der Pseud-
einer Humerusschaftfraktur ist nur marginal erhöht. In arthrose kombiniert werden.
einer größeren Serie von Patienten, bei denen Humerus-
schaftfrakturen offen reponiert und im Anschluss mit
Gefäß-Nerven-Verletzungen
Plattenosteosynthese behandelt wurden, konnte bei 7 %
der Patienten eine Pseudarthrose oder instabilitäts- Bei geschlossenen Frakturen sind Störungen der Funktion
bedingte Lockerung des Osteosynthesematerials gezeigt des N. radialis am häufigsten durch Neurapraxie bedingt.
werden (49). Hypertrophe, vitale Pseudarthrosen resul- Diese entsteht direkt beim Unfall durch Fragmente, die
12 tieren aus ungenügender Stabilität im Bereich der Fraktur auf den Nerv drücken. Bei 90 % der Patienten kommt es
bei adäquatem Stimulus der Knochenheilung, wohin- innerhalb von 3 – 4 Monaten spontan zu einer Restitutio
gegen atrophe, avitale Pseudarthrosen aufgrund ausblei- ad integrum. Den Patienten mit motorischer Schwäche
bender Knochenheilung entstehen. Um eine Pseudarthro- im Versorgungsgebiet des N. radialis sollte eine Radialis-
se erfolgreich behandeln zu können, müssen die Gründe schiene am Unterarm angelegt werden, die das Hand-
für das Ausbleiben der initialen Frakturheilung verstan- gelenk und die Finger in leichter Dorsalflektion unter-
den werden. Als erstes sollte der Ernährungszustand des stützt, bis sich die Funktion des N. radialis erholt hat.
Patienten beurteilt werden. Hierbei können laborche- Sollte sich nach 3 – 4 Monaten keine Besserung der Funk-
mische Werte, wie Anzahl der Leukozyten, Gesamtpro- tion zeigen, ist eine Elektromyografie sinnvoll, um nach-
tein, Albumin und Transferrin hilfreich sein. Jede Fehler- zuweisen, ob eine Exploration des Nervs indiziert ist.
nährung sollte offensiv behandelt werden. Frakturen, bei Durch eine unmittelbare Exploration des N. radialis bei
denen hypertrophe, vitale Pseudarthrosen ohne großen geschlossenen Frakturen des Humerus konnte die Erho-
Substanzverlust diagnostiziert werden, benötigen zur lungsrate nicht verbessert werden (50). Im Gegensatz
Frakturheilung mehr Stabilität, die initial auch mit dazu ist bei offenen Frakturen die sofortige Exploration
einem Fixateur externe erreicht werden kann. Letztend- des Nervs sinnvoll, da die Funktionsstörung des Nervs
lich können die meisten hypertrophen Pseudarthrosen häufig durch seine direkte Durchtrennung bedingt ist
durch eine stabilere Osteosynthese zur Ausheilung ge- (14). Ein aktuelles Review über die Ergebnisse frühzeiti-
bracht werden. Eine stabile Fixation kann durch Platten- ger Nervennähte bei Durchtrennung des N. radialis ergab
oder Marknagelosteosynthese erreicht werden. lediglich eine geringe Erholungsrate der Nervenfunktion.
Ergebnisse und Komplikationen 305

Ursache hierfür sei der große Substanzverlust, der mit sen ist mit 5 – 10 % höher als bei der Plattenosteosyn-
der Nervendurchtrennung verbunden war (51). these. Distraktion der Fraktur durch das Einbringen des
Das Management einer Schädigung des N. radialis Nagels gilt als Hauptursache für die Entwicklung einer
durch geschlossene Reposition und Ruhigstellung ist un- Pseudarthrose und sollte vermieden werden. Die post-
klar. Da nur eine kleine Fallzahl dieser Kasuistiken be- operativen Schulterschmerzen scheinen mit dem Zugang
schrieben wurde, besteht keine Einigkeit über Therapie- in Verbindung zu stehen. Bei den anfänglichen Patienten-
empfehlungen. Allerdings konnte bei einer Studie, in der kollektiven wurde der postoperative Schulterschmerz bei
in einem Zeitraum von 20 Jahren 16 sekundäre Nerven- 20 – 40 % der Patienten beobachtet. Veränderungen der
schäden beobachtet wurden, gezeigt werden, dass eine Zugangstechnik und der Implantate haben diese Zahlen
frühzeitige chirurgische Exploration des Nervs die Erho- aber deutlich reduziert (52).
lungsrate der Nervenfunktion nicht verbessert (13). Die Hauptkomplikation nach antegrader Marknagelos-
teosynthese des Humerus sind Schulterschmerzen. Der
laterale Zugang über einen Deltasplit (Abb. 12.19) kann
Verfahrensspezifische Komplikationen
zu einer Verletzung im Bereich der hinteren Rotatoren-
Plattenosteosynthese manschette mit Beteiligung der Insertion der Sehne des
M. infraspinatus führen. Im Gegensatz dazu erfolgt der
Die Plattenosteosynthese birgt die Gefahren der Schädi-
gung des N. radialis, der Infektion und des Osteosynthe-
seversagens. Die Schädigung des N. radialis ist selten. Sie
tritt bei ca. 1 – 2 % der offenen Repositionen und Platten-
osteosynthesen auf und ist meist durch intraoperative
Manipulation und Traktion bedingt. Die Wahl des Zu-
gangs bei der Plattenosteosynthese scheint die Rate an
Nervenschädigungen nicht zu beeinflussen. Sollte ein
Nervenschaden sekundär nach Plattenosteosynthese auf-
treten, ist ein abwartendes, observierendes Vorgehen ge-
rechtfertigt, da sich die Nervenfunktion meist spontan
erholt. Die Rate an Infektionen nach Plattenosteosynthese
einer geschlossenen Humerusschaftfraktur wird ebenfalls
mit 1 – 2 % angegeben und entspricht der Infektionsrate
anderer Plattenosteosynthesen der oberen Extremität.
Die Rate an Osteosyntheseversagen ist ebenfalls gering
und wird selten mit mehr als 5 % angegeben. Die Ursache
für ein Versagen einer Plattenosteosynthese sind meist
Abb. 12.19 Fotografie eines Kadaverpräparats. Verletzung der
sowohl schlechte chirurgische Technik als auch patien-
Rotatorenmanschette bei einem lateralen transdeltoidalen Zu-
tenspezifische Faktoren wie z. B. Alkoholkonsum. Die gang. Die perkutane Inzision war schräg ausgerichtet und
häufigsten chirurgischen Fehler sind die Wahl eines zu schnitt durch die Fasern des M. infraspinatus.
kurzen Implantats oder die Verwendung von zu wenig
Schrauben sowohl im proximalen als auch im distalen 12
Fragment. Auch die Verwendung einer zu kleinen Platte
bei größeren Patienten kann Ursache für ein Osteosyn-
theseversagen sein. Patientenspezifische Faktoren umfas-
sen das Rauchen, welches die Frakturheilung verzögert,
und den Alkoholismus. Der letztgenannte Faktor sollte
präoperativ erhoben werden, um festzulegen, ob der je-
weilige Patient mit einer Fixation behandelt werden soll-
te. Nach Erfahrungen der Autoren erfolgen die Frakturen
bei alkoholkranken Patienten meist durch Stürze im
trunkenen Zustand. Eine Situation, die sich häufig wie-
derholt, nachdem die Patienten aus dem Krankenhaus
entlassen werden und mit postoperativen Schmerzen
und Einschränkungen umgehen müssen.

Antegrade Marknagelosteosynthese
Die Hauptkomplikationen nach antegrader Marknagelos- Abb. 12.20 Fotografie eines Kadaverpräparats. Der anteriore
akromiale Zugang kann über einen weniger traumatischen Zu-
teosynthese des Humerus sind die Pseudarthrose und der
gang mit Durchtrennung der Sehne des M. supraspinatus im
postoperative Schulterschmerz. Die Rate für Pseudarthro- Faserverlauf erfolgen.
306 12 Frakturen des Humerusschafts

anteriore akromiale Zugang direkt auf die Rotatorenman- (< 10 mm) haben, häufig die ventrale Kortikalis des Hu-
schette und ermöglicht eine Längsinzision der Sehne des merus beim Aufbohren an der Insertionsstelle ge-
M. supraspinatus, die direkt genäht werden kann. schwächt (s. Abb. 12.18). Dies führt zu einer weiteren Re-
(Abb. 12.20). Zur Reduktion der postoperativen Schulter- duktion der Stabilität des distalen Humerus. Zurzeit ist
schmerzen ist nochmals die Wichtigkeit der sofortigen unklar, inwiefern ein Remodeling nach retrograder Mark-
postoperativen Physiotherapie zu betonen. nagelosteosynthese stattfindet.
Heterotope Ossifikationen im Bereich des Zugangs
durch den M. deltoideus sind als seltene Komplikation
Tipps und Tricks
beschrieben und scheinen bei Patienten mit zusätzlichem
Schädel-Hirn-Trauma vermehrt aufzutreten (53). Deswe- ■ Während der konservativen Behandlung einer Hu-
gen sollte bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, die mit merusschaftfraktur mit einem funktionellen Brace
Marknagelosteosynthese des Humerus behandelt wer- ist es wichtig, den Brace täglich eng an den Hume-
den, erwogen werden eine Prophylaxe gegen heterotope rus anzupassen, um die darunterliegenden Weich-
Ossifikationen durchzuführen. Die Pseudarthrosen sind teile zu komprimieren und so über hydraulische
häufig mit einer Distraktion im Bereich des Frakturspalts Kompression eine Reposition der Fraktur zu erzielen.
verbunden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung Zusätzlich sollen Schulter- und Ellbogengelenk aktiv
diese Distraktion intraoperativ zu vermeiden und sich bewegt werden, um Gelenkfunktionsstörungen zu
dieser Komplikation bewusst zu sein, um sie zu erkennen vermeiden.
und zu vermeiden. ■ Distrahierte Schräg- und Querfrakturen neigen ver-
Schließlich können Verletzungen des N. radialis durch mehrt zu Pseudarthrosen.
Aufbohren des Markraums oder bei Insertion des Nagels
■ Beim anterolateralen Zugang zum Humerusschaft
entstehen. Obwohl dies eine selten Komplikation dar- muss im distalen Bereich des Zugangs besonders
stellt, sollte in Fällen, bei denen die Möglichkeit einer darauf geachtet werden, den N. cutaneus antebra-
Inspektion des Nervs besteht (z. B. bei offenen Frakturen) chii lateralis nicht zu verletzen.
darauf geachtet werden, dass der Nerv sicher ist. Es ist
unklar, ob bei Patienten mit Schädigung des N. radialis Merke
eine Indikation für eine Marknagelosteosynthese besteht.
Da bei der Marknagelosteosynthese der Nerv im Fraktur-
■ Verletzungen des N. radialis sind die häufigsten beglei-
spalt eingeklemmt werden kann, scheint ohne absoluten tenden Nervenverletzungen bei Frakturen des Hume-
Grund für eine Marknagelosteosynthese die Exploration russchafts mit einer beschriebenen Inzidenz von
1,8 – 34 %.
des Nervs und anschließende Plattenosteosynthese die
■ Ein häufiger Fehler bei der klinischen Untersuchung der
umsichtigere Alternative zu sein.
Funktion des N. radialis ist, die Extension der Langfinger
zu überprüfen. Die Extension der Langfinger erfolgt je-
Retrograde Marknagelosteosynthese doch über die intrinsische Muskulatur, die über den N.
ulnaris innerviert wird. Die motorische Funktion des N.
Aufgrund des großen Knochendefekts, der bei der Schaf-
radialis wird über die Funktion der Handgelenksexten-
fung eines sicheren Zugangs für die Insertion des retro-
soren geprüft und in Kraftgraden objektiviert und do-
graden Marknagels entsteht, ist die Stabilität des distalen
kumentiert.
12 Humerus deutlich reduziert und die Insertionsstelle ■ Funktionsstörungen des N. radialis, die sekundär durch
daher eine prädisponierte Stelle für weitere Frakturen.
Reposition und Ruhigstellung entstehen, bilden sich
Eine biomechanische Studie zeigte, dass 80 % weniger
häufig spontan zurück und sind keine absolute Indikati-
Torsionskräfte erforderlich sind, um nach retrograder
on für eine Exploration des Nervs oder eine operative
Marknagelosteosynthese eine distale Humerusfraktur zu Therapie.
erzeugen (54). Zusätzlich gibt es klinische Berichte über ■ Akzeptierte Grenzen der Fehlstellung bei konservativer
iatrogene Frakturen an der Insertionstelle des retrogra- Therapie sind varische oder valgische Fehlstellungen
den Humerusnagels (55). Nach Beobachtungen der Auto- von bis zu 30°, Ante- oder Retroversion von bis zu 20°
ren wird bei Humera, die einen engen Markraum und Verkürzung von bis zu 3 cm.

Inhalt der DVDs

Video 12-1 (DVD 2) Posteriore Plattenosteosynthese bei Video 12-2 (DVD 2) Marknagelung des Humerus.
Humerusschaftfraktur. Video 12-3 (DVD 2) Intramedulläre Nagelung.
Literatur 307

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12
Literatur 309

13 Frakturen des distalen Humerus


L. Cannada
Übersetzer: A. Krüger

Frakturen des distalen Humerus mit Beteiligung der Ge- kenden Kräfte zu erklären. Diese Verletzungen stellen für
lenkfläche sind mit 2 % aller Frakturen seltene Verletzun- den behandelnden Arzt eine besondere Herausforderung
gen, stellen aber eine Herausforderung für den behan- sowohl für die konservative als auch für die operative
delnden Chirurgen dar. Es gibt zwei Patientenkollektive Therapie dar. Die Komorbidität älterer Patienten kann
bei denen diese Verletzung vermehrt beobachtet wird gelegentlich eine operative Therapie unmöglich machen.
(1). Bei der einen Gruppe handelt es sich um Hochra- Zusätzlich kann eine begleitende Osteoporose mit
sanzunfälle mit hoher Energie bei meist jungen Patienten schlechter Knochenqualität das Erzielen einer stabilen
(Abb. 13.1). Bei der anderen Gruppe tritt die Verletzung Osteosynthese erschweren.
gehäuft bei Patienten im höheren Alter, meist mit Osteo- In der Vergangenheit durften diese Verletzungen auf-
porose, nach banalem Sturz auf. Die Frakturen sind meist grund der schlechten Ergebnisse, die in den Anfängen mit
disloziert und weisen eine mehr oder weniger große Osteosynthesen erzielt wurden, konservativ behandelt
Trümmerzone auf (Abb. 13.2). werden. Heutzutage ist die operative Behandlung dieser
Hochenergieverletzungen unterscheiden sich von Verletzungen ein akzeptierter Standard. In einer Meta-
Niedrigenergieverletzungen durch den hohen Anteil von analyse der Literatur konnte gezeigt werden, dass bei
offenen Verletzungen und die oft signifikanten Begleit- 75 % (50 – 90 %) der Patienten, die operativ behandelt
verletzungen. Bei Hochenergieverletzungen können de- werden, gute oder sehr gute Ergebnisse zu erwarten
vastierende Trümmerzonen im Gelenkbereich und in sind (2 – 9).
der Metaphyse des Humerus vorliegen. Bei offenen Frak- Das angestrebte funktionelle Ziel bei der Behandlung
turen werden auch große Defektzonen und Verlust von einer distalen Humerusfraktur ist ein schmerzfreier Ell-
Knochensubstanz beobachtet (Abb. 13.1). Zur Planung der bogen mit zufriedenstellender Beweglichkeit. Um dieses
operativen Therapie muss der begleitende Weichteilscha- Ziel zu erreichen, sind eine sorgfältige Planung, eine
den beachtet werden. möglichst anatomische Rekonstruktion der Gelenkfläche
Die Trümmerzonen, die bei Niedrigenergieverletzun- und umgebenden Anatomie sowie eine solide übungssta-
gen des distalen Humerus regelhaft vorkommen, sind bile Osteosynthese, die eine frühe krankengymnastische
meist durch die schlechte Qualität des Knochens und Nachbehandlung ermöglicht, erforderlich. In der Praxis
nicht durch die bei dem Unfall auf den Knochen einwir- ist es schwierig diese Ziele zu erreichen, da häufig Verlet-

13

a b

Abb. 13.1 b Röntgenaufnahmen nach offener Reposition und Platten-


a Distale Humerusfraktur eines 24 Jahre alten Motorradfahrers osteosynthese.
nach Hochrasanzunfall.
310 13 Frakturen des distalen Humerus

Abb. 13.2
a Distale Humerusfraktur bei einer älteren Pa-
tientin. Beachte die Osteoporose sowie die
Trümmerzone. Diese Frakturen entstehen bei
älteren Patienten häufig durch banale Stürze.
b Röntgenaufnahmen nach offener Reposition
und Plattenosteosynthese über eine Osteotomie
des Olekranons.

zungen der Weichteile, ausgedehnte Trümmerzonen im Durchblutung und Sensibilität distal der Fraktur beinhal-
Gelenkbereich sowie durch Osteoporose vorgeschädigter ten. Die klinische Untersuchung kann mit Röntgenauf-
Knochen vorliegen. Viele Komplikationen bei der Be- nahmen ergänzt werden, um die Fraktur beurteilen zu
13 handlung distaler Humerusfrakturen wurden beschrie- können. Bei vielen distalen Humerusfrakturen handelt
ben: Kontrakturen, Infektionen, Pseudarthrosen, Osteo- es sich um offene Frakturen, deren begleitender Weich-
syntheseversagen, störendes Osteosynthesematerial (ins- teilschaden abhängig vom Unfallmechanismus ist. Ins-
besondere wenn eine Osteotomie des Olekranons erfor- besondere sollte die Rückseite des Oberarms sorgfältig
derlich war), Funktionsstörungen des N. ulnaris sowie auf Verletzungen der Haut und Weichteile untersucht
heterotope Ossifikationen. werden. Meist liegt die offene Verletzung an der Hinter-
seite des Oberarms und wird durch das proximale Frag-
ment verursacht, das beim Unfall nach dorsal gerichtet
Indikationen für eine operative ist, während Humerusschaft und Kondylen brechen.
Eine Verletzung der dorsalen Weichteile lässt auf einen
Therapie
Extensionsmechanismus schließen und sollte bei der Pla-
nung des operativen Vorgehens berücksichtigt werden.
Klinische Untersuchung
Mehrere Nerven und Gefäße kreuzen den Ellbogen. Die
Die klinische Untersuchung eines Patienten mit einer dis- genaue Analyse der Fehlstellung kann bei der Bewertung
talen Humerusfraktur sollte die Untersuchung der Frak- der Gefäß- und Nervenverletzung hilfreich sein. Die A.
tur, der umgebenden Weichteile, sowie der Motorik, brachialis verläuft ventral des Ellbogengelenks und wird,
Indikationen für eine operative Therapie 311

bei nach vorne dislozierten Frakturen, häufiger verletzt.


Bei groben Dislokationen sollte die A. brachialis sorgfältig
untersucht werden. Die arterielle Durchblutung lässt sich
orientierend durch Fühlen der distalen Pulse der Aa. ul-
naris und radialis am Handgelenk im Seitenvergleich
überprüfen. Bei nicht tastbaren Pulsen, im Seitenver-
gleich abgeschwächter Pulsamplitude oder verlängerter
Kapillarfüllungszeit ist eine genauere Diagnostik mit
Doppler-Untersuchung oder Angiografie nötig. Drei wich-
tige Nerven kreuzen den Ellbogen: N. radialis, N. ulnaris
und N. medianus. Die Funktion aller drei Nerven hin-
sichtlich Motorik und Sensibilität muss bei Frakturen im
Bereich des Ellbogengelenks gewissenhaft geprüft und
dokumentiert werden. Bei Patienten, die einen Hochra-
sanzunfall erleiden, müssen alle Begleitverletzungen er-
hoben und in der Summe beurteilt werden, da die syste-
mische Verletzungsschwere einen großen Einfluss auf die
Operationsmethode und die zeitliche Planung der Versor-
gung hat.

Abb. 13.3 Röntgenaufnahme des Ellbogengelenks im a.–p.


Bildgebende Diagnostik Strahlengang.

Bei Verletzungen des Ellbogengelenks sowie distalen Hu-


merusfrakturen gehören konventionelle Röntgenaufnah-
men des Ellbogengelenks in 2 Ebenen (a.–p. und seitlich)
zur bildgebenden Standarddiagnostik. Um eine gute a.–p.
Aufnahme zu erhalten, wird der ausgestreckte Arm hori-
zontal gelagert. Der Strahlengang wird im rechten Winkel
zum Ellbogengelenk ausgerichtet. Durch diese Technik
werden der distale Humerus, das Ellbogengelenk sowie
der proximale Anteil des Unterarms in einer koronaren
Ebene dargestellt (Abb. 13.3).
Zur Darstellung des Ellbogengelenks im seitlichen
Strahlengang wird der Ellbogen 90° gekrümmt und der
Unterarm mit der ulnaren Seite auf der Röntgenauflage
abgelegt. Die Finger sollten in leichter Flexion gehalten
werden und der Daumen sollte nach oben zeigen. Der
Zentralstrahl verläuft vertikal und wird auf das Radius-
köpfchen fokussiert. Bei dieser Projektion können der dis-
tale Humerus, das Olekranon sowie das Radiusköpfchen
gut visualisiert werden (Abb. 13.4).
Röntgenaufnahmen in guter technischer Qualität sind 13
für die Planung einer operativen Behandlung von ent- Abb. 13.4 Röntgenaufnahme des Ellbogengelenks im seitli-
scheidender Bedeutung. Allerdings ist es aufgrund der chen Strahlengang.
Schmerzen des Patienten häufig schwierig Röntgenauf-
nahmen in guter Qualität zu erhalten, dies gilt insbeson-
dere für die a.–p. Aufnahme. Bei ausreichender analgeti-
scher Therapie oder Analgosedierung des Patienten kann che chirurgische Technik eingesetzt wird, wird selten
es hilfreich sein eine a.–p. Aufnahme unter Zug anzufer- durch die Ergebnisse der Computertomografie beein-
tigen. Für diese Aufnahme wird ein vorsichtiger longitu- flusst oder geändert.
dinaler Zug auf den ausgestreckten Arm ausgeübt. Glei-
chermaßen kann es schwierig sein den Arm 90° zu beu-
Tipps und Tricks
gen, sodass eine seitliche Aufnahme in Streckstellung des
Ellbogengelenks erfolgt. ■ Röntgenaufnahmen unter Zug sind bei der präope-
Eine Computertomografie grundsätzlich vor jeder The- rativen Planung hilfreich.
rapie durchzuführen ist nicht erforderlich und wird nicht
empfohlen. Die Entscheidung, ob operiert wird oder wel-
312 13 Frakturen des distalen Humerus

Mehne u. Matta unterteilten Frakturen beider Säulen


Klassifikation distaler des distalen Humerus in 6 Gruppen: T-Frakturen, gelenk-
Humerusfrakturen nahe T-Frakturen, Y-Fraktur, H-Fraktur und mediale oder
laterale λ-Frakturen (11). Die Klassifikation von Mehne u.
Ziele einer jeden Frakturklassifikation sind: die Therapie- Matta ist hilfreich bei der Beschreibung von gelenknahen
entscheidung zu erleichtern, die Prognose der Verletzung Frakturen des distalen Humerus. Ring u. Jupiter merken
einschätzen zu können und einen Kommunikationsrah- an, dass bei dieser Klassifikation Frakturverläufe in unter-
men für Chirurgen und Wissenschaftler zu schaffen. Wie schiedlichen Ebenen nicht berücksichtigt werden, ins-
bei anderen Frakturen auch, liegen viele Vorschläge zur besondere gilt dies für Frakturverläufe in der koronaren
Klassifikation von distalen Humerusfrakturen vor. Keine Ebene, die erkannt werden sollten und eine schwere Auf-
dieser Klassifikationen wurde bisher allgemein akzep- gabe für den Chirurgen darstellen.
tiert. Frühe historische Klassifikationen haben Frakturen Die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteo-
der Gelenkfläche des distalen Humerus morphologisch synthesefragen und Orthopaedic Trauma Association
analysiert und als T- oder Y-Typ beschrieben (10). Fokus (AO/OTA) unterteilt die Frakturen des distalen Humerus
dieser Klassifikationen war die anatomische Einteilung in 3 Hauptgruppen mit jeweils 9 Untergruppen (14). Die-
des distalen Humerus anhand der Kondylen. Das Ver- ses System der Klassifikation wurde eingeführt, um eine
ständnis der komplexen anatomischen Verhältnisse hat übergreifende Klassifikation aller knöchernen Verletzun-
sich dadurch gebessert, dass die Anatomie und Funktion gen des Skeletts zu ermöglichen. Die Einteilung in die
des distalen Humerus besser über eine ulnare und eine Hauptgruppen erfolgt nach extraartikulären (Typ A), teil-
radiale Säule als über Kondylen beschrieben wird. Durch weise artikulären (Typ B) und vollständig artikulären
die Einteilung in Säulen kann die Frakturmorphologie (Typ C) Frakturen. Die weitere Unterteilung in die Unter-
genauer beschrieben werden. gruppen erfolgt entsprechend der Ausdehnung der extra-
Riseborough u. Radin schlugen eine Klassifikation in 4 oder intraartikulären Trümmerzone. Durch die AO/OTA-
Typen vor. Typ I entspricht einer undislozierten Fraktur, Klassifikation besteht die Möglichkeit, die Frakturen ge-
beim Typ II liegen dislozierte T- oder Y-förmige Frakturen nauer zu beschreiben und einzuteilen. Hinsichtlich der
vor, die die Kondylen des distalen Humerus voneinander Entscheidungsfindung für eine Therapie liefert die AO/
oder vom Schaft trennen. Der Typ III ist dadurch defi- OTA-Klassifikation jedoch nur wenig Informationen. Le-
niert, dass eine dislozierte Kondylenfraktur mit Rotation diglich die Unterscheidung A versus B versus C ist hilf-
des gebrochenen Fragments vorliegt. Beim Typ IV lässt reich (Abb. 13.5; 15).
sich zusätzlich zu den Charakteristika des Typ III eine Ring et al. berichten über 21 Patienten mit Frakturen,
intraartikuläre Trümmerzone nachweisen (11). Die Klas- die ausschließlich die Gelenkfläche des distalen Humerus
sifikation von Riseborough u. Radin ist eine der einfachs- betrafen und auf Höhe der Fossa olecrani oder distal
ten Klassifikationen für Frakturen des distalen Humerus. davon gelegen waren. Ring et al. beschreiben 5 potenziel-
Allerdings schränkt die Simplizität dieser Klassifikation le artikuläre Fragmente (Abb. 13.6; 16). Die bisher skiz-
die Zweckmäßigkeit bei der Beschreibung distaler Hume- zierten Standardklassifikationen adressieren diese Verlet-
rusfrakturen ein. zungstypen nicht. Bei den oftmals komplexen Frakturen

Abb. 13.5 Klassifikation der distalen


Humerusfraktur nach der Arbeits-
gemeinschaft für Osteosynthesefragen
und Orthopaedic Trauma Association
13 (AO/OTA) (mit freundlicher Genehmi-
gung, AO International Publishing).
Konservative Therapie 313

Abb. 13.6 Illustration der Gelenkfläche des distalen


Trochlea Humerus mit Beschreibung der 5 potenziellen Kom-
Epicondylus
ponenten einer intraartikulären Fraktur.
Epicondylus lateralis
medialis 5 1

2
4 Capitulum

3 hintere
Fossa Impaktions-
coronoidea verletzungen

1 laterales Capitulum
2 Epicondylus lateralis
3 hinterer Aspekt
4 hintere Trochlea
5 Epicondylus medialis

Abb. 13.7
a Röntgenaufnahmen des Ellbogens in 2 Ebenen
mit Fraktur des Capitulum humeri.
b Postoperative Röntgenaufnahmen.

13

ist eine detaillierte anatomische Beschreibung am ein- Konservative Therapie


fachsten (Abb. 13.7).
Eine konservative Therapie einer distalen Humerusfrak-
tur kann bei bestimmten Frakturtypen oder Patienten-
gruppen zielführend sein. In seltenen Fällen ist das Nar-
koserisiko zu hoch. Bei stabilen extraartikulären Fraktu-
ren des distalen Humerus (Gruppe A nach AO/OTA) kann
314 13 Frakturen des distalen Humerus

eine konservative Therapie erfolgen, solange eine ausrei- Frakturverlaufs, die räumliche Beziehung zwischen
chende Reposition der Fraktur gehalten werden kann. Die Gelenkfläche und Fraktur, das Erkennen einer Trüm-
Fraktur kann unter vorsichtigem Zug und ohne Rotation merzone im Bereich der Trochlea humeri und die
reponiert und mit einer dorsalen Oberarmschiene ruhig- Beteiligung der ulnaren oder/und radialen Säule
gestellt werden. Nach Abschwellen der Weichteile kann der Fossa olecrani sind für eine erfolgreiche operati-
diese Schiene durch einen zirkulären Cast ersetzt werden. ve Therapie von entscheidender Bedeutung.
Um frühzeitig mit der physiotherapeutischen Behand-
lung beginnen zu können, kann nach 2 – 3 Wochen ein
Bewegungs-Brace oder -Cast angelegt werden, mit dem
Operative Therapie
definierte Bewegungsumfänge möglich sind. Bei einem
mehrfachverletzten Patienten kann es schwierig sein,
Generelle Überlegungen
eine Fraktur zu reponieren und das Repositionsergebnis
zu halten. Eine operative Therapie dieser Frakturen er- Letztendlich sind die Ziele einer operativen Therapie dis-
möglicht eine bessere Pflege und Mobilisation des Patien- taler Humerusfraktur zum einen das Erreichen eines sta-
ten. bilen und beweglichen Ellbogengelenks mit fester knö-
Eine weitere Indikation für eine konservative Therapie cherner Verbindung der Humerusmeta- und Diaphyse
einer distalen Humerusfraktur stellt eine ausgeprägte und zum anderen die Schmerzfreiheit des Patienten. Zu-
Trümmerfraktur bei begleitender Osteoporose dar, bei sätzlich soll durch die Operation das Heilen von Weich-
der eine sichere Implantation des Osteosynthesemateri- teilverletzungen erleichtert, das Infektionsrisiko reduziert
als technisch nicht möglich ist. Die konservative Therapie und eine schnellere physiotherapeutische Nachbehand-
dieser Frakturform wurde als „Bag of Bones Technique“ lung der oberen Extremität ermöglicht werden. Casse-
bezeichnet und besteht entweder aus einer Ruhigstellung baum beschrieb 1952 die generellen Prinzipien für eine
mittels Schlinge oder der Anlage eines „Cuff and Collar“- operative Therapie von distalen intraartikulären Hume-
Verbands. Zwei konzeptionelle Ansätze sind möglich. Bei rusfrakturen (19). Er diskutiert in seiner Arbeit 5 Prinzi-
dem ersten Ansatz erfolgt die anfängliche Immobilisation pien, die bei der operativen Therapie berücksichtigt wer-
des Ellbogens in 100°– 125° Flexionsstellung. In den an- den müssen. Als Erstes muss die anatomische Beziehung
schließenden 3 Wochen wird der Ellbogen zunehmend zwischen den Kondylen zueinander sowie die der Kon-
gestreckt. Die zweite Möglichkeit sieht eine initiale Ru- dylen zur Ulna wiederhergestellt werden. Der zweite
higstellung in 90° vor. Aktive Bewegungen können ab der Grundsatz besagt die Fossa olecrani offen zu lassen. Drit-
dritten Woche begonnen werden (13). Bei diesen Patien- tens sollte die ventrale Angulation der Gelenkfläche wie-
ten kann eine ausreichende Beweglichkeit sowie eine derhergestellt werden. Viertens müssen die Kondylen am
Schmerzfreiheit im Bereich des Ellbogens erzielt werden. Humerusschaft fixiert werden. Der fünfte und letzte
Dieses Ergebnis muss gegen die Komorbidität der Patien- Grundsatz sieht eine stabile Osteosynthese vor. Casse-
ten und die mit der operativen Therapie verbundenen baum berichtete über die Ergebnisse von 9 Patienten,
Risiken abgewogen werden. In den letzten Jahren werden die unter Berücksichtigung seiner Grundprinzipien ope-
zunehmend Ellbogenprothesen verwendet und stellen rativ behandelt wurden. Bei 4 Patienten wurden sehr
bei Patienten mit schlechter Knochenqualität oder Frak- gute und bei 4 Patienten gute Ergebnisse erzielt, bei nur
turen mit ausgedehnten Trümmerzonen aber niedrigem einem Patienten wurde ein schlechtes postoperatives Er-
Narkoserisiko Alternativen zur konservativen Therapie gebnis beobachtet. Die von Cassebaum beschriebenen
dar (Video 13-1, DVD 2; 17, 18). Prinzipien behalten ihre Gültigkeit und stellen die Grund-
Wenn die Entscheidung für eine konservative Therapie lage aktueller operativer Therapie dieser komplexen Ver-
13 getroffen wurde, sollte die Therapie mit regelmäßigen letzung dar (Video 13-2, DVD 2).
seriellen Röntgenaufnahmen kontrolliert werden, um si-
cherzustellen, dass die Reposition gehalten wird. Im All- Überlegungen zur Planung des operativen
gemeinen ist zur Reposition der Fraktur eine aufrechte
Vorgehens
Position des Patienten und eine Kompression des Ober-
arms ausreichend. Allerdings ist bei der konservativen Distale Humerusfrakturen mit Beteiligung der Gelenkflä-
Therapie häufig eine mehrfache Korrektur der Ruhigstel- che können durch Hoch- oder Niedrigenergiemechanis-
lung und wiederholte Reposition der Fraktur erforderlich, men entstehen. Ältere Patienten können aufgrund der
falls auf den Röntgenaufnahmen ein Repositionsverlust reduzierten Knochenqualität durch banale Stürze verhee-
erkannt wird. rende Verletzungen des Ellbogengelenks erleiden. Diese
Frakturen unterscheiden sich deutlich von den Frakturen,
die durch Stürze aus großer Höhe, Verkehrsunfälle oder
Tipps und Tricks
andere Hochrasanzmechanismen entstehen. Bei intubier-
■ Bei allen Frakturen des distalen Humerus ist es wich- ten oder analgosedierten Patienten müssen die Weich-
tiger den genauen Frakturverlauf in allen Raumdi- teilverhältnisse regelmäßig überprüft werden. In speziel-
mensionen zu erfassen als Klassifikationssysteme len Fällen kann die überbrückende Ruhigstellung im Fi-
auswendig zu lernen. Die Beurteilung des genauen xateur externe erforderlich sein. Bei mehrfachverletzten
Operative Therapie 315

Patienten mit offenen Frakturen des distalen Humerus, onszangen zur Verfügung stehen. Auch die Anlage einer
die nicht sofort operiert werden können, ist die schnell Blutsperre und die Verwendung von Beckenkammspon-
durchführbare Anlage eines Fixateur externe eine gute giosa kann hilfreich sein.
Alternative, bis nach Stabilisierung des Patienten auf der Um eine stabile Osteosynthese zu erreichen, wird für
Intensivstation eine definitive Osteosynthese erfolgen die meisten distalen Humerusfrakturen eine Doppelplat-
kann. tenosteosynthese empfohlen (Abb. 13.8). Seltener liegen
Die chirurgische Therapie sollte anhand der präopera- unilaterale, unikondyläre Frakturen vor, die nur durch
tiven Röntgenaufnahmen sorgfältig geplant werden. eine Platte oder, in noch selteneren Fällen, durch Schrau-
Technisch einwandfreie konventionelle Röntgenaufnah- ben stabil fixiert werden können. Als Standardimplantate
men in 2 Ebenen, a.–p. (ggf. unter leichter Traktion) und können Kleinfragment-DC(Dynamic Compression)-Plat-
seitlich, sind Grundlage für eine genaue Analyse der Frak- ten, Rekonstruktionsplatten, die der Anatomie des dis-
turmorphologie (s. Abb. 13.3 und Abb. 13.4). Sollte eine talen Humerus einfacher angepasst werden können oder
offene Reposition und Osteosynthese des distalen Hume- anatomisch vorgeformte Platten, die von unterschiedli-
rus erforderlich werden, ist die Plattenosteosynthese die chen Firmen angeboten werden, implantiert werden.
einzige praktikable Methode. Aus diesem Grunde müssen
präoperativ zwei Dinge geplant, bzw. entschieden wer- Lagerung des Patienten
den. Zum einen ist die Wahl des richtigen Implantats zu
treffen. Anzahl, Größe und Länge der Platten sollten prä- Die Patienten können in Bauch-, Rücken- oder Seitenlage
operativ geplant werden. Auch die Verwendung ana- operiert werden. Die Seitenlage ist die beweglichste und
tomisch geformter, winkelstabiler Implantate ist zu erwä- ermöglicht zudem den Zugang zum Beckenkamm falls
gen. Eine weitere wichtige Entscheidung ist, ob eine zu- eine Knochentransplantation erforderlich werden sollte
gangsbedingte Osteotomie des Olekranon erforderlich ist. (Video 13-2, DVD 2). In Seitenlagerung des Patienten soll-
Bei distalen Humerusfrakturen mit Beteiligung der Ge- te der verletzte Arm auf einem Polster oder einer Ablage
lenkfläche sollte eine Osteotomie des Olekranon zur ge- gelagert werden. Der Patient kann in einer Vakuummat-
naueren intraoperativen Exploration der Gelenkfläche er- ratze mit Unterpolsterung aller knöcherner Vorsprünge
wogen werden. Um sicher zu sein, dass die richtigen Im- gelagert werden (Abb. 13.9). Die Bauchlage eignet sich
plantate zur Versorgung der Fraktur vorhanden sind, auch für den Zugang zum distalen Humerus, allerdings
kann die Osteosynthese präoperativ unter Verwendung ist es schwieriger den Arm zu beugen. In Bauchlagerung
der jeweiligen Implantate am Modell geplant werden. sollte der Arm zur Seite über den Tisch hängen und auf
Intraoperativ sollte zusätzlich eine große Auswahl unter- einer Anlage aufliegen. Sollten Seit- und Bauchlagerung
schiedlicher Schrauben, Kirschner-Drähte und Repositi- nicht möglich sein, kann der Patient auch in Rückenlage-

13

Abb. 13.8 Zeichnung einer zweifachen Plattenosteosynthese des distalen Humerus. Eine Platte ist dorsal, die laterale Säule
stabilisierend, fixiert. Die zweite Platte stabilisiert die mediale Säule.
316 13 Frakturen des distalen Humerus

Abb. 13.9 Lagerung des Patienten in Seitenlage.


Der Patient wird sicher fixiert (alternativ kann
eine Vakuummatratze verwendet werden) und
der verletzte Arm durch einen Halter unterstützt.

Armhalter

Stütze/Kissen

Stütze/
Kissen

rung operiert werden. In Rückenlagerung muss die Schul- Lagerung des Patienten zu überprüfen, ob sich die Frak-
ter flektiert und adduziert sowie der Arm von einem turregion mit dem Bildwandler darstellen lässt oder ob
Assistenten über die Brust des Patienten gehalten wer- ggf. eine Umlagerung des Patienten erforderlich ist, um
den. Alle Lagerungspositionen sind möglich und letzt- eine adäquate Darstellung zu erreichen.
endlich der Präferenz des Operateurs überlassen.
Unabhängig von der gewählten Position des Patienten,
Zugänge
sollte bei der Lagerung darauf geachtet werden, den Arm
zu stützen und ggf. leicht unter Zug zu halten, um ein Dorsaler Zugang, Spalten (Triceps Splitting)
Einstauchen und die damit verbundene zusätzliche Schä- oder Schonen (Triceps Sparing) des M. triceps
digung der Weichteile zu vermeiden. Der Arm sollte bis brachii
in die Achselhöhle steril abgewaschen und abgedeckt
werden. Neben der Verwendung eines sterilen Tourni- Der Hautschnitt beginnt über der Mitte des dorsalen dis-
quets sollte zur Narkoseeinleitung eine Antibiotikathera- talen Humerus und führt unter leicht bogenförmiger Um-
13 pie erfolgen. schneidung der Olekranonspitze gerade nach distal. Der
Hautschnitt sollte nicht direkt über der Spitze des Ole-
Intraoperative Bildgebung kranons geführt werden, da zum einen das Infektions-
risiko steigt, zum anderen die Patienten häufig Schmer-
Bei den meisten Zugängen ist eine vollständige Visuali- zen oder Missempfindungen dieser mechanisch expo-
sierung der Frakturzone, der einzelnen Fragmente und nierten Region verspüren. Der Schnitt sollte scharf bis
der Gelenkfläche möglich. Allerdings sollte intraoperativ auf die Aponeurose des M. triceps brachii erfolgen
eine radiologische Darstellung bzw. Kontrolle einer ana- (Abb. 13.10). Nach der Hautinzision kann der Zugang
tomischen Reposition, insbesondere der Gelenkfläche, zum Humerus auf mehrere unterschiedliche Wege gelin-
einer achsgerechten Stellung der Extremität und einer gen. Zum einen kann der M. triceps brachii gespalten
korrekten Implantatlage erfolgen. Je nach Lagerung und werden oder muskelschonend zur Seite mobilisiert wer-
Position des Patienten während der Operation, kann eine den (Abb. 13.11). Alternativ wurde ein Zugang unter
Bildwandlerkontrolle während der temporären Fixation Schonung des M. triceps brachii beschrieben, bei dem
der Gelenkfläche oder der Lage der Implantate hilfreich der Ansatz des Muskels am Olekranon geschont wird,
sein. Die Positionierung des Bildverstärkers ist abhängig indem der Zugang zum Knochen über mobile Fenster
von der Lagerung des Patienten. Es empfiehlt sich nach lateral und medial der Insertion der Trizepssehne erfolgt
Operative Therapie 317

Abb. 13.10 Empfohlene


Epicondylus medialis
Schnittführung für den dorsalen
Zugang zum distalen Humerus.
tiefer Ast des N. ulnaris Der Schnitt wird bogenförmig
zum Retinakulum um die Olekranonspitze geführt,
Olekranon um postoperative Irritationen zu
vermeiden.
gebogener
Hautschnitt

Epicondylus
lateralis

Abb. 13.11 Zugang durch den M.


Inzision der triceps brachii (Triceps Splitting). Der
(re. Ellenbogen) Bizepssehne N. ulnaris muss bei diesem Zugang
geplante geschont werden.
gebogene
Hautinzision

M. triceps

N. ulnaris Fraktur
lateral

Epicondylus
lateralis
N. ulnaris
M. flexor
carpi ulnaris 13
M. anconaeus
Olekranon

(Abb. 13.12). Diese Technik sollte immer genutzt werden, auf die Fossa olecrani fortgesetzt, um den M. triceps bra-
um das zusätzliche Weichteiltrauma zu reduzieren. Zu- chii vom distalen Humerus abheben zu können. Im pro-
erst erfolgt der laterale Zugang zum distalen Humerus. ximalen Bereich des Zugangs wird an der lateralen Seite
Bei der lateralseitigen Präparation des distalen Humerus des Armes der N. radialis identifiziert. Der N. radialis
sollten die dorsalen arteriellen Kollateralen dargestellt kann im Anschluss in seinem Verlauf um den dorsalen
und geschont werden. Die Präparation wird scharf bis Anteil des Humerus präpariert werden.
318 13 Frakturen des distalen Humerus

Inzision zum
Zurückhalten
des M. triceps
Olekranon
M. flexor
gemeinsamer
carpi
Ursprung der
ulnaris
Extensoren
M. triceps
Epicondylus Epicondylus
lateralis medialis N. ulnaris
Fossa
olecrani
Epicondylus
M. triceps medialis Epicondylus
lateralis

N. ulnaris

ulnare
Kante

Abb. 13.12 Alternativer Zugang zum distalen Humerus unter


Schonung des Ansatzes des M. triceps brachii.

Abb. 13.13 Darstellung der Fraktur über Spaltung des M. tri-


ceps brachii (Triceps Splitting). Beachte den Einsatz der Retrak-
An diesem Punkt der Operation kann es erforderlich
toren. Dies ist ein Zugang, der ohne oder vor Osteotomie des
sein, die Blutsperre zu entfernen, um noch weiter nach Olekranons durchgeführt werden kann. Obwohl dieser Zugang
proximal präparieren zu können. Der M. triceps brachii eine gute Darstellung der Epikondylen des Humerus ermög-
kann nun medialseitig mobilisiert werden, wobei der N. licht, ist eine komplette Darstellung der Gelenkfläche ohne
radialis mit seinen venösen Begleitgefäßen, sowie seine Osteotomie des Olekranons nahezu unmöglich.
sensiblen Seitästen geschont werden müssen. Medialsei-
tig wird die Präparation scharf am Humerus weiterge-
führt. Der N. ulnaris sollte ebenfalls dargestellt und sein ral am Olekranon zu belassen, um eine sichere Fixation
Verlauf bis um den Epicondylus medialis verfolgt werden. des M. triceps brachii zu gewährleisten. So durchgeführt
Nachdem sowohl der N. ulnaris als auch der N. radialis ist die Spaltung des M. triceps brachii gegenüber der Os-
identifiziert wurden, kann auf Wunsch die Osteotomie teotomie des Olekranons vorteilhaft, solange es gelingt
des Olekranons erfolgen. Für einige Frakturen, bei denen die Gelenkfläche ausreichend darzustellen.
nur eine geringe oder gar keine Beteiligung der Gelenk-
fläche vorliegt, kann der Zugang über eine Mobilisation
des M. triceps brachii bereits ausreichend sein, um alle Dorsaler Zugang, Osteotomie des Olekranons
13 relevanten Frakturen darzustellen. Sollte eine genaue Vi-
sualisierung der Gelenkfläche benötigt werden, gibt es Vor der Osteotomie des Olekranons sollte die Ulna mit
zwei Optionen: zum einen die Osteotomie des Olekra- einem 3,5-mm-Bohrer vorgebohrt werden, um ein
nons, zum anderen das Umklappen der Aponeurose des Schraubenlager zu schaffen (Abb. 13.14; Video 13-2,
M. triceps brachii von der proximalen Ulna, wobei die DVD 2). Mit einer oszillierenden Säge wird eine winkel-
Aponeurose mit der Vorderarmfaszie im Verbund belas- förmige Osteotomie durchgeführt. Die Spitze der Osteo-
sen wird. tomie sollte so weit wie möglich distal liegen, um ein
Bei dem Zugang über eine Spaltung des M. triceps bra- möglichst großes proximales Fragment zu erhalten. Es
chii (Triceps Splitting) wird der gleiche Hautschnitt ver- empfiehlt sich, die Osteotomie zur Gelenkfläche mit
wendet. Der N. ulnaris wird dargestellt und geschont. Es einem Meißel zu komplettieren, um diese so weit wie
empfiehlt sich, den Nerven mit einem Vessel-Loop anzu- möglich zu schonen und einen Knorpelschaden und Ver-
schlingen. Der M. triceps brachii und dessen Sehne wer- lust zu vermeiden. Die Osteotomie sollte in dem Bereich
den im Faserverlauf mittig gespalten (Abb. 13.13). Sollte der Gelenkfläche des Olekranons erfolgen, der nicht mit
es erforderlich sein, kann die Spaltung nach distal bis zur der Fossa olecrani artikuliert. Nach vollständiger Osteo-
Spitze des Olekranons erweitert werden. Man sollte da- tomie kann das Olekranon mit der daran verbliebenen
rauf achten ausreichend Sehnenspiegel medial und late- Insertion des M. triceps brachii nach proximal umge-
Operative Therapie 319

a
b

Abb. 13.14 Osteotomie des Olekranons. b Nach Osteotomie. Nach Fixation mit einer Schraube sollte
a Vor Osteotomie wird der zukünftige Schraubenkanal mit sich die Spitze des Olekranons wieder anatomisch einpassen.
einem 3,5-mm-Bohrer vorgebohrt.

facher kleinere Fragmente zu débridieren oder Fragmente


aus Trümmerzonen zu mobilisieren.
In der Literatur wurden mehrere Techniken beschrie-
ben, um das Olekranon nach Osteotomie zu refixieren.
Eine Heilung in Fehlstellung kann zu Schmerzen und Ge-
lenkfunktionsstörungen führen. Das Vorbohren des
Schraubenkanals vor Osteotomie wird empfohlen, um
das Olekranon nach der Osteotomie mit einer 6,5 mm
starken Spongiosaschraube nahezu anatomisch fixieren
zu können (Abb. 13.14). Die Länge der Schraube wird so
gewählt, dass sie festen Halt in der proximalen Ulna oder
im Bereich des mittleren Ulnaschafts findet. Man sollte
regelhaft eine Unterlegscheibe verwenden. Nach Fixation
des Olekranons mit einer Schraube wird zusätzlich eine
Zuggurtung mittels Drahtcerclage angelegt. Hierfür wird
mit einem 2,0 mm starkem Bohrer ein Loch quer durch
die Ulna gebohrt. Das Loch sollte dorsal der Zugschraube
knapp distal des Processus coronoideus positioniert wer-
den (Abb. 13.15). Der Draht wird durch das Loch in der
Ulna geführt und nach proximal über der Ulna gekreuzt.
Der Draht muss jetzt unter der Trizepssehne an das Ole- 13
kranon gebracht werden. Hierzu kann eine Hohlnadel aus
a b Metall oder eine 14- bzw. 16-gauge-Venenverweilkanüle,
die unter der Trizepssehne durchgeführt und in die der
Abb. 13.15 Röntgenaufnahmen des Ellbogengelenks nach Draht eingefädelt wird, verwendet werden. Nachdem der
Osteotomie des Olekranons in zwei Ebenen.
Draht achterförmig und unter der Unterlegscheibe der
a A.–p. Aufnahme.
b Seitliche Aufnahme. Zugschraube positioniert wurde, können die Enden ge-
geneinander gedreht werden, bis die Zuggurtung eine
gute Spannung erhält. Zum Abschluss kann die Schraube
schlagen werden. Der N. ulnaris kann jetzt, gemeinsam noch nachgezogen werden, um Draht und Unterlegschei-
mit seinen begleitenden Gefäßen, weiter mobilisiert wer- be dicht an das Olekranon zu bringen. Nach Refixation
den. Dieser Zugang ermöglicht uneingeschränkte Sicht des Olekranons sollte die Beweglichkeit des Ellbogens in
auf die gesamte Fraktur und die Gelenkfläche des dis- voller Extension und Flexion geprüft werden, um sicher
talen Humerus. Nachdem die Fraktur dargestellt wurde, zu sein, dass die Zuggurtung tatsächlich eine Kompressi-
sollten alle Fragmente sorgfältig débridiert und kürettiert on auf die Region, an der die Osteotomie durchgeführt
werden. Mit einem Zahnarzthaken gelingt es oft ein- wurde, ermöglicht (Abb. 13.15).
320 13 Frakturen des distalen Humerus

Eine alternative Technik zur Refixation der Olekra- Beim TRAP-Zugang, der zur Versorgung distaler in-
nonosteotomie mittels Schraube stellt die Verwendung traartikulärer Humerusfrakturen verwendet werden
zweier paralleler Kirschner-Drähte, um die eine Cerclage kann, kommt es zu keiner knöchernen Konturunterbre-
geschlungen wird, dar. Diese Technik entspricht der zur chung der proximalen Ulna. Zusätzlich gestalten sich die
Versorgung von Olekranonfrakturen (s. Abb. 13.2). bei einigen Patienten erforderlichen Folgeeingriffe ein-
Entsprechend der Standardtechnik bei der Behandlung facher, wenn das Olekranon nicht osteotomiert wurde.
von Frakturen sollten die beiden Kirschner-Drähte paral- Als Beispiel für einen Folgeeingriff kann der Gelenkersatz
lel, schräg von proximal dorsal nach distal ventral so ein- mittels Ellbogenprothese dienen. Der Nachteil des TRAP-
gebracht werden, dass die Spitze der Drähte die ventrale Zugangs liegt in der schlechten Visualisierung des dis-
Kortikalis der Ulna durchdringt. Die Zuggurtung wird talen Endes des Humerus. Eine extreme Hyperflexion
dann, wie oben beschrieben, achterförmig unter dem An- des Ellbogens wird erforderlich, um die distale Gelenk-
satz der Trizepssehne und unterhalb der Kirschner-Dräh- fläche des Humerus intraoperativ einsehen zu können.
te positioniert. Unter Verwendung dieser Technik be- Sollte eine Chirurg über keine große Erfahrung in der
schrieben Ring et al. eine Fusionsrate von 98 % 6 Monate Behandlung distaler artikulärer Humerusfrakturen ver-
postoperativ. Allerdings mussten bei 13 % der Patienten fügen, stellt der traditionelle dorsale Zugang über eine
die Zuggurtungsosteosynthesen entfernt werden, da das Osteotomie des Olekranons unter Umständen die ein-
Metall die Patienten störte (20). fachere Alternative dar.
Eine seltene, aber erwähnenswerte Alternative zu den
Zuggurtungsosteosynthesen stellt die Refixation mit
Lagerung des Patienten
einer Platte dar. Eine Plattenosteosynthese kann erforder-
lich werden, wenn sich eine größere Trümmerzone im Der Patient kann in Seitenlage oder auf dem Rücken ge-
Bereich der proximalen Ulna findet oder wenn ver- lagert werden. O’Driscoll bevorzugt die Rückenlage des
sehentlich die Osteotomie der Ulna zu weit distal erfolg- Patienten mit Unterpolsterung von Schulterblatt und
te. Als Implantate können sowohl herkömmliche LCDC- Arm (21).
Platten („limited contact dynamic compression“) als
auch anatomisch vorgeformte oder winkelstabile Platten
Zugang
verwendet werden.
Der Zugang erfolgt über einen ca. 15 cm langen dorsalen,
TRAP-Zugang mittigen Hautschnitt. Wie bei allen anderen Zugängen,
die dorsal am Ellbogen über dem Olekranon verlaufen,
Der sogenannte TRAP-Zugang (Triceps-reflecting anco- sollte auch hier das Olekranon medial oder lateral um-
neus Pedicle Approach) wurde als Alternative zum dor- schnitten werden, um zukünftige Wundheilungsstörun-
salen Zugang bei distalen Humerusfrakturen beschrieben gen oder Missempfindungen zu vermeiden. Die Präpara-
(21). Der am häufigsten beschriebene Zugang zur Versor- tion erfolgt bis auf die Trizepssehne. Der N. ulnaris wird
gung intraartikulärer distaler Humerusfrakturen über dargestellt und vom umgebenden Gewebe befreit. Es
einen dorsalen Zugang ist die Verwendung einer Osteo- wird empfohlen, den N. ulnaris nach vollendeter Platten-
tomie des Olekranons. Allerdings wurden für die Osteo- osteosynthese einer distalen Humerusfraktur nach ven-
tomie des Olekranons einige Komplikationen beschrie- tral zu verlagern. Um den lateralen Anteil des TRAP-Zu-
ben. Hierzu gehören die Pseudarthrose, die Heilung in gangs zu ermöglichen, wird der oben beschriebene dor-
Fehlstellung sowie das oft störende Metall, das eine Im- sale Zugang modifiziert. Das Intervall zwischen M. anco-
plantatentfernung erforderlich machen kann. O’Driscoll neus und M. extensor carpi ulnaris wird identifiziert und
13 vermutete, dass die herkömmliche Osteotomie des Ole- inzidiert. Die Inzision wird 10 cm distal des Olekranons
kranons zu einer Denervierung des M. anconeus führt. begonnen und Richtung Epicondylus lateralis geführt.
Der M. anconeus wird aus einem Ast des N. radialis in- Der Schnitt wird nach proximal bis zur Crista supracon-
nerviert. Dieser Ast wird bei der Osteotomie bzw. beim dylaris weitergeführt. Der M. anconeus wird zunächst
hierfür notwendigen Zugang durch die Weichteile durch- subperiostal von der Ulna und dann schlussendlich so-
trennt. Der M. anconeus ist ein dynamischer Stabilisator wohl. vom Lig. anulare als auch vom lateralen Kollateral-
des Ellbogengelenks, und der Verlust seiner Funktion band abgelöst. Es ist wichtig sowohl das Lig. anulare als
könnte zum Verlust der Stabilität des Ellbogengelenks auch das laterale Kollateralband des Ellbogens zu scho-
beitragen. Allerdings wurde die Instabilität des Ellbogen- nen. Nach Arthrotomie, die an der Spitze des Olekranons
gelenks nach operativer Behandlung einer distalen in- beginnt, wird weiter durch die Gelenkkapsel präpariert.
traartikulären Humerusfraktur, unabhängig von der Ver- Der mediale Anteil des TRAP-Zugangs gleicht dem tri-
wendung einer Osteotomie des Olekranons, nicht als sig- zepsschonenden Zugang, der von Bryan u. Morrey be-
nifikante Komplikation beschrieben. In der Tat ist bei schrieben wurde (22). Der Zugang beginnt 10 cm distal
vielen intraartikulären Humerusfrakturen der Verlauf des Olekranons und orientiert sich nach proximal sowohl
durch eine Steife des Ellbogengelenks erschwert. an der Kante des Olekranons als auch am M. flexor carpi
ulnaris. Die weitere Darstellung der Ulna erfolgt sub-
Operative Therapie 321

periostal. An dieser Stelle der Operation ist es wichtig den tal voraus. Folglich ist zur Transposition des Nervs eine
periostalen Ansatz der Sehne des M. triceps brachii mit deutlich aufwendigere chirurgische Mobilisation erfor-
einer Haltenaht zu markieren. Hierdurch wird eine ana- derlich als für den operativen Zugang zur Darstellung
tomische Refixation der Trizepssehne am Ende der Ope- der Fraktur. Sollte der Nerv nicht mit dem Implantat in
ration ermöglicht. Die Präparation wird nach proximal unmittelbaren Kontakt geraten, kann erwogen werden
weitergeführt, bis sich letztendlich der mediale und der ihn in das ehemalige Nervenbett zu legen. Voraussetzung
laterale Anteil des TRAP-Zugangs auf dem Humerus unter hierfür ist sowohl eine möglichst sparsame gewebescho-
dem M. triceps brachii und auf der Ulna unter dem M. nende Präparation des Nervs, um seine Durchblutung zu
anconeus treffen. Die Insertion des distalen M. anconeus gewährleisten als auch die Vermeidung von übermäßi-
kann am M. triceps brachii gelöst und die Basis des M. gem Zug am Nerv. Trotzdem muss der Nerv, falls eine
anconeus im Anschluss nach proximal umgeschlagen Transposition nötig wird, proximal und distal soweit mo-
werden. Jetzt kann durch Beugung des Armes die Gelenk- bilisiert werden, dass die Transposition spannungsfrei er-
fläche des distalen Humerus dargestellt und mit der Plat- folgen kann. Je nach Präferenz des Chirurgen kann der
tenosteosynthese wie oben beschrieben begonnen wer- Nerv dann subkutan oder unter den Muskel platziert
den. werden.

Refixation des M. triceps brachii Reposition und Osteosynthese der Fraktur


Um die Trizepssehne transossär zu refixieren, wird die Nachdem ein ausreichend großer Zugang zur Fraktur ge-
Kortikalis des Olekranons mit einem 2,0-mm-Bohrer an schaffen wurde, wird als nächstes die Fraktur reponiert
der Stelle der Insertion der Sehne im Winkel angebohrt. (Video 13-2, DVD 2). Aus mehreren Gründen ist die Re-
Ein zusätzliches Bohrloch sollte schräg distal der beiden position intraartikulärer distaler Humerusfrakturen oft-
anderen angelegt werden. Die Refixation der Sehnen be- mals schwierig. Mit dem Verlust der medialen und late-
ginnt mit einer modifizierten Mason-Allen-Naht mit ralen Säule ist die Fraktur hochgradig instabil. Häufig
einem kräftigen, nichtresorbierbaren Faden. Der Faden liegt eine ausgedehnte Trümmerzone der Metaphyse
wird zuerst an der Trizepssehne befestigt und im An- und/oder der intraartikulären Fragmente vor. Die einzel-
schluss durch die Bohrkanäle der Ulna geführt. Durch nen Fragmente sind zudem meist auch zu klein, um eine
Verknoten des Fadens wird die Sehne an die Ulna geführt sichere Fixation mittels Schrauben zu erreichen. Zusätz-
und in direktem Kontakt zum Knochen fixiert. Nach dem lich besteht die distale Fläche des distalen Humerus
Verknoten wird der distale Anteil der Sehne mit dem hauptsächlich aus spongiösem Knochen, der eine stabile
Faden in Bunnell-Technik durchflochten, um eine feste Fixierung ebenfalls erschwert. Typischerweise wird bei
Verankerung in der Sehne zu garantieren. Die Bunnell- distalen Humerusfrakturen mit der Rekonstruktion der
Naht reduziert zusätzlich die Zugkräfte, die auf die Rein- Gelenkfäche begonnen, um diese dann zu reponieren
sertionsstelle einwirken. Die abschließende Naht der Fas- und an der medialen und lateralen Säule stabil zu fixie-
zie wird mit einem fortlaufenden Faden durchgeführt. ren. Außer bei ganz einfachen Frakturen erfolgt die Re-
Nach diesem Zugang und der in oben beschriebener position und Fixation der Gelenkfläche zunächst mit
Technik refixierten Trizepssehne kann eine sofortige Kirschner-Drähten. Nach dieser temporären provisori-
krankengymnastische Beübung ohne Ruhigstellung und schen Rekonstruktion der Gelenkfläche wird der Gelenk-
mit freiem aktiven und passiven Bewegungsumfang be- block im Anschluss mit Schrauben, je nach Bedarf, stabi-
gonnen werden. ler fixiert. Es ist wichtig keine Zugschrauben entlang der
distalen Gelenkfläche zu verwenden. Durch Zugschrau-
Management des N. ulnaris ben kann bei intraartikulären Trümmerzonen eine Kom- 13
pression der Fragmente erfolgen und dadurch die Ana-
Die Dysfunktion des N. ulnaris nach distalen Humerus- tomie der Gelenkfläche verändert werden. Nach Fixation
frakturen und deren Osteosynthesen stellt eine bekannte der artikulären Fragmente wird der distale Humerus re-
Komplikation dar. Der Nerv ist sowohl durch das direkte poniert und stabil mit dem Humerusschaft verbunden.
Trauma als auch durch die Operation gefährdet. Der be- In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass eine
handelnde Chirurg muss die Entscheidung treffen, ob er Osteosynthese mit zwei um 90° versetzten Platten eine
den Nerv transponieren möchte. Von dieser Entscheidung optimale Stabilisierung ermöglicht (23 – 25). Um dies zu
kann das postoperative Ergebnis beeinflusst werden. In erreichen, ist es vorteilhaft, die eine Platte an der dorsa-
der Regel ist eine Fraktur des distalen Humerus mit len Seite der lateralen Säule und die zweite medial an der
einem großen Weichteilschaden vergesellschaftet, und medialen Säule zu fixieren. Wenn Standardplatten ver-
eine Narbenbildung und Fibrose im Bereich des Nerven- wendet werden, ist es erforderlich die Platten vorzubie-
betts sind zu erwarten. Der operative Zugang kann diese gen. Hierfür kann die Verwendung von Modellen oder
Narbenbildung verstärken. Allerdings setzt eine korrekt Schablonen hilfreich sein. Die Implantate müssen so ge-
durchgeführte Verlagerung des Nervs nach ventral eine formt sein, dass sie die Gelenkfläche nicht tangieren, eine
spannungsfreie Mobilisation desselben proximal und dis- zusätzliche mechanische Stabilisierung bieten und eine
322 13 Frakturen des distalen Humerus

krankengymnastische Beübung unmittelbar postoperativ überprüft werden. Hierbei ist besonders darauf zu ach-
ermöglichen. Da die von medial angebrachte Platte um ten, dass die Artikulation des Gelenks nicht durch das
den Epicondylus medialis gebogen werden muss, emp- implantierte Metall gestört wird. Neben Extension und
fiehlt sich hierfür die Verwendung einer Rekonstrukti- Flexion im Ellbogengelenk müssen auch Supination und
onsplatte, da diese einfacher angepasst werden kann. Pronation getestet werden.
Nach korrekter Anpassung der Platte um den distalen Bei den trizepsschonenden Zugängen müssen keine
Humerus herum, kann diese zunächst distal mit Schrau- muskulären Defekte verschlossen werden. Sollte der Zu-
ben befestigt werden, die senkrecht zur Gelenkfläche ver- gang über eine Spaltung des M. triceps brachii erfolgt
laufen und so einen biomechanischen Vorteil bieten. Die sein, kann der Muskel locker approximiert und verschlos-
Platte, die von lateral angebracht wird muss weniger vor- sen werden. Vor dem Hautverschluss sollten subkutane
gebogen werden. Die Autoren empfehlen die Verwen- Nähte mit resorbierbarem Nahtmaterial durchgeführt
dung einer LCDC-Platte (Limited Contact dynamic Com- werden. Um Hautirritationen und Infektionen zu vermei-
pression). Die Größe der Platte ist abhängig von der Ana- den, empfiehlt es sich die Haut mit Nähten statt mit
tomie des Patienten. Die Platte sollte so weit wie möglich Klammern zu verschließen. Das Ellbogengelenk wird im
nach distal platziert werden ohne jedoch die Gelenkflä- Anschluss an die Operation mit einer gut gepolsterten
che zu erreichen. Wenn es möglich ist, kann eine Schrau- Oberarmschiene ruhiggestellt.
be durch das am weitesten distal liegenden Loch der Die Position, in der das Ellbogengelenk ruhiggestellt
Platte quer durch die Metaphyse zur gegenüberliegenden werden soll ist strittig. Meistens wird eine Schiene in
Kortikalis des Humerusschafts platziert werden. Ana- Flexion des Gelenks angelegt, die dem Patienten das
tomisch vorgebogene Platten werden von einigen Her- komfortable Tragen einer Armschlinge ermöglicht. Aller-
stellern angeboten und ersparen die Anpassung der Plat- dings ist das postoperative Streckdefizit des Ellbogenge-
te, die sich oft schwierig gestaltet. lenks eine häufig beobachtete Einschränkung. Die Anlage
Reine artikuläre Frakturen können effektiv durch kopf- einer Schiene in maximaler Extension des Ellbogenge-
lose Schrauben wiederhergestellt werden (16). Kleine os- lenks könnte das Risiko für ein Streckdefizit reduzieren.
teochondrale Defekte werden am besten mit unterschied- Zusätzlich minimiert eine Ruhigstellung in Extension den
lich großen Kompressionsschrauben stabilisiert, die in Zug auf die Wunde. Sollte das Ellbogengelenk in Flexion
der Gelenkfläche versenkt werden und im Idealfall senk- ruhiggestellt werden, wird ein Winkel von 90° empfoh-
recht zur Fraktur verlaufen müssen. Der Kopf der Schrau- len, eine weitere Flexion (> 90°) des Gelenks sollte ver-
be muss bis auf die Ebene des subchondralen Knochens mieden werden. Die Schiene sollte solange getragen wer-
eingebracht werden, um zum einen eine maximale Sta- den, bis die Wundheilung abgeschlossen ist. Mit der
bilität zu gewährleisten und zum anderen zu verhindern, krankengymnastischen Beübung sollte nach einer
dass bei Knorpelverlust das Implantat im Gelenk reibt. Woche begonnen werden. Zunächst sind vorsichtige ak-
Alternativ können 2,0- oder 2,7-mm-Minifragment- tive und aktiv-assistierte Übungen möglich. Das gestatte-
schrauben verwendet werden, deren Köpfe jedoch eben- te Bewegungsausmaß nimmt abhängig vom Verlauf zu.
falls im subchondralen Knochen versenkt werden müs-
sen. Dünne Kirschner-Drähte, die mit einem Gewinde
Tipps und Tricks
versehen sind und so kurz wie möglich abgeschnitten
werden, können ebenfalls zum Einsatz kommen ■ Zögere nicht mit der Osteotomie des Olekranons,
(s. Abb. 13.5). wenn die Gelenkfläche nicht einsehbar ist.
Nachdem die Fraktur und die eventuell durchgeführte ■ Trizepsschonende Zugänge sind mit einer vermehr-
Osteotomie des Olekranons fixiert wurden, werden intra- ten postoperativen Kraft und einem besseren Bewe-
13 operative Röntgenaufnahmen angefertigt. Mit den intra- gungsausmaß assoziiert, können für Chirurgen mit
operativen Aufnahmen oder Durchleuchtungsbildern eingeschränkter Erfahrung jedoch schwierig sein.
werden das Ergebnis der Reposition und die Lage der ■ Achte auf versehentliche Verschmälerung der Ge-
Implantate kontrolliert. Man sollte sich vergewissern, lenkfläche und Trochlea humeri bei der Verwendung
dass alle Schrauben extraartikulär positioniert wurden von Zugschrauben.
und dass eine akzeptable Reposition der Fragmente er- ■ Vewende versenkbare oder kopflose Schrauben zur
folgt ist. Normalerweise liegt das Capitulum humeri mit- Fixierung osteochondraler Fragmente.
tig und halbiert die ventrale Gelenkfläche des distalen
Humerus. Des Weiteren sollte darauf geachtet werden,
Nachbehandlung
dass die Gelenkflächen kongruent zueinander sind. Das
Radiusköpfchen sollte sich in allen Ebenen auf das Capi- Ein Ziel der offenen Reposition und Osteosynthese ist das
tulum humeri projizieren; so kann eine Luxation des Ra- Erreichen einer stabilen inneren Fixierung, die eine frühe
diusköpfchens weitgehend vermieden werden. Es ist au- physiotherapeutische Beübung der verletzten Extremität
ßerdem darauf zu achten, dass der Ellbogen physiolo- ermöglicht. Mit einer stabilen Osteosynthese kann der
gisch in leichter Valgusstellung orientiert ist. Abschlie- Patient früher mobilisiert werden und somit ggf. Kompli-
ßend sollte das Bewegungsausmaß des Ellbogengelenks kationen vermieden werden. Bei Patienten, die operativ
Ergebnisse 323

behandelt wurden und bei denen die Weichteilverhält- auf Frakturen mit intraartikulärer Beteiligung fokussie-
nisse es erlauben sollte postoperativ eine Schiene ange- ren. Es ist nicht zulässig, Studien zu vergleichen, die
legt werden. Eine postoperative Schiene hilft sowohl ein über unterschiedliche Frakturmorphologien berichten,
zusätzliches Anschwellen der Weichteile zu vermeiden da hierdurch die Ergebnisse deutlich beeinflusst werden
als auch die unmittelbar postoperativ auftretenden könnten.
Schmerzen besser managen zu können. Wir empfehlen Ein großes Problem der vorliegenden Studien ist, dass
mit der physiotherapeutischen Behandlung mit aktiven das Alter der Patienten über eine große Amplitude vari-
und aktiv-assistierten Bewegungen ab dem 7.– 10. post- iert. Da mit zunehmendem Alter die Qualität des Kno-
operativen Tag zu beginnen. Eine passive Beübung des chens abnimmt (z. B. durch eine begleitende Osteoporo-
Ellbogengelenks sollte vermieden werden, da hierdurch se), können Studien, die über viele ältere Patienten be-
enorme Kräfte auf die Osteosynthese und das Ellbogen- richten deutlich schlechtere Ergebnisse aufweisen als sie
gelenk einwirken. Durch eine passive Beübung scheint bei Studien mit jüngeren Patienten zu erwarten sind.
auch die Rate an heterotopen Ossifikationen erhöht zu Tatsächlich konnte in aktuellen Studien nachgewiesen
sein. Auch eine ergotherapeutische Behandlung im frü- werden, dass bei Patienten mit einem Alter von mehr
hen postoperativen Verlauf mit Bewegungsübungen von als 65 Jahren bessere Ergebnisse durch den endoprothe-
Handgelenk, Hand und Schulter scheint hilfreich zu sein. tischen Ersatz des Ellbogengelenks als durch eine offenen
Heterotope Ossifikationen können eine Komplikation Reposition mit Plattenosteosynthese erzielt werden kön-
nach Verletzungen des Ellbogengelenks darstellen. Es ist nen (17). Bei Patienten, bei denen zusätzlich eine Osteo-
bekannt, dass heterotope Ossifikationen vermehrt bei Pa- porose vorliegt entstehen Frakturen vom Typ C2 oder C3
tienten beobachtet werden, die Verbrennungen oder ein auch schon durch Bagatellunfälle. Bei jungen Patienten
Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Bei Frakturen des distalen liegen häufig begleitende Verletzungen vor, und die Frak-
Humerus wird diese Komplikation ebenfalls beschrieben. turen des distalen Humerus entstehen meist durch Ra-
Bei einer Analyse der Patienten, die heterotope Ossifika- sanzunfälle. Die Qualität des Knochens sowie das Ausmaß
tionen nach distaler Humerusfraktur aufwiesen, konnte des begleitenden Weichteilschadens haben ebenfalls
nachgewiesen werden, dass eine frühe operative Versor- einen großen Einfluss auf das postoperative Ergebnis.
gung (innerhalb von 48 h nach Unfall) das Risiko für die Durch den Einschluss von Patienten unterschiedlichen
Entwicklung dieser Komplikation reduziert (26). Zur Pro- Alters und unterschiedlicher Verletzungsmechanismen
phylaxe heterotoper Ossifikationen kann eine Bestrah- ist es schwierig, die funktionellen Ergebnisse der Studien
lung oder die Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika erfol- zu vergleichen.
gen. Es gibt Belege dafür, dass eine einmalige niedrigdo- Ein weiteres Problem, das sich bei der Interpretation
sierte Radiatio bei operativen Eingriffen am Ellbogen der Literatur ergibt, ist, dass die funktionellen Ergebnisse
sinnvoll ist (27). Zurzeit gilt die Prophylaxe heterotoper der Patienten mit einer Vielfalt unterschiedlicher Metho-
Ossifikationen nach distalen Humerusfrakturen jedoch den erfasst wurden. Idealerweise würde für alle Studien
nicht als Standard, sollte aber bei Patienten, die ein zu- eine standardisierte Methode verwendet, um die Ergeb-
sätzliches Schädel-Hirn-Trauma erlitten, erwogen wer- nisse und die Behandlungsmethoden zu erfassen. Eine
den. sinnvolle Bewertung des funktionellen Ergebnisses sollte
sowohl eine vom Patienten subjektiv erhobene Einschät-
zung des Behandlungserfolgs sowie eine objektivierbare
Tipps und Tricks
externe Begutachtung beinhalten. Ein wichtiges Ziel der
■ Erwäge die Prophylaxe heterotoper Ossifikationen. Erfassung des Behandlungsergebnisses ist es, zu verste-
hen inwiefern unterschiedliche praktische Faktoren der
einzelnen spezifischen Techniken das Behandlungsergeb- 13
Ergebnisse nis beeinflussen. Obwohl es allgemein akzeptiert ist, zwei
Platten zur Stabilisierung distaler Humerusfrakturen zu
Die Literatur, die sich mit der Behandlung distaler Hume- verwenden, gibt es viele unterschiedliche alternative
rusfrakturen beschäftigt, bietet einige Unzulänglichkei- Techniken, die zur Behandlung distaler Humerusfraktu-
ten. Es liegen mehrere Studien vor, die aber aufgrund ren beschrieben wurden. Es besteht ein Meinungsstreit
unterschiedlicher Studiendesigns und Patientenkollektive sowohl über die zu verwendende Stabilisierungstechnik
schwer zu vergleichen sind. Grund hierfür ist eine große als auch über den Zugang, über den die Darstellung der
Heterogenität bezüglich Alter der Patienten, Schwere des Fraktur erfolgen soll. Insbesondere werden die Transposi-
Unfalls, OP-Verfahren sowie postoperativer Endpunkte tion des N. ulnaris und die Osteotomie des Olekranons
zur Erfassung des funktionellen Ergebnisses. Die Ergeb- kontrovers diskutiert. Bei einer Studie wurden nur Pa-
nisse der Osteosynthesen bei einfachen distalen Hume- tienten mit Rasanzunfällen eingeschlossen. Henley et al.
rusfrakturen (OTA C1) unterscheiden sich von schwere- berichten über 33 Patienten, die in einem Level-1-Trau-
ren Frakturen mit mehr oder weniger ausgeprägter mazentrum behandelt wurden und bei denen die Verlet-
Trümmerzone (OTA C2 – 3). Einige Studien schließen Pa- zungen als Folge eines Rasanzunfalls auftraten (4). 67 %
tienten mit einfachen Frakturen ein, wohingegen andere der Patienten wurden als mehrfachverletzt eingestuft, bei
324 13 Frakturen des distalen Humerus

27 % der Patienten lagen bilaterale Verletzungen der obe- Wert für den DASH-Score betrug 20, also eine geringe
ren Extremitäten vor. Der Anteil offener distaler Hume- fortbestehende Beeinträchtigung. Mit dem SF-36 konnte
rusfrakturen betrug in diesem Kollektiv 42 %. Eine ab- eine geringe jedoch signifikante Abnahme der allgemei-
schließende Nachuntersuchung erfolgte bei 25 Patienten. nen Körperfunktion aber keine Änderung der psy-
Gute oder sehr gute Ergebnisse lagen bei 92 % der Patien- chischen Funktion nachgewiesen werden. 6 Patienten
ten vor. Allerdings lag die Rate für Komplikationen bei mussten erneut operiert werden. Bei 50 % dieser Patien-
45 %. Bei 9 von 29 Osteotomien des Olekranons traten ten erfolgte der Folgeeingriff aufgrund störender Implan-
Komplikationen auf. Bei 8 dieser Patienten wurde das tate.
Olekranon nach Osteotomie mittels Zuggurtungsosteo- Gofton et al. berichten über die funktionellen Ergeb-
synthese unter Verwendung zweier paralleler Kirschner- nisse von 23 Patienten mit bikondylären intraartikulären
Drähte sowie einer Cerclage refixiert. Nur bei einem Pa- Frakturen (Typ C nach AO) des distalen Humerus, die mit
tienten, bei dem die Refixation mittels 6,5-mm-Zug- 2 orthogonal zueinander angeordneten Plattenosteosyn-
schraube und Cerclage erfolgte, trat eine Komplikation thesen behandelt wurden. Die Nachuntersuchung dieser
auf. Patienten erfolgte im Durchschnitt nach 45 Monaten (28).
Wie bereits erwähnt, ist es strittig, wie mit dem N. Für die Nachuntersuchung wurde das Behandlungsergeb-
ulnaris bei der Behandlung distaler Humerusfrakturen nis zum einen von den Patienten (DASH-Score, Patient
verfahren werden soll. Wang et al. berichten über die Rated Ulnar Nerve Evaluation = PRUNE, American Shoul-
Ergebnisse der Behandlung von 20 Patienten mit distalen der and Ellbow Surgeons Elbow Form = ASES-e und SF-
intraartikulären Humerusfrakturen, bei denen die Dar- 36) als auch mittels klinischer, radiologischer und objek-
stellung der Fraktur und die Osteosynthese über einen tiver Verfahren bewertet. Bei dieser Studie lagen bei den
dorsalen Zugang erfolgte und der N. ulnaris routinemäßig Patienten subjektiv nur minimale Beeinträchtigungen
nach subkutan ventral verlagert wurde (8). Bei der Mehr- vor, bei einer mittleren Zufriedenheit mit dem Behand-
zahl der Patienten lagen Typ-C2- und -C3-Frakturen vor. lungsergebnis von 93 %. Der Bewegungsumfang im Be-
Die Osteosynthesen erfolgten jeweils unter Verwendung reich des Ellbogens hinsichtlich Extension/Flexion war
zweier Platten, von denen eine medial und die andere mit 122° im Vergleich zu 138° signifikant reduziert (p
posterolateral befestigt wurde. Entsprechend dem Casse- < 0,01). Die Kraft war sowohl für Extension und Flexion
baum-Score und dem funktionellen Ergebnis wurden bei als auch für Umwendbewegungen reduziert (p < 0,05).
15 Patienten gute oder sehr gute, bei 2 Patienten ausrei- Obwohl die Rate an Komplikationen 48 % betrug, konnten
chende und bei 3 Patienten schlechte Ergebnisse beob- die meisten Komplikationen ohne weitere operative Ein-
achtet. Postoperativ wurde bei keinem Patienten eine griffe behandelt werden. Der N. ulnaris wurde routine-
Lähmung des N. ulnaris diagnostiziert. mäßig nach ventral verlagert, und zum Zeitpunkt der
McKee et al. berichten über die funktionellen Ergeb- Nachuntersuchung lagen keine Neuropathien des Nervs
nisse nach chirurgischer Behandlung distaler intraartiku- vor (28).
lärer Humerusfrakturen über einen dorsalen Zugang (6). In einer weiteren Studie wurden die Ergebnisse eines
Diese Studie ist einzigartig, da die Ergebnisse nicht nur endoprothetischen Ersatzes mit denen einer Osteosyn-
aus Sicht der Chirurgen oder der radiologischen Befunde these bei distalen intraartikulären Humerusfrakturen
bewertet wurden, sondern das funktionelle Ergebnis in von 24 Frauen mit einem Lebensalter von mehr als 65
den Fokus gestellt wurde. Zur Erfassung des Behand- Jahren verglichen. Es kann davon ausgegangen werden,
lungserfolgs wurden neben einer objektiven Messung dass bei den Patienten eine Osteoporose vorlag. Alle Frak-
der Muskelkraft Fragebögen seitens der Patienten beant- turen waren geschlossen und Folge eines Bagatellunfalls
wortet (DASH-Fragebogen = Disabilities of the Arm, ohne Rasanzmechanismus. Begleitende Nervenschäden
13 Shoulder and Hand und SF-36). In dieser Studie wurden lagen bei keiner Patientin vor. Die eine Hälfte der Patien-
25 Patienten mit einem mittleren Lebensalter von 47 tinnen wurde mittels offener Reposition und Plattenos-
Jahren und isolierten, dislozierten, intraartikulären Frak- teosynthese, die andere Hälfte mittels Totalendoprothese
turen des distalen Humerus behandelt. Alle Frakturen des Ellbogengelenks behandelt. Bei den Patienten, bei
wurden über einen dorsalen Zugang mittels Doppelplat- denen eine Osteosynthese erfolgte, wurden bei 4 Patien-
tenosteosynthese behandelt. Insgesamt wurde bei 11 Pa- ten sehr gute, bei 4 Patienten gute, bei 1 mäßige und bei 3
tienten eine Osteotomie des Olekranons durchgeführt. Patienten schlechte Behandlungsergebnisse beobachtet.
Bei den verbleibenden Patienten erfolgte die Darstellung Die schlechten Behandlungsergebnisse waren alle mit
der Fraktur über eine Spaltung des M. triceps brachii. Die einem Versagen der Osteosynthese assoziiert. In einem
Nachuntersuchung erfolgte im Mittel nach 37 Monaten. Fall wurde die Instabilität der Osteosynthese direkt intra-
Der durchschnittliche Bewegungsumfang im Bereich des operativ bemerkt, bei 2 Patienten wurde das Auslockern
Ellbogens betrug 108°. Die objektive Erfassung der Mus- des Osteosynthesematerials im postoperativen Verlauf
kelkraft ergab eine verminderte Kraft für die Beugung bei bemerkt. Bei allen 3 Patienten erfolgte ein Verfahrens-
einer Flexion von 90° im Ellbogengelenk sowie eine re- wechsel auf eine Totalendoprothese. In der Gruppe der
duzierte Kraft für die Streckung bei 45°, 90° und 120° Patienten, die mit einer Osteosynthese behandelt wur-
Flexion im Bereich des Ellbogengelenks. Der mittlere den, betrug der durchschnittliche Mayo-Score 87,7, das
Komplikationen 325

durchschnittliche Bewegungsausmaß war von 30°– 110° das postoperative Ergebnis. Ein Versagen der Osteosyn-
möglich. Im Gegensatz dazu konnte in der Gruppe der these wurde bei der Verwendung von Drittelrohrplatten
Patienten, die initial mit einer Totalendoprothese des Ell- beobachtet. Auch die Implantation von Halbrohrplatten
bogengelenks behandelt wurden, eine deutlich verkürzte wird für die Behandlung distaler intraartikulärer Hume-
OP-Zeit und Dauer des Tourniquets vermerkt werden. Bei rusfrakturen nicht empfohlen (9, 30). Eine weitere Ursa-
der Nachuntersuchung wurden 11 sehr gute und 1 gutes che für die Lockerung einer Osteosynthese kann darin
Ergebnis nachgewiesen. Bei dieser Studie waren die Er- bestehen, dass nur eine der beiden zur Stabilität erforder-
gebnisse bei den über 65-jährigen Patientinnen mit in- lichen Säulen fixiert wurde. Die Stabilisierung beider
traartikulären distalen Humerusfrakturen, die mit einer Säulen mit 2 Platten, die um 90° versetzt zueinander
Totalendoprothese behandelt wurden, besser (17). Die am Humerus befestigt werden, wird für alle distalen in-
Implantation einer Totalendoprothese des Ellbogenge- traartikulären Frakturen des distalen Humerus empfoh-
lenks stellt bei Patientinnen von mehr als 65 Jahren eine len.
praktikable Alternative zur Osteosynthese dar, insbeson- Patienten, bei denen es zu einem Versagen der Osteo-
dere gilt dies für Patientinnen, bei denen zusätzliche Ko- synthese gekommen ist, stellen sich mit unterschiedli-
morbiditäten wie rheumatoide Arthritis oder Osteoporo- chen Beschwerden wie Schmerzen oder Bewegungsein-
se vorliegen oder bei denen eine systemische Kortison- schränkungen vor. Radiologisch kann dann eine Locke-
therapie durchgeführt wird. rung bzw. ein Bruch der Schrauben oder Platten nach-
gewiesen werden. Bei diesen Patienten sollte eine opera-
tive Revision erwogen werden. Mechanische Probleme
Komplikationen einer Osteosynthese nicht durch zusätzliche Stabilisie-
rung zu korrigieren, kann zur Entwicklung einer Pseudar-
Bei der Behandlung von intraartikulären distalen Hume- throse führen. Die initiale Osteosynthese sollte eingehend
rusfrakturen geht der Trend weg von der konservativen auf technische Fehler überprüft und die anschließende
Therapie hin zur operativen Therapie dieser komplexen Fixation mit einem ausreichend stabilen Konstrukt
Verletzungen. Allerdings ist das Ziel einer vollständigen durchgeführt werden. Auch die Transplantation von
funktionellen Restitutio ad integrum auch durch ana- Spongiosa oder andere Methoden der Stimulation des
tomische Reposition und stabile Fixation intraartikulärer Knochenwachstums sollten in diesen Fällen erwogen
Fragmente oft schwer zu erreichen. Ein gewisses Maß an werden.
Bewegungseinschränkung, insbesondere für die Extensi-
on im Bereich des Ellbogengelenks, tritt regelhaft nach
Pseudarthrose
einer solchen Verletzung auf. Andere Komplikationen,
die nach einer operativen Behandlung einer intraartiku- Die Entwicklung einer Pseudarthrose nach distalen Hu-
lären distalen Humerusfraktur auftreten können sind das merusfrakturen ist ein Thema, das in der Literatur bisher
Versagen der Osteosynthese, die Heilung in Fehlstellung, vernachlässigt wurde. In den meisten Publikationen, die
die Entwicklung einer Pseudarthrose, die heterotope Os- über die Ergebnisse größerer Serien berichten, ist die
sifikation und die Infektion. Pseudarthrose eine selten beobachtete Komplikation, die
bei 2 – 10 % der Patienten auftritt (4, 5, 7, 8, 29, 31, 32).
Die Patienten stellen sich meist mit Schmerzen oder
Osteosyntheseversagen
Weichteilproblemen, wie eingeschränkter Beweglichkeit,
Intrartikuläre Frakturen des distalen Humerus sind an- Neuropathie des N. ulnaris oder heterotopen Ossifikatio-
spruchsvolle Verletzung und schwer zu rekonstruieren. nen vor. Revisionseingriffe bei Patienten mit Pseudar-
Die komplexe Anatomie des distalen Humerus muss be- throse nach einer distalen Humerusfraktur sind an- 13
kannt sein, um eine anatomische Wiederherstellung zu spruchsvoll. Das häufige Vorliegen einer Osteoporose,
ermöglichen. Sowohl Trümmerzonen im Bereich der die verzerrte Anatomie, die einliegenden Implantate (die
Fraktur als auch eine regelhaft vorliegende Instabilität mechanisch versagt haben können) und die meist peri-
erschweren diese Operation. In Kombination mit den kapsuläre Fibrose erschweren diese Revisionen.
Schwierigkeiten des Zugangs zur optimalen Darstellung Die Ziele der Therapie einer Pseudarthrose sind Wie-
der Fraktur, ist jede distale Humerusfraktur eine Heraus- derherstellung der Funktion des Gelenks mit einem guten
forderung für den Operateur. Bei älteren Patienten kann funktionellen Bewegungsumfang, eine stabile Fusion der
das Erzielen einer stabilen Reposition und Fixation durch frakturierten Knochen sowie die Heilung der Extremität
eine zusätzliche Osteoporose und ausgeprägte Trümmer- in akzeptabler Ausrichtung. Es gibt einige Voraussetzun-
zonen weiter erschwert werden. Das Versagen der Osteo- gen für eine erfolgreiche chirurgische Therapie. Der Pa-
synthese resultiert meist aus technischen Problemen tient muss sowohl über einen ausreichend guten Kno-
oder inadäquat durchgeführter Osteosynthese (29). chenbestand verfügen als auch die Risiken eines operati-
Feine Drähte oder Kirschner-Drähte allein sind nicht sta- ven Eingriffs überstehen können. Häufig muss die Kapsel
bil genug, um den distalen Humerus zu stabilisieren. des Ellbogengelenks gelöst und der N. ulnaris trans-
Auch die Wahl der verwendeten Implantate beeinflusst poniert werden. Die Fraktur muss sorgfältig mobilisiert
326 13 Frakturen des distalen Humerus

und reponiert werden, um anschließend stabil fixiert gesuchter Patienten mit fehlverheilten Frakturen hat
werden zu können (33). Patienten, die wegen einer zum Ziel, das Ergebnis zu verbessern. Allgemein sollten
Pseudarthrose revidiert werden, benötigen im weiteren extraartikuläre Fehlstellungen unmittelbar mit einer su-
Verlauf häufig zusätzliche Operationen wie Metallentfer- prakondylären Korrekturosteotomie angegangen werden.
nung, Exzisionen heterotoper Ossifikationen oder Neuro- Diese sollte eine feste Osteosynthese, ein ausgiebiges
lysen des N. ulnaris. Auch die Mobilisation des Ellbogen- Lösen der Vernarbungen und eine Neurolyse des N. ulna-
gelenks in Narkose ist ein regelhaft geplanter Eingriff ris beinhalten. Intraartikuläre Fehlstellungen sind we-
(33). In der größten publizierten Serie zur Pseudarthrose sentlich schwerer zu behandeln, da die Exposition der
nach distaler Humerusfraktur berichten Helfer et al. über Gelenkfläche wesentlich aufwendiger ist und durch den
52 Patienten, bei denen eine verzögerte Frakturheilung Korrektureingriff zusätzlichen Schaden nehmen kann.
oder Pseudarthrose auftrat (33). Der Zeitraum, in dem Obwohl die meisten dieser intraartikulären Fehlheilun-
diese Patienten erfasst wurden, betrug 26 Jahre. Die gen am besten durch einen Gelenkersatz behandelt wer-
Pseudarthrosen resultierten meist aus technischen Feh- den können, liegen Fallberichte vor, bei denen in diesen
lern der initial durchgeführten Osteosynthese, wobei bei schwierigen Situationen durch Korrekturosteotomien
vielen Patienten ein Hochrasanztrauma ursächlich für die gute Ergebnisse erzielt werden konnten (34).
Verletzung war. Helfer et al. berichteten, dass die ver-
zögerten Knochenheilungen und Pseudarthrosen, die
Infektion
nach distalen intraartikulären Humerusfrakturen auftra-
ten, durchweg mit einer ausgedehnten Exposition der Erfreulicherweise treten septische Verläufe nach Osteo-
Pseudarthrose in Kombination mit einem großzügigen synthese einer distalen Humerusfraktur selten auf. An
Lösen der Weichteile und einer stabilen Osteosynthese eine Infektion sollte gedacht werden, wenn die Wundhei-
zur Heilung gebracht werden konnten (33). Der Bewe- lung verzögert verläuft, die Osteosynthese auslockert
gungsumfang im Ellbogengelenk verbesserte sich von oder puride Flüssigkeit aus der Wunde sezerniert. Bei
71° vor der Revision auf 94° postoperativ. Bei 29 % der dem Verdacht auf eine Infektion bzw. nachgewiesener
Patienten, die operativ wegen einer Pseudarthrose einer Infektion einer Osteosynthese des distalen Humerus ist
distalen Humerusfraktur revidiert werden mussten, wur- eine aggressive Therapie gerechtfertigt. Diese sollte als
den im weiteren Verlauf zusätzliche Operationen erfor- erstes ein ausgedehntes Débridement der Wunde bein-
derlich (33). halten. Unterstützend kann eine systemische oder lokale
Bei älteren Patienten mit schlechterer Knochenqualität Gabe von Antibiotika erfolgen. Die initiale Antibiotikathe-
oder Patienten mit geringerem funktionellen Anspruch rapie sollte kalkuliert gegen die häufigsten Erreger, in der
sollte bei der Behandlung von Pseudarthrosen die Im- Regel Staphylokokken, durchgeführt werden. Mikrobiolo-
plantation einer Totalendoprothese des Ellbogengelenks gische Untersuchungen mit schnellstmöglichem Keim-
bedacht werden. Präoperativ sollte sorgfältig das Vorlie- nachweis machen dann eine erregerspezifische Antibioti-
gen einer Infektion ausgeschlossen werden. Eine vollstän- katherapie möglich. Bei stabiler Osteosynthese können
dig gekoppelte oder halbgekoppelte Prothese sollte in die Implantate unter Umständen belassen werden, wenn
diesen Situationen implantiert werden, da die Knochen- die Infektion durch wenige Débridements gesäubert wer-
und Weichteilverhältnisse oft eine unzureichende Stabi- den kann und die Fraktur im Anschluss ohne Infektion
lität des Ellbogengelenks gewährleisten (2). heilt (Abb. 13.16). Sollte die Wunde auch nach einigen
Débridements nicht sauber werden, müssen die Implan-
tate entfernt werden. Ring et al. nutzen bei 5 Patienten
Heilung in Fehlstellung
einen Ilizarov-Fixateur als letzte Möglichkeit eine Infekti-
13 Die Fehlheilung stellt nach operativer Versorgung einer on einer distalen Humerusfraktur zur Ausheilung zu
distalen Humerusfraktur eine noch seltenere Komplikati- bringen (35). Letztendlich heilten die Frakturen bei 4
on dar als bei konservativer Therapie. Genau wie bei den der 5 Patienten, und alle hatten einen Bewegungsumfang
Patienten mit einer Pseudarthrose muss der Chirurg bei im Ellbogengelenk von mehr als 85°.
fehlverheilten distalen Humerusfrakturen sorgfältig die
Beschwerden und Erwartungen des Patienten, die radio-
Neuropathie des N. ulnaris
logischen Befunde, den Bewegungsumfang des Ellbogen-
gelenks sowie die eventuellen neurologischen Ausfälle Eine Dysfunktion des N. ulnaris ist eine bekannte Kom-
erfassen. Die extraartikulären Fehlheilungen führen typi- plikation nach distalen Humerusfrakturen. Der Nerv ist
scherweise zu Achsfehlstellungen, am Ellbogengelenk ge- zum einen durch das direkte Trauma zum anderen durch
häuft zu varischen Fehlstellungen, dem Cubitus varus. Die die Operation gefährdet. Die Inzidenz für eine Läsion des
funktionellen Auswirkungen einer solchen Fehlstellung N. ulnaris wird in der Literatur mit 7 – 15 % angegeben
sind je nach Ausprägung der Fehlstellung meist unerheb- (3 – 5, 8, 13). Eine sorgfältige klinische Untersuchung
lich. Im Gegensatz hierzu führen Fehlstellungen im Ge- und Dokumentation ist von höchster Bedeutung, um die
lenk häufig zu posttraumatischer Arthrose und Bewe- Dysfunktion des N. ulnaris vor der geplanten Operation
gungseinschränkung. Die chirurgische Korrektur aus- diagnostizieren zu können. In den meisten Fällen resul-
Komplikationen 327

a b

Abb. 13.16 Infizierte distale Humerusfraktur.


a Röntgenaufnahmen des Ellbogengelenks in 2 Ebenen bei
offener distaler Humerusfraktur am Unfalltag.
b Postoperative Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen nach Doppel-
plattenosteosynthese.
c Fotografie der infizierten Wunde.
d Zur Sanierung der Wunde erfolgte ein ausgiebiges Débride-
ment mit Entfernung der transplantierten Spongiosa. Um das d
ganze Gelenk darzustellen, wurde das Olekranon osteotomiert.
Die Röntgenaufnahme demonstriert die vollständige Heilung
nach zusätzlicher 6-wöchiger intravenöser Antibiotikatherapie.

13
tiert die Läsion des Nervs durch die Manipulation bei der operativ wegen intraartikulären distalen Humerusfraktu-
Operation, eine ungenügende Darstellung des Nervs oder ren behandelt wurden und bei denen der N. ulnaris nach
durch postoperative Immobilisation. Alle diese Faktoren ventral verlagert wurde, über eine postoperative Neura-
können zu einer Narbenbildung und Fibrose um den Nerv praxie des N. ulnaris (36). Wichtige Faktoren zur Vermei-
und damit zu Funktionsstörungen führen. Zum Zeitpunkt dung von Funktionsstörungen des Nervs sind zum einen
der Osteosynthese muss die Entscheidung getroffen wer- das sorgsame und schonende Präparieren des Nervs, um
den den Nerv zu verlagern. Die routinemäßige Verlage- eine Narbenbildung und Fibrose zu vermeiden zum an-
rung nach ventral in das Subkutangewebe wurde emp- deren, dass, falls der N. ulnaris nach ventral verlagert
fohlen, um das Risiko von Kompressionssyndromen des wird, darauf geachtet wird ihn proximal und distal so
N. ulnaris zu reduzieren (8, 36). Wang et al. verlagerten weit zu mobilisieren, dass eine spannungsfreie Verlage-
den Nerv bei 20 Patienten nach ventral und konnten bei rung möglich ist. Auch das Erreichen einer stabilen Os-
keinem der Patienten Komplikationen, die mit dem N. teosynthese mit der eine frühe funktionelle physiothera-
ulnaris verbunden waren, feststellen (8). Gleichermaßen peutische Behandlung möglich ist, scheint Kompressions-
berichten Gupta et al. nur bei einem von 55 Patienten, die syndrome des N. ulnaris vermeiden zu helfen.
328 13 Frakturen des distalen Humerus

Sollte sich ein Patient mit einem Kompressionssyn- letzungen des Rückenmarks oder bei Brandverletzten er-
drom des N. ulnaris vorstellen, wird über gute Ergebnisse höht zu sein. Allerdings scheint bei Patienten mit Hoch-
nach Neurolyse berichtet. McKee et al. berichten über die rasanzunfall die große Energie, die zum Zeitpunkt des
Ergebnisse von 20 Patienten, die nach posttraumatischen Unfalls eingewirkt hat, einen großen Einfluss auf die Nar-
Kompressionssyndromen des N. ulnaris zum Zeitpunkt benbildung und Fibrosierung zu haben. Bei polytrauma-
der initialen Osteosynthese eine Neurolyse des Nervs er- tisierten Patienten liegen weitere Faktoren vor, die eine
hielten. Bei einem Patienten war das postoperative Ergeb- heterotope Ossifikation begünstigen. Hierzu zählen ins-
nis sehr gut, bei 17 Patienten gut und bei weiteren 2 besondere die Schwierigkeiten mit einer frühzeitigen
Patienten schlecht (37). Die schlechten Ergebnisse dieser Mobilisation, da die Patienten oft lange intensivmedizi-
Serie wurden bei Patienten beobachtet, bei denen es zu nisch behandelt werden müssen und für längere Zeit
einem Osteosyntheseversagen der distalen Humerusfrak- beatmet und sediert sein können.
tur gekommen war. Das Problem heterotoper Ossifikationen könnte unter
Umständen mit einer initialen Prophylaxe gelöst werden.
Eingeschränkter Bewegungsumfang des Diese Prophylaxe wurde schon im Kapitel über den Ope-
rationszeitpunkt diskutiert. Das große Dilemma ist, wann
Ellbogengelenks
und wie eine Prophylaxe heterotoper Ossifikationen
Der Schlüssel zum Erzielen eines funktionellen Bewe- durchgeführt werden sollte. Da die Komplikation einer
gungsumfangs nach einem chirurgischen Eingriff ist der heterotopen Ossifikation generell selten ist, wird eine
frühe Beginn der Mobilisation des Gelenks in Kombinati- routinemäßige Prophylaxe bei Patienten, bei den keine
on mit einer physio- oder ergotherapeutischen Behand- Risikofaktoren vorliegen, nicht empfohlen. Eine niedrig
lung. Das Ellbogengelenk ist besonders anfällig für Ein- dosierte Radiatio ist eine effektive Form der Prophylaxe
steifungen bei zu langer Immobilisation. Noch anfälliger (27).
wird das Gelenk nach schwereren Verletzungen oder aus- Eine chirurgische Resektion der heterotopen Ossifika-
gedehnten chirurgischen Eingriffen. Aus diesem Grund ist tionen sollte erwogen werden, wenn der Bewegungs-
es von entscheidender Bedeutung, dass die Osteosynthe- umfang des Ellbogengelenks deutlich eingeschränkt ist.
se so stabil ausfällt, dass eine frühe Mobilisation des Ge- Die Resektion der heterotopen Ossifikationen sollte 6 – 9
lenks möglich ist. Eine frühzeitige Mobilisation mit akti- Monate nach der Verletzung erfolgen. Der operative Zu-
ven und aktiv-assistierten Übungen in Extension und Fle- gang sollte nach der Lokalisation der heterotopen Ossifi-
xion wird für distale Humerusfrakturen empfohlen. Supi- kation und nach anatomischen Bedingungen des Ell-
nation und Pronation sind in der Regel nach distalen Hu- bogens gewählt werden. Die Revision sollte neben der
merusfrakturen nicht eingeschränkt, insbesondere dann Exzision des Knochens auch die Darstellung der Kapsel,
nicht, wenn mit einer frühzeitigen Mobilisation des Ge- der Sehnen und der Weichteile beinhalten, um eine bes-
lenks begonnen wird. sere Beweglichkeit zu ermöglichen und die Stabilität zu
Unabhängig von einer geeigneten bzw. gelungenen Os- erhalten. Nach Exzision des Knochens sollte der Patient
teosynthese entwickeln manche Patienten postoperativ an einem Rehabilitationsprogramm teilnehmen. Eine
eine Gelenksteife oder deutliche Bewegungseinschrän- postoperative Prophylaxe mit Indometacin oder einer
kung des Ellbogengelenks und können dadurch nicht niedrig dosierten Radiatio sollte erwogen werden.
ihren Alltagstätigkeiten nachkommen. Patienten mit aus-
geprägten Kontrakturen des Ellbogens können chirur- Beschwerden nach Osteotomie des
gisch behandelt werden. Um die Beweglichkeit des Ell-
Olekranons
bogengelenks zu verbessern, sollten die Implantate ent-
13 fernt und die ventrale und dorsale Kapsel von Vernarbun- Die Osteotomie des Olekranons ermöglicht eine aus-
gen befreit werden. Häufig muss der N. ulnaris verlagert gezeichnete Darstellung der Gelenkfläche des distalen
werden, da perineurale Vernarbungen und Fibrosen vor- Humerus. Allerdings wurden viele hiermit verbundene
liegen. Auch heterotope Ossifikationen können zu einer Komplikationen beobachtet. Die Komplikationen reichen
Einsteifung des Ellbogengelenks beitragen. Bei Vorliegen von störendem Metall bis hin zur Pseudarthrose am ehe-
einer solchen Ossifikation sollte diese entfernt werden. maligen Ort der Osteotomie (20). Jupiter et al. berichten,
dass bei 70 % der Patienten, die mit einer Osteosynthese
einer distalen Humerusfraktur behandelt wurden, im
Heterotope Ossifikationen
weiteren Verlauf eine Metallentfernung erfolgen musste.
Heterotope Ossifikationen sind eine anerkannte Kompli- Die meisten Metallentfernungen waren aufgrund von
kation nach distalen Humerusfrakturen und treten bei ca. Problemen im Bereich der Olekranonosteotomie erfor-
4 % aller Patienten auf, wobei die Inzidenz in den unter- derlich (5). Obwohl die Komplikationsrate von Osteoto-
schiedlichen Serien stark schwankt (3 – 49 %; 5, 32). He- mien des Olekranons nach Refixation mit 2 parallelen
terotope Ossifikationen tragen signifikant zu einer Kirschner-Drähten in der Studie von Henley et al. hoch
schlechteren Funktion des Ellbogengelenks bei. Die Inzi- waren (4), konnten Ring et al. eine Heilungsrate von 98 %
denz scheint bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, Ver- nachweisen. Die Osteotomie in der Serie von Ring et al.
Neue Techniken 329

wurde winkelförmig durchgeführt, die Kirschner-Drähte Patienten mit Osteoporose bedeuten könnte. Die kli-
wurden sicher in der ventralen Kortikalis der Ulna ver- nische Bedeutung dieser Ergebnisse ist jedoch nicht ge-
ankert und ein Draht als achtförmige Zuggurtung ange- klärt.
legt (20). Alternativ kann statt der parallelen Kirschner-
Drähte eine Zugschraube verwendet werden, die in den
Ulnaschaft geschraubt wird und um deren Kopf der Draht Merke
der Zuggurtungsosteosynthese gelegt wird. Vorteile die- ■ Frakturen des distalen Humerus treten vermehrt bei 2
ser Technik sind, dass der Schraubenkanal vor der Osteo- Patientenkollektiven auf. Bei jüngeren Patienten entste-
tomie angelegt wird und dass über die Zugschraube eine hen sie im Rahmen von Rasanzunfällen. Bei älteren Pa-
Kompression auf den Osteotomiespalt ausgeübt werden tienten, bei den häufig eine Osteoporose vorliegt, ent-
kann. stehen diese Verletzungen durch Bagatellunfälle.
Hervorstehendes, schmerzhaftes Metall ist die Haupt- ■ Der Trend bei der Behandlung distaler Humerusfraktu-
komplikation nach einer Osteotomie des Olekranons. ren geht zur operativen Therapie.
Eine einfache Metallentfernung des störenden Metalls ■ Die operative Behandlung führt bei bis zu 75 % der Pa-
ist oft die einfachste Lösung. Komplikationen bei der Hei- tienten zu guten oder sehr guten Resultaten.
lung im Bereich der Osteotomie sind selten. Bei verzöger- ■ Postoperative Ziele sind die frühe Mobilisation des Ell-
ter Heilung ist ein abwartendes Verhalten oft ausrei- bogengelenks und der Erhalt der Funktion.
chend. In seltenen Fällen wie symptomatischer Pseudar- ■ Die Rate an Pseudarthrosen (2 %) und Infektionen
throse oder Osteosyntheseversagen muss eine Revision (0 – 6 %) ist niedrig.
zur Refixation durchgeführt werden. ■ Eine Stabilisierung beider Säulen des distalen Humerus
wird empfohlen. Um die Gelenkfläche besser einsehen
zu können, kann eine Osteotomie des Olekranons hilf-
reich sein.
Neue Techniken ■ Ein Versagen der Osteosynthese ist meist Folge tech-
Über den gleichen dorsalen Zugang können verschiedene nischer Fehler und einer inadäquat durchgeführten Os-
Techniken genutzt werden, um die Gelenkfläche des dis- teosynthese.
■ Die Dysfunktion des N. ulnaris ist eine häufige Kompli-
talen Humerus vollständig einsehen zu können. Die
kation der distalen Humerusfraktur. Eine Lähmung wird
grundlegenden Techniken sind die Osteotomie des Ole-
in 7 – 15 % der Fälle beobachtet.
kranons, die Spaltung des M. triceps brachii und der
■ Die Transposition des N. ulnaris ist strittig. Der Faktor,
TRAP-Zugang. Archdeacon beschrieb eine Kombination
der intraoperativ am meisten beachtet werden sollte,
aus Osteotomie des Olekranons mit einer dorsalen Spal-
ist ein vorsichtiges Präparieren und ein sorgsamer Um-
tung des M. triceps brachii für komplexe Frakturen des
gang mit dem Nerv, um postoperative Narbenbildung
distalen Humerus (38). Diese Technik wurde in seiner
und Fibrose zu vermeiden. Sollte eine Transposition er-
Studie bei 2 Patienten genutzt, bei denen großflächige
folgen, muss der Nerv proximal und distal so weit be-
Trümmerzonen im Bereich des distalen Humerus vor-
freit werden, dass eine spannungsfreie Verlagerung
lagen und bei denen sich die Fraktur nach proximal bis
möglich ist.
auf Höhe der Mitte des Humerusschafts erstreckte. Durch ■ Heterotope Ossifikationen werden bei ca. 4 % aller Pa-
die Kombination beider Techniken konnten sowohl die tienten beobachtet. Der Bereich schwankt jedoch zwi-
distale Gelenkfläche des Humerus als auch der Humerus- schen 3 und 49 %. Das Auftreten dieser Komplikation
schaft komplett dargestellt werden, um eine stabile Os- scheint bei Patienten mit Verbrennungen, Schädel-Hirn-
teosynthese zu ermöglichen. Zurzeit liegen keine Studien Trauma oder Verletzungen des Rückenmarks vermehrt
vor, die kombinierte Zugänge vergleichen oder über Er- zu sein. 13
gebnisse mit dieser Therapieform berichten. ■ Probleme mit den Implantaten oder Pseudarthrosen
Seit einiger Zeit werden winkelstabile Implantate, die können nach Osteotomie des Olekranons auftreten.
zum Teil anatomisch vorgeformt sind, zur Fixation dis- Eine winkelförmige Osteotomie und sichere Refixation
taler Humerusfrakturen verwendet. Es gibt Hinweise, mittels Zuggurtungsosteosynthese (Zugschraube und
dass diese Implantate grundsätzlich die Stabilität der Os- Cerclage oder Kirschner-Drähte und Cerclage) kann hel-
teosynthese bei osteoporotischem Knochen verbessern fen die osteotomiebedingte Morbidität zu reduzieren.
(39). Allerdings zeigte sich in einer experimentellen Stu- ■ Ein endoprothetischer Gelenkersatz des Ellbogenge-
die zu distalen Humerusfrakturen, dass die Anordnung lenks kann für Patienten, die älter als 65 Jahre sind
mit der die Platten am Humerus fixiert werden (dorsal und bei denen ausgedehnte Trümmerzonen im Bereich
versus 90° versetzt) wichtiger ist, als der Typ des Implan- des Gelenks vorliegen, erwogen werden. Es empfiehlt
tats (Rekonstruktionsplatte versus Locking Compression sich teilgekoppelte Prothesen zu verwenden.
Plate; 25). Die Autoren dieser Studie bemerkten, dass sich
die Verbindung zwischen Knochen und Implantat bei LC-
Platten weniger unter biomechanischer Testung lockerte,
und dass dies eine Verbesserung der Verankerung bei
330 13 Frakturen des distalen Humerus

Inhalt der DVDs

Video 13-1 (DVD 2) Totaler Gelenkersatz des Ellbogens. Video 13-2 (DVD 2) Osteosynthese des distalen Humerus
(ORIF).

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13
332 14 Ellbogentrauma

14 Ellbogentrauma
D. Ring, N. Harness
Übersetzer: B. Bücking

Die operative Behandlung von Ellbogenverletzungen und getrennt (Abb. 14.1). Die Incisura trochlearis schützt die
traumatischer Ellbogeninstabilität Erwachsener hat sich Ulna vor anterior–posteriorer Translation gegenüber dem
in den letzten Jahren rapide weiterentwickelt. Durch ein Humerus und bietet außerdem Varus-, Valgus- und Rota-
besseres Verständnis der Probleme bei der Versorgung tionsstabilität im Ellbogen. Aufgrund der knöchernen Ar-
von Ellbogenverletzungen konnten viele sinnvolle Kon- chitektur ist die Stabilität im Ellbogen in Flexion am
zepte und Versorgungstechniken etabliert werden (1). größten und wird in Extension kleiner. Es konnte gezeigt
Im Fokus steht dabei mehr die laterale als die mediale werden, dass die Stabilität, welche das Ulnohumeralge-
Kollateralbandinstabilität in Verbindung mit dem Proces- lenk bietet, stufenweise abnimmt, wenn die proximale
sus coronoideus. Die meisten einfachen Ellbogenluxatio- Ulna schrittweise reseziert wird (4). Der M. triceps setzt
nen (2) und isolierten Radiusköpfchenfrakturen (3) kön- an der dorsalen Oberfläche des Olekranons an und strahlt
nen gut konservativ behandelt werden. Die meisten üb- in das Periost und die Vorderarmfaszie ein.
rigen Verletzungen des proximalen Radius und der pro- Die Incisura trochlearis wird ventral vom Processus co-
ximalen Ulna profitieren jedoch von einer operativen Be- ronoideus begrenzt. Er dient als Ansatzpunkt der vor-
handlung. Dabei ist jeder einzelne spezielle komplexe deren Gelenkkapsel und des vorderen Anteils des media-
Verletzungstyp nicht sehr häufig. Der Chirurg muss mit len Kollateralbands, welches am Tuberkulum an der an-
der physiologischen und pathologischen Anatomie des teromedialen Basis des Processus coronoideus ansetzt
Ellbogens ebenso vertraut sein, wie mit einer Vielzahl (Abb. 14.1; 5). Der M. brachialis erstreckt sich etwas distal
von Versorgungsmethoden. des Processus coronoideus bis zur Vorderfläche der Ulna.
Das mediale Kollateralband besteht aus einem vorderen,
hinteren und quer verlaufenden Band. Das vordere Band
Anatomie ist eine eigenständige Struktur und besonders wichtig für
die Valgusstabilität im Ellbogen (6). Es verläuft vom Mit-
Das Olekranon und der Processus coronoideus der pro- telpunkt der Unterfläche des medialen Epikondylus bis
ximalen Ulna bilden die Incisura trochlearis, die mit der zum Tuberkel des Processus coronoideus. Nach lateral
Trochlea des Humerus artikuliert. Die Incisura trochlearis geht die Gelenkfacette des Koronoids in die etwas breite-
hat eine Olekranon- und eine Koronoidfacette. Beide sind re radiale Inzisur der Ulna über. Die Gelenkfläche des
durch eine quere, nichtartikulierende Kerbe voneinander Radiusköpfchens ist konkav und artikuliert mit dem kon-

Abb. 14.1 Die Incisura trochlearis besitzt ge-


Tuberkulum trennte Olekranon- und Koronoidfacetten. Der
Processus coronoideus
M. brachialis setzt distal des Processus corono-
Tuberositas Gelenkfläche der
ideus an. Der ventrale Teil des medialen Kollate-
ulnaris Trochlea
ralbands setzt an der medialen Koronoidbasis an.

14
Processus
Supinatorkante olecrani
radiale Gelenkfläche
Koronoidfacette

Olekranon-
facette
Insertion des
M. brachialis

Processus coronoideus
Radiusköpfchenfrakturen 333

vexen Capitulum humeri. Der Radiushals ist um etwa 15° ■ undislozierte (Typ I),
gegenüber dem Radiusschaft geneigt. Nahezu 240° des ■ dislozierte partielle Gelenkfrakturen (Typ II),
Umfangs des Radiusköpfchens artikulieren mit der radia- ■ dislozierte Trümmerfrakturen, die den gesamten Radi-
len Notch der proximalen Ulna. Dieser Bereich ist mit uskopf betreffen (Typ III; 3).
hyalinem Knorpel überzogen (7, 8). Häufig frakturiert
das übrige, nicht mit Gelenkknorpel überzogene antero- Johnston führte eine vierte Kategorie ein für Radiusköpf-
laterale Drittel. Das Lig. anulare, das Lig. quadratum und chenfrakturen in Verbindung mit Ellbogenluxationen
die Membrana interossea stabilisieren das proximale Ra- (19). Aus zwei Gründen ist dies nicht nützlich. Zum
dioulnargelenk (9). einen gibt es viele Arten von Verletzungen, die mit einer
Der laterale Kollateralbandkomplex ist der wichtigste Radiusköpfchenfraktur assoziiert sind und die alle von
Stabilisator im Ellbogengelenk (1). Zu testen ist die Stabi- einfachen isolierten Radiusköpfchenfrakturen unterschie-
lität eher bei posterolateraler Rotation als bei Varusstress. den werden müssen. Zum anderen müssen unabhängig
Einige Autoren haben die Wichtigkeit des lateralen Kolla- von der Gesamtverletzung die Eigenschaften der Radius-
teralbands herausgestellt (10), wohingegen andere Auto- köpfchenfraktur beim Management berücksichtigt wer-
ren herausgefunden haben, dass auch das Lig. anulare den und haben zudem entscheidenden Einfluss auf die
und die Faszie der Extensoren ihren Beitrag zur postero- Prognose. In der Mason-Klassifikation werden Radius-
lateralen Rotationsstabilität leisten (11). halsfrakturen nicht berücksichtigt.
Das Weichteil-Handling um den Ellbogen ist glück- Häufig werden Dislokation und Größe der Fragmente
licherweise recht unkompliziert, da die Blutversorgung im Röntgenbild in Verbindung mit der Mason-Klassifika-
mit vielen Kollateralen kein Problem darstellt. Durch tion aufgeführt. Es liegen allerdings keine Daten vor, die
eine direkte posteriore Hautinzision bekommt man mit die radiologischen Kriterien unterstützen. Aufgrund der
Abheben eines breiten Vollhautlappens Übersicht über unterschiedlichen Projektionen und Messtechniken sind
nahezu den gesamten Ellbogen (12). Da die Hautnerven die radiologischen Messwerte außerdem nicht sehr ver-
in dem Lappen belassen werden, können diese dabei lässlich. Management und Prognose von Radiusköpfchen-
nicht geschädigt werden (13). Außerdem sind etwas klei- frakturen werden letztlich von vielen weiteren Verlet-
nere mediale oder laterale Inzisionen oder ggf. auch si- zungsfaktoren beeinflusst, die in der Klassifikation nicht
multane separate mediale und laterale Zugänge ge- berücksichtigt werden. Für Mason-II- und -III-Frakturen
bräuchlich. sind die Anzahl und Größe der Fragmente wichtig. Häufig
sind die Fragmente entweder zu klein, um refixiert zu
werden oder liegen im Weichgewebe verborgen. Nicht
Radiusköpfchenfrakturen selten zeigen sich außerdem Fragmente mit wenig oder
ohne subchondralen Knochen, besonders bei Patienten
Das Management von Radiusköpfchenfrakturen hängt mit Osteoporose. Auch diese Fragmente können nur
entscheidend davon ab, ob es sich um eine isolierte Ver- sehr schwer oder gar nicht reponiert werden. Zudem
letzung oder um den Teil einer komplexen Verletzung kommt es gehäuft zur Impaktierung einzelner Fragmente
handelt, die die Stabilität von Ellbogen oder Unterarm oder des gesamten Radiusköpfchens (Abb. 14.2). Da häu-
einschränkt (14). Isolierte, nichtdislozierte oder gering- fig Hauptteile des Radiusköpfchens impaktiert sind, muss
gradig dislozierte Radiusköpfchenfrakturen können in
der Regel konservativ behandelt werden, ohne dass eine
Funktionseinschränkung im Ellbogengelenk bestehen
bleibt (3, 15). Zum Erhalt der Unterarm- bzw. Ellbogen-
stabilität ist bei komplexeren Verletzungen jedoch eine
operative Versorgung mittels Osteosynthese oder Prothe-
se indiziert (1, 16). Dabei ist die offene Reposition und
Osteosynthese von Radiusköpfchentrümmerfrakturen als
14
deutlich problematischer anzusehen als bei einfachen
Frakturen (14, 17). Durch das hohe Risiko von Osteosyn-
theseversagen, sekundärer Dislokation, Pseudarthrosen
und Einschränkung der Unterarmrotation (14) werden
bei instabilen Frakturen des Unterarms und des Ellbogens
zunehmend Radiusköpfchenprothesen verwendet (18).

Klassifikation
Die gebräuchlichste Klassifikation ist die nach Mason. Sie Abb. 14.2 Radiusköpfchenfrakturen führen häufig zu impak-
wird allerdings häufig falsch wiedergegeben. Nach der tierten und kleinen Fragmenten, die nicht rekonstruiert werden
Mason-Klassifikation werden 3 verschiedene Typen von können.
Radiusköpfchenfrakturen unterschieden:
334 14 Ellbogentrauma

besonders bei zentraler Impaktierung zusätzlich zur in- Das Hauptrisiko der konservativen Therapie ist, falls die
neren Fixation teilweise auf eine Spongiosaplastik zu- Unterarmrotation nicht eingeschränkt sein sollte, eine
rückgegriffen werden. Dies wird häufig erst erkannt, Bewegungseinschränkung des Ellbogengelenks. Eine
wenn die kleineren Fragmente nicht gut zu reponieren kurzfristige Ruhigstellung in einer Schiene oder mittels
sind. Zuletzt kommt es manchmal neben der zentralen einer Schlinge ist gerechtfertigt. Die besten funktionellen
Impaktierung zu einer Ausweitung der Radiuskopfgröße, Ergebnisse nach der Verletzung konnten jedoch durch
die nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Schwie- eine frühfunktionelle Beübung des Ellbogens erzielt wer-
rigkeit besteht im Erkennen und Abgrenzen dieser Frak- den (3, 15). Immobilisation oder unzureichend durch-
turmorphologien. Eine Anzahl von mehr als 3 gelenktra- geführte Bewegungsübungen innerhalb der ersten 2 Wo-
genden Fragmenten (klassifiziert nach Müller et al.; 20) chen können eine dauerhafte Ellbogenbeweglichkeitsein-
führt zu größeren postoperativen Problemen (14). schränkung zur Folge haben. Sekundäre Dislokationen
Radiusköpfchenfrakturen mit Verletzung der Mem- und Pseudarthrosen sind seltene Komplikationen. Sie
brana interossea des Unterarms – die sogenannte Essex- sind häufig asymptomatisch und bleiben zumeist ohne
Lopresti-Läsion – müssen von Radiusköpfchenfrakturen therapeutische Konsequenz (29, 30).
ohne Begleitverletzung unterschieden werden (21). Die
Behandlung von Essex-Lopresti-Läsionen ist bereits an-
Indikation zur operativen Therapie
spruchsvoll, wenn sie direkt diagnostiziert werden. Über-
sehene oder zu spät behandelte Essex-Lopresti-Verlet- Bei Patienten ohne Essex-Lopresti-Läsion und ohne „Ter-
zungen führen jedoch zu schlechten Langzeitergebnissen rible Triad“-Luxationsfraktur des Ellbogens ist die Radi-
(22). usköpfchenexzision ohne Radiusköpfchenersatz eine
Außerdem sind Radiusköpfchenfrakturen Teile von mögliche Therapieoption. Falls die Stabilität des Unter-
Monteggia-Läsionen und häufig Begleitverletzung bei arms gesichert werden muss, haben eine Osteosynthese
posterioren Ellbogenluxationen, die über ⅔ der Ellbogen- oder ein Radiusköpfchenersatz den Vorteil, dass sie den
verletzungen ausmachen (23 – 26). Ellbogen bei schwerer Belastung wie z. B. Wurfbewegung
und harter körperlicher Arbeit stabilisieren und mögli-
cherweise im Humeroulnargelenk eine frühzeitige Ar-
Konservative Behandlung
throse verhindern können (31). Gerade bei älteren Pa-
Isolierte Radiusköpfchenfrakturen mit partieller Gelenk- tienten mit stabilen Ellbogengelenken ist die Exzision
beteiligung (Typ Mason II) heilen im Regelfall gut ohne des Radiusköpfchens nach wie vor eine gebräuchliche
operative Therapie aus, wobei eine Studie dies zuletzt Methode. Nach Exzision müssen der Ellbogen und Unter-
infrage stellte (27). Es liegen bisher keine Daten vor, die arm auf mögliche Instabilitäten getestet werden (32).
den Gebrauch von radiologischen Kriterien (z. B. mehr als So lange es möglich ist, sollte das Radiusköpfchen os-
2 mm Gelenkstufe, Betreffen der Fraktur von mehr als teosynthetisch versorgt werden, da Langzeitergebnisse
30 % der Gelenkoberfläche) zur Entscheidungsfindung zur Radiusköpfchenprothese bisher nicht vorliegen. Der
zwischen operativer und konservativer Therapie unter- Großteil der partiellen Gelenkfrakturen (Mason II) lässt
stützen. Entscheiden ist, ob die Fraktur zu einer Ein- sich osteosynthetisch rekonstruieren. Schwierig ist dabei
schränkung der Unterarmrotation im proximalen Radio- allerdings die Rekonstruktion der häufig vielen Kleinfrag-
ulnargelenk führt. Arthrose im Humeroradialgelenk mente. Bei Frakturen mit vielen Fragmenten, die in Kom-
spielt als Spätkomplikation keine Rolle. Falls die Unter- bination mit einer Essex-Lopresti-Läsion oder einer „Ter-
suchung initial schmerzbedingt nicht möglich ist, sollte rible Triad“-Läsion vorliegen, sollte die Implantation
eine Kontrolle der Unterarmrotation einige Wochen spä- einer Radiusköpfchenprothese erwogen werden. Sollte
ter oder eine Infiltration des Gelenks erfolgen, um eine es nämlich zu einem frühen Osteosyntheseversagen kom-
knöcherne Blockade der Unterarmrotation zu erkennen. men, kann dies zu eingeschränkter Ellbogen- und Unter-
Letztlich kann eine konservative Therapie bei nichteinge- armstabilität mit nachfolgenden Problemen führen.
schränkter Unterarmbeweglichkeit erfolgen. Die Langzeitergebnisse nach Osteosynthese einer voll-
14
Trümmerfrakturen des gesamten Radiusköpfchens sind ständigen Gelenkfraktur (Mason III) sind weniger voraus-
fast immer Teil einer komplexen Ellbogen- oder Unter- sagbar. Schlechte Ergebnisse sind zu erwarten bei mehr
armverletzung (28). Die Therapie von Mason-III-Fraktu- als 3 Fragmenten, fehlenden Fragmenten, nichtrekonstru-
ren des Radiusköpfchens sollte die höchstwahrscheinlich ierbaren Fragmenten oder impaktierten Fragmenten (14).
begleitenden ligamentären Verletzungen oder Frakturen In diesen Fällen wird daher die Exzision mit oder ohne
im Ellbogengelenk berücksichtigen. Aus diesem Grund prothetischen Ersatz bevorzugt. Auch in diesen Fällen
sollten sowohl die konservative Therapie als auch die gilt, dass die alleinige Resektion des Radiusköpfchens
Radiusköpfchenexzision bei Typ-III-Frakturen nur unter nur einigen Patienten zugute kommt, da bei Mason-III-
großer Vorsicht durchgeführt werden. Zusätzlich führen Frakturen häufig komplizierte Begleitverletzungen vorlie-
die Frakturen häufig zu einer Einschränkung der Unter- gen.
armrotation, wenn sie konservativ behandelt werden.
Radiusköpfchenfrakturen 335

Operative Therapie

Anatomie
Aufgrund seiner Lage im M. supinator und seiner Nähe
zum Radiushals ist der N. interosseus posterior (R. pro-
fundus nervi radialis) beim Zugang zum Radiusköpfchen
gefährdet. Durch Unterarmpronation gelangt der Nerv ca.
1 cm anteromedial vom Operationsgebiet weg (33). In
dieser Stellung sind die proximalen 38 mm der Lateral-
seite des Radius sicher zu exponieren (durchschnittliche
Sicherheitszone 52,0 ± 7,8 mm). Durch Supination sinkt
diese sichere Zone auf 22 mm (Durchschnitt 33,4 ±
5,7 mm; 34).

Operationstechnik
Abb. 14.3 Eine Ellbogenluxation hat einen Abriss des lateralen
Exposition Kollateralbands vom Epicondylus lateralis humeri verursacht.
Obwohl Teile des muskulotendinösen Gewebes (wie auf dem
Der Standardzugang zur Versorgung isolierter Radius- Foto) erhalten sind, ist der Ursprung des Kollateralbands fast
köpfchenfrakturen ist das Kocher-Intervall zwischen immer abgerissen.
dem M. anconeus und M. extensor carpi ulnaris. Vorsicht
ist jedoch bei der Inzision der Kapsel hinter dem vor-
deren Anteil des M. anconeus geboten, da hierdurch der Ulna sollte auf das durch die Verletzung bedingte Maß
laterale Kollateralbandkomplex verletzt werden kann, reduziert bleiben, um das Risiko für radioulnare Synosto-
was möglicherweise zu einer chronischen posterolatera- sen zu begrenzen.
len Rotationsinstabilität führen kann (11). Daher sollte Sollte ein distaler Zugang zur Plattenosteosynthese be-
die Kapselinzision schräg, parallel zum Ursprung des nötigt werden, sollte der Unterarm proniert werden, um
Muskelintervalls, geführt werden. Ein weiter anterior ge- den N. interosseus posterior zu schützen. Zum Teil sind
legenes Intervall, welches von Kaplan (35) und Hotchkiss ein stumpfes Auftrennen des M. supinator und die Iden-
(36) beschrieben und bevorzugt wird, beinhaltet die Tei- tifizierung des Nervs notwendig.
lung der Extensoren zwischen dem M. extensor digito-
rum communis und dem M. extensor carpi radialis bre-
Radiusköpfchenexzision
vis. Obwohl durch diesen Zugang der laterale Bandkom-
plex besser geschützt wird, gefährdet er den N. interos- Eine Radiusköpfchenexzision ist unkompliziert. Der Chi-
seus posterior stärker und schränkt die Erreichbarkeit rurg muss lediglich einen sicheren und adäquaten Zu-
von Frakturfragementen ein, die nach posterior in das gang zum Radiusköpfchen herstellen und die Fragmente
Ellbogengelenk disloziert sind. resezieren. Die Resektionskante liegt dabei am Übergang
Bei enger Indikationsstellung ist der Hauptteil der Ra- vom Radiusköpfchen zum Radiushals, um die Möglichkeit
diusköpfchenfrakturen, die operativ behandelt werden, einer späteren Rekonstruktion zu erhalten. Bei einer late-
Teil einer Luxationsfraktur im Ellbogen. In dieser Situati- ralen Bandverletzung sollte das Radiusköpfchen ersetzt
on sind fast immer der laterale Bandkomplex wie auch werden.
einige der Extensorenmuskeln von der lateralen Epikon-
dyle abgelöst (Abb. 14.3). Außerdem gibt es häufig ein
Offene Reduktion und innere Fixation
traumatisch entstandenes Intervall zwischen den Exten-
14
soren, das nach distal aufgeweitet werden kann. Durch Technik und Prognose der operativen Versorgung von
die begleitende Bandverletzung ist es also leicht, eine Radiusköpfchenfrakturen hängt entscheidend vom Frak-
hervorragende Darstellung des Radiusköpfchens zu erhal- turtyp ab. Die meisten isolierten partiellen Gelenkfraktu-
ten, wobei das dazu verwendete Intervall durch die Ver- ren (Mason II) sind nur geringgradig disloziert. Höhergra-
letzung festgelegt wird. dige Dislokationen sind gewöhnlich mit Luxationsfraktu-
Bei dorsalen Ellbogenluxationen liegt zusätzlich häufig ren im Ellbogengelenk assoziiert. Die Frakturzone liegt im
eine Verletzung der posterioren Muskeln vor, die zur Dar- Bereich des Muskelintervalls (Video 14-1, DVD 2). Im Re-
stellung des Radiusköpfchens genutzt werden kann. Dies gelfall ist die Fraktur impaktiert, der periostale Schlauch
gilt besonders, wenn das Olekranonfragment nach pro- jedoch intakt. Solche Fragmente können mithilfe einer
ximal mobilisiert wird, um Zugang zum Processus Spongiosaplastik angehoben und reponiert werden. Da-
coronoideus zu erlangen (Video 14-1, DVD 2). Die Auf- durch bleibt die Stabilität der Fraktur auch aufgrund der
trennung zwischen proximalem Radius und proximaler Spongiosaplastik erhalten. Zunächst erfolgt eine proviso-
336 14 Ellbogentrauma

rische Fixierung mittels 0,9-mm-Kirschner-Drähten und Platten und Schrauben, die auf den mit der proximalen
anschließend die Fixation mittels 2,0-mm-Schrauben. Ulna artikulierenden Teil aufgebracht werden, müssen
Zugschrauben können nur bei dickem Knochen mit zur Verhinderung eines Impingements versenkt werden.
guter subchondraler Knochenqualität gebraucht werden. Es wurde eine sichere Zone bezüglich einer Osteosynthe-
Andernfalls erfolgt die Kompression der Fragmente mit- se am Radiusköpfchen definiert. Anatomische Studien
tels Repositionszange oder manuell mit anschließender konnten eine 110° große sichere Zone auf der lateralen
Schraubenimplantation. Alternativ können auch kopflose Oberfläche des Radiusköpfchens zeigen (7, 8). Zunächst
Schrauben zur Kompression verwendet werden. wird eine horizontale Referenz in Neutralposition des
Partielle Gelenkfrakturen im Rahmen von Luxations- Unterarms markiert. Anschließend werden 2 weitere ho-
frakturen sind häufig vollständig disloziert und besitzen rizontale Markierungen in Pronation und Supination
keinen oder nur einen geringen Weichteilmantel. Sie sind durchgeführt. Die anteriore Grenze der sicheren Zone
ebenfalls häufiger Trümmerfrakturen. Die operative Refi- liegt bei zwei Drittel der Strecke von der neutralen Mar-
xation ist schwierig oder zum Teil sogar unmöglich, da kierung zur Markierung in vollständiger Supination. Die
häufig Fragmente fehlen oder die Fragmente zu klein posteriore Grenze ist auf der Hälfte der Strecke zwischen
zum Refixieren sind. Problematisch sind ebenfalls Frag- neutraler Markierung und der Markierung in vollständi-
mente, die nicht aus subchondralem Knochen bestehen ger Pronation.
oder sehr osteoporotisch sind. Bei gleichzeitigem Vorlie- Bei Einhalten dieser sicheren Zone sollten Platten und
gen von Luxationsfrakturen im Ellbogen oder Unterarm Schrauben nicht anstoßen. In einer anatomischen Studie
ist auch bei partiellen Gelenkfrakturen des Radiusköpf- konnte gezeigt werden, dass 2,0- und 2,7-mm-T-Platten,
chens eine belastbare Stabilisierung wichtig, da das Radi- die in Neutralposition auf der Lateralseite des Radius-
usköpfchen in diesem Fall ein wichtiger Stabilisator im köpfchen eingebracht wurden, kein Impingement an der
Ellbogengelenk ist. Aus diesem Grund wird in diesen Fäl- Incisura radialis der Ulna verursachen (39). Alternativ ist
len die Radiusköpfchenresektion mit nachfolgendem Er- die Region zwischen Processus styloideus radii und Tu-
satz durch eine Prothese einer riskanten Rekonstruktion berculum listeri gut für ein sicheres Positionieren der
einer komplexen Radiusköpfchenfraktur vorgezogen. Bei Schrauben (8).
höchstens 2 Fragmenten mit guter subchondraler Kno- Durch eine Zugschraubentechnik kann eine Kompres-
chenqualität kann eine Reposition und Sicherung mittels sion der Fraktur erzielt und die Stabilität verbessert wer-
Schraubenosteosynthese durchgeführt werden. In vielen den. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Im Fall von
Fällen sind einzelne Fragmente zwischen Radiushals und isolierten Radiusköpfchenfrakturen können eine oder
Radiuskopf impaktiert oder es fehlen Fragmente. In die- mehrere versenkbare Schrauben ohne Kopf verwendet
sen Fällen ist zur Abstützung eine Plattenosteosynthese werden.
indiziert.
Frakturen, die den ganzen Kopf des Radius betreffen
Prothetischer Ersatz
(Mason-III-Frakturen) sind fast immer mit einer Luxati-
onsfraktur des Unterarms oder Ellbogens assoziiert. Bei Der Radiushals wird mit kleinen Bohrern vorbereitet. Ein
einer zusätzlich vorliegenden Ellbogenluxation nach dor- fester Sitz ist nicht notwendig. Die Größe der Prothese
sal wird die Exposition des Radiusköpfchens durch den wird nach den resezierten Frakturfragmenten aus-
abgerissenen lateralen Kollateralbandkomplex an der la- gesucht. Zu große Prothesen können eine schmerzhafte
teralen Ulna erleichtert (s. Abb. 14.3). Falls das laterale Erosion des Kapitulum verursachen und das Alignment
Kollateralband nicht rupturiert ist (z. B. Essex-Lopresti- des Ellbogens stören (Abb. 14.4). Auf der anderen Seite
Läsion oder Radiusköpfchenfraktur mit medialer Kollate- führen zu kleine Prothesen zu einer unzureichenden Sta-
ralbandverletzung), ist es manchmal notwendig das late- bilität im Ellbogengelenk. Da es häufiger vorkommt, dass
rale Kollateralband am Ursprung abzulösen und anschlie- eine zu große Prothese gewählt wird, ist es besser, im
ßend mit einer transossären Naht oder einem Faden- Zweifelsfall einen etwas kleineren Kopf zu wählen. Ori-
anker wieder zu refixieren. Von einigen Operateuren entiert man sich am größten herausgenommenen Radi-
14
wird eine Osteotomie der lateralen Epikondyle mit an- usköpfchenfragment wird ein etwas kleinerer Durchmes-
schließender Knochen-zu-Knochen-Verbindung bevor- ser der Prothese gewählt. In fast allen Fällen wird eine
zugt (37, 38). In vielen Fällen ist es einfacher, die Radius- Standardlänge der Prothese gewählt. Es besteht die Ge-
köpfchenfragmente herauszunehmen, sie extrakorporal fahr die Länge des Kopfes anhand des größten Radius-
zusammenzufügen und anschließend das rekonstruierte köpfchenfragments abzumessen. Die Prothese sitzt aller-
Radiusköpfchen mit einer Platte oder Schrauben am Ra- dings auf dem prominentesten Teil des Radiushalses, ent-
diushals zu befestigen. Zumeist werden 1,5- oder 2,0- sprechend dem kürzesten Teil des Radiusköpfchens. Es
mm-Schrauben verwendet. Als Platten werden Minikon- sollte am Übergang zwischen Radiusköpfchen und Ra-
dylenplatten oder Winkelplatten verwendet. Es kommen diushals, dort wo der Radiushals etwas breiter wird, re-
aber auch winkelstabile Platten zum Einsatz. Bei relevan- seziert werden.
tem Knochenverlust des Radiushalses sollte eine Spon- Die Radiusköpfchenprothese fungiert als Platzhalter.
giosaplastik erwogen werden. Sie muss nicht fest im Radiusschaft sitzen. Es kann argu-
Radiusköpfchenfrakturen 337

■ Nur Frakturen mit weniger als 3 Fragmenten sollten


osteosynthetisch versorgt werden. Es sollten keine
Fragmente fehlen, keine Impaktierung oder Defor-
mität der Fragmente vorliegen und ausreichend sub-
chondrale Knochensubstanz vorhanden sein. Zur
besseren Exposition sollte nicht davor zurück-
gescheut werden, das laterale Kollateralband zu mo-
bilisieren. Es ist zudem manchmal sinnvoll, etwas
Weichteilgewebe zu entfernen und die Frakturfrag-
mente aus dem Situs zu entfernen, um sie besser
zusammensetzen zu können.
■ Hauptfehler beim prothetischen Radiusköpfchen-
ersatz ist, eine zu große Prothese zu wählen. Die
Prothese sollte lieber etwas kleiner gewählt werden.
Das Radiusköpfchen sollte nicht über die laterale
Lippe des Processus coronoideus hinaus gehen. Sie
muss nicht besonders eng im Radiusschaft sitzen.

Neue Techniken
In den letzten Jahren wurden verschiedene neue Platten
und Prothesen entwickelt. So stehen seit einigen Jahren
Abb. 14.4 Beim Radiusköpfchenersatz besteht die Haupt- winkelstabile Implantate zur Verfügung, die helfen sollen
gefahr darin, eine zu lange Prothese zu implantieren. Dadurch die artikulären und metaphysären Fragmente zu stabili-
kommt es zu einer Lücke im lateralen Teil des Humeroulnarge- sieren. Für eine größere Flexibilität wurden Prothesen
lenks und zum Verschleiß des Kapitulums.
mit Gelenk entwickelt.

Ergebnisse
mentiert werden, dass eine etwas zu kleine Prothese und
ein nicht ganz fest sitzender Prothesenschaft zu einer Offene Reposition und innere Fixation
Veränderung der Anatomie gegenüber dem natürlichen
Radiusköpfchen führt. Um dem Rechnung zu tragen, In einer retrospektiven Studie wurde die offene Repositi-
kann eine Radiusköpfchenprothese mit einem beweg- on und innere Fixation mit einer konservativen Behand-
lichen bipolaren Kopf verwendet werden. Für diese bipo- lung bei isolierten Mason-II-Frakturen des Radiusköpf-
lare Prothese muss allerdings der Radiushals bis zum An- chens verglichen. Dabei wurde bei 90 % ein gutes oder
satz des M. biceps entfernt und die Prothese zementiert exzellentes Ergebnis in der operierten Gruppe gegenüber
werden. Sollten dabei allerdings Komplikationen auftre- 44 % guter und exzellenter Ergebnisse der konservativ be-
ten, wird es sehr schwierig dafür eine Lösung zu finden. handelten Gruppe erzielt. Alle Frakturen waren Mason-II-
Frakturen und wurden mit Schraubenosteosynthese ver-
sorgt (27). Dies entspricht nicht den Erfahrungen der Au-
Tipps und Tricks
toren, nach denen ein Großteil der Mason-II-Frakturen
■ Isolierte Radiusköpfchenfrakturen mit partieller Ge- sehr gute Ergebnisse ohne Operation zeigen. Die post-
lenkbeteiligung sind zwar am einfachsten zu refixie- traumatische humeroradiale Arthrose ist bei den Autoren
ren, sind jedoch auch diejenigen, die am wenigsten selten Grund für Probleme oder Beschwerden. King et al.
eine operative Behandlung benötigen. Das laterale verglichen die innere Fixation von Mason-II- und -III-
Kollateralband muss geschont werden, die beste-
14
Frakturen. Dabei zeigte sich bei Mason-II-Frakturen in
hende Stabilität der Fraktur muss bei der Reposition 100 % der Fälle ein gutes oder exzellentes Ergebnis. Dem-
erhalten bleiben und die Schrauben dürfen nicht zu gegenüber waren die Ergebnisse nach Mason-III-Fraktu-
lang gewählt werden. Falls durch die Operation ren nur in 33 % gut oder exzellent. Daraus schlussfolger-
keine Probleme verursacht werden, sind die Ergeb- ten die Autoren, bei Radiusköpfchentrümmerfrakturen
nisse gut. die Radiusköpfchenexzision oder den Radiusköpfchen-
■ Viele partielle Radiusköpfchenfrakturen, die mit ersatz zu empfehlen (17).
einer Luxationsfraktur vergesellschaftet sind, sind Ring et al. fanden exzellente Ergebnisse nach operati-
nicht mehr rekonstruierbar. Zum Erhalt der Stabilität ver Therapie bei isolierter Mason-II-Fraktur, aber unbe-
im Ellbogen und Unterarm sollte der Operateur friedigende Ergebnisse in 4 von 15 Fällen bei Patienten
daher auf einen Radiusköpfchenersatz mit einer Pro- mit Mason-II-Frakturen, die mit einer komplexen Ell-
these vorbereitet sein.
bogenverletzung einhergingen. Bei den Patienten mit
338 14 Ellbogentrauma

Mason-III-Frakturen mit weniger als 3 artikulären Frag- Einfache Ellbogenluxationen


menten gab es 2 Pseudarthrosen (eine davon heilte in-
nerhalb von 2 Jahren nach dem Unfall). Alle hatten jedoch Das Ellbogengelenk weist zwar eine gute Stabilität auf,
eine gute Unterarmumwendbewegung. Auf der anderen Ellbogenluxationen sind jedoch nach Schulterluxationen
Seite hatte nur 1 von 14 Patienten mit Mason-III-Fraktu- die zweithäufigsten Luxationen, was die Anfälligkeit ge-
ren und mehr als 3 artikulären Fragmenten ein befriedi- genüber Verletzungen widerspiegelt (43). Obwohl erst
gendes Ergebnis (3 Osteosyntheseversager, 6 Pseudar- die Ruptur der meisten Kapsel-Band-Strukturen eine Ell-
throsen und 4 Patienten mit eingeschränkter Unterarm- bogenluxation möglich macht (44), kommt es beim Feh-
rotation; 14). len von begleitenden Frakturen bei den meisten Patien-
ten nicht zu einer zweiten Luxation (2, 45). Ellbogenlu-
Prothetischer Ersatz xationen ohne begleitende Verletzungen werden auch als
einfache Ellbogenluxation bezeichnet, während Luxati-
Der Einsatz von Silikonprothesen wurde aufgrund von onsfrakturen komplexe Luxationen darstellen.
Brüchen, Dislokationen, Synovialitiden, Lymphadenitiden
und Gelenkzerstörung wieder verlassen (40). Trotz häufig
Klassifikation
komplexer Gesamtverletzungen zeigten sich nach Im-
plantation von Metallimplantaten in 70 – 82 % gute kurz- Die meisten Ellbogenluxationen und Luxationsfrakturen
und mittelfristige Ergebnisse (18, 41, 42). Langzeitergeb- führend zu einer Verletzung des gesamten Kapsel-Band-
nisse stehen jedoch noch aus. Es gibt einige Bedenken, Apparats des Ellbogengelenks (44, 46 – 48). Ausnahmen
dass das Metall der Gelenkfläche Probleme bereitet. Es bilden Luxationsfrakturen des Olekranons und andere
ist mittlerweile erkannt worden, dass eine zu groß ge- Verletzungen mit Koronoidfrakturen, die annähernd den
wählte Prothese schon frühzeitige Veränderungen am gesamten Processus coronoideus betreffen. Diese Fraktu-
Kapitulum mit Schmerzen, Synovitis und Bewegungsein- ren sind so instabil, dass es zu einer Ellbogenluxation
schränkung verursachen kann. ohne einen größeren Schaden der Weichteile kommen
kann (1, 16, 26, 49).
Die Kapsel-Band-Verletzung bei Ellbogenluxationen
Komplikationen
schreitet von lateral nach medial fort. Dabei kann es zu
Pseudarthrosen können sowohl bei konservativer als einer kompletten Luxation bei noch intaktem medialen
auch bei operativer Therapie entstehen. In den meisten Kollateralband kommen (Abb. 14.5; 44). Auch der Grad
Fällen zeigen sich keine oder nur milde Symptome. Au- der Verletzung der Flexoren und Extensoren ist variabel
ßerdem kommt es teilweise zu Spätheilungen. Intermit- (46, 47, 50, 51).
tierende Schmerzen führen oft zu Revisionseingriffen mit Eine neue Studie zeigt, dass der laterale Kollateral-
Radiusköpfchenexzision. Bewegungseinschränkungen, bandkomplex in über 75 % der Fälle mit Ellbogenluxatio-
die durch eine fehlverheilte Radiusköpfchenfraktur be- nen vom Epicondylus lateralis abreißt (s. Abb. 14.3; 52).
dingt sind, können oft mit Radiusköpfchenresektion be- Nach Erfahrung des Autors an über 60 Luxationsfrakturen
hoben werden. des Ellbogens zeigt sich immer ein Abriss des lateralen
Kollateralbands vom Epicondylus lateralis. Bei vielen Pa-
tienten können kleine Teile des Ligaments oder musku-
Merke lotendinöses Gewebe zu einer Missinterpretation der Si-
■ Isolierte partielle Gelenkfrakturen des Radiusköpfchens tuation durch den Operateur führen (s. Abb. 14.3). In der
können mit sehr guten Ergebnissen konservativ behan- Praxis ist eine Wiederbefestigung des Weichteilschlauchs
delt werden. Wann die Indikation zur Operation zu stel- am lateralen Epikondylus fast immer ausreichend.
len ist, bleibt unklar. Die Beachtung der Luxationsrichtung des Ellbogens hat
■ Trümmerfrakturen des gesamten Radiusköpfchens sind nur begrenzte Bedeutung. Luxationen nach anterior sind
meistens mit Luxationsfrakturen des Unterarms oder selten. Mediale und laterale Luxationen entstehen meis-
14 Ellbogens vergesellschaftet. Die alleinige Resektion des tens nur durch eine inkomplett reponierte posteriore Lu-
Radiusköpfchens sollte nur mit großer Vorsicht durch- xation. Fast alle Luxationen sind posteriore Luxation. Die
geführt werden und wenn sich intraoperativ keine Bedeutung einer Unterscheidung zwischen posterome-
Bandverletzung im Ellbogen oder Unterarm zeigt. dialer und posterolateraler Luxation konnte noch nicht
■ Falls möglich, sollte das Radiusköpfchen erhalten blei- gezeigt werden, obwohl posteromediale Luxationen mit
ben. Das ist allerdings nur bei relativ einfachen Fraktu- einem geringeren medialen Weichteilschaden assoziiert
ren (3 oder weniger Fragmente) möglich, bei denen sein können (43, 44).
eine relativ sichere Fixation durchgeführt werden O’Driscoll et al. haben verschiedene Stadien der Ell-
kann. Anderenfalls sollte ein prothetischer Ersatz durch- bogeninstabilität beschrieben (44):
geführt werden, besonders wenn eine Essex-Lopresti- ■ Stadium I beinhaltet die partielle oder komplette Rup-

Läsion oder eine „Terrible Triad“ vorliegen, bei denen tur des lateralen Kollateralbands, was zu einer leichten
ein radiokapitellarer Kontakt wichtig für das gute Ergeb- posterioren Subluxation des Radiusköpfchens gegen-
nis ist. über dem Kapitulum führen kann.
Einfache Ellbogenluxationen 339

Abb. 14.5
a Der Weichteilschaden, der mit einer Ellbogenluxation assoziiert ist, ver-
läuft von lateral nach medial. Die Struktur, die zuletzt rupturiert, ist der
vordere Anteil des medialen Kollateralbands.
b Es gibt verschiedene Stadien der posterolateralen Rotationsinstabilität,
deren letzte die vollständige Luxation ist. Auch bei vollständiger Luxation
kann das mediale Kollateralband intakt sein.
(O’Driscoll SW, Morrey BF, Korinek S, An KN. Elbow subluxation and dis-
location: a spectrum of instability. Clin Orthop 1992;280:186–197).
Kapselriss

3 med.
ulnares
Kollateral-
1 band
laterales
ulnares
Kollateral-
band
2

Supination

axiale Kompression

Valgus

b 0: reponiert 1: posterolaterale Rotationsinstabilität 2: verhakt/subluxiert 3: disloziert

■ Stadium II beinhaltet eine inkomplette posteriore Lu- vorderen Anteil des medialen Kollateralbands ro-
xation mit Ruptur des lateralen Kollateralbandkomple- tiert.
xes und einer weiteren Verletzung der ossären und – bei Stadium IIIb ist der gesamte mediale Kollateral- 14
ligamentären Strukturen anterior und/oder posterior. bandkomplex verletzt, wodurch es zu einer Varus-,
Die mediale Kante der Ulna hängt dabei möglicherwei- Valgus- und Rotationsinstabilität kommt.
se noch an der Trochlea humeri. Dadurch entsteht im – Stadium-IIIc-Verletzungen sind durch das komplette
seitlichen Röntgenbild der Anschein, dass der Proces- Abreißen der Weichteile vom distalen Humerus sehr
sus coronoideus auf der Trochlea sitzt (44). instabil, sodass sogar eine Luxation bei Immobilisa-
■ Stadium III wird in 3 Untergruppen unterteilt: tion im Cast möglich ist (1).
– Stadium IIIa beinhaltet eine Verletzung aller Weich-
teilstrukturen außer dem vorderen Anteil des me-
dialen Kollateralbands. Der Ellbogen luxiert in eine
posterolaterale Richtung, indem er um den intakten
340 14 Ellbogentrauma

len die Autoren ein operatives Vorgehen, falls das Ell-


Konservative Therapie
bogengelenk vor annähernd totaler Extension luxiert.
Bei einfachen Ellbogenluxationen wird die konservative Die Patienten erhalten u. a. aus analgetischen Gründen
Therapie bevorzugt, während die operative Behandlung für 1 – 2 Wochen eine Oberarmschiene. Diese wird in 90°
den Fällen mit persistierender Instabilität nach Repositi- Flexion bei neutraler Unterarmrotation angelegt, manch-
on und aktiver Bewegung vorbehalten bleibt. Die ge- mal auch in Pronation. Eine Ruhigstellung von mehr als 2
schlossene Reposition kann gewöhnlich in der Notauf- Wochen führt zu stärkeren Schmerzen und Gelenkver-
nahme unter Analgetika bzw. Kurznarkose durchgeführt steifung (2, 45, 50). Bei ausreichender Patienten-Compli-
werden. Bei länger bestehenden Luxationen ist mögli- ance ist eine Ruhigstellung des Ellbogengelenks nach Ell-
cherweise eine Vollnarkose oder Regionalanästhesie vor- bogenluxation nicht notwendig (56).
zuziehen. Bei sehr instabilen Luxationen kann die Repo- Nach 2 Wochen sollte eine Verlaufskontrolle erfolgen.
sition notfallmäßig ohne Anästhesie erfolgen. Anschließend kann mit Bewegungsübungen des Armes
Während der Reposition ist es wichtig, den Ellbogen in ohne stärkere Belastung begonnen werden. Es sollten
Flexion zu halten, um das Risiko für ein Einklemmen des Übungen zur Wiedererlangung der vollen Beweglichkeit
N. medianus und der A. brachialis im Gelenk zu minimie- durchgeführt werden. Einige Patienten weisen radio-
ren. Gewöhnlich wird das Alignment zuerst in der me- logisch noch eine leichte Fehlstellung im Ellbogengelenk
diolateralen Ebene wiederhergestellt. Anschließend wird auf (Abb. 14.6; 47, 57). Nach Vorstellung der Autoren zeigt
das Ellbogengelenk mit direktem Druck über dem Olekra- dies häufig eine Pseudosubluxation, die durch eine
non bei supiniertem Unterarm und unter Längszug repo- schmerzbedingte Relaxation der Muskulatur, wie sie
niert. Sollte kein Assistent zur Durchführung eines Ge- auch an der Schulter beobachtet wird, verursacht wird.
genzugs am Oberarm zur Verfügung stehen, kann es hilf- Daher kann diese Pseudosubluxation mit aktiver Be-
reich sein, die Reposition in Seiten- oder Bauchlage des
Patienten durchzuführen. Anschließend sollten die Land-
marken des Gelenks getastet werden, um das Alignment
zu beurteilen, bevor der Ellbogen geschient wird und
Röntgenbilder angefertigt werden. Der mediale und der
laterale Epikondylus sollten in der Koronarebene mit dem
Olekranon ein gleichschenkliges Dreieck bilden. Falls das
Olekranon dabei weiterhin posterior der Kondylen liegt,
ist das Ellbogengelenk nicht korrekt reponiert.
Nach geschlossener Reposition wird das weitere Vor-
gehen nicht von einer möglichen Varus- und Valgusin-
stabilität beinflusst. Mit Ausnahme einer seltenen Luxa-
tion mit inkompletter medialer Kollateralbandruptur ist
eine Valgusinstabilität zu erwarten. Eine Varusinstabilität
ist schwierig zu erkennen. Aus dem gleichen Grund ist es
nicht notwendig einen Test zur Detektion einer postero- a
lateralen Rotationsinstabilität (sog. Pivot-Shift-Test des
Ellbogens; 10) durchzuführen. Bei angewandter Relaxati-
on des Ellbogens ist in nahezu 100 % der Fälle ein positi-
ves Testergebnis zu erwarten. Zudem hat das Testergeb-
nis keine therapeutische Konsequenz.
Es ist wichtiger zu entscheiden, ob eine Subluxations-
oder sogar Luxationstendenz des Ellbogens bei Ellbogen-
streckung besteht und wann diese auftritt. Sollte der Ell-
14
bogen bereits bei einer verbleibenden Flexion von mehr
als 30° reluxieren, sollte der Test erneut in Pronation des
Unterarms durchgeführt werden. Sollte sich dabei eine
Stabilisierung zeigen, wird von einigen Operateuren emp-
fohlen, eine Schiene, die den Unterarm in Pronationsstel- b
lung hält, anzulegen (54). Von anderen wird die Anlage
einer Bewegungsschiene, die für einige Wochen die Ex- Abb. 14.6
a Eine verbliebene leichte Subluxation nach Luxation oder Lu-
tension über den Punkt beginnender Instabilität hinaus
xationsfraktur ist nicht selten.
verhindert, befürwortet (54). Nach Erfahrung der Autoren
b Die aktive Übungsbehandlung und der Gebrauch des Ell-
können instabile Ellbogengelenke im Cast dislozieren bogens leisten einen Beitrag zur dynamischen Stabilisation
(55), ohne dass der Patient dies bemerkt. Daher empfeh- des Ellbogengelenks und führen häufig zur Zentrierung des
Gelenks.
Einfache Ellbogenluxationen 341

übung behandelt werden. Sollte eine Verbesserung der


Muskelkontraktilität nicht helfen das Gelenkalignment
Operative Technik
wiederherzustellen oder eine begleitende Koronoidfrak-
Weichteilreparatur
tur bestehen, kann eine operative Therapie notwendig
sein. Ältere Patienten mit einfachen aber instabilen Ellbogen-
luxationen, die aus dem Gelenk rotiert sind und daher
relativ stabile mediale Weichteilverhältnisse aufweisen,
Indikation zur operativen Therapie
können gewöhnlich einfach stabilisiert werden, indem
Insgesamt gibt es 2 Typen von Patienten, bei denen es erst das laterale Kollateralband und die Extensormusku-
schwierig oder sogar unmöglich ist, die geschlossene Re- latur an den lateralen Epikondylus refixiert werden
position nach einfacher Ellbogenluxation durchzuführen: (Abb. 14.8). Falls durch die Stabilisierung der lateralen
jüngere Patienten mit Hochrasanztrauma und nachfol- Weichteile keine ausreichende Stabilität hergestellt wer-
gender Luxation (z. B. ein Sturz aus mehreren Stockwer- den kann, kann eine mediale Exposition erfolgen, der N.
ken) und einige ältere Patienten nach einfachen Stürzen. ulnaris subkutan verlagert werden und der mediale Kol-
In beiden Fällen liegen ausgeprägte Abrisse der Muskel- lateralbandkomplex und der M. flexor pronatus am Con-
ursprünge und der Kapsel-Band-Strukturen vor (51). dylus medialis fixiert werden (Abb. 14.8 c, Abb. 14.8 d).
Die Refixation kann mittels Fadenanker oder Bohrlöchern
durch den Knochen erfolgen. Der Ursprung des lateralen
Operative Behandlung
Kollateralbands sollte so nah wie möglich an seinem ana-
Anatomie tomischen Ursprung im Rotationszentrum des Ellbogens
am lateralen Epikondylus angebracht werden. Der Ur-
Bei einigen älteren Patienten werden die Muskelansätze sprung des medialen Kollateralbands sollte an der Unter-
des Humerus medial möglicherweise verschont, da das fläche des medialen Epikondylus fixiert werden. Die An-
Ellbogengelenk durch eine ausgedehnte Ruptur der Mus- sätze der Extensor- und Flexormuskulatur werden eben-
keln und Bänder auf der lateralen Seite aufklappen kann falls an diesen Punkten oder weiter proximal, falls nötig,
(Abb. 14.7). Der Großteil der Patienten mit instabilen Ell- angebracht.
bogenluxationen weist allerdings ausgeprägte Verletzun-
gen der Muskeln, die am distalen Humerus ansetzen, auf.
Kirschner-Draht-Osteosynthese des Gelenks
Bei älteren Patienten mit geringem Anspruch und hohem
anästhesiologischen Risiko kann nach geschlossener Re-
position eine Kirschner-Draht-Fixierung durch das Ell-
bogengelenk ausreichend sein. Dabei werden 2 dicke
Kirschner-Drähte unter Schonung des medialen Gelenk-
bereichs des Ellbogens und des N. ulnaris eingesetzt. Ei-
nige Operateure bevorzugen Schrauben, weil sie stabiler
sind als Kirschner-Drähte. Probleme mit den Kirschner-
Drähten bei dieser Art von Versorgung konnten von den
Autoren jedoch bisher nicht beobachtet werden. Zusätz-
lich zu den Kirschner-Drähten wird noch ein Oberarm-
cast angelegt. Nach 4 Wochen erfolgen die Metallentfer-
nung und die Entfernung des Casts (Abb. 14.9).

Bewegungsfixateur
14
Bei jungen Patienten mit Hochrasanztrauma ist die Re-
konstruktion des medialen und lateralen Kollateralband-
komplexes manchmal insuffizient (51). Daher ist es wich-
tig darauf vorbereitet zu sein, das Gelenk mit Kirschner-
Drähten zu stabilisieren oder einen Bewegungsfixateur
Abb. 14.7 Einige instabile einfache Ellbogenluxationen haben externe anzulegen (Abb. 14.10). Von den Autoren wird
nur einen geringen medialen Weichteilschaden, sodass das Ge- der Bewegungsfixateur vorgezogen, um dem Patienten
lenk dazu neigt, nach medial aufzuklappen. Bewegungen im Ellbogengelenk zu erlauben, da die Im-
mobilisation des Ellbogens das Risiko für heterotrope Os-
sifikationen erhöht. Andererseits hat die Stabilität gegen-
über der Immobilität bei der Behandlung von Ellbogen-
verletzungen Vorrang. Daher kann die Kirschner-Draht-
342 14 Ellbogentrauma

a b

Abb. 14.8
a Laterale Röntgenaufnahme eines Ell-
bogens, der in einer Bewegungsschiene ru-
higgestellt wurde, nachdem der 38-jährige
Patient sich bei einem Sturz aus dem vier-
ten Stock eine Ellbogenluxation zugezogen
hatte.
b Das mediale Kollateralband und ein
Großteil des M. flexor pronatus waren vom
medialen Epikondylus abgerissen.
c Das laterale Kollateralband und die meis-
ten Extensoren waren vom lateralen Epi-
kondylus abgerissen.
d Die medialen und lateralen Weichteile
wurden mit Fadenanker refixiert.

c d

Fixation durchgeführt werden, wenn die Ressourcen und besserung der Beweglichkeit während der späteren Reha-
technischen Fähigkeiten zur Anlage eines Bewegungsfixa- bilitation sein kann. Die meisten anderen Fixateure sind
teurs nicht vorliegen. Die Schwierigkeit beim Gebrauch unilateral, von denen jedoch einige mit zusätzlichen
des Bewegungsfixateurs liegt in der Bestimmung des iso- Transfixationspins gebraucht werden können, falls eine
metrischen Rotationszentrums des Ellbogens. Es wird ein zusätzliche Stabilisierung erwünscht ist. Durch einen la-
provisorischer Kirschner-Draht am distalen Humerus teralen Rahmen werden bei guter Stabilität die Unan-
durch das Rotationszentrum platziert. Der Draht verläuft nehmlichkeiten, die mit einem medialen Rahmen und
14
etwas medial der Trochlea direkt ventrokaudal der me- medialen Pins verbunden sind, vermieden. Unabhängig
dialen Epikondyle bis zur lateralen Epikondyle im Zen- vom genutzten Fixateur müssen die lateralen Humerus-
trum des Kapitulum. Die eigentlichen Pins werden unter pins zur adäquaten Protektion des N. radialis mittels of-
Röntgenkontrolle eingebracht. Der Rahmen wird ge- fener Exposition angebracht werden.
wöhnlich zunächst am Oberarm und dann am Unterarm
angebracht.
Es stehen verschiedene Bewegungsfixateure zur Ver-
fügung. Der Compass Fixateur bietet möglicherweise auf-
grund von posteromedialen und posterolateralen Pins
zusätzliche Stabilität. Er beinhaltet außerdem einen
Schneckenantrieb, der hilfreich bei Bewegungen in der
ersten schmerzhaften postoperativen Phase und zur Ver-
Einfache Ellbogenluxationen 343

a b

Abb. 14.9
a Eine gebrechliche 80-jährige Patientin erlitt eine einfache Ell-
bogenluxation, deren Reposition nicht im Gips gehalten werden
konnte.
b In Sedierung und Lokalanästhesie wurden zwei dicke Kirschner-
Drähte in 90° Flexion durch das Gelenk gebohrt.
c Vier Wochen später erfolgte die Entfernung der Drähte, an-
schließend wurde mit aktiver Beübung begonnen. Das Ellbogen-
gelenk blieb zentriert und die funktionelle Mobilität wurde wieder
erreicht.

Tipps und Tricks


■ Viele Operateure refixieren die Kollateralbänder und die ■ Das Anbringen eines Bewegungsfixateurs ist schwierig.
Flexoren und Extensoren mittels Bohrlöchern. Der Vor- Um die Prozedur zu erleichtern, kann das ulnohumerale
teil liegt in einer größeren Kontaktfläche zwischen dem Gelenk in anatomischer Stellung stehend mit 1 oder 2
Weichgewebe und dem Knochen und einer besseren dicken Kirschner-Drähten fixiert werden, während der
Fixierung bei schlechter Knochenqualität. Nach Auffas- Fixateur angebracht wird. 14
sung der Autoren erleichtern Fadenanker die Reparatur ■ Es werden 2 größere Inzisionen (5 cm) für die lateralen
jedoch, weshalb sie weiter bei den meisten Patienten Oberarmpins gemacht. Beim Vorgehen auf den Knochen
benutzt werden. werden 2 Hohmann-Haken benutzt, um sicherzugehen,
dass der N. radialis geschont wird. Bei bisher über 20
Transfixationen durch die Autoren wurde keine Parese
oder Verletzung des N. radialis gesehen.
344 14 Ellbogentrauma

a b

Abb. 14.10
a Ein 30-jähriger Patient mit persistierender Subluxation 3
Wochen nach Ellbogenluxation durch Hochrasanztrauma.
b Es wurde eine offene Reposition mit Anlage eines Bewe-
gungsfixateurs durchgeführt.
c Es wurde eine korrekte Reposition erreicht. Die Erzielung
einer guten Funktion erforderte die Entfernung der hetero-
topen Ossifikationen in einem zweiten Eingriff.

Merke
Ergebnisse
■ Die Weichteilverletzung bei Ellbogenluxationen schrei-
Ein konservatives Vorgehen bei einfachen Ellbogenluxa- tet von lateral nach medial fort. Dabei kann der Ell-
tionen mit geschlossener Reposition führt zu befriedigen- bogen mit einem intakten vorderen medialen Kollate-
dem Ergebnis bei den meisten Patienten, allerdings ver- ralband luxieren.
bleibt häufig ein Extensionsdefizit von 5 – 15° (57). Der ■ Der Ellbogen sollte innerhalb von 2 – 3 Wochen nach
Schlüssel zur Wiedererlangung der Ellbogenbeweglich- einfacher Ellbogenluxation mobilisiert werden.
keit liegt darin, eine längere Immobilisation zu vermei- ■ Das laterale Kollateralband reißt fast immer von seinem
den. Mehlhoff et al. konnten in ihrer Studie zeigen, dass Ursprung an der lateralen Epikondyle ab.
Patienten, die für länger als 3 Wochen ruhiggestellt wur-
14
den, ein signifikant höheres Risiko für Bewegungsein-
schränkung und Schmerzen hatten (2).
Komplikationen
Ältere Patienten mit einem Niedrigrasanztrauma kom-
men gewöhnlich nach operativer Therapie einer instabi- Gelegentlich münden einfache Ellbogenluxationen in
len Ellbogengelenkluxation gut zurecht, sogar wenn der einer beübungsresistenten Bewegungseinschränkung,
Ellbogen lange immobilisiert wurde. Demgegenüber die einer operativen Therapie bedarf. Dies ist zum Teil
kann bei jüngeren Patienten nach operativer Therapie bedingt durch heterotope Ossifikationen. Zusätzlich wer-
bei einer instabilen Ellbogengelenkluxation nach Hoch- den nach Ellbogenluxation Neuropathien des N. ulnaris,
rasanztrauma eine überdurchschnittliche Bewegungsein- Instabilitäten und Fehlstellungen sowie posttraumatische
schränkung erwartet werden. Arthrosen beobachtet.
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Ellbogenluxationen mit Fraktur des Radiusköpfchens 345

a b

Abb. 14.11 Dorsale Ellbogenluxation mit Radiusköpfchenfraktur.


a Die einfachste Ellbogenluxationsfraktur ist eine Luxation ausschließlich mit
einer Radiusköpfchenfraktur.
b Bei diesem Patienten erfolgten eine Schraubenosteosynthese des Radiusköpf-
chens und eine Refixation des lateralen Kollateralbands mit einem Fadenanker.
c Es konnte eine korrekte Reposition mit guter Ellbogenbeweglichkeit erreicht
werden.

■ dorsale Luxationsfrakturen des Olekranons (Abb. 14.15;


Luxationsfrakturen des Ellbogens: Video 14-1, DVD 2).
Ellbogenluxationen mit Fraktur des
Radiusköpfchens Jedes einzelne dieser Verletzungsbilder ist mit charakte-
ristischen Verletzungskomponenten und Frakturmorpho-
Für Ellbogenluxationen, die mit einer oder mehreren in- logien assoziiert. Das Wissen darum kann beim Manage-
traartikulären Frakturen assoziiert sind, ist das Risiko für ment dieser Verletzungen hilfreich sein. Verletzungen mit
wiederkehrende oder chronische Instabilität besonders postermedialer Varus- und Rotationsinstabilität und Ole-
hoch (16, 48, 58). Luxationsfrakturen des Ellbogens treten kranonluxationsfrakturen sind keine richtigen Luxatio-
für gewöhnlich nach einem der folgenden rekonstruier- nen, da dabei der Gelenkkontakt nicht verloren geht. Ei-
14
baren Verletzungsmuster auf: gentlich sind es Frakturen mit Subluxationen, bei denen
■ dorsale Luxation mit Radiusköpfchenfraktur das Hauptproblem in einer Zerreißung der Incisura troch-
(Abb. 14.11), learis besteht. Luxationsfrakturen des Olekranons wer-
■ dorsale Luxation mit Frakturen des Radiusköpfchens den zusammen mit Olekranonfrakturen abgehandelt. Lu-
und des Processus coronoideus – die sog. „Terrible Tri- xationsfrakturen, die mit einer kleinen Koronoidfraktur
ad“-Verletzung (Abb. 14.12), assoziiert sind werden zusammen mit Koronoidluxati-
■ posteromediale Varus- und Rotationsinstabilität (Frak- onsfrakturen behandelt.
tur der anteromedialen Koronoidfacette und Abriss
des lateralen Kollateralbands von der lateralen Epikon-
dyle; Abb. 14.13),
■ anteriore Ellbogenluxation (Abb. 14.14),
346 14 Ellbogentrauma

a b

Abb. 14.12 „Terrible Triad“-Verletzung bei Ell-


bogenluxationsfraktur.
a Als „Terrible Triad“-Verletzung wird eine Ell-
bogenluxation mit Radiusköpfchenfraktur und
Fraktur des Processus coronoideus (das dreieckige
Fragment vor der Trochlea) bezeichnet.
b Die 3D-Rekonstruktion des CT zeigt eine schma-
le, quer verlaufende Koronoidfraktur und eine
komplexe partielle Radiusköpfchenfraktur.
c Die Radiusköpfchenfraktur war komplex und
konnte nicht rekonstruiert werden.
d Eine Radiusköpfchenprothese, eine Schrauben-
osteosynthese des Koronoids und eine Rekonstruk-
tion des lateralen Kollateralbands hielten den Ell-
bogen in Repositionsstellung.

c d

Konservative Behandlung
Bei nicht vorhandener Koronoidfraktur konnte nach Ra-
Ellbogenluxationen mit Radiusköpfchenfrakturen alleine diusköpfchenresektion oder unter Belassen des Radius-
können konservativ behandelt werden. Doch schon die köpfchens mit anschließender Ruhigstellung im Cast für
Fraktur eines kleinen Koronoidfragments erhöht die Ge- 4 Wochen eine gute Stabilität und Beweglichkeit erreicht
fahren, die mit konservativer Therapie verbunden sind, werden. Einige Patienten, die diese Art von Verletzungen
erheblich. Wenn Zweifel über eine mögliche Koronoid- hatten und entweder nicht operiert werden wollten oder
fraktur bestehen, sollte eine Computertomografie ange- keine Radiusköpfchenprothese erhalten wollten (bei
fertigt werden. Sowohl Broberg u. Murrey (59) als auch nichtrekonstruierbarem Radiusköpfchen) wurden auf
14
Joseffson et al. (48) behandelten Luxationsfrakturen des diese Art und Weise behandelt. Den Patienten wurde al-
Ellbogens entweder konservativ oder mit Radiusköpf- lerdings eine rasche aktive Mobilisation des Ellbogens
chenresektion und Ruhigstellung im Cast mit recht und Unterarms empfohlen, falls dieses schmerzbedingt
guten Ergebnissen – unter zwei Vorbehalten: möglich war. Mit hoher Compliance der Patienten konn-
■ Eine begleitende Koronoidfraktur führte zu Problemen, ten beeindruckend gute funktionelle Ergebnisse erreicht
die Reposition des Ellbogengelenks zu halten. werden (Abb. 14.16).
■ Die Fraktur des Radiusköpfchens war entscheidend für

das Langzeitergebnis, wobei viele Radiusköpfchen spä-


ter reseziert werden mussten, um die Unterarmrotati-
onsfähigkeit zu erhöhen (59).
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Ellbogenluxationen mit Fraktur des Radiusköpfchens 347

a b c

d e f

Abb. 14.13 Verletzung mit posteromedialer Varusinstabilität.a Diese


Art von Verletzung ist mit einer Fraktur der anteromedialen Facette
des distalen Humerus assoziiert. Zu beachten ist das laterale Aufklap-
pen des Humeroradialgelenks.
b Auf der seitlichen Röntgenaufnahme erscheint die Koronoidfraktur
wie eine kleine Fraktur der Koronoidspitze.
c Die 3D-Rekonstruktion zeigt die Außenrotation des Humerus in den
Koronoiddefekt.
d Es zeigen sich fast immer abgesprengte Fragmente der Spitze und
der medialen Facette.
e Die mediale Exposition zwischen den Köpfen des M. flexor carpi
ulnaris (nach Transposition des N. ulnaris) erlaubt die Behandlung und
Fixation der Koronoidfraktur unter Schonung des medialen Kollateral- 14
bands.
f Die Koronoidfraktur wurde mit einer Platte und Schrauben versorgt,
und das laterale Kollateralband mit einem Fadenanker refixiert.
g Es konnte eine korrekte Reposition mit sehr guter Ellbogenbeweg-
g lichkeit erzielt werden.
348 14 Ellbogentrauma

c d

Abb. 14.14 Anteriore (oder durch das Olekranon verlaufende) b Bei diesem Patienten war der Processus coronoideus in sagit-
Olekranonluxationsfraktur des Ellbogens. taler Ebene gespalten, was die Versorgung einfach machte.
a Anteriore Luxationsfrakturen ähneln Monteggia-Frakturen, c Mit einer langen Platte wurde die metaphysäre Trümmerzo-
da eine Dislokation im Humeroradialgelenk vorzuliegen ne überbrückt und die Ansatzstelle des M. triceps brachii mit
scheint. Es liegt jedoch eine humeroulnare Verletzung mit nur einer Zuggurtung gefasst.
geringer Beteiligung des Humeroradialgelenks vor. d Nach 6 Monaten hatte der Patient eine geheilte Fraktur, ein
zentriertes Ellbogengelenk und eine gute Beweglichkeit im Ell-
bogen.

nen“ beschrieben, rekonstruiert. Eine Rekonstruktion des


Indikation zur operativen Behandlung
medialen Kollateralbands ist nur sehr selten notwendig.
Die Autoren bevorzugen die operative Behandlung von
Ellbogenfrakturen, welche mit Radiusköpfchenfrakturen
Tipps und Tricks
assoziiert sind, um eine sofortige Mobilisation zu ermög-
lichen und dadurch eine Versteifung im Ellbogengelenk ■ Das laterale Kollateralband ist bei jedem Patienten
einzuschränken, die Langzeitergebnisse der Radiusköpf- verletzt. Daher wird die Exposition des Radiusköpf-
chenfrakturen zu verbessern und die Funktion im Ell- chens stark vereinfacht.
14
bogengelenk zu optimieren.
Ergebnisse
Operative Therapie
Joseffson et al. berichteten von erhaltener Stabilität,
Operationstechnik einem durchschnittlichen Extensionsdefizit von 20° und
Arthrosezeichen bei fast allen Patienten 14 Jahre nach
Es kann entweder ein lateraler oder ein direkt posterior stattgehabten Ellbogentrauma. Die Arthrose war bei Pa-
geführter Hautschnitt erfolgen. Der Zugang zum Radius- tienten mit Radiusköpfchenexzision etwas stärker (47).
köpfchen erfolgt wie bereits im Abschnitt „Radiusköpf- Sanchez-Sotilo et al. sind auch der Meinung, dass das
chenfrakturen“ beschrieben. Das laterale Kollateralband Fehlen des Radiusköpfchens das Risiko für eine posttrau-
wird, wie bereits im Abschnitt „Einfache Ellbogenluxatio- matische Arthrose nach Ellbogenluxationsfrakturen erhö-
hen kann (31).
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Koronoidluxationsfraktur 349

Broberg u. Murrey erhielten gute bis exzellente Ergeb- In der ersten Gruppe der Koronoidfrakturen verläuft
nisse bei 18 von 24 Patienten mit einem durchschnitt- die Fraktur durch die Koronoidspitze, allerdings nicht
lichen Follow-up-Zeitraum von 10 Jahren, ohne dass bis medial des großen Tuberkulum oder bis in den Korpus
eine Instabilität auftrat. Schlechte Ergebnisse waren zum des Koronoids. Bei Spitzenfrakturen vom Subtyp I sind
einen mit einer Ruhigstellung von über 4 Wochen oder weniger als 2 mm des Processus coronoideus betroffen.
einer konservativen Therapie einer Radiusköpfchentrüm- Sie werden häufig bei Ellbogenluxationen oder auch als
merfraktur (mit sekundärer Radiusköpfchenexzision) as- isolierte Verletzung gefunden. Spitzenfrakturen vom Sub-
soziiert. Der Nachteil dieser und anderer Studien ist das typ II beinhalten mehr als 2 mm des Processus corono-
Fehlen einer Unterscheidung von Verletzungen mit und ideus und sind im hohen Maße mit Terrible-Triad-Verlet-
ohne begleitende Koronoidfraktur (59, 60). zungen vergesellschaftet.
Frakturen des anteromedialen Aspekts des Processus co-
ronoideus werden in Gruppe 2 zusammengefasst. Subtyp-
Luxationsfrakturen des Ellbogens: I-Frakturen reichen von der Medialseite der Spitze des Pro-
Koronoidluxationsfraktur cessus coronoideus bis zur vorderen Hälfte des großen Tu-
berkulum (Ansatzstelle des vorderen Bandes des medialen
Aktuelle Beschreibungen über Ellbogeninstabilität beto- Kollateralbandkomplexes). Subtyp-II-Frakturen der ante-
nen die Bedeutung des Processus coronoideus (1, 16, romedialen Frakturen haben die gleiche Morphologie, rei-
55). Die Verletzungen, die den Operateuren die meisten chen jedoch bis in die Spitze des Processus coracoideus.
Probleme bereiten, sind die Terrible Triad, posteromedia- Beim dritten Subtyp dieser Gruppe reicht die Fraktur von
le Varusinstabilitäten und Olekranonluxationsfrakturen der anteromedialen Kante über das gesamte große Tuber-
mit begleitender Koronoidfraktur (1). In allen Fällen ist kulum mit oder ohne Beteiligung der Koronoidspitze. Der
die Fraktur des Processus coronoideus der wichtige und Verletzungsmechanismus ist gewöhnlich eine Varusverlet-
herausfordernde Teil der Verletzung. Die Klassifikation zung oder posteromediale Rotationsverletzung mit axialer
der Koronoidverletzungen von Regan u. Murrey basiert Kompression. Dabei ist der laterale Kollateralbandkomplex
auf der Größe des Koronoidfragments (61). Mittlerweile immer gerissen, es sei denn, das Olekranon ist ebenfalls
ist allerdings klar geworden, dass die Gesamtverletzung frakturiert. Gerade bei Subtyp-III-Verletzungen sind zu-
und Morphologie der Fraktur mindestens genauso wich- sätzlich Radiusköpfchenfrakturen häufig. Durch antero-
tig ist. Daher werden die Luxationsfrakturen des Ell- mediale Koronoidfrakturen wird eine Inkongruenz im ul-
bogens mit den Frakturen des Processus coronoideus nohumeralen Gelenk erzeugt, die zu einer früheren post-
der Ulna abgehandelt. Verletzungen mit kleinen Koro- traumatischen Arthrose führen kann. Frakturen der Koro-
noidfrakturen werden als Koronoidluxationsfrakturen noidbasis werden in der dritten Kategorie zusammenge-
bezeichnet. Verletzungen, die mit einer großen Koronoid- fasst. Dabei sind 50 % oder mehr des Processus coronoideus
fraktur assoziiert sind, sind häufig Teil von Olekranonlu- frakturiert. Bei Subtyp-I-Frakturen ist nur der Processus
xationsfrakturen. coronoideus betroffen, während bei Subtyp-II-Frakturen
zusätzlich Olekranonfrakturen vorliegen (Video 14-2,
DVD 2). Insgesamt ist bei diesen Frakturen der Weichteil-
Klassifikation
schaden geringer als bei den Koronoidspitzenfrakturen.
Die Klassifikation von Regan u. Murrey basiert auf der Die Autoren und andere haben folgende Beobachtungen
Größe des Koronoidfragmentes: Typ I bedeutet ein Abriss gemacht, die hilfreich bei der Behandlung sein können:
der Spitze des Processus coronoideus, Typ II ist eine ein- ■ Terrible-Triad-Verletzungen haben fast immer eine
fache oder Trümmerfraktur, die 50 % oder weniger des kleine quer verlaufende Fraktur der Koronoidspitze,
Processus coronoideus umfasst, Typ III ist eine einfache die den Ansatz der vorderen Kapsel involviert. Selten
oder Trümmerfraktur, die über 50 % des Processus coro- ist die Koronoidfraktur auch viel größer oder umfasst
noideus umfasst (61). Zudem gibt es noch eine Modifika- die anteromediale Facette des Koronoids.
tion, die zwischen einer Fraktur mit gleichzeitiger Ell- ■ Verletzungen mit posteromedialer Varusrotationsinsta-
14
bogenluxation (Typ B) und ohne Luxation (Typ A) unter- bilität sind definiert durch Frakturen der anteromedia-
scheidet. len Koronoidfacette. Dabei sind häufig die Spitze des
O’Driscoll et al. stellten ein neues Klassifikationssystem Processus coronoideus und der Ansatzpunkt des vor-
für Koronoidfrakturen auf, welches auf der Lokalisation deren Bandes des medialen Kollateralbandkomplexes
der Fraktur basiert. Koronoidfrakturen können die Spitze, frakturiert.
die anteromediale oder die basale Facette des Koronoids ■ Bei Olekranonluxationsfrakturen kann die Koronoid-

umfassen. Die oben genannten 3 Gruppen werden weiter fraktur aus einem größeren Fragment bestehen. Der
unterteilt in Untergruppen, die die Stärke der Koronoid- Processus coronoideus kann aber auch in 2 oder 3
beteiligung berücksichtigen. Zudem werden in O’Driscolls große Stücke zerbrechen (anteromediale Facette, zen-
System der Verletzungsmechanismus, die assoziierten trale Facette und seltener ein Stück der Incisura troch-
Frakturen und Weichteilschäden berücksichtigt, um learis. Zusätzlich können ein Fragment der Koronoid-
damit Hilfestellung zur Behandlung zu leisten spitze oder eine Trümmerfraktur vorliegen.
(Abb. 14.17; 1).
350 14 Ellbogentrauma

c d

e f

Abb. 14.15 Dorsale Olekranonluxationsfraktur des Ellbogens. d Analog zu einer Olekranonosteotomie kann das frakturierte
14 a Dorsale Olekranonluxationsfrakturen können als Teil dorsaler Olekranon nach proximal mobilisiert werden. Nach Entfernung
Monteggia-Verletzungen betrachtet werden. Es zeigen sich des Frakturhämatoms ist eine Sicht auf das Koronoid und das
eine Deformierung der Ulna nach dorsal, eine dorsale Luxation Radiusköpfchen möglich.
mit Radiusköpfchenfraktur und ein großes Koronoidfragment. e Das Foto zeigt die manuelle Reposition der Koronoidfraktur.
b Die Koronoidfraktur zeigt eine ausgeprägte Trümmerzone f Durch Wiederherstellung der verletzungsbedingten Defor-
mit 3 großen Gelenkfragmenten inklusive einem Fragment mierung fällt das Radiusköpfchen nach dorsal in die Wunde,
der anteromedialen Koronoidfacette. wo entweder die Fixation oder Resektion durchgeführt werden
c Durch die Hautinzision wird ein Riss der Muskulatur erkenn- kann.
bar.
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Koronoidluxationsfraktur 351

g h

Abb. 14.15 (Fortsetzung).g Es liegen drei große Fragmente h Es wurde von dorsal eine lange gebogene Platte implantiert.
vor: Fragmente der anteromedialen Facette, der Incisura radia- i Die Fraktur verheilte und eine gute Ellbogenbeweglichkeit
lis und ein zentrales Fragment. und -funktion wurden erreicht.
j Separate Schrauben helfen die anteromediale Facette des
Koronoids zu sichern.

14
352 14 Ellbogentrauma

a b

Abb. 14.16 Einige Ellbogenluxationsfrakturen


können konservativ behandelt werden.
a Ein 70-jähriger Patient mit einer Luxation im Ell-
bogengelenk und einer komplexen Radiusköpf-
chenfraktur. Er wollte nicht operiert werden und
hatte eine Woche nach dem Unfall keine Ein-
schränkung der Unterarmrotation.
b Unter Behandlung mit einer Schlinge und aktiven
Bewegungsübungen des Unterarms verheilten die
Bänder des Ellbogengelenks in korrekter Artikula-
tion.
c Er erreichte ein exzellentes funktionelles Ergebnis
ohne Schmerzen zu haben.

anteromedial Spitze
Radius-
Ellbogenluxation mit Frakturen des
köpfchen Processus coronoideus und des
Radiusköpfchens (Terrible Triad)

Konservative Therapie
basal
Terrible-Triad-Luxationsfrakturen neigen dazu instabil zu
Trochlea-
sein. Daher ist die Indikation zur konservativen Therapie
gelenkfläche streng zu stellen. Nach unseren Erfahrungen sind gute
Ergebnisse nur bei guter Compliance der Patienten mög-
lich. Durch Immobilisation im Cast kann die Reposition
14
des ulnohumeralen Gelenks nicht aufrecht erhalten wer-
Abb. 14.17 O’Driscolls Klassifikation der Koronoidfrakturen. den. Bewegung im Ellbogengelenk erhöht die muskuläre
Typ 1: Spitzenfrakturen, die mit Terrible-Triad-Verletzungen as- Komponente zur Stabilisierung und scheint eine wichtige
soziiert sind. Typ 2: Frakturen der anteromedialen Facette, die Komponente der konservativen Therapie darzustellen.
mit Verletzungen mit posteromedialer Varusinstabilität assozi-
iert sind. Typ 3: Basisfrakturen, die mit Olekranonluxationsfrak-
turen assoziiert sind. Indikation zur operativen Therapie
Patienten mit Terrible-Triad-Luxationsfrakturen sollten
operativ behandelt werden.
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Koronoidluxationsfraktur 353

der Nerv bei Flexion disloziert. Der Großteil der Patienten


Operative Therapie mit Terrible-Triad-Verletzungen hat eine kleine Querfrak-
tur des Processus coronoideus, die über den lateralen
Operationstechnik
Zugang versorgt werden kann und zumeist ein kleines
Es kann ein posteriorer oder lateraler Hautschnitt ge- einzelnes Fragment besitzt (Abb. 14.18 c; 1,16). Die verlet-
wählt werden (Abb. 14.18 a). Unterhalb der Haut ist die zungsbedingte Lazeration des Bandes und des Muskels
Faszie möglicherweise erhalten oder es zeigt sich ein wird durch Einschneiden und Ablösen der Muskel-
kleiner Riss im Bereich der Extensoren. Nun wird in ursprünge der Handgelenksextensoren zur Exposition
dem durch das Trauma gebildete Intervall oder im Ko- des Processus coronoideus vergrößert. Das Herausneh-
cher- oder Kaplan-Intervall durch die Muskulatur vor- men der Radiusköpfchenfragmente und das Teilen des
gegangen. Anschließend ist zu erkennen, dass der laterale Lig. anulare und des M. supinator distal ermöglicht eine
Kollateralbandkomplex in unterschiedlichen Teilen der bessere Exposition. Falls notwendig kann der Ellbogen
Extensorenansätze an der lateralen Epikondyle abgeris- zur besseren Exposition subluxiert werden.
sen ist (Abb. 14.18 b). Da der radiokapitellare Kontakt entscheidend für die
Ein großer medialer Hautschnitt ist nur nötig, wenn Ellbogenstabilität bei Terrible-Triad-Verletzungen ist,
der N. ulnaris dargestellt werden muss, das mediale Kol- müssen sogar Mason-II-Frakturen durch einen protheti-
lateralband repariert werden muss oder eine versor- schen Ersatz versorgt werden. Häufig sind es Trümmer-
gungspflichtige Fraktur der anteromedialen Koronoidfa- frakturen mit kleinen bzw. fehlenden Fragmenten oder
cette besteht. Es muss darauf geachtet werden, dass der schlechter Knochenqualität. Die Radiusköpfchenexzision
Hautlappen mit voller Stärke abgelöst wird, um eine Ver- kann die Exposition des Koronoids verbessern.
letzung des N. cutaneus antebrachii medialis zu vermei- Querfrakturen der Koronoidspitze werden mit Fäden
den. Da von den Autoren viele Patienten mit subakuten refixiert, die durch Bohrlöcher in die Ulna geführt wer-
oder chronischen Funktionsstörungen des N. ulnaris nach den. Falls die Fraktur sehr klein ist, verläuft die Naht um
Ellbogentrauma gesehen wurden, wird der Nerv in jedem das Fragment herum und durch seinen Ansatz an der
Fall dargestellt, zumeist ohne Transposition, außer wenn Gelenkkapsel. Für große Querfragmente wird die Naht

a b

Abb. 14.18
a Unter der Haut ist über dem lateralen Epikondylus häufig
eine intakte Faszie erkennbar. 14
b Nach Inzision der Faszie werden der Abriss des Ursprungs
des lateralen Kollateralbands und ein Abriss der Extensoren-
muskulatur unterschiedlichen Ausmaßes erkennbar. Die Ent-
fernung des Radiusköpfchens verbessert den Zugang zum
Koronoid.
c Die Koronoidfraktur wird mit einer transossären Naht gesi-
chert. Zudem werden ein Radiusköpfchenersatz und eine Re-
konstruktion des lateralen Kollateralbands durchgeführt.

c
354 14 Ellbogentrauma

fragmenten. Der Großteil dieser Patienten wurde jedoch


konservativ behandelt (61). Mittlerweile geht man davon
aus, dass kleinere Frakturfragmente mit schwierigeren
Verletzungen einhergehen (z. B. Terrible-Triad-Verletzun-
gen) und somit bei inadäquater Therapie zu einer wie-
derkehrenden Instabilität oder einer frühen posttrauma-
tischen Arthrose führen können (1, 16, 55).
Terrible-Triad-Verletzungen sind bekannt für verschie-
dene Komplikationen. Zuletzt wurde in einer Serie von
11 Patienten mit dorsaler Luxation des Ellbogens und
begleitenden Frakturen des Processus coronoideus, der
Ulna und des Radiusköpfchens berichtet (55). 7 Ellbogen
reluxierten in der Schiene nach geschlossener Reposition,
was die Instabilität dieser Frakturform zeigt. In allen Fäl-
Abb. 14.19 Die Stabilität wird in vollständiger Extension ge-
testet. Sollte eine Tendenz zur Dislokation oder Subluxation len umfasste die Koronoidfraktur weniger als die Hälfte
bestehen, kommen eine Rekonstruktion des medialen Kollate- der Koronoidhöhe. Keiner der Patienten wurde mittels
ralbands oder ein Bewegungsfixateur in Betracht. Fixation des Processus coronoideus behandelt. Das Radi-
usköpfchen wurde in 5 Fällen refixiert und in 4 Fällen
reseziert. Der laterale Kollateralbandkomplex wurde nur
bei 3 Patienten rekonstruiert. 5 der Patienten, darunter
durch Bohrlöcher in die Frakturfragmente und ebenfalls alle 4 Patienten mit Radiusköpfchenresektion, redislozier-
durch die Kapsel geführt. Nähte bieten eine zuverlässige- ten nach der Operation. Die Patienten wurden über min-
re Fixation als Schrauben. Der vordere Pfeiler und der destens 2 Jahre nachuntersucht. Nach dem von Broberg u.
Kapselansatz werden wieder hergestellt, das Alignment Murrey entwickelten Funktionsscore war das Ergebnis
des Gelenks ist jedoch nicht perfekt, was nach Meinung bei 2 Patienten sehr gut, bei 2 Patienten gut, bei 3 Patien-
der Autoren ohne Konsequenz bleibt. Bei größeren Frag- ten zufriedenstellend und bei 1 schlecht. Insgesamt hat-
menten kann zusätzlich zur Nahtfixation auch eine ten 7 der 11 Patienten ein unbefriedigendes Ergebnis.
Schraubenfixation erfolgen, um das Alignment zu verbes- Patienten mit besserem Ergebnis hatten ihr Radiusköpf-
sern. Eine Naht durch den Kapselansatz sollte in jedem chen behalten und/oder erhielten eine Rekonstruktion
Fall erfolgen, da die Schraubenfixation dieser Kleinfrag- des lateralen Kollateralbandkomplexes (55). Die Daten
mente nicht sicher ist. wurden präsentiert und publiziert, um die routinemäßi-
Nach Refixation des Koronoids, Ersatz oder Osteosyn- ge Fixation des Koronoids, des Radiusköpfchens und des
these des Radiusköpfchens und Refixation des lateralen lateralen Kollateralbandkomplexes bei vorliegender Ter-
Kollateralbands und der Extensorenmuskulatur wird der rible-Triad-Verletzung aufgrund der guten Ergebnisse bei
Ellbogen auf Stabilität getestet. Dabei wird mit Unterstüt- den meisten Patienten zu unterstützen.
zung des Humerus der Ellbogen gegen die Schwerkraft in
Extension gebracht (Abb. 14.19). Der Ellbogen sollte dabei
Tipps und Tricks
so stabil sein, dass er bei diesem Manöver nicht disloziert.
Unter weiterer Intensivierung kann es zu einer leichten ■ Es ist schwierig, Bohrlöcher zum Durchtritt der Naht
Subluxation kommen. Sollte der Ellbogen bei unter 30° zur Sicherung des Koronoids von der dorsalen Ober-
Flexion dislozieren oder subluxieren, muss noch eine fläche der Ulna in die Basis des Processus corono-
weitere Stabilisierung erfolgen. Wie bei instabilen Ell- ideus zu bohren. Eine Führungshilfe, ähnlich der Füh-
bogengelenkluxationen beschrieben, können der mediale rungshilfe, die für die Löcher bei arthroskopisch as-
Kollateralbandapparat und der M. flexor pronatus repa- sistiertem Kreuzbandersatz verwendet wird, kann
riert werden, das Ellbogengelenk mit Kirschner-Drähten hilfreich sein, um die Bohrlöcher präziser zu platzie-
14 ren.
temporär ruhiggestellt oder ein Bewegungsfixateur ange-
bracht werden. ■ Ein gerader Fadenführer oder eine Keith-Nadel kann
durch die Bohrlöcher geführt werden, um den
Durchtritt der Naht zu erleichtern. Dabei muss die
Ergebnisse Naht jedoch mit einer kleinen Schlinge in der Tiefe
Der Glaube, dass größere Koronoidfrakturen schlechter der Wunde fixiert werden. Nach Ansicht der Autoren
ausheilen als kleinere Frakturen, basierte auf einer Serie ist es hilfreich, eine 7 oder 10 cm große Fadenschlei-
von Patienten mit isolierten Koronoidfrakturen und sol- fe zu bilden und sie dann in situ zu bringen, wo es
viel einfacher ist den Faden durch die Schlaufe zu
chen, die mit Luxationsfrakturen assoziiert waren, von
führen. Alternativ kann auch ein gerader Fadenfüh-
Regan u. Murrey aus dem Jahr 1990 (61). Sie fanden he-
rer benutzt werden; bisher wurde noch keiner ge-
raus, dass es Patienten mit großen Koronoidfrakturfrag-
menten schlechter ging als Patienten mit kleinen Fraktur-
Luxationsfrakturen des Ellbogens: Koronoidluxationsfraktur 355

funden, der so gut funktioniert wie die Fadenschlin- Konservative Therapie


ge.
Über diese Verletzung ist wenig bekannt. Eine konservati-
■ Die Rekonstruktion des Koronoids ist schwierig und
ve Therapie erscheint jedoch nicht erfolgversprechend
nicht immer notwendig, um die Stabilität im Ell-
(1).
bogengelenk wieder herzustellen; es ist jedoch bis
heute nicht klar wie viele Ellbogengelenke ohne Ko-
ronoidreparatur stabil sind. Da die Rekonstruktion Indikationen zur operativen Therapie
von der Tiefe nach weiter oberflächlich abläuft, be-
vorzugen die Autoren die Reparatur des Processus Patienten mit oben genanntem Verletzungsmuster sollten
coronoideus routinemäßig durchzuführen, um nicht operativ behandelt werden.
nachher die Rekonstruktion des lateralen Kollateral-
bandkomplexes und des Radiusköpfchens wieder Operative Therapie
auflösen zu müssen.
■ Sollte die Rekonstruktion des Processus coronoi- Operationstechnik
deus, des Radiusköpfchens und des lateralen Kolla-
teralbandkomplexes nicht zur Wiederherstellung Zunächst wird das laterale Kollateralband dargestellt und
einer adäquaten Ellbogenstabilität führen, haben rekonstruiert. Anschließend erfolgt von medial die Repo-
die Autoren herausgefunden, dass die Reparatur sition des Processus coronoideus. Nach Mobilisation er-
des medialen Kollateralbands nur wenig hilft. Für folgt die Transposition des N. ulnaris nach ventral ins
diese Fälle ist es wichtig, dass der Operateur darauf Weichgewebe. Der Raum zwischen den beiden Köpfen
vorbereitet ist entweder einen Bewegungsfixateur des M. flexor carpi ulnaris, in dem der N. ulnaris gewöhn-
oder eine Kirschner-Draht-Fixation des Ellbogens lich liegt, bietet einen guten Zugang zur Medialseite des
durchzuführen. Processus coronoideus (1). Die Flexor-Pronator-Gruppe
wird vom vorderen Teil des medialen Kollateralbands ab-
gehoben. Für sehr große Fragmente kann die gesamte
Komplikationen Flexor-Pronator-Gruppe von der medialen Ulna abge-
hoben werden, wie von Taylor u. Scham beschrieben (62).
Instabilität, posttraumatische Arthrose, Bewegungsein- Alternativ dazu kann ein weiter anterior gelegenes In-
schränkung, heterotope Ossifikationen und Neuropathie tervall genutzt werden, bei dem die Flexor-Pronator-
des N. ulnaris sind häufig bei diesen Verletzungen – Gruppe geteilt wird und die vordere Hälfte gemeinsam
daher der Name Terrible-Triad-Verletzung. mit dem M. brachialis abgelöst wird (63). Es können auch
beide Expositionen gemeinsam genutzt werden.
Frakturen der anteromedialen Facette werden mit
Merke einer Abstützplatte versorgt, die das mediale Fragment
■ Ellbogenluxationen, die mit Frakturen des Radiusköpf- am intakten lateralen Processus coronoideus fixiert. Für
chen und des Koronoids vergesellschaftet sind, sind gewöhnlich gibt es ein Fragment der Koronoidspitze, an
extrem instabil und können im Cast dislozieren. Die dem die vordere Gelenkkapsel ansetzt. Dabei kann es
Radiusköpfchenresektion ohne Radiusköpfchenersatz schwierig sein, dieses Fragment mit einer Platte oder
ist nicht zu empfehlen. Kirschner-Drähten zu fixieren, sodass, falls eine Stabili-
■ Die Fraktur des Processus coronoideus ist fast immer sierung notwendig erscheint, Fadenanker benutzt wer-
eine kleine quer verlaufende Fraktur. Die Kapsel setzt den können.
am Frakturfragment an, sogar wenn dieses radiologisch
nur einen kleinen Fleck darstellt. Das Fragment ist
Ergebnisse
immer größer, als es radiologisch erscheint.
Anteromediale Koronoidfrakturen mit posteromedialer
14
Rotationsinstabilität wurden erst in jüngster Zeit be-
Verletzungen mit posteromedialer schrieben, sodass Langzeitergebnisse der Behandlung
noch nicht vorliegen. Es ist möglich, die Ellbogengelenk-
Varusrotationsinstabilität
stabilität mit Fixation des Koronoidfragments und Rekon-
Verletzungen, die vorzugsweise die anteromediale Facet- struktion des lateralen Kollateralbands in den meisten
te des Processus coronoideus betreffen, wurden in letzter Fällen wieder herzustellen (1, 64).
Zeit als besondere und potenziell problematische Verlet-
zungen erkannt (1). Diese Art von Verletzung ist regelhaft
mit lateraler Kollateralbandinstabilität assoziiert, außer
wenn die Koronoidfraktur sehr groß ist oder eine beglei-
tende Olekranonfraktur vorliegt.
356 14 Ellbogentrauma

anderen Formen der Trümmerung unterschieden werden


Merke
muss.
■ Kleinere Frakturen des Processus coronoideus, die die Die Klassifikation von Müller et al. klassifiziert die Ole-
anteromediale Facette mit einschließen, liegen poten- kranonfrakturen mit denjenigen des proximalen Radius
ziell komplexen Verletzungen zugrunde, die mit einer und der proximalen Ulna (20). Die Frakturen werden in
Verletzung des lateralen Kollateralbands assoziiert sind. Typen, Gruppen und Untergruppen unterteilt. Typ-A-
Frakturen sind extraartikulär, Typ-B-Frakturen partielle
artikuläre Frakturen und Typ-C-Frakturen intraartikuläre
Frakturen, die beide Knochen betreffen. Die Frakturen
Olekranonfrakturen werden weiter unterteilt in Gruppen und Untergruppen,
die primär auf der Komplexität der Frakturen basieren.
Obwohl Olekranonfrakturen intraartikuläre Frakturen Obwohl zu Forschungszwecken mittlerweile zunehmend
sind, gibt es nur eine relativ geringe Rate an posttrauma- proximale Ulnafrakturen und proximale Radiusfrakturen
tischer Arthrose, vermutlich weil die meisten Frakturen gemeinsam betrachtet werden, gehen dabei die in der
die nicht zum Gelenk gehörende quer verlaufenden Praxis entscheidenden Charakteristika in den Details ver-
Grube der Incisura trochlearis betreffen. Ziele der Be- loren.
handlung von Olekranonfrakturen sind die Wiederher- Die Mayo-Klassifikation der Olekranonfrakturen be-
stellung der normalen Kontur und Dimension der Incisu- rücksichtigt den Dislokationsgrad, die Stabilität und eine
ra trochlearis zum Wiederherstellen der Stabilität, die mögliche Trümmerung (Abb. 14.20; 67). Typ I ist stabil,
Heilung der Fraktur zum Wiederherstellen der Trizeps- minimal disloziert (weniger als 2 mm Dislokation zwi-
funktion sowie eine frühe Mobilisation zum Minimieren schen den Frakturfragmenten), Typ II ist disloziert und
der Einsteifung des Ellbogengelenks. Die meisten Fraktu- Typ III ist assoziiert mit einer Instabilität im ulnohume-
ren erfordern eine operative Behandlung. Die Operations- ralen Gelenk. Die Frakturen werden weiter unterteilt in
technik hängt von der Art der Verletzung ab: Einfache Untergruppen A und B, je nachdem ob eine Trümmerung
Querfrakturen werden mit einer Zuggurtungsosteosyn- vorliegt oder nicht. Die Klassifikation hat große Bedeu-
these, mit einer zusätzlichen interfragmentären Zug- tung, da sie hilft, das Vorgehen bei Olekranonfrakturen
schraube (bei diagonal verlaufenden Frakturen) behan- vorzugeben.
delt. Bei Trümmerfrakturen und Luxationsfrakturen wer-
den Platten und Schrauben verwendet.
Konservative Therapie
Undislozierte oder minimal dislozierte Frakturen werden
Klassifikation
konservativ behandelt. Die konservative Therapie bein-
Es wurden viele Klassifikationssysteme beschrieben, die haltet eine 4-wöchige Ruhigstellung im Cast in 90° Flexi-
bestimmte Verletzungscharakteristika und Therapiestra- on im Ellbogengelenk und Unterarmneutralposition. Eine
tegien betont haben. Colton propagierte ein Klassifikati- Immobilisation in Extension ist bei diesen stabilen Frak-
onssystem, welches auf den Dislokationsgrad und den turen nicht notwendig. Nach 4 Wochen kann mit vorsich-
Charakter der Fraktur zielte (65). Demnach sind Typ-I- tiger aktiv assistierter Bewegung begonnen werden. Eine
Frakturen nichtdisloziert und stabil. Typ-II-Frakturen resistive Beübung sollte erst erfolgen, nachdem radio-
sind disloziert und können anhand der Frakturart in 4 logisch eine Frakturheilung sichtbar ist. Das ist gewöhn-
Untergruppen unterteilt werden: Typ IIa sind Abrissfrak- lich ca. 8 Wochen nach dem Unfall der Fall.
turen, Typ IIb sind quer oder diagonal verlaufende Frak-
turen, Typ IIc sind isolierte Trümmerfrakturen und Typ
Indikationen zur operativen Therapie
IId sind Luxationsfrakturen (65). Innerhalb dieses Sys-
tems werden Frakturen, die nicht mehr als 2 mm ver- Alle dislozierten Frakturen des Olekranons sollten opera-
schoben sind und ihre Position bei vorsichtiger Flexion tiv versorgt werden.
14
und Extension nicht verändern, als nichtdisloziert und
stabil angesehen.
Schatzker u. Tile schlugen eine Klassifikation der Ole- Operative Therapie
kranonfrakturen in 5 Typen vor: Typ A: einfache quer
verlaufende Frakturen, Typ B: komplexe quer verlaufende
Operationstechnik
Frakturen mit zentraler artikulärer Impaktierung, Typ C:
Dislozierte einfache Frakturen des Olekranons
einfache schräg verlaufende Frakturen, Typ D: Trümmer-
frakturen und Typ E: schräg verlaufende Frakturen durch Einfache verschobene quer verlaufende Frakturen, der
den distalen Teil der Incisura trochlearis (66). Bei Olekra- häufigste Frakturtyp bei Olekranonfrakturen (68, 69),
nonfrakturen ist eine Impaktierung weniger wichtig als werden mit Zuggurtungsosteosynthese versorgt
bei anderen artikulären Frakturen, sodass nicht zwischen (Abb. 14.21; Video 14-3, DVD 2). Eine Schraubenfixation
alleine bietet keine Rotationsstabilität, zieht die Fraktur
Olekranonfrakturen 357

möglicherweise auseinander und bringt nicht immer


eine ausreichende Stabilität des distalen Fragments. Es
wurde auch eine Kombination aus Schraubenfixation
und Zuggurtungsosteosynthese beschrieben. Probleme
durch Bewegung des Osteosynthesematerials und Pro-
minenz des Osteosynthesematerials können durch be-
stimmte Operationstechniken minimiert werden (70,
71). Durch die Zuggurtungsosteosynthese werden die
Zugkräfte des M. triceps brachii in Kompressionskräfte
Type l: undisloziert durch die Fraktur umgewandelt, indem durch Fixation
die Distraktionskräfte an der dorsalen Ulnaoberfläche in
Zugkräfte umgewandelt werden (66). Der Gebrauch der
Zuggurtungsosteosynthese setzt eine intakte Gegenkorti-
kalis voraus – Trümmerfrakturen werden mit Plattenos-
teosynthese versorgt.
Der Patient kann in Rückenlage mit auf der Brust gela-
gertem Arm (Abb. 14.22) oder in Seitenlage mit unter-
stütztem Arm oder in Bauchlage operiert werden. Eine
Spongiosaentnahme kann in allen 3 Positionen vom Be-
A – ohne Trümmerzone B – Trümmerzone ckenkamm erfolgen, ist jedoch nur sehr selten notwen-
Type ll: disloziert u. stabil dig. Eine sterile Blutdruckmanschette kann die Exposition
verbessern und die Manipulation am Arm erleichtern.
Obwohl von einigen Autoren ein bogenförmiger Haut-
schnitt zur Vermeidung eines Schnittes über der Spitze
des Olekranons bevorzugt wird, verwenden die Autoren
eine gerade dorsale Inzision, um damit einigen Proble-
men zu begegnen. Der N. ulnaris muss nur dargestellt
werden, wenn der Nerv verletzt ist oder wenn begleiten-
de Weichteilverletzungen drohen, den Nerv zu kompri-
mieren oder zu verlagern. Bei einfachen Nichttrümmer-
A – ohne Trümmerzone B – mit Trümmerzone
frakturen wird das Frakturhämatom entlastet und das
Type lll: instabil Periost aus dem Frakturspalt entfernt, um die korrekte
Reposition zu erleichtern. Die Reposition kann mit einer
Abb. 14.20 Die Mayo-Klassifikation von Olekranonfrakturen
großen spitzen Repositionszange gehalten werden
berücksichtigt den Dislokationsgrad, eine mögliche Trümmer-
zone und eine mögliche Subluxation. Die Untergruppen orien- (Abb. 14.23 a). Zu diesem Zweck kann zur besseren Fixie-
tieren sich an den verschiedenen Behandlungsoptionen (Mor- rung der Repositionszange ein kleines Bohrloch etwas
rey BF. Fracture of the radial head. In: Morrey BF, ed. The Elbow distal der Fraktur in die Ulna gebohrt werden, damit
and Its Disorders. 2nd ed. Philadelphia: WB Saunders; dort eine Spitze der Repositionszange eingesetzt werden
1993:408). kann. Mit der anderen Spitze wird das Olekranon gegrif-
fen und die Faktur komprimiert. Zwei parallele 1,2-mm-
Kirschner-Drähte werden durch den Frakturspalt gebohrt
(Abb. 14.23 c). Dabei werden diese Kirschner-Drähte nach
anterior gebohrt, sodass sie distal durch die palmare Kor-
tikalis verlaufen.
In einer aktuellen Studie konnten biomechanische Vor-
14
teile beim Bohren der Kirschner-Drähte in dieser Rich-
tung gegenüber einer reinen intramedullären Platzierung
der Kirschner-Drähte nachgewiesen werden (72). Der pri-
märe Grund für die anteriore Ausrichtung der Kirschner-
Drähte ist jedoch, das Risiko einer Wanderung der Drähte
zu minimieren. Nach Einbringen der Kirschner-Drähte
werden diese einige Millimeter zurückgezogen, um der
späteren Impaktierung der proximalen Enden in das Ole-
kranon Rechnung zu tragen.
Abb. 14.21 Eine Zuggurtungsosteosynthese ist zumeist die Nun werden zwei 2 mm dicke, quer verlaufende Bohr-
angemessene Therapie bei Olekranonfrakturen, wie bei dieser
löcher durch die Ulnadiaphyse distal des Frakturspalts
mit geringer Trümmerzone und intakter Gelenkoberfläche, die
durch aktive Bewegung unter Kompression gebracht werden gebohrt (Abb. 14.23 c) und durch beide Löcher jeweils
können.
358 14 Ellbogentrauma

Patientenlagerung Hautinzision Abb. 14.22 Die Lagerung des Patienten erfolgt


mit dem verletzten Arm über der Brust.

Margo
posterior

Olekranonfraktur

N. ulnaris
Epicondylus lateralis

Hautinzision
Epicondylus medialis

ein 0,6-mm-Draht geführt. In einer Achtertour werden Morey empfiehlt bei Fragmentresektion und Trizeps-
diese von dem Frakturspalt bis vor die Kirschner-Drähte verlagerung weniger als die Hälfte des Olekranons zu
– unter dem Ansatz des M. triceps – mithilfe einer resezieren, um die Stabilität im Ellbogen zu erhalten
1,6 mm dicken Nadel geführt (Abb. 14.23 d). Die Drähte (67). Jedoch sei es bei alten, morbiden Patienten manch-
werden sowohl medial als auch lateral gespannt, bis mal nötig sogar mehr zu resezieren. Es wurde berichtet,
kein Frakturspalt mehr erkennbar ist und die Kirschner- dass der M. triceps brachii so nah wie möglich an der
Drähte gespannt auf dem Knochen liegen (Abb. 14.23 e). Gelenkoberfläche fixiert werden soll, damit eine leichte
Die Drähte werden gekürzt und die Enden im Weichteil- Translation zwischen dem Gelenk und der Sehne sowie
gewebe versenkt. Dabei hilft es, zwei 0,6-mm-Drähte zu ein Gleiten über die Incisura trochlearis erfolgen kann.
nehmen statt eines 1,0 mm dicken Drahtes, um das Auf- In einer aktuellen biomechanischen Studie konnte ge-
tragen des Osteosynthesematerials zu minimieren und zeigt werden, dass eine posteriore Refixation des M. tri-
eine ausreichende Fixation zu erreichen (Abb. 14.24). ceps die Extensionskraft im Ellbogengelenk verbessern
Die proximalen Kirschner-Drähte werden um 180° ge- konnte (73). Bei Betrachtung des inaktiven und einge-
dreht und unterhalb der Ansatzstelle im Olekranon ver- schränkten Patientenguts, bei dem diese Technik ange-
senkt (Abb. 14.23 f und Abb. 14.24 c). Aufgrund dessen wendet wird, sind diese Erkenntnisse wahrscheinlich
tragen die Kirschner-Drähte nicht so weit auf und die von geringer Bedeutung. Dicke, nichtresorbierbare Nähte
Gefahr der Drahtmigration wird minimiert (Abb. 14.25). werden in die Trizepsinsertion eingebracht, von der die
14
Knochenfragmente reseziert wurden. Eine Sehnennaht
Geschlossene Trümmerfrakturen des Olekranons wie z. B. eine Krackow-Naht wird genutzt. Die Fäden wer-
den durch Bohrlöcher geführt, die direkt neben der Ge-
Operative Technik zur Fragmentexzision und Trizepsver- lenkoberfläche verlaufen und bis nahe der dorsalen Ulna-
lagerung. Dislozierte Trümmerfrakturen werden mit oberfläche gebohrt werden. Sie werden anschließend ge-
Platten- und Schraubenosteosynthese versorgt. Die Frag- spannt und verknotet.
mentresektion und Verlagerung des Ansatzes des M. tri-
ceps brachii ist nur noch von historischem Interesse. Sie Operationstechnik bei Platten- und Schraubenosteosynthe-
kann jedoch noch bei Patienten mit geringem funktionel- se. Bei Trümmerfrakturen des Olekranons ist es nicht
lem Anspruch angebracht sein, sollte jedoch nicht bei notwendig das Periost und die Muskelansätze anzuheben
Luxationsfrakturen des Olekranons durchgeführt werden (Abb. 14.26 a). Ziel ist, dass die normale Konturendimen-
(67). sion der Trochlea wieder hergestellt wird und die Trüm-
Olekranonfrakturen 359

a
b

c
d

14

e f

Abb. 14.23 c Die 2 Edelstahldrähte (0,6 mm) werden weit distal der Frak-
a Bei gehaltener Reposition werden zwei ca. 1,2 mm dicke tur jeweils durch ein eigenes Loch durch den Ulnarschaft ge-
Kirschner-Drähte schräg durch den Frakturspalt gebohrt, so- führt.
dass sie direkt distal des Processus coracoideus durch die ven- d Jeder Draht wird mithilfe einer Nadel in einer Achtertour
trale Kortikalis verlaufen. durch den Ansatz des M. triceps auf das Olekranon geführt.
b In dieser Zeichnung sind die wichtigen Aspekte der Zuggur- e Jeder Draht wird an beiden Seiten gespannt, und die Knoten
tungsosteosynthese veranschaulicht: Die Kirschner-Drähte werden in den Weichteilen versenkt, um das Auftragen zu
werden schräg bis durch die ventrale Ulnakortikalis gebohrt, minimieren.
am proximalen Ende um 180° gebogen und im Olekranon f Die Kirschner-Drähte werden umgebogen und abgeschnit-
versenkt (Pfeil), um das Auftragen auf dem Knochen und das ten.
Risiko einer Wanderung der Drähte zu verringern.
360 14 Ellbogentrauma

a b

Abb. 14.24 Eine zweifache Drahtcerclage mit dünnen Drähten, die


0,6 mm sind, gewährleistet eine ausreichende Stabilität mit geringerer
Prominenz des Osteosynthesematerials.
a Die erste Cerclage wird angebracht.
b Die zweite Cerclage wird durch das distale Loch in der Ulna geführt.
Anschließend werden die beiden Drähte gleichzeitig gespannt.
c Die Enden der Kirschner-Drähte werden um 180° gebogen, abgeschnit-
c ten und im Olekranon versenkt.
14

merzone mit einer Platte und einer Schraube überbrückt nons. Distal liegt sie direkt über der Spitze des Olekra-
wird (Abb. 14.26 b). Bei sehr instabilen Frakturen kann es nons. Nach Angaben einiger Operateure ist dies ungüns-
nützlich sein, eine zusätzliche temporäre Stabilisierung tig; mit dieser Art der Fixation kann jedoch eine Stabili-
des Olekranons gegenüber der Trochlea mit einem sation erreicht werden und es müssen zudem wenig
2,0 mm dicken Kirschner-Draht durchzuführen. Als Plat- Muskel und Periost vom Knochen abgehoben werden.
ten können eine 3,5 mm starke Limited Contact Dynamic Die dorsale Oberfläche ist die Zugseite des Olekranons
Compression Plate (LC-DCP) für das Olekranon angepasst und daher die beste Seite für die Platte. Bei medial oder
werden oder eine vorgeformte 3,5-mm-Platte mit 2,7- lateral angebrachten Platten kommt es häufiger zum Os-
mm-Schrauben proximal verwendet werden. Proximal teosyntheseversagen. Die Platte sollte besonders bei aus-
liegt die Platte auf der flachen Oberfläche des Olekra- geprägten Trümmerzonen distal gut anliegen. Es gibt nur
Olekranonfrakturen 361

a b

Abb. 14.25 Postoperatives Röntgenbild. a Seitliche Aufnahme.


b A.–p. Aufnahme.

a b

Abb. 14.26 Eine Trümmerfraktur des Olekranons, die mit b Zur Sicherung der Fragmente in korrekter Position wurden
einer Platten- und Schraubenosteosynthese versorgt wurde. eine dorsale Platte und Schrauben verwendet. Um die Fixie-
a Dieses seitliche Röntgenbild zeigt eine Olekranonfraktur rung des proximalen Fragments zu verbessern, erfolgte eine
mit einem kleinen proximalen Fragment und isolierten artiku- Zuggurtung, mit der der Ansatz des M. triceps gefasst wurde.
lären Fragmenten.

wenig Nachteile durch eine lange Platte in dieser Gegend.


Ergebnisse
Sollte das Olekranon proximal sehr schmal, osteoporo-
tisch oder stark getrümmert sein, kann die Fixation mit- Einfache Frakturen
hilfe einer Zuggurtung durch den Trizepsansatz gesichert
werden (s. Abb. 14.26). Nach den Erfahrungen der Mayo-Klinik, ist eine Pseudar-
throse in weniger als 1 % der Fälle bei einfachen Olekra-
nonfrakturen zu erwarten (74). In den meisten Studien
Tipps und Tricks 14
wird von einem leichten Extensions- und Flexionsverlust
■ Durch das Versenken der Knoten in den Knochen bei den meisten Patienten gesprochen, wobei eine größe-
kann das Auftragen und die Bewegung der Drähte re Einsteifung selten ist (69, 75 – 78). Das Hauptproblem
minimiert werden. Damit zeigen sich seltener Pro- ist auftragendes Osteosynthesematerial (70). Durch eine
bleme bei der Zuggurtungsosteosynthese. Die Bohr- entsprechende operative Technik kann dieses Problem
löcher durch den Ulnaschaft und das Durchführen reduziert werden (71).
der Drähte können vor der Reposition der Fraktur
erfolgen. Durch die geringere Manipulation des
Drahtes wird die Gefahr eines Repositionsverlusts
verringert. Mit einem 14- oder 16-Gauge-Gefäß-
katheter kann der Draht durch die Trizepssehne ge-
führt werden.
362 14 Ellbogentrauma

Trümmerfrakturen öffentlichten Serie mit Olekranonluxationsfrakturen hat-


ten 29 % der Patienten Begleitverletzungen (49).
Viele Studien zeigen vergleichbare Resultate nach Frag- Die Unterscheidung zwischen anteriorer Luxationsfrak-
mentexzision und Trizepsverlagerung für Trümmerfrak- tur und posteriorer Luxationsfraktur ist einfach, da das
turen (76, 79). Obwohl offensichtlich implantatassoziierte Radiusköpfchen entweder nach vorne oder nach hinten
und Ausheilungsprobleme weniger häufig sind und die gegenüber dem Kapitulum disloziert ist. Eine anteriore
Beweglichkeit vergleichbar ist, liegen unzureichende radiokapitellare Dislokation führt jedoch häufig zu einer
Daten zur Beurteilung der Ellbogenfunktion für bestimm- Fehlinterpretation der Verletzung als anteriore Monteg-
te Aspekte vor. gia-Fraktur (26, 49). Anteriore Luxationsfrakturen des
Drittelrohrplatten wurden erfolgreich für relativ ein- Olekranons gefährden die ulnohumerale Stabilität und
fache Frakturen verwendet, sind aber zu schmal für Funktion, die radioulnare Verbindung ist jedoch für ge-
Trümmerfrakturen und Luxationsfrakturen (49). Eine wöhnlich erhalten (49). Im Gegensatz dazu sind Monteg-
3,5-mm-LC-DCP kann einfach geformt werden und bietet gia-Frakturen Luxationsfrakturen des Unterarms, bei
eine gute Fixation von komplexen Frakturen und Luxati- denen das Ulnohumeralgelenk nicht beteiligt ist.
onsfrakturen der proximalen Ulna. Bailey et al. unter- Die posteriore Olekranonluxationsfraktur repräsentiert
suchten 25 Patienten nach, die bei komplexen Olekranon- die am meisten proximal gelegene posteriore Monteggia-
frakturen (11 Luxationsfrakturen) mit Platten- und Fraktur. Posteriore Monteggia-Frakturen werden durch
Schraubenfixation versorgt wurden. Dabei zeigte sich eine Fraktur der dorsalen Ulnaspitze, eine dorsale Dis-
keine signifikante Differenz in Bewegungsausmaß und lokation des Radiusköpfchens in Relation zum Kapitulum
Kraft zwischen der verletzten und unverletzten Seite. 22 und in mehr als ⅔ der Fälle einer Radiusköpfchenfraktur
Patienten erreichten gute oder exzellente Ergebnisse. In charakterisiert (23, 24, 26, 81). Bei einigen Autoren gehört
20 % wurde eine Metallentfernung durchgeführt (80). diese dorsale Olekranonluxationsfraktur nicht zu den
Monteggia-Frakturen, da die radioulnare Verbindung
nicht betroffen ist, wenn die Ulnafraktur auf Höhe des
Luxationsfrakturen des Olekranons Olekranons auftritt (82). Auf der anderen Seite gefährden
posteriore Olekranonluxationsfrakturen, genau wie dis-
Bei Olekranonfrakturen disloziert das proximale Frag- tale posteriore Monteggia-Frakturen, sowohl die Ell-
ment für gewöhnlich nach proximal, während der Pro- bogen- als auch die Unterarmfunktion. Die Gefährdung
cessus coronoideus und das Radiusköpfchen in anatomi- der Ellbogenstabilität und -funktion entsteht durch die
scher Stellung verbleiben (67). Luxationsfrakturen des Frakturen des Olekranons, des Processus coronoideus
Ellbogens werden durch eine Olekranonfraktur mit und des Radiusköpfchens und der Verletzung des latera-
gleichzeitiger Luxation oder Fraktur entweder des Radi- len Kollateralbandkomplexes. Die Unterarmfunktion
usköpfchens oder des Processus coronoideus charakteri- kann durch die Radiusköpfchenfraktur oder -luxation,
siert. Proximale Ulnafrakturen, die mit einer Luxations- ein fehlendes Alignment der Ulna oder eine proximale
fraktur vergesellschaftet sind, sind oft komplex und viel- radioulnare Synostose gestört werden.
fragmentär (26, 49). Weil die Fragmente der proximalen Bei einigen Patienten mit komplexen Frakturen der
Ulna häufig bis in die Diaphyse reichen oder den Proces- proximalen Ulna kommt es zur spontanen Reposition
sus coronoideus mitbetreffen, werden diese Verletzungen von Radius, Ulna und Trochlea. Andernfall wird eine ge-
oft nicht als Olekranonfrakturen identifiziert. schlossene Reposition durchgeführt. Die Fehlstellung ist
zumeist nach posterior, wenn das Radiusköpfchen gebro-
chen ist, besonders wenn einige Fragmente dorsal ver-
Klassifikation
bleiben. Die Unterscheidung ist wichtig, weil anteriore
Luxationsfrakturen des Ellbogens entstehen bei einem Olekranonluxationsfrakturen stabil sind, wenn das
Verletzungsmechanismus entweder nach anterior oder Alignment des Olekranons und des Koronoids wieder
nach posterior. Vordere Olekranonluxationsfrakturen hergestellt ist (Video 14-2, DVD 2). Die Gefahr einer dau-
14
werden auch als Transolekranonluxationsfrakturen des erhaften Funktionseinschränkung ist dabei relativ gering
Ellbogens bezeichnet, weil es scheint, als wäre die Troch- (49). Im Gegensatz dazu ist eine humeroulnare Instabili-
lea des distalen Humerus in das Olekranon des Unter- tät nach posteriorer Olekranonluxationsfraktur häufig
arms eingebrochen und der Unterarm dabei nach ante- und die Unterarmfunktion infolgedessen häufig einge-
rior disloziert (49). Anteriore oder Transolekranonluxati- schränkt (25,26).
onsfrakturen sind für gewöhnlich das Ergebnis eines di-
rekten Hochrasanztraumas. Die Olekranonfraktur kann
Operative Therapie
dabei eine einfache schräg verlaufende Fraktur sein, sie
ist jedoch häufiger eine komplexe Trümmerfraktur. Häu- Bei der Exposition der Ulna sollten das Periost und die
fig sind sie mit großen Koronoidfrakturen (Regan und Muskelansätze geschont werden. Eine vorgebogene Platte
Morrey Typ III) vergesellschaftet, während Radiusköpf- kann proximal vom Ansatz des M. triceps brachii bis auf
chenfrakturen ungewöhnlich sind. In einer zuletzt ver- die Spitze der Ulnadiaphyse distal ohne Abheben der
Muskelansätze angebracht werden. Falls die Weichteile
Luxationsfrakturen des Olekranons 363

nicht beteiligt sind, ist trotz vieler Frakturfragmente ein und war in 68 % der Fälle mit einer Radiusköpfchenfrak-
Knochenersatz nur sehr selten notwendig. tur und in 25 % der Fälle mit einer Fraktur des Processus
Die Radiusköpfchen- und Koronoidfrakturen können coronoideus assoziiert. Viele der Bado-II-Frakturen (24 %)
durch die Exposition, die durch die Olekranonfraktur vor- wurden innerhalb von 3 Monaten nach der initialen Ope-
gegeben ist, beurteilt und häufig auch definitiv behandelt ration reoperiert. Osteosyntheseversagen, prominente
werden. Große Koronoidfrakturen können am besten ge- Drähte und eine erforderliche Radiusköpfchenexzision
sehen und manipuliert werden, indem das Olekranon- führten zu schlechten Frühergebnissen. Nach allen Re-
fragment nach proximal mobilisiert wird, als würde operationen und Rekonstruktionen stellte sich jedoch
eine Olekranonosteotomie durchgeführt werden. Falls bei 83 % der Patienten ein gutes oder exzellentes Ergebnis
der Processus coronoideus in verschiedene große Frag- ein. Schlechte Ergebnisse waren mit begleitenden Radi-
mente frakturiert ist, können diese mit Schrauben gesi- usköpfchenfrakturen, verzögerter Frakturheilung des Pro-
chert werden. Einzelne anteromediale Facettenfragmente cessus coronoideus oder der Ulna und proximaler radio-
profitieren oft von einer zweiten an der medialen Ober- ulnarer Synostose assoziiert (26). Dies zeigt, dass eine
fläche des Koronoids angebrachten Platte. Falls noch ein stabile anatomische Fixation der assoziierten Koronoid-
separates Spitzenfragment besteht, sollte dieses mit und Radiusköpfchenfrakturen entscheidend bei der Be-
einem Faden, welcher auch die Kapselansätze mit erfasst, handlung dieser komplexen Frakturen ist.
refixiert werden. Bei ausgeprägten Trümmerfrakturen
sollte zur Protektion ein Bewegungsfixateur angebracht
Komplikationen
werden.
Eine provisorische Fixation kann auch mit Kirschner- Komplikationen von Olekranonfrakturen wie Osteosyn-
Drähten zur Sicherung der Fragmente an der distalen theseversagen, verzögerte Frakturheilung, Ellbogenkon-
Ulnametaphyse oder Trochlea humeri erzielt werden. traktion, heterotope Ossifikation, Neuropathie des N. ul-
Ein externer Distraktor kann die Reposition und Stabili- naris und Infektionen kommen vor. Olekranonluxations-
sation der Fraktur erleichtern, während die Plattenfixati- frakturen, insbesondere dorsale Monteggia-Frakturen,
on erfolgt. Die Plattenfixation von komplexen Olekranon- können eine humeroulnare Instabilität aufweisen. Auftra-
frakturen und Frakturen der proximalen Ulna kann durch gendes Osteosynthesematerial wird häufig als Komplika-
die gleiche Technik erreicht werden, die für dislozierte tion genannt, ist jedoch Teil der Behandlung. Gegebenen-
Trümmerfrakturen beschrieben wurde. falls muss eine frühzeitige Metallentfernung durch-
geführt werden.
Ein frühes Osteosyntheseversagen kann manchmal
Ergebnisse
durch zu starke Bewegungsübung des Armes durch die
In einer retrospektiven Fallberichtsserie von 17 Patienten Patienten verursacht sein, wird jedoch zumeist durch
mit Luxationsfrakturen durch das Olekranon hatten 88 % eine falsche Größe oder Platzierung der Platte und der
gute oder exzellente Ergebnisse. 14 (82 %) hatten eine Schrauben verursacht. Drittelrohr- oder Halbrohrplatten
komplexe Trümmerfraktur der Ulna. Sogar bei einer aus- sind zu schmal für Trümmerfrakturen oder Luxations-
geprägten Trümmerzone der Incisura trochlearis oder frakturen (49). Ein Frühversagen kann gewöhnlich gut
großen Koronoidfragmenten waren die Ergebnisse gut, mit einer erneuten Reposition und Durchführung der in-
falls es gelungen war das Alignment des Koronoids und neren Fixation adressiert werden; die wiederholte Inter-
der Olekranonfacette wieder herzustellen und eine stabi- vention führt möglicherweise allerdings zu einem erhöh-
le innere Fixation durchzuführen (49). Diese Ergebnisse ten Risiko von Infektionen und heterotopen Ossifikatio-
sind überraschend gut, wenn man die Komplexität vieler nen.
dieser Frakturen bedenkt. Gründe dafür könnten die Heutzutage ist eine Pseudarthrose bei einfachen Ole-
nichtgelenktragende Tiefe der Incisura trochlearis, die in- kranonfrakturen sehr selten. Papagelopoulos u. Murrey
takten Kollateralbänder und die gute Heilungstendenz gaben die Rate der Pseudarthrosen bei einfachen Olekra-
mit Erhalt der Muskelansätze und des Periosts sowie die nonfrakturen an der Mayo-Klinik mit weniger als 1 % an
14
Verwendung einer überbrückenden Osteosynthese sein. (74). In 2 Berichten über nichtverheilte Ulnafrakturen
Der Schlüssel liegt darin, die Kontur der Incisura troch- hatten die meisten Patienten Luxationsfrakturen des Ell-
learis mit einer stabilen inneren Fixation wieder herzu- bogens mit einer komplexen Trümmerfraktur der pro-
stellen, sodass eine frühe Mobilisation des Armes erfol- ximalen Ulna (74, 83). Pseudarthrosen konnten zur Wie-
gen kann. derherstellung einer guten Funktion erfolgreich durch die
Die Erfahrungen mit Monteggia-Frakturen bei Erwach- Anfrischung der nichtverheilten Fraktur, Durchführung
senen wurden von einem Zweitautor kontrolliert, wo- einer stabilen Fixation und Einbringen von autogenem
durch sich bessere Ergebnisse zeigten, als aufgrund frü- Knochenmaterial behandelt werden. Die Autoren bevor-
herer Studien von den Autoren vorhergesagt. Posteriore zugen die Implantation einer 3,5-mm-LC-DCP und von
Luxationsfrakturen des Ellbogens repräsentieren die autogenem Knochenmaterial (83).
meist proximal gelegenen Monteggia-Frakturen. Die pos-
teriore (Bado Typ II) Fraktur war mit 79 % am häufigsten
364 14 Ellbogentrauma

der Rehabilitation teilnehmen, scheinen die besten Er-


Merke
gebnisse zu erzielen.
■ Olekranonfrakturen mit anteriorer Dislokation des Un- Dynamische Ellbogenschienen (wie z. B. Quengelschie-
terarms sind meistens mit einer guten Unterarmfunk- nen) werden oft genutzt, um die Beweglichkeit zu ver-
tion assoziiert und sollten nicht mit anterioren Monteg- bessern (84). Diese wurden früher häufig benutzt, heute
gia-Läsionen verwechselt werden. weiß man jedoch, dass die Patienten die Anstrengungen
■ Radiusköpfchenfrakturen sind häufig begleitende Ver- zum Erlangen der Beweglichkeit selbst auf sich nehmen
letzungen bei posterioren Olekranonluxationsfrakturen. müssen.
Die begleitenden Radiusköpfchenfrakturen können zur
eingeschränkten Unterarmrotation und ulnohumeralen
Stabilität beitragen.
■ Große Koronoidfrakturen treten häufig mit Olekranon- Komplikationen
frakturen auf. Gelingen ein korrektes Alignment und
Während Nervenschäden bei Ellbogenluxationsfrakturen
eine stabile Fixation, können gute Resultate erzielt wer-
häufig sind, sind Nervenzerreißungen sehr selten. Verlet-
den.
zungen der A. brachialis treten häufig bei offenen Ell-
bogenluxationsfrakturen auf und werden mit einem Ve-
neninterponat behandelt. Eine chronische Kompression
des N. ulnaris (Sulcus-nervi-ulnaris-Syndrom) ist nach
Rehabilitation von Ausheilung stattgehabter Ellbogentraumata häufig (85),
Ellbogenverletzungen entwickelt sich gelegentlich subakut und führt zu einer
Versteifung des Ellbogens (86). Nach Ansicht der Autoren
Nach Stabilisierung des Ellbogens und sicherer Fixation können gute Ergebnisse nach einem Release bei posttrau-
der Fraktur profitiert das Ellbogengelenk von einer frü- matischer N.-ulnaris-Neuropathie erzielt werden. Die
hen Mobilisation. Diese sollte, falls schmerzbedingt mög- Wiederherstellung besonders der motorischen Funktion
lich, vorzugsweise innerhalb weniger Tage nach der Ope- braucht jedoch mitunter Jahre (85).
ration beginnen. Falls die Stabilität jedoch unsicher ist Ein Bewegungsverlust, insbesondere eine leichte Flexi-
oder die Fraktur nicht sicher fixiert werden konnte, onskontraktur, des Ellbogengelenks ist nach komplexem
kann ein externer Bewegungsfixateur das Gelenk bei Be- Ellbogentrauma zumeist unausweichlich. Bei einer Flexi-
wegung sichern. Bei älteren Patienten mit Niedrigrasanz- onskontraktur von über 30° und fehlender Flexion, die
trauma und osteoporotischen Knochen kann in diesen auch nicht unter intensiver Übungsbehandlung gebessert
Situationen eine Immobilisation für bis zu 4 Wochen an- werden kann, sollte ein operatives Kapselrelease des Ell-
gezeigt sein. Stabilität und Frakturheilung sind wichtiger bogens erwogen werden (63, 87, 88).
als Beweglichkeit, da die Funktion eines geheilten kon- Heterotope Ossifikationen nach Ellbogentrauma sind
zentrischen Gelenks durch ein Kapselrelease verbessert relativ häufig (ca. 75 % der Patienten), führen jedoch bei
werden kann. Die Behandlung von Pseudarthrosen und den meisten Patienten nicht zu einer Einschränkung der
posttraumatischen Arthrosen erscheint wesentlich Beweglichkeit (57). Sehr starke heterotope Ossifikationen
schwieriger. können die Beweglichkeit im Ellbogen einschränken oder
Die Übungen des Ellbogens bestehen aus aktiver Be- sogar eine komplette Ankylose verursachen. Patienten
übung unter Assistenz des anderen Armes und Positio- mit Schädel-Hirn-Trauma und Ellbogenluxation haben
nierung der Schulter, sodass bei Ellbogenbewegung die ein erhöhtes Risiko für heterotope Ossifikationen (89),
Schwerkraft ausgeschaltet wird. Es ist wichtig, die Schul- sodass eine prophylaktische Radiatio erwogen werden
terabduktion nach Reparation des lateralen Kollateral- sollte. Die Autoren führen bei anderen Patienten keine
bands zur Vermeidung von Varusstress zu verhindern. routinemäßige Prophylaxe durch, wenden jedoch nicht-
Forcierte passive Beübung des Ellbogens durch den The- steroidale Antirheumatika (NSAR) als Teil der postopera-
rapeuten sollte vermieden werden, da sie ein Osteosyn- tiven Schmerzmedikation an.
14
theseversagen oder heterotope Ossifikationen verursa- Heterotope Ossifikationen, die die Beweglichkeit stark
chen kann. einschränken, werden operativ behandelt, nachdem sie
Kontinuierliche passive Bewegungsbehandlung (CPM) eine Radiatio erhalten haben (90). Nachdem ein abwar-
ist aus der Mode gekommen. Es ist schwierig eine Ma- tendes Verhalten über 12 – 18 Monate in der Vergangen-
schine zu konstruieren, die zuverlässig zu einer kontinu- heit üblich war, empfehlen die meisten Ellbogenexperten
ierlichen Bewegung führt und nicht der Überwachung mittlerweile die Exzision der heterotopen Ossifikationen
durch den Patienten bedarf, um erfolgreich angewendet innerhalb der ersten 4 Monate nach Trauma, sofern die
zu werden. Des Weiteren konnte bisher noch kein Vorteil Schwellung zurückgegangen ist, die Narbe nicht adhärent
der kontinuierlichen passiven Bewegung gegenüber akti- ist und der heterotope Knochen einen Saum und Trabekel
ver Beübung des Armes gezeigt werden. In Wirklichkeit aufweist. Obwohl in einem Zeitraum, in dem den Autoren
könnte das Gegenteil der Fall sein: Patienten, die aktiv an keine prophylaktische Radiatio zur Verfügung stand, nur
eine geringe Rezidivrate beobachtet wurde (91), wird sie
Literatur 365

von den Autoren bei den meisten Patienten aufgrund der Wiederherstellung des radiokapitellaren Kontakts,
ihrer Effektivität und ihrer Sicherheit durchgeführt (92, einem Repair oder einer Rekonstruktion des lateralen
93). Kollalteralbands, einer Wiederherstellung des Processus
Eine gewisse Subluxation des Ellbogens nach Repositi- coronoideus entweder mit Fixation oder Fremdknochen,
on und operativer Behandlung der Luxation oder Luxati- falls möglich, und mit einem zeitweilig angebrachten Be-
onsfraktur ist möglicherweise besser mit aktiver Be- wegungsfixateur behandelt. Posttraumatische Arthrosen
übung zu behandeln als mit Immobilisation bei aktiven können mit einem Oberflächenersatz (gesunde aktive Pa-
Patienten. Grund ist eine häufige Pseudoluxation, die mit tienten) oder einer totalen Ellbogengelenkprothese (ein-
einem geringen Muskeltonus assoziiert ist (s. Abb. 14.6). geschränkte ältere Patienten) behandelt werden.
Eine persistierende humeroulnare Instabilität wird mit

Inhalt der DVDs

Video 14-1 (DVD 2) Olekranonluxationsfraktur Dieses Video 14-3 (DVD 2) Zuggurtungsosteosynthese des Olekra-
Video zeigt die operative Versorgung einer Trümmerfraktur nons Dieses Video zeigt die Zuggurtungsosteosynthese
der proximalen Ulna mit einer Radiusköpfchen- bzw. Radius- einer dislozierten Olekranonfraktur. Eine Revisionsoperation
halsfraktur durch einen dorsalen Zugang. Die Rekonstruktion mit einer Plattenosteosynthese war notwendig aufgrund des
des Radiusköpfchens durch die Ulnarfraktur und die Versor- Ausrisses des Drahtes aus der Kortikalis nach Zuggurtungs-
gung des Processus-coronoideus-Fragmentes werden hervor- osteosynthese. Rettende Rekonstruktionsmaßnahmen wer-
gehoben. den gezeigt.
Video 14-2 (DVD 2) ORIF einer komplexen Ellbogenverlet-
zung Dieses Video zeigt die offene Reposition und innere
Fixation einer Olekranonfraktur, die mit einer großen Fraktur
des Processus coronoideus vergesellschaftet ist. Es handelt
sich dabei vermutlich um eine spontan reponierte ventrale
Olekranonluxationsfraktur. Der Patient erlitt zusätzlich eine
Radiusfraktur, die mit ORIF und Kirschner-Draht-Fixierung
des diastalen Radioulnargelenkes versorgt wurde.

Literatur 9. Morrey BF. Anatomy of the elbow joint. In: Morrey BF,
ed. The Elbow and Its Disorders. 2nd ed. Philadelphia:
1. O’Driscoll SW, Jupiter JB, Cohen M, Ring D, McKee MD. WB Saunders; 1995:16 – 52
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368 15 Unterarmfrakturen

15 Unterarmfrakturen
R. L. Stewart
Übersetzer: B. Bücking

Frakturen des Radius und der Ulna sind häufige Fraktu- proximales radioulnares Gelenk
ren. Die Inzidenz lag in den USA im Jahr 1998 bei 644 000
dieser Frakturen. Der häufigste Verletzungsmechanismus
sind Stürze, und ca. 26 % der Fälle betreffen Kinder unter Pronations- und
15 Jahren (1). Es gibt 4 Hauptvarianten von Unterarm- Supinationsachse
frakturen:
■ gleichzeitige diaphysäre Frakturen der Ulna und des

Radius (die häufigsten),


■ Frakturen der Ulna mit Radiusköpfchenluxation (Mon- radiale
teggia-Frakturen), „Notch“
■ Frakturen des Radius mit distaler Luxation im distalen

Radioulnargelenk (Galeazzi-Frakturen),
■ isolierte Frakturen der Ulna.
Membrana
interossea
Das Besondere des Unterarms ist, dass, anders als bei den
a
anderen langen Röhrenknochen des Körpers, die beiden
Knochen des Unterarms mehr als Gelenk als ein Paar
langen Knochen betrachtet werden sollten. Bei den ande- distales
ren langen Röhrenknochen ist die anatomische Repositi- Radio-
on der Diaphyse nicht notwendig. Das Ziel der operativen ulnargelenk
Behandlung ist dabei nur, die Länge, Achse und Rotation
wiederherzustellen. Da Pronation und Supination durch
Rotation des Radius um die Ulna erfolgen, ist sowohl die
Form des Radius als auch der Abstand zwischen den Kno-
chen wieder anatomisch herzustellen, um eine vollstän-
dige Unterarmfunktion zu gewährleisten (Abb. 15.1; 2, 3). ulnare
Radius und Ulna artikulieren sowohl am proximalen „Notch“
c
als auch am distalen Ende miteinander. Daher ist die In-
tegrität dieser Gelenke ein essenzieller Bestandteil zum
Erreichen guter Langzeitergebnisse nach dem Unfall.
Mit Ausnahme von einigen isolierten Ulnaschaftfraktu-
ren ist die operative Therapie der Eckpfeiler in der Be-
handlung von Unterarmfrakturen. Unter Beachtung der
operativen Details werden exzellente Frakturheilungs- b
raten (98 % beim Radius und 96 % bei der Ulna) und eine Abb. 15.1 Die zwei Unterarmknochen bilden eine funktionelle
große Patientenzufriedenheit erzielt (4 – 6). Die komplexe Einheit, deren Rotationsachse vom kapituloradialen Gelenk bis
Anatomie des Unterarms und die benötigte anatomische zum distalen radioulnaren Gelenk reicht.
Reposition machen den Unterarm zu einer anspruchsvol- a Das proximale radioulnare Gelenk.
len aber auch zu einer zufriedenstellenden operativen b Das distale radioulnare Gelenk.
c Die Achse der Unterarmrotation.
Herausforderung.

15
Klassifikation ren des proximalen, mittleren und distalen Drittels. Ga-
leazzi-Frakturen werden ebenfalls auf diese Weise be-
Wie bei vielen diaphysären Frakturen gibt es auch bei schrieben. Isolierte Ulnaschaftfrakturen werden als dis-
Radius- und Ulnafrakturen keine gewöhnliche oder all- loziert und nichtdisloziert klassifiziert, abhängig davon,
gemein akzeptierte Klassifikation. Weil der operative Zu- ob die Fraktur um mehr als 50 % oder weniger als 50 %
gang zum Radius an den verschiedenen Bereich des des Schaftes disloziert ist (7). Monteggia-Frakturen wer-
Schaftes variiert, werden die diaphysären Frakturen des den zumeist nach der Bado-Klassifikation beschrieben
Radius (und der angrenzenden Ulna) unterteilt in Fraktu- (8). Diese Klassifikation beschreibt die Richtung der Dis-
Klassifikation 369

Typ I

Luxation (Dislokation) des


Radiusköpfchens nach vorne

Typ II
Ulna

abgewinkelte Fraktur a

na
Ul

Luxation
des Radiusköpfchens
b
nach hinten

Typ III Typ IV

Luxation des Radius-


köpfchens nach vorne

Radius

Radiusköpfchen

ulnare Ulna
Metaphyse
d

c
15

Abb. 15.2 Die Bado-Klassifikation der Monteggia-Frakturen. d Die Typ-IV-Verletzung ist durch eine ventrale Radiusköpf-
a Typ-I-Verletzung mit ventraler Luxation des Radiusköpfchens. chenluxation mit gleichzeitiger Ulna- und Radiusfraktur charak-
b Typ-II-Verletzung mit dorsaler Luxation des Radiusköpfchens. terisiert.
c Die Typ-III-Verletzung ist durch eine laterale Dislokation des
Radiusköpfchens charakterisiert, die typischerweise mit einer
Fraktur der Ulna direkt distal des Processus coronoideus ver-
bunden ist.
370 15 Unterarmfrakturen

lokation des Radiusköpfchens, welche die gleiche ist wie Dislozierte Radiusfrakturen sind mit einer Verkürzung,
die Richtung der Spitze der Ulnafraktur. Diese Richtung Achsabweichung und einer Art von Verletzung des dis-
ist entweder anterior (Typ I), posterior (Typ II) oder late- talen Radioulnargelenk verbunden. Solche Frakturen
ral (Typ III). Typ-IV-Frakturen beinhalten eine anteriore können nicht geschlossen reponiert werden und werden
Dislokation des Radiusköpfchens mit Frakturen sowohl bei Erwachsenen operativ behandelt.
des Radius als auch der Ulna am proximalen Drittel des Dislozierte Frakturen sowohl des Radius als auch der
Unterarm (Abb. 15.2). Ulna sind sehr instabil. Obwohl es empfohlen wird, diese
Verletzung operativ zu behandeln, muss eine provisori-
sche Schienung erfolgen. Typischerweise wird eine ge-
polsterte dorsovolare Gipsschiene anmodelliert, um das
Konservative Behandlung
Alignment zu erhalten und ein gewisses Maß an Stabilität
zu geben während die operative Therapie geplant wird.
Indikationen zur konservativen Therapie
Am Unterarm gibt es 2 Indikationen zum konservativen
Funktionelles Bracing
Management. Eine Indikation besteht bei Frakturen von
Kindern mit nicht ausgereiftem Knochenskelett. Die da- Funktionelles Bracing beruht auf dem Prinzip, dass eine
zugehörige Diskussion geht über den Inhalt dieses Buches Flüssigkeitssäule (die Flüssigkeit im Unterarm) innerhalb
hinaus. Die andere Indikation besteht bei isolierten Ulna- einer rigiden Begrenzung (dem funktionellen Brace)
schaftfrakturen, die durch ein direktes Trauma entstan- nicht komprimierbar ist und deshalb einen gewissen Wi-
den sind, die sogenannten Parierfrakturen. Das akzeptier- derstand gegen Deformation bietet. In der größten je ver-
te Kriterium für eine konservative Therapie von Ulna- öffentlichten Serie von isolierten Ulnaschaftfrakturen
schaftfrakturen ist ein Dislokationsgrad von weniger als konnten Sarmiento et al. eine 99 %ige Frakturheilungsrate
50 % der diaphysären Schaftbreite und ein Achsfehler von mit 96 % guten oder exzellenten funktionellen Ergebnis-
weniger als 10° (7, 9, 10). sen mit einem funktionellen Brace erzielen (13). Funktio-
Frakturen der Ulna im proximalen Drittel der Diaphyse nelle Braces erlauben eine freie Bewegung sowohl des
gehen nach konservativer Behandlung mit einem größe- Ellenbogens als auch des Handgelenks und sind leicht
ren Verlust an Pronation (durchschnittlich 12°) einher als und kostengünstig; in vielen weiteren Studien konnten
Frakturen am distalen Drittel der Ulna (5°; 2). Daher ebenfalls exzellente Ergebnisse erzielt werden (Abb. 15.3
wurde vorgeschlagen, proximale Ulnafrakturen operativ und Abb. 15.4; 10, 12, 13, 20, 21). Bei Patienten, bei denen
zu behandeln. Zu betonen ist allerdings, dass diese Prin- der Flüssigkeitsstatus häufig wechselt, z. B. bei schwerer
zipien nicht für den Radius gelten. Echte isolierte Radius- Herzinsuffizienz oder ausgeprägter Volumengabe, ist das
frakturen sind extrem selten, da ein direkter Schlag funktionelle Bracing möglicherweise nicht effektiv.
genau so selten ist wie eine Landung auf der Radialseite Obwohl mit dem funktionellen Bracing gute Ergebnisse
des Unterarms. Die Aufmerksamkeit muss zudem bei erzielt werden konnten, gibt es ebenfalls eine Evidenz,
scheinbar isolierten Radiusfrakturen auf eine begleitende dass gute Ergebnisse mit Frühmobilisation möglich sind.
Verletzung des distalen Radioulnargelenks (DRUG) gelegt In Kadaverstudien konnte gezeigt werden, dass Frakturen
werden, da das DRUG möglicherweise spontan reponiert mit weniger als 50 % Dislokation rotationsstabil sind (7).
ist. Biomechanisch stellt der Unterarm einen Ring dar, der Viele Autoren empfehlen eine Frühmobilisation mit oder
nur in seltenen Fällen an einer Stelle bricht. ohne elastische komprimierende Bandage nach 1 – 2 Wo-
chen Unterarmschiene (7, 19, 22, 23). In Metaanalysen
konnte aufgedeckt werden, dass die Frakturheilung bei
Repositions- und Retentionstechniken
Patienten, die frühmobilisiert wurden, schneller verlief
Isolierte Ulnaschaftfrakturen, die konservativ behandelt als bei funktionellem Bracing, während die Anzahl von
werden, erfordern keine geschlossene Reposition, da die guten und exzellenten Ergebnissen ähnlich war (18).
Indikationen für ein konservatives Management (weniger
als 50 % Dislokation und 10° Achsabweichung) dieselben
Rehabilitation
sind wie die Kriterien für eine akzeptable Frakturposition
(7, 9 – 13). Da sowohl die Membrana interossea als auch Isolierte Ulnaschaftfrakturen, die nach einer der oben ge-
15 der Radius intakt geblieben sind, werden diese Frakturen nannten Methoden behandelt wurden, haben bei früher
als stabil angesehen und müssen nicht immobilisiert Beübung generell sehr gute Ergebnisse. Aktive Bewegun-
werden (7, 14, 15). Aus diesem Grund werden diese Frak- gen des Ellbogens und des Handgelenks inklusive Supi-
turen mit einem Unterarmcast, einer Schiene oder einer nation und Pronation sollten möglichst früh, sobald die
elastischen Bandage mit guten Ergebnissen behandelt Schmerzen es erlauben, begonnen werden, spätestens je-
(16 – 18). Es konnte auch gezeigt werden, dass die Anlage doch 2 Wochen nach stattgehabtem Unfall. Dabei ist auch
einer Oberarmschiene mit signifikant weniger guten oder die Bewegung der Schulter wichtig. Die Patienten sollten
exzellenten Ergebnissen verbunden war, sodass diese Art den betroffenen Arm für Aktivitäten des täglichen Lebens
der Behandlung verlassen wurde (19). wie z. B. Putzen und Nahrungsaufnahme nutzen. Das An-
Operative Therapie 371

Indikationen zur operativen Therapie


Alle diaphysären Frakturen des Unterarms Erwachsener,
mit Ausnahme von minimal dislozierten zuvor beschrie-
benen isolierten Ulnafrakturen, werden am besten ope-
rativ behandelt (4, 24, 25). Dabei gibt es 2 Ziele der Be-
handlung:
■ die anatomische Reposition der Länge, der Rotation

und der Achse der beiden Knochen und des interossä-


ren Raumes,
■ die Herstellung einer Stabilität, die eine frühe Mobili-

sation erlaubt.

Diese Ziele können nur durch eine operative Behandlung


erreicht werden (26).
Abb. 15.3 Das Bild zeigt einen Patienten mit isolierter Ulna-
schaftfraktur, die mit einem funktionellen Bracing behandelt
wurde.
Operative Therapie
Prinzipien
Eine straffe innere Fixation von Unterarmfrakturen kann
am besten mit den traditionellen Prinzipien der Fraktur-
fixation erreicht werden. Falls möglich wird mittels einer
Zugschraube und Neutralisationsplatte (Schräg- oder Spi-
ralfraktur) oder einer Kompressionsplatte (Querfraktur)
eine interfragmentäre Kompression erzielt. Bei Anwen-
dung dieser Techniken muss die Frakturregion vollstän-
dig freigelegt werden. Es muss jedoch bedacht werden,
dass die neueren Prinzipien der Frakturversorgung die
Bedeutung des Erhalts der Durchblutung sowohl der
Weichteile als auch des Knochens durch ein vorsichtiges
Handling der Weichteile und vorsichtige Repositionstech-
niken betonen. Eine der Herausforderungen der Versor-
gung von Unterarmfrakturen ist es, die Balance zwischen
einer adäquaten Visualisierung der Fraktur und einer
Schonung der Weichteile zu erzielen.

Präoperative Planung
Die Wichtigkeit einer gründlichen, wohl durchdachten
präoperativen Planung kann nicht genug betont werden.
Durch eine adäquate präoperative Planung kann sicher-
gestellt werden, dass die Ausrüstung, das Personal, spe-
zielle Werkzeuge und die Bildgebung bereit und verfüg-
bar sind. Mit nur wenig investierter Zeit während der
Abb. 15.4 Eine isolierte Ulnaschaftfraktur nach 8 Wochen präoperativen Planung können die Frustration, ver-
frühfunktioneller Behandlung. Bei sichtbarer Kallusbildung ist schwendete Zeit und Probleme, die mit unvorhergesehe-
keine sekundäre Dislokation erkennbar. nen intraoperativen Komplikationen einhergehen, elimi- 15
niert werden.
Die präoperative Planung von Unterarmfrakturen ist
heben wird für 4 Wochen auf weniger als 1 kg beschränkt relativ einfach. Es werden Röntgenaufnahmen im a.–p.
und anschließend nach Beschwerdeausmaß gesteigert. und lateralen Strahlengang, Pauspapier, ein Set Trans-
Gewichtsbelastung an Unterarmgehstützen bleibt für 6 plantatschablonen mit korrekter Skaleneinteilung und ei-
Wochen verboten, Achselgehstützen können jedoch so- nige Stifte benötigt. Bei digitalem Röntgen ist der Vergrö-
fort benutzt werden, wenn die Schmerzen es zulassen. ßerungsfaktor variabel, aber zumeist kann bei solchen
Röntgenaufnahmen ein Marker oder eine Skala genutzt
372 15 Unterarmfrakturen

a c

Präoperative Planung

1. Rückenlage/Armtisch/Blutsperre (keine Blutleere)


2. Zugang nach Henry (anterior) zum Radius
3. Darstellung ohne zirkuläres Weichteilstripping, Zahnarzthaken
2. Schraube
4. Reposition → interfragmentäre Schraube
Kompression
5. Neutralisationsplatte -7-Loch LCDC-Platte
(zentrales Loch frei lassen)
6. Ulnarer Zugang zur Elle: zwischen M. extens. carpi ulnaris +
1. Schraube M. flexor carpi ulnaris
neutral 7. Bei der Reposition darauf achten, dass keine Trümmerfragmente
auf der Membrana interossea liegen.
8. Kompressionsplatte
Schraube 1-Loch 6 (proximal) neutral
Schraube 2-Loch 2 (distal) Kompression
Besetzen der Plattenlöcher 3/5/7 neutral
9. Intraop. Durchleuchtung + Überprüfen des
Bewegungsausmaßes
10. Verschluss von Subkutangewebe + Haut, Drainage b. Bedarf
11. Keine Ruhigstellung!

15
b

Abb. 15.5 Ein Beispiel für eine präoperative Planung. c Postoperative Röntgenaufnahmen. Zu beachten ist die Ähn-
a A.–p. und seitliche Röntgenaufnahmen einer dislozierten Un- lichkeit zwischen den Aufnahmen und der Zeichnung auf dem
terarmfraktur. Operationsplan.
b Darstellung eines tatsächlichen Operationsplans mit den ein-
zelnen Operationsschritten, dem Osteosynthesematerial und
der benötigten Ausrüstung.
Operative Therapie 373

werden, um die richtige Größe zu kalkulieren. Mittler- der Patient zur Versorgung weiterer Frakturen in Bauch-
weile gibt es für den Computer verfügbare Implantatmo- oder Seitenlage befinden, ist es sinnvoll, die Patienten
delle, die es im Rahmen der präoperativen Planung er- wieder in die Rückenlage zu legen, bevor die Versorgung
lauben, anstelle der Stift- und Papiermethode das Im- der Unterarmfraktur erfolgt.
plantatmodell direkt auf das digitale Röntgenbild zu le-
gen.
Bildgebung
Die präoperative Planung sollte aus 2 wichtigen Teilen
bestehen: einer Zeichnung der Frakturfragmente mit dem Eine intraoperative Bildgebung des gesamten Unterarms
geeigneten Implantat und einem Operationsplan, welcher ist essenziell. Der Mini-C-Arm reduziert zwar die Strah-
alle notwendigen Schritte der Operation auflistet. Der lenbelastung und kann vom Operateur bewegt werden,
Plan sollte allumfassend sein, die Lagerung einschließen, das kleine Sichtfeld schränkt jedoch den Gebrauch bei
das Abdecken, die Blutsperre, die Anästhesie, den opera- Unterarmfrakturen ein. Eines der Hauptziele der operati-
tiven Zugang, die Schritte der Frakturreposition und Im- ven Versorgung ist die anatomische Wiederherstellung
plantation des Osteosynthesematerials, den Wundver- der Radiusform. Um dies zu erreichen, muss die Bild-
schluss, den Verband und die Schiene. Abb. 15.5 zeigt gebung einen Überblick über den gesamten Radius auf
den präoperativen Plan einer Ulna- und Radiusfraktur. einem Bild geben, was nur beim normal großem Rönt-
Der Vergleich der postoperativen Röntgenbilder mit gengerät oder einem planaren Röntgen möglich ist.
dem Plan zeigt, dass das Endergebnis dem präoperativen
Bild bemerkenswert ähnlich sieht.
Anatomie und Wahl des operativen Zugangs
Die operative Anatomie des Unterarms ist komplex, und
Lagerung und Abdeckung
jeder Zugang zum Radius bringt die Gefahr einer intra-
Die Lagerung und Abdeckung bei Radius- und Ulnafrak- operativen Verletzung der neurovaskulären Strukturen
turen kann in Rückenlagerung mit 90° abduziertem Arm mit sich. Zum Verständnis der operativen Anatomie des
auf einem röntgendurchlässigen Armtisch erfolgen. Dabei Unterarms ist es am einfachsten, das Hauptaugenmerk
kann der Arm supiniert oder proniert werden, um einen auf die 3 Hauptmuskelgruppen, welche jeweils von ver-
volaren oder dorsalen Zugang zu erlauben. Beim Zugang schiedenen Nerven versorgt werden, zu legen (Abb. 15.6).
zur Ulna ist der Ellenbogen 90° flektiert. Dadurch können Eine Inzision, welche zwischen 2 Muskelgruppen ge-
der Operateur und der Assistent auf beiden Seiten des macht wurde, verläuft durch eine der internervalen Ebe-
Armtischs sitzen. Eine Blutsperre sollte so weit proximal nen. Sind die internervalen Ebenen einmal verstanden,
wie möglich am Oberarm angebracht werden, und der ist die Lokalisation der neurovaskulären Strukturen, auf
Ellenbogen sollte mit abgedeckt werden, damit eine aus- die man während des jeweiligen Zugangs trifft, einfach
reichende Flexion und Extension möglich ist. Sollte sich zu erlernen.

A. radialis u. oberflächlicher Art volar/Henry-Zugang Abb. 15.6 Die Muskelgruppen


des N. radialis M. flex. carpi radialis
oder Blöcke zeigen die interner-
M. palmaris longus valen Ebenen des Unterarms.
M. brachioradialis
Eine Gruppe ist das „mobile
M. flexor digitorum
Bündel“, eine andere Gruppe
superficialis
M. extensor carpi sind die flektierenden und pro-
radialis longus nierenden Muskeln und die drit-
te Gruppe sind die Extensoren.
M. flexor
M. flexor
N. medianus
pollicis
longus
A., V. ulnaris
Radius

M. extensor 15
carpi radialis M. flexor digit.
brevis profundus

dorsaler Zugang N. interosseus


n. Thompson
M. abductor pollicis longus ulnarer Zugang
M. extensor digit. M. ext. carpi ulnaris
N. interosseus posterior M. extens. digitor. minimus
374 15 Unterarmfrakturen

Die erste Muskelgruppe ist das sog. „mobile Dreierbün- Muskeln. Der N. ulnaris verläuft volar des FCU, zwischen
del“, welches in Supination die proximale und laterale FDP und FDS, sodass zur Schonung des Nervs darauf ge-
Grenze des Unterarms bildet. Diese 3 Muskeln sind der achtet werden muss, dass der Zugang nicht zwischen
M. brachioradialis, der M. extensor carpi radialis longus diesen beiden Muskeln verläuft. Am distalen Ende des
(ECRL) und der M. extensor carpi radialis brevis (ERCB). Zugangs zur Ulna ist der dorsale Hautast des N. ulnaris
Der N. radialis innerviert den M. brachioradialis und den in Gefahr, geschädigt zu werden. Dieser dorsale Ast ent-
ECRL, während der R. profundus nervi radialis den ERCB springt ca. 5 cm proximal vom Handgelenk und kreuzt
innerviert. Obwohl diese Muskelgruppe von 2 Nerven nach dorsal weiter oberflächlich zum Retinaculum exten-
innerviert wird, sollte das „mobile Dreierbündel“ als sorum. Dieser Ast sollte sorgfältig identifiziert und dar-
eine einzelne Gruppe gesehen werden, weil es durch kei- gestellt werden, wenn der distale Teil der Ulna oder der
nen operativen Zugang geteilt wird. Stattdessen verlaufen Processus styloideus ulnae exponiert werden. Die A. ul-
die Zugänge zum Unterarm entweder an der einen oder naris verläuft mit dem N. ulnaris und bleibt ebenso ge-
anderen Seite dieser Gruppe. schützt, wenn die Präparation des FCU subperiostal
Weiter ulnarwärts entlang der vorderen Unterarm- bleibt.
oberfläche ist die nächste Muskelgruppe, die Flexor-Pro- Der Radius kann entweder von volar bzw. anterior mit-
nator-Gruppe. Auch hier sollte diese Gruppe von 8 Mus- hilfe des klassischen Zugangs nach Henry (Abb. 15.8;
keln, obwohl sie von 2 verschiedenen Nerven (N. media- Video 15-1 und 15-2, DVD 2; 27) oder auf der dorsalen
nus und N. ulnaris) innerviert wird, aus operativer Sicht Seite mit dem Zugang, der von Thompson beschrieben
als einzelne Gruppe verstanden werden, da keiner der wurde (28), erreicht werden (Abb. 15.9). Beide Zugänge
Zugänge zum Radius durch diese Muskel geht oder die haben Vorteile und operative Risiken. Es gibt viele Über-
Muskelgruppe teilt. Die Flexor-Pronator-Gruppe besteht legungen, entweder den volaren oder dorsalen Zugang zu
aus drei Schichten: wählen. Die erste ist die Position der Platte in Relation zu
■ oberflächliche Schicht: M. pronator teres, M. flexor den Biegekräften der Fraktur. Eine dorsal oder dorsoradi-
carpi radialis (FCR), M. palmaris longus und M. flexor al (über den dorsalen Zugang) angebrachte Platte ist auf
carpi ulnaris (FCU); der Zugseite der Fraktur angebracht, was vorteilhaft ist
■ mittlere Schicht: M. flexor digitorum superficialis (29). Beim dorsalen Zugang liegt die Narbe jedoch an der
(FDS); am meisten ersichtlichen Stelle des Unterarms. Die Nar-
■ tiefe Schicht: M. flexor digitorum profundus (FDP), M. benästhetik sollte möglicherweise Berücksichtigung fin-
flexor pollicis longus (FPL) und M. pronator quadratus. den, besonders bei Patienten mit einer Tendenz zur hy-
pertrophen Narbenbildung. Am wichtigsten bei der Wahl
Weiter entlang des Unterarms befindet sich die Muskel- des Zugangs ist jedoch, dass dieser eine gute Sicht auf die
gruppe der Extensoren. Auch diese Gruppe wird durch Fraktur und eine Manipulation der Fraktur bei minimaler
keinen Zugang durchschnitten, obwohl sie von mehr als Gefährdung der neurologischen und vaskulären Struktu-
einem Nerv innerviert wird (N. radialis und Ramus pro- ren erlaubt. Die zwei wichtigsten Strukturen, die den Zu-
fundus nervi radialis). Die internervalen Ebenen werden gang beeinflussen, sind der R. profundus nervi radialis
durch die Extensoren begrenzt. und die Äste der A. radialis. Der R. profundus nervi radia-
Nachdem die Muskeln des Unterarms in 3 Gruppen lis innerviert alle Extensoren des Unterarms. Damit führt
eingeteilt wurden, ist es nun viel einfacher, die 3 Zugän- ein Schaden zu einem schweren Funktionsdefizit (30).
ge, die zwischen diesen Gruppen liegen, zu verstehen. Sowohl beim volaren als auch dorsalen Zugang zum pro-
Der Zugang zur Ulna ist direkt entlang ihrer Subkutan- ximalen Drittel des Unterarms kann er geschädigt wer-
grenze zwischen den Extensoren und der Flexor-Pro- den. Der R. profundus nervi radialis entspringt vor dem
nator-Gruppe. Der dorsale Zugang zum Radius liegt zwi- Epicondylus lateralis des Humerus in der Ellenbeuge aus
schen den Extensoren und dem „mobilen Dreierbündel“. dem N. radialis (31). Er durchdringt den M. supinator,
Der palmare Zugang zum Radius liegt zwischen der an- taucht anschließend durch die beiden Muskelköpfe ab
deren Seite des „mobilen Dreierbündels“ und der Flexor und schlängelt sich schließlich um die posteriore Ober-
pronator-Gruppe. Nachdem die internervalen Ebenen de- fläche des Radius. In 25 % der Fälle hat er direkten Kon-
finiert wurden, können die Gefahren jedes der operativen takt mit dem Radiushals. Dadurch kann er bei Hakenplat-
Zugangswege einfacher verstanden werden. zierung um den proximalen Radius gefährdet werden.
15 Die Ulna liegt subkutan und kann sicher und einfach Der Nerv verläuft weiter entlang des M. supinator nach
zwischen der Extensorengruppe und der Flexor-Pronator- distal und taucht ca. 1 cm proximal des distalen Endes
Gruppe erreicht werden (Abb. 15.7). Der Zugang verläuft des Muskels wieder auf. Der volare Zugang erlaubt
entlang des M. extensor carpi ulnaris (ECU) und des FCU, keine direkte Sicht auf den Ramus profundus nervi radia-
welche beide an der Ulna an einer gemeinsamen Apo- lis. Der Schutz des Nervs beruht zunächst darauf, ihn
neurose ansetzen. Dieser Zugang bildet eine internervale durch vollständige Supination des Unterams soweit wie
Ebene zwischen dem R. profundus nervi radialis (ECU) möglich vom Operationsgebiet weg zu bewegen (der
und dem N. ulnaris (FCU). Den meisten Schutz der Ner- Nerv entfernt sich dadurch nach posterior und lateral).
ven bietet die vorsichtige subperiostale Ablösung der Der M. supinator wird nun entlang seines Ansatzes auf
Operative Therapie 375

M. abductor pollicis Tuberculum Listeri


longus
M. extensor
M. extensor pollicis brevis
carpi radialis
brevis
M. extensor carpi
M. extensor
ulnaris
digitorum
M. extensor carpi communis
radialis longus

ulnarer Zugang

oberflächlicher Ast
M. flexor digitorum
des N. ulnaris
profundus
M. anconeus

M. extensor carpi ulnaris

ulnarer Zugang

a
Uln

M. flexor digitorum
profundus

Abb. 15.7 Der Zugang zum Ulnaschaft. b Die Entstehung des vollständigen Zugangs zur Ulna.
a Die oberflächliche Präparation verläuft zwischen dem M. ex-
tensor carpi ulnaris und dem M. flexor carpi ulnaris.

der Medialseite des Radius weit entfernt vom Nerv inzi- den Ramus profundus nervi radialis an der Stelle, an der
diert. Durch vorsichtiges Ablösen subperiostal des M. su- er dorsal aus dem Muskel verläuft, zu finden. Wenn der
pinator wird der Ramus profundus nervi radialis ge- Nerv einmal identifiziert ist, ist er von distal nach pro-
schützt, weil der Muskel zwischen Knochen und Nerv ximal in den M. supinator zu verfolgen.
liegt, wenn dieser vom Radius abgehoben wird. Die zweite anatomische Überlegung bei der Wahl zwi-
Im Gegensatz dazu ermöglicht und erfordert der dor- schen einem volaren und dorsalen Zugang zum Radius
sale Zugang die direkte Sicht auf den N. interosseus pos- sind die Abgänge der A. radialis. Am proximalen Unter-
terior. Dabei wird das Intervall zwischen den Unter- arm entspringt die A. radialis direkt unterhalb der Ellbeu- 15
armextensoren und dem mobilen Muskelbündel einge- ge auf Höhe des Radiushalses aus der A. brachialis. Sie
setzt. Die Präparation zwischen ECRB und Extensor digi- gibt in der Nähe des Ellbogens viele Äste ab. Die A. radia-
torum communis (EDC) führt hinunter zum M. supinator. lis recurrens entspringt direkt unterhalb des Ellbogens
Dabei kann der Ramus profundus nervi radialis auf 2 und kehrt sofort um, um in den Oberarm hinauf zu zie-
Arten gefunden werden. Der Nerv kann aus der Mitte hen. Initial liegt sie auf dem M. supinator und weiter
des M. supinator von proximal nach distal freipräpariert proximal zwischen dem M. brachialis und dem M. bra-
werden. Es ist im Allgemeinen jedoch einfacher, die dis- chioradialis. Die initiale Strecke der A. radialis recurrens,
tale Grenze des M. supinator zu identifizieren und dann während der sie auf der volaren Oberfläche des M. supi-
376 15 Unterarmfrakturen

N. cutaneus Epicondylus lat. humeri


antebrachii
lateralis

M. brachioradialis

M. flexor carpi
radialis

A. radialis
Processus N. medianus
styloideus
radii N. medianus,
A. brachialis
M. pronator teres

Bizepssehne

oberflächl. N. radialis
Inzision im mit dem M. brachioradialis
A. + N. ulnaris M. supinator zurückgehalten

Sehne des
M. pronator
M. flexor digitorum teres
superficialis

M. pronator
quadratus
N. medianus,
A. brachialis
Bizepssehne

A. radialis,
M. flexor carpi radialis

Abb. 15.8 Der palmare Zugang zum Unterarm.


a Oberflächlicher Zugang.

nator liegt, führt zu einer Gefährdung während des vola- Der Rest der operativen Anatomie des Unterarms ist re-
ren Zugangs zum Radius. Sie gibt viele Muskeläste zum lativ einfach. Der N. radialis superficialis verläuft entlang
M. brachioradialis in dieser Region ab, die die Schnittebe- der Unterfläche des M. brachioradialis und kann relativ
ne des volaren Zugangs kreuzen. Daher müssen diese sicher gemeinsam mit diesem Muskel retrahiert werden.
Äste identifiziert und ligiert werden, bevor der M. supi- Die A. radialis wird proximal von der medialen Kante des
nator freigelegt wird. Insbesondere bei muskulösen Un- M. brachioradialis bedeckt und liegt zwischen dem M.
terarmen ist der Situs an dieser Stelle sehr tief, und die brachioradialis und dem M. pronator teres. Weiter distal
Identifikation und Ligatur dieser Arterien muss in der liegt sie oberflächlicher zwischen dem M. brachioradialis
15 Tiefe dieses operativen Zugangs erfolgen. und dem FCR, bedeckt von der oberflächlichen und tiefen
Demzufolge machen die Autoren folgende Vorschläge Faszie. Die Arterie besitzt auf der gesamten Strecke 2
zur Wahl des operativen Zugangs zum Radius: Begleitvenen, die die Identifikation der Arterie erleich-
■ proximales Drittel: dorsaler Zugang, ausgenommen bei tern. Die Arterie wird beim volaren Zugang zum Radius
einer hohen Wahrscheinlichkeit von hypertropher Nar- mit dem FCR nach medial gehalten.
benbildung oder sehr dünnem Unterarm (in diesen Fäl-
len ist der volare Zugang zu gebrauchen),
■ mittleres Drittel: volarer Zugang,

■ distales Drittel: volarer Zugang.


Operative Therapie 377

oberflächlicher Ast
des N. radialis
M. supinator

Radius
M. pronator teres Bizepssehne
M. flexor carpi radialis

M. supinator

M. brachioradialis und
oberflächlicher Ast
des N. radialis
Unterarm in
Pronation

Radius
Periost

Abb. 15.8 (Fortsetzung)


b Tiefgehender Zugang. Zu beachten ist die Relation zum Ramus profundus nervi radialis.

geführt werden kann. Dadurch kann wertvolle Zeit mit


Operative Techniken
Blutsperre gespart werden, die später während der Ope-
Ulna ration des Radius dringend benötigt wird. Zudem konnte
gezeigt werden, dass Patienten, bei denen keine Blutsper-
Wie zuvor diskutiert sollte der Patient auf dem Rücken re angelegt wurde, weniger postoperative Schmerzen
gelagert werden. Die Inzision verläuft direkt entlang der hatten (32). Direkt nach Hautinzision wird die gemein-
subkutanen Grenze der Ulna, welche durch Palpation same Aponeurose des FCU und des ECU sichtbar. Nun
entlang der Ulna identifiziert werden kann (Video 15-2, kann entlang der Aponeurose die dünnste Stelle der
DVD 2). Die Länge der Inzision wird durch die Fraktur- Schicht palpiert und die Ulna getastet werden. Diese 15
morphologie bestimmt, generell sollte sie 3 – 5 cm auf Schicht entspricht dem Intervall zwischen FCU und ECU.
jeder Seite über die Fraktur hinaus gehen. Man kann Von distal kann die tiefe Faszie nun parallel zur Hautin-
mit einer relativ kurzen Inzision beginnen und sie bei zision inzidiert werden. Weiter proximal verlaufen einige
Bedarf nach Exposition der Fraktur verlängern. Bei Ver- Fasern des ECU über der Ulna, sodass diese inzidiert wer-
sorgung von Frakturen beider Unterarmknochen ist es den müssen, um den Knochen zu erreichen. Eine Durch-
möglicherweise vorteilhaft, mit dem Aufpumpen der trennung der Muskelfasern sollte, wann immer möglich,
Blutsperre bis zum Zugang zum Radius zu warten, da minimiert werden. Nun wird die Frakturregion sorgfältig
der Zugang zur Ulna auch einfach ohne Blutsperre durch- untersucht, um zu bestimmen, ob das Periost dorsal oder
378 15 Unterarmfrakturen

Tuberculum
dorsale Hautinzision
M. abductor Listeri
n. Thompson
pollicis
M. extensor carpi longus
M. extensor radialis
digitorum brevis (ECRB)
communis

M. extensor carpi ulnaris

M. extensor pollicis
a brevis
M. abductor
M. pronator
M. extensor carpi pollicis longus
teres
N. interosseous posterior radialis brevis
dargestellt durch den M. supinator
von distal nach proximal

M. extensor digitorum communis

Arm in voller
Processus
Supination
styloideus
b radii
M. pronator teres

Insertion des
M. supinator

15

dynamische Kompressionsplatte

R. profundus nervi radialis


c
Operative Therapie 379

◀ Abb. 15.9 Der dorsale Zugang zum Unterarm. c Tiefgehende Präparation. Zu beachten ist die Beziehung zum
a Hautinzision. Ramus profundus nervi radialis.
b Mittlere Präparation.

palmar durch das Trauma von der Oberfläche der Ulna Fingern des Operateurs erfolgen. Nach Erreichen einer
abgetragen wurde. Die Platte kann je nach Frakturmor- korrekten Reposition sollte eine Repositionszange ortho-
phologie sowohl volar als auch dorsal auf die Ulna plat- grad zum Frakturspalt angelegt und verschlossen werden.
ziert werden (Abb. 15.10). Sollte die Frakturmorphologie Dieses ist allerdings nur bei Schrägfrakturen oder Spiral-
die Platzierung der Platte auf beiden Seiten erlauben, frakturen möglich; Querfrakturen können nicht mit einer
sollte die Platte auf der Seite mit der stärkeren Periostab- Repositionszange gehalten werden.
lösung platziert werden. Dadurch wird ein Ablösen vom
Knochen an der gesamten Zirkumferenz vermieden.
Schräg- und Spiralfrakturen
Die Frakturenden müssen gründlich, aber behutsam
von aufgelagerten Blutkoageln, Periost und Muskel befreit Sowohl Schräg- als auch Spiralfrakturen sollten mit einer
werden. Die Frakturen müssen nun in einer atraumati- interfragmentären Zugschraube zur Maximierung der
schen Technik reponiert werden. Der Gebrauch einer Kompressionskräfte durch die Fraktur versorgt werden.
„Lion Jaw“- oder „Alligator“-Klemme“ führt zu einer zu- Die Fraktur muss anatomisch reponiert und fest ver-
sätzlichen periostalen Ablösung und einer Verletzung des klemmt werden, während die Schraube eingebracht
Periosts um die Klemme und sollte nur als letzte Mög- wird. Die interfragmentäre Schraube sollte senkrecht
lichkeit in Betracht gezogen werden. Eine vorsichtige Re- zum Frakturspalt in Zugschraubentechnik eingebracht
position der Fragmente kann häufig durch axialen Zug werden (29). Um das Risiko eines Fortlaufens der Fraktur
am Unterarm (gewöhnlich durch die Hilfe eines Assisten- vom Schraubenloch zum Frakturende zu verringern,
ten) und durch eine behutsame Manipulation mithilfe muss die Schraube mindestens mit einer Entfernung
eines Zahnarzthakens, einer stumpfen Klemme und den von 2 Schraubendurchmessern vom Frakturrand entfernt

15

a b

Abb. 15.10 Plattenosteosynthese der Ulna. a Dorsal.


b Palmar.
380 15 Unterarmfrakturen

eingebracht werden (2 × 3,5 mm = 7 mm von der Fraktur keine adäquate Stabilisation der Unterarmknochen bieten
bei 3,5-mm-Schrauben). Der Gebrauch von kleineren (6). Eine schmale 2,7-mm-Platte funktioniert gut bei
Schrauben ist vorteilhaft, da die Köpfe von 2-mm- und Frakturen der distalen Ulna. Es ist allgemein akzeptiert,
2,4-mm-Schrauben flach sind und die Platte, falls not- dass bei nichtosteoporotischem Knochen und gutem Griff
wendig, auf der Schraube positioniert werden kann. der Schrauben 6 Kortikalis- (3 bikortikale) Schrauben
Zudem können beim Einsatz von kleineren Schrauben oberhalb und unterhalb der Fraktur zu einer adäquaten
möglicherweise 2 Interfragmentärschrauben durch den Fixation führen. Falls möglich kann eine interfragmentäre
Frakturspalt geführt werden, womit die Rotationsstabili- Zugschraube durch ein Schraubenloch in der Platte plat-
tät erhöht wird ohne die Ausrisskraft zu kompromittie- ziert werden, nachdem die plattennahe Kortikalis über-
ren (Abb. 15.11). bohrt wurde. Die von den Autoren bevorzugte Methode
Nachdem die Interfragmentärschrauben platziert wur- ist der Gebrauch einer einzelnen 3,5-mm-Interfragmen-
den, wird eine Neutralisationsplatte angebracht. Da die tärschraube oder zwei 2-mm-Schrauben mit anschlie-
Fraktur durch die Zugschrauben bereits unter Kompres- ßendem Anbringen einer separaten Neutralisationsplatte
sion steht, kann keine weitere Kompression mehr erzielt an der volaren oder dorsalen Knochenoberfläche, wo das
werden. Daher sollte die Platte mit allen Schrauben in Periost schon abgelöst ist (Abb. 15.12).
Neutralposition implantiert werden. Da die Ulna gerade
ist, ist es nur an den distalen oder proximalen Knochen-
enden notwendig, die Neutralisationsplatte zu biegen.
Für Frakturen des mittleren und proximalen Ulnadrittels
ist eine 3,5-mm-DCP (Dynamic Compression Plate) ideal
(29, 33). Größere Platten erzeugen eine schädliche Span-
nung (siehe auch Diskussion über 4,5-mm-Platten im Ab-
schnitt Komplikationen), während Drittelrohrplatten

15
a b

Abb. 15.11 Ein Beispiel für den Gebrauch von Zugschrauben b Die postoperativen Röntgenbilder zeigen eine Osteosynthe-
mit Neutralisationsplatte. se der UIna mit zwei interfragmentären Zugschrauben und
a A.–p. und seitliche Röntgenaufnahmen eines Unterarms, die einer 8-Loch-Neutralisationsplatte von dorsal.
eine Schrägfraktur der Ulna mit einem weiteren nichtdislozier-
ten Fragment und eine mehr quer verlaufende Fraktur des
Radius zeigen.
Operative Therapie 381

a b

Abb. 15.12 Osteosynthese einer isolierten dislozierten Ulna- b Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigen die Osteosyn-
fraktur. these der Ulna mit 2,0-mm-Minifragment-Zugschrauben und
a Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen des Unterarms einer 7-Loch 3,5-mm-Neutralisationsplatte.
zeigen eine etwas schräg verlaufende Ulnaschaftfraktur mit
einem zusätzlichen Fragment.

den. Die übrigen Schraubenlöcher werden mit Schrauben


Querfrakturen
in Neutralposition besetzt. Falls notwendig, können auch
Bei Querfrakturen muss die Kompression mit der Platte mehrere Kompressionsschrauben eingebracht werden.
erreicht werden, da eine Zugschraube nicht implantiert Auch hier sind 6 Kortizes oberhalb und unterhalb der
werden kann. Die Platte sollte etwas vorgebogen werden, Fraktur notwendig (Abb. 15.13).
sodass sie in Höhe der Fraktur mit ihrer Konkavität etwa
1 mm Abstand zum Knochen hat. Durch die vorgebogene
Trümmerfrakturen
Platte wird sichergestellt, dass bei angebrachter Kom-
pression auch die von der Platte entfernte Knochenseite Trümmerfrakturen stellen eine große Herausforderung
unter Kompression gebracht wird. Es ist auch möglich die dar, da ein größerer Schaden der ossären Blutzufuhr das
Platte schon während der Reposition zu platzieren, um Risiko einer Pseudarthrose erhöht. Aus diesem Grund ist
sicherzugehen, dass Kontur und Passgenauigkeit richtig die Vermeidung periostaler Ablösungen von noch größe-
sind. Anschließend wird die Platte durch den Operateur rer Bedeutung. Bei Trümmerfrakturen ist es zudem teil-
gehalten, während die erste Schraube durch die Platte in weise unmöglich, die Frakturfragmente wieder aneinan-
Neutralposition platziert wird. Die Fraktur kann dann bei der zu reihen, weshalb es möglicherweise keinen Weg 15
eingebrachter Platte reponiert und die Gegenseite der gibt, die korrekte Länge zu bestimmen oder ein korrektes
Platte mit einer Klemme oder durch den Operateur auf Alignment zu erreichen. Als generelle Regel gilt, dass es
dem Knochen fixiert werden. Wie zuvor geschildert ist bei mehr als 2 eingefügten Frakturfragmenten besser ist,
der Gebrauch von Klemmen zu minimieren, um die Ab- die Länge und das Alignment mittels überbrückender
schälung oder Verletzung des Periosts zu minimieren. Plattenosteosynthese wiederherzustellen. Zur Erinnerung
Nach Reposition der Fraktur sollte gegenüber der ersten kann gesagt werden, dass der Unterarm gut durchblutet
Schraube auf der Gegenseite der Fraktur eine Kompressi- ist und selbst kleine Knochenfragmente einheilen, solan-
onsschraube in exzentrischer Position implantiert wer- ge eine Restdurchblutung erhalten geblieben ist.
382 15 Unterarmfrakturen

Abb. 15.13 Kompressionsplattenosteosynthese zur Stabilisie-


rung einer Querfraktur.
a Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen des Unterarms
eines Jugendlichen zeigen eine Querfraktur der Ulna und des
Radius.
b Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigen die anatomi-
sche Reposition und Osteosynthese beider Knochen mit einer
Kompressionsplatte. Zu beachten ist, dass in diesem Fall keine
interfragmentären Schrauben implantiert wurden.
c Abschließende Röntgenaufnahmen.
c

Falls die zwischenliegenden Fragmente groß genug für gewählt und über die gesamte Fraktur aufgespannt wer-
eine Rekonstruktion sind, müssen alle Knochenteile an den (Abb. 15.14). Die Platte sollte so lang sein, dass 8
den Enden von Blutkoageln und Weichteilgewebe befreit Kortizes ober- und unterhalb der Fraktur möglich sind.
werden. Es ist zudem notwendig die Frakturenden wäh- Da eine frühe Beweglichkeit immer das Ziel der Behand-
rend der Reposition klar zu erkennen, um kleine Ein- lung von Unterarmfrakturen ist, sollte die Frakturstabili-
buchtungen entlang der Knochenenden einpassen zu tät nach Beendigung der Fixation getestet werden, um
können. Dafür muss das Periost z. B. mit einem scharfen sicherzugehen, dass eine adäquate Stabilität erreicht wur-
Skalpell ca. 1 mm vom Ende der Fraktur abgelöst werden. de.
Wenn undislozierte Fragmente bestehen, sollten diese Falls die Fraktur stark zertrümmert ist und eine ana-
mit einer interfragmentären Schraube gesichert werden, tomische Rekonstruktion aller Fragmente nicht möglich
um sicherzustellen, dass diese Fragmente nicht abbre- ist, sollte eine überbrückende Plattenosteosynthese erfol-
chen oder dislozieren, während am Knochen manipuliert gen. In diesem Fall wird die gesamte Umgebung der Frak-
wird. Mit 2,0- oder 2,4-mm-Schrauben können auch sehr tur unberührt gelassen (Abb. 15.15). Die Implantation
schmale Fragmente gesichert werden. Jedes Fragment einer Brückenplatte erfordert lediglich die Freilegung
15 sollte der Reihe nach am verbliebenen intakten Schaft der Knochenoberfläche zur Anbringung der Platte am in-
gesichert werden. Idealerweise werden 2 interfragmen- takten distalen und proximalen Kortex. Die Platte kann
täre Zugschrauben durch jeden Frakturspalt zur Rotati- über die Frakturfragmente und das Frakturhämatom ge-
onssicherung platziert, welches am einfachsten mit legt werden. Häufig sind radiologische Kontrollen zur Be-
2,0 mm erreicht werden kann. Durch das Zusammenfüh- stimmung der richtigen Frakturlänge notwendig. Zur Be-
ren von passenden kleinen Knochenfragmenten ist es stimmung der Länge kann entweder das distale oder pro-
leichter die passende Länge und das korrekte Alignement ximale Radioulnargelenk in korrekter Position fixiert und
des Knochen zu erzielen. Nachdem alle Fragmente mit die Platte angelegt werden (34). Die Länge kann außer-
Schrauben gesichert wurden, sollte eine lange Platte aus- dem bestimmt werden, indem die kontralateralen unver-
Operative Therapie 383

a b

Abb. 15.14 Osteosynthese einer Trümmerfraktur des Unter- b Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigen die Repositi-
armes. on und Osteosynthese der Ulna mit mehreren kleinen inter-
a Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen des Unterarmes fragmentären Zugschrauben und einer langen 9-Loch Neutrali-
zeigen eine Trümmerfraktur sowohl der Ulna als auch des Ra- sationsplatte.
dius. Zu beachten ist das kurze Stückfragment der Ulna.

Abb. 15.15 Überbrü-


ckende Osteosynthese.
a Die a.–p. und seitlichen
Röntgenaufnahmen des
Unterarms zeigen eine
Schussverletzung mit
Trümmerfraktur des dis-
talen Drittels des Radius.
Zu beachten ist die Ver-
kürzung des Radius in
Relation zur Ulna.
b Die postoperativen
a.–p. und seitlichen
Röntgenaufnahmen nach
Versorgung des Radius
mit einer überbrücken-
den Plattenosteosynthe-
se. Die Länge und Form
des Radius wurden wie-
derhergestellt, während
die Trümmerzone durch 15
die Platte nur überspannt
wurde. Es wurde kein
Versuch zur anatomi-
schen Reposition aller
Fragmente unternom-
men. Zur Stabilisierung
des größten Fragments
wurden allerdings zwei
a b Minifragment-Zugschrau-
ben (2,7 mm) eingesetzt.
384 15 Unterarmfrakturen

letzten Unterarmknochen gemessen und als Modell ver- werden. Dabei sollte zum Schutz der Muskeläste des
wendet werden. Ramus profundus nervi radialis zum M. supinator sorg-
fältig vorgegangen werden. Wenn der Nerv vollständig
Dorsaler Zugang zum Radius identifiziert wurde, sollte der Arm vollständig supiniert
werden, um den R. profundus nervi radialis so weit wie
Der Patient liegt in Rückenlage, und am Arm wird eine möglich vom Radius weg zu bewegen. Der M. supinator
Blutsperre angelegt. Nun werden proximal der laterale sollte nun scharf entlang seines Ursprungs an der vor-
Epikondylus des Humerus und distal das Tuberculum lis- deren Oberfläche des Radius inzidiert werden. Die exakte
teri des Radius palpiert. Die Inzision sollte gerade oder Position des Nervs muss zu jeder Zeit des Ablösens des M.
leicht gekrümmt, direkt vor dem lateralen Epikondylus supinator erkennbar sein. Der M. supinator kann nun
beginnend und distal an der ulnaren Seite des Tubercu- vom Radiusschaft abgehoben werden. Das kann zur Be-
lum listeri endend verlaufen. Um eine zu große Inzision lassung von Muskelgewebe zwischen dem Knochen und
zu vermeiden, sollte mit einer Inzision, die 3 – 5 cm auf dem Nerv mittels subperiostaler Abhebung erfolgen.
jeder Seite über die Fraktur hinausgeht, begonnen wer- Im mittleren Drittel des Unterarms kreuzen der APL
den. Das subkutane Fett sollte von der unterliegenden und EPB den Radius. Zusätzlich zur Inzision der Faszie
Faszie getrennt werden, damit das Intervall zwischen entlang der proximalen APL-Grenze muss die Faszie ent-
dem ECRB und dem EDC gesehen werden kann. Die Fa- lang der distalen Grenze des EPB freigelegt werden,
sern beider Muskeln verlaufen longitudinal. Manchmal ist damit die beiden Muskeln vom Radius abgehoben wer-
es schwierig das Intervall zwischen ihnen zu identifizie- den können und je nach Bedarf nach proximal oder distal
ren. Weiter distal ist das Intervall einfacher zu erkennen. gehalten werden können. Aufgrund einer möglichen Be-
Nach Inzision der oberflächlichen Faszie zwischen dem hinderung der Extensorensehnen und der Prominenz der
ECRB und dem EDC erfolgt das Auseinanderdrängen der dorsal platzierten Platten, sollte dieser Zugang nicht zur
beiden Muskeln durch stumpfe Präparation. Falls es Fixation von Frakturen des distalen Radiusdrittels be-
schwierig ist die Muskeln zu separieren, kann die Prä- nutzt werden (35). Sollte es jedoch notwendig sein,
paration von der intermuskulären Ebene abweichen und kann der distale Radius von dorsal exponiert werden,
stattdessen durch den Muskelbauch des einen oder des indem der ECRB und der EPL separiert und beide Muskel
anderen Muskels verläufen. Falls dies der Fall ist, sollte bis subperiostal vom Knochen abgelöst werden.
zur oberflächlichen Schicht zurückgegangen werden und
das Intervall zwischen den Muskeln erneut aufgesucht Palmarer Zugang zum Radius
werden. Weiter distal kreuzen manchmal der APL und
der EPB das Operationsfeld. Zur Erweiterung des Zugangs Der palmare oder anteriore Zugang zum Radius nach
nach distal, sollte zwischen dem ECRB und der proxima- Henry ist der vielseitigste unter den Zugängen zur oberen
len Kante des APL durch stumpfe Präparation ein Inter- Extremität. Er erstreckt sich von der Schulter bis zum
vall entwickelt werden. Der APL und der EPB können Karpaltunnel, ist der Zugang der Wahl bei Frakturen des
anschließend angehoben und nach proximal oder distal distalen und mittleren Drittel des Radius und kann auch
zurückgehalten werden, um eine Exposition des Radius bei Frakturen des proximalen Radiusdrittel genutzt wer-
in der Tiefe zu ermöglichen. den. Die Lagerung des Patienten sollte wie zuvor be-
Nachdem der ECRB und der EDC auseinandergedrängt schrieben erfolgen und eine Blutsperre angelegt werden.
wurden, liegt der M. supinator über dem proximalen Es sollte keine Blutleere angelegt werden, damit die Be-
Drittel des Radiusschafts. Wie erwähnt liegt der R. pro- gleitvenen der A. radialis besser gefüllt und damit besser
fundus nervi radialis innerhalb des M. supinator und erkennbar sind. Die Landmarken für die Hautinzision
muss nun identifiziert werden. Der Nerv kann auf 2 sind die Bizepssehne auf Höhe der Ellbeuge und der Pro-
Arten dargestellt werden. Von proximal nach distal ge- cessus styloideus radii. Die Inzision wird gerade oder
hend, kann der Ursprung des ECRB und ein Teil des Ur- leicht bogenförmig lateral der Bizepssehne beginnend
sprungs des ECRL vom lateralen Epikondylus abgelöst bis zum Styloid geführt. Der Mittelpunkt des Hautschnitts
und nach lateral retrahiert werden. Der R. profundus liegt über der Fraktur. Von dort wird er nach Notwendig-
nervi radialis kann nun im proximalen Teil des M. supi- keit erweitert. Das subkutane Fettgewebe wird zurück-
nator palpiert und vorsichtig vom Muskel abpräpariert gedrängt, sodass das Intervall zwischen dem M. brachio-
15 werden. Diese Methode ist generell schwieriger und radialis und dem FCR erkennbar wird. Das ist distal leich-
führt zu einer stärkeren Destruktion des Muskels. Bei ter als proximal, wo das Intervall zwischen dem M. bra-
Patienten, bei denen keine Blutsperre angelegt werden chioradialis und dem M. pronator teres verläuft. Der M.
kann, ist dieser Zugang unmöglich, da Blutungen aus brachioradialis bedeckt häufig mehr als die Hälfte des
dem Muskel eine gute Sicht auf den Nerv verhindern. Unterarms. Bei der Inzision der Faszie zwischen dem M.
Die einfachere Methode ist, den Nerv ca. 1 cm proximal brachioradialis und dem FCR ist Vorsicht geboten. In der
vom distalen Ende des M. supinator, wo er aus dem Mus- Mitte des Unterarms befindet sich die A. radialis direkt
kel entspringt, zu lokalisieren. Durch Vorgehen nach pro- unterhalb der Medialseite des M. brachioradialis. Daher
ximal, kann der Nerv nun vom Supinator abpräpariert ist sie bei Eröffnung des Intervalls ganz in der Nähe. Sie
Operative Therapie 385

sollte mit ihren beiden Begleitvenen identifiziert und auf


der ganzen Länge dargestellt werden. Um sie besser nach
medial zurückhalten zu können, sollte die Arterie mobi-
lisiert werden. Gelegentlich gehen viele Muskeläste von
der Arterie ab, wodurch die Mobilisation nach medial
erschwert wird. In diesem Fall kann die Arterie auch
nach lateral gehalten werden, so lange sie geschützt
wird. Der Ramus superficialis des N. radialis liegt direkt
neben dem M. brachioradialis und sollte identifiziert
werden, da seine Beschädigung zu einem lästigen Neu-
rom führen kann. Das Vorgehen in die Tiefe hängt von
der Lokalisation ab. Am distalen Unterarm liegt am Radi-
us der Ursprung des M. pronator quadratus und des FPL.
Bei supiniertem Unterarm kann das Periost des Radius
lateral der beiden Muskeln inzidiert werden, wenn diese
exponiert, nach medial angehoben und retrahiert wer-
den. Im mittleren Unterarmdrittel wird der Radius vom
M. pronator teres und vom FDS bedeckt. In Pronation ist
der Ansatz des M. pronator teres auf der Lateralseite des
Radius zu erkennen. Er kann abgelöst und nach medial
gehalten werden. Am proximalen Unterarmdrittel ist der
Ramus profundus nervi radialis gefährdet. Zur sicheren
Exposition des proximalen Radius sollte der Unterarm
supiniert werden, um den Nerv lateralwärts vom Radius
weg zu bewegen. Gleichzeitig wird dadurch der Ansatz
des M. supinator auf der Vorderfläche des Radius dar-
gestellt. Nun kann der Muskel entlang seines Ansatzes
inzidiert und vorsichtig nach lateral retrahiert werden. Abb. 15.16 Plattenposition am Unterarm. Aufgrund ihrer na-
hezu geraden Form kann das Alignment der Ulna durch gerade
Dabei muss starker Zug vermieden werden.
Platten wiederhergestellt werden. Aufgrund der natürlichen
Biegung des Radius müssen Platten, die von palmar oder dorsal
Plattenimplantation am Radius an den Radius angebracht werden, am proximalen und distalen
Ende etwas überstehen.
Die Prinzipien der Plattenimplantation am Radius sind
die gleichen, wie zuvor an der Ulna beschrieben. Es gibt
einen erschwerenden Faktor, der die Geometrie des Ra-
dius betrifft. Die Ulna ist ein gerader Knochen, sodass Anhaltspunkt dafür, dass der Bogen des Radius wieder-
eine Platte sowohl volar als auch dorsal parallel zum Kno- hergestellt wurde. Diese Hilfe sollte bei der intraoperati-
chen liegt (Abb. 15.16). Dies bedeutet, dass sogar bei stark ven Bildgebung genutzt werden. Da eine normale Kur-
getrümmerten Frakturen das Alignment der Ulna annä- vationsplatte nicht seitwärts gebogen werden kann, be-
hernd anatomisch ist, wenn der Knochen direkt an der steht die Tendenz den Knochen durch die Platte bei der
Platte liegt. Operation einer Fraktur, die über eine weite Strecke des
Im Gegensatz dazu ist der Radius ein gebogener Kno- Radius verläuft, zu begradigen. Unter diesen Umständen
chen mit einer Konvexität nach radial. Die Biegung er- kann eine leichte Biegung in die Platte gemacht werden,
laubt dem Radius die Rotation über die Ulna während welche anschließend an die Radialseite des Knochens an-
der Pronation und Supination. Eine fehlerhafte Wieder- gebracht wird und dadurch die natürliche Biegung wie-
herstellung dieser Radiuskrümmung führt zu einer Be- derherstellt.
einträchtigung der Pronation und Supination. Pro 5° Feh-
ler in der Radiusbiegung verliert der Patient 15° Rotati- Monteggia-Frakturen
onsbewegung (2, 36, 37). Aus diesem Grund sollte der 15
Radius weder nach Applikation der Platte auf der dorsa- Frakturen der Ulna mit begleitender Luxation des Radi-
len noch auf der palmaren Seite parallel zur Platte liegen. usköpfchens sind relativ seltene Verletzungen die je nach
Stattdessen sollte auf beiden Seiten eine unterschiedlich Studie etwa 1 – 16 % der Unterarmfrakturen ausmachen
große Fläche des Knochens sichtbar sein. An den beiden können (Abb. 15.17; 25). Monteggia-Frakturen weisen be-
Plattenenden sollte mehr Knochen auf der konkaven Seite kanntermaßen gegenüber anderen Unterarmfrakturen
des Radius (der ulnaren Seite) sichtbar sein. In der Mitte schlechtere Ergebnisse auf. Häufig berichten mehr als
der Platte sollte mehr Knochen auf der konvexen Seite 50 % der Patienten von nur ausreichenden, schlechten
des Radius erkennbar sein (Abb. 15.16). Das gibt einen oder unbefriedigenden Ergebnissen (38, 39). Es werden
386 15 Unterarmfrakturen

Abb. 15.17 Bado-Typ-I-Monteggia Frak-


tur mit einer Abknickung am proximalen
Drittel der Ulna und einer ventralen Lu-
xation des Radiusköpfchens.

Abb. 15.18 Monteggia-ähnliche Verletzung mit einer nach wurde die Ulna mit einer Plattenosteosynthese stabilisiert
dorsal abgewinkelten proximalen Ulnafraktur und einer impak- sowie das Radiusköpfchen entfernt und anschließend durch
tierten Radiushalsfraktur in ähnlicher Stellung. In diesem Fall eine Radiusköpfchenprothese ersetzt.

viele Komplikationen wie Pseudarthrosen, sekundäre mm-Platte eine stabile intere Fixation der Ulnafraktur
Dislokationen des Radiusköpfchens, Synostosen, Nerven- erreicht werden. Bei weiteren Frakturen (die bei Monteg-
verletzungen und Bewegungseinschränkungen berichtet. gia-Frakturen häufig sind) und Fehlen eines stabilen Kor-
Bei den Typ-II-Frakturen bzw. posterioren Monteggia-Lä- tikaliskontakts sollte eine Spongiosaplastik durchgeführt
sionen sind die Ergebnisse besonders schlecht und die werden (46). Es ist wichtig daran zu denken, dass eine
Häufigkeit von Komplikationen besonders hoch (38, Zuggurtungsosteosynthese von Olekranonfrakturen nur
15 40 – 44). Durch eine gestiegene Beachtung der Notwen- bei reinen, nichtzertrümmerten Querfrakturen, die bei
digkeit einer absolut stabilen Fixation der Ulnafraktur Monteggia-Verletzungen sehr selten vorkommen, indi-
und assoziierter Frakturen, wie z. B. des Processus ziert ist. Daher sollte das Ziel selbst bei sehr proximal
coronoideus, scheinen die ernüchternden Ergebnisse gelegenen Ulnafrakturen eine stabile Fixation mittels
etwas gebessert worden zu sein (45 – 47). einer Platte sein.
Alle Monteggia-Frakturen bei Erwachsenen sollten Um den Zugang bis zum proximalen Ende der Ulna zu
operativ versorgt werden, um frühzeitige Bewegungen erweitern, sollte die Inzision entlang der subkutanen Ul-
zu ermöglichen (Abb. 15.18). Wie zuvor beschrieben nagrenze verlaufen und am Ende an der Spitze des Ole-
kann durch interfragmentäre Schrauben und eine 3,5- kranons leicht gebogen verlaufen. Es ist generell am bes-
Operative Therapie 387

ten, die Inzision etwas zur Lateralseite des Olekranons Galeazzi-Frakturen


verlaufen zu lassen, um den N. ulnaris nicht zu gefähr-
den; dadurch wird außerdem eine Narbe genau über dem Wie Monteggia-Frakturen sind Galeazzi-Frakturen mit
Areal, mit dem der Patient den Ellbogen aufstützt, ver- 3 – 6 % der Unterarmfrakturen selten (48, 49). Sie sind
mieden. Beim Zugang zum Olekranon muss der N. ulnaris eine Kombination aus einer Fraktur des Radius (häufig
nicht unbedingt freipräpariert werden. Er kann im Sulcus am Übergang vom mittleren zum distalen Drittel) und
ulnaris belassen werden, wenn ihm gegenüber genügend einer Dislokation im distalen Radioulnargelenk (DRUG;
Vorsicht und Aufmerksamkeit aufgebracht wird. Die Au- Abb. 15.19; Video 15-3, DVD 2; 50). Eine isolierte Fraktur
toren bevorzugen zur Sicherheit des N. ulnaris die Plat- des Radius ist extrem selten, sodass sehr sorgfältig nach
zierung auf die ulnare Seite des Olekranons, sodass von Begleitverletzungen gefahndet werden muss, damit eine
ulnar nach radial gebohrt wird. Es ist außerdem möglich Verletzung des DRUG nicht übersehen wird. Es gibt ver-
die Platte direkt auf die dorsale Oberfläche der Ulna zu schiedene radiologische Hinweise zur Identifikation einer
platzieren; dies führt jedoch häufig zu prominentem Os- Dislokation im DRUG:
teosynthesematerial, welches eine Metallentfernung nach ■ eine Erweiterung des DRUG-Spaltes im a.–p. Strahlen-

sich zieht. Eine Ausnahme ist eine posteriore Monteggia- gang,


Läsion, wenn die Platte auf die dorsale Oberfläche plat- ■ eine dorsale Translation der Ulna gegenüber dem Ra-

ziert werden muss, weil das Kompression auf die Ober- dius im lateralen Strahlengang,
fläche dieser Fraktur bringt, die zu maximaler biomecha- ■ eine Fraktur der Basis des Processus styloideus ulnae,

nischer Stabilität führt (Abb. 15.18). Angestrebt wird, ■ eine Verkürzung des Radius gegenüber der Ulna von

mindestens 6 Kortizes mit den Schrauben oberhalb und mehr als 5 mm (48, 51).
unterhalb der Fraktur zu erreichen. Mit einer 3,5-mm-
Platte ist es manchmal nicht möglich, genügend Schrau- Die häufigste Frakturform des Radius ist eine verkürzen-
ben im kleinen proximalen Fragment zu platzieren. In de, schräg verlaufende oder quer verlaufende Fraktur mit
dieser Situation ist der Gebrauch einer 2,7-mm-Rekon- einer Achsabweichung nach dorsal (52 – 54). Eine präzise
struktionsplatte möglicherweise hilfreich und bietet neurologische Untersuchung ist bei diesen Verletzungen
noch ausreichend Biegewiderstand. Mittlerweile sind zusätzlich notwendig.
Platten erhältlich, die speziell für die proximale Ulna ent- Die Behandlung von Galeazzi-Frakturen bei Erwachse-
wickelt wurden. Unabhängig von der verwendeten Platte nen sollte operativ erfolgen (Abb. 15.19; Video 15-3,
muss der Ellbogen nach Fixation in alle Richtungen be- DVD 2). Viele Autoren berichteten von schlechten Ergeb-
wegt werden, um sicherzugehen dass ausreichend Stabi- nissen nach geschlossener Reposition und Gipsbehand-
lität erzielt wurde und postoperativ direkt mit Bewe- lung, die wahrscheinlich aufgrund der starken Deforma-
gungsübungen begonnen werden kann. Bei Ulnatrüm- tionskräfte des M. brachioradialis, des M. pronator qua-
merfrakturen sollten indirekte Repositionsmethoden zur dratus und der Fingerextensoren entstehen (48, 53, 54).
Wiederherstellung der anatomischen Länge einer exten- Die Radiusfraktur sollte durch den volaren Zugang nach
siven periostalen Freilegung vorgezogen werden. Ein Dis- Henry (wie zuvor beschrieben) anatomisch reponiert und
traktor oder ein Plattenspanner können gut eingesetzt stabil fixiert werden. Nach anatomischer Refixation des
werden. Die periostalen Freilegungen müssen auf ein Mi- Radius reponiert die Ulna häufig im DRUG. Dieses muss
nimum reduziert werden, um die häufigen Komplikatio- intraoperativ sorgfältig radiologisch geprüft werden. Die
nen wie Pseudarthrosen und Synostosen mit dem Radius Stabilität des DRUG muss nun durch Rotation des Unter-
zu vermeiden. arms in voller Supination und Pronation getestet werden.
Nach anatomischer Rekonstruktion der Ulnafraktur ist Falls das DRUG besonders in Pronation reponiert bleibt,
für gewöhnlich die Reposition des Radiusköpfchens er- ist keine weitere Behandlung notwendig und eine frühe
reicht. In seltenen Fällen kann das Radiusköpfchen postoperative Beübung kann erfolgen. Falls das DRUG in
durch die Kapsel oder den M. anconeus zurückgehalten Pronation instabil, jedoch in Supination stabil ist, sollte
werden. Falls das Radiusköpfchen nicht zu reponieren ist, der Arm in Supinationsstellung mobilisiert werden. Nach
muss eine separate Inzision gemacht werden, um Zugang initialer Schienung sollte die Weiterbehandlung mit einer
zum Radiusköpfchen zu erhalten und eine direkte offene Orthese oder einem Cast erfolgen, der die Flexion/Exten-
Reposition durchzuführen (Kap. 14). Es sollte nicht ver- sion im Ellbogengelenk erlaubt, während der Unterarm in
sucht werden, das Radiusköpfchen über die Ulnainzision vollständiger Supination verbleibt. Diese Behandlung 15
zu exponieren, da dadurch das Risiko von Synostosen sollte für 4 – 6 Wochen erfolgen, um ein Heilen der
stark erhöht wird. Unter Bildwandlerkontrolle sollte nun DRUG-Kapsel zu ermöglichen. Wenn das DRUG schließ-
der Ellbogen mit besonderer Aufmerksamkeit bezüglich lich sowohl in Pronation als auch in Supination instabil
der Möglichkeit einer Koronoidfraktur durchbewegt wer- ist, muss das Gelenk mit Kirschner-Drähten perkutan sta-
den. Beim Vorliegen einer Koronoidfraktur oder verblie- bilisiert werden. Es sollten 2 Kirschner-Drähte mit einem
bener Ellbogeninstabilität sollte der Processus coronoi- Abstand von 1 – 2 cm platziert werden, wobei der distale
deus versorgt werden, was nicht Inhalt dieses Kapitels ist. Pin direkt proximal vom proximalen Ende des DRUG plat-
ziert wird. Da es sich bei dem DRUG um ein knorpeliges
388 15 Unterarmfrakturen

a b

Abb. 15.19 Galeazzi-Fraktur. b Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen nach offener
a Die a.–p. Röntgenaufnahme des Unterarms zeigt eine Trüm- Reposition und innerer Fixation des Radius. Das DRUG war
merfraktur des Radiusschafts und eine offensichtliche Erweite- nach Osteosynthese stabil.
rung des distalen Radioulnargelenks (DRUG).

Gelenk handelt, sollten die Kirschner-Drähte nicht durch da viele Patienten die Möglichkeit eine Tastatur zu nut-
das Gelenk gebohrt werden. Um einen Bruch der Kirsch- zen als eine alltägliche Funktion einfordern). Schließlich
ner-Drähte zu verhindern, sollten dicke, z. B. 2 mm, Dräh- kann ein instabiles DRUG mit einer Fraktur des Processus
te verwendet und bei supiniertem Arm platziert werden. styloideus ulnae an der Styloidbasis eine Fixation des
Die Pins sollen zunächst durch die Ulna gehen und ortho- Ulnafragments erfordern. An jenem Fragment setzt der
gonal durch beide Kortizes des Radius verlaufen. Der Arm TFCC-Komplex an. Es konnte gezeigt werden, dass der
sollte anschließend in Supination in einer Orthese ruhig- TFCC-Komplex eine Hauptrolle bei der Stabilisation des
gestellt werden, um Ellenbogenextension und -flexion, DRUG spielt. Mit offener Reposition und innerer Fixation
wie bereits beschrieben, zu erlauben. (ORIF) des Styloidfragments durch eine 2,0- oder 2,4-
In jüngster Zeit gab es vermehrt Interesse an der Wie- mm-Interfragmentärschraube oder eine Zuggurtung
derherstellung der DRUG-Kapsel. Mit einem dorsalen Zu- kann eine Stabilisierung des DRUG erreicht werden (52).
gang zum Gelenk wurde das Kapselgewebe mittels Bohr- Die Ergebnisse von Galeazzi-Frakturen sind gut, falls
löchern in den Processus styloideus ulnae oder mit Fa- sie mit einer rigiden Kompressionsplatte versorgt wur-
denankern reinseriert (52). Falls das DRUG reponibel ist, den und eine adäquate Evaluation der DRUG-Stabilität
kann auf ähnliche Weise das Gelenk eröffnet werden und erfolgte (48, 58). Eine signifikant höhere Komplikations-
interponierendes Weichgewebe (für gewöhnlich die rate wurde in verschiedenen Studien gesehen, einschließ-
Sehne des ECU oder M. extensor digiti minimi) entfernt lich intraoperativen N.-radialis-Verletzungen (am häu-
werden (55 – 60). Sollte die Eröffnung des Gelenks not- figsten der R. profundus nervi radialis), welcher in
15 wendig sein, schlagen viele Autoren die gleichzeitige 7 – 19 % der berichteten Fälle verletzt war (48, 55).
Wiederherstellung des triangulären fibrokartilaginären
Komplexes (TFCC) vor, vergleichende Daten zu dieser Knochenersatz
Prozedur existieren jedoch nicht (52, 59). Nach Rekon-
struktion der DRUG-Kapsel oder des TFCC oder beidem Traditionell wurde eine Knochentransplantation bei Un-
sollte das Gelenk wie zuvor beschrieben gespickt werden. terarmfrakturen bei einer Trümmerung des Radius oder
Es ist möglicherweise besser das DRUG in Neutralposition der Ulna von mehr als 50 % des Knochendurchmessers
als in Supination zu fixieren, um den Verlust der Pronati- oder bei offenen Frakturen empfohlen (4). Die Fraktur-
on zu minimieren (die Wichtigkeit diesbezüglich steigt, heilungsraten nach routinemäßigen autogenen Knochen-
Ergebnisse 389

transplantationen solcher Frakturen wurden mit 98 % be- (69 – 71). Als Bestätigung dieser Vermutung fanden
richtet (4). Wright et al. (61) und Wei et al. (62) fanden Hofer et al. eine bessere Kallusformation beim Gebrauch
jedoch die gleichen Frakturheilungsraten (98 %) bei Un- des Point Contact Fixateur (71, 81). In einem Tiermodell
terarmfrakturen, die mit offener Reposition und innerer waren die Frakturen, die mit dem PC-Fix versorgt wurden
Fixation ohne Knochentransplantation behandelt wur- resistenter gegenüber Infektionen als Frakturen die mit
den. Aktuell scheint die routinemäßige Knochentrans- einer Standardplatte versorgt wurden (72). Der routine-
plantation von akuten Unterarmfrakturen nicht notwen- mäßige Gebrauch von winkelstabilen Platten am Unter-
dig zu sein, sollte jedoch in Fällen von segmentalem Kno- arm kann jedoch auch zu bestimmten Komplikationen
chenverlust oder bei Patienten mit Faktoren, die die Frak- führen, primär zur schlechten Frakturheilung. Winkelsta-
turheilung kompromittieren könnten, wie z. B. bei Rau- bile Platten an sich tragen nicht zur Reposition der Frak-
chern, in Betracht gezogen werden. Eine spätere Kno- tur bei sondern fixieren die Fraktur in situ (73). Das führt
chentransplantation ist eine erfolgversprechende Metho- möglicherweise zu einer versehentlichen Biegung der
de bei den wenigen Patienten mit Pseudarthrosen oder Ulna, die zu einer Radiusköpfcheninstabilität beitragen
Knochenverlust (63, 64). kann, oder zu einer insuffizienten Wiederherstellung
des radialen Bogens. Es gibt so wenige Komplikationen
Marknagelung durch den Gebrauch von Standardkleinfragmentplatten
am Unterarm, dass diese Implantate weiter die Behand-
Theoretisch ist die Marknagelung von Unterarmfrakturen lung der Wahl darstellen. In einer klinischen prospekti-
wie bei anderen langen Röhrenknochen attraktiv, da sie ven randomisierten Studie, in der der PC-Fix mit einer
die Invasivität des Eingriffs vermindert und mit einem herkömmlichen Plattenosteosynthese mit einer LC-DCP
besseren funktionellen und kosmetischen Ergebnis ver- verglichen wurde, zeigten sich gleiche klinische Resultate
bunden ist (65). Trotz dieser theoretischen Vorteile hat bezüglich der Operationszeit, der Frakturheilungszeit, der
sich die Versorgung mittels Nägeln bei Erwachsenen mit Kallusformation, des Schmerzes und des funktionellen
Unterarmfrakturen nicht durchgesetzt und scheint mit Ergebnisses (74).
schlechteren Ergebnissen, verglichen mit der Versorgung
durch Platten, assoziiert zu sein (65,66). Die Achs- und
Rotationsstabilität der intramedullären Fixation von Un- Ergebnisse
terarmen Erwachsener wird als nicht ausreichend für
eine sichere frühe Mobilisation erachtet. Trotz alledem Ergebnisse nach Unterarmfrakturen bei Erwachsenen
spielen die intramedulläre Fixation des Radius oder der sind schlecht dokumentiert, da die meisten berichteten
Ulna unter bestimmten Umständen wie z. B. bei patholo- Kollektive bei ungenügenden Follow-up-Raten klein sind
gischen Frakturen oder Frakturen mit ausgeprägtem und zudem keine validen generellen oder spezifischen
Weichteilschaden eine Rolle (67). Obwohl Verriegelungs- Ergebnis-Assessments gebraucht wurden. Goldfarb et al.
nägel zur Verfügung stehen, ist die Implantation von Nä- beschrieben zuletzt ein funktionelles Assessment für Un-
geln nicht einfach, und die Wiederherstellung des ana- terarmfrakturen von Erwachsenen (75). 24 Frakturen bei
tomischen Bogens des Radius kann schwierig sein. Der 23 Patienten wurden mit einer Kombination von objekti-
Gebrauch von intramedullärem Material ist aufgrund ven klinischen und radiologischen Ergebnissen durch-
des geraden Markkanals und des einfachen Eintritts- schnittlich 34 Monate nach operativer Versorgung um-
punkts am Olekranon an der Ulna am einfachsten (67). fangreich beurteilt. Die klinischen Ergebnismessungen
Im Gegensatz dazu erfordert die intramedulläre Fixation beinhalteten die Fragebögen Disabilities of the Arm,
des Radius einen exzentrischen Eintrittspunkt dorsal am Shoulder and Hand (DASH) und Muskuloskeletal Functio-
distalen Radius. Verriegelungsnägel können zwar eine nal Assessment (MFA), die Erfassung der Beweglichkeit
bessere Stabilität bieten, der Gebrauch von Verriege- des Unterarms und Handgelenks sowie Druck- und Griff-
lungsbolzen kann jedoch besonders am proximalen Radi- stärke. Obwohl die Patienten basierend auf dem DASH-
us den R. profundus nervi radialis gefährden (68). Bei und MFA-Score, von insgesamt guten funktionellen Er-
Gebrauch solcher Verriegelungsbolzen sollten zur Inser- gebnissen berichteten, zeigte die Messung der Unterarm-
tion kleine offene Inzisionen am neutral positionierten beweglichkeit einen signifikanten Verlust der Pronation
Arm durchgeführt werden (68). und einen Verlust der Griff- und Zugstärke. Diese Defizite
waren assoziiert mit schlechteren subjektiven Ergebnis- 15
Neue Techniken sen (75).

In jüngster Zeit wurden winkelstabile Platten eingeführt,


die auch am Unteram eingesetzt werden können
(69 – 71). Einer der Hauptvorteile von winkelstabilen Plat-
ten ist, dass durch die fehlende Kompression gegenüber
dem Knochen die Knochendurchblutung möglicherweise
besser erhalten bleibt als bei herkömmmlichen Platten
390 15 Unterarmfrakturen

Komplikationen initialen Traumas erlitten hatte. Die anderen 17 Extre-


mitäten erreichten durchschnittlich 139° Unterarmrotati-
Es gibt verschiedene generelle und behandlungsspezi- on. Eine frühere Resektion der Synostose führte zu einem
fische Komplikationen, die nach Unterarmfrakturen auf- besseren Ergebnis (77).
treten können. In einem klassischen Review konnten bei Eine häufig diskutierte Komplikation nach Unterarm-
28 % der Patienten, die operativ mit einer Plattenosteo- frakturen ist das Risiko von Refrakturen nach Metallent-
synthese versorgt wurden, Komplikationen dokumen- fernung, welche in 4 – 20 % der Fälle berichtet wurde (33,
tiert werden (76). Generelle Komplikationen beinhalten 78). Das Risiko einer Refraktur steht in Relation zur
Weichteil- und neurovaskuläre Verletzungen einschließ- Menge des Kallus, zur Dauer seit der Metallentfernung
lich Kompartmentsyndrom, Läsion peripherer Nerven und zur Größe des verwendeten Implantats. In den meis-
und muskulotendinöse Verletzungen. Da eine schlechte ten Berichten über große Raten an Refrakturen sind Pa-
Reposition und schlechte Funktion sehr häufig bei kon- tienten mit 4,5-mm-DCP eingeschlossen, welche etwas zu
servativer Behandlung von Unterarmfrakturen bei Er- groß sind und eine signifikante Osteopenie verursachen,
wachsenen auftreten, sollte fast immer eine operative weil sie die auftretenden Kräfte absorbieren und die Kno-
Behandlung erfolgen. Eine radioulnare Synostose kann chendurchblutung kompromittieren. Die Refrakturrate
sowohl nach operativer als auch konservativer Therapie scheint nach Entfernung von 3,5-Platten viel geringer zu
auftreten und ist besonders bei Patienten mit Schädel- sein.
Hirn-Trauma problematisch (76). Das palmare Kompartment des Unterarms ist das
Nach der operativen Versorgung können andere Kom- zweithäufigste Kompartmentsyndrom nach dem anterio-
plikationen wie Infektionen, iatrogene Nervenverletzun- ren Kompartmentsyndrom des Unterschenkels (79). Es
gen, schlechte Frakturheilung, Pseudarthrosen und im- sollte nicht vergessen werden, dass Kompartmentsyndro-
plantatassoziierte Probleme auftreten. Eine Pseudarthro- me nach Radius- und Ulnaschaftfrakturen, distalen Radi-
se nach Plattenosteosynthese ist häufig durch eine inadä- usfrakturen und isolierten Frakturen der proximalen
quate Fixation bedingt. Stern u. Drory fanden Pseudar- Ulna auftreten können (80). Genau wie an anderen Kör-
throsen in 17 % der Frakturen, die mit 3 Schrauben ver- perstellen muss bei einem akuten Kompartmentsyndrom
sorgt wurden, verglichen mit 4 % Pseudarthrosen, falls 5 die sofortige Fasziotomie des palmaren und manchmal
oder mehr Schrauben verwendet wurden (76). Das Bewe- des dorsalen Kompartments erfolgen. Für eine detaillierte
gungsausmaß korrelierte mit der Wiederherstellung des Beschreibung des Managements von Kompartmentsyn-
normalen Bogens des Radius. Die operativen Methoden dromen des Unterarms wird auf Kap. 3 verwiesen.
erbrachten durchschnittlich eine gute Wiederherstellung
der Anatomie (3).
Eine radioulnare Synostose ist eine seltene Komplikati- Merke
on nach Unterarmschaftfrakturen. Jupiter u. Ring berich- ■ Akzeptierte Kriterien für eine konservative Behandlung
teten über ihre Erfahrungen mit einer einfachen Exzision von isolierten Ulnafrakturen sind: maximal 50 % Disloka-
der Synostose in 80 % der Fälle und fanden 3 anatomische tion und 10° Achsabweichung.
Varianten: ■ Radiusbogen: jede 5° Verlust der Radiusbiegung ent-
■ Typ A ist eine Synostose direkt am oder etwas distal sprechen einem Verlust von 15° Supination/Pronation.
von der Tuberositas bicipitalis, ■ Gebrauche immer 3,5-mm-DCP oder -LC-DCP (niemals
■ Typ B beinhaltet eine Synostose des Radiusköpfchen 4,5 mm).
und des proximalen Radioulnargelenks, ■ Die Inzidenz von Refrakturen nach Metallentfernung bei
■ Typ C repräsentiert eine Synostose, die über den Ellen- 4,5-mm-Platten liegt bei über 20 %.
bogen hinaus bis zum distalen Oberarm reicht (77). ■ Kein Kontaktsport nach Plattenentfernung für 6 Mona-
te.
Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 34 Mona- ■ Knochentransplantation: nur falls kein kortikaler Kon-
ten trat die Synostose nur bei einem Patienten wieder takt besteht.
auf. Dieser Patient war der einzige der Serie, der zusätz- ■ Bei 25 % der Patienten liegt der Ramus profundus nervi
lich ein geschlossenes Schädel-Hirn-Trauma während des radialis im direkten Kontakt mit dem Radiushals.

15
Literatur 391

Inhalt der DVDs

Video 15-1 (DVD 2) ORIF einer isolierten Radiusfraktur. Video 15-3 (entspricht Video 14-2, DVD 2) Radiusfraktur
Dieses Video zeigt die Kompressionsplattenosteosynthese mit Kirschner-Draht-Fixierung des distalen Radioulnarge-
einer dislozierten Radiusfraktur über den palmaren Zugang lenks (Galeazzi-Fraktur, Teil der ORIF einer komplexen Ell-
nach Henry mit einer Evaluation des DRUG nach Stabilisie- bogenverletzung). Dieses Video stellt die offene Reposition
rung des Radius. und innere Fixation einer Olekranonfraktur und einer aus-
Video 15-2 (DVD 2) ORIF einer Fraktur beider Unterarmkno- gedehnten Fraktur des Processus coronoideus dar. Der Pa-
chen. Dieses Video zeigt die Plattenosteosynthese einer tient erlitt zusätzlich eine Radiusfraktur, die mit ORIF und
kompletten Unterarmfraktur eines Erwachsenen. Es erfolgt Kirschner-Draht-Fixierung des distalen Radioulnargelenkes
eine detaillierte Erläuterung des Henry-Zugangs genauso wie versorgt wurde.
die Demonstration der adäquaten Fixation des Radius und
der Ulna.

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15
394 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

16 Distale (körperferne) Speichenbrüche


P. M. Simic, J. D. Placzek
Übersetzer: A. Wentzensen

Viele Brüche am distalen Radius sind relativ unkompli- Die Ligg. radioscaphoideum und radiotriquetrum ent-
ziert und können mittels geschlossener Reposition und springen von der posterioren Fläche und unterstützen
Ruhigstellung im Gipsverband erfolgreich behandelt wer- die Handgelenkstreckung. Der palmar-radiale Aspekt der
den. Frakturen, die jedoch entweder instabil sind oder Speiche ist flach, und von der Oberfläche entspringen die
die Gelenkfläche mit einbeziehen gefährden auch die wichtigsten radial stabilisierenden Bänder des Hand-
Kongruenz des Handgelenks und des distalen radioulna- gelenks, das radiale Kollateralband und die Ligg. radio-
ren Gelenkes sowie die Kinematik dieser Gelenkabschnit- capitatum und radiotriquetrum (5, 6).
te. Der behandelnde Arzt muss deshalb die funktionelle Der distale Radius hat 3 konkave Gelenkflächen: die
Anatomie des distalen Radius wiederherstellen ohne die Fossa scaphoidea, die Fossa lunata und die Incisura ulna-
Handfunktion zu stören. Das Frakturmuster, das Ausmaß ris. Ein zentraler von vorn nach hinten laufender knö-
der Verschiebung, die Stabilität der Fraktur sowie Alter cherner Grat teilt die scaphoidale von der Mondbeinflä-
und Ansprüche des Patienten bestimmen das beste The- che, dabei haben beide Facetten sowohl in a.–p. als auch
rapieverfahren. in radioulnarer Richtung eine konkave Form. Die verdick-
Beinahe 20 % aller in Notfallambulanzen behandelten ten metaphysären Kortikalisbereiche widerstehen zuver-
Frakturen betreffen das distale Radiusende, dabei fällt lässig einer Fraktur, gleichzeitig entstehen dadurch häu-
eine zweigipflige Altersverteilung auf: Heranwachsende fig wiederkehrende Frakturmuster zwischen der scapho-
und junge Erwachsene stellen die eine, ältere Menschen idalen und Mondbein-Gelenkfläche am distalen Radius
die zweite Gruppe dar (1). Distale metaphysäre Frakturen (4, 6, 7).
schließen in ca. 50 % der Fälle das radiokarpale und/oder Die Incisura ulnaris des distalen Radius ist semizylin-
das distale radioulnare Gelenk mit ein (2). drisch und artikuliert mit dem Ellenkopf. Dreht sich der
In den letzten 20 Jahren sind zunehmend differenzierte Radius um die Elle, kommt es zur Verschiebung der dis-
äußere und innere Behandlungsverfahren für die dis- talen Elle nach volar bei der Supination und nach poste-
lozierten distalen Radiusfrakturen entwickelt worden. rior bei der Pronation. Der trianguläre fibrokartilaginäre
Dazu gehört vor allem die Verwendung perkutaner Dräh- Komplex (TFCC) entspringt am ulnaren Aspekt des Radius
te, externer Fixateure mit der Möglichkeit der Distraktion und setzt an der Basis des Griffelfortsatzes der Elle an.
und palmaren Translation, wenig auftragender Platten- Die verdickten posterioren und volaren Ränder des trian-
systeme mit Verriegelungsschrauben, und die Möglich- gulären Fibroknorpels bilden die posterioren und volaren
keit der arthroskopisch gestützten Reposition. All diese radioulnaren Bänder (8, 9). Eine radiale Fehlstellung, ins-
Verfahren haben zu einer besseren Versorgung dieser besondere eine Verkürzung, kann sowohl die Kinematik
Frakturen beigetragen. Zusätzlich haben der vermehrte des distalen Radioulnargelenks (DRUG) als auch des TFCC
Einsatz von autogener Spongiosa und Knochenersatz- verändern (5, 10, 11).
materialien die Frakturstabilität und die Ergebnisse ver- Extrinsische und interossäre Ligamente des Hand-
bessert. gelenks halten die dynamische und statische Stabilität
aufrecht. Die scapholunären und lunotriquetralen inter-
ossären Ligamente stabilisieren das Scaphoid, das Luna-
Anatomie tum und den Triquetrumkomplex der mit dem distalen
Aspekt des Radius und dem TFCC artikuliert. Die Beuge-
Der distale Radius funktioniert als Fundament für das und Strecksehnen des Handgelenks kreuzen den distalen
Handgelenk. Die Integrität der knöchernen, artikulären Aspekt des Radius und inserieren an den Handwurzel –
und ligamentären Strukturen ist Voraussetzung für die oder den Basen der Mittelhandknochen. Nur die Sehnen
Beweglichkeit und die Lastübertragung. Am Übergang des M. brachioradialis inserieren am distalen Radiusende.
des distalen Radius nimmt die Dicke des kortikalen Kno- Sie üben häufig eine deformierende Wirkung auf die
chens ab und die Masse des metaphysären Knochens zu Frakturfragmente aus (2, 6).
und bildet einen Übergang, der geradezu eine Schwach- Die Handgelenksfunktion ist abhängig von der Integri-
16 stelle gegenüber einwirkenden Kräften darstellt (3). Die tät und Ausrichtung des Radius mit seinen karpalen und
posteriore Seite des distalen Radius ist leicht konvex und ulnaren Gelenkverbindungen. Der Verlust dieser Verbin-
dient als Drehpunkt für die Strecksehnenfunktion. Die dung kann die Handgelenk- und Handfunktion erheblich
posteriore Fläche der Speichenkortikalis verdickt sich beeinflussen.
und formt das Tuberculum listeri und weitere knöcherne
Vorsprünge, die die Handgelenkstrecker unterstützen (4).
Indikationen für die Behandlung 395

Klassifikation gruenten Linien der radiokarpalen und karpalen Reihe


würde auf eine interossäre oder intrakapsuläre Ligament-
Eine Klassifikation muss die Verletzungsschwere einer pathologie hindeuten (15). Die wichtigen radiologischen
Fraktur beschreiben sowie die möglichen Behandlungs- Durchschnittswerte sind eine radiale Inklination von 23°,
optionen. Auch wenn sich bei der Mayo-Klassifikation radiale Höhe von 12 mm, volare Kippung von 11°, die
eine mäßige Intraobserverreliabilität gezeigt hat, so hat Reposition des DRUG und die radiale Weite normalerwei-
die Klassifikation von Frykman u. Melone nur eine mäßi- se im Bereich 1 mm im Vergleich zur Gegenseite (16).
ge Interobserverübereinstimmung (12). Die AO-Klassifi- Bei einer Trümmerfraktur, Fehlstellung oder komple-
kation stellt die detaillierteste und umfassendste Klassi- xen intraartikulären Ausdehnung sind Standardröntgen-
fikation dar. Wir finden sie zweckmäßig, um eine umfas- aufnahmen möglicherweise nicht ausreichend. Die CT er-
sende anatomische Kategorisierung von großen Fraktur- laubt eine genauere und vertiefte Bestimmung der Kom-
zahlen in Traumaregistern vorzunehmen. Eine signifikan- plexität der Verletzung. Eine CT sollte erfolgen, wenn
te Intraobserverübereinstimmung (p < 0,05) unter Ver- konventionelle Röntgenbilder Details unzureichend dar-
wendung der AO-Klassifikation konnte nach Reduzierung stellen und wenn eine detaillierte Untersuchung bei in-
von 27 auf 3 Frakturhaupttypen (extraartikulär, intraar- traartikulären Stufenbildungen und Spaltverschiebungen
tikulär mit einem Teil der Metaphyse intakt und intraar- notwendig ist, Faktoren, die für die Voraussage einer
tikuläre Frakturen mit kompletter Zerstörung der Meta- postraumatischen Arthrose von Bedeutung sind (17, 18).
physe) erzielt werden (6, 12, 13). Die CT ist in der Lage eine genauere Diagnose der Fehl-
A-Frakturen (extraartikulär) sind gewöhnlich Biegever- stellung, der Zahl der Fragmente und des Ausmaßes der
letzungen durch die Metaphyse, und weder die Gelenk- Beteiligung von radiokarpalem und radioulnarem Gelenk
fläche des radiokarpalen noch des radioulnaren Gelenks zu liefern (19). Die CT ist außerdem hilfreich für die Aus-
sind betroffen. B-Frakturen (teilweise intraartikulär) sind wahl des chirurgischen Zugangs durch Bestimmung der
das Ergebnis von Scher- oder Impaktionsverletzungen, volaren oder posterioren Fehlstellung, die nicht unbe-
mit der Folge von Frakturen der posterioren oder volaren dingt auf Standardaufnahmen erkennbar ist.
Kante, des Processus styloideus radii, der medialen Ecke
oder einer zentralen Gelenkfläche. Ein Teil der Gelenk-
fläche bleibt in Kontinuität mit der Metaphyse, was von Indikationen für die Behandlung
großer Bedeutung für die Stabilität der Fraktur ist. C-Frak-
turen (komplexe Gelenkbeteiligung) sind gewöhnlich Das Frakturmuster, das Ausmaß der Verschiebung der
Hochenergiefrakturen aus Scher- und Impaktionskräften. Frakturfragmente und die Stabilität der Fraktur bestim-
Die Gelenkfläche verbleibt an keiner Stelle in Verbindung men, ob eine chirurgische Behandlung oder die Ruhig-
mit der Metaphyse. Bei vielen dieser Verletzungen ist die stellung im Gipsverband erforderlich sind. Sowohl kli-
distale Radiusmetaphyse komplett zertrümmert. Sie ist nische als auch biomechanische Untersuchungen haben
definiert als Beteiligung von mehr als 50 % des Durchmes- gezeigt, dass auch Frakturen mit 1 – 2 mm intarartikulä-
sers der Metaphyse auf jedem Röntgenbild, Zertrümme- rer Verschiebung zu einem Gelenkverschleiß mit Schmer-
rung von mindest 2 Kortizes der Metaphyse oder mehr zen und Bewegungseinschränkung des Handgelenks füh-
als 2 mm Verkürzung des Radius (2, 6). ren können (5, 6, 20–22).
Verkürzungen des distalen Radiusendes von ca. 2,5 mm
oder jede verbliebene posteriore Kippung der distalen
Radiologische Untersuchung Radiusgelenkfläche führen zu einer signifikanten Zunah-
me der Axialbelastung, die auf den ulnaren Schaft über-
Da die präoperative Planung für die erfolgreiche Wieder- tragen wird (23). Biomechanische Studien haben auch
herstellung von immenser Bedeutung ist, sind adäqate gezeigt, dass bei einer posterioren Kippung des distalen
Röntgenbilder des Handgelenks von entscheidender Be- Radius der Kontaktbereich der distalen Gelenkfläche mit
deutung (14). Die ersten a.–p., seitlichen und Schrägauf- dem Skaphoid und dem Lunatum im Bezug auf die Größe
nahmen des distalen Radius sind deshalb wichtig, weil sie abnimmt und nach posterior wandert (23, 24). Eine ver-
das ganze Ausmaß und die Richtung der ursprünglichen stärkte posteriore Kippung führt außerdem zu Inkongru-
Fehlstellung zeigen. Die Schrägaufnahme ist teilweise enz im DRUG und führt zu verstärkter Spannung der
hilfreich, um Fehlstellungen der Fraktur der Os-luna- Membrana interossea mit resultierender Einschränkung
tum-Facette aufzudecken. Aufnahmen nach der Repositi- bei den Rotationsbewegungen des Unterarms (10, 25).
on zeigen verbliebene Fehlstellungen und das Ausmaß Diese Befunde deuten theoretisch darauf hin, dass Fehl-
der Zertrümmerung. Standard a.–p. Aufnahmen unter stellungen von extraartikulären Frakturen biomechanisch 16
Zug sind bei der Bestimmung hilfreich, ob es sich um unstabil sind und zu posttraumatischer Arthrose, Instabi-
eine intra- oder extraartikuläre Fraktur handelt und kön- lität des mittleren Karpus und Schmerzen führen können
nen außerdem das Vorliegen von begleitenden intrakap- (26–28). Außerdem können Patienten mit fehlverheilten
sulären oder interossären Verletzungen der karpalen extraartikulären Frakturen eine posttraumatische Ar-
Bänder aufdecken. Eine Unterbrechung der weichen kon- throse des radiokarpalen und radioulnaren Gelenks, ein-
396 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

geschränkte Handgelenksbeweglichkeit, verminderte Die exzessive Handgelenksbeugung kompromittiert je-


Handkraft und karpale Subluxation mit Instabilität des doch den Karpaltunnel und stört die normale Beugeseh-
Handgelenks entwickeln (2, 29, 30). nenfunktion. Diese Art der Immobilisierung wird nicht
In einer heute schon klassischen Studie berichteten mehr favorisiert wegen der Probleme mit dem N. media-
Knirk u. Jupiter, dass eine Verschiebung der distalen ra- nus und der Bewegungseinschränkung von Fingern und
dialen Gelenkfläche von 2 mm oder mehr in einer post- Handgelenk (35, 36).
traumatische Arthrose endet (22). Andere Untersucher Unverschobene Frakturen werden bis zur knöchernen
fanden, dass schon Verschiebungen von 1 mm zu Heilung 6 – 8 Wochen immobilisiert. Zu diesem Zeit-
Schmerz und Bewegungseinschränkung des Handgelenks punkt kann der Verband durch eine abnehmbare volare
führten (21, 31). Gut bekannt ist, dass eine intraartikuläre Schiene ersetzt werden, gleichzeitig wird mit aktiven Be-
Fehlstellung rasch zu degenerativen Veränderungen des wegungsübungen des Handgelenks begonnen. Während
Handgelenks führt (20, 22, 26). Speziell die Bedeutung der gesamten Behandlungszeit sollte das Augenmerk zu-
einer anatomischen Reposition der Fossa lunata konnte sätzlich auf die Funktion der Metakarpophalangeal- und
aufgezeigt werden (32, 33). der Fingergelenke gerichtet sein.
Eine große Menge experimenteller Evidenz unterstützt
die Prämisse, dass das Erreichen von anatomischer Repo-
sition am distalen Radius von außerordentlicher Bedeu-
Operative Behandlung
tung ist. Frakturen mit einem Verlust der radialen Höhe
von 2 mm oder mehr, Wechsel bei der radialen Inklinati-
Chirurgische Zugänge
on von 5° oder mehr, Verlust der volaren Kippung von
10° oder mehr, Verlust der Reposition im DRUG und/oder Generelle Konzepte
mit mehr als 1 – 2 mm intraartikulärer Stufe sollten repo-
niert werden. Ein chirurgisches Vorgehen wird dann er- Grundsätzlich bestimmt die Frakturmorphologie die
wogen, wenn eine akzeptable Reposition durch ein ge- Wahl des chirurgischen Zugangs. In der Vergangenheit
schlossenes Vorgehen nicht erreicht oder gehalten wer- wurden nach posterior verschobene Frakturen posterior
den kann. angegangen, sodass die Platte als Abstützung der Trüm-
Die nachteiligen Auswirkungen einer langen Immobili- merzone diente und eine erneute Dislokation nach pos-
sierung auf den Gelenkknorpel und die umgebenden terior verhinderte. Heute werden viele posterior abge-
Weichteilstrukturen wurden sowohl klinisch wie experi- kippte Frakturen über einen volaren Zugang stabilisiert.
mentell nachgewiesen (34). Eine stabile Fixation, um Mit den zahlreichen heute zur Verfügung stehenden win-
frühe Bewegung und Rehabilitation zu erlauben, muss kelsteifen Platten können auch die ganz distalen Fraktu-
das Ziel sein. Eine realistische Balance zwischen dem Er- ren in der Regel reponiert und stabilisiert werden (37,
reichen von anatomischer Reposition, Sicherung der sta- 38). Auch wenn extraartikuläre volar abgekippte Fraktu-
bilen Fixation, Verminderung des Weichteilschadens und ren in der Regel über einen volaren Zugang mit einer
frühe Rehabilitation können mit Kenntnis und Anwen- einfachen abstützenden Platte stabilisiert werden kön-
dung aktueller Techniken und Technologie verwirklicht nen, erzeugt eine winkelsteife Platte in dieser Situation
werden. eine höhere Stabilität, die eine intensivere Begleit- und
Nachbehandlung erlaubt.
Bei den intraartikulären Frakturen stehen dem Chirur-
Konservative Behandlung gen mehrere Optionen zur Verfügung. Die häufigste di-
rekte Lösung in diesem Fall ist ein offener posteriorer
Geschlossene Reposition und Ruhigstellung im zirkulären Zugang am distalen Radius mit einer Kapsulotomie, die
Verband sind unverändert die angemessene Behandlung eine direkte Darstellung der intraartikulären Reposition
für undislozierte stabile Frakturen. Diese Frakturen sind erlaubt. Dies erlaubt die direkte Plattenanlage am dis-
charakterisiert durch minimale radiale metaphysäre Zer- talen Radius und eine Spongiosaplastik zur Unterstüt-
trümmerung, wenig oder keinen Höhenverlust und keine zung der Gelenkfläche ohne Einschränkung. Im anderen
signifikante Verschiebung oder Winkelstellung. Eine gut Fall kann sich der Chirurg für eine arthroskopisch ge-
gepolsterte Schiene mit dem Handgelenk in Neutralstel- stützte Reposition und Kirschner-Draht-Spickung ent-
lung und frei beweglichen Metakarpophalangealgelenken scheiden. In diesem Fall kann eine Spongiosaplastik
mit einem lockeren Verband darüber sind in der Lage über eine posteriore Miniinzision zur Unterstützung der
eine wirklich stabile und unverschobene Fraktur ausrei- Gelenkfläche eingebracht werden. Intraartikuläre Fraktu-
16 chend ruhigzustellen, ohne dass es zu Schwellneigung ren mit großen Fragmenten können auch von der volaren
oder Bewegungseinschränkung kommt. Handgelenkseite angegangen werden. In diesen Fällen
Um eine Dislokation der reponierten Fraktur während wird der erweiterte Zugang über den M. flexor carpi ra-
der Immobilisierung zu vermeiden, wurde in der Vergan- dialis (FCR) benutzt (39). Mit dem Lösen des ersten Stre-
genheit die forcierte Handgelenksbeugung, eine extreme ckerfachs und der Insertion des M. brachioradialis erlaubt
Unterarmpronation und die ulnare Deviation propagiert. die Pronation des proximalen Fragments aus der Wunde
Operative Behandlung 397

die Darstellung der distalen Frakturfragmente und auch der Basis einer Karpaltunnelinzision verwendet werden.
eine Spongiosaplastik falls erforderlich. Dieses Vorgehen Die Inzision beginnt dort, wo Kaplans Hauptlinie die
wird durch intraoperative Kontrolle der Gelenkflächenre- Achse des vierten Metakarpale schneidet. Die Inzision
position mittels Bildwandlerdurchleuchtung unterstützt. folgt der Kurve der Thenarfalte, wird an der Hand-
Völlig unabhängig davon, welche intraoperative Taktik gelenksfalte leicht ulnar abgewinkelt und läuft dann
verfolgt wird, sollte die endgültige Reposition mindestens nach proximal über die erforderliche Distanz. Der Karpal-
mittels Durchleuchtung, besser noch, wenn möglich, tunnel kann dann in der üblichen Weise entlastet wer-
durch direkte visuelle Kontrolle der Gelenkfläche über- den, gleichzeitig wird auch die tiefe Vorderarmfaszie ge-
prüft werden. spalten. Die Beugesehnen und der N. medianus werden
beiseite gehalten, um den Boden des Karpaltunnels zu
inspizieren. Anschließend kann der M. pronator quadra-
Volare Zugänge tus wie oben beschrieben angehoben werden, um das
ganze Ausmaß des distalen Radius darzustellen. Bei der
Erweiterter M.-flexor-carpi-radialis-Zugang
Präparation wird das ulnare neurovaskuläre Bündel nach
Der häufigste Zugang zum volaren Aspekt des distalen ulnar weggehalten, während die Inhalte des Karpaltun-
Radius verläuft durch die Sehnenscheide des FCR nels (N. medianus und M. flexor digitorum superficialis,
(Abb. 16.1; Video 16-1 DVD 2). Eine ungefähr 8 cm lange M. flexor digitorum profundus und M. flexor pollicis lon-
Längsinzision wird über der Sehnenscheide des FCR ge- gus) nach radial weggehalten werden.
legt. Eine Z-förmige Erweiterung des distalen Teils der
Inzision über die volare Handgelenksfalte hinaus, erlaubt
einen weiteren Zugang zu einem Processus-styloideus-
Posteriore Zugänge
radii-Fragment. Durch das Subkutangewebe wird die
Durch den Boden des dritten Kompartments
Sehnenscheide des FCR identifiziert und inzidiert. Die
FRC-Sehne wird nach ulnar gehalten, und der posteriore Die posteriore Seite des distalen Radius wird meist über
Anteil der Sehnenscheide wird inzidiert. Der Muskel- den Boden des dritten posterioren Kompartments
bauch und die Sehne des M. flexor pollicis longus (FPL) (Abb. 16.3) erreicht. Dieser Zugang erlaubt eine vollstän-
werden nach ulnar gezogen, und der M. pronator qua- dige Darstellung des posterioren Radius vom radialen
dratus dargestellt. An seinem radialen Ansatz wird der Griffelfortsatz bis zum distalen Radioulnargelenk (DRUG).
M. pronator quadratus inzidiert unter Belassung eines Der distale Anteil des Zugangs erlaubt eine Kapsulotomie,
kleinen Randes für die spätere Rekonstruktion. Der M. eine direkte Betrachtung der Gelenkfläche und eine Prü-
pronator quadratus wird dann mithilfe eines kleinen Ele- fung der skapholunären Bandverbindung. Auf der Poste-
vatoriums oder Rasparatoriums vom vorderen Radius ab- riorseite des Handgelenks erfolgt eine 8 – 10 cm lange In-
gehoben, auf diese Weise wird der distale vordere Radius zision ulnar des Tub. listeri. Die Präparation im subkuta-
vollständig dargestellt. Die vorderen volaren karpalen nen Gewebe sollte kleine Hutnerven schonen, das dritte
Bänder sollten nicht verletzt werden. Eine verbesserte posteriore Streckerkompartment wird eröffnet, die Sehne
Mobilisierung und Darstellung der Frakturfragmente des M. extensor pollicis longus wird angehoben und nach
kann durch Erweiterung dieses Zugangs erreicht werden radial weggehalten. Das vierte Kompartment kann dann
(39). Zur Erweiterung dieses Zugangs werden die Ansätze subperiostal angehoben und nach ulnar weggehalten
des M. brachioradialis, das erste posteriore Kompartment werden, dabei sollte das Kompartment selbst nicht eröff-
und der distale Teil der FCR-Sehnenscheide scharf vom net werden. Auf ähnliche Weise können das erste und
radialen Styloid abgehoben. Dies ermöglicht die Pronati- zweite Kompartment subperiostal gemeinsam angeho-
on des proximalen Fragments aus der Wunde und damit ben und nach radial weggehalten werden. Über eine
eine verbesserte Darstellung für Reposition und Kno- Längsinzision durch die posteriore Kapsel / das posteriore
chentransplantation (Abb. 16.2). In einer aktuellen Kada- radiokarpale Ligament können die karpale Handwurzel-
verstudie mit Tuscheinjektion (Placzek et al. 39a) fanden reihe und die distale Radiusgelenkfläche dargestellt wer-
wir eine gute Blutversorgung des distalen Radiusschafts den.
und des metaphysären Anteils nach einem erweiterten
FCR-Zugang. Die Äste der A. interossea anterior, die den
Zwischen dem ersten und zweiten posterioren
ulnaren Teil des Radius versorgen, blieben bei diesem
Kompartment
Zugang erhalten.
Wenn ein großes Fragment des radialen Griffelfortsatzes
Zentraler (erweiterter) palmarer Zugang
festgemacht werden muss, empfiehlt sich ein Zugang 16
zwischen dem ersten und zweiten posterioren Kompart-
Für Frakturen, die die Lunatumfacette, die volaren karpa- ment. Es erfogt eine Längsinzision radial vom Tubercu-
len Ligamente oder das DRUG mit einbeziehen oder für lum listeri. Die Präparation im Subkutangewebe muss
Frakturen, die ein zusätzliches Lösen des Lig. carpale unter Schonung des N. radialis superficialis und des N.
transversum erfordern kann ein erweiterter Zugang auf cutaneus antebrachii lateralis erfolgen. Nach der Inzision
398 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

N. medianus
A. radialis
Fraktur-
linie M. flexor
A. radialis M. flexor
digitorum
carpi
Hautinzision superficialis
radialis
N. medianus
M. pronator M. flexor
M. flexor quadratus pollicis
carpi longus
radialis Retinaculum

Lig. radiocarpale

Frakturlinie

geteilter
Retinaculum
M. pronator
flexorum
quadratus

Platte
Zur Seite M. pronator
gehaltener quadratus
M. flexor carpi
radialis u.
M. flexor
digitorum
superficialis

Abb. 16.1 Erweiterter FCR-Zugang. Der häufigste Zugang auf b Die volare Fläche des distalen Radius wird nach Weghalten
16 der Volarseite des distalen Radius führt durch die Sehnenschei- des M. pronator quadratus dargestellt.
de der FCR-Sehne.
a Nach Weghalten der Mm. flexor carpi radialis und flexor
digitorum superficialis nach ulnar wird der M. pronator quadra-
tus entlang der gestrichelten Linie inzidiert.
Operative Behandlung 399

c d

e f

Abb. 16.1 (Fortsetzung) e Darstellung der Fläche zwischen dem M. flexor pollicis lon-
c Darstellen und Inzision der Sehnenscheide des FCR, Präpara- gus und dem radialen Septum für die Darstellung des M. pro-
tion nach distal bis auf die Höhe der A. radialis superficialis. nator quadratus.
d Weghalten des FCR nach ulnar, Schonen des N. medianus. f Ablösen des M. pronator quadratus von der radialen Inserti-
Inzision des Sehnenscheidengrunds nach distal bis auf die on, um die volare Fläche des Radius darzustellen.
Höhe des Tuberculum ossis scaphoidei.

zwischen dem ersten und zweiten Kompartment werden hoben und nach ulnar weggehalten. Das vierte Kompart-
diese subperiostal angehoben und jeweils nach radial ment kann dann subperiostal angehoben werden, um die
und ulnar weggehalten. Am distalen Ende der Inzision Frakturfragmente darzustellen.
sollte eine Verletzung der A. radialis vermieden werden,
die an dieser Stelle nahe dem ersten Kompartment ver-
Spezielle Vorgehensweisen
läuft. Über eine posteriore Kapsulotomie kann die artiku-
läre Reposition kontrolliert werden. Offene Reposition und innere Fixation
Die offene Reposition und innere Fixation wird bei der
Durch den Boden des fünften posterioren
Behandlung distaler Radiusfrakturen zunehmend häufi-
Kompartments
ger angewendet. Sowohl die limitierten offenen als auch
Wenn es sich bei der Fraktur um eine isolierte Gelenk- die erweiterten offenen Repositionsverfahren bieten eine
flächenfraktur der Fossa lunata handelt, ist ein Zugang Reihe von Behandlungsoptionen. Dabei bietet ein neues
zum distalen Radius über das fünfte Kompartment am Plattendesign mit kleineren Implantaten eine verbesserte 16
günstigsten. Eine Längsinzision verläuft über das DRUG, Frakturstabilisierung, ohne dass es zu Weichteilirritatio-
dabei sollten die Äste des N. radialis superficialis und des nen kommen muss.
posterioren Hautastes des N. ulnaris nicht verletzt wer-
den. Das fünfte posteriore Kompartment wird eröffnet
und die Sehne des M. extensor digiti minimi wird ange-
400 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

M. flexor carpi radialis Abb. 16.2 Eine verbesserte Mobilisierung und Darstellung
M. flexor Lig. radiocarpale der Frakturfragmente kann durch „Erweiterung“ des volaren
digitorum Zugangs erreicht werden.
profundus a Zeichnung des volaren Zugangs zum distalen Radius.
Frakturlinie b Die Insertionen des M. brachioradialis, das erste posteriore
Retinaculum Kompartment und die distale Portion der Sehnenscheide des
A. radialis M. flexor carpi radialis werden scharf vom Processus styloid-
eus radii abgehoben.
c Dies erlaubt die Pronation des proximalen Fragments aus
der Wunde und so eine verbesserte Darstellung für die Re-
position und Knochentransplantation.
Frakturlinie

Radius M. brachioradialis

M. pronator
(Insertion)

M. pronator
quadratus

b c

Offene Reposition und Fixation von diären Säule des Radius angepasst werden; die Platten
intraartikulären distalen Radiusfrakturen liegen in einem Winkel von 50 – 70° zueinander. Diese
(Speichenbrüchen) Fixationsmethode bewirkt eine überlegene Steifigkeit
bei allen Biegeversuchen im Vergleich zu anderen dicke-
Für intraartikuläre Frakturen des distalen Radius, beson- ren Platten, wie der 3,5 mm AO-T-Platte oder der Syn-
ders mit Trümmerzonen, die unter direkter Sicht repo- thes-π-Platte (43). Auch wenn statistisch nicht signifi-
niert werden müssen, bevorzugen wir den posterioren kant, zeigt die Doppelplattentechnik einen geringeren
Zugang über den Boden des dritten posterioren Kompart- Deformationswinkel und eine verminderte Spaltbildung
ments und die Wiederherstellung mittels einer T-Platte im Vergleich zu anderen Plattentechniken. Auch wenn
oder einer Doppelplattentechnik, wie sie von Rikli et al. eine 2-mm-Titanplatte nicht so steif wie andere Platten
propagiert wird (40–42). Bei Frakturen ohne nennens- ist, erlaubt doch die Kombination zweier Platten, die in
werte Trümmerzone und mit Fragmenten, die mit einer einem Winkel von ca. 60° zueinander platziert sind, eine
einzelnen Platte gefasst werden können, bevorzugen wir steife Fixation mit einem dünnen Profil ohne Irritation
die Locon-T-Platte, die eine stabile Fixation sichern kann der Strecksehnen (42, 43). Außerdem bieten die neuen
16 und bei der sich keine Strecksehnenirritation wie bei an- winkelsteifen 2,4-mm-Kompressionsplatten von Synthes
deren Plattensystemen zeigt (Simic et al., in review 42a). die gleichen Vorteile gegenüber der 2-mm-Titanplatte
Bei Frakturen mit zahlreichen Fragmenten, die schwer vom modularen Hand-Set und bieten gleichzeitig eine
mit einer einzigen langen T-Platte zu stabilisieren sind, erhöhte Steifigkeit und die Vorteile eines winkelsteifen
können zwei „frakturspezifische“ Minifragmentplatten Implantats.
(2 mm oder entsprechend) an der radialen und interme-
Operative Behandlung 401

(IV) Säulen
M. extensor des
digitorum distalen
communis Radius
M. extensor
(V)
indicis
M. extensor
M. extensor digiti
pollicis (III) minimi
mittlere radiale
longus M. extensor Säule
Säule
M. extensor pollicis carpi
brevis (I) ulnaris

M. abductor
pollicis longus (I)
M. extensor,
Retinaculum

Abstützung Abstützung
Doppel-
der dorsalen der dorsalen
Retinaculum extensorum Platten-
Erhöhung Inklination
4 Technik
3

AIN 5 6 1. M. extensor pollicis brevis


2 IOM 2. Mm. extensores carpi radialis
brevis und longus
3. M. extensor pollicis longus
4. M. extensor indicis,
1 M. extensor digitorum
u 5. M. extensor digiti minimi
6. M. extensor carpi
ulnaris
IOM – Membrana
interossea
Periost
AIN – N. interosseus anter.
PIN – N. inteross. posterior
A. radialis PIN ulnare mittlere Säule radiale
M. pronator d Säule Säule
c quadratus Kapsel Ligament

Abb. 16.3 Posteriorer Zugang: der posteriore Aspekt des dis- b Die Säulen des distalen Radius.
talen Radius wird meist über den Boden des dritten posterioren c Anatomischer Querschnitt des posterioren Zugangs nach An-
Kompartments erreicht. Dieser Zugang erlaubt die komplette heben der verschiedenen Strecksehnenkompartments.
Darstellung des posterioren Radius vom Styloid des Radius bis d Darstellung der Verwendung von kleinen „fragmentspezi-
zum distalen radioulnar Gelenk und erlaubt so die Fraktur- fischen Implantaten“ an den radialen und intermediären Säulen
reposition und die Fixation der betroffenen Säulen. des distalen Radius.
a Zeichnung der oberflächlichen Darstellung mit dem M. ex-
tensor retinaculum und den darunter liegenden Sehnen. 16
402 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

Man geht mit einem posterioren Zugang über den


Tipps und Tricks
Boden des dritten Kompartmentes ein (s. Abb. 16.3). Es
werden Mini-Hohmann-Haken verwendet. Die Fraktur- ■ Erhalte einen dicken subperiostalen Retinakulumlap-
fragmente, die oft impaktiert sind, werden mit einem pen, um Sehnenirritationen zu vermeiden.
Elevatorium gelöst und gesäubert. In der Regel wird das ■ Die vorläufige Fixation kann durch Verwendung von
radiale Processus-styloideus-Fragment zuerst reponiert, 1,6-mm-Kirschner-Drähten unterstützt werden. Ein
unterstützt durch Zug entlang des Daumens, des Zeige- schräg platzierter Kirschner-Draht über den Proces-
und der Langfinger. Mit einem 1,6-mm-Kirschner-Draht sus styloideus radii und ein quer platzierter Draht
kann eine provisorische Fixation erreicht werden. Der unter der subchondralen Gelenkfläche helfen jeweils
Draht wird schräg über die Spitze des Processus styloi- die radiale und intermediäre Säule zu stabilisieren.
deus eingebracht. Bei Frakturen, die mit einer einzigen
■ Biege die Platten so vor, dass sie kleinere knöcherne
langen T-Platte nicht fixiert werden können, wird eine Fragmente unter Kompression bringen und gleich-
geeignete Platte wie die Locon-T-Platte vorgebogen und zeitig helfen die 10° palmare Neigung zu halten.
■ Vorsicht bei der Stabilisierung der intermediären
am Schaft gesichert. Einzelne Fragmente können dann
Säule, Schraubenpenetration in das DRUG ist zu ver-
gefasst und mit Schrauben distal gesichert werden
meiden.
(Abb. 16.4).
■ 2,4-mm-Platten können bei größeren Patienten ver-
Alternativ können auch zwei kleinere 2-mm-Platten
wendet werden.
benutzt werden (Abb. 16.5). Abhängig von der Fragment-
■ Intraoperativ sollte die Reposition in den anatomi-
größe wird eine entsprechende Platte (T-förmig, L-för-
schen Ebenen mithilfe des Bildwandlers kontrolliert
mig, gerade) mit der notwendigen Länge (normalerweise
werden.
6 – 9 Löcher) für das radiale Griffelfragment vorgebogen.
Wenn die richtige Länge erreicht ist, wird die Platte erst
am Schaft an dem Plattenloch in der AO-Standardtechnik Offene Reposition und innere Fixation von
fixiert welches gerade proximal der Fraktur liegt. Alle extraartikulären distalen Radiusfrakturen
distalen Schraubenlöcher werden dann besetzt, da die
Fixation im metaphysären Knochen etwas dürftig sein Obwohl nach volar dislozierte Frakturen schon lange über
kann. Schließlich wird der Rest der Schrauben im pro- volare Zugänge stabilisiert wurden, hat es doch bis zur
ximalen Plattenteil entlang des Radiusschafts einge- Einführung der winkelsteifen distalen Radiusplatten ge-
bracht. dauert, bis auch die volare Fixation posterior dislozierter
Die verbliebenen Fragmente der intermediären Säulen distaler Radiusfrakturen populär wurde (37–39, 45).
werden dann reponiert. Der vorhandene metaphysäre Zahlreiche volare Verriegelungsplatten wurden zwi-
Defekt wird mit autogener Spongiosa oder Knochen- schenzeitlich eingeführt; zwei der am meisten verbreite-
ersatzstoff gefüllt, der die Gelenkfläche mit abstützt und ten winkelsteifen distalen Radiusplatten sind die Avanta-
die Heilung beschleunigt. Eine geeignete Platte wird dann SCS/V-Platte und die Hand-Innovations-DVR-Platte. Beide
so geformt, dass die Fragmente der intermediären Säule Platten haben sich bei der Anwendung sehr bewährt und
kontrolliert werden; in der Regel erfolgt dies mittels jede von ihnen hat ihre eigenen speziellen Vorteile. Das
einer T-Platte mit 2 oder 3 distalen horizontalen Schrau- anatomische Design der Avanta-SCS/V-Platte mit ihren
ben. Die Platte wird wie bereits beschrieben angelegt. Dübeln weit distal an der Platte erlaubt eine steife Fixa-
Nach Fertigstellung der Osteosynthese werden die sub- tion von Frakturen, die sehr weit distal liegen und bei
periostal angehobenen Retinakulumlappen über der Plat- denen sehr wenig Knochen für eine Verankerung im dis-
te mit 3-0 Vicryl oder ähnlichem Nahtmaterial so ver- talen Fragment zur Verfügung steht. Zum anderen wird
näht, dass keine Sehne Kontakt zur Platte hat. Der Kap- das Anbringen der Platte dadurch beschleunigt, dass alle
seldefekt wird mit nichtresorbierbaren Einzelknopfnäh- Bohrlöcher zugleich gesetzt und einzelne Schrauben
ten 3-0 geflochten achtertourig verschlossen. Eine Re- nicht benötigt werden. Die Hand-Innovation-DVR-Platte
dondrainage wird bei Bedarf 24 h belassen. Eine volare erlaubt die Platzierung mehrerer Schrauben divergierend
Unterarmschiene wird angelegt, bei der die Metakarpo- zueinander. Diese Schraubenkonfiguration gibt der Platte
phalangeal- und die Fingergelenke frei bleiben, um aktive einen theoretischen Vorteil einer höheren Ausreißkraft
Übungen durchzuführen. Ein Schiene aus thermoplas- aus dem distalen Fragment. Das System erlaubt auch die
tischem Material wird nach den ersten Nachunter- Verwendung von Gewindedrähten, wenn man mit den
suchung angefertigt und ein aktives Übungsprogramm distalen Fragmentschrauben die posteriore Kortikalis fas-
begonnen. sen möchte.
16 Es wird ein erweiterter FCR-Zugang wie bereits be-
schrieben (s. Abb. 16.1; Video 16-1, DVD 2) benutzt. Zug
mithilfe von Fingerzügen oder manuellem Zug hilft bei
der Reposition und Wiederherstellung der Länge. Frak-
turfragmente werden mit dem Elevatorium mobilisiert
und gesäubert (Abb. 16.6). Die Reposition erreicht man
Operative Behandlung 403

a b

c d

e f

Abb. 16.4 Es wird ein posteriorer Zugang durch den Boden e Intraoperatives Foto einer anderen Fraktur, die durch eine
des dritten posterioren Kompartments verwendet, der für eine einzige lange T-Platte gesichert werden kann.
exzellente Darstellung der Fraktur sorgt. f Bei Frakturen, die durch Fixation mit einer einzigen langen T-
a Intraoperatives Foto des oberflächlichen Situs. Platte gesichert werden können, wird eine geeignete Platte wie
b Intraoperatives Foto des tiefen Situs. die Locon-T vorgebogen und am radialen Schaft gesichert. Ein-
c Die Fraktur ist auf direktem und indirektem Wege reponiert. zelne Fragmente können dann gefasst und mit Schrauben dis-
d In Abhängigkeit von der Fragmentgröße wird eine passende tal fixiert werden.
Platte (z. B. T-förmig, L-förmig, gerade) mit der nötigen Länge 16
für das radiale Styloid-Fragment vorgebogen. Dann wird eine
passende Platte zur Kontrolle der intermediären Säule ange-
passt. Gewöhnlich ist das eine T-Platte mit zwei oder drei hori-
zontalen Schrauben distal.
404 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

Abb. 16.5 Distale Radiusfraktur mit


posteriorer Trümmerzone und intraarti-
kulärem Spalt und Stufe von mehr als
2 mm.
a A.–p. Röntgenaufnahme.
b Seitliche Röntgenaufnahme.
c A.–p. Röntgenaufnahme nach offener
Reposition und innerer Fixation über
einen posterioren Zugang unter Verwen-
dung zweier kleiner dünner winkelsteifer
posteriorer Platten.
d Seitliche Röntgenaufnahme nach inne-
rer Fixation.

a b

c d

mittels Zug und Anheben mit dem Elevatorium oder di- zu reponierende Frakturen können diese Platten zu-
rektem Druck über den Frakturfragmenten. Man muss nächst distal angebracht werden, um eine Verbesserung
darauf achten nicht nur die korrekte Länge, die radiale der Reposition zu erreichen. Die Plattenlage und die Lage
Inklination (d. h. das distale Fragment sollte nicht pro- der Führungsdrähte werden dann mit dem Bildwandler
niert oder supiniert in Relation zum proximalen Frag- überprüft. Wenn eine gute Reposition und Plattenlage
ment stehen). Eine provisorische Fixation kann mit 1,6- erreicht sind, werden die distalen Dübellöcher gebohrt.
mm-Kirschner-Drähten erfolgen, oft mit einem Draht di- Das Plattensetzgerät unterstützt das Einbringen der Plat-
rekt über dem Processus styloideus radii nach proximal te. Die Platte wird dann an den Schaft herangeführt, eine
sowie mit einem Draht von proximal-radial in den ulna- Schraube wird in das lange Plattenloch eingesetzt und
16 ren Aspekt des distalen Fragments. Die Verriegelungsplat- erneut wird die Reposition mit dem Bildwandler über-
te nach Wahl wird dann entsprechend den Vorgaben des prüft. Erscheint die Reposition gelungen, werden die rest-
Herstellers angebracht. lichen Schaftschrauben eingebracht.
Bei Verwendung der Avanta-Platte wird die Bohrhülse Bei Verwendung der Hand-Innovations-DVR-Platte
am länglichen Loch platziert und die Führungsdrähte in kann die Platte nach Reposition provisorisch mit Kirsch-
den mittleren Führungsdrahtlöchern distal. Für schwierig ner-Drähten gehalten werden. Wie bei der Avanta-Platte
Operative Behandlung 405

a b

c d

e f

Abb. 16.6 Einzelschritte bei der Wiederherstellung einer dis-


talen Radiusfraktur über den volaren Zugang.
a Darstellung nach Eröffnung. Die Frakturlinie ist erkennbar.
b Mit einem stumpfen Haken wird die Fraktur gesäubert.
c Vorläufige Reposition und Fixation mit einem 1,6-mm-
Kirschner-Draht.
d Nach Erreichen der anatomischen Reposition wird die volare
Verriegelungsplatte angelegt
e Die Verriegelungsplatte wird distal mit Verriegelungsschrau-
ben oder Stiften gesichert. Proximal werden normale Kortika-
lisschrauben verwendet. 16
f Für schwierig zu reponierende Frakturen kann die Platte zu-
erst distal fixiert und
g für die Reposition verwendet werden.
g
406 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

a b

Abb. 16.7 b Offene Reposition und innere Fixation mit einer volaren Ver-
a Distale Radiusfraktur mit deutlicher Trümmerzone, Verkür- riegelungsplatte.
zung, posteriorer Kippung und Instabilität.

wird die Platte zunächst über das lange Loch am Schaft geprägter Instabilität. Während des Eingriffs ist eine Bild-
gesichert. Dies erlaubt die Platte nach proximal oder dis- wandlerkontrolle zur Beurteilung von Reposition und Fi-
tal zu verschieben, falls eine Änderung erforderlich wird. xation unverzichtbar (16, 46–51).
Auch hier kann die Platte bei schwierig zu reponierenden
Frakturen erst distal angebracht und als Repositionshilfe
Tipps und Tricks
verwendet werden. Im nächsten Schritt werden mit dem
2-mm-Bohrer die proximale Dübelreihe am distalen Plat- ■ Durch Ablösen der Insertion des M. brachioradialis,
tenende platziert. Die distale Dübelreihe kann bei schwe- des ersten posterioren Streckerkompartments und
rer Zertrümmerung oder Osteoporose, die eine zusätzli- der distalen FCR-Sehnenscheide wird der Zug an
che Fixation erforderlich machen eingebracht werden der Fraktur gemindert und die Reposition erleichtert
(Abb. 16.7). (s. Abb. 16.2).
■ Der erweiterte FCR-Zugang, an vorheriger Stelle be-
schrieben, erlaubt den Zugang zu posterior dislozier-
Die Kirschner-Draht-Spickung
ten Frakturfragmenten und Knochentransplantation
Für bestimmte dislozierte Frakturen am distalen Radius von der posterioren Frakturseite her.
ist die Verwendung von perkutan eingebrachten Kirsch- ■ Bei schwierig zu reponierenden Frakturen kann die
ner-Drähten ein anerkanntes Vorgehen, sei es allein oder Platte zuerst distal angebracht werden, um die Re-
in Verbindung mit einer externen Fixation (Video 16-2, position zu erleichtern (s. Abb. 16.6 f, Abb. 16.6 g).
DVD 2). Die perkutane Kirschner-Draht-Fixation stellt ein
■ Wenn die palmare Biegung nicht vollständig er-
ausgezeichnetes Verfahren dar, vorausgesetzt der distale reicht wird, kann das distale Ende der Platte zuerst
Radius ist nicht schwer zertrümmert oder osteoporo- fixiert werden, der proximale Plattenanteil steht
dann volar vom Radius ab. Wenn die proximale Plat-
tisch, weil der trabekuläre Knochen der Metaphyse
te an den Schaft herangeführt wird, wird die ana-
wenig dauerhafte Stabilität vorhält. Das Verfahren ist be-
tomische palmare Biegung erreicht.
sonders hilfreich bei instabilen Frakturen, sowohl intra-
■ Wenn die vollständige radiale Inklination nicht er-
als auch extraartikulär, und es ist hilfreich in Kombinati-
reicht wird, kann das distale Ende der Platte zuerst
on mit anderen Fixationsverfahren.
fixiert werden, der proximale Plattenanteil liegt
Eine ganze Reihe von Techniken ist in der Literatur
dann ulnar zum Radiusschaft. Wenn dann die pro-
16 abhängig vom Frakturmuster beschrieben. Kirschner-
ximale Platte an den Schaft zentral herangeführt
Drähte mit einem Durchmesser von 1,14 – 1,59 mm kön-
wird, kann die radiale Inklination erreicht werden.
nen über den Processus styloideus radii (transstyloid) ■ Wenn die radiale Länge nicht erreicht wird, wird das
und an der Fraktur (intrafokal) in das distale Fragment
distale Plattenende zuerst fixiert und dann ein Kno-
eingebracht werden, um die Reposition zu unterstützen.
chenspreizer oder ein Elevatorium im Frakturspalt
Gleiches gilt für die Verwendung am DRUG bei aus-
Operative Behandlung 407

eingesetzt, um die Länge wieder herzustellen bevor zum ersten Draht aus einer posterioren in die palmare
die proximale Platte am Schaft fixiert wird. Richtung geführt. Auf diese Weise werden radiale Inkli-
■ Die Verwendung einer Drainage sollte unter der nation und palmare Neigung reponiert und gehalten (2,
Überlegung erfolgen, dass der N. medianus gegen- 53).
über Schwellung oder Hämatom in der postoperati- Perkutane Drähte können auch die Reposition und Fi-
ven Phase sehr empfindlich ist. Dadurch wird auch xation kleinerer, intraartikulärer Fragmente unterstüt-
das Risiko für ein Einsteifen der Finger und das Auf- zen. Bei AO Typ-C-Frakturen mit zahlreichen intraartiku-
treten einer Reflexdystrophie in Verbindung mit lären Fragmenten können Kirschner-Drähte wie Joysticks
einem Kompressionssyndrom des N. medianus ge- verwendet werden, um Fragmente in die richtige Position
mindert. zu steuern. Eine spitze Repositionszange kann über eine
Stichinzision die Kompression von Fragmenten unterstüt-
Bei den AO Typ-B1-Frakturen ist der Processus styloideus zen. Nach der Reposition werden die Drähte dann über
radii mit unterschiedlichem Dislokationsgrad gebrochen. die Fraktur in den benachbarten metaphysären Knochen
Eine Reposition stellt nicht nur die Gelenkkongruenz vorgeschoben. Außerdem ist es möglich, die Fraktur über
wieder her, sondern unterstützt auch die volaren Kapsel- eine Miniinzision zu eröffnen und den Kirschner-Draht
bänder des Handgelenks. Nach geschlossener Reposition unter direkter Sicht einzuführen, um auch kleine Frag-
mit Zug und unter Bildwandlerdurchleuchtung werden mente nach Anheben und Reposition zu fassen. Bei
zwei Kirschner-Drähte über den Processus styloideus schweren Zertrümmerungen der Meta- und Epiphyse
radii eingeführt, bis sie die intakte Kortikalis des pro- (AO C3) wird häufig ein kombiniertes Vorgehen mit per-
ximalen Schaftes durchbohren (Abb. 16.8). Der Processus kutanen Drähten, innerer und externer Fixation erforder-
styloideus radii liegt vor der Mittelachse des Radius und lich, um die Reposition halten zu können (5, 16, 21).
ist von verschiedenen Nervenästen des R. superficialis
des N. radialis umgeben. Perkutan eingebrachte Drähte Externe Fixation
oder Schrauben sollten über eine Bohrhülse eingeführt
und dabei in eine proximale, ulnare und posteriore Rich- Externe Fixateure sind hervorragend geeignet, um die
tung gerichtet werden. Idealerweise sollte die Fixation deformierenden Kräfte der Unterarmmuskeln, die distale
senkrecht zur Frakturlinie erfolgen (2, 52). Radiustrümmerfrakturen in kollabierte verkürzte Positio-
Eine weitere Methode der perkutanen Kirschner- nen ziehen, zu neutralisieren. Bei einer ausgeprägten me-
Draht-Spickung ist die intrafokale Drahttechnik nach Ka- taphysären Trümmerzone kann es schwierig sein, die re-
pandji, die am besten für extraartikuläre Frakturen ohne konstruierte Gelenkfläche an den Radiusschaft zu fixie-
Trümmerzone geeignet ist (A2 nach AO). Bei dieser Tech- ren. Ein Fixateur externe kann Stabilität erzielen, wenn
nik werden die Kirschner-Drähte an der Fraktur selbst sowohl volare als auch posteriore Kortikalis zertrümmert
eingeführt und nicht durch das distale Fragment. Der sind (16, 54–64). Ein Fixateur externe sollte nur verwen-
Kirschner-Draht wird dabei verwendet, um die Fraktur- det werden, wenn das Frakturmuster eine stabile innere
reposition zu stabilisieren und dann durch die Gegenkor- Fixation und funktionelle Behandlung nicht erlaubt oder
tikalis geführt, um zu verhindern, dass das distale Frag- andere Kontraindikationen für ein offenes Vorgehen vor-
ment redisloziert. Das Manöver wird zunächst vom Radi- handen sind.
us aus in ulnare Richtung und dann im Winkel von 90°

Abb. 16.8
a Beispiel einer dislozierten Fraktur des
Processus styloideus radii.
b Nach geschlossener Reposition unter
Zug und Bildwandlerkontrolle werden
zwei Kirschner-Drähte über den Processus
styloidus radii eingebracht, bis sie die
gegenüberliegende proximale Kortikalis
durchbohren.

16

a b
408 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

Abb. 16.9 Die Beobachtung, dass


Längsdistraktion allein die palmare Bie-
gung nicht wiederherstellen kann, hat zu
Verbesserungen der Systeme und ihrer
Anwendung geführt. Eine palmare Trans-
lation zusammen mit einer Längsdistrak-
tion kann häufig sowohl die palmare Bie-
gung als auch die radiale Höhe erhalten.

Sowohl in der Technik als auch beim Design hat es seit Neuere Fixateurentwicklungen sind leichter, einfacher
der originären Idee von Anderson und O'Neil 1944 (65) zusammenzubauen und anzubringen, strahlendurchläs-
eine fortdauernde Weiterentwicklung beim Fixateur ge- sig und in vielerlei Ebenen einzustellen, wenn das System
geben. Vieles haben wir seitdem gelernt und verbessert. einmal angebracht ist.
Die ursprüngliche Praxis der exzessiven Distraktion, ex- Die Beobachtung, dass Längsdistraktion allein die pal-
tremen Handgelenkbeugung und ulnarer Deviation sowie mare Biegung nicht wiederherstellen kann, hat zu Ver-
ein langer Zeitraum der Handgelenksimmobilisation besserungen der Systeme und ihrer Anwendung geführt.
(mehr als 8 Wochen) haben häufig Probleme wie post- Eine palmare Translation zusammen mit einer Längsdis-
operativen Schmerz, Handgelenks- und Handsteifigkeit, traktion kann häufig sowohl die palmare Biegung als
Inaktivitätsathrophie, Pseudarthrose und sympathische auch die radiale Höhe erhalten (Abb. 16.9). Die Fähigkeit,
Reflexdystrophie mit sich gebracht (66). Mit wachsender das Ausmaß der palmaren Translation an der Fraktur mit-
Erfahrung und Verständnis für die physiologischen und hilfe von verbesserten Fixateursystemen einzustellen und
biomechanischen Prinzipien sind diese Komplikationen zu halten, verbessert die Reposition und erlaubt die Ein-
sehr viel weniger geworden (2, 67). stellung des Handgelenks in der optimalen physiologi-
Die Erkenntnis, dass Ligamentotaxis nicht in jedem Fall schen Streckposition (Abb. 16.10; 67, 69).
eine anatomische Reposition aller intra- und extraartiku- Überstreckung des Handgelenks kann durch Messung
lärer Frakturkomponenten bewirkt, stimulierte die Ent- der Distanz zwischen Capitatum und Lunatum festgestellt
wicklung von neuen Techniken und Verbesserungen bei werden. Ein Spalt von mehr als 2 – 3 mm zeigt an, dass
den Fixateursystemen. Bei instabilen Frakturen erlaubt die Distraktion zu groß ist. Auch die Finger sollten passiv
die zusätzliche Verwendung von Kirschner-Drähten oder leicht zu beugen sein. Eine exzessive Flexion oder Ulnar-
auch inneren Fixationstechniken, dass die externe Fixati- deviation sollte vermieden werden, weil beide Positionen
on in die Lage versetzt wird mit nur minimaler Distrak- das Risiko einer Kompression des N. medianus erhöhen,
tion eine metaphysäre Verkürzung zu verhindern und die das Entstehen einer Reflexdystrophie und einer extrinsi-
Streck- und Beugekräfte an der Fraktur zu neutralisieren. schen Spannung begünstigen, was eine Einsteifung der
Die Notwendigkeit einer extremen Beuge- und Ulnarde- Fingergelenke bewirkt (16). Der Fixateur externe sollte
viation zur Reposition konnte weitgehend aufgegeben gewöhnlich nach 5 – 6 Wochen entfernt werden; es sollte
werden (66–68). Das Handgelenk kann zur Reposition dann mit Bewegungen im Handgelenk begonnen werden.
zunächst überdistrahiert werden, aber diese Distraktion
16 muss dann allmählich zum richtigen Umfang nach der
Technik der externen Fixation
Fixation verringert werden (16).
Es gibt eine ganze Reihe von Fixateursystemen für die Auch wenn derzeit viele Fixateursysteme erhältlich sind,
externe Fixation distaler Radiusfrakturen. Alle sehen die ist der am häufigsten verwendete Fixateur derzeit das
Distraktion über das Handgelenk mit Platzierung von kleine Fixateur-Set von Synthes. Hier die einzelnen An-
Schanz-Schrauben im Radius und im Metakarpale vor. wendungsschritte:
Operative Behandlung 409

■ Weil Distraktion auf Länge und palmare Translation oft


nicht für eine adäquate Reposition ausreichen, wird
zusätzlich eine Knochentransplantation über Miniinzi-
sionen zur Abstützung der Gelenkfläche in anatomi-
scher Position eingebracht. Die Knochentransplantati-
on über eine posteriore Miniinzision beschleunigt die
Heilung, bewirkt eine höhere Frakturstabilität und er-
laubt die direkte Betrachtung der Gelenkfläche, und
a verkürzt damit auch die Zeit, die der Patient den Fixa-
teur tragen muss.
■ An dieser Stelle kann eine zusätzliche Kirschner-Draht-
Fixation zusätzliche Stabilität erzeugen und erlaubt
auch, die Distraktion etwas nachzulassen. Der Fixateur
wird dann mit der zweiten Rohr-zu-Rohr-Karbonstange
gesichert, um die Stabilität zu erhöhen.

Bei Verwendung dieser Technik mit einem nachfolgenden


b funktionellen Brace, kann der Fixateur frühestens nach 3
Wochen entfernt werden, bei niedriger Komplikation und
Abb. 16.10 wenig oder keinem Repositionsverlust (70). Auch wenn
a Die Fähigkeit, das Ausmaß der palmaren Translation an der eine direkte, d. h. das Handgelenk nicht überbrückende
Fraktur mithilfe von verbesserten Fixateursystemen einzustel- Fixation, für die Fixation der distalen Radiusfraktur emp-
len und zu halten, verbessert die Reposition und erlaubt die
fohlen wurde (71–75), so erlauben nach unserer Auffas-
Einstellung des Handgelenks in der optimalen physiologischen
Streckposition. sung Frakturmuster, die eine nichtüberbrückende Versor-
b Der Patient hat seine volle Fingerfunktion und kann leicht gung zulassen, eine innere Fixation und frühfunktionelle
eine Faust machen. Behandlung und vermeiden damit die Komforteinschrän-
kung und die möglichen Komplikationen der Fixateurbe-
handlung. Unter dieser Überlegung glauben wir, dass die
■ Über dem posterioren Radius wird ca. 5 cm proximal das Gelenk nichtüberbrückende Fixation keine nennens-
der Fraktur eine Inzision gemacht. Der N. radialis su- werte Rolle bei der Behandlung der distalen Radiusfrak-
perficialis wird identifiziert und sorgfältig geschützt. tur spielt.
■ Ein 2-mm-Bohrer mit Bohrhülse wird für ein Bohrloch Auch wenn der Fixateur externe die radiale Länge hal-
am Radius benutzt, um eine 3-mm-Schanz-Schraube ten kann, so heilen doch manche Fragmente disloziert
zu verwenden. Die Schrauben können entweder paral- oder verkippt. Wie bereits erwähnt können zusätzliche
lel oder in 45°-Winkel zueinander eingebracht werden. Kirschner-Drähte häufig für ausreichende Stabilität sor-
■ Dann werden Inzisionen dorsoradial über dem zweiten gen (Video 16-2, DVD 2; 76, 77). Der verwendete Fixateur
Metakarpale am metadiaphysären Übergang gemacht. sollte sowohl das Einbringen der Kirschner-Drähte als
Die Schrauben werden in einem Winkel von 30° von auch das Anlegen der Stangen vor der Reposition der
posterior nach volar eingebracht. Dies stört die Dau- Fragmente erlauben. Das System kann dann die Einstel-
menfunktion nicht und erlaubt eine uneingeschränkte lung und Reposition der Fraktur erleichtern. Manipulati-
radiologische Darstellung ohne Überlagerungseffekte. on und Fixation von intraartikulären Fragmenten mit
Die Schrauben werden in einem Winkel von 45° oder Kirschner-Drähten können dann nach Anlegen des Fixa-
auch parallel zueinander eingebracht. Die 2,5-mm- teurrahmens erfolgen (Abb. 16.11; 16).
Schanz-Schrauben werden eingedreht. Beim Eindrehen Eine Kirschner-Draht-Fixation kann die Stabilität einer
sollte der Zeigefinger in Beugung gebracht werden, um instabilen extraartikulären distalen Radiusfraktur signifi-
eine Irritation des posterioren Streckmechanismus zu kant verbessern, unabhängig von der Art des verwende-
verhindern. Die Wunden werden zum leichteren Ver- ten Fixateurs (77). Die zusätzliche Verwendung eines
schluss vor Montage der Längsstangen versorgt. posterioren Drahtes in Kombination mit einem Fixateur
■ Eine Rohr-zu-Rohr-Backe wird auf die Verbindungs- externe kann die posteriore Kippung leicht korrigieren,
stangen gebracht. Diese werden dann zwischen den die bei vielen distalen Radiusfrakturen vorhanden ist
beiden Querstangen eingebracht, die in den jeweiligen (78, 79). 16
Hauptfragmenten eingebracht sind. Dann wird Zug Für eine nach posterior dislozierte Fraktur kann eine
ausgeübt, die geschlossene Reposition erfolgt und minmale posteriore Inzision verwendet werden, wäh-
eine Karbonstange wird zwischen die beiden Rohr-zu- rend das Handgelenk mit einem Fixateur externe distra-
Rohr-Backen gebracht und fixiert. hiert wird. Zum Anheben des Gelenkfragments können
ein Nervenhaken, ein Elevatorium oder perkutan einge-
410 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

Abb. 16.11 Beispiel einer komplett dislozierten Radius-


fraktur.
a Präoperative a.–p. und seitliche Röntgenaufnahmen
der Verletzung. Obwohl der Fixateur externe die radiale
Länge hält, können einzelne Fragmente disloziert oder
verkippt einheilen.
b Postoperative Röntgenaufnahmen nach Versorgung
mit Fixateur externe und zusätzlichen perkutanen Dräh-
ten. Dies schafft häufig ausreichende Stabilität.

brachte Drähte verwendet werden. Bei mehr als 4 – 5 mm die imprimierte Gelenkfläche nicht reponieren. Um diese
Impression ist es empfehlenswert den metaphysären De- komplexen Frakturen erfolgreich anzugehen, ist deshalb
fekt mit einem Beckenkammmspan, Knochenersatz oder häufig eine Kombination von innerer und externer Fixa-
Allograft aufzufüllen (16, 80). tion erforderlich. Die externe Fixation kann die radiale
Länge halten, aber die einzelnen Fragmente benötigen
Kombinierte innere und externe Fixation eine zusätzliche Fixation. Wenn die Unterstützung
16 durch perkutane Kirschner-Drähte nicht die notwendige
Bei komplexen Frakturen mit metaphysärer Trümmerzo- Stabilität erzielt, ist häufig eine Kombination aus Kirsch-
ne und Beteiligung von volarer und posteriorer Kortikalis ner-Drähten, Platten, Schrauben, externer Fixation und
sowie einer möglichen Trümmerzone der Gelenkfläche Knochentransplantation erforderlich, um Reposition und
kann eine alleinige innere Fixation ausgeschlossen sein. Heilung genügend lange sicher zu stellen (2, 16, 81, 82).
Auf der anderen Seite kann eine alleinige externe Fixation Die Entwicklung von volaren und posterioren winkelstei-
Fortschritte bei der Rehabilitation 411

fen Plattensystemen verringert jedoch die Notwendigkeit Wie bereits am Beispiel unterschiedlicher Techniken
innere und externe Fixationstechniken zu kombinieren. beschrieben, sorgt das Knochentransplantat für eine in-
nere mechanische Abstützung des Gelenkfragments, be-
Arthroskopisch assistierte Reposition schleunigt die Knochenheilung und sorgt für das osteo-
konduktive und osteoinduktive Potenzial für den verblie-
Es wurden standardisierte Techniken für die Hand- benen teilweise devitalisierten Knochen. Dies trifft nicht
gelenksarthroskopie entwickelt, um verschiedene Erkran- nur auf die offene Reposition und innere Fixation mit der
kungen des Handgelenks abzuklären. Diese Techniken Notwendigkeit eines erweiterten Zuganges zu, sondern
können für die Abklärung intraartikulärer Frakturen ver- auch auf die weniger invasiven Verfahren mit begrenzter
wendet werden. Die Techniken erfordern weniger chirur- offener Reposition und Fixation mittels Schrauben oder
gische Freilegung, verursachen weniger Schmerz und be- perkutanen Drähten.
deuten für den Patienten eine kürzere Erholungszeit und Erstergebnisse und gemeinsame klinische Erfahrung
raschere Arbeitsfähigkeit (83). Die Handgelenksarthro- weisen darauf hin, dass auch Knochenersatzmaterialien
skopie ermöglicht es, die Gelenkfläche direkt auf Stufen- die Behandlungsverfahren und die Ergebnisse verbessern
bildung oder Spalten und die Bänder auf Rupturen abzu- können, ohne die Morbidität der autogenen Spongiosa-
klären. Der volare Aspekt des Handgelenks und das TFCC plastik und ohne das Risiko des allogenen Transplantats
können mit dem Arthroskop im Vergleich zum offenen (89). Korallines Hydroxylapatit hat sich als wirkungsvoll
Vorgehen leicht beurteilt werden. Ein chirurgisches Vor- bei der Erhaltung des artikulären Repositionsergebnisses
gehen bei distalen intraartikulären Speichenfrakturen erwiesen, wenn es in Kombination mit einem Fixateur
nur mit Bildwandlerunterstützung scheint unter Umstän- externe und Kirschner-Drähten verwendet wird. Es ist
den nicht ausreichend um die Gelenkkongruenz wieder- als Verfahren genauso sicher wie vergleichbare andere
herzustellen (16, 81, 84–88). Behandlungsformen (77).
Die arthroskopische Untersuchung einer intraartikulä- Eine injizierbare Masse wurde entwickelt, um Fraktur-
ren Fraktur des distalen Radius sollte erst 5 – 7 Tage nach defekte zu füllen und die innere Fixation bei stabilen
der Verletzung erfolgen, wenn Knochen- und Weichteil- Frakturen und bei dislozierten Frakturen, die reponierbar
blutungen abgeklungen sind und die Schwellung sich zu- und stabil sind, zu halten. Diese Knochenpaste hat che-
rückgebildet hat. Während der Untersuchung werden das mische, kristalline und strukturelle Charakteristika, die
Gelenk gespült, um die Gewebetrümmer zu entfernen, Knochen sehr ähnlich sind. Die Substanz soll allmählich
die Fraktur und das Ausmaß der Dislokation beurteilt durch Wirtsknochen nach Heilung der Fraktur ersetzt
und die Ligg. scapholunatum, lunotriquetrum und das werden (90).
TFCC inspiziert. Mit Kirschner-Drähten als Joysticks kön-
nen Fragmente in die gewünschte Position gebracht wer-
den und dann aneinander und an die Metaphyse fixiert Fortschritte bei der Rehabilitation
werden. Häufig ist auch ein minimaler Zugang mit Repo-
sition der intraartikulären Fragmente mittels Elevatorium Idealerweise sollten Patienten ein aktives und passives
oder kleinem Knochenstößel und zusätzlichem Knochen- Rehaprogramm mit Bewegungen der Finger, des Ellenbo-
transplantat zur Abstützung erforderlich. Die direkte ar- gens und der Schulter sowie der Unterarmumwendebe-
throskopische Darstellung der Gelenkfläche während der wegungen innerhalb von 24 h nach der Operation begin-
Reposition und Fixation unterstützt die Herstellung einer nen. Eine Einsteifung der Finger resultiert normalerweise
stabilen kongruenten Gelenkfläche (Abb. 16.12; 16, 88). aus einer fehlenden frühfunktionellen Behandlung. Früh-
Die Handgelenksarthroskopie muss zügig erfolgen, da funktionelle Behandlung vermindert Sehnenverklebun-
Hand, Handgelenk und Unterarm sich rasch mit Flüssig- gen und reduziert die Gewebeschwellung (16, 34). Schie-
keit füllen, was letztlich in einem iatrogenen Kompart- nen- und zirkuläre Verbände müssen die volle Beweg-
mentsyndrom enden kann. Durch Einwickeln der Hand lichkeit im MP-Gelenk erlauben und dürfen nicht über
und des distalen Unterarms in eine Esmarch-Binde kann die distale Palmarfalte herausstehen.
das Austreten von Flüssigkeit begrenzt werden (16). Wenn nur eine Kirschner-Draht-Spickung erfolgte,
kann ein Sugar-Tong-Verband oder ein Unterarmgips für
Knochentransplantation 6 – 8 Wochen verwendet werden. Danach wird ein ther-
moplastisch anmodellierter und abnehmbarer Verband
Sowohl intra- als auch extraartikuläre distale Radiusfrak- für weitere 4 Wochen benutzt. Bei der Verwendung
turen gehen häufig mit einer signifikanten Kortikaliszer- eines Fixateur externe ist ein weicher Verband mit Arm-
trümmerung und einem Verlust von spongiösem Kno- schlinge ausreichend, und die Unterarmrotation unter 16
chen in der Metaphyse einher. Während der Heilung besonderer Beachtung der Supination beginnt frühzeitig.
kann das Zusammensintern des distalen Fragments in Nach einer Spongiosaplastik mit zusätzlichen Kirschner-
den spongiösen Defekt der metaphysären und subchon- Drähten kann der Fixateur bereits nach 3 Wochen ent-
dralen Region zu einer sekundären Dislokation und Re- fernt werden, wenn er in Verbindung mit einem funk-
positionsverlust führen. tionellen Brace verwendet wird. Wenn die herkömmliche
412 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

a b

c d

e f

Abb. 16.12 Beispiel einer Fraktur des Processus styloideus a Röntgenbild der Verletzung mit einer eindeutigen Fraktur
radii mit Gelenkinkrongruenz und Einstauchung. Die Hand- des Processus styloideus radii und Hinweis auf eine zusätzliche
16 gelenksarthroskopie ermöglicht direkten Zugang zur Beurtei- artikuläre Impression.
lung von Gelenkstufenbildung, Frakturspalten und ligamentä- b Die CT-Aufnahmen bestätigen die eingedrückte Gelenkflä-
ren Verletzungen. Mit Kirschner-Drähten können Knochenfrag- che.
mente nach der Joystick-Technik reponiert, zusammengefügt c Intraoperative Bildwandleraufnahmen zeigen das in das ra-
und mit der Metaphyse verbunden werden. Die direkte arthro- diokarpale Gelenk eingeführte kleine Arthroskop.
skopische Betrachtung der Gelenkfläche bei der Reposition und d Die Gelenkimpression ist gut zu erkennen.
Fixation hilft eine stabile und kongruente Gelenkfläche zu si- e Aufsicht nach Anheben der eingedrückten Gelenkfläche.
chern. f Das postoperative Röntgenbild zeigt die Rekonstruktion der
Gelenkfläche, die mit zwei Kirschner-Drähten gehalten wird.
Komplikationen 413

a b

c d

Abb. 16.13 Wenn mittels Verwendung eines winkelsteifen 6 Wochen nach offener Reposition und innerer Fixation einer
Implantats eine stabile Fixation erreicht wurde, können Bewe- rechtsseitigen distalen Radiusfraktur mittels einer posterioren
gungsübungen innerhalb einer Woche postoperativ begonnen Verriegelungsplatte erreicht.
werden. Dieser Patient hat eine ausgezeichnete Beweglichkeit

nichtwinkelsteife Plattenosteosynthese in der Lage ist am häufigsten beobachteten Komplikationen bei distalen
ausreichende stabile Fixation zu gewährleisten, schließt Radiusfrakturen. Vor der Reposition muss eine sorgfältige
die Behandlung einen Unterarmgips oder Schale ein, mit neurovaskuläre Untersuchung stattfinden und dokumen-
einer aktiven Handgelenksbewegung beginnend nach tiert werden. Eine leichte sensible Störung kann gewöhn-
3 – 4 Wochen (16). Wenn eine stabile Versorgung durch lich im klinischen Verlauf folgen. Sind die Symptome
ein winkelsteifes Implantat erreicht wird, kann das Bewe- eines akuten Karpaltunnelsyndroms vorhanden, ist eine
gungsausmaß bei der ersten postoperativen Kontrolle be- sofortige Reposition der Fraktur erforderlich um den N.
ginnen (Abb. 16.13). medianus zu dekomprimieren. Wenn die Gefährdung des
N. medianus nach der Reposition fortbesteht, wird eine
sofortige Spaltung des Karpaltunnels empfohlen (35).
Komplikationen Wenn ein Nervenschaden besteht bei einem Patienten,
der einer operativen Frakturversorgung bedarf, ist eine
Bereits bei der Einleitung dieses Kapitels wurde darauf Karpaltunnelspaltung indiziert (16, 91). Eine prophylakti-
hingewiesen, dass Chirurgen früher der Auffassung wa- sche Spaltung bei fehlenden Symptomen ist nicht ge-
ren, dass die meisten Patienten mit distalen Radiusfrak- rechtfertigt (92), sie ist auch nicht erforderlich, wenn
turen unabhängig vom Behandlungsverfahren relativ die Symptome eines akuten Karpaltunnelsyndroms nach
gute Ergebnisse zeigten. Distale Radiusfrakturen zeigen geschlossener Reposition verschwinden.
oft schlechte Ergebnisse und hohe Komplikationsraten. Leichte Formen der sympathischen Reflexdystrophie 16
Hochenergiefrakturen mit Beteiligung der Gelenkflächen (SRD) sind relativ häufig bei distalen Radiusfrakturen.
zeigen besonders häufig schlechte Ergebnisse. Und ob- Patienten mit zunehmenden Schmerzen, Schwellung,
wohl viel erreicht wurde bei der Verminderung von Kom- Steifigkeit der Gelenke und Parästhesien müssen wäh-
plikationen, bleibt noch viel Raum für signifikante Ver- rend der Frakturheilung frühzeitig und eng überwacht
besserungen. Verletzungen des N. medianus sind eine der werden. Eine akute Kompression des N. medianus mag
414 16 Distale (körperferne) Speichenbrüche

eine ursächliche Rolle bei der Entstehung der SRD spie-


Merke
len, die Zusammenhänge sind aber noch nicht ganz ge-
klärt (36, 93, 94). Auch die exzessive Distraktion während ■ Die wichtigen radiologischen Beziehungen (als Durch-
der Behandlung mit einem Fixateur externe wird als eine schnittswerte) sind die radiale Inklination von 23°, die
kausale Möglichkeit für die Entstehung eines RDS gese- radiale Höhe (12 mm) und die volare Kippung (11°).
hen.
■ Frakturen mit einem Verlust von 2 mm oder mehr an
Sehnenrupturen durch Irritation einer darunterliegen- radialer Höhe, Veränderung der radialen Inklination von
den Platte kommen vor, allerdings nicht häufig. Meistens 5° oder mehr, Verlust der volaren Kippung von 10° oder
sind die Sehne des M. extensor pollicis longus und die mehr, Verlust der DRUG-Reposition und/oder mit mehr
als 1 – 2 mm intraartikulärer Stufe sollten reponiert wer-
gemeinsamen Strecksehnen betroffen. Vorstehende pos-
den.
teriore Platten und Schrauben können Sehnenirritationen
■ Geschlossene Reposition und Ruhigstellung in einem
und Synovitis hervorrufen mit der Folge einer Spätruptur.
zirkulären Verband sind unverändert die angemessene
Die neuen weniger auftragenden Plattensysteme sollten
Behandlung für eine nichtdislozierte stabile Fraktur.
das Risiko von Sehnenkomplikationen reduzieren. Fehl-
Eine gut gepolsterte Schiene mit dem Handgelenk in
stellungen des distalen Radius berühren sowohl die Bio-
Neutralstellung, die Metakarpophalangealgelenke völlig
mechanik des radiokarpalen wie des radioulnaren Ge-
frei und der darüber liegende Verband locker angewi-
lenks. Abweichende biomechanische Verhältnisse im
ckelt sorgen für eine adäquate Ruhigstellung und für
Handgelenk führen zu Schmerzen im radiokarpalen, ra-
eine wirklich stabile und unverschobene Fraktur ohne
dioulnaren und/oder ulnokarpalen Gelenk, zu einem he-
das Risiko einer Handschwellung und Einsteifung.
rabgesetzten Bewegungsausmaß und/oder karpaler In-
stabilität (26). Korrigierende Radiusosteotomien bei ex-
traartikulärer Fehlstellung sind bei jüngeren Patienten
bei einem posterioren Winkel von 15° oder mehr indi- Neue Techniken
ziert und bei älteren Patienten, wenn die Fehlstellung des
Radius auf der Radialseite Schmerzen bereitet. Intraarti- Die Techniken der Frakturbehandlung und Fixation wer-
kuläre Fehlstellungen mit einer Gelenkstufe von mehr als den kontinuierlich modifiziert und verbessert, teilweise
2 mm werden von einigen Autoren als Indikation für eine durch die Entwicklung neuer und manchmal besserer
Korrekturosteotomie angesehen (30, 95). Die Wiederher- Technologien. Das jüngste Erscheinen von winkelsteifem
stellung der DRUG-Anatomie ist ebenfalls wichtig für ein Plattendesign hat eine steigende Verwendbarkeit bei vie-
gutes Ergebnis. Pseudarthrosen finden sich bei Rauchern len Frakturmustern und Frakturlokalisationen gezeigt.
oder sind Folge unzureichender Immobilisierung und zu Sowohl posteriore als auch volare winkelsteife Platten
großer Distraktion (16). Eine posttraumatische Arthrose für Frakturen des distalen Radius zeigen ein riesiges Po-
kann nach intraartikulären distalen Radiusfrakturen ent- tenzial für die in diesem Kapitel beschriebene Anwen-
stehen. Auch bei Patienten mit hervorragender Wieder- dung. Der Wettbewerb auf dem Implantatmarkt hat zur
herstellung der Gelenkfläche kann eine posttraumatische Entwicklung von winkelsteifen Platten geführt, die varia-
Arthrose entstehen, auch wenn gemeinhin die Auffas- ble Winkel für die Verriegelungsschrauben und Stifte ver-
sung gilt, dass eine frühe Gelenkrekonstruktion das Risi- wenden. Mit weiteren Entwicklungen ist zu rechnen. Es
ko einer späteren Arthrose vermindert (96). Bei schwerer sind auch fragmentspezifische Fixationssysteme mit klei-
posttraumatischer Arthrose kann eine Handgelenks- neren Platten und winkelsteifen Vorrichtungen für jedes
arthrodese oder bei wenigen Patienten eine Arthroplastik Frakturfragment entwickelt worden (Video 16-1, DVD 2).
indiziert sein (16). Ahnlich wie bei der Technik mit 2 kleineren Platten
von einem posterioren Zugang aus, können diese Systeme
dabei helfen eine direktere Fixation von kleineren Einzel-
fragmenten bei intraartikulären Frakturmustern zu errei-
chen.
Für den distalen Radius ist auch ein Marknagel verfüg-
bar, dessen Sinn darin besteht eine stabile winkelsteife
Fixation mit einer minimalinvasiven Technik zu verbin-
den (Video 16-3, DVD 2). Über einen Insertionspunkt am
Processus styloideus radii wird der Nagel eingeführt und
dann gesichert, mit der Möglichkeit, verschiedene
16 Schrauben oder Stifte oder beides distal in bestimmten
Winkeln zu verriegeln, um die distalen Fragmente abzu-
stützen und zu halten.
Literatur 415

Inhalt der DVDs

Video 16-1 (DVD 2) Offene Reposition und innere Fixation Video 16-2 (DVD 2) Externe Fixation und Kirschner-Draht-
einer Fraktur des distalen Radius mit volarer Platte. Das Spickung des distalen Radius. Dieser Patient erlitt eine Frak-
Video zeigt die offene Reposition und innere Fixation einer tur des distalen Radius, die mit einer geschlossenen Reposi-
distalen Radiusfraktur mittels eines volaren Zugangs zum tion und externen Fixation des distalen Radius, verbunden
distalen Radius. Die Fraktur wird mit einer volaren Platte mit einer Kirschner-Draht-Spickung behandelt wurde.
stabilisiert, die auf den distalen Radius zugeschnitten ist. Video 16-3 (DVD 2) Stabilisierung einer Fraktur des dis-
Außerdem wird eine fragmentspezifische Platte für den ra- talen Radius mithilfe einer posterioren Platte und Markna-
dialen Processus styloideus verwendet. gel. Dieses Video zeigt ein innovatives System, das eine
Marknagelfixation mit posteriorer Plattenfixation zur Be-
handlung einer Fraktur des distalen Radius verbindet.

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16
418 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel


J. T. Watson, M. I. Boyer
Übersetzer: A. Röhm, F. Gebhard

Karpale Instabilität wegungsablauf notwendig sind. Schließlich zielt die chi-


rurgische Behandlung dieser Verletzungsfolgen auf die
Definitionsgemäß liegt eine Instabilität des Karpus vor, Wiederherstellung der funktionellen Integrität dieser
wenn das Handgelenk eine symptomatische Fehlstellung Strukturen ab. Zur Vereinfachung werden die knöcher-
aufweist, Belastungen nicht toleriert und eine unphysio- nen Anteile des Karpus traditionell in eine proximale
logische Beweglichkeit im Rahmen des normalen Bewe- (Os scaphoideum, Os lunatum, Os triquetrum und Os pi-
gungsumfangs zeigt. Sie kann Folge einer akuten Verlet- siforme) und eine distale (Os trapezium, Os trapezo-
zung oder eines chronischen, voranschreitenden Prozes- ideum, Os capitatum und Os hamatum) Reihe unterteilt.
ses sein, welcher z. B. bei Patienten mit einer angebore- Die statischen und dynamischen Verhältnisse zwischen
nen ausgeprägten Bandlaxizität oder mit einem ge- diesen Knochen werden durch einen intrinsischen und
schwächten Bandapparat als Folge einer entzündlichen extrinsischen Bandapparat, der sich innerhalb und zwi-
Arthropathie auftritt. Da der Inhalt dieses Lehrbuchs auf schen diesen beiden Reihen aufspannt, aufrechterhalten.
Folgen von Verletzungen ausgerichtet ist, beschäftigt sich Die extrinsische Bänder spannen sich zwischen den
dieses Kapitel mit Instabilitäten des Karpus als Folge dorsalen und palmaren Anteilen der distalen Ulna und
einer akuten Verletzung ossärer bzw. wichtiger ligamen- des distalen Radius sowie der proximalen und distalen
tärer Strukturen des Handgelenks. Diese werden oft auch karpalen Reihe auf. Die kräftigen palmaren Bänder
als „perilunäre Verletzungen“ bezeichnet. (Abb. 17.1) bestehen von radial nach ulnar aus dem Lig.
Vor der Diskussion der Instabilitäten des Karpus wird radioscaphocapitatum (RSC) dem langen und kurzen Lig.
eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten anatomi- radiolunatum (LRL und KRL) und den ulnokarpalen Bän-
schen Strukturen des Handgelenks gegeben, welche für dern. Das Lig. radioscaphocapitatum verläuft palmar um
die erforderliche Stabilität und einen koordinierten Be- das Os scaphoideum, um dann am Os capitatum anzuset-

Lig. capitato-
trapezoideum
Lig. scaphocapitatum
V
V

I C
H C
Td I
Lig. ulno-
capitatum P T
Tm
S
Z Lig. radioscapho- Lig. intercarpale S
capitatum dorsale
Lig. ulno- Lig. radiolunatum
triquetrum longum
Lig. radioscapholunatum LT
Lig. radiolunatum
breve Lig. radio-
U R carpale
Lig. ulnolunatum
dorsale
IOM Lig. radiolunatum palmare

Abb. 17.1 Palmare extrinsische Bänder des Handgelenks: Lig.


radioscaphocapitatum, kurzes und langes Lig. radiolunatum Abb. 17.2 Dorsale extrinsische Bänder des Handgelenks, wel-
und ulnokarpale Bänder. che auch teilweise in die Gelenkkapsel einstrahlen. Das dorsale
radiokarpale Band entspringt vom zentralen Anteil der dorsalen
radialen Gelenklippe und setzt dorsal am Os triquetrum an. Das
dorsale interkarpale Band, welches sich nur bedingt als extrin-
17 sisches Band in Relation zum Karpus erweist, verbindet den
dorsalen Anteil des Os triquetrum mit den dorsalen Anteilen
des Os scaphoideum und trapezium.
Karpale Instabilität 419

zen und dient dem Os scaphoideum als Abstützung im ist das lunotriquetrale Band im palmaren Anteil kräftiger
Rahmen der Palmarflexion und Dorsalextension, welche ausgebildet (3).
während der Radial- und Ulnarduktion des Handgelenks Es bestehen unterschiedliche Theorien, die Kinematik
stattfindet. Zusammen mit dem langen radiolunären der Handgelenksbewegung zu erklären, sämtliche Details
Band, welches die palmare Kante des Radius mit dem können in diesem Lehrbruch nicht besprochen werden.
palmaren Anteil des Os lunatum verbindet, stützt es die Die Schlüsselaussage dieser Theorien besteht darin, dass
radiale Seite des Karpus ab und verhindert somit ein pal- die proximale und distale karpale Reihe aus stabilen liga-
mares Absinken bzw. Subluxieren des Karpus in Relation mentären und ossären Verbindungen untereinander be-
zum Radius. Das kurze radiolunäre Band erstreckt sich stehen, welche einen wiederholbaren Bewegungsablauf
von der palmaren Kante der Fossa lunata zum Os luna- im Verhältnis zueinander erlauben (Abb. 17.4). Dies wird
tum, wo es knapp ulnar des langen radiolunären Bandes oft als das „Ringkonzept“ des Karpus bezeichnet (4).
ansetzt. Die ulnokarpalen Bänder entspringen vom pal- Während der Ulnarduktion kippt die proximale Reihe
maren Rand des triangulären fibrokartilaginären Kom- nach dorsal und die distale Reihe nach palmar. Während
plexes und setzen am Os lunatum und Os triquetrum der Radialduktion kehrt sich dieser Ablauf um. Struktu-
an. Sie stützen den ulnaren Anteil des Karpus ab und relle Veränderungen eines jeden knöchernen oder liga-
verhindern auch hier ein palmares Absinken bzw. Sub- mentären Anteils dieser Verbindung innerhalb der pro-
luxieren desselben im Verhältnis zur distalen Ulna. ximalen Reihe bedingen einen Verlust des koordinierten
Auf der Streckseite des Handgelenks zieht das dorsale Bewegungsablaufs des Karpus mit dem Risiko eines pro-
radiokarpale Band (DRC) zentral vom dorsalen Anteil des gressiven karpalen Kollapses, einer schmerzhaften Ar-
distalen Radius zusammen mit der Gelenkkapsel zum throse und Invalidität. Das Ziel der chirurgischen Behand-
dorsalen Anteil des Os triquetrum. Das dorsale interkar- lung ist somit die Wiederherstellung dieser stabilen Ver-
pale Band (DIC) verbindet die dorsale Fläche des Os tri- bindung.
quetrum mit den dorsalen Flächen des Os scaphoideum
und Os trapezium (Abb. 17.2).
Klassifikation
Die intrinsischen Bänder verbinden das Os scapho-
ideum, Os lunatum und Os triquetrum und ermöglichen Nicht alle Verletzungen, welche eine karpale Instabilität
die Palmarflexion und Dorsalextension der proximalen bedingen, sind auf konventionellen Röntgenbildern leicht
karpalen Reihe im Rahmen der Radial- und Ulnarduktion ersichtlich. Die Instabilitäten, welche hier erkannt wer-
des Handgelenks (Abb. 17.3). Das SL-Band besteht aus 3 den können, werden als statisch bezeichnet. Hierzu zäh-
morphologisch unterschiedlichen Regionen, der dorsale len Frakturen des Karpus, eine Erweiterung des SL- oder
Anteil ist dabei der kräftigste (1, 2). Im Gegensatz dazu LT-Spaltes oder ein deutlich vergrößerter SL-Winkel in

Lig. capitatotrapezoideum

Lig. capitatohamatum
C H
I Td
Tm P S
Tr L
Lig. lunotriquetrum
S L
Lig. trapezio-
trapezoideum
Lig. ulnolunatum
LT SL
Lig. scapholunatum

Lig. scapholunatum
Lig. radiolunatum
breve

Abb. 17.3 Intrinsische Bänder der proximalen carpalen Reihe, mige Form des SL-Bandes, wobei der dorsale (ligamentäre)
welche die zusammenhängende mechanische Verbindung zwi- Anteil kräftiger und mechanisch stabiler als der zentrale (mem-
schen den Knochen des Karpus darstellt, wodurch eine koor- branöse) Anteil ist. Umgekehrt ist der palmare Anteil des LT- 17
dinierte reziproke Bewegung zwischen der proximalen und dis- Bandes kräftiger als der dorsale.
talen Reihe ermöglicht wird. Zu beachten ist die halbmondför-
420 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

a b

Abb. 17.4
a Neutrale Röntgenaufnahme des Handgelenks im p.–a. Strahlen-
gang.
b Während der Ulnarduktion des Handgelenks wird die proximale
Reihe dorsalextendiert, was durch das elongierte Profil des Os sca-
phoideum in der p.–a. Ansicht offensichtlich wird.
c Umgekehrt flektiert die proximale Reihe im Rahmen der Radialduk-
tion, wobei der „kortikale Ring“ des Os scaphoideum sichtbar wird.
Die Kontinuität der interkarpalen Bänder und der knöchernen Verbin-
dungen innerhalb der proximalen Reihe ist für diese koordinierte In-
teraktion essenziell.

der seitlichen Ansicht. Zur Darstellung dynamischer In- genden 4 Stadien zunehmender perilunärer Instabilität
stabilitäten werden gehaltene Aufnahmen mit Faust- vorgeschlagen:
schluss oder Ulnarduktion benötigt, um die Pathologie ■ Stadium I: Ruptur des intrinsischen Lig. scapholunatum

auf normalen Röntgenfilmen oder unter Durchleuchtung und des extrinsischen palmaren Lig. radioscaphocapi-
nachzuweisen (1). tatum. Hier zeigt sich eine Erweiterung des SL-Spaltes
Mayfield et al. beschrieben die wahrscheinlich ge- auf konventionellen Röntgenbildern bzw. gehaltenen
bräuchlichste Klassifikation perilunärer Verletzungen, Aufnahmen des Handgelenks mit möglicherweise zu-
welche eine Verbindung zwischen Verletzungsmechanis- sätzlich vergrößertem SL-Winkel im seitlichen Strah-
mus und dadurch bedingtem Funktionsausfall schafft (5). lengang (Abb. 17.5).
Wenn das Handgelenk im Rahmen eines Traumas über- ■ Stadium II: Dislokation des Gelenks zwischen Os capi-

lastet wird, befindet es sich oft in Dorsalextension und tatum und Os lunatum.
Ulnarduktion, woraus eine zunehmende Supination des ■ Stadium III: Ruptur des LT-Bandes und der ulnokarpa-

Karpus im Verhältnis zum Radius resultiert. Während das len Bänder wodurch eine perilunäre Luxation resul-
überlastete Handgelenk zunehmend supiniert, beginnt tiert, bei der das Os lunatum in der Fossa lunata ver-
das Versagen der ossären und ligamentäre Strukturen bleibt, während der Rest des Karpus nach dorsal dis-
17 von radial über den Karpus zum ulnaren Anteil des Hand- loziert (Abb. 17.6).
gelenks. Diesbezüglich wurden von Mayfield die nachfol- ■ Stadium IV: Luxation des Os lunatum mit Zerreißung

der dorsalen radiokarpalen Bänder sowie der Kapsel,


Karpale Instabilität 421

was zu einer palmaren Dislokation des Os lunatum in Krafteinwirkung Brüche des Processus styloideus radii,
den Karpalkanal führt. Üblicherweise ist das Os luna- des Os scaphoideum, Os capitatum, Os triquetrum und
tum beugeseitig noch mit den kräftigen radiolunären des Processus styloideus ulnae auftreten (Abb. 17.8). Als
Bändern verbunden, wodurch in der radiologischen Verletzungen des großen Bogens werden Frakturmuster
Seitansicht das Zeichen der „umgekippten Teetasse“ er- bezeichnet, bei denen die einwirkende Kraft einen trans-
scheint (Abb. 17.7). Der restliche Karpus stellt sich üb- ossären Weg durch den Karpus nimmt, von Verletzungen
licherweise in einer Linie mit dem Radius ein und ver- des kleinen Bogens spricht man bei Bandverletzungen
bleibt somit dorsal des Os lunatum, wie bereits im Sta- um das Os lunatum, wie in der Klassifikation von May-
dium III der perilunären Luxation angeführt. field beschrieben. Inferiore Bogenverletzungen entstehen
bei Krafteinwirkung proximal des Os lunatum mit nach-
Zu beachten ist, dass die aufsteigende Klassifikation nur folgender Ruptur der radiokarpalen und ulnokarpalen
ligamentäre Verletzungen berücksichtigt, welche aller- Bänder, welche zusätzlich mit Frakturen des Processus
dings nicht immer isoliert auftreten, da die Krafteinwir- styloideus radii oder ulnae einhergehen können. Bei aku-
kung auch durch die knöchernen Anteile des Karpus ter Instabilität des Karpus treten oft sowohl knöcherne
fließt. Von radial beginnend können im Rahmen der als auch ligamentäre Verletzungen auf, wie dies z. B. bei
einer transscaphoidalen perilunären Luxationsfraktur im
Stadium III nach Mayfield zu sehen ist (Abb. 17.9). Diese
Verletzungen bedingen oft eine Fraktur der knöchernen
Anteile des Karpus, da die Krafteinwirkung durch und um
das Os lunatum verläuft.
Eine isolierte lunotriquetrale Instabilität, welche auch
als umgekehrte perilunäre Verletzung bezeichnet wird,
scheint Folge eines Sturzes auf die radialduzierte aus-
gestreckte Hand zu sein (typischerweise befindet sich
die Hand in Ulnarduktion beim Auftreten perilunärer Lu-
xationen). Eine Verletzung der dorsalen und zentralen
Anteile des LT-Bandes ist nicht ausreichend, eine Ver-
änderung der karpalen Biomechanik hervorzurufen, eine
Verletzung des palmaren Anteils des LT-Bandes führt je-
doch in Kombination mit einer Ruptur dorsaler Kapsel-
bandanteile (Lig. radiotriquetrum und scaphoideotrique-
trum) zu einer zunehmenden statischen palmaren (VISI:
Volar Intercalated Segment Instability) Instabilität (siehe
Abb. 17.5 Röntgenbild des Stadium I nach Mayfield. Der SL- auch spätere Diskussion).
Spalt ist im p.–a. Bild erweitert (> 3 mm), der SL-Winkel in der
Seitansicht vergrößert (mehr als 60°), wodurch die Zerreißung
des SL-Gelenks angezeigt wird.

Abb. 17.6 Röntgenbild des Stadium III nach


Mayfield. Bei zunehmender Krafteinwirkung im
Bereich des Os lunatum in Richtung ulnare Seite
des Handgelenks zerreißt das LT-Band, somit
besteht keine mechanische Verbindung mehr
zwischen Karpus und Os lunatum. Während der
restliche Karpus (zusammen mit der Hand) nach
dorsal disloziert, verbleibt das Os lunatum in der
Fossa lunata des Radius, wodurch eine perilu-
näre Luxation entsteht. Es ist zu beachten, dass
die Luxation nach stattgehabter Bandverletzung
im Rahmen der Untersuchung nicht immer
noch vorhanden sein muss.

17
a b
422 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

a b

Abb. 17.7 Stadium IV nach Mayfield. Das dorsale radiokarpale lunatum in Nähe zum distalen Radius. Dies bedingt das Zei-
Band ist rupturiert und das Os lunatum nach palmar aus der chen der „umgekippten Teetasse“, welches häufig in der seitli-
Fossa lunata des Radius luxiert. Da die kräftigen radiolunären chen Ansicht der Röntgenbilder bei einer perilunären Luxation
Bänder oft intakt bleiben, verbleibt der palmare Anteil des Os zu sehen ist.

lated Segment Instability), wenn das Os lunatum im seit-


lichen Röntgenbild eine verstärkte Dorsalextension im
Verhältnis zum Radius aufweist, während das Os capita-
V tum sich nach proximal verschiebt. Umgekehrt spricht
man von einer VISI-Fehlstellung, wenn das Os lunatum
C Td I
H eine verstärkte Beugestellung im Verhältnis zum Radius
großer aufweist, während das Os capitatum sich ebenfalls nach
T
Bogen
Tm proximal verschiebt.
P

L S
Konservative Behandlung
kleiner Frakturlinie
Bogen Bei der Belastung wirkt Kraft auf beide mobilen Reihen
des Karpus ein, welche in jeder Stellung eine stabile Ver-
R bindung behalten müssen. Diese beruht auf der Integrität
U
des Os scaphoideum, welches eine feste Brücke bzw. Ver-
bindung zwischen den beiden Reihen darstellt und den
intrinsischen Bändern, welche das Os scaphoideum, Os
lunatum und Os triquetrum miteinander verbinden. Die
Abb. 17.8 Verletzungsmuster die den kleinen Bogen betref- Instabilität einer dieser Komponenten führt zu einem
fen beinhalten hauptsächlich ligamentäre Verletzungen mit fortschreitenden karpalen Kollaps, welcher bereits durch
Ruptur des SL- und LT-Bandes, wobei die Kraft von radial nach die Kompressionskraft der muskulotendinösen Einheiten,
ulnar durch den Karpus fließt. Verletzungen des großen Bogens die das Handgelenk und die knöcherne Anatomie des
beinhalten jedoch knöcherne Anteile, da die Kraft in einem distalen Radius und Karpus überqueren, ausgelöst wer-
größeren Bogen um das Os lunatum verläuft. Gemischte Ver-
den kann. Es sind keine starken externen Belastungen
letzungen, die beide Komponenten beinhalten (transskapho-
idale perilunäre Luxation) sind nicht selten. notwendig, um einen fortschreitenden Kollaps der pro-
ximalen Reihe mit nachfolgender proximaler Migration
der distalen Reihe und entsprechenden arthrotischen
Veränderungen auszulösen. Demzufolge ist es nicht sinn-
Befindet sich das Kahnbein als zentrale Säule nicht voll, diese Verletzungen konservativ zu behandeln, da
mehr in stabiler Verbindung mit der proximalen Reihe, diese Verletzungen mit Ausnahme undislozierter stabiler
17 führt dies zu einer verstärkten Palmar- und Dorsalflexion Frakturen im Bereich des mittleren Kahnbeindrittels bzw.
im Rahmen der Krafteinwirkung auf das Handgelenk, partieller Bandrupturen mit alleiniger Ruhigstellung
wobei sich die distale Reihe nach proximal verschiebt. nicht stabil verheilen.
Man spricht von einer DISI-Fehlstellung (Dorsal Interca-
Karpale Instabilität 423

Abb. 17.9 Transskaphoidale perilunäre Luxationsfraktur. Knö- a Unfallaufnahmen.


cherne Überlagerungen auf dem konventionellen Röntgenbild b Traktionsaufnahme.
können die Einschätzung der Verletzung erschweren. Aufnah-
men unter Zug ermöglichen eine bessere Abgrenzung der ver- b
letzten Strukturen.

a b

Abb. 17.10 Technik für die vorübergehende geschlossene Re- nach distal geschoben, um es in die Fossa lunata zurücksprin-
position einer Luxation des Os lunatum bzw. einer perilunären gen zu lassen.
Luxation. b Mit der anderen Hand wird Zug aufgebaut, während die
a Der distale Unterarm wird mit der einen Hand gehalten, Hand und der übrige Karpus nach palmar manipuliert werden,
wobei der Daumen über dem Karpalkanal Druck auf das Os um diese in eine Linie mit dem Os lunatum einzustellen. Mäd-
lunatum ausübt. Bei einer Luxation des Os lunatum in den chenfänger mit Gegenzug können dabei hilfreich sein.
Karpalkanal, wird dieses in einer Bewegung von proximal

Obwohl die operative Stabilisierung die endgültige Be- bei der Reposition nach dorsal dislozierter distaler Radi-
handlung dieser Verletzungen darstellt, ist zunächst oft usfrakturen erfolgreich durchgeführt werden.
eine vorübergehende geschlossene Reposition in der Mit oder ohne zusätzliche intravenöse Sedierung wird
Akutsituation notwendig. Sowohl bei der perilunären Lu- zunächst Zug über die Finger entweder durch den Ge-
xation als auch bei der Luxation des Os lunatum kann brauch von Mädchenfängern oder manuelles Gegenhal-
durch das Os lunatum ein beträchtlicher Druck auf den ten am proximalen Unterarm ausgeübt. Während man
N. medianus ausgeübt werden. Die Patienten weisen Sen- nun von palmar mit dem Daumen auf das Os lunatum
sibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des N. media- drückt, wird das Os capitatum zunächst dorsalextendiert
nus auf. Verbleibt das Handgelenk dabei in einer unrepo- und dann mit einer Translationsbewegung nach palmar
nierten Stellung mit kontinuierlichem Druck auf den geführt, um es in die distale Gelenkfläche des Os lunatum
Nerv, kann das fatale Folgen haben. Die geschlossene Re- einzustellen (Abb. 17.10). Ein hör- oder fühlbares Klicken 17
position mit entsprechender Anästhesie kann üblicher- im Rahmen der Reposition muss nicht auftreten. Die kor-
weise bei der Erstbehandlung in ähnlicher Weise wie rekte Reposition wird mittels Durchleuchtung oder kon-
424 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

ventionellen Röntgenbildern dokumentiert. Anschlie- Manchmal ist die geschlossene Reposition einer perilu-
ßend sollte eine dorsale Handgelenkschiene mit Dau- nären Luxation bzw. Luxation des Os lunatum nicht mög-
menausläufer bis zum Interphalangealgelenk, welche lich. Bei Bandverletzungen mit alleiniger Luxation des Os
eine Dorsalextension im Handgelenk verhindert, angelegt lunatum kann dieses wie durch ein Knopfloch durch die
werden, bis die endgültige operative Therapie erfolgt. kräftige palmare Kapsel dislozieren (Abb. 17.11). Wird

Abb. 17.11 Das luxierte Os luna-


tum kann wie durch ein Knopfloch
normal durch die palmare Kapsel durch-
C treten und eingeklemmt werden.
Verstärkter Zug am Handgelenk in
dieser Situation beim Versuch, die
C Reposition zu ermöglichen, ver-
L
engt die kapsuläre Lücke. Es sind
entweder ein erweitertes Eröffnen
L
normale der palmaren Kapsel durch den
Stellung S üblichen dorsalen Zugang oder die
des Os lunatum Reposition des Os lunatum über
(dorsal) einen zusätzlichen palmaren Zu-
gang notwendig.

palmare Ansicht

V
C C
palmare
Kapsel
S
L L

Lig. radiolunatum
breve
Lunatum im U
R
„Knopfloch“ Lig. radioscapholunatum
in der palmaren Lig. radiolunatum
Kapsel

Lig. radio-
scapholunatum
C

L Reparatur
mittels
Fadenanker

17
Karpale Instabilität 425

nun während des Repositionsmanövers Zug aufgebaut, alle Komponenten der Verletzung ersichtlich. Z. B. kann
kann sich die Kapsellücke weiter verengen und somit eine Fraktur des Processus styloideus radii der einzige
die Reposition des Os lunatum in seine anatomische Po- Hinweis auf die problematischere Ruptur des SL-Bandes
sition in Relation zum Karpus verhindern. In dieser Situa- oder eine Kahnbeinfraktur sein. Die Bedeutung einer
tion muss die offene Reposition erfolgen. Manche trans- sorgfältigen klinischen Untersuchung (Schmerzempfind-
ossäre perilunäre Luxationsfrakturen sind so instabil, lichkeit über dem SL- oder LT-Band) und eventuell wei-
dass die Reposition beim Nachlassen des Zuges trotz An- terführender radiologischer Diagnostik mittels gehalte-
lage einer gut anmodellierten Schiene nicht gehalten nen Aufnahmen kann nicht ausreichend betont werden.
werden kann. Röntgenbilder unter Zug können bei der Erstbeurteilung
Obwohl die operative Therapie die definitiv notwendi- der Verletzung ebenfalls sehr hilfreich sein (s. Abb. 17.9).
ge Behandlung dieser Verletzungen darstellt, um die Sta- Das Vorgehen bezüglich des operativen Zugangswegs
bilität wieder herzustellen, bedingt ein Versagen der ge- und der Rekonstruktion kann anhand der verletzten
schlossenen Reposition nicht immer ein sofortiges opera- Strukturen festgelegt werden. Größere Frakturen des
tives Vorgehen. Sind die Schwellung nur gering und keine Processus styloideus radii sollten osteosynthetisch ver-
oder nur milde sensible Ausfälle bei einer geschlossenen sorgt werden, um die Kongruenz des Gelenks und die
Verletzung vorhanden, ist es eventuell möglich, eine stabilisierende Wirkung des radioskaphokapitalen Ban-
nicht reponierbare Luxation vorübergehend bis zum des wiederherzustellen. Kahnbeinfrakturen bzw. Ruptu-
nächsten geeigneten Operationszeitpunkt zu belassen. ren des SL-Bandes erfordern eine offene Reposition und
Sollte der Patient jedoch zunehmende sensible Ausfälle stabile Osteosynthese bzw. eine direkte Rekonstruktion
mit einer zunehmenden Schwellung entwickeln, werden des Bandes. Frakturen des Os capitatum bzw. des Os tri-
die Dekompression des N. medianus durch Spalten des quetrum erfordern ebenfalls eine offene Reposition und
Karpalkanals und die nachfolgende offene Reposition stabile Osteosynthese. Bezüglich der Notwendigkeit der
dringlich. Rekonstruktion des LT-Bandes bestehen unterschiedliche
Meinungen. Viele Chirurgen halten die Wiederherstel-
lung der anatomischen Stellung des lunotriquetralen Ge-
Operationsindikationen
lenks mit zusätzlicher Kirschner-Draht-Transfixation für
Wie bereits betont, handelt es sich bei all diesen Verlet- ausreichend, ohne eine direkte Rekonstruktion des Ban-
zungen um überwiegend instabile Situationen, welche des über einen Knochentunnel oder mittels Fadenanker
eine geschlossene Behandlung und Ruhigstellung weit- durchzuführen. Andere jedoch empfehlen einen kom-
gehend wirkungslos machen. Obwohl eine geschlossene binierten dorsalen und palmaren Zugang, welcher die
Reposition durch Zug und Manipulation erreicht werden direkte Rekonstruktion des wichtigeren palmaren Antei-
kann, treten ein karpaler Kollaps und ein Repositionsver- les des LT-Bandes erlaubt (Video 17-1, DVD 2). Eine Frak-
lust sowohl bei der transossären als auch bei der trans- tur des Processus styloideus ulnae, welche den komplet-
ligamentären Verletzung auf. Im Allgemeinen sollte die ten Ansatz des tiefen Anteils des triangulären fibrokarti-
operative Behandlung am besten innerhalb von 2 Wo- laginären Komplexes miteinbezieht, sollte stabilisiert
chen nach der Verletzung erfolgen. Nach diesem Intervall werden. Das Auftreten einer Fraktur des Processus styloi-
erfordert die auftretende Narbenbildung im Bereich der deus ulnae zusammen mit knöchernen oder ligamentä-
Kapsel ein beträchtliches Freilegen von Knochen und ren Verletzungen des radialen Anteils des Handgelenks
Weichteilen, um eine adäquate Reposition zu erreichen ist ein Warnzeichen für die hohe Wahrscheinlichkeit wei-
(Video 17-1, DVD 2). Hierdurch wird die Beeinträchtigung terer Verletzungen innerhalb des Karpus.
der Gefäßversorgung des Karpus relevant. Wie bereits im
vorherigen Abschnitt angeführt, sollte eine sofortige Chirurgische Techniken
Spaltung des Karpalkanals in Situationen mit beträcht-
licher Schwellung und zunehmender Sensibilitätsstörung Ein adäquates Setup im Operationssaal und die Vorberei-
oder motorischem Defizit durchgeführt werden. tung der Ausrüstung und Instrumente sind essenziell (Vi-
deo 17-1, DVD 2). Der Patient wird in Rückenlage auf dem
Operationstisch mit einem stabilen Armtisch gelagert.
Chirurgische Therapie
Benötigt wird ein Bildwandler mit steriler Abdeckung,
Chirurgische Anatomie und der Armtisch sollte strahlendurchlässig sein. Weiterhin
Behandlungsoptionen werden Kirschner-Drähte, eine Maschine mit passender
Größeneinstellung, ein Bohrfutter und ein entsprechen-
Die präoperative Planung beginnt mit der Einschätzung der Aufsatz für die Maschine benötigt, um Kompressions-
der Art und Ausdehnung der Verletzung. Es ist zu beach- schrauben einzubringen. Egal welches System man be-
ten, dass eine karpale Instabilität Folge einer Vielzahl von nutzt, die Schraube sollte durchbohrt sein, um das exakte
strukturellen Schädigungen sein kann, die beim Einwir- Platzieren eines Führungsdrahts vor dem Einbringen der 17
ken der verletzenden Kraft auf das Handgelenk auftreten Schraube zu erlauben. Sollte eine Bandrekonstruktion
können. Auf den primären Röntgenbildern sind oft nicht notwendig sein, werden kleine (2 – 4 mm) Fadenanker
426 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Abb. 17.12 Ein Kirschner-Draht und eine stumpfe 14-Gauge-


Metallkanüle, die als Hülse zum Weichteilschutz dient.

Abb. 17.13 Eine dorsale longitudinale Inzision am Hand-


bevorzugt. Schließlich erleichtert eine 14-Gauge-Metall- gelenk, die knapp proximal des Lister-Tuberkels beginnt und
kanüle (Abb. 17.12) das exakte Platzieren perkutaner sich bis zur Linie der karpometakarpalen Gelenke erstreckt,
erlaubt gewöhnlich eine adäquate Exposition zur ossären und
Drähte, wobei gleichzeitig das Risiko des Aufwickelns
ligamentären Rekonstruktion.
der umgebenden Weichteile verkleinert wird (ein
schmerzhaftes Neurom des oberflächlichen Radialisastes
oder des sensiblen dorsalen Ulnarisastes kann sonst das
Ergebnis einer erfolgreichen knöchernen Rekonstruktion zentral über die proximale karpale Reihe verläuft, inzi-
verschlechtern). Der Gebrauch einer Blutsperre ist obli- diert, Haut und Subkutangewebe werden komplett als
gat. Das Halten der Reposition, während man diese mit Lappen bis auf das Retinaculum extensorum abpräpariert.
Drähten oder Schrauben stabilisiert, erfordert gewöhn- Der distale Anteil des Retinaculum wird im Verlauf der
lich beide Hände des Operateurs und des Assistenten, Sehne des M. extensor pollicis longus inzidiert. Durch
was das wiederholte Absaugen von Blut und Wundflüs- das Lösen eines Anteils des Septums zwischen 3. und 4.
sigkeit zur Verbesserung der Übersicht erschwert. Die Strecksehnenfach wird ein erweiterter Zugang zur dorsa-
überwiegende Anzahl dieser Eingriffe kann innerhalb len Handgelenkskapsel mit einem Selbsthalter erleichtert.
einer 2-stündigen Blutleere durchgeführt werden. Die Sehnen des 2. und 3. Strecksehnenfachs werden nach
Gewöhnlich ist mit Ausnahme größerer Frakturen des radial, die des 4. Strecksehnenfachs nach ulnar gehalten.
Processus styloideus radii und ulnae ein dorsaler Zugang Sollte sich ein posttraumatischer Einriss im Bereich der
ausreichend. Ein palmarer Zugang wird beim Auftreten dorsalen Kapsel zeigen, wird versucht, diesen in die dor-
eines akuten Karpaltunnelsyndroms bzw. einer Luxation sale Kapsulotomie mit einzubeziehen. Sonst wird eine In-
des Os lunatum, welche nicht durch ein Kapselrelease zision der kompletten Kapsel über 2 – 3 cm in Verlänge-
über den dorsalen Zugang reponiert werden kann, benö- rung des Lister-Tuberkels durchgeführt. Wenn das SL-
tigt. Band intakt ist, kann ein unvorsichtiges Vorgehen mit
Ob ein longitudinaler oder transversaler dorsaler Zu- dem Skalpell im Rahmen dieser Inzision eine iatrogene
gang benutzt wird, ist eine persönliche Ermessensfrage. Schädigung des Bandes verursachen. Deshalb sollte nach
Der transversale Zugang erlaubt die Exposition des kom- Durchtrennung der Kapsel das Skalpell horizontal geführt
pletten Karpus mit Processus styloideus radii und ulnae, werden, um die dorsalen Bandverbindungen der Knochen
eine transversale Narbe ist weniger auffällig als eine lon- des Karpus zu schonen. Ein exzessives dorsales Freilegen
gitudinale. Der Zugang zur Metaphyse des Radius bzw. des distalen Kahnbeinanteils muss vermieden werden, um
der Ulna ist allerdings, falls notwendig, limitiert. Wir be- die Hauptgefäßversorgung über die Streckseite zu scho-
vorzugen einen longitudinalen dorsalen Zugang, der di- nen. Dieser Zugang sollte eine adäquate Exposition des
rekt über dem Lister-Tuberkel verläuft. Die Exposition zur Karpus vom dorsalen Pol des Kahnbeins bis zum radialen
Stabilisierung des Processus styloideus radii und ulnae Rand des Os triquetrum ermöglichen. Die nun notwendige
wird jeweils über separate Längsinzisionen mit einem Reposition und Stabilisierung hängt vom Grad und der Art
17 geringen Risiko der Lappennekrose erreicht (Abb. 17.13). des individuellen Verletzungsmusters ab.
Für den dorsalen longitudinalen Zugang wird die Haut Transskaphoidale Verletzungen verlaufen entweder
über 4 – 6 cm in einer Linie, welche vom Lister-Tuberkel durch die Taille oder den proximalen Pol des Knochens.
Karpale Instabilität 427

Abb. 17.14 Das Einbringen von Kirschner-Drähten als „Joy-


Abb. 17.15 Einbringen eines Führungsdrahts ins zentrale Drit-
sticks“ in das proximale und distale Fragment des Kahnbeins
tel des Kahnbeins zur Stabilisierung einer Fraktur.
erleichtert das Erreichen und Aufrechterhalten der Reposition,
während temporäre Kirschner-Drähte oder Führungsdrähte zur
Stabilisierung mittels durchbohrter Schrauben eingebracht
werden.

Das Einbringen temporärer Kirschner-Drähte von dorsal


in beide Fragmente, welche als Joysticks zur Manipulati-
on und Reposition der Fragmente dienen, ist vorteilhaft
(Abb. 17.14). Das Frakturhämatom muss vorsichtig mit
einem Zahnarzthaken und durch Spülen entfernt werden.
Während nun der Operateur die Reposition durch den
Gebrauch der als Joystick eingebrachten Kirschner-Drähte
durchführt und beibehält, wird vom Assistenten der Füh-
rungsdraht für die durchbohrte Kompressionsschraube
über die Fraktur im zentralen Drittel des Kahnbeins ein-
gebracht (Abb. 17.15). Die korrekte Positionierung dieses
Führungsdrahts ist kritisch. Im Allgemeinen befindet sich
der Eintrittspunkt an der dorsalen ulnaren Kante des
Kahnbeins. Der steril abgedeckte C-Arm wird benutzt, Abb. 17.16 Überbohren des Führungsdrahts mit einem mar-
kierten durchbohrten Handbohrer. Während des Bohrens hält
um das korrekte Platzieren des Drahtes in der Achse des
ein Chirurg die Reposition mit den Joysticks. Ein temporär über
zentralen Drittels zu unterstützen, intermittierend wird die Fraktur eingebrachter Antirotationsdraht kann eine Disloka-
diese Position in der p.–a. und seitlichen Ansicht verifi- tion während des Bohrens und dem Platzieren der Schraube
ziert. Beim Überprüfen der p.–a. Ansicht muss die Exten- verhindern.
sion des Handgelenks bis zu dem Punkt, an dem die dor-
sale Lippe des Radius anstößt und den Kirschner-Draht
verbiegt, vermieden werden. Die distale Spitze des Drah- während des Bohrens und dem nachfolgenden Eindrehen
tes sollte nicht in die distale Kortikalis des Kahnbeins der Schraube auftritt, zu vermeiden, wird ein zusätzlicher
vorgebracht werden. Wenn eine zufriedenstellende Posi- Kirschner-Draht über die Fraktur in einer Position einge-
tion des Kirschner-Drahts verifiziert wurde, wird die bracht, welche die anderen Instrumente nicht behindert.
Länge des Drahtes mit Hilfe des Längenmessers aus dem Beim Benutzen des durchbohrten Handbohrers wird
Instrumentarium oder einem gleich langen Draht gemes- 2 mm weiter als die gewählte Schraubenlänge gebohrt,
sen. Die zu wählende Schraubenlänge muss ungefähr wobei die Markierungen auf der Seite des Bohrers beach-
4 mm kürzer als die gemessene Länge des Führungs- tet werden (Abb. 17.16). Die Frakturstellung wird genau
drahts sein. Das Auswählen einer zu langen Schraube ist beachtet und die Joysticks werden benutzt, um eine Dis-
ein häufiger Fehler. lokation, die während der Passage des Bohrers und der
Wenn die Schraubenlänge festgelegt wurde, wird der Schraube auftreten kann, zu verhindern. Wenn die
Führungsdraht über das ST-Gelenk in das Os trapezium Schraube über den Führungsdraht eingebracht wird,
eingebracht, um ein versehentliches Mitdrehen des Drah- kommt es beim Annähern an das Ende des Bohrkanals 17
tes während des Einsatzes des durchbohrten Bohrers zu zur Kompression und zu zunehmendem Widerstand.
vermeiden. Um eine Rotationsfehlstellung, welche gerne Vor den letzten Umdrehungen der Schraube werden der
428 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Führungsdraht und der Antirotationsdraht entfernt, um kann der proximale Pol des Os capitatum um 180° ge-
die Kompression der Fraktur zu ermöglichen. Das pro- dreht sein, wobei dann der knorpelige Dom nach distal
ximale Ende der Schraube muss unter die proximale Kor- zeigt. Die Reposition wird entweder durch den Gebrauch
tikalis versenkt werden. Steht das Schraubenende über, eines Kirschner-Drahts als Joystick oder durch einen
wird der Führungsdraht erneut platziert und die Schrau- Zahnarzthaken erreicht, da das distale Fragment immobil
be gegen die nächstkürzere ausgewechselt. ist. Wenn die Fraktur reponiert ist, wird der Führungs-
Die Versorgung von Frakturen des Os capitatum erfolgt draht eingebracht und nachfolgend werden die verblei-
in ähnlicher Technik, wie bereits für Frakturen des Os benden Schritte, wie bereits bei der Kahnbeinfraktur be-
scaphoideum beschrieben, nämlich mittels durchbohrter schrieben, durchgeführt (Abb. 17.17).
Kompressionsschrauben. Wird die Fraktur des Os capita- Im Falle einer kompletten Luxation des Os lunatum
tum vor einer gleichzeitig bestehenden Fraktur des Os (Mayfield-Stadium IV) liegt das unreponierte Os lunatum
scaphoideum stabilisiert, erleichtert dies den Zugang im Karpalkanal. Wie bereits erwähnt, kann die palmare
zur Reposition sowie das exakte Platzieren der Schraube Kapsel die geschlossene Reposition verhindern. In der-
im proximalen Fragment des Os capitatum. Gelegentlich artigen Fällen kann die Lücke in der palmaren Kapsel

Hautinzision Abb. 17.17 Stabilisie-


rung von Frakturen des
Os capitatum mit Kom-
pressionsschrauben,
wobei ähnliche Tech-
Lig. dorsale niken wie bei der Stabili-
intercarpale sierung von Frakturen
IV des Os scaphoideum be-
nutzt werden.
Lig. dorsale
radiocarpale Inzision des
Kapsel-
lappens

Kapsel-
lappen Fraktur des Os capitatum

Position der Schraube

C
H
S L

C H

S
L

17
Karpale Instabilität 429

über den dorsalen Zugang erweitert werden, was die Re- entsprechenden Eintrittspunkt im Bereich des distalen
position des Os lunatum in die Fossa lunata erlaubt. Lässt Kahnbeins zu spreizen. Während das Klemmchen ge-
sich dies nicht über den dorsalen Zugang bewerkstelligen spreizt gehalten wird, wird nun eine 14-Gauge-Metall-
bzw. tritt bei dem Patienten ein progredientes Karpaltun- kanüle oder eine Bohrhülse auf dem Kahnbein platziert.
nelsyndrom auf, wird ein separater palmarer Zugang er- Zur Bestimmung der korrekten Neigung der Kanüle wird
forderlich. der Bildwandler benutzt, um eine exakte Passage durch
Sobald das Os lunatum in die Fossa lunata reponiert das SL-Gelenk zu erreichen, dabei hält der assistierende
wurde, kann die Reposition und Stabilisierung des SL- Chirurg die Reposition. Nun wird der Kirschner-Draht
Gelenks durchgeführt werden. Auch hier erleichtert das durch die Kanüle oder Bohrhülse über das SL-Gelenk ge-
Platzieren von Kirschner-Drähten als Joysticks dorsal in bohrt, wobei die Kanüle fest gegen den Knochen gedrückt
das Os lunatum und den proximalen Pol des Kahnbeins wird. Um einen festen Halt zu erzielen, soll der Draht
die Reposition. Typischerweise tendiert das Os lunatum weit genug in das Os lunatum vorgebohrt werden,
bei einer Ruptur des SL-Bandes dazu, in einer dorsalex- wobei ein Einbringen in das radiokarpale Gelenk vermie-
tendierten Position im Verhältnis zum Os scaphoideum den wird. Um eine bessere Stabilität zu erreichen, wird
zu verbleiben. Demzufolge werden die Joysticks derart ein zweiter Kirschner-Draht in derselben Weise über das
platziert, dass sie zur Reposition eine Flexion des Os lu- Gelenk in das Os lunatum eingebracht. Ein dritter Draht
natum und Extension des Os scaphoideum erlauben. Die wird dann durch das SC-Gelenk platziert.
beste Methode zur Beurteilung, ob das SL-Gelenk repo- Wenn nun das SL-Gelenk reponiert und stabilisiert ist,
niert ist, ist die direkte Aufsicht, da eine leichte Rotati- wird das Band unter Verwendung kleiner Fadenanker mit
onsfehlstellung nur schwierig mit Sicherheit im Rahmen einer geflochtenen Naht der Stärke 4-0 rekonstruiert. Üb-
der Durchleuchtung festzustellen ist. Ein zu diesem licherweise ist das Band an einem Knochen abgerissen,
Zweck in den radioskapholunären Gelenkspalt einge- während der Großteil des Bandes am anderen Knochen
brachtes Elevatorium hilft bei der adäquaten Darstellung. anheftet. Um die Bandrefixation vorzubereiten, wird eine
Bevor die endgültige Reposition durchgeführt wird, kleine Fläche des Knochens mit einem kleinen Rongeur
trifft man Vorbereitungen für ein exaktes Platzieren der oder einer kleinen Kürette angefrischt (Abb. 17.19). Es
Kirschner-Drähte, wobei eine Verletzung der sensiblen werden 2 – 3 Anker im proximalen Pol des Knochens, an
Äste des N. radialis und der A. radialis vermieden werden den das Band angeheftet werden soll, platziert. Die an-
soll. Um den ungefähren Eintrittspunkt an der Haut für hängende 4-0 Naht wird dann mit einer horizontalen
den Draht festzulegen, wird dieser oberhalb der Wunde Matratzennaht durch das Band geführt und geknotet, wo-
aufgelegt, um den benötigten Winkel zum Transfixieren durch das Band dem angefrischten Knochenbett anliegt
des SL-Gelenks zu bestimmen, wobei man außerhalb des (Abb. 17.20).
SC-Gelenks verbleibt (Abb. 17.18). Dann wird eine kleine In manchen Fällen (vor allem bei Patienten, die sich
Stichinzision mit dem Skalpell durch die Haut am unge- erst mehrere Wochen nach der Verletzung vorstellen)
fähren Eintrittspunkt angelegt. Man benutzt eine kleine ist nicht mehr ausreichend ligamentäres Gewebe vorhan-
Klemme, um das Gewebe bis auf die Gelenkkapsel am den, um eine stabile primäre Rekonstruktion zu erzielen.

a b

Abb. 17.18 b Der Draht wird mit einer stumpfen Nadel als Hülse zum
a Wird der Draht vor dem Bohren oberhalb der Wunde auf- Weichteilschutz über das SL-Gelenk gebohrt. 17
gelegt, erleichtert dies das Bestimmen des korrekten Winkels
und des Eintrittspunktes durch die Haut.
430 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Abb. 17.19 Bevor die Fadenanker zur Bandrekonstruktion Abb. 17.20 Nach dem Platzieren des Ankers in dem vorberei-
platziert werden, wird der Knochen an der Abrissstelle mit teten Knochenbett, wird der Faden durch den abgerissenen
einem kleinen Rongeur oder einer kleinen Fräse bis zum Auf- Bandstumpf geführt.
treten kleiner Blutungen angefrischt.

Viele Autoren raten hier zu einer dorsalen Kapsulodese, Nach der Stabilisierung des Karpus werden die Drähte
bei der ein proximal gestielter Lappen der dorsalen Kap- entweder unter dem Hautniveau gekürzt oder umge-
sel benutzt wird, um die Bandrekonstruktion zu augmen- bogen und über dem Hautniveau abgezwickt. Ein ausrei-
tieren (6). Der distale Anteil des dorsalen Kapsellappens chendes Kürzen der Drähte sollte beim Verbleiben unter
wird dorsal am distalen Kahnbeinpol (nach dem das Os dem Hautniveau gewährleistet werden. Hervorstehende
scaphoideum in die anatomische Position in Relation Drähte unter der Haut können diese perforieren und zu
zum Os lunatum reponiert wurde) mittels Bohrkanälen einer Infektion unter dem Gips führen.
im Knochen oder Fadenankern angeheftet. Wird anschlie- Wenn eine komplexe Fraktur des Processus styloideus
ßend eine 8- bis 12-wöchige Ruhigstellung eingehalten, radii vorliegt, die das radioskaphokapitale Band mitein-
kann dies der Tendenz einer Redislokation des Os sca- bezieht oder eine signifikante Fehlstellung im Bereich der
phoideum in eine Beugefehlstellung entgegenwirken, Fossa scaphoidea verursacht, sollte diese reponiert und
falls eine schwächere Rekonstruktion des SL-Bandes stabilisiert werden. Wird eine quere Hautinzision benutzt
nicht ausreicht. um die karpale Instabilität zu behandeln, kann diese nach
Wie bereits erwähnt, wird von einigen Chirurgen die radial erweitert werden, um den Processus styloideus
alleinige Kirschner-Drahttransfixation des LT-Gelenks radii unterhalb des ersten Strecksehnenfachs darzustel-
ohne direkte Bandrekonstruktion durchgeführt. Möchte len. Wird eine dorsale Längsinzision benutzt, sollte eine
man die Bandrekonstruktion durchführen, kann diese, zweite Längsinzision über dem Processus styloideus radii
wie zuvor schrittweise für die Rekonstruktion des SL- angelegt werden (Abb. 17.21). Bei jedem Zugang werden
Bandes dargestellt, erfolgen. Nach Ruptur des LT-Bandes die sensiblen Äste des N. radialis sorgfältig identifiziert
hat das Os triquetrum die Tendenz, sich etwas dorsal im und vorsichtig zur Seite gehalten. Gelingt dies nicht, re-
Verhältnis zum Os lunatum einzustellen. Zur Reposition sultiert ein schmerzhaftes Neurom oder ein asensibles
sollte deshalb dorsaler Druck auf das Os triquetrum aus- Hautareal dorsoradial an der Hand, welches den Patien-
geübt werden, während die Drähte über den Gelenkspalt ten trotz eines sonst möglicherweise guten Ergebnisses
gebohrt werden. Auch hier verringert der Gebrauch einer beeinträchtigt. Sind die Nervenäste identifiziert und bei-
Metallkanüle oder Bohrhülse das Risiko einer Verletzung seite gehalten, wird das erste Strecksehnenfach gespalten
der dorsalen sensiblen Äste des N. ulnaris. Sollte ein re- und die darin enthaltenen Sehnen weggehalten, um den
konstruierbar erscheinender Rest des LT-Bandes sichtbar Processus styloideus radii und den Ansatz der Sehne des
sein, kann eine direkte Naht unter Gebrauch kleiner Fa- M. brachioradialis darzustellen. Die A. radialis findet man
denanker oder knöcherner Kanäle durchgeführt werden. palmar der Sehnen knapp palmar des Processus styloi-
Hierbei ist zu beachten, dass der dorsale Anteil des LT- deus radii, sie sollte geschont werden. Obwohl das Frag-
Bandes weniger stark ausgeprägt ist als der palmare An- ment des Processus styloideus an der radialen Metaphyse
teil. Demzufolge benutzen manche Chirurgen einen sepa- reponiert erscheinen kann, ist es wichtig, die Reposition
raten palmaren Zugang durch den Boden des Karpal- der Gelenkfläche mittels Bildwandler oder direkter Dar-
17 kanals, um eine direkte palmare Bandrekonstruktion stellung zu überprüfen. Kleine Rotationsfehlstellungen
durchzuführen. des Fragments münden oft in einer signifikanten Inkon-
gruenz des Gelenks. Wurde die Reposition überprüft,
Karpale Instabilität 431

dorsal Abb. 17.21 Radialer Hand-


III IV gelenkzugang zur Repositi-
V on und Stabilisierung einer
II
VI Fraktur des Processus sty-
loideus radii. Nach der
I EPB
R Hautinzision mit dem Skal-
APL
U pell wird mit einer feinen
Schere das Gewebe bis auf
Hautinzision
das erste Strecksehnenfach
gespreizt, um eine Verlet-
palmar zung der sensiblen Äste des
N. radialis zu vermeiden.
Das erste Strecksehnenfach
wird an seinem dorsalen
Rand eröffnet, um eine pal-
mare Subluxation der darin
vorhandenen Sehnen zu
verhindern.
Processus styloideus radii

III

ER

Hautinzision

APL
EPB oberflächlicher
Ast des N. radialis

A. radialis

Weghalten von APL


und EPB nach dorsal

Retinaculum
extensorum

Processus styloideus radii

wird eine Kompressionsschraube über den Frakturspalt das distale Radioulnargelenk in der sagittalen Ebene be-
in die Metaphyse des Radius eingebracht. Eine durch- lastet wird. Wenn das Gelenk instabil ist, sollte der Pro-
bohrte 4,0-mm-Schraube oder eine normale 3,5-mm- cessus styloideus ulnae fixiert werden, um den Ansatz
Schraube mit Beilagscheibe ist ausreichend. Der Ge- des triangulären fibrokartilaginären Komplexes an der
brauch einer durchbohrten Kompressionsschraube ver- Ulna wieder herzustellen. Die Zuggurtung ist eine stabile
meidet die Problematik überstehender Schraubenköpfe und nicht auftragende Osteosynthese.
(Abb. 17.22). Der Zugang zur distalen Ulna erfolgt über eine ca. 4 cm
Selbstverständlich müssen nicht alle Frakturen des proximal des Processus styloideus ulnae beginnende
Processus styloideus ulnae stabilisiert werden. Nur dieje- längsverlaufende Inzision. Distal quert der dorsale sensi-
nigen Frakturen, welche den tiefen Ansatz des triangulä- ble Ast des N. ulnaris die Inzision an der Spitze des Pro-
ren fibrokartilaginären Komplexes miteinbeziehen, erfor- cessus styloideus ulnae und sollte geschont werden. Der
dern eine Stabilisierung (Abb. 17.23). Dies lässt sich fest- ulnare Ausläufer des Retinaculum extensorum wird abge- 17
stellen, indem nach Stabilisierung der vorliegenden Ver- löst, um die Fraktur darzustellen. Hier wird entweder ein
letzungen im Bereich des distalen Radius und des Karpus Skalpell oder ein Raspatorium benutzt, um den ulnaren
432 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Abb. 17.22 Postoperatives Röntgenbild einer versorgten Frak- Abb. 17.23 Ein größerer Abriss des Processus styloideus
tur des Processus styloideus radii (erfolgt nach gleichzeitiger ulnae erfordert die Rekonstruktion, da der Ansatz des triangu-
Versorgung einer Fraktur des proximalen Kahnbeinpols über lären fibrokartilaginären Komplexes an der Basis des instabilen
einen dorsalen Zugang). Fragments verbleibt.

a b

Abb. 17.24 b Ein Kirschner-Draht wird über die Spitze des Processus in die
a Das Fragment des Processus styloideus ulnae mit dem an- Gegenkortikalis der Ulna eingebracht.
haftenden triangulären fibrokartilaginären Komplex wird repo-
niert und gehalten.

Anteil der Kortikalis über eine Strecke von 2 – 3 cm nach gezogen. Nachdem der Draht über der Kortikalis der Ulna
proximal darzustellen. Nachdem die Reposition mit gekreuzt wurde, wird er durch ein queres Bohrloch in der
einem Zahnarzthäkchen erzielt wurde, wird ein Kirsch- Ulna 2 – 3 cm proximal des Processus styloideus durch-
ner-Draht über die Spitze des Processus styloideus ulnae geführt. Der Cerclagedraht wird dann zusammengedreht,
in die proximale Kortikalis der ulnaren Metaphyse einge- um die Kompression der Fraktur über den Zuggurtungs-
bracht (Abb. 17.24). Ein Cerclagedraht wird zum Anlegen effekt zu erzielen. Der Kirschner-Draht wird umgebogen,
der Zuggurtung benutzt. Das Umfahren des Zuggurtungs- gekürzt und an die Spitze des Processus styloideus ulnae
drahts um die Basis des Processus styloideus ulnae wird angelegt (Abb. 17.25).
durch den Gebrauch einer gebogenen 18-Gauge-Nadel, Ein palmarer Zugang kann für eine dringliche Spaltung
welche um die Basis geführt wird, erleichtert. Der Draht des Karpalkanals oder die Reposition einer eingeklemm-
wird dann in die vorstehende Spitze der Nadel eingeführt ten Lunatumluxation erforderlich werden. Dies wird mit-
17 und durchgeschoben. Sollte der Draht einklemmen und tels einer erweiterten Inzision, als üblicherweise für eine
nicht durch die Nadel gleiten, wird durch Zurückziehen routinemäßige Karpalkanalspaltung benutzt, durch-
der Nadel üblicherweise der Draht ebenfalls mit durch- geführt. Die Inzision verläuft von distal auf Höhe der Ka-
Karpale Instabilität 433

triangulärer Kirschner-Draht Abb. 17.25 Nachdem der Draht um die Basis


fibrokartilaginärer des Processus styloideus ulnae und durch das
Komplex quere Bohrloch in der Metaphyse der Ulna ge-
Fraktur des führt wurde, wird dieser mit dem Nadelhalter
Processus angezogen, um über den Zuggurtungseffekt
styloideus Kompression im Bereich der Fraktur aufzubau-
ulnae en und diese somit zu stabilisieren (TFCC =
triangulärer fibrokartilaginärer Komplex).
Cerclage

R
U

nus vermieden wird. Nach Entfernen des Hämatoms kann


ein eingeklemmtes Os lunatum durch Beiseitehalten des
Inhalts des Karpalkanals dargestellt werden. Das Einbrin-
gen von Selbsthaltern im Bereich des radialen Anteils des
N. medianus sollte vermieden werden, da durch dieses
Manöver der motorische Thenarast verletzt werden
kann. Liegt das Os lunatum im Karpalkanal wird eine
entlastende Inzision der palmaren Kapsel angelegt, um
die Reposition des Os lunatum in die Fossa lunata zu
ermöglichen.

Tipps und Tricks


■ Die Palpation des kompletten Handgelenks (distaler
Radius, distales Radioulnargelenk, Processus styloi-
deus radii und ulnae, spezifische Knochen und Ge-
lenke des Karpus) mit Beachtung jeder Einzelkom-
ponente ist der Hauptbestandteil einer kompeten-
ten Beurteilung perilunärer Verletzungen. Auch in
der Akutsituation sind die Patienten im Bereich von
Abb. 17.26 Bezugspunkte für einen erweiterten Zugang zum
Karpalkanal (Hautmarkierung), der zwischen der Thenarfalte Frakturen oder Bandverletzungen schmerzempfind-
und dem Hamulus ossis hamati liegt. Die Kaplan-Linie verläuft licher als anderswo am Handgelenk. Dies ist der
vom komplett gestreckten Daumen zum distalen Anteil des Os Schlüssel dazu, auch unauffällige Zeichen einer Ver-
pisiforme und zeigt die ungefähre Höhe des oberflächlichen letzung nicht zu übersehen.
Hohlhandbogens an. ■ Röntgenbilder unter Zug sind hilfreich, um das Ver-
letzungsmuster in der Akutsituation zu klären.
■ Bilder mit Kraftgriff und Ulnarduktion können eine
plan-Linie (Abb. 17.26) nach proximal zwischen die The- sonst normal erscheinende skapholunäre Lücke bzw.
eine Kahnbeinfraktur auf dem Röntgenbild zum Vor-
narfalte und den Hamulus ossis hamati und endet ca.
schein bringen.
2 cm proximal der Handgelenksbeugefalte. Nachfolgend
■ Das Gelenk sollte sorgfältig bezüglich Knochen- oder
erfolgt die Präparation bis auf das Retinaculum flexorum, 17
Knorpelfragmenten beurteilt werden, die später pro-
welches scharf auf seiner vollen Länge durchtrennt wird,
blematisch werden können.
wobei eine Schädigung des darunterliegenden N. media-
434 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Nachbehandlung Ergebnisse
Postoperativ wird das Handgelenk mit einer Oberarm- Jede Diskussion der Behandlungsergebnisse dieser Verlet-
Kahnbein-Schiene in Neutralposition versorgt. Nach zungen muss mit dem Hinweis auf die schlechten Ergeb-
4 – 6 Wochen wird dieser auf einen Unterarm-Kahn- nisse begonnen werden, falls perilunäre Verletzungen
bein-Gips gewechselt. Die Kirschner-Drähte können übersehen werden bzw. unbehandelt bleiben. Die alleini-
nach 8 Wochen entfernt werden, die Ruhigstellung wird ge Gipsruhigstellung ist mit Ausnahme eventueller Teil-
in einem Unterarm-Kahnbein-Gips bis zur 12. postopera- rupturen der interossären Bänder ohne nachfolgende Er-
tiven Woche fortgesetzt. Unmittelbar postoperativ wird weiterung des Gelenkspalts bzw. gegenläufiger Beweg-
der Patient zur aktiven Fingerbewegung angehalten. So- lichkeit üblicherweise nicht ausreichend und kann zu
bald Kraft und Bewegungsübungen beginnen, kann der einem fortschreitenden Kollaps des Karpus und zu Insta-
Patient dann mit einer bequemeren, abnehmbaren Hand- bilitäten führen, wie sie auch bei unbehandelten Verlet-
gelenksorthese versorgt werden. zungen gesehen werden (9).
Trotz signifikanter Fortschritte im Verstehen des Patho-
Neue Techniken mechanismus und der Diagnostik karpaler Instabilitäten
sind zuverlässige Daten über Behandlungsergebnisse die-
Zeitweise wurde die Arthroskopie als effektive Methode ser Verletzungen überraschenderweise spärlich. Dies
zur Diagnostik und als Behandlungsmaßnahme bei Kap- liegt wahrscheinlich an der Schwierigkeit, eine solche
selbandproblemen am Handgelenk genutzt, dies galt ins- Vielzahl von Verletzungsmustern und Behandlungsoptio-
besondere für das ulnare Kompartment (Risse des trian- nen zu vergleichen. Nichtsdestotrotz scheinen eine ver-
gulären fibrokartilaginären Komplexes). Mit zunehmen- zögerte Behandlung, offene Verletzungen, fehlverheilte
der arthroskopischer Erfahrung halten einige Chirurgen Frakturen (verkürztes, abgekipptes Kahnbein) und Ge-
deren Anwendung auch zur Behandlung von Frakturen lenkschäden mit schlechten Ergebnissen verknüpft zu
und von inkompletten Bandverletzungen am Karpus für sein (10).
hilfreich (7, 8). Die geschlossene Behandlung akuter skapholunärer
Bei Partialrupturen des SL-Bandes fehlt oft eine Erwei- Verletzungen mit oder ohne Kirschner-Draht-Transfixati-
terung des SL-Spaltes bzw. ein vergrößerter SL-Winkel, on ist mit einer schlechten langfristigen Patientenzufrie-
welche bei kompletten Rupturen auf konventionellen denheit und Wiederherstellung des Alignements ver-
Röntgenbildern offensichtlich sind. Findet man bei knüpft (9, 11). Das Wiederherstellen der normalen inter-
einem Patienten eine Schwellung, eine lokalisierte karpalen Stellungsverhältnisse durch offene Reposition
Schmerzempfindlichkeit, Schmerzen beim skapholunä- und Kirschner-Drahttransfixation sowie gleichzeitiger
ren Verschiebetest und einen Verletzungsmechanismus, Bandrekonstruktion wird von den meisten Chirurgen ein-
der eine SL-Bandverletzung verursachen kann, stellt die deutig empfohlen. Auch die arthroskopisch assistierte Re-
Arthroskopie eine hervorragende Methode dar, um die position und Transfixation (siehe vorherige Diskussion)
Schwere der Verletzung sowie den Grad der skapholunä- wird erfolgreich durchgeführt. Zufriedenstellende Ergeb-
ren Instabilität einzuschätzen. Vermuten lässt sich eine nisse wurden von mehreren Autoren vorgestellt, die so-
derartige Instabilität, wenn die dorsale Kante des Kahn- wohl einen dorsalen als auch einen kombinierten dorso-
beins im Verhältnis zur dorsalen Kante des Os lunatum palmaren Zugang zur Reposition und Stabilisierung be-
nach distal rotiert ist, was mit dem Arthroskop im Me- nutzten (11–13).
diokarpalgelenk dargestellt werden kann. Ferner lässt Alle Rettungsoperationen für länger bestehende Dis-
sich eine leichte Aufweitung des Gelenkspalts nachwei- soziationen oder Fehlstellungen mit sekundären degene-
sen, indem das Arthroskop und der Tasthaken über das rativen Veränderungen sind mit dem Verbleiben einer
mediokarpale Portal eingebracht werden. Bewegungseinschränkung und persistierenden Schmer-
Die endgültige Versorgung partieller SL-Bandverlet- zen verbunden. Die mediokarpale Teilarthrodese und Re-
zungen kann mittels arthroskopisch assistierter Kirsch- sektion der proximalen Reihe sind wahrscheinlich die am
ner-Drahttransfixation durchgeführt werden. Mithilfe häufigsten durchgeführten Rettungsoperationen. Eine
der Arthroskopie kann eine exakte Reposition und Plat- Studie weist nach, dass das Bewegungsausmaß und die
zierung der Pins durchgeführt werden. Sie wird als effek- Greiffunktion bei der Gruppe mit Resektion der proxima-
tive Methode zur definitiven Versorgung akuter Verlet- len Reihe etwas besser ist, jedoch zeigt eine aktuellere
zungen angesehen (7, 8). Studie nur minimale subjektive und objektive Unter-
schiede in einem kurzfristigen Follow up (14, 15).

Komplikationen
17 Die wahrscheinlich häufigste Komplikation einer Verlet-
zung, welche zur karpalen Instabilität führt, ist, sie nicht
umgehend zu erkennen und zu diagnostizieren. Es ist zu
Kahnbeinfrakturen 435

beachten, dass die initialen Röntgenbilder normal er- lich kann die Bandrekonstruktion trotz guter operativer
scheinen können, obwohl eine Kahnbeinfraktur oder Technik erfolgreich sein oder versagen, was zu einem
eine signifikante Bandverletzung vorliegt. Unentdeckt nachfolgenden Fortschreiten der sekundären arthroti-
führt dieser Zustand zu einem fortschreitenden karpalen schen Veränderungen führt. Das Belassen der Pins für
Kollaps mit sekundärer schmerzhafter Arthrose und mindestens 8 Wochen und das Beibehalten der Gips-
Funktionseinschränkung. Wie bereits besprochen, findet ruhigstellung für mindestens 12 Wochen kann die Wahr-
sich, falls die operative Behandlung mehr als 3 Wochen scheinlichkeit dafür verringern.
aufgeschoben wird, eine Kallusbildung wodurch die Mo-
bilisierung der Fraktur signifikant erschwert wird. Dies
erfordert ein erweitertes Ablösen der Weichteile und er- Merke
schwert die anatomische Reposition, was zu den schlech- ■ Man beachte die radiologischen Zeichen einer stati-
teren Behandlungsergebnissen beitragen kann, welche schen skapholunären Instabilität:
bei verzögerter Behandlung nachgewiesen wurden. – vergrößerter SL-Winkel auf dem seitlichen Röntgen-
Sekundär kann eine fortschreitende Arthrose bei per- bild (normal zwischen 30 und 60°),
sistierendem Malalignement oder aufgrund einer osteo- – mehr als 3 mm große Lücke im SL-Gelenk,
chondralen Schädigung, welche zum Verletzungszeit- – das Ringzeichen des Kahnbeins auf dem a.–p. Rönt-
punkt erfolgte, auftreten. Eine Multicenterstudie wies genbild mit einem Abstand des Rings zu der proxima-
eine Inzidenz der posttraumatischen Arthrose bei 56 % len Kortikalis des Kahnbeins kleiner als 7 mm (dies
der operativ behandelten Patienten nach (10). Beachtet lässt eine vermehrte Beugestellung des Os scapho-
man die exakte Reposition insbesondere beim Vorliegen ideum vermuten).
einer Trümmerfraktur des Os scaphoideum oder Os capi- ■ Die offene Reposition und Kirschner-Draht-Transfixation
tatum, hilft dies, Fehlstellungen und Pseudarthrosen zu mit direkter Bandrekonstruktion ist der Behandlungs-
vermeiden. Der Gebrauch von Kompressionsschrauben standard für eine akute SL-Bandruptur. Bei dislozierten
bei Trümmerfrakturen kann zu einer signifikanten Ver- perilunären Frakturen sollte eine stabile Osteosynthese
kürzung, zum Kollaps des Knochens und zur Deformität in Kombination mit der Rekonstruktion gleichzeitig auf-
führen. Fehlverheilte Kahnbeinfrakturen mit einer sekun- tretender Bandverletzungen durchgeführt werden.
dären „Humpback-Deformität“ können bekanntermaßen
■ Die verzögerte Behandlung perilunärer Frakturen oder
über einen palmaren Zugang mit Open-wedge-Osteoto- Luxationen bedingt schlechtere Ergebnisse.
mie und Einbringen eines kortikospongiösen Spanes be-
■ Der natürliche Verlauf einer skapholunären Dissoziation
handelt werden (16). Unabhängig vom Auftreten degene- mit karpalem Kollaps (SLAC-Wrist) folgt einer vorhersag-
baren Abfolge arthrotischer Beteiligungen des Proces-
rativer Veränderungen findet man bei diesen Verletzun-
sus styloideus radii über die Fossa scaphoidea, das ska-
gen häufig eine Bewegungseinschränkung des Gelenks,
phokapitale und kapitolunäre Gelenk und endet schließ-
was wahrscheinlich Folge der Narbenbildung im Rahmen
lich in einer karpalen Arthrose mit Aussparung der
des Reparationsvorgangs der zerrissenen Bänder und der
Fossa lunata.
Gelenkkapsel ist (17).
■ Der karpale Kollaps als Folge einer Kahnbeinpseudarthro-
Eine Schädigung des N. medianus kann sekundär bei
se (SNAC-Wrist) folgt ebenfalls einem fortlaufenden Mus-
verlängertem Druck auf den Nerv durch die posttrauma-
ter mit Beginn im Bereich des Processus styloideus radii
tische Schwellung (akutes Karpaltunnelsyndrom) oder als
und nachfolgendem Fortschreiten über das skaphokapi-
Folge der Kontusion des Nervs zum Verletzungszeitpunkt
tale Gelenk, kapitolunäre Gelenk und dem eventuellen
auftreten. Offensichtlich ist das Erkennen und die sofor-
Auftreten einer pankarpalen Arthrose. Auch hier wird im
tige Dekompression eines anhaltenden akuten Karpaltun-
Allgemeinen die Fossa lunata ausgespart.
nelsyndromes die beste Methode, ein vorübergehendes
oder dauerhaftes druckbedingtes motorisches und sensi-
bles Defizit des N. medianus zu verhindern. Im Allgemei-
nen sollte sich eine durch das erlittene Trauma aufgetre- Kahnbeinfrakturen
tene Neurapraxie unter Überwachung zurückbilden.
Operationstechnisch bedingte Komplikationen treten Im vorhergehenden Abschnitt wurden Kahnbeinfraktu-
häufig beim Einbringen der Kirschner-Drähte auf. Das ren im Rahmen perilunärer Verletzungen besprochen.
perkutane Einbringen der Drähte ohne Schutz der Weich- Kahnbeinfrakturen treten jedoch üblicherweise ohne Be-
teile stellt ein Risiko für die oberflächlichen Äste des N. gleitverletzungen des Karpus auf und stellen die häufigs-
radialis und die dorsalen sensiblen Äste des N. ulnaris te isolierte Fraktur des Karpus dar. Unglücklicherweise
dar. Die A. radialis, welche knapp distal des Processus stellen Kahnbeinfrakturen auch eine bekannte Morbidi-
styloideus radii liegt, ist beim Einbringen der Drähte tätsursache dar, weil symptomatische Pseudarthrosen
ebenfalls gefährdet. Das vorsichtige Spreizen des Gewe- und Fehlstellungen nach Konsolidierung eine Inzidenz
bes und das Benutzen einer Kanüle zum Schutz der von über 50 % bei konservativ behandelten dislozierten 17
Weichteile, um den Weg bis auf die Gelenkkapsel zu si- Verletzungen aufweisen (18). Weiterhin werden diese
chern, kann das Risiko für diese Nerven verringern. Letzt- Verletzungen, da sie oft ein harmloses klinisches Bild bie-
436 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

ten und als Verstauchungen verkannt werden, häufig jede dislozierte Fraktur, welche die proximale Hälfte des
fehlbehandelt, bis sie sich später als schmerzhafte Pseud- Os scaphoideum mit einbezieht, ernsthaft die retrograde
arthrosen darstellen. Dieser Abschnitt beschäftigt sich Blutversorgung des proximalen Fragments bedrohen und
mit der Diagnose, der Behandlung (operativ und konser- somit zu einer verlängerten Heilungszeit bzw. einer avas-
vativ), Komplikationen und Behandlungsergebnissen von kulären Nekrose dieses Anteils des Knochens führen.
Kahnbeinfrakturen als isolierte Entität. Die wichtigsten Bandverbindungen um das Kahnbein
Ein Teil der relevanten Anatomie und der mecha- sind das bereits angeführte SL-Band und das radioska-
nischen Rolle des Kahnbeins wurde bereits im vorher- phokapitale Band. Das radioskaphokapitale Band
gehenden Abschnitt über Luxationen und karpale Insta- (s. Abb. 17.1) entspringt von der palmaren Kante des Ra-
bilität besprochen. Einige weitere Punkte verdienen je- dius etwa 4 mm entfernt vom Processus styloideus radii
doch zusätzliche Beachtung. Wie bereits angeführt, ist und verläuft über die Taille des Kahnbeins, um dann an
das Kahnbein der radial gelegenste Abschnitt der pro- der palmaren Oberfläche des Os capitatum anzusetzen.
ximalen karpalen Reihe und dient als feste Brücke zwi- Die Funktion dieses Bandes liegt in der Abstützung des
schen der proximalen und distalen Reihe. Das Fehlen radialen Anteils des Karpus, und es stellt ein Widerlager
oder ein strukturelles Versagen des Kahnbeins führt zu für das Kahnbein dar, während es im Rahmen der Radial-
einer proximalen Migration der distalen Reihe mit teil- und Ulnarduktion gebeugt und gestreckt wird.
weisem Kollaps und sekundären arthrotischen Verände-
rungen, ähnlich wie sie als Folge unbehandelter perilunä-
Diagnostik
rer Bandverletzungen gesehen werden.
Das Kahnbein liegt neben dem Os lunatum und artiku- Wie bei den perilunären Verletzungen liegt der Schlüssel
liert proximal mit der Fossa scaphoidea des distalen Ra- zum Erkennen von Kahnbeinfrakturen darin, bei Patien-
dius. Eine feine Kante am Radius trennt üblicherweise die ten, die einen anscheinend leichten radialseitigen Hand-
Fossa scaphoidea von der Fossa lunata. Das Kahnbein und gelenksschmerz nach einem Sturz oder einer Belastung
das Mondbein sind durch das SL-Band verbunden des dorsal extendierten Handgelenks aufweisen, den
(s. Abb. 17.3). Dieses Band stellt eine entscheidende funk- hochgradigen Verdacht auf eine Fraktur beizubehalten.
tionelle Verbindung zwischen den beiden Knochen dar Das Kahnbein bricht, da der proximale Pol in der Fossa
und ist für eine stabile kongruente Bewegung der pro- scaphoidea des Radius fixiert ist, während die Kraft im
ximalen karpalen Reihe erforderlich. Der distale konkave Rahmen der Hyperextension auf den restlichen Knochen
Anteil des Kahnbeins steht dem proximalen Pol des Os übertragen wird. Ein seltenerer Unfallmechanismus tritt
capitatum gegenüber. Distal bilden das Os trapezium und bei der „puncher’s fracture“ auf, wobei eine direkte axiale
Os trapezoideum zusammen mit dem Os scaphoideum Kraft auf das Kahnbein einwirkt.
das STT-Gelenk. Wie auch immer der Unfallmechanismus war, der Pa-
Das Os scaphoideum wird üblicherweise in 3 Haupt- tient wird, abhängig vom Untersuchungszeitpunkt, einen
regionen unterteilt: den distalen Pol, die Taille und den radialseitig gelegenen Handgelenksschmerz und eine
proximalen Pol. Diese Bezeichnung resultiert weitgehend Schwellung als Symptome aufweisen. In den ersten
aus der unterschiedlichen Prognose von Frakturen in Tagen nach der Verletzung kann der Patient diffuse ra-
jeder Region. Frakturen des distalen Poles heilen übli- dialseitig gelegene Handgelenksschmerzen und eine
cherweise ohne wesentliche Probleme. Frakturen der Schwellung beklagen. Dies erschwert es, die hauptur-
Taille mit nur geringer Dislokation zeigen eine signifikan- sächliche Stelle der Beschwerden zu lokalisieren. Bei
te Zunahme von Pseudarthrosen bei herkömmlicher kon- Frakturen im Bereich der Kahnbeintaille zeigt sich übli-
servativer Therapie (18). Dislozierte Frakturen des pro- cherweise ein Druckschmerz im Bereich der Tabatière.
ximalen Poles haben die höchste Pseudarthrosenrate. Frakturen des proximalen und distalen Poles weisen je-
Die Ursache für diesen ausgeprägten Unterschied im weils eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit im Bereich
Verhalten der Frakturen der unterschiedlichen Regionen des dorsalen bzw. palmaren Kahnbeinpols auf. Patienten
beruht auf der besonderen Blutversorgung des Os sca- mit einem identischen Verletzungsmechanismus, die eine
phoideum. Gelbermann u. Mennon bestätigten frühere Ruptur des SL-Bandes anstatt einer Kahnbeinfraktur er-
Studien mit der Aussage, dass der Hauptteil der Blutver- litten haben, verspüren vermehrt Schmerzen streckseitig
sorgung aus Ästen der A. radialis entstammt, welche am knapp distal des Lister-Tuberkels.
dorsalen First des Os scaphoideum eintreten. Diese Äste Die radiologische Standarddiagnostik sollte eine a.–p.
gewährleisten 70 – 80 % der kompletten Blutversorgung Aufnahme, eine seitliche Aufnahme, eine Schrägaufnah-
des Knochens und 100 % der Versorgung des proximalen me (in 45° Pronation) und eine Aufnahme in Ulnardukti-
Poles, welcher komplett von Knorpel bedeckt ist und on mit Kraftgriff beinhalten. Anfangs kann die Fraktur auf
keine unabhängige Blutversorgung aufweist. Ein geringe- konventionellen Röntgenbildern oft nicht sichtbar sein.
rer Anteil der Blutversorgung kommt aus einem anderen Ergeben Anamnese und Untersuchung den Verdacht
17 Ast der A. radialis, welcher distal am Tuberkulum des einer Verletzung obwohl diese im Röntgenbild nicht
Kahnbeins eintritt und nur die Versorgung der distalen sichtbar ist, wird so behandelt, als läge eine undislozierte
30 % des Knochens gewährleistet (19). Demzufolge kann Fraktur vor. Die Ruhigstellung mittels Gips erfolgt für
Kahnbeinfrakturen 437

2 – 3 Wochen, danach wird eine Reevaluation mittels sie Schichten in verschiedenen Ebenen der Fraktur liefert,
konventionellen Röntgenbildern durchgeführt. Bis zu die- womit die überbrückende Kallusbildung bewiesen wer-
sem Zeitpunkt können im Knochen resorptive Verände- den kann.
rungen als Folge der Fraktur auftreten, wodurch diese auf
Röntgenbildern sichtbar wird. Alternativ kann frühzeitig
Konservative Therapie
eine MRT- oder CT-Diagnostik erfolgen.
Da eine 2- bis 3-wöchige Ruhigstellungszeit ohne Diag- Bei der Entscheidung, ob eine Kahnbeinfraktur besser
nosesicherung für manche Patienten problematisch ist, konservativ mittels Gipsruhigstellung oder operativ mit-
stehen andere Untersuchungen zur schnelleren Diagnose- tels Osteosynthese behandelt wird, müssen viele Fak-
stellung zur Verfügung. Waren initiale Röntgenbilder nicht toren beachtet werden. Diese betreffen sowohl den Pa-
aussagekräftig, wurde die Knochenszintigrafie traditionell tienten (Alter, Beruf, Aktivitätslevel, weitere Verletzun-
zum Screening bei Kahnbeinfrakturen benutzt. Eine ver- gen) als auch die Fraktur (Lage innerhalb des Knochens,
mehrte Anreicherung in der Szintigrafie kann bereits 24 h Dislokation, Stabilität, Gefäßversorgung). Eine absolut
nach der Verletzung auftreten. Allerdings können gleich- undislozierte, stabile Fraktur des Kahnbeins im Bereich
zeitig auftretende Verletzungen der Weichteile, eine Syno- der Taille oder des distalen Poles kann sicher durch Gips-
vitis oder eine vorbestehende Arthrose zu falsch positiven ruhigstellung behandelt werden. Bei konservativer Thera-
Befunden in der Szintigrafie führen. Weiterhin zeigt die pie von Frakturen mit einer Dislokation von mehr als
Szintigrafie den anatomischen Verlauf der Fraktur nicht. 1 mm auf konventionellen Röntgenbildern findet sich
Legt man die Unzulänglichkeiten der Skelettszintigrafie eine signifikant höhere Pseudarthrosenrate (18). Zusätz-
und den Fortschritt in der Auflösung der Kernspintomo- lich nimmt man an, dass auf konventionellen Röntgen-
grafie (MRT) zugrunde, gewinnt diese eine zunehmenden bildern den Grad der Dislokation unterschätzt wird. Des-
Stellenwert in der Diagnosestellung von okkulten Kahn- halb wird die Durchführung einer Computertomografie
beinfrakturen. Das Knochenödem durch die Fraktur kann oft angeraten, um das Frakturmuster vor der Behand-
mittels MRT sofort nachgewiesen werden, und es wurde lungsplanung besser darstellen zu können.
gezeigt, dass die Kernspintomografie eine größere Sensi- Es wird kontrovers diskutiert, welche Form der Ruhig-
tivität und Spezifität als die Skelettszintigrafie aufweist stellung zum Ausheilen dieser Frakturen am erfolgreichs-
(20). Zusätzlich zu der nicht vorhandenen Strahlenbelas- ten ist. Die Frage, ob ein Oberarm- oder ein Unterarmgips
tung bietet die Kernspintomografie weitere Vorteile, wie besser ist, stellt einen häufigen Diskussionspunkt dar.
die Darstellung genauerer anatomischer Details der Frak- Eine Studie von Gellmann et al., welche die Behandlung
turmorphologie sowie die Vaskularität des proximalen undislozierter Kahnbeinfrakturen mittels Oberarm- und
Fragments. Besonders frühe und späte Stadien einer avas- Unterarmgips vergleicht, weist eine leicht erhöhte Durch-
kulären Nekrose zeigen charakteristische Veränderungen bauungsrate und kürzere Ruhigstellungszeit für nichtdis-
in den T1- und T2-gewichteten Bildern, was eine signifi- lozierte Frakturen der Taille und des proximalen Poles
kante Auswirkung auf die Behandlungsplanung hat. auf, welche initial für 6 Wochen mit einem Oberarmgips
Die Sonografie ist eine weitere strahlungsfreie Methode und nachfolgend mit einem Unterarmgips behandelt
für die frühe Diagnosestellung einer okkulten Kahnbein- wurden, im Vergleich zu solchen, die sofort mit einem
fraktur, welche weniger Kosten als die Kernspintomografie Unterarmgips behandelt wurden (21). Clay et al. haben
verursacht. Die Ergebnisse sind allerdings streng abhängig die Behandlung mittels Unterarmgips bzw. mittels Unter-
von der Erfahrung und der Fähigkeit des untersuchenden armgips mit Daumeneinschluss bei undislozierten Frak-
Radiologen. Weiterhin sind Aussagen zu anatomischen De- turen verglichen und kamen zu der Schlussfolgerung,
tails und zur Durchblutungssituation nur unzureichend im dass der Daumeneinschluss keinen Unterschied bewirkt
Vergleich zur Kernspintomografie. (22). Dieses Ergebnis wurde 2001 von Burge in einer
Die Computertomografie (CT) kann auch zur Diagnos- Serie mit 262 Patienten bestätigt, der ebenso keinen Un-
tik eingesetzt werden, allerdings ist sie beim Nachweis terschied in der Durchbauungsrate bei der Behandlung
von leichten ödematösen Veränderungen im Knochen mit einem Gips mit Daumeneinschluss verglichen mit
mit nur geringer kortikaler Unterbrechung weniger sen- einem Unterarmgips fand (23). Vielleicht wird diese
sitiv als die Kernspintomografie, was bei okkulten Frak- Mehrdeutigkeit in der Definition der optimalen Stellung
turen der einzige pathologische Befund sein kann. Das CT und der optimalen Art des Gipses für diese Frakturen
ist jedoch äußerst hilfreich in der Beurteilung der aktu- durch die Tatsache bedingt, dass es sich um stabile Frak-
ellen anatomischen Situation und Fehlstellung eines frak- turen handelt, die einfach bei adäquatem Schutz gegen
turierten Kahnbeins. Eine Humpback-Deformität, die üb- Belastung und Bewegung ausheilen.
licherweise operativ behandelt wird, kann auf konventio-
nellen Röntgenbildern nicht offensichtlich sein, während
Operationsindikationen
CT-Schichten in der sagittalen Ebene des Kahnbeins die
Abkippung des Knochens darstellen. Der Nachweis der Wie bereits angeführt, beeinflussen Faktoren, die sowohl 17
Konsolidierung einer Kahnbeinfraktur ist klinisch und den Patienten, als auch die Fraktur betreffen, die Ent-
im konventionellen Röntgenbild nur schwierig zu erbrin- scheidung bezüglich einer operativen versus konservati-
gen. Hier ist die Computertomografie aussagekräftiger, da ven Behandlung. Die Aktivitätsanforderungen des Patien-
438 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

ten, die Frakturstabilität, die Frakturlokalisation und Be-


gleitverletzungen müssen in Betracht gezogen werden.
Obwohl die Gipsruhigstellung eine sichere und be-
währte Behandlungsmethode für undislozierte Frakturen
des Kahnbeins im Bereich der Taille darstellt, wurde
nachgewiesen, dass die perkutane Schraubenosteosyn-
these (entweder über einen dorsalen oder palmaren Zu-
gang) ebenso zur Konsolidierung führt, wobei sie eine
frühere Rückkehr zum vor der Verletzung vorhandenen
Aktivitätslevel erlaubt (24). Vorteile im Vergleich zur al-
leinigen Ruhigstellung sind eine kürzere Ruhigstellungs-
zeit, eine kürzere Rekonvaleszenz und eine frühere Rück-
kehr zu Kontaktsportarten bzw. zur Arbeit, wobei immer
noch eine niedrigere Komplikationsrate im Vergleich zur
offenen Reposition und Osteosynthese (ORIF) erzielt wird
(25–27).
Für eine konservative Behandlung von Kahnbeinfraktu-
ren, die eine Dislokation aufweisen, bleibt wenig Spiel-
raum. Die Pseudarthrosenrate von konservativ behandel- Abb. 17.27 Ursprünglich undislozierte Fraktur des proximalen
ten dislozierten Frakturen beträgt bis zu 50 % (18). Die Kahnbeinpols, welche sich trotz sofortiger Gipsruhigstellung zu
offene Reposition und Osteosynthese mit Kompressions- einer Pseudarthrose entwickelte.
schrauben ermöglicht die Wiederherstellung der norma-
len anatomischen Verhältnisse, wobei gleichzeitig die
Konsolidierungsfähigkeit des Knochens verbessert wird. cherweise über denselben dorsalen Zugang, der zur Re-
Zusätzlich kann eine stabile Osteosynthese die Ruhigstel- position des restlichen Karpus benutzt wird, versorgt.
lungszeit verkürzen und eine frühe funktionelle Nach-
behandlung ermöglichen. Durchbauungsraten von bis zu
Operative Therapie
93 % wurden sowohl beim Gebrauch von dorsalen als
auch palmaren Zugängen beschrieben (28). Neben der Chirurgische Anatomie und
Tendenz zur Ausbildung von Pseudarthrosen können dis- Behandlungsoptionen
lozierte Frakturen, die in einer Fehlstellung verheilen, zu
einer karpalen Instabilität mit Bewegungseinschränkung Zur Stabilisierung des Kahnbeins können dorsale oder
und posttraumatischer Arthrose führen. Trümmerzonen palmare Zugänge benutzt werden. Auch die perkutane
im Bereich der Fraktur stellen ebenfalls ein Instabilitäts- Stabilisierung (mit oder ohne arthroskopische Unterstüt-
kriterium dar, was eine stabile Osteosynthese erforder- zung) kann sowohl von dorsal als auch von palmar durch-
lich macht. geführt werden. Welcher Zugang benutzt wird, hängt von
Frakturen des proximalen Poles haben aufgrund ihrer der Lage der Fraktur, den vorhandenen Begleitverletzun-
schlechten Blutversorgung ein erhöhtes Risiko für die gen, dem Grad der Fehlstellung bzw. dem Vorliegen einer
Ausbildung einer symptomatischen Pseudarthrose Trümmerzone und der persönlichen Präferenz des Ope-
(Abb. 17.27). Demzufolge besteht eine zunehmende Ten- rateurs für eine bestimmte Technik ab. Dislozierte Frak-
denz zu einer frühen operativen Behandlung auch nicht- turen des distalen Pols werden am besten über einen
dislozierter Frakturen des proximalen Poles, um eine all- offenen oder perkutanen palmaren Zugang versorgt, da
mähliche Dislokation der Fraktur zu vermeiden, wie sie diese einen einfachen Zugang zum Fragment für die Re-
bei einer verlängerten Konsolidierungszeit auftritt. Die position und Stabilisierung ermöglichen. Umgekehrt wer-
Stabilisierung mittels durchbohrter Kompressionsschrau- den Frakturen des proximalen Pols am besten über einen
ben kann mit geringer Komplikationsrate über einen dor- dorsalen Zugang versorgt. Frakturen der Kahnbeintaille
salen Zugang durchgeführt werden (25). können erfolgreich mittels dorsalen oder palmaren Zu-
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt über kar- gängen behandelt werden. Früher benötigte man für die
pale Instabilitäten besprochen, erfordern Frakturen, die nichtdurchbohrten Kompressionsschrauben eine palmar
im Rahmen perilunärer Verletzungen auftreten, eine of- angelegte Zielvorrichtung zur Längenbestimmung und
fene Reposition und stabile Osteosynthese. Diese Verlet- Bohrung, wodurch die Versorgung von manchen Fraktu-
zungen weisen eine deutliche Instabilität auf. Eine ge- ren der Kahnbeintaille und den häufigsten Frakturen des
schlossene Reposition ohne stabile Osteosynthese wird proximalen Kahnbeinpols dafür uninteressant war. Die
wahrscheinlich zur Pseudarthrose, persistierenden Insta- moderne durchbohrte Schraubenosteosynthese erlaubt
17 bilität und zum karpalen Kollaps führen. Die Fraktur des ein exaktes Platzieren und Ausmessen der Schrauben
Kahnbeins im Rahmen solcher Verletzungen wird übli- von beiden Richtungen, was von der persönlichen Vorlie-
be des Operateurs abhängig ist. Beim Vorliegen einer
Kahnbeinfrakturen 439

Humpback-Deformität oder typischen palmaren Trüm-


merzone im Bereich der Kahnbeintaille wird besser ein
palmarer Zugang verwendet, wodurch die Distraktion
der palmaren Kortikalis und das exakte Platzieren eines
evtl. notwendigen Knochentransplantats ermöglicht
wird. Muss gleichzeitig eine knöcherne oder ligamentäre
perilunäre Verletzung mitbehandelt werden, kann die
Reposition und Stabilisierung des Kahnbeins über densel-
ben dorsalen Zugang erreicht werden (gemäß der im vor-
herigen Abschnitt über Instabilitäten des Karpus be-
schriebenen Technik). Der dorsale Zugang ermöglicht
ein etwas genaueres Platzieren der Schraube im Verlauf
der zentralen Achse des Knochens. Bedenken, dass da-
durch Defekte an der Knorpeloberfläche des proximalen
Poles entstehen könnten, ließen sich nicht bestätigen. Der
Gebrauch der arthroskopisch assistierten Reposition und
perkutaner Stabilisierungstechniken gewinnt zunehmen-
Abb. 17.28 Die Inzision für den palmaren Zugang verläuft
de Bedeutung. Die Erfahrung mit dieser Technik und eine über das Trapeziometakarpalgelenk (dargestellt in der Abbil-
erschwerte Frakturreposition sollten ihre Anwendung bei dung) nach proximal zum Schnittpunkt der FCR-Sehne mit
bestimmten Verletzungsmustern vorgeben. der Handgelenksbeugefalte und von dort noch ca. 3 cm weiter
Bei akuten Kahnbeinfrakturen wird gewöhnlich ein entlang der Sehnenscheide.
Knochentransplantat benutzt, falls eine Trümmerzone
bzw. ein Zusammensintern im Bereich der Frakturzone
offensichtlich sind. Über einen palmaren bzw. dorsalen
metaphysären Zugang zum distalen Radius kann eine
ausreichende Menge autogenen Knochens mittels eines
kleinen Meißels gewonnen werden, alternativ kann
Spongiosa vom Beckenkamm verwendet werden. Da bei
akuten Frakturen zur Entstehung knöcherner Resorpti-
onszonen bzw. zur Zystenbildung keine Zeit vorhanden
ist, ist die Knochentransplantation vom Beckenkamm üb-
licherweise nicht zwingend notwendig.

Operationstechniken
Für den offenen palmaren Zugang benötigt man eine
schräge Inzision, die das ST-Gelenk überquert und nach
proximal über die FCR-Sehne auf Höhe der Handgelenks-
Abb. 17.29 Einbringen eines zentralen Führungsdrahts in das
beugefalte verläuft (Abb. 17.28). Der oberflächliche Ast
Kahnbein über einen palmaren Zugang. Die Reposition wird
der A. radialis quert im mittleren Anteil die Wunde und
durch den Assistenten mit den als Joysticks in beide Fragmente
sollte koaguliert oder ligiert werden. Die Sehnenscheide eingebrachten Kirschner-Drähten gehalten.
der FCR-Sehne wird indiziert und die Sehne mit einem
Selbsthalter zur Seite gehalten. Die weitere Inzision durch
den Boden des Sehnenfachs und die palmare Gelenkkap- dem Instrumentarium für die durchbohrte Kompressi-
sel am Rand des distalen Radius stellt das Kahnbein im onsschraube vom distalen Pol über den Frakturspalt in
Bereich der Taille dar. Die Kapselinzision wird über den den proximalen Pol eingebracht, wobei er im zentralen
distalen Pol des Kahnbeins und über das ST-Gelenk er- Drittel des Knochens verläuft (Abb. 17.29). Manchmal
weitert. Da die Kapsel am distalen Pol fest anhaftet, wird überragt der proximale Anteil des Os trapezium den dis-
ein scharfes Ablösen mit dem Skalpell notwendig. Hier ist talen Pol des Kahnbeins, wodurch der ideale Eintritts-
zu beachten, dass durch die Inzision der Gelenkkapsel in punkt für den Führungsdraht verdeckt wird. In dieser
diesem Bereich eine Durchtrennung des radioskaphoka- Situation kann der überstehende Anteil des Os trapezium
pitalen Bandes erfolgt, welches zum Abschluss der Osteo- mit einem Rongeur ohne Nachteile entfernt werden.
synthese rekonstruiert werden muss. Wird das Handgelenk über ein gerolltes Tuch dorsalex-
Kirschner-Drähte werden als Joysticks in jedes Frag- tendiert, erleichtert man die Exposition des Eintritts-
ment platziert und helfen bei der Reposition. Während punkts am distalen Kahnbeinpol. Die Position des Drah- 17
die Reposition mithilfe der eingebrachten Kirschner- tes sollte mittels mehrdimensionaler Durchleuchtung
Drähten gehalten wird, wird der Führungsdraht aus während des Einbringens überprüft werden. Der Draht
440 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Abb. 17.30 Nach Einbringen eines Antirotationsdrahts über


die Fraktur wird der Führungsdraht ca. 2 mm mehr als gemes-
sen überbohrt, wobei die Längenmarkierung auf dem Bohrer
benutzt wird. Abb. 17.31 Einbringen eines perkutanen Drahtes von dorsal
über eine Kahnbeinfraktur, wobei eine stumpfe Kanüle als
Hülse zum Schutz der Weichteile verwendet wird. Während
muss die Kortikalis des proximalen Poles fassen, sollte des Bohrens und Einbringens der Schraube sind die Sehnen
allerdings nicht in das Radiokarpalgelenk perforieren. des 4. Strecksehnenfachs besonders gefährdet. Man sollte ent-
sprechende Vorsicht walten lassen und die Sehnen ausreichend
Das Längenmessinstrument oder ein gleich langer Füh-
zur Seite halten.
rungsdraht wird zur Längenbestimmung des eingebrach-
ten Drahtes benutzt. Die ausgewählte Schraubenlänge
sollte etwa 4 mm kürzer als die gemessene Länge des
Führungsdrahts sein. Hier ist es besser eine etwas kürze-
re Schraube als vorgesehen einzubringen, als eine zu
lange Schraube, die entweder proximal oder distal über-
steht, zu benutzen.
Die weiteren Schritte wie das Einbringen eines zusätz-
lichen Antirotationsdrahts, das Überbohren des Füh-
rungsdrahts mit dem durchbohrten, längenmarkierten
Bohrer (Abb. 17.30) und das Platzieren der Schraube
sind identisch, wie bereits im vorhergehenden Abschnitt
über Instabilitäten des Karpus zur Frakturstabilisierung
von dorsal beschrieben. Es ist zu beachten, dass die
Naht des durchtrennten radioskaphokapitalen Bandes
einen entscheidenden Schritt beim Verschluss der Ge-
lenkkapsel darstellt.
Die Osteosynthese von Frakturen des proximalen Poles Abb. 17.32 Zum Einbringen eines perkutanen Drahtes über
und der Taille über einen dorsalen Zugang wird in der- eine Kahnbeinfraktur von palmar benutzt man eine kurze
selben Art durchgeführt, wie sie bereits im Abschnitt (1 – 2 cm) längsverlaufende Inzision über dem Trapeziometa-
über Instabilitäten des Karpus beschrieben wurde. Die karpalgelenk. Man erreicht den korrekten Winkel zum Platzie-
quere Hautinzision muss jedoch typischerweise nicht so ren des Führungsdrahts, indem der Bohrer ziemlich flach Rich-
tung Thenar und Metakarpalia abgesenkt wird. Eine stumpfe
breit sein wie bei einer Lunatumluxation oder perilunä-
Kanüle unterstützt das Beibehalten des Eintrittswinkels und
ren Luxationsfraktur. schützt die Weichteile.
Die perkutane Schraubenosteosynthese ist bei undis-
lozierten oder gering dislozierten Kahnbeinfrakturen
auch möglich. Vorteile sind das Vermeiden der Durch- dorsale Zugang ein besseres Platzieren der Schraube in
trennung und nachfolgenden Rekonstruktion von Bän- dem kleineren Fragment. Obwohl bei Frakturen der Taille
dern, das geringere Freilegen und Zerstören der Gefäß- beide Zugänge benutzt werden können, zeigte deren Ver-
versorgung von Frakturfragmenten, das schnellere Wie- gleich in einer neueren anatomischen Studie, dass der
dererlangen der Beweglichkeit und wahrscheinlich eine dorsale Zugang ein besseres zentrales Platzieren der
schnellere Rückkehr zur Alltagsaktivität bzw. ins Arbeits- Schraube in den distalen Pol ermöglicht. Allerdings fand
leben. sich nur ein geringer Unterschied der Schraubenposition
17 Die perkutane Stabilisierung kann mittels dorsalem im Bereich der Taille (29).
oder palmarem Zugang (Abb. 17.31) durchgeführt wer- Zum Einbringen der perkutanen Schraube von palmar
den. Bei Frakturen des proximalen Poles ermöglicht der wird ähnlich wie bei der offenen palmaren Technik das
Kahnbeinfrakturen 441

Handgelenk über ein gerolltes Tuch hyperextendiert und im angelegten postoperativen Verband bewegt werden.
ulnarduziert (Abb. 17.32). Der Eintrittspunkt für den Füh- Aktive und passive Bewegung im Handgelenk sollte je-
rungsdraht befindet sich am Tuberculum des distalen doch bis zur beginnenden Konsolidierung aufgeschoben
Kahnbeinpols, wobei die Zielrichtung nach proximal, werden. Dies wird nicht vor der 6. Woche oder später der
ulnar und dorsal verläuft. Ein Bildwandler wird benötigt, Fall sein. Der Nachweis der knöchernen Konsolidierung
um die Zielrichtung des Drahtes innerhalb des zentralen (evtl. mittels Computertomografie) sollte vor der Wieder-
Drittels des Kahnbeins in Richtung der proximalen ulna- aufnahme von Kontaktsportarten erfolgen.
ren Kante des Knochens zu überprüfen. Die Hyperexten-
sion des Handgelenks ist wichtig und bewirkt ein Absen- Neue Techniken
ken des proximalen Anteils des Os trapezium. Somit wird
ein möglichst großer Anteil der zentralen Region des dis- Die jüngsten Fortschritte in der Behandlung von Kahn-
talen Kahnbeinpols exponiert. Wie bereits erwähnt, kann beinfrakturen bestehen in der besseren Diagnostik mit-
die Resektion eines kleinen Anteils des überstehenden tels Kernspintomografie (siehe vorhergehende Diskussi-
proximalen Os trapezium notwendig sein. Nach dem Plat- on) und besseren Instrumentarien zur Schraubenosteo-
zieren des Führungsdrahts in korrekter Position, wird zu- synthese. Besonders die feinen durchbohrten Kompressi-
sätzlich ein Antirotationsdraht eingebracht. Dabei muss onsschrauben ermöglichen ein exaktes Einbringen über
vermieden werden, ihn so nahe am Führungsdraht ein- die Fraktur unter Gebrauch minimalinvasiver Techniken.
zubringen, dass er beim Überbohren mit dem durchbohr- Wie in der Behandlung von Instabilitäten des Karpus
ten Bohrer bzw. beim Eindrehen der Schraube Probleme wird die Handgelenksarthroskopie auch effektiv zur Re-
bereitet. Die Längenbestimmung der Schraube, das Boh- position und perkutanen Verschraubung von Kahnbein-
ren und das Einbringen der Schraube werden nach den- frakturen benutzt. Slade et al. berichten über eine Serie
selben Richtlinien, wie sie beim offenen Vorgehen ange- von 27 Frakturen, welche mit dieser Technik behandelt
wendet werden, durchgeführt. Eine 3 – 4 mm große Haut- wurden und erzielten eine 100 %ige Konsolidierungsrate
inzision wird im Bereich des Führungsdrahts zum Über- nach durchschnittlich 12 Wochen (die früh nach Trauma
bohren und Einbringen der Schraube benötigt. behandelten Patienten heilten bereits innerhalb 8 Wo-
chen aus; 27). Vorteile der Arthroskopie sind die Kontrol-
le der Frakturstellung und die Beurteilung begleitender
Tipps und Tricks
Kapsel-Band-Verletzungen.
■ Eine Dislokation von mehr als 1 mm jeglicher Kahn-
beinfraktur ist eine Operationsindikation. In konven-
Komplikationen
tionellen Röntgenbildern wird der Grad der Disloka-
tion häufig unterschätzt, zur genaueren Beurteilung Die offenkundigste Komplikation von Kahnbeinfrakturen
ist die Computertomografie eine sinnvolle Ergän- ist die Pseudarthrose. Die genaue Inzidenz ist nicht be-
zung. kannt, da sich nicht alle Patienten mit Pseudarthrosen bei
■ Die Kernspintomografie ersetzt schrittweise die Kno- einem Arzt vorstellen. Die Prognose bei unbehandelten
chenszintigrafie in der Diagnostik okkulter Kahn- Kahnbeinpseudarthrosen mit fortschreitendem karpalem
beinfrakturen, welche im konventionellen Röntgen- Kollaps und fast gesichertem Auftreten einer Arthrose
bild nicht erkannt werden. Sie weist eine größere wird jedoch allgemein als schlecht betrachtet (30, 31).
Sensitivität und Spezifität auf. Ein mitwirkender Faktor ist, wie bereits diskutiert, die
kritische Blutversorgung des Knochens mit offensichtlich
Nachbehandlung negativer Auswirkung auf die Frakturheilung. Eine ver-
meidbare Ursache ist das Übersehen der Fraktur und die
Die Stabilität der Kahnbeinfraktur bestimmt den Zeit- damit ausbleibende adäquate Behandlung dieser oft kli-
punkt der Mobilisierung und der Rückkehr zur normalen nisch unscheinbar erscheinenden Verletzungen. Dieser
Aktivität. Die Mobilisierung nichtdislozierter Frakturen, Problematik sollte durch eine größere Aufmerksamkeit
welche mittels perkutaner Schraubenosteosynthese ver- im Rahmen der Untersuchung Rechnung getragen wer-
sorgt wurden, kann innerhalb von 1 – 2 Wochen nach den. Unter Beachtung besonderer Merkmale der Fraktur
dem Entfernen der postoperativ angelegten Schiene er- wie Risikofaktoren für die Ausbildung einer Pseudarthro-
folgen. Der Patient kann mit einer abnehmbaren Kahn- se durch konservative Therapie (Trümmerzonen, Fraktu-
beinschiene ausgestattet werden, welche für die tägliche ren des proximalen Poles, begleitende knöcherne und
Mobilisierung und auch leichte Kraftübungen abgenom- ligamentäre Verletzungen des Karpus), kann die Inzidenz
men werden kann. Belastungsaufbau und Kontaktsport- einer Fehlbehandlung beim Vorliegen von Risikofaktoren
arten sollten für mindestens 6 Wochen vermieden wer- im Rahmen des Verletzungsmusters verkleinert werden.
den. Trotz Erkennen der Fraktur und Schraubenosteosyn-
Bei Patienten mit dislozierten Frakturen, Trümmerzo- these von Kahnbeinfrakturen treten Pseudarthrosen und 17
nen bzw. Beteiligung des proximalen Poles muss die Mo- andere Komplikationen weiterhin auf. Das äußerst ge-
bilisierung langsamer erfolgen. Die Finger sollten sofort naue Platzieren des Führungsdrahts in das zentrale Drit-
442 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

tel des Kahnbeins und das Vermeiden einer rotatorischen


Ergebnisse
Dislokation bzw. Distraktion während des Einbringens
der Schraube hilft die Pseudarthrosenrate bzw. Rate der Bei der Beurteilung von Behandlungsergebnissen von
verzögerten Konsolidierung zu verringern. Gleichfalls Kahnbeinfrakturen muss der Frakturtyp mit in Betracht
kann das Einbringen einer zu langen Schraube zum Über- gezogen werden. Offenkundig werden undislozierte, sta-
stehen derselben und Perforieren in das Radiokarpal- bile Frakturen eher von einer Gipsruhigstellung profitie-
oder ST-Gelenk führen. Weiterhin kann ein ungeschütz- ren als dislozierte Frakturen. Viele Studien haben die hö-
ter vorzeitiger Belastungsaufbau bzw. eine vorzeitige here Pseudarthrosenrate bei der konservativen Therapie
Vollbelastung ebenfalls zur ausbleibenden Konsolidie- dislozierter oder unstabiler Frakturtypen festgestellt.
rung beitragen. Die Computertomografie ist den konven- Die Gipsruhigstellung bleibt die Domäne und eine ef-
tionellen Röntgenbildern in der Beurteilung der Konsoli- fektive Behandlung bei nichtdislozierten Frakturen der
dierung überlegen. Taille und des distalen Poles. Es wird bei undislozierten
Ein Kritikpunkt des offenen dorsalen Zugangs zu dis- Frakturen, die früh diagnostiziert und ruhiggestellt wer-
lozierten Frakturen der Kahnbeintaille ist die Vulnerabi- den, über Durchbauungsraten von mehr als 95 % berichtet
lität der Gefäßversorgung des Kahnbeins, welche an der (32, 33). Voraussetzung dafür ist die Feststellung, dass die
dorsoradialen Kante des Knochens eintritt. Die aus- Frakturen wirklich undisloziert sind und somit nicht die
gedehnte Darstellung oder das sorglose Platzieren von inadäquate Ruhigstellung einer instabilen Fraktur einge-
Instrumenten in dieser Region kann zu einem nicht- leitet wird.
durchbluteten proximalen Fragment und damit zur Der operativen Behandlung von stabilen bzw. undis-
schlechteren Heilungschance führen. lozierten Frakturen wird mittlerweile ebenfalls Bedeu-
Frakturen, die eine Trümmerzone im Bereich der pal- tung beigemessen. Ziel ist hier eine stabile Osteosynthese
maren Taille aufweisen bzw. einer verzögerten Behand- zu garantieren, welche die schnellere Mobilisierung und
lung zugeführt wurden, können eine Humpback-Defor- Rückkehr zur vollen Aktivität erlaubt. Jedoch wurde wie
mität annehmen, wobei der intraskaphoidale Winkel bereits erwähnt im Rahmen einer Studie mit 2-jährigem
mehr als 35° beträgt. Diese Deformitäten werden präope- Follow-up nachgewiesen, dass der endgültige Bewe-
rativ besser mittels Computertomografie eingeschätzt. gungsumfang und die endgültige Griffkraft bei entspre-
Wurde die Fraktur in dieser Stellung osteosynthetisch chenden Gruppen mit Gipsruhigstellung und perkutaner
versorgt bzw. ein Konsolidieren in dieser Stellung zuge- Osteosynthese ähnlich waren (24).
lassen, kann die Fehlheilung zu chronischen Schmerzen, Die offene Reposition und innere Stabilisierung dis-
eingeschränkter Beweglichkeit und evtl. posttraumati- lozierter Kahnbeinfrakturen mittels durchbohrter Kom-
scher Arthrose führen (18). pressionsschrauben wird in vielen Studien als effektives
Eine Bewegungseinschränkung tritt oft sowohl bei Verfahren bestätigt, die Durchbauungsraten betragen
konservativem als auch operativem Behandlungsansatz mehr als 90 % (25). Palmare und dorsale Zugänge werden
von Kahnbeinfrakturen auf, sie betrifft vor allem die Dor- erfolgreich angewandt. Bei beiden Zugängen ist wahr-
salextension und Palmarflexion. Ein Argument für die scheinlich die exakte Reposition und ausreichende Kom-
großzügigere Behandlung dieser Frakturen mittels stabi- pression der Fragmente durch das Platzieren der Schrau-
ler Schraubenosteosynthese ist die Verkürzung der Ru- be der wichtigste Faktor.
higstellungszeit durch frühzeitige Bewegungsübungen, Bei Frakturen des proximalen Poles sind aufgrund der
was die nachfolgende Bewegungseinschränkung redu- prekären retrograden Blutversorgung dieses Anteils des
ziert. Obwohl der kurzfristig erzielte Bewegungsumfang Knochens Probleme bei der knöchernen Konsolidierung
nach 4 Monaten besser sein kann, zeigt eine randomisier- bekannt. Die Pseudarthrosenbildung bei ⅓ der Fälle trotz
te Studie, dass Griffkraft und Beweglichkeit bei der Be- einer Ruhigstellungszeit von bis zu 6 Monaten sind für
handlung undislozierter Frakturen mittels Gipsruhigstel- den Chirurgen unbefriedigend (34, 35). Daher besteht die
lung oder perkutaner Schraubenosteosynthese nach 2 zunehmende Tendenz eine primäre Schraubenosteosyn-
Jahren ähnlich sind (24). these über einen dorsalen Zugang durchzuführen. Eine
Weitere bekannte Komplikationen sind spezifisch für Serie von 17 Patienten mit instabiler frischer Fraktur
den dorsalen oder radialen Zugang zum Karpus. des proximalen Poles, welche primär durch operative Sta-
Schmerzhafte Neurome können durch das Darstellen bilisierung behandelt wurde, zeigte eine Durchbauungs-
und den sorgfältigen Umgang mit den sensiblen Ästen rate von 100 % bei einer durchschnittlichen Konsolidie-
des N. radialis und den Endästen des N. cutaneus ante- rungszeit von 10 Wochen (25). Obwohl dies nur eine
brachii lateralis vermieden werden. Infektionsraten sind kleine Studie ist, zeigen auch andere Autoren vielverspre-
relativ gering, allerdings können diese durch sorglosen chende Ergebnisse im Vergleich zur konservativen Thera-
Umgang mit den Sterilitätskriterien zunehmen. pie.

17
Weitere Frakturen der Handwurzel 443

Weitere Frakturen der Handwurzel len. Trümmerbrüche werden am besten mittels Distrak-
tion und Fixation über das Metakarpale I behandelt. Be-
Da die Kahnbeinfraktur die häufigste Fraktur des Karpus sonders die Transfixation des Metakarpale I zum Meta-
darstellt und eine Neigung zur schlechten Heilung zeigt, karpale II mittels Kirschner-Drähten, wobei die Distrakti-
wird dieser Fraktur verdientermaßen die meiste Auf- on beibehalten wird, kann die Konsolidierung von Trüm-
merksamkeit bei der Diskussion dieses Themas ge- merfrakturen des Os trapezium ohne Kollaps desselben
schenkt. Treten andere Frakturen des Karpus auf, ge- ermöglichen. Manche Brüche der anteriomedialen Kante,
schieht dies oft in Zusammenhang mit einer perilunären welche durch Avulsion des transversalen karpalen Ban-
Verletzung unter Mitbeteiligung des großen Bogens, wie des als Folge von Stauchungsverletzungen verursacht
dies bereits zuvor in dem Abschnitt über die karpale In- werden, können als Pseudarthrose ausheilen und somit
stabilität innerhalb dieses Kapitels angeführt wurde. Es die Exzision notwendig machen.
treten jedoch auch andere isolierte Frakturen im Bereich Es gibt 2 Haupttypen von Frakturen des Os hamatum:
des Karpus auf und können ausgesprochen störend sein. Frakturen des Hamulus und des Korpus. Hamulusfraktu-
Genau wie das Kahnbein sind diese Knochen weitgehend ren entstehen üblicherweise bei einem direkten Schlag
von Knorpel bedeckt und haben eine eingeschränkte (z. B. Auftreffen auf hartem Untergrund im Rahmen
Blutversorgung. Zusätzlich können die ungewohnte eines Golfschwungs) oder aus mehrfachen Kontusionen
Form dieser Knochen sowie eine unregelmäßige Anord- (Tennis, Baseball). Sie treten ebenso als Folge direkter
nung der Frakturmuster die Diagnostik mittels konven- karpaler Stauchungsverletzungen auf, wobei das querver-
tionellen Röntgenbildern erschweren. Vermutet man eine laufende karpale Band an seinem Ansatz abreißt. Der Pa-
derartige Verletzung, wird eine Computertomografie zur tient zeigt im Rahmen der Palpation eine lokalisierte
exakten Beurteilung benötigt. Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Handfläche
Frakturen des Os triquetrum treten gewöhnlich in über dem Hamulus. Schmerzen bei der Bewegung der
Form einer Avulsionsverletzung der Kapsel im Bereich Beugesehnen des Kleinfingers können ebenfalls bemerkt
der dorsalen Kante auf. Kleinere dorsale Absprengungen werden. Die Nachbarschaft zum ulnaren neurovaskulären
werden üblicherweise mittels 4- bis 6-wöchiger Gips- Bündel kann zu einem Taubheitsgefühl im Bereich des
ruhigstellung adäquat behandelt. Größere Absprengun- palmaren Versorgungsgebiets des N. ulnaris führen. Bei
gen verursachen einen signifikanten Grad karpaler Insta- unbehandelten Hamulusfrakturen können dauerhafte
bilität, da die Ansätze des dorsalen radiokarpalen und palmare Schmerzen, eine Schwächung der Greiffunktion
dorsalen interkarpalen Bandes insuffizient werden. Eine und Rupturen der Beugesehnen des Klein- und Ringfin-
isolierte Ruptur des LT-Bandes bedingt keine VISI-Defor- gers auftreten. Die Diagnostik mittels konventionellem
mität (Volar Intercalated Segment Instability), ist diese Röntgenbild ist schwierig, die Computertomografie wird
jedoch kombiniert mit einer dorsalen kapsulären Avulsi- empfohlen.
on, kann eine VISI-Stellung vorliegen und dadurch eine Undislozierte Hamulusfrakturen werden mittels Gips-
chirurgische Therapie notwendig werden. ruhigstellung behandelt. Die Taille des Hamulus stellt die
Gering dislozierte Frakturen des Korpus des Os trique- Wasserscheide der Gefäßversorgung dar und ist die Re-
trum, die durch dorsale oder ulnare Krafteinwirkung her- gion, die das höchste Risiko für die Entwicklung einer
vorgerufen wurden, heilen üblicherweise problemlos Pseudarthrose aufweist. Sollte eine Pseudarthrose vorlie-
durch Gipsruhigstellung aus. Wenn jedoch Korpusfraktu- gen (Anzeichen dafür sind chronische Schmerzen und
ren des Os triquetrum im Rahmen einer Verletzung des sklerotische Frakturränder im CT), wird die Exzision des
großen Bogens bei einer perilunären Verletzung auftre- Fragments über einen palmaren Zugang empfohlen (37).
ten, wird die operative Stabilisierung mittels Kirschner- Frakturen des Corpus des Os hamatum können Teil
Drähten oder Kompressionsschrauben empfohlen. einer Luxation des Karpus, Folge eines direkt von ulnar
Frakturen des Os trapezium treten gewöhnlich auf, einwirkenden Schlages, einer Stauchungsverletzung oder
wenn eine Belastung auf das Gelenk über die Basis des einer axialen Krafteinwirkung über das Metakarpale V im
Metakarpale I einwirkt. Dies kann zu einer Vielzahl von Rahmen eines Faustschlags sein. Gering oder nicht dis-
Frakturmustern führen, welche eine vertikale Spaltung, lozierte Frakturen werden mittels Gipsruhigstellung mit
Horizontalbrüche, Trümmerbrüche und Brüche der ante- oder ohne Einschluss der beiden ulnaren metakarpopha-
rioren Kante (einschließlich des Ursprunges des querver- langealen Gelenke behandelt. Stärker dislozierte Frag-
laufenden karpalen Bandes) einschließen (36). Abhängig mente können die offene Reposition und interne Stabili-
vom Grad der Dislokation des Knochens und der Gelenk- sierung notwendig machen. Findet sich ein großes dorsal
oberfläche heilen die meisten dieser Frakturen im Verlauf disloziertes Fragment als Folge einer Luxation des 4. oder
einer 4- bis 6-wöchigen Gipsruhigstellung. Große Gelenk- 5. Karpometakarpalgelenks, wird das Gelenk durch axia-
stufen oder Absprengungen können die Stabilisierung len Zug reponiert. Abhängig von der Größe erfordert das
mittels 1,5- oder 2,0-mm-Schrauben erforderlich ma- Fragment des Os hamatum die Stabilisierung mittels
chen. Begleitende Frakturen der Basis des Metakarpale I Draht oder Schraube, um einer erneuten Luxation des 17
können eine außerordentliche axiale Instabilität bedin- CMC-Gelenks vorzubeugen. Indem die Basis der instabi-
gen, auch hier wird die operative Stabilisierung empfoh- len Metakarpalia an die benachbarte stabile Basis des
444 17 Frakturen und Luxationen der Handwurzel

Metakarpale III transfixiert wird, kann die Luxationsten- Bereich der Taille des Os scaphoideum die vorherrschen-
denz reduziert werden. de Verletzung darstellt, eine unerkannte Fraktur des Os
Frakturen des Os lunatum ohne eindeutig vorliegendes capitatum vorliegen. Undislozierte Frakturen des Os capi-
Trauma sollten kritisch betrachtet werden. Eine Ursache tatum können in der konventionellen Bildgebung über-
dafür kann die idiopathische avaskuläre Nekrose (Morbus sehen werden und eventuell nur mittels CT oder MRT
Kienböck) sein. Diese wird wahrscheinlich nicht auf Maß- diagnostiziert werden.
nahmen ansprechen, die im Rahmen der Behandlung Der proximale Anteil des Os capitatum liegt intraarti-
einer Fraktur eines gesunden vaskularisierten Knochens kulär und weist keine unabhängige Blutversorgung auf
vorgenommen werden. Obwohl das Os lunatum im Re- (40). Demzufolge unterbrechen querverlaufende Fraktu-
gelfall eine großzügige Blutversorgung von palmar und ren durch die Taille des Knochens die Blutversorgung
dorsal erhält, findet man bei 20 % der Patienten nur eine dieses Anteils bei jeglicher Dislokation. Als Folge können
palmare versorgende Arterie (38). Frakturen im Bereich sich schmerzhafte Pseudarthrosen bei anscheinend
dieser Region mit marginaler Blutversorgung sind gefähr- harmlosen, gering dislozierten Frakturen entwickeln.
det für die Ausbildung einer Pseudarthrose und nachfol- Kernpunkt der Behandlung dislozierter Frakturen ist die
gendem Kollaps des Knochens. offene Reposition und Stabilisierung. Sollte eine avasku-
Basierend auf der Blutversorgung und der Lokalisation läre Nekrose im konventionellen Röntgenbild oder Kern-
der Fraktur innerhalb des Knochens werden 5 Typen von spintomogramm vorliegen, muss eine Knochentransplan-
Frakturen des Os lunatum beschrieben (39). Es steht fest, tation in Erwägung gezogen werden.
dass jede dislozierte Fraktur durch den Korpus des Os Frakturen des Os trapezoideum sind die seltensten
lunatum die operative Stabilisierung mittels Drähten aller isolierten karpalen Frakturen und entstehen übli-
oder Schrauben notwendig macht. Schmale osteochon- cherweise durch eine axiale Belastung, welche über das
drale Frakturen der proximalen Gelenkfläche sind oft so Metakarpale II einwirkt. Einfache Infraktionen des Kno-
klein, dass sie mittels temporärer Immobilisierung be- chens können mittels Gipsruhigstellung behandelt wer-
handelt werden können. Verbleiben dauerhafte Be- den. Jegliche Dislokation oder Proximalisierung des Me-
schwerden, kann die Resektion des instabilen Fragments takarpale II machen die operative Behandlung notwen-
diese verbessern. dig. Vor allem größere Frakturen durch den Korpus erfor-
Frakturen des Os capitatum entstehen gewöhnlich dern eine Stabilisierung mittels 1,5- oder 2,0-mm-
durch Einwirken einer extremen Kraft auf den Karpus Schrauben. Liegt eine Trümmerzone vor, wird die Ten-
bei Hyperextension und können alleine oder als Kom- denz zur Verkürzung über axial einwirkende Kräfte
ponente einer perilunären Luxationsfraktur auftreten. durch longitudinale Distraktion des Metakarpale II und
Liegt ein derartiger Verletzungsmechanismus vor, sind nachfolgendes Transfixieren desselben an die Basis des
begleitend Frakturen des Os scaphoideum relativ häufig Metakarpale III aufgehoben. Entsteht als Folge der Fraktur
und sollten immer mittels adäquater Bildgebung aus- ein Kollaps bzw. eine Arthrose, kann die Arthrodese des
geschlossen werden. Ebenso kann, falls eine Fraktur im trapezoideometakarpalen Gelenks indiziert sein.

Inhalt der DVDs

Video 17-1 (DVD 2) Reposition einer perilunären Luxation. binierten palmaren und dorsalen Zugang erfordert. Die
Dieses Video einer 6 Wochen alten Lunatumluxation zeigt Stabilisierung wird durch temporäre Kirschner-Draht-Fixati-
die chirurgische Behandlung dieser Verletzung. Eine exakte on sowie Rekonstruktion des Lig. scapholunatum gewähr-
Reposition ist erforderlich, was in diesem Fall einen kom- leistet.

Literatur 4. Lichtman DM, Schneider JR, Swafford AR, Mack GR.


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17
446 18 Luxationen und Frakturen der Hand

18 18 Luxationen und Frakturen der Hand


J. P. Higgins, T. J. Graham
Übersetzer: M. W. Knöferl

Frakturen der Röhrenknochen der Hand sind relativ häu- ■ Frakturen, die geschlossen nicht reponiert werden
fig, da die Hand und die obere Extremität bei fast allen können;
Aktivitäten des täglichen Lebens eingesetzt wird. Im All- ■ gelenknahe oder intraartikuläre Frakturen;
gemeinen kann die Mehrzahl dieser Frakturen durch ge- ■ multiple benachbarte Frakturen;
schlossene Methoden behandelt werden. Es gibt jedoch ■ Frakturen des metadiaphysären Übergangs;
gewisse Untergruppen von Handfrakturen sowie spezia- ■ Frakturen mit Rotationsdeformität, vor allem Spiral-
lisierte operative Techniken, die in Betracht gezogen wer- frakturen.
den sollten, um die Ergebnisse zu optimieren.
Komplexe Handfrakturen stellen intellektuelle und Die spezifischen Überlegungen und Indikationen für die
technische Herausforderungen dar, die sich von solchen operative Behandlung dieser Frakturen werden von distal
Verletzungen unterscheiden, in denen konventionelle ge- nach proximal dargestellt.
schlossene Methoden der Frakturbehandlung adäquat
sind. Wegen der hohen funktionellen Anforderungen
der Hand können bereits geringe Einschränkungen der Frakturen der Endphalanx
Beweglichkeit in großen funktionellen Defiziten münden.
Die akrale Lokalisation der Hand bedingt, dass die Für dieses Kapitel wurden 3 Frakturen der Endphalanx
Quetschverletzung als Unfallmechanismus häufig ist. ausgewählt:
Die Hand hat eine komplexe Skelettstruktur, kleine ■ extraartikuläre Frakturen,

Muskeln, sie enthält neurovaskuläre Strukturen und ■ knöcherne Abrisse der Strecksehne,

einen nur gering verschieblichen Weichteilmantel. Aus ■ knöcherne Abrisse der Beugesehne.

diesem Grund sind beim Management der Handfrakturen


die Weichteildeckung, Nervenkompressionen, das Kom- Die Behandlung dieser 3 Verletzungsmuster wird in die-
partmentsyndrom und die Fingerperfusion wichtige Fak- sem Abschnitt diskutiert.
toren in der Beurteilung des Verletzungsausmaßes. Extraartikuläre Frakturen der Endphalanx treten häu-
Schließlich können aufgrund der Komplexität und dem fig als Folge einer Quetschverletzung auf, die in einer
engen Zusammenspiel der Sehnen und knöchernen Nagelkranzfraktur oder Fraktur in Schaftmitte resultiert.
Strukturen trotz optimaler Frakturreposition, Fixation Da der Weichteilschaden und die Frakturmorphologie ge-
und Knochenheilung schlechte Resultate entstehen. genseitig die Behandlung beeinflussen, müssen beide
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der operativen Be- exakt eingeschätzt oder beurteilt werden. Insbesondere
handlung von Frakturen der kleinen Röhrenknochen dis- die enge Beziehung der Nagelkomponenten und der dis-
tal des Karpus, den Metakarpalia, den Phalangen sowie talen Phalanx sollte hierbei berücksichtigt werden.
der Luxationen ihrer verbindenden Gelenke. Bei der Be- Verletzungen des distalen Interphalangealgelenks sind
handlung dieser Verletzungen muss beachtet werden, entweder Ausläufer einer mehrfragmentären Schaftfrak-
dass es keine absoluten Indikationen für ein offenes Vor- tur oder Frakturen mit einem begleitenden Ausriss der
gehen bzw. für eine spezielle Methode der Frakturfixati- Beuge- oder der Strecksehne (Abb. 18.1). Ein Abriss der
on gibt. Die individuellen Voraussetzungen des Patienten Sehne des M. flexor digitorum profundus (FDP-Sehne)
und die Frakturmorphologie sollten im Einzelfall betrach- kann auftreten, wenn eine kräftige Extension gegen ein
tet werden. Gute Ergebnisse können erreicht werden, flektiertes DIP-Gelenk stattfindet. Die Mehrzahl der knö-
wenn die Behandlungsmethode der jeweiligen klinischen chernen Sehnenausrisse tritt auf, wenn ein extendierter
Situation angepasst ist, der Operateur mit den tech- Finger durch eine axiale Krafteinwirkung abrupt flektiert
nischen Aspekten des Eingriffs vertraut ist und die Nach- wird. Diese Zusammenhänge zwischen Unfallmechanis-
behandlung entsprechend gestaltet. mus und Frakturmorphologie finden sich häufig, jedoch
Die Algorithmen der Indikationsstellung sowie tech- kann auch eine Hyperextension und Impaktion zu einer
nische Empfehlungen sind im Folgenden für verschiede- Fraktur an der Endphalanxbasis mit Gelenkbeteiligung
ne Frakturen oder Luxationen aufgeführt. Diese beinhal- und einer palmaren Subluxation der Endphalanx führen.
ten:
■ offene Frakturen;

■ kombinierte Verletzungen, also von Knochen, Sehnen,

Nerven, Gefäßen sowie Weichteilen;


Frakturen der Endphalanx 447

Knöcherne Strecksehnenabrisse
Knöcherne Strecksehnenabrisse können häufig konser- 18
vativ durch Ruhigstellung behandelt werden. Relative In-
dikationen für eine operative Therapie der knöchernen
Strecksehnenabrisse wurden beschrieben und berück-
sichtigen den Anteil der beteiligten Gelenkfläche, eine
Subluxation des Endgelenks oder den Einfluss der Kon-
tinuitätsunterbrechung des Streckapparats auf die Finger-
stellung (z. B. Entwicklung einer Schwanenhalsdefor-
mität; 1–3).
Ein wichtiger Faktor beim Management der knöcher-
nen Strecksehnenabrisse ist die Stabilität des Endgelenks.
Ist die Endphalanx trotz Ruhigstellung in einer Extensi-
onsschiene nach palmar subluxiert, kann die operative
Fixation des Fragments, an dem die Strecksehne inseriert,
indiziert sein. Wenn keine Subluxation vorliegt, kann der
knöcherne Strecksehnenabriss mit 6- bis 8-wöchiger Ru-
Abb. 18.1 A.–p. und laterale Ansicht einer intraartikulären higstellung in Neutralstellung des Endgelenks behandelt
Endphalanxtrümmerfraktur. Die Beugestellung des palmaren werden.
Fragments weist auf den intakten Ansatz der Sehne des M.
flexor digitorum profundus hin.
Intraartikuläre Frakturen der Endphalanx:
Ausriss der Sehne des M. flexor digitorum
profundus
Konservative Behandlung
Ausrissverletzungen der FDP-Sehne, mit oder ohne Be-
Extraartikuläre Frakturen der Endphalanx gleitfrakturen, stellen aufgrund der zu erwartenden
schlechten Fingerfunktion bei konservativer Behandlung
Extraartikuläre Quetschverletzungen der distalen Pha- eine Operationsindikation dar. Die konservative Behand-
lanx führen häufig zu mehrfragmentären Nagelkranzfrak- lung dieser Verletzung spielt keine Rolle, ausgenommen
turen mit sehr kleinen Fragmenten. Begleitende Verlet- bei Patienten, die keine ausreichende Compliance für eine
zungen des Nagelbetts erfordern häufig eine operative entsprechende Nachbehandlung haben oder bei denen
Therapie, da sie somit offene Frakturen darstellen und die Operationsrisiken die Vorteile überwiegen.
eine inadäquate Adaptation des Nagelbetts zu Nagel-
wachstumsstörungen führen kann.
Offene Frakturen mit Fragmenten, die das Nagelbett Operative Therapie
penetrieren, können evtl. nur durch Spülung, Débride-
ment, Reposition und Retention behandelt werden. Eine
Extraartikuläre Frakturen der Endphalanx
gut reponierte, mehrfragmentäre Nagelkranzfraktur oder
Operative Anatomie
Fraktur in Schaftmitte ist häufig durch eine adäquate
Weichteilversorgung durch den Weichteilmantel zu reti- Der Ansatz der Strecksehne findet sich dorsal an der Epi-
nieren und anschließend zu immobilisieren. Wenn die physe der Endphalanx. Die Nagelmatrix liegt unmittelbar
Frakturmorphologie eine Fixation zulässt, können longi- distal dieses Ansatzes. Die palmare Platte inseriert an der
tudinale Kirschner-Drähte verwendet werden, um einige Epiphyse und an der proximalen Metaphyse der Endpha-
Fragmente zu stabilisieren und somit ein solides Lager für lanx, die FDP-Sehne inseriert im metaphysären Bereich.
die Nagelbettrekonstruktion zu liefern. Versprengte An-
teile des Weichteilmantels bzw. des Nagelbetts sollten
aus der frakturierten Phalanx entfernt werden. Für die
Operative Technik
ersten Tage ist die Ruhigstellung in einer 4-Finger-Schie-
ne sinnvoll, später können kleinere, das Endgelenk in Bei allen Frakturen der Endphalanx sollte das Nagelbett
Streckung fixierende Schienen verwendet werden, ggf. mitberücksichtigt werden. Falls eine Verletzung des Na-
unter Freigabe des proximalen Interphalangealgelenks. gelbetts vermutet wird, sollte der Nagel entfernt und das
Nagelbett versorgt werden. Falls keine Verletzung des
Nagelbetts vorliegt oder sich nur ein geringfügiges sub-
unguales Hämatom findet, kann der Nagel belassen wer-
den, um kleinere distale Frakturen mit zu stabilisieren.
448 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Bei Frakturen des Nagelkranzes, die disloziert sind und ■ Typ-I-Verletzungen sind nichtknöcherne Ausrisse der
eine ausreichende Größe aufweisen, kann eine Kirschner- FDP-Sehne mit Retraktion der Sehne in die Hohlhand.
18 Draht-Stabilisierung erwogen werden. Obwohl die Ergeb- ■ Typ-II-Verletzungen beschreiben Ausrisse mit einem
nisse einer konservativen Therapie im Allgemeinen für kleinen Fragment, das bis zum PIP-Gelenk retrahiert
einfache Endphalanxfrakturen gut sind, kann die Fixation wird, wo die A3-Ringbandfasern das Fragment an
bei komplexeren Verletzungen das Risiko einer Pseudar- einer weiteren Passage nach proximal durch die Seh-
throse, einer Nageldeformität oder eines instabilen Nagel- nenscheide hindern.
betts vermindern (4). Meist wird die Stabilisation durch ■ Typ-III-Ausrisse sind weniger häufig, aufgrund der
perkutanes Einbringen eines retrograden Kirschner- Fragmentgröße ist eine Retraktion nur bis zum A4-
Drahtes unter Durchleuchtungskontrolle erreicht. Oft ist Ringband knapp proximal des DIP-Gelenks möglich.
eine Stabilisation durch einen einzelnen Draht ausrei-
chend, wobei beachtet werden sollte, dass ein einzelner
Draht die Fragmente nicht rotationsstabil verbindet. All diese Verletzungen stellen aufgrund des vorhersag-
Daher sollte versucht werden, die Fragmente beim Ein- baren Verlusts der aktiven Endgelenksflexion eine Ope-
bringen des Drahtes zu komprimieren, um somit den rationsindikation dar. Aufgrund der Sehnenbiologie und
Knochenkontakt und die Stabilität zu verbessern. Da des Risikos einer muskulotendinösen Verkürzung sollte
auch ein sekundäres Auseinanderweichen der Fragmente der Zeitpunkt der operativen Therapie sorgfältig gewählt
entlang des Drahtes möglich ist, sollte, falls möglich, ein werden.
zweiter, nicht paralleler Draht eingebracht werden. Typ-I-Ausrisse sollten möglichst frühzeitig angegangen
werden. Retrahierte Sehnen weisen eine komplette Rup-
tur der dorsalen Vinculae und ihrer Blutversorgung auf.
Tipps und Tricks
Die Versorgung sollte daher zwischen 7 und 10 Tage nach
■ Diese Frakturen heilen langsam, daher sollte die Fi- dem Unfall erfolgen, um eine Degeneration und Kontrak-
xation für 6 – 8 Wochen belassen werden. Aufgrund tion des Sehnenstumpfs zu vermeiden. Typ-II- und Typ-
von drahtassoziierten Problemen ist jedoch häufig III-Verletzungen können später versorgt werden, wenn
eine vorzeitige Metallentfernung notwendig. auch die Versorgung zwischen ca. 7 und 10 Tage nach
■ Trotz der exponierten Lokalisation hat die Kirschner- dem Trauma am einfachsten sein dürfte. Mehrere Über-
Draht-Versorgung ein relativ geringes Risiko einer legungen sprechen für ein frühes operatives Vorgehen.
Infektion. Dennoch haben die Kirschner-Drähte ein Obwohl die Lokalisation des Fragments radiologisch fest-
Lockerungsrisiko durch mangelnde Ruhigstellung gestellt werden kann, könnte eine Diskontinuität der
oder wiederholtes Mikrotrauma. Um das Risiko der Sehne am Übergang zwischen Fragment und Sehne auf-
Drahtwanderung zu minimieren, kann der Kirschner- getreten sein. Das Fragment kann somit am Finger ver-
Draht durch das extendierte DIP eingebracht wer- bleiben, während die Sehne in die Hohlhand retrahiert
den. Hierdurch wird eine größere Stabilität erreicht ist. Auch wenn dies eher selten auftreten dürfte, spricht
und die knöcherne Heilung begünstigt. Das Risiko diese Möglichkeit doch für die Dringlichkeit der Versor-
der Einsteifung des DIP-Gelenks ist zu bedenken, gung wie bei einer Typ-I-Verletzung. Die Vorteile einer
hat jedoch in unserer Erfahrung mit dieser Technik sekundären Versorgung wie der Rückgang der Schwel-
keine größere Rolle gespielt.
lung oder die präoperative Verbesserung der passiven
■ Das Einbringen des längs verlaufenden Kirschner-
Gelenkbeweglichkeit sind schwer zu erreichen, wenn
Drahts ist technisch anspruchsvoller als es erschei-
ein Fragment am Finger im Bereich der Sehnenscheide
nen mag, da der Markraum relativ weit dorsal im
vorliegt.
Finger verläuft. Daher sollte der Kirschner-Draht
knapp palmar der Nagelmatrix im Zentrum des Hy-
ponychiums eingebracht werden. Da mehrfache Operative Technik
Versuche die Stabilität der Fragmente beeinträchti-
Der Zugang erfolgt über mittaxiale oder palmare Zick-
gen können, sollte der Eingriff unter Durchleuch-
zackinzision. Es sollte darauf geachtet werden, die Trau-
tungskontrolle erfolgen.
matisierung der Sehnenscheide und ihrer Inhalte zu mi-
nimieren. Bei einer Typ-I-Läsion wird eine Inzision in der
Intraartikuläre Endphalanxfrakturen: Ausriss Hohlhand über dem A1-Ringband gesetzt und eine Sonde
der Sehne des M. flexor digitorum profundus von distal nach proximal durch die Sehnenscheide einge-
bracht. Die retrahierte Sehne wird aufgesucht, eine wei-
Die FDP-Sehne kann im Bereich ihrer Insertion entweder ter proximale Dislokation der Sehne sollte durch den
mit oder ohne eine begleitende Fraktur reißen. Diese Ver- Muskelursprung der Lumbrikales verhindert werden.
letzung tritt am häufigsten am 3. Finger auf, wurde aber Falls möglich, wird die Sehne über die Sonde nach distal
an allen Fingern beschrieben. Leddy u. Packer beschrie- durch die intakte Sehnenscheide gezogen. Ein Periostlap-
ben ein Klassifikationssystem (5): pen wird an der Stelle des knöchernen Ausrisses gehoben,
die Kortikalis wird angefrischt, um die Integration des
Frakturen der Endphalanx 449

abgerissenen Stumpfs zu verbessern. Durch vorgebohrte daher sinnvoll, sowohl eine Reposition der Fraktur als
Löcher kann die Sehne mit doppelt armierten Monofila- auch die Reposition des Gelenks anzustreben.
mentfäden an der Ausrissstelle durch den Nagel auf Höhe Eine innovative Methode, um diese beiden Ziele zu er- 18
der Lunula befestigt werden; geknüpft wird der Faden reichen, ist eine Technik unter Verwendung von 2 Dräh-
über einen Knopf im Sinne einer Auszugsnaht. Der Pe- ten, die darauf beruht, dass das dorsale Kantenfragment
riostlappen kann an die Sehne adaptiert werden, um die indirekt mit einem Draht reponiert wird und die Stellung
Stabilität zu erhöhen. Nach etwa 4 Wochen können der des Endgelenks durch einen längs verlaufenden Draht
Faden und der Knopf entfernt werden. Weiter verbreitet gehalten wird (Abb. 18.2; 6).
als diese Technik ist die Verwendung eines Knochen- Der Draht, der zur Reposition verwendet wird, wird
ankers, der an der Ausrissstelle eingebracht wird. So von dorsal transkutan in einem Winkel auf die dorsale
kann auf einen außen liegenden Knopf verzichtet wer- Mittelphalanx eingebracht. Seine Spitze durchdringt das
den. Zudem erlaubt diese Fixation eine dauerhafte Unter- Ende der Strecksehne und wird auf der dorsalen Mittel-
stützung während des Heilungsprozesses. Die Anker phalanxkondyle in der Nähe der Gelenkfläche aufgelegt.
müssen schräg eingebracht werden, um einen guten Die Spitze liegt somit palmar des Kantenfragments. Der
Halt zu erreichen und um nicht die Gegenkortikalis Draht wird dann nach distal gekippt, um das Fragment zu
bzw. das Nagelbett zu beeinträchtigen. reponieren, anschließend wird der Draht in den Kopf der
Typ-II-Verletzungen weisen häufig sehr kleine Frag- Mittelphalanx vorgetrieben. Wenn die Fraktur nun repo-
mente auf und können ähnlich wie die Typ-I-Verletzun- niert ist, wird das Endgelenk in korrekter Stellung durch
gen behandelt werden. Entweder wird das kleine Frag- einen längs verlaufenden Draht transfixiert.
ment reseziert oder mit den Nähten am Übergang Sehne/ Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine Zugver-
Knochen gefasst. Durch die Durchzugsnaht oder den Kno- bindung zwischen den beiden Drähten entweder durch
chenanker können die Fragmente sehr gut fixiert werden. einen Gummi oder ein entsprechendes Umbiegen der
Typ-III-Frakturen weisen ausreichend große Fragmente Drähte die Stabilität der Konstruktion verbessert. Der
auf, um eine Fixation mit Kirschner-Drähten zu ermögli- große Vorteil dieses Manövers ist die Möglichkeit einer
chen. Hierbei sollte auf eine korrekte Reposition der Ge- adäquaten Frakturreposition und Stabilisation durch eine
lenkfläche geachtet werden. Diese Fragmente können geschlossene Methode, wodurch eine weitere Beeinträch-
den Großteil der Gelenkfläche beinhalten und somit zu tigung des kleinen dorsalen Fragments durch die Instru-
einer Instabilität am Endgelenk führen. Aus diesem mentierung verhindert wird.
Grund ist für gewöhnlich eine Transfixation des DIP-Ge- Bei komplexen Frakturen können die geschlossenen
lenks in Extension notwendig. oder perkutanen Techniken möglicherweise nicht das ge-
wünschte Ergebnis liefern. In dem kleinen Teil der End-
Knöcherne Abrisse der Strecksehne gelenksfrakturen, in denen die geschlossenen Methoden
versagen bzw. die palmare Dislokation nicht behoben
Der Großteil der knöchernen Strecksehnenabrisse kann werden kann, sollte ein offenes Vorgehen erwogen wer-
konservativ behandelt werden. Diese Frakturen können den. Über einen Y-förmigen Zugang zum Endgelenk kön-
ähnlich wie die nichtknöchernen Strecksehnenabrisse nen Weichteile oder Fragmente entfernt werden, welche
durch Ruhigstellung in Streckung des Endgelenks behan- die Reposition der Fraktur bzw. des Gelenks verhindern.
delt werden (Stack-Schiene). Auch wenn die kleinen Frag- Mehrfache Versuche der Fixation sollten vermieden wer-
mente radiologisch nicht gut reponiert erscheinen, kann den, da dies zu einer weiteren Beeinträchtigung der klei-
sich die Gelenkfläche des Endgelenks remodellieren und nen Fragmente führen kann und gute Resultate somit
eine adäquate Extension im DIP resultieren. nicht erzielt werden können. Folgende Schritte sollten
Gelegentlich kann die Kombination eines knöchernen vorsichtig durchgeführt werden, um möglichst gute Er-
Strecksehnenabrisses mit der Verletzung weiterer Struk- gebnisse zu erzielen:
turen wie den Kollateralbändern zu einer palmaren Sub- Ein Kirschner-Draht wird antegrad von der Gelenkflä-
luxation der Endphalanx führen. In diesen Fällen besteht che der Endphalanx palmar des Fragments nach distal
eine Operationsindikation. Es bestehen 2 Optionen für vorgetrieben, bis sein Ende knapp unter der Gelenkfläche
die Behandlung des subluxierten Endgelenks: die ge- zu liegen kommt. Hierbei muss darauf geachtet werden,
schlossene Drahtfixation oder eine offene Rekonstrukti- dass der Draht nicht in der Fraktur zu liegen kommt und
on, in der Regel in Verbindung mit einer Transfixation des so die Reposition behindert. Die Reposition des Frag-
Endgelenks. ments erfolgt bei offener Flexion des Endgelenks, Exten-
Aufgrund der geringen Weichteildeckung und der sion des PIP und Hyperextension des Metakarpopha-
Möglichkeit von Nageldeformitäten bzw. Sensibilitätsstö- langeal(MCP)-Gelenks.
rungen bevorzugen wir, zunächst den Versuch einer ge- Ein zweiter Draht wird dann durch die Strecksehne
schlossenen Behandlung zu unternehmen. Das Ziel, das proximal des Fragments durch den Kopf der Mittelpha-
Endgelenk zu reponieren, sollte beim Versuch, die Fraktur lanx in einem 45°-Winkel zur koronaren Ebene einge-
zu reponieren, nicht außer Acht gelassen werden. Es ist bracht. Dieser Draht verhindert eine Dislokation des Frag-
ments nach proximal. Dieser Draht sollte zusätzlich late-
450 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Steckapparat
18 B
A

P2
axiale
Ausrichtung

P3
palmare Subluxation

Aufrichtung des
Fragmentes

DIP
Repositions-
manöver Sicherung mit transartikulärem Pin

Abb. 18.2 Technik der Reposition und Stabilisierung einer dis- anhaftende Fragment in die korrekte Stellung. Die Endphalanx
lozierten dorsalen Endgliedbasisfraktur mit palmarer Subluxati- wird reponiert und mit einem transartikulären Draht gesichert.
on. Der dorsale Draht hebelt das am distalen Ende der Sehne DIP = distales Interphalangealgelenk.

ral der Mittellinie zu liegen kommen, um die Passage des Extraartikuläre Frakturen der Grund-
longitudinal verlaufenden Transfixationsdrahts nach Re-
und Mittelphalanx
position der Fraktur und Extension des DIP-Gelenks zu
erlauben. Ein dritter Draht kann dann senkrecht zur Frak-
Konservative Behandlung
turebene durch das Fragment eingebracht werden, wenn
es groß genug ist, um diese zusätzliche Fixation zu erlau- Die Anatomie der Grund- und Mittelphalanx ist ähnlich.
ben. Es handelt sich bei beiden um Röhrenknochen mit arti-
Auch andere Methoden können für die Fixation dieser kulären Oberflächen an beiden Enden, wobei die distalen
Fragmente eingesetzt werden, eingeschlossen Kirschner- eine annähernd identische bikondyläre Morphologie auf-
Draht-Fixationen ohne transfixierende Drähte, Zuggur- weisen. Die distalen Enden der Grund- und Mittelpha-
tungstechniken oder Auszugsnähte. In allen Fällen ist lanx weisen eine subkondyläre Fossa auf, in der die je-
das Ziel, die terminale Strecksehne nicht zu kompromit- weils distalen Phalangen bei Flexion zu liegen kommen.
tieren und das DIP-Gelenk zu reponieren. Es sollte Obwohl sich die proximalen Gelenkflächen unterschei-
schließlich darauf geachtet werden, das DIP-Gelenk den, sind beide konkav und durch eine aufgetriebene
nicht in extremer Überstreckung (> 20°) zu transfixieren. metaphysäre Region unterstützt.
Obwohl das DIP-Gelenk, das in Hyperextension ruhig ge- Es finden sich leichte Unterschiede in den Verhältnis-
stellt wird, in der Regel wieder eine gute Flexion erlangt, sen zu den umgebenden Weichteilen, die bei der Beur-
neigen Endgelenke, die in dieser Position transfixiert wa- teilung von Verletzungen dieser Knochen und der Thera-
ren, zu schlechten funktionellen Resultaten und zur Ein- pie berücksichtigt werden sollten. Die Kollateralbänder
steifung. Alternativ kann auch eine Osteosynthese mit stabilisieren sowohl das MCP- als auch das PIP-Gelenk.
einer Minischraube erfolgen. Die proximalen Stabilisatoren haben sowohl epiphysäre
als auch metaphysäre Insertionen, während die Kollate-
ralbänder des PIP-Gelenks fast ausschließlich an der Epi-
physe verankert sind. Der Mittelzügel der Strecksehne
inseriert an der dorsalen Epiphyse der Mittelphalanx.
Die Grundphalanx hat keine Verbindung zu den Beuge-
sehnen, während die Sehne des M. flexor digitorum su-
Extraartikuläre Frakturen der Grund- und Mittelphalanx 451

perficialis palmar über die zentralen 60 % der Mittelpha-


lanx inseriert.
Extraartikuläre Frakturen der Grund- und Mittelpha- 18
lanx können somit nach der Region unterschieden wer-
den, sie werden jedoch im Folgenden aufgrund der Ähn-
lichkeiten gemeinsam betrachtet.

Subkondyläre Frakturen
Subkondyläre Frakturen treten fast ausschließlich bei
Kindern auf, können jedoch auch bei Erwachsenen als
Sport- oder Arbeitsverletzungen beobachtet werden.
Auch wenn nichtdislozierte Frakturen geschlossen behan-
delt werden können, müssen diese Frakturen in der Regel
offen reponiert und osteosynthetisch versorgt werden.
Die dislozierte subkondyläre Fraktur ist meist nach dorsal
disloziert mit um etwa 90° rotierter Gelenkfläche, sodass
die Gelenkfläche des Köpfchens dorsal gerichtet zu liegen
kommt (Abb. 18.3).
Abb. 18.3 Subkapitale Fraktur der Mittelphalanx mit dorsalex-
Schaftfrakturen der Phalangen tendiertem distalen Gelenkfragment.

Schaftfrakturen der Phalangen können einfach (Transver-


salfraktur, Querfraktur oder Spiralfraktur) oder mehr-
fragmentär sein, mit oder ohne knöcherne Defekte. Wochen retiniert, bevor eine vorsichtige Bewegungsthe-
Die Frakturen müssen hinsichtlich ihrer Reponibilität rapie, ggf. unter physiotherapeutischer Anleitung begon-
und anschließenden Stabilität beurteilt werden. Nichtdis- nen werden kann.
lozierte Frakturen können geschlossen behandelt werden,
wobei sorgfältig auf eine korrekte Torsion geachtet wer-
Operative Behandlung
den sollte. Instabile Frakturen sollten engmaschig auf
eine sekundäre Dislokation hin beobachtet werden. Spi- Indikationen für die operative Therapie dieser Pha-
ralfrakturen werden nur selten konservativ behandelt lanxfrakturen beinhalten offene Frakturen, die Unmög-
aufgrund ihrer Tendenz sich zu verkürzen und zu rotie- lichkeit der geschlossenen Reposition, instabile Fraktur-
ren. Transversale Frakturen in Schaftmitte, die geschlos- formen (insbesondere Spiral-Querbrüche) und Torsions-
sen reponiert werden, sollten ebenfalls engmaschig im abweichungen.
Verlauf kontrolliert werden, da sie im Verlauf zu einer Die Herausforderung hierbei ist eine sorgfältige Abwä-
Abkippung neigen. Proximale Schaftfrakturen der Pha- gung der zu erreichenden Stabilität mit der Möglichkeit
langen können aufgrund des Zuges der Interosseusmus- der funktionellen Behandlung und die Auswahl eines ge-
kulatur dislozieren. Frakturen in Schaftmitte können eigneten Verfahrens in Abhängigkeit von der Fraktur-
nach dorsal oder palmar abgekippt sein, abhängig vom form. Die operative Therapie dieser Frakturen wird im
Unfallmechanismus und den Zugkräften der Beuge- bzw. Folgenden nach den Frakturformen dargestellt.
Strecksehnen.
Basisfrakturen der Grundphalanx können geschlossen Transversale Schaftfrakturen
behandelt werden, wenn sie nicht disloziert sind bzw.
nach geschlossener Reposition stabil sind. Die Reposition In der Regel werden für transversale Phalanxfrakturen
kann vorgenommen werden, indem das proximale Frag- Kirschner-Drähte oder Platten verwendet. Einfache inter-
ment und das MCP-Gelenk zuerst flektiert werden, an- fragmentäre Schrauben sind aufgrund des Frakturver-
schließend wird das distale Fragment flektiert, um die laufs nicht sinnvoll. Bei der Entscheidung, ob ein Kirsch-
Fraktur so zu reponieren. Das Repositionsergebnis muss ner-Draht oder eine Platte verwendet werden soll, ist zu
kritisch überprüft werden, da Torsionsfehler häufig und berücksichtigen, ob die Fraktur von einer stabilen Versor-
schwer zu erfassen sind, wenn der betreffende Finger gung mit der Möglichkeit einer intensiveren Nach-
nicht über den gesamten Bewegungsumfang durch- behandlung bzw. von einem Eingriff mit geringerer Inva-
bewegt werden kann. Bereits geringgradige Verkippun- sivität, also der Drahtversorgung profitiert.
gen oder Verkürzungen können zu schlechten funktionel- Eine effektive Möglichkeit der geschlossenen Behand-
len Resultaten führen. Gut reponierte Frakturen werden lung ist die Stabilisation durch retrograd eingebrachte
in der Sicherheitsposition (Intrinsic Plus, maximale Flexi- Kirschner-Drähte. 1 oder 2 Drähte werden hierzu von
on der MCP-Gelenke, Streckung der PIP-Gelenke) für 3 – 4 der Phalanxköpfchenregion in retrograder Richtung über
452 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Abb. 18.4
a A.–p. und laterale An-
18 sicht einer extraartikulä-
ren Mittelphalanxfraktur
mit dorsaler Fehlstellung
im Bereich der Diaphyse.
b Die postoperativen Bil-
der zeigen die Kombina-
tion einer interfragmen-
tären und transartikulä-
ren Kirschner-Draht-
Osteosynthese.

a b

die Frakturebene nach proximal vorgetrieben, um dort werden. Die Kollateralbänder der Interphalangealgelenke
den subchondralen Knochen oder die Gegenkortikalis entspringen dorsal der Rotationsachse des Phalanxköpf-
des proximalen Fragments zu fassen. Wenn 2 Drähte plat- chens. Der kollaterale Rezessus kann mit dem Kirschner-
ziert werden können, resultiert eine rotationsstabile Ver- Draht getastet werden und bietet eine Landmarke für die
sorgung. Um Bewegungseinschränkungen zu minimie- Insertion der quer verlaufenden Drähte (Abb. 18.4).
ren, sollten die Drähte distal extraartikulär eingebracht

Tipps und Tricks


■ Bei der Technik der Kirschner-Draht-Versorgung über resultiert sowohl eine Stabilität der Fraktur, als auch eine
den kollateralen Rezessus sollten 2 technische Tricks an- innere Transfixation des MCP-Gelenks in Flexion mit ge-
gewendet werden. Die 2 Drähte sollen anfangs nur bis streckten Kollateralbändern. Die von Belsky et al. be-
zur Frakturebene eingebracht werden. Ein Draht kann schriebene Technik ist einfacher als die Drahtversorgung
dann als Joystick verwendet werden, um die Reposition über den kollateralen Rezessus und vermeidet Weichteil-
unter Durchleuchtungskontrolle zu erreichen. Mit dem manipulationen im Bereich des Mittelgelenks (Abb. 18.5;
zweiten Draht kann die Fraktur vorläufig fixiert werden. 7). Die Frakturen werden in Distraktion und Grund-
Die Rotation muss nun vor dem Weitertreiben des zwei- gelenksflexion reponiert. Ein Kirschner-Draht wird dann
ten Drahtes eingestellt werden. Schwierigkeiten bei die- durch den Kopf des Metakarpale in das Basisfragment
ser Technik bereitet insbesondere das Einbringen der der gebeugten Grundphalanx bis zur Frakturlinie vor-
Drähte im richtigen Winkel, um später korrekt im pro- getrieben. Durch dieses Manöver wird das kleine pro-
ximalen Fragment zu liegen. Daher sollte die Drahtplat- ximale Fragment stabilisiert, und eine exakte Reposition
zierung zuerst optimiert werden, um nicht ein bereits unter Bildwandlerkontrolle kann einfacher durchgeführt
erreichtes Repositionsergebnis im weiteren Verlauf werden.
durch die Manipulation einzubüßen. ■ Durch Distraktion und Flexion in der Frakturebene kann
■ Eine zweite technische Überlegung betrifft das Weich- die Reposition nun vorgenommen werden. Die Stabilisa-
teilmanagement. Die Drähte sollen in der Intrinsic-Plus- tion erfolgt durch das weitere Vortreiben der Drähte in
Position eingebracht werden, also bei gestreckten Inter- den Markraum. Nachdem der erste Draht platziert ist,
phalangealgelenken. Dadurch wird verhindert, dass die muss die Fingertorsion sorgfältig überprüft werden.
transkutanen Drähte die Weichteile irritieren und me- Bevor der zweite Draht nach distal getrieben wird, kön-
chanisch die Streckung des Interphalangealgelenks blo- nen Rotationskorrekturen vorgenommen werden
ckieren. Für extraartikuläre instabile Transversalfrakturen (Abb. 18.6). Der zweite Draht kann durch den Metakar-
der Grundgliedbasis, welche nicht durch eine Plattenos- palekopf oder alternativ durch die laterale Kortikalis der
teosynthese versorgt werden, kann eine transartikuläre Grundphalanx eingebracht werden. Die zweite Technik
Drahtversorgung verwendet werden. Mit dieser Methode ist für den Zeigefinger radial und den Kleinfinger ulnar
gut geeignet.
Extraartikuläre Frakturen der Grund- und Mittelphalanx 453

Reposition der Fraktur


Abb. 18.5 Intramedulläre Schienung
in Grundgelenksflexion
(nach Eaton-Belsky) einer Basisfraktur der
Drahtverlauf durch das Grundphalanx. MCP = metakarpophalange- 18
Metakarpaleköpfchen al.

gestrecktes
MCP-Kollateralband

Draht

P1 Metakarpale

P1
Alternative
Eintrittstelle:
an der Grund-
phalanxbasis

Metakarpale

Abb. 18.6 Bei bestimm-


ten Frakturen der Grund-
phalanx kann die Kirsch-
ner-Draht-Osteosynthese
in der Technik nach
Eaton-Belsky mit 1 oder
2 Drähten angewendet
werden. Klinisches Bei-
spiel einer dislozierten
basisnahen Fraktur der
Grundphalanx, die mit
2 feinen Drähten, welche
die Fraktur in reponierter
Stellung stabilisieren, be-
handelt wurde.

ein prominentes Implantat mit entsprechendem Sehnen-


Spiralfrakturen kontakt verwenden zu müssen. Zu diesen häufig an der
Grundphalanx auftretenden Frakturen kann seitlich zu-
Nach unserer Erfahrung sind diese Frakturen am besten gegangen werden. Obwohl häufig eine Durchtrennung
durch interfragmentäre Schrauben zu behandeln der Strecksehne notwendig wird, bevorzugen wir eine
(Abb. 18.7). Hierdurch kann eine Stabilität erreicht wer- von mehreren Möglichkeiten des Strecksehnenhandlings,
den, die eine frühfunktionelle Behandlung erlaubt, ohne das zu minimalen postoperativen Adhäsionen führt.
454 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Eine großzügige Exposition kann durch Exzision eines


der schräg verlaufenden Bänder der Streckhaube distal
18 des des MCP-Gelenks und lateral des Strecksehnenmittel-
zügels erreicht werden (Abb. 18.8). Die Exzision dieses
Dreiecks aus der Streckhaube verringert auch das Risiko
postoperativer Adhäsionen (8).
Als alternative Exposition kann der Chamay-Zugang
verwendet werden, wenn die Frakturlinie sich über die
gesamte Diaphyse erstreckt oder das PIP-Gelenk erreicht
(9). Bei dieser selten benötigten aber hilfreichen Technik,
wird der Streckapparat als distal gestieltes V inzidiert,
wobei die Basis des Sehnenlappens an der Mittelphalanx
belassen bleibt (Abb. 18.9).
Um gute Resultate bei der Versorgung der Frakturen zu
erreichen, ist auf eine sorgfältige Säuberung des Fraktur-
spalts und eine exakte Reposition, ggf. mit provisorischer
Abb. 18.7 Prä- und postoperatives Röntgenbild einer Schräg-
Drahtfixation Wert zu legen. Wie bei allen Anwendungen
fraktur der Grundphalanx, versorgt mit interfragmentären
Schrauben.
einer interfragmentären Schraubenfixation sollte auch

Hautinzision schräge Fasern der Extensorenhaube Abb. 18.8 Die Exposition der Grund-
phalanx mit geringer Schädigung des
Streckapparats kann durch dreiecksför-
mige Exzision der Lamina intertendinea
superficialis erreicht werden. Dies er-
möglicht den Zugang zum mittleren
lateralen Schaft der Grundphalanx.

laterales interossäres Band

Extensorhaube
Schnittrand des lateralen Bandes

Pl P2
P3

exzidiertes Dreieck
des laterales Bandes
der Steckerhaube

Abb. 18.9 Dorsaler Zugang nach Chamay


zur Grundphalanx und zum proximalen In-
terphalangealgelenk. Dieser Zugang erfolgt
über einen distal gestielten Lappen des
EDC Strecksehnenmittelzügels, welcher von der
Grundphalanx abgehoben wird, wobei der
Ansatz an der Mittelphalanx erhalten bleibt.
P3 Die Seitenzügel bleiben ebenfalls intakt.
P2 EDC = Sehne des M. extensor digitorum
Pl Anhebung des zentralen Extensorengewebes communis.
Extraartikuläre Frakturen der Grund- und Mittelphalanx 455

18

a b

Abb. 18.10 Prä- und postoperative Röntgenbilder von Trüm- a Proximal platzierte Klinge zur Behandlung einer Trümmerzo-
merfrakturen der Grundphalanx, die mit Minikondylenplatten ne im Bereich des MCP-Gelenks.
stabilisiert wurden. Die Klinge kann sowohl proximal als auch b Distal platzierte Klinge zur Behandlung einer Trümmerzone
distal eingebracht werden, um die größere Trümmerzone zu im Bereich des PIP-Gelenks.
stabilisieren.

hier darauf geachtet werden, dass die Schrauben senk- Die ideale Lage der Platte hängt von mehreren Fak-
recht zur Frakturebene und in ausreichendem Abstand toren ab: Halt der Klinge sowie der gelenknahen Schrau-
zueinander eingebracht werden, um iatrogene Frakturen be, Erreichen eines maximalen Knochenkontakts nach
zu vermeiden. Reposition der Fraktur und Halt der Schrauben in den
diaphysären Fragmenten. In der Regel können diese An-
Mehrfragmentäre Schaftfrakturen der forderungen durch eine laterale Positionierung der Platte
Phalangen erreicht werden, um so den Kontakt mit der Streckhaube
zu minimieren.
Da diese Frakturen meist das Resultat höherenergetischer Nach der Exposition wird für gewöhnlich die Klinge
Frakturmechanismen sind, liegt häufig ein Schaden der zuerst eingeführt. Hierbei empfiehlt sich eine vorläufige
Weichteile vor. Neben der Frakturform sollte somit auf Fixation der Platte durch einen Kirschner-Draht, der in
die Weichteile, Begleitverletzungen von Sehnen sowie das der Klinge benachbarte Loch eingebracht wird.
von neurovaskulären Strukturen geachtet werden. Die Unter Sicht und Durchleuchtungskontrolle können das
funktionellen Resultate sind im Allgemeinen schlechter Implantat und die Lage der Klinge bestimmt werden.
als bei glatten Schaftfrakturen, die Fixation kann schwie- Das Loch für die Aufnahme der Klinge wird parallel zur
riger sein. In Abhängigkeit von der Frakturform kann Gelenkfläche mit einem 1,5-mm-Bohrer vorgebohrt. Die
auch hier durch eine perkutane Kirschner-Draht-Osteo- Länge wird bestimmt und die Klingenlänge entsprechend
synthese eine adäquate Stabilisation der Hauptfragmente gekürzt. Auch wenn die meisten kommerziell verfüg-
erreicht werden. baren Systeme vorgebogene Platten haben, kann eine zu-
Falls bei einer mehrfragmentären Schaftfraktur eine sätzliche Anpassung der Platte notwendig werden. Über
intakte Basis und ein intaktes Köpfchen vorliegen, kön- den provisorisch eingebrachten Draht kann die Platte
nen Minikondylenplatten eingesetzt werden (Abb. 18.10). dann in Position gebracht werden. Mitunter kann es hilf-
Durch diese Technik kann eine stabile Versorgung er- reich sein, eine Repositionszange oder anderweitige
reicht und eine Verkürzung bzw. Torsion der Fraktur ver- Kompressionsvorrichtungen zu verwenden, um einen
hindert werden. Für Grund- und Mittelgliedfrakturen festen Sitz der Platte zu gewährleisten. Nachdem die kor-
sollten entsprechende Miniplattensysteme verwendet rekte Reposition und Länge sowie Plattenlage gesichert
werden. Die Klinge kann proximal oder distal eingebracht ist, wird die Parallelschraube eingebracht und die Positi-
werden und sollte auf der Frakturseite platziert werden, on somit gesichert. Die restlichen Schrauben werden an-
welche die geringere Länge an intaktem Knochen auf- schließend im Verlauf der Fraktur dort eingebracht, wo
weist und wo somit die größte Notwendigkeit für eine sie kortikalen Halt finden. Alternativ können winkelsta-
Stabilität durch die Klinge besteht. bile Plattensysteme verwendet werden.
456 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Abb. 18.11 Prä- und postoperative


Röntgenbilder einer Trümmerfraktur der
18 Mittelphalanx, die mittels Fixateur
externe behandelt wurde.

Falls bei sehr starker Destruktion der Phalanx kein adä- werden, die unmittelbar proximal des Tuberculum listeri
quater Halt für eine Platten- oder Kirschner-Draht-Osteo- angebracht wird. Alternativ kann über einen palmaren Zu-
synthese gegeben ist, kann die externe Fixation als The- gang unter dem Pronator teres kortikospongiöser Knochen
rapieoption in Erwägung gezogen werden. Die externe zur Überbrückung größerer Defekte gewonnen werden.
Fixation kann durch Kirschner-Drähte und Gummis oder Die Entnahme eines Transplantats vom Beckenkamm (kor-
kommerziell verfügbare Fixateursysteme erreicht wer- tikospongiöser Span bzw. Spongiosa) bietet sich bei größe-
den. Die Details der Anwendung der externen Fixations- ren Defekten an. Bei Verletzungen mehrerer Finger kann
vorrichtungen an den Phalangen werden ausführlicher im Falle einer Amputation Knochen von einem nicht zu
im Kapitel über PIP-Frakturen erläutert. Die Fixateure replantierenden Finger gewonnen werden.
können gelenküberbrückend bzw. nichtüberbrückend
(Abb. 18.11), fixiert oder dynamisch angebracht werden.
Um einen ausreichenden Halt der Pins oder Kirschner- Das proximale Interphalangealgelenk
Drähte zu erreichen, kann bei peri- oder intraartikulären
Frakturen eine gelenküberbrückende Montage notwen- Das proximale Interphalangealgelenk hat in der Handchi-
dig werden. Wenn ein Gelenk überbrückt werden muss, rurgie zu Recht außerordentliche Aufmerksamkeit erhal-
sollte versucht werden, die potenzielle Bewegungsein- ten. Es wurde als das „Epizentrum der Hand“ beschrieben
schränkung des Gelenks als Resultat der Distraktion zu und war Gegenstand intensiver mathematischer (Fibo-
minimieren. Wenn ein das Mittelgelenk überbrückender nacci) sowie anatomischer und chirurgischer Studien.
Fixateur zur Behandlung einer Mittelphalanxtrümmer-
fraktur eingesetzt werden muss, sollte daher ein dyna-
Anatomie
misches System verwendet werden, bei dem der pro-
ximale Pin durch die Rotationsachse des Grundpha- Dieselben Qualitäten, die das PIP und seine Beweglichkeit
lanxköpfchens eingebracht wird. Diese Konstruktion für fast alle Handfunktionen wichtig werden lassen sind
wird an den Metakarpophalangealgelenken aufgrund auch dafür verantwortlich, dass das Gelenk anfällig für
der schlechteren Erreichbarkeit der Metakarpaleköpfen Verletzungen ist. Das bikondyläre Scharniergelenk er-
seltener eingesetzt. möglicht eine Flexion von 110°, lässt jedoch nur etwa
Die zweite Möglichkeit ist die Positionierung eines ri- 7 – 10° seitlicher Beweglichkeit in mittlerer Flexion zu
giden Fixateurs. Wenn das überbrückte Gelenk nicht mo- (10). Verschiedene anatomische Gegebenheiten tragen
bilisiert werden kann, sollte der Versuch unternommen zu dieser Stabilität bei. Die aufeinander abgestimmte Ar-
werden, das Gelenk in der Intrinsic-Plus-Position zu fixie- chitektur des Kondylenköpfchens der Grundphalanx und
ren (MCP-Gelenke flektiert, Interphalangealgelenke ge- der konkaven Basis der Mittelphalanx bieten stabile knö-
streckt). Dies gelingt einfacher an den Interphalangealge- cherne Voraussetzungen. Die Verstärkung des Gelenks
lenken als am Metakarpophalangealgelenk. erfolgt durch den intrinsischen Kapselapparat mit einer
Unabhängig von der Fixationsmethode sollte bei diesen derben palmaren Platte und den Kollateralbändern. Da-
Frakturen die Notwendigkeit einer Knochentransplantati- rüber hinaus stabilisieren die Strecksehne, welche an der
on überprüft werden. Die Frakturen sind oft impaktiert dorsalen Basis der Mittelphalanx ansetzt sowie die Beu-
und bieten wenig knöchernen Kontakt zwischen den Frag- gesehnen zusammen mit den Faserzügen der Ringbänder
menten. Kleinere Mengen von Spongiosa können vom dor- als sekundäre extrinsische Stabilisatoren das PIP. Axiale,
salen distalen Radius über eine Kortikotomie gewonnen seitliche oder rotatorische Krafteinwirkungen sowie
Das proximale Interphalangealgelenk 457

Krafteinwirkungen mit Extension des Mittelgelenks ge- xationsfrakturen des konventionellen Typs führen (11). In
fährden diese funktionelle Einheit. dieser Situation ist die palmare Platte mit einem Anteil
Die Rotationsachse des PIP-Gelenks weist im gesamten des schwachen trabekulären Knochen aus der zentralen 18
Bewegungsumfang eine gleiche Distanz zur Gelenkober- palmaren Mittelphalanxbasis gerissen. Verletzungen mit
fläche auf, welche einen Großteil des Köpfchens ein- größerer Krafteinwirkung, insbesondere mit axialer
nimmt. Um dies zu ermöglichen, ist der Hals der Grund- Komponente, können zur zentralen Impaktion der Mittel-
phalanx schlank ausgebildet mit einer subkondylären phalanxbasis führen, welche auch als Pilonfrakturen be-
Fossa, um die palmare Kante der Mittelphalanxbasis bei zeichnet werden. Diese Frakturen zeichnen sich durch ein
maximaler Flexion aufzunehmen. Aufgrund dieser ana- imprimiertes Fragment an der zentralen Gelenkfläche
tomischen Gegebenheiten ist das PIP-Gelenk verletzlich der Mittelphalanxbasis aus (Abb. 18.12). Die palmare
und sehr anfällig gegenüber kleinsten Veränderungen. Kante im Bereich des Ansatzes der palmaren Platte
Das Verständnis der Anatomie der Kollateralbänder des sowie die dorsale Kante im Bereich des Ansatzes des
PIP-Gelenks und der palmaren Platte ist Voraussetzung Strecksehnenmittelzügels können intakt oder abge-
für ein Verständnis von Luxationen des PIP-Gelenks, von sprengt sein.
dislozierten Frakturen der Mittelphalanxbasis sowie Frak- Möglicherweise der wichtigste Gesichtspunkt bei der
turen des Grundgliedköpfchens. Die Kollateralbänder ent- Beurteilung dorsaler Luxationen bzw. Luxationsfrakturen
springen aus dem kollateralen Rezessus. Diese knöcher- ist, ob diese durch geschlossene Methoden reponiert und
nen Vertiefungen sind dorsal der Rotationsachse des in anatomischer Position gehalten werden können. Aus
Grundphalanxköpfchens lokalisiert. 2 Anteile der Kollate- diesem Grund können diese Verletzungen in stabile und
ralbänder spannen sich nach distal und palmar aus. Das instabile Verletzungen unterteilt werden, in Abhängigkeit
primäre Kollateralband (PCL) ist der größere Anteil der von der Gelenkstellung, die resultiert, wenn das Mittel-
beiden und inseriert an den palmaren drei Vierteln der gelenk in Extension gebracht wird.
Mittelphalanxbasis und am distalen Ende der palmaren Eine Fraktur, die mehr als 40 % der Mittelphalanxbasis-
Platte. Das akzessorische Kollateralband (ACL) inseriert Gelenkfläche mit einbezieht, wird voraussichtlich auf-
vorwiegend an der palmaren Platte und dorsal an der grund der unzureichenden knöchernen Stabilität der pal-
Beugesehnenscheide. Palmar am Mittelgelenk findet sich maren Mittelphalanxkante instabil sein (Abb. 18.13).
die derbe palmare Platte. Die distale Insertion ist am
stärksten ausgebildet in den lateralen Anteilen der Mit- Geschlossene Behandlung
telphalanxbasis. In diesem Bereich setzt auch das akzes-
sorische Kollateralband an. Hier ist die fibrokartilaginäre Dorsale Mittelgelenksluxationen können in Oberst-Lei-
Struktur der palmaren Platte transversal ausgerichtet, tungsanästhesie geschlossen reponiert werden. Durch
wodurch der distale Anteil gegenüber dorsaler Kraftein- Längszug und Druck von dorsal lässt sich eine Reposition
wirkung anfällig ist und zu Luxationen des PIP-Gelenks erreichen. Anschließend werden Röntgenbilder in 2 Ebe-
führen kann. nen angefertigt, um die Gelenkstellung beurteilen zu

Dorsale Luxationen des proximalen


Interphalangealgelenks
Das proximale Interphalangealgelenk kann nach dorsal,
lateral und palmar luxieren. Diese Begriffe beschreiben
die Position der Mittelphalanx in Relation zum Köpfchen
der Grundphalanx. Dorsale Luxationen sind die häufigste
Form der PIP-Luxation und entstehen durch Hyperexten-
sion und axiale Krafteinwirkung. Hierdurch kommt es zu
vorhersagbaren Verletzungsfolgen am intrinsischen Sys-
tem und zunächst zu einem Abriss der palmaren Platte.
Diese Verletzung kann zu einer hyperextendierten Sub-
luxation des Gelenks führen. Wenn die Krafteinwirkung
ausreichend stark und von entsprechender Richtung
stattfindet, kann sich die Verletzung auf die akzessori-
schen und primären Kollateralbänder ausdehnen. In die-
sem Fall kann die Mittelphalanx komplett nach dorsal
dislozieren, wobei die primären Kollateralbänder an der
Basis der Mittelphalanx verbleiben (10).
Biomechanische Studien haben gezeigt, dass ein Drittel Abb. 18.12 Schrägaufnahme einer Pilonfraktur der Mittelpha-
der Verletzungen, die durch von dorsal auf die Mittel- lanxbasis. Zu beachten ist das imprimierte zentrale Fragment
gelenke einwirkende Kräfte herbeigeführt werden, zu Lu- der Gelenkfläche.
458 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Abb. 18.13 Dislozierte instabile Mittelgelenks-


fraktur. Zu beachten ist die imprimierte und
18 zertrümmerte palmare Gelenkfläche, die sich
sowohl radiologisch als auch bei der Gelenk-
revision darstellt. Die sich gegenüberliegenden
Gelenkflächen des PIP-Gelenks sind zur De-
monstration weit aufgeklappt.

Abb. 18.14 Beispiele von im Handel


erhältlichen dynamischen Fixateur
externe für das PIP-Gelenk.
a Unilaterales Drehgelenk
(Smith-Nephew Richards,
Memphis, Tennessee).
b BioSymMetRic-Fixateur
a (Biomet, Warsaw, Indiana).

können. Nach einer Ruhigstellung von einigen Tagen von über 95 – 100° Flexion und annähernd vollständiger
muss die Gelenkbeweglichkeit wieder geübt werden, Extension nach Ablauf der 3. Woche. Anschließend kann
um bleibende Bewegungseinschränkungen zu verhin- durch Physiotherapie der Bewegungsumfang weiter auf-
dern. gebaut werden.
Luxationsfrakturen werden ähnlich reponiert und in In den Fällen, in denen die Reposition der Frakturen
Extension auf ihre Stabilität hin untersucht, auch dies instabil ist und welche zu einer dorsalen Subluxation
kann in Oberst-Leitungsanästhesie erfolgen. Frakturen, neigen, ist eine operative Behandlung indiziert, um so
die in Extension stabil sind, können gemäß der von McEl- die korrekte Stellung des Gelenks und die Gelenkfläche
fresh et al. beschriebenen Immobilisationstechnik behan- wiederherzustellen.
delt werden (12). Wenn gesichert ist, dass eine Repositi-
on bis etwa 30 – 45° Flexion stabil ist, kann eine dorsale
Operative Therapie instabiler Frakturen des
Schiene angebracht werden, welche die letzten 45° der
proximalen Interphalangealgelenks
Extension limitert und die Flexion frei gibt, sodass der
Finger bewegt werden kann. Wenn sich zeigt, dass eine Fraktur des Mittelgelenks irre-
Nach 5 – 7 Tagen wird die Flexion bis 30° erlaubt, eine ponibel ist bzw. redisloziert, muss ein geeignetes Verfah-
Woche später bis etwa 10 – 15°, alternativ kann der ver- ren für die operative Therapie gewählt werden. Instabile
letzte Finger mit Tape am Nachbarfinger fixiert werden. Gelenkfrakturen, die sich durch Distraktion adäquat re-
Anzustreben ist mit dieser Methode eine Beweglichkeit ponieren lassen und eine gute Kongruenz des Gelenks
Das proximale Interphalangealgelenk 459

aufweisen, können entweder offen reponiert und intern turen durch das unilaterale Design limitiert. Der Rahmen
retiniert oder durch einen dynamischen Fixateur bzw. der wird an den Phalangen mit Drähten fixiert, die im Verlauf
Kombination dieser beiden Methoden behandelt werden. zur Deformierung und Lockerung neigen. Die Konstrukti- 18
Für solche Frakturen, bei denen sich durch äußere Mani- on bietet die Möglichkeit, die endgradige Beweglichkeit
pulation keine einwandfreie Stellung der Gelenkfläche passiv zu unterstützen. Diese Eigenschaft scheint jedoch
erreichen lässt, wird die offene Reposition mit Drähten, bei kooperativen Patienten bzw. physiotherapeutischer
Schrauben- oder einer Plattenosteosynthese notwendig. Betreuung nicht notwendig zu sein. Nichtdestotrotz ist
die Eigenschaft, die endgradige Beweglichkeit des PIP-Ge-
Dynamische externe Fixation lenks stufenweise zu erhöhen eine einzigartige Option,
die nur der Compass Hinge bietet.
Durch einen dynamischen Fixateur können die deformie-
renden Kräfte, welche auf die Fraktur oder das Gelenk
Montage eines bilateralen dynamischen Fixateurs
einwirken, neutralisiert werden. Diese Methode sollte
verwendet werden, um ein Repositionsergebnis zu si- Unabhängig von der Wahl des Fixateurs ist der wichtigste
chern bzw. andere Methoden der Fixation zu unterstüt- Schritt beim Anbringen eines Bewegungsfixateurs die
zen, nicht jedoch unkritisch als erste Wahl zur Reposition Identifikation und Instrumentation in der Rotationsachse
und Fixation von Mittelgelenksfrakturen eingesetzt wer- des PIP-Gelenks. Die Rotationsachse des PIP-Gelenks ist
den. Der große Vorteil des Bewegungsfixateurs ist, dass ein einzelner Punkt, der die gleiche Distanz von der dis-
die postoperative Mobilisierung des PIP-Gelenks frühzei- talen, palmaren und dorsalen Oberfläche des Kopfes der
tig erfolgen kann. Im Falle von Trümmerfrakturen bietet Grundphalanx aufweist.
der Fixateur aufgrund des geringen Weichteiltraumas Unter Bildwandlerkontrolle muss versucht werden, ein
Vorteile im Vergleich zur sonst notwendigen weiten Ex- exakt seitliches Bild zu erhalten, in dem sich die Kon-
position und sollte aus diesem Grund bevorzugt werden, dylen der Grundphalanx komplett überlagern. Die Spitze
falls die Reposition in einem gewissen Bereich des Bewe- eines Pins wird dann im Zentrum des Kopfes unter Bild-
gungsumfangs gehalten werden kann. Die Montagen kön- wandlerkontrolle platziert. Anschließend wird die Ma-
nen unilateral oder bilateral angebracht und entweder schine in die Achse des Röntgenstrahls gebracht und der
durch den Chirurgen selbst konstruiert oder kommerziell Draht durch die Rotationsachse eingebracht. Wenn der
erworben werden (Abb. 18.14). Nach unserer eigenen Er- Draht richtig platziert ist, erscheint er als einzelner
fahrung bieten die unilateralen Fixateure eine geringere Punkt auf einer zentrierten seitlichen Aufnahme der
Stabilität als bilaterale Rahmenkonstruktionen. Gerade Grundphalanx.
asymmetrisch impaktierte Brüche oder auch begleitende Nachdem der Draht korrekt in der Rotationsachse plat-
Weichteilschäden sprechen für die Sicherheit, die eine ziert wurde, werden 2 parallele Drähte in der Mittelachse
bilaterale Konstruktion bietet. Unilaterale Fixateure der Mittelphalanx eingebracht. Der Rahmen des Fixateurs
scheinen besser geeignet für die Behandlung von Kon- hat radiografische Marker, die als Zielhilfe für die Pinplat-
trakturen oder einfachen Gelenkfrakturen mit geringer zierung benutzt werden können. Bevor die Pins in den
Schädigung des angrenzenden Knochens. Rahmen eingebracht werden, sollte überprüft werden,
Von den kommerziell verfügbaren Rahmenkonstruk- ob genügend Platz für eine eventuelle Distraktion ver-
tionen bietet nur einer, nämlich der BioSymMetRic-Fixa- bleibt. Die 2 Pins in der Mittelphalanx sollten exakt pa-
teur, eine bilaterale Kontrolle. Diese Konstruktion kann rallel zueinander durch die Mittelphalanx eingebracht
sowohl statisch als auch dynamisch eingesetzt werden werden. Durch den Rahmen kann das PIP-Gelenk von
und erlaubt eine variable Distraktion bei hoher mecha- beiden Seiten beeinflusst werden, insbesondere durch
nischer und biomechanischer Stabilität. Durch den strah- die Möglichkeit der unterschiedlich starken Distraktion.
lendurchlässigen Rahmen kann das PIP-Gelenk gut wäh- Der radiale und ulnare Anteil des Fixateurs wird dann
rend der Operation und Nachbehandlung eingesehen über dorsale Verbindungen konnektiert und stabilisiert.
werden. Die Konstruktion kann statisch oder dynamisch Dadurch wird die Weite des Rahmens festgelegt, wobei
eingesetzt und einfach umgewandelt werden. Dadurch Weichteilschwellung und Weichteilirritation berücksich-
kann sie als Minifixateur für komplexe Frakturen einge- tigt werden sollten. Der Schraubenmechanismus für die
setzt und dann in einen dynamischen Distraktionsfixa- Distraktion ist im distalen Teil des Rahmens unterge-
teur umgewandelt werden, um eine frühe dynamische bracht, sodass er auch für spätere Anpassungen gut er-
Behandlung zu erlauben. reichbar ist. Sowohl der radiale als auch der ulnare Teil
Ein weit verbreiterter unilateraler, kommerziell verfüg- des Rahmens hat einen Distraktionsmechanismus. Da-
barer Rahmen, der Compass Hinge, ermöglicht ebenfalls durch lässt sich eine unterschiedlich starke Distraktion
eine einfache Konversion vom statischen zum dyna- einstellen und eine Radial-/Ulnardeviation ausgleichen.
mischen Einsatz. Nachteile ergeben sich dadurch, dass In bestimmten Fällen, wie bei Knochenverlust, aus-
nicht alle Teile strahlendurchlässig sind und somit die geprägten Trümmerfrakturen, kindlichen Mittelgelenks-
Beurteilung des Gelenks erschweren. Die Stabilität dieser frakturen oder Frakturen in Schaftmitte, kann der Rah-
Montage ist insbesondere beim Einsatz bei Trümmerfrak- men auch als statischer Fixateur verwendet werden.
460 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Abb. 18.15 Gebogener Drahtfixateur für


das Mittelgelenk mit Distraktion durch
18 Gummizügel.

Hierzu wird ein vierter Pin durch den Rahmen benötigt, siert. Das Ausmaß der Distraktion kann durch Hinzufü-
der in der Grundphalanx parallel zu den zuvor einge- gen bzw. Wegnehmen von Gummis auch postoperativ
brachten Drähten platziert wird. angepasst werden.
Von dieser Methode unterscheidet sich der kraftschlüs-
Fixation durch gebogene Drähte sige Agee-Fixateur, bei dem durch die Montage eine
gleichzeitige palmare Translation der Mittelphalanxbasis
Fixateure durch gebogene Drähte sind preiswert und und eine dorsale Translation des Grundphalanxköpfchens
können aus den gängigen, zur Verfügung stehenden Ma- erreicht wird. Durch den durchdachten Einsatz eines He-
terialien angefertigt werden (Abb. 18.15). Sie sind eine bels und von elastischen Zugkräften kann mit diesem
gute Therapieoption, wenn Kosten eine Rolle spielen einfach konstruierten Fixateur eine kontinuierliche repo-
bzw. ein kommerzieller Fixateur nicht verfügbar ist. Aus nierende Kraft unter Bewegung des PIP-Gelenks ausgeübt
diesem Grund sollten Handchirurgen, die komplexe werden. Zur Montage dieses Fixateurs werden 3 Drähte
Handverletzungen versorgen mit diesen Methoden ver- verwendet. Der erste Draht wird transversal durch die
traut sein. In den letzten Jahren haben diese selbst- Rotationsachse des Grundphalanxköpfchens eingebracht,
gemachten Drahtfixateure Aufmerksamkeit erhalten, vergleichbar mit den zuvor beschriebenen Fixateuren.
Agee, Slade u. a. haben ihre innovativen Designs für Der Draht dient zur Abstützung der von einem zweiten
diese Vorrichtungen publiziert (13–17). Draht eingeleiteten Hebelkraft. Der zweite Draht wird in
Die Mehrheit dieser Fixateure kann dynamisch einge- die Basis der Mittelphalanx, distal der Frakturlinie und
setzt werden und erlaubt nur eine longitudinale Distrak- dorsal der Mittelachse eingebracht. Beide Enden des
tion. Der von Agee beschriebene Fixateur ermöglicht eine zweiten Drahtes werden um 90° nach proximal umge-
zusätzliche palmar gerichtete Krafteinleitung auf die bogen und kommen palmar des ersten Drahtes zu liegen,
Basis der Mittelphalanx, die hilfreich sein kann, wenn dann wird der Draht so umgebogen, dass die Enden nach
die longitudinale Distraktion allein zu einer dorsalen dorsal gerichtet sind. Der dritte Draht sollte ein Gewinde
Translation oder einer Dislokation bei der dynamischen haben; er wird senkrecht zum Finger etwa 1 cm distal
Untersuchung unter Durchleuchtungskontrolle führt. Ein des Mittelzügelansatzes von dorsal in die Mittelphalanx
einfacher Fixateur durch gebogene Drähte kann installiert eingebracht. Dann werden Gummibänder zwischen dem
werden, indem ein Draht wie bereits beschrieben in die zentralen distalen Pin und den vertikalen Armen des
Rotationsachse des Grundphalanxköpfchens platziert nach proximal umgebogenen Drahtes eingespannt, ggf.
wird. Ein zweiter paralleler Draht wird dann im Schaft ein weiterer an den nach palmar gerichteten Drähten
der Mittelphalanx eingebracht. Auf jeder Seite des Fingers des proximalen Drahtes. Dadurch resultiert eine Kraft,
wird der im Grundgliedköpfchen gelegene Draht um 90° die das Mittelgelenk über den in der Rotationsachse ver-
in Richtung Fingerspitze umgebogen. Der Draht sollte laufenden und als Stütze wirkenden Draht reponiert.
hierbei lang genug sein, um über die Fingerspitze hinaus Auch bei Bewegung des Fingers ist dies gewährleistet.
zu reichen. Dann wird das distale Ende des Drahtes S-
förmig gebogen. Der in der Mittelphalanx gelegene
Postoperatives Management der Fixateurbehandlung
Draht wird gekürzt und U-förmig umgebogen, um die
Gummibänder aufzunehmen. Durch den Zug der Gum- Am 3.– 5. postoperativen Tag kann unter physiotherapeu-
mis, die zwischen den umgebogenen Drahtenden ver- tischer Anleitung mit aktiven Bewegungsübungen und
spannt werden, wird eine distrahierende Kraft über das Lymphdrainagen begonnen werden. Radiologische Ver-
PIP-Gelenk ausgeübt. Um der Konstruktion mehr Stabili- laufskontrollen sollten 2-wöchentlich durchgeführt wer-
tät zu verleihen wird ein dritter Draht parallel etwas pro- den. Der Fixateur kann nach etwa 4 Wochen bzw. radio-
ximal des bereits in der Mittelphalanx eingebrachten logisch gesicherter Durchbauung der Fraktur entfernt
Drahtes eingebracht. Die Enden dieses Drahtes werden werden. Die aktiven und passiven Bewegungsübungen
um den Schaft des aus der Grundphalanx nach distal sollten dann fortgeführt und ein vorsichtiger Belastungs-
ragenden Drahtes gebogen. Dadurch werden diese longi- aufbau begonnen werden.
tudinalen Arme, insbesondere bei der Bewegung, stabili-
Das proximale Interphalangealgelenk 461

Offene Repositionen von dislozierten kann die palmare Platte mobilisiert werden. Das distale
Mittelgelenksfrakturen Ende der palmaren Platte wird am Übergang zum Knor-
pel über Auszugsnähte gesichert. Diese werden für ge- 18
Falls durch eine Distraktion des PIP-Gelenks keine adä- wöhnlich an den seitlichen Rändern der palmaren Platte
quate Reposition der Gelenkoberfläche erreicht werden befestigt und durch Bohrkanäle über der dorsalen Mittel-
kann, sollte eine offene Reposition mit oder ohne externe phalanx distal des Mittelzügelansatzes im Bereich des
Fixation vorgenommen werden. Der Nachteil der offenen triangulären Ligaments verknotet.
Versorgung dieser Frakturen ist in einem deutlichen Ver-
lust der Beweglichkeit zu sehen. Aus diesem Grund soll-
Postoperatives Management der offen reponierten
ten minimalinvasive Techniken bevorzugt werden. So
Mittelgelenksfrakturversorgungen
können Fragmente durch perkutane Joystick-Drähte ma-
nipuliert werden, bevor sie durch transkutan eingebrach- Die Nachbehandlung von offen versorgten Mittelgelenks-
te Drähte fixiert werden, ggf. auch in Kombination mit frakturen richtet sich nach der lokalen Situation und der
einem Fixateur externe. Ein Beispiel für eine dislozierte erreichten Stabilität der Versorgung. Eine frühzeitige Be-
Fraktur, die durch Distraktion nicht reponiert, jedoch übung ist notwendig, um die Vorteile der anatomischen
durch minimalinvasive Techniken angegangen werden Reposition und stabilen Frakturversorgung nutzen zu
kann, ist eine Fraktur der Mittelphalanxbasis mit zentra- können. Es gibt wenige Frakturen an der Hand, die hin-
ler Einstauchung der Gelenkfläche („Pilonfraktur“, sichtlich einer Bewegungseinschränkung so problema-
Abb. 18.16). Zur Versorgung dieser Frakturen kann über tisch sind wie offen behandelte Mittelgelenksfrakturen
eine kleine dorsale Inzision das trianguläre Band distal mit einer langen Verzögerung bei der postoperativen Mo-
des Mittelzügelansatzes inzidiert werden, um Zugang bilisierung. Es bietet sich daher an, die Repositionsergeb-
zur dorsalen Kortikalis zu bekommen. Über eine kleine nisse durch eine externe Fixation vor Subluxation oder
Bohrung erreicht man Zugang zur Markhöhle, die Frag- Impaktion zu schützen und eine dynamische Rehabilita-
mente können dann durch eingebrachte Drähte reponiert tion unter Kontrolle der dislozierenden Kräfte zu ermög-
und fixiert werden. Alternativ kann ein Knochentrans- lichen. In diesen Fällen deckt sich die Nachbehandlung
plantat in den Markraum eingebracht werden. Das Trans- mit den Ausführungen im vorhergegangenen Abschnitt
plantat kann auch in Richtung des Gelenks gestößelt wer- über externe Fixationsmethoden.
den, um so indirekt die Fraktur zu reponieren. Bei insta- Die Nachbehandlung nach einer Arthroplastik mittels
bilen Situationen bietet sich die Stabilisation durch einen palmarer Platte erfolgt mit gebeugtem Mittelgelenk, um
Fixateur externe an, um die auf das PIP-Gelenk wirken- die Spannung an der Grenze zwischen Gelenkknorpel
den Kompressionskräfte postoperativ auszugleichen und palmarer Platte zu reduzieren und das Gelenk vor
(Abb. 18.17). der dorsal subluxierenden Kraft zu schützen, welche in
Wenn die oben genannten Methoden nicht zum Erfolg Extension einwirkt. Verbreitet wird die Arthroplastie
führen, kann eine invasivere Exposition über einen late- durch einen das gebeugte Mittelgelenk transfixierenden
ralen oder palmaren Zugang mit Darstellen der Beuge- Kirschner-Draht gesichert; alternativ kann der Draht blo-
sehnenscheide am PIP-Gelenk gewählt werden. Falls es ckierend durch das Grundgliedköpfchen eingebracht wer-
gelingt, ist eine Reposition und Fixation der Fragmente den, um so das Mittelgelenk in Flexion zu halten. Nach
ohne Beeinträchtigung der Beugesehnenscheide zu be- etwa 3 Wochen können die Drähte entfernt und durch
vorzugen. In den Fällen, bei denen die palmare Mittel- eine die Streckung limitierende Schiene ersetzt werden.
gliedbasis aufgrund einer ausgeprägten Zerstörung Nach der 4. Woche ist eine uneingeschränkte aktive Fle-
keine adäquate Reposition mehr zulässt, kann eine Ar- xion möglich. Falls in der Folge die volle Streckung des
throplastik mittels palmarer Platte eine vernünftige The- Mittelgelenks nicht erreicht wird, können Streck-Quen-
rapieoption sein (18). Durch diese Maßnahme wird eine gel-Orthesen verwendet werden.
Weichteilarthroplastik der palmaren Hälfte der Basis der
Mittelphalanx durchgeführt, um die Artikulation mit dem Neue Techniken
Grundgliedköpfchen zu gewährleisten. Die Exposition der
palmaren Platte erfordert, dass die Beugesehnenscheide Für schwerwiegende Trümmerfrakturen der Mittelpha-
zwischen dem A2- und A4-Ringband eröffnet wird. Die lanxbasis wurde die Versorgung durch ein Allograft der
Beugesehnen werden dann möglichst atraumatisch nach distalen Gelenkfläche des Os hamatum beschrieben. Das
lateral weggehalten und das distale Ende der palmaren Hamatum weist durch die 2 Gelenkflächen, die mit der
Platte von den Fragmenten der zerstörten palmaren Basis Basis des 4. und 5. Metakarpale artikulieren, eine ähn-
befreit. Die Fraktur wird gesäubert, anschließend wird liche Oberfläche auf wie die Basis der Mittelphalanx
eine scharfe querverlaufende Kante am dorsal verbliebe- (Abb. 18.18). Diese Versorgung ist technisch anspruchs-
nen Knorpel vorbereitet, um die Aufnahme der palmaren voll, erfordert einen großen Zugang und eine Fixation
Platte auf der gesamten Breite ohne Stufe zu ermöglichen mit Minischrauben. Die frühen Ergebnisse scheinen je-
und eine gute Gleitfläche für das Grundphalanxköpfchen doch Erfolg versprechend.
zu gewährleisten. Durch Resektion der Kollateralbänder
462 18 Luxationen und Frakturen der Hand

18

Lig. triangulare

Kortikotomie für
Frakturreposition

zentrale eingestauchtes
Sehneninsertion palmares
artikuläres
Fragment

b optional
Pinfixateur
Pin-
tamponade

Knochentransplantion
durch Dorsalseite Phalanx P2

Pin

c d e

Abb. 18.16 Technik der Reposition und Knochentransplanta- zum imprimierten Fragment der palmaren Basis. c Ein über die
tion einer imprimierten, dislozierten Mittelgelenksfraktur über Kortikotomie eingebrachter Kirschner-Draht wird zur Fraktur-
ein dorsales Knochenfenster im Bereich der Mittelphalanx. Es reposition benutzt. d Das reponierte Fragment kann durch
ist zu beachten, dass die Kortikotomie im Bereich des Lig. über dieselbe Öffnung eingebrachte Spongiosa unterfüttert
triangulare durchgeführt wird, um den übrigen Streckapparat werden. e Nachfolgend werden die reponierten Fragmente
nicht zu schädigen. a Kortikotomie der dorsalen Basis der Mit- mittels Kirschner-Drähten oder einem Fixateur externe stabili-
telphalanx im Bereich des Lig. triangulare, distal des Ansatzes siert.
des Mittelzügels. b Die Kortikotomie ermöglicht den Zugang
Das proximale Interphalangealgelenk 463

Abb. 18.17 Prä- und postoperative Rönt-


genbilder, die eine dislozierte, imprimierte
Fraktur des Mittelgelenks zeigen. Die Be- 18
handlung erfolgte durch Reposition und
Spongiosaplastik über eine dorsale Kortiko-
tomie im Bereich der Mittelphalanx. Nach
Reposition der Gelenkfläche und Unterfütte-
rung mit Spongiosa wird die Reposition mit
einem Fixateur externe gehalten.

grund eines kompletten Kollateralbandabrisses, der


durch geschlossene Maßnahmen nicht adäquat behandelt
werden kann oder in Fällen, in denen eine adäquate Ge-
lenkreposition aufgrund des eingeschlagenen Kollateral-
bands in das Gelenk nicht möglich ist (20). In diesen
Fällen findet sich radiologisch in den a.–p. Aufnahmen
eine Inkongruenz der Gelenkfläche. Durch geschlossene
Maßnahmen kann die Reposition nicht gehalten werden.
Die Kollateralbandabrisse können auch im Sinne von
Luxationsfrakturen auftreten, bei denen knöcherne An-
teile vom Ursprung oder Ansatz des PCL ausgerissen
sind. Diese Verletzungen sollten mit einem vergleichbar
schrittweisen Ansatz behandelt werden, wie er für die
Luxationsfrakturen der palmaren Gelenkfläche bereits
dargestellt wurde. Die Kongruenz des Gelenks sollte wie-
derhergestellt und entweder durch eine geschlossene Re-
tention, eine Kirschner-Draht-Versorgung, durch einen
Abb. 18.18 Anatomischer Vergleich der Morphologie der Ge- Fixateur oder durch eine offene Reposition und Schrau-
lenkflächen der Mittelphalanxbasis (oben) und der metakarpa- benfixation gesichert werden.
len Facetten des Os hamatum (unten, beachte den Hamulus). Palmare Luxationen sind die ungewöhnlichsten der 3
Luxationsformen. Als Ursache kommt eine palmar dis-
lozierende oder rotierende Krafteinwirkung infrage.
Laterale und palmare Dislokationen des Diese Luxationen können in der Regel gut reponiert wer-
den. Zwei wichtige Punkte sollten bei diesen Verletzun-
proximalen Interphalangealgelenks
gen beachtet werden. Zum einen kann durch das Hervor-
Diese beiden Luxationsformen bzw. Luxationsfrakturen treten des Grundgliedköpfchens relativ zum Streckappa-
treten seltener auf. Laterale Dislokationen des PIP-Ge- rat eine Kondyle durch eine Lücke zwischen dem Mittel-
lenks entstehen durch das Einwirken von Torsionskräften zügel und dem Seitenzügel hervortreten. Wenn nun ver-
oder seitlichen Kräften und resultieren in einer vorher- sucht wird, das Mittelgelenk bei gestrecktem MCP-Ge-
sagbaren Verletzung der weichteiligen Gelenkstabilisato- lenk zu reponieren, kann die Distraktion des PIP-Gelenks
ren. Typischerweise reißt der Ursprung des PCL zuerst im den Streckapparat um die Kondyle anspannen, wodurch
kollateralen Rezessus der Grundphalanx. Diese Ruptur die Reposition unmöglich wird. Aus diesem Grund sollten
dehnt sich aus bis zur Verbindung des ACL und PCL und Repositionsmanöver bei gebeugtem Grund- und Mittel-
kann bis hin zu einer distalen Ruptur der palmaren Platte gelenk erfolgen, um die Spannung des palmar dislozier-
im Bereich der Ansatzstelle an der Mittelphalanx reichen ten Seitenapparats zu reduzieren. Sollte dies nicht gelin-
(10). Außer in besonderen Fällen ist für die Luxation gen, kann evtl. eine offene Reposition notwendig werden.
keine operative Therapie notwendig. Die Indikation für Zum anderen besteht bei diesen Luxationen das Risiko,
eine operative Behandlung besteht bei Instabilität auf- dass der Mittelzügel ligamentär oder knöchern abreißt.
464 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Daher sollten alle palmaren Luxationen nach geschlosse-


ner oder während der offenen Reposition hinsichtlich der
18 Mittelzügelintegrität überprüft werden. Nach geschlosse-
ner Reposition kann dies am besten durch eine Unter-
suchung beurteilt werden, wie sie von Elson beschrieben
wurde (21). Bei dieser Untersuchung hält der Unter-
sucher das PIP-Gelenk in passiver Flexion über einer 90°
abgewinkelten harten Oberfläche wie z. B. einer Tisch-
kante. Dann wird der Patient gebeten, das DIP-Gelenk
aktiv gegen einen Widerstand zu strecken. Wenn der
Mittelzügel intakt ist, werden die Seitenzügel mit dem
intakten Mittelzügel nach distal gezogen, wenn dieser
über das gebeugte PIP-Gelenk gespannt wird. Da die Sei-
tenzügel in dieser Stellung fixiert sind, können sie keine
aktive Streckung des DIP-Gelenks übertragen. Falls der
Ansatz des Mittelzügels komplett abgerissen ist, werden
Abb. 18.19 Prä- und postoperative Röntgenbilder einer uni-
die Seitenbänder nicht gespannt und haben daher die kondylären Fraktur des Grundphalanxköpfchens, behandelt
Möglichkeit, nach proximal zu wandern und das DIP-Ge- mit interfragmentärer Schraubenosteosynthese.
lenk aktiv zu strecken. Abrisse des Mittelzügels können
auch in Verbindung mit einer Fraktur der dorsalen Kante
der Mittelphalanxbasis auftreten, insbesondere bei axia-
ler Krafteinwirkung. Meist sind diese Fragmente relativ lung schwierig zu behandeln. Werden nichtdislozierte
klein, sie deuten jedoch auf eine relevante Verletzung kondyläre Frakturen geschlossen behandelt, kommt es
des Mittelzügels hin, die unbehandelt zu einer Schwa- häufig zu einer sekundären Dislokation, die dann einer
nenhalsdeformität führen können. Abrisse des Mittel- operativen Therapie bedarf. Aus diesem Grund werden
zügels oder knöcherne Abrisse des Mittelzügels sollten diese Frakturen bevorzugt operativ behandelt. Auch
operativ behandelt werden, um die Insertion wieder her- wenn ein gut reponiertes Fragment durch mehrere
zustellen. Große Fragmente können mit einer 1,5-mm- Kirschner-Drähte fixiert werden kann, bietet die offene
Schraube oder mit einem Kirschner-Draht fixiert werden. Reposition mit interfragmentärer Schraubenosteosynthe-
Kleinere Fragmente oder tendinöse Abrisse können mit se den Vorteil einer früheren funktionellen Behandlung
einem Knochenanker refixiert werden, der von dorsal (Abb. 18.19). Die Möglichkeit der Schraubenosteosynthe-
distal des Ansatzes eingebracht wird, um der Zugrichtung se wird durch die Größe und Konfiguration des Frag-
des Mittelzügels entgegenzuwirken. Unabhängig von der ments vorgegeben. Bikondyläre Frakturen sind eine be-
Fixationsmethode sollte darauf geachtet werden, dass die sonders schwierig zu behandelnde Variante, die entwe-
anatomische Position des Mittelzügelmechanismus wie- der durch eine minikondyläre Klingenplatte oder der
der hergestellt wird. So kann beispielsweise durch eine Kombination von Kirschner-Drähten und einem Fixateur
zu starke Raffung des Mittelzügels nach distal das Gleich- externe behandelt werden können.
gewicht des Streckmechanismus beeinträchtigt werden
und ein Streckdefizit im Endgelenk resultieren. Die Re-
konstruktion kann durch einen Kirschner-Draht, der das Luxationen des
PIP-Gelenk in Extension transfixiert, geschützt werden. Je Metakarpophalangealgelenks
nach Art der Verletzung kann diese Transfixation nach
Ablauf von etwa 3 Wochen aufgehoben werden und mit Luxationen des MCP-Gelenks treten beim Erwachsenen
vorsichtigen, geführten Bewegungsübungen aus einer seltener auf als PIP-Luxationen, da das MCP-Gelenk eine
Streckschiene begonnen werden. relativ stabile ligamentäre Führung aufweist. Die palmare
Platte und die Kollateralbänder bieten vergleichbaren
Kondylenfrakturen des proximalen palmaren und lateralen Halt, dorsal finden sich hingegen
keine wesentlichen stabilisierenden Bandstrukturen am
Interphalangealgelenks
PIP-Gelenk. Das MCP-Gelenk weist eine weitaus höhere
Kondylenfrakturen des Grundgliedköpfchens sind ein Stabilität auf, insbesondere durch die intermetakarpalen
häufig anzutreffender Typ von Mittelgelenksfrakturen. Bänder. Diese Bänder verbinden die palmaren Platten der
Diese Frakturen können in der koronaren oder sagittalen Langfinger, wodurch eine verbundene Kette intrinsischer
Ebene auftreten und entweder eine oder beide Kondylen Stabilisatoren resultiert. Aufgrund dieser Strukturen und
mit einbeziehen. Diese Frakturen stellen keine Abrissver- des umgebenden Weichteilmantels sind die MCP-Gelenke
letzungen dar, sie treten eher durch axiale Krafteinwir- im Vergleich zu den Mittelgelenken weniger exponiert
kungen bei gebeugtem Gelenk auf. Sie sind aufgrund bzw. luxationsgefährdet.
ihrer Instabilität und ihres Einflusses auf die Gelenkstel-
Luxationen des Metakarpophalangealgelenks 465

Wenn Grundgelenksluxationen auftreten, betreffen sie Knorpelschädigung am Metakarpaleköpfchen zu vermei-


in der Regel den Kleinfinger oder noch häufiger den Zei- den.
gefinger. Der Großteil der Luxationen ist nach dorsal ge- 18
richtet, palmare Grundgelenksdislokationen sind sehr
Operative Behandlung
selten. Dorsale Grundgelenksdislokationen treten durch
eine hyperextendierende Krafteinwirkung auf. Das MCP- Für die operative Therapie einer irreponiblen Grund-
Gelenk kann aktiv nicht flektiert werden und wird in gelenksluxation kann sowohl ein dorsaler als auch ein
einer leichten Hyperextension gehalten mit leichter Fle- palmarer Zugang gewählt werden. Auch wenn bei ent-
xion der distalen Fingergelenke. An der Hohlhand findet sprechender Erfahrung beide Zugänge sicher sind, wird
sich eine typische Hautfältelung und das Metakarpale- aus Sicherheitsüberlegungen häufig der dorsale Zugang
köpfchen ist prominent und palpabel. Radiologisch findet gewählt. Der dorsale Zugang erfolgt über einen leicht
sich häufig eine osteochondrale Fraktur am dorsalen Me- gebogenen, longitudinalen Hautschnitt. Strecksehne und
takarpaleköpfchen (22). Kapsel werden longitudinal gespalten, alternativ können
die sagittalen Bänder seitlich der Strecksehne durch-
trennt werden. Dadurch wird ein Zugang zum Gelenk
Konservative Behandlung
geschaffen, der die Inspektion der dorsal subluxierten
Eine konservative Behandlung subluxierter MCP-Gelenke Grundphalanx erlaubt. Typischerweise findet sich die
ist möglich. In diesem Fall ist die palmare Platte proximal eingeschlagene palmare Platte über dem Metakarpale-
gerissen und liegt dem Metakarpaleköpfchen auf. Die Re- köpfchen. Meist kann die palmare Platte einfach durch
position kann erreicht werden durch einen palmar gerich- ein stumpfes Instrument nach palmar aus dem Gelenk
teten Druck auf die dorsale Basis der Grundphalanx, ge- geschoben werden. In den seltenen Fällen, in denen
wöhnlich nach einer Lokalanästhesie im Bereich des lu- diese direkte Manipulation nicht erfolgreich ist, kann
xierten Gelenks. Repositionsversuche durch longitudinale die palmare Platte longitudinal gespalten werden, um
Distraktion oder Verstärken der Hyperextensionsdefor- die Extrusion zu erleichtern. Darüber hinaus bietet der
mität können dazu führen, dass eine reponible Subluxati- dorsale Zugang gute Voraussetzungen, wenn ein osteo-
on in eine nichtreponible Grundgelenksluxation übergeht, chondral abgeschertes Fragment am Metakarpaleköpf-
indem sich die palmare Platte nach dorsal zwischen das chen fixiert werden soll.
Metakarpaleköpfchen und die Basis der Grundphalanx Der palmare Zugang bietet einen Überblick über die
einschlägt. Wenn die Reposition eines subluxierten intrinsischen und extrinsischen Flexoren des Gelenks,
Grundgelenks gelingt, kann die Hand in einer dorsalen die häufig eine Rolle bei der Irreponibilität des Grund-
Schiene ruhiggestellt werden, welche die Extension des gelenks spielen. Nachteilig bei diesem Zugang ist, dass
Grundgelenks über den Nullpunkt hinaus verhindert. In- dorsale osteochondrale Frakturen nicht versorgt werden
nerhalb der ersten Woche nach der Verletzung kann mit können und dass eine dorsal eingeschlagene palmare
einer funktionellen Behandlung in dieser Schiene begon- Platte relativ schlecht erreicht werden kann. Allerdings
nen werden. können über den palmaren Zugang alle anderen beteilig-
Vollständige Luxationen des Grundgelenks lassen sich ten Strukturen eingesehen werden, was eine bessere Eva-
im Gegensatz zu Subluxationen häufig nicht geschlossen luation des Gelenks erlaubt, wenn die initialen Repositi-
reponieren. Die palmare Platte ist hierbei dorsal des Me- onsversuche misslungen sind. Für den palmaren Zugang
takarpaleköpfchens fixiert, das A1-Ringband und die Beu- wird eine gewinkelte oder zickzackförmige Inzision über
gesehnen bleiben mit der palmaren Platte verbunden, dem prominent palpablen Metakarpaleköpfchen gelegt.
wodurch die Beugesehnen dorsal des Metakarpaleköpf- Bei der Präparation muss auf die unmittelbar subdermale
chens verzogen werden. Am Zeigefinger kommen bei Lage des angespannten digitalen Nervs geachtet werden
einer Grundgelenksluxation die Beugesehnen ulnar des (radialer Fingernerv bei Zeigefingergrundgelenksluxation
Metakarpale zu liegen, während der Lumbrikalis radial und ulnarer Digitalnerv bei Kleinfingerdislokationen). Die
des Metakarpale liegt. Dadurch entsteht eine muskulo- Weichteile werden so präpariert, dass das Metakarpale-
tendinöse Schlinge, die sich um den Metakarpalehals köpfchen aus der Wunde herausragen kann, während die
legt, wenn durch longitudinale Distraktion eine geschlos- Grundphalanx weiter nach dorsal in den Situs fällt. Das
sene Reposition versucht wird. A1-Ringband wird longitudinal durchtrennt. Durch diese
Für die seltenen Grundgelenksdislokationen der Mittel- Manöver wird die Spannung der muskulotendinösen
strahlen gelten vergleichbare anatomische Gegebenhei- Schlinge verringert, wodurch das Grundgelenk weiter hy-
ten. Eine leichte Variation findet sich bei Grundgelenks- perextendiert und die palmare Platte dargestellt werden
luxationen am Kleinfinger, wo die Beugesehnen den ra- kann. Dann werden die palmare Platte und die muskulo-
dialen Anteil der Schlinge bilden und sich die Hypothe- tendinösen Strukturen nach palmar unter das Metakar-
narmuskeln um die ulnare Seite des Metakarpaleköpf- paleköpfchen verlagert, wobei darauf geachtet werden
chens legen. Bei der Reposition sollten diese anatomi- sollte, dass der Gelenkknorpel nicht beschädigt wird.
schen Verhältnisse berücksichtigt werden, um wiederhol- Eine Weichteilrekonstruktion ist nicht notwendig, die
te kraftvolle Repositionsmanöver mit dem Risiko einer Wunde wird ohne Naht der palmaren Platte verschlossen.
466 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Die Ruhigstellung erfolgt in einer dorsalen Schiene für bzw. Impaktionsfrakturen, welche keine größere Heraus-
etwa 2 Wochen, anschließend kann mit einer funktionel- forderung für die Behandlung darstellen.
18 len Behandlung, aktiv und passiv, ggf. unter physiothera- Anspruchsvoll zu versorgende Frakturen der Metakar-
peutischer Anleitung begonnen werden. palebasis betreffen die Gruppe der Metakarpale-I-Basis-
frakturen, insbesondere die Bennett- und Rolando-Frak-
tur und die intraartikuläre „reverse Bennett“-Fraktur der
Metakarpalefrakturen Metakarpale-V-Basis.

Die Metakarpalia sind häufig frakturierte Röhrenknochen


der Hand, sie haben jedoch im Vergleich zu den Phalangen
Karpometakarpale Luxationsfrakturen
andere Weichteilverhältnisse und Gelenkbeziehungen.
am Daumen
Aus diesen Gründen unterscheiden sich die Frakturformen
Bennett-Fraktur
und die Versorgungstechniken von denen, die bei Fraktu-
ren der Phalangen auftreten bzw. eingesetzt werden. Frakturen der Metakarpale-I-Basis, die als Bennett-Frak-
Es ist sinnvoll, die Metakarpalefrakturen und ihre Ver- tur bezeichnet werden, sollten aufgrund der speziellen
sorgung nach den anatomischen Regionen zu unterglie- Anatomie des Sattelgelenks und den speziellen Anforde-
dern: rungen der Fraktur gesondert dargestellt werden. Fraktu-
■ Basisfrakturen und Karpometakarpale(CMC)-Luxatio- ren der Metakarpale-I-Basis entstehen durch eine axiale
nen, Krafteinwirkung auf das gebeugte Sattelgelenk. Die Frak-
■ Frakturen der Diaphyse, tur verläuft durch die Gelenkfläche, es resultiert ein klei-
■ Frakturen des Metakarpalehalses. nes palmares Fragment, das ulnar an dem ventral verlau-
fenden Band des CMC-Gelenks hängt. Das Metakarpale I,
Ein interessanter Aspekt bei der Versorgung der Metakar- an dem sich die größere Hälfte der Gelenkoberfläche be-
palefrakturen ist, dass unterschiedliche Frakturtypen findet, ist nach dorsal, proximal und radial disloziert. Die
häufig durch die gleichen Fixationstechniken versorgt Instabilität der Fraktur wird durch den Muskelzug des M.
werden können. Ein Beispiel für diese Ähnlichkeiten ist abductor pollicis longus an der Metakarpalebasis und des
die über den kollateralen Rezessus eingebrachte Kirsch- M. adductor pollicis am distalen Metakarpale erhöht.
ner-Draht-Osteosynthese zur Stabilisation von Halsfrak- Durch eine inadäquate Reposition der Gelenkfläche
turen, diaphysären Frakturen in Schaftmitte und sogar kommt es zu schlechten radiologischen und funktionel-
von Luxationsfrakturen des CMC-Gelenks. Gute Erfolge len Ergebnissen. In den Fällen, in denen die anatomische
können mit der intramedullären Drahtosteosynthese er- Reposition nicht frühzeitig im Verlauf erreicht bzw. ge-
zielt werden. Im Folgenden werden die Techniken zur halten wurde, sind solche posttraumatischen Fehlstellun-
Versorgung der Metakarpalefrakturen sowie die Eigen- gen zu erwarten. Pseudarthrosen hingegen sind selten.
schaften bestimmter Frakturtypen im Detail beschrieben. Die Reposition der Frakturen ist schwierig. Es bieten
sich für die Behandlung entweder die geschlossene Re-
Basisfrakturen und Luxationsfrakturen des position und Kirschner-Draht-Stabilisation oder die offe-
ne Reposition mit osteosynthetischer Versorgung an. Die
Karpometakarpalgelenks
Kirschner-Draht-Versorgung bietet sich an, wenn das
Hinsichtlich der anatomischen Verhältnisse an der Basis palmar ulnare Fragment zu klein ist für eine Schrauben-
der Metakarpalia ist zu beachten, dass keine extrinsi- fixation und eine anatomische Reposition geschlossen
schen muskulotendinösen Ansätze am Karpus bestehen möglich ist. Wenn die geschlossene Reposition nicht er-
und die Metakarpalia somit die erste distale Ansatzregion folgreich ist oder das Fragment mehr als ein Drittel der
für verschiedene Sehnensysteme sind. Der trabekuläre Gelenkfläche miteinbezieht, wird die Fraktur offen repo-
Knochen der Metakarpalebasis kann durch unterschied- niert und mit Schrauben fixiert. So können durch den
lichste Krafteinwirkungen verletzt werden, insbesondere Einsatz kleiner Schrauben selbst sehr kleine instabile
an den randbildenden Strahlen. Die Verhältnisse an den Frakturen adäquat versorgt werden.
CMC-Gelenken sind an der radialen Seite sehr stabil, an Die geschlossene Reposition erfolgt durch Längszug
der ulnaren hingegen sehr mobil. und Pronation des Daumens bei gleichzeitiger Druckaus-
übung auf die Metakarpalebasis in palmarer ulnarer Rich-
Basisfrakturen tung. Wenn eine adäquate Reposition der Gelenkfläche
erreicht werden kann, werden Kirschner-Drähte von der
Obwohl annähernd jede Frakturform an der Basis der radialen Basis des Metakarpale I in das Trapezium und/
Metakarpalia auftreten kann, ist es sinnvoller, die Dar- oder in die Basis des Metakarpale II eingebracht. Es ist
stellung auf spezielle Frakturtypen zu fokussieren. Es fin- nicht unbedingt notwendig, das kleine palmar ulnare
den sich Abrissfrakturen der Handgelenksbeuger- oder Metakarpalefragment miteinzubeziehen, da die Repositi-
-streckeransätze und extraartikuläre Kompressions- on des großen Fragments und dessen Stabilisation an das
Trapezium ausreichen, um mit dem kleineren, nichtdis-
Metakarpalefrakturen 467

Abb. 18.20 Prä- und


postoperative Röntgenbil-
der einer Rolando-Fraktur, 18
behandelt mit interfrag-
mentärer Schrauben-
osteosynthese.

lozierten Fragment zu konsolidieren. Die Kirschner-Dräh- bei älteren Patienten bzw. Patienten, die eine operative
te werden für 5 – 6 Wochen belassen und der Daumen in Behandlung ablehnen, eine frühe funktionelle Behand-
dieser Zeit in einer Daumenschiene ruhiggestellt. Mit der lung möglich ist. Mit dieser Behandlung kann eine Funk-
Kirschner-Draht-Osteosynthese werden die wichtigsten tion des Gelenks auch ohne anatomische Reposition er-
Ziele der Frakturversorgung erreicht. Allerdings kann reicht werden. Die Versorgung von 3-Fragment-Frakturen
keine funktionelle Behandlung erfolgen. So können die gelingt mit kleinen T-Platten oder einer Miniklingenplat-
individuellen Anforderungen des Patienten oder die Frak- te. Falls die Gelenkfragmente zu klein sind, um einen
turform für eine invasivere Form der Frakturversorgung Schraubenhalt zu gewährleisten, kann die Fraktur offen
sprechen. Für die offene Reposition wird das CMC-Gelenk reponiert und mit Kirschner-Drähten fixiert werden. In
über einen palmaren Wagner-Zugang dargestellt. Nach seltenen Fällen, in denen aufgrund einer ausgeprägten
proximal wird der Schnitt nicht weiter ulnar als bis zur Trümmerzone keine adäquate Fixation durch Kirschner-
Sehne des M. flexor carpi radialis geführt, um eine Ver- Drähte erreicht werden kann, bietet sich die Versorgung
letzung des palmaren sensiblen Medianusastes zu ver- mittels Fixateur externe an. Die proximalen Drähte wer-
meiden. Die Präparation wird scharf in Richtung der ra- den im Trapezium, die distalen Drähte im distalen Meta-
dialen Begrenzung der Thenarmuskulatur geführt, die karpale I fixiert. Unabhängig vom Einsatz der Fixations-
nach ulnar angehoben wird, um die CMC-Gelenkkapsel methode wird hier der palmare Zugang empfohlen, um
darzustellen. Die Kapsel wird so inzidiert, dass eine an- die Reposition der Gelenkfläche zu erleichtern. Nach
schließende Rekonstruktion oder Raffung möglich ist. Die Schrauben- oder Plattenosteosynthese kann eine frühzei-
Fraktur kann nun von palmar eingesehen werden. Die tige funktionelle Behandlung aus der Schiene erfolgen.
Gelenkfläche wird reponiert und durch provisorische Bei der Versorgung mittels Kirschner-Drähten muss eine
Kirschner-Drähte oder einen Pfriem gehalten. Die Fixati- 5- bis 6-wöchige Ruhigstellung in der Daumenschiene
on gelingt am besten mit zwei 1,5- oder 2-mm-Schrau- durchgeführt werden. Bei der Versorgung von Trümmer-
ben, die von dorsal eingebracht werden. Aufgrund der frakturen mittels Fixateur externe sollte dieser in Abhän-
Lage des Hauptfragments können die Schrauben nicht gigkeit von den radiologischen Verlaufskontrollen für
direkt über das kleine Fragment eingebracht werden. mindestens 6 Wochen belassen werden. Eine Mobilisie-
Die Lage und Länge der Schrauben sowie das Repositi- rung der angrenzenden Gelenke ist möglich.
onsergebnis werden intraoperativ unter Durchleuch-
tungskontrolle beurteilt. Luxationsfrakturen der CMC-Gelenke des
2.– 5. Strahles
Rolando-Fraktur
Luxationsfrakturen der CMC-Gelenke entstehen durch
Eine größere Herausforderung stellt die Versorgung der eine axiale Krafteinwirkung entlang der Achse der Meta-
intraartikulären Rolando-Fraktur dar. Diese variiert von karpalia. An den radialen 2 Strahlen treten Luxationsfrak-
einer 4-fragmentären intraartikulären T-Fraktur bis hin turen der CMC-Gelenke selten isoliert auf, können aber
zu Trümmerfrakturen. Da die Wiederherstellung der Ge- bei hochenergetischen Verletzungen gefunden werden,
lenkfläche das wichtigste Ziel bei der Versorgung dieser bei denen alle 4 CMC-Gelenke betroffen sind. Weit häufi-
Frakturen ist, werden sie meist offen reponiert ger sind die Luxationsfrakturen des 5. und 4. Strahles
(Abb. 18.20). Es sollte jedoch erwähnt werden, dass in (Abb. 18.21). Die Basis des 4. und 5. Metakarpale artiku-
speziellen Fällen mit einer großen Trümmerzone oder liert mit steilgestellten Gelenkfortsätzen des Os hama-
468 18 Luxationen und Frakturen der Hand

ke hin (Abb. 18.22). Meist ist die Schwellung nicht so


derb, wie sie inspektorisch erscheinen mag. Die Weich-
18 teile des Handrückens können größere Flüssigkeitsmen-
gen aufnehmen, wobei die Schwellung auch durch ein
Hämatom bedingt sein kann, das sich epifaszial verteilt.
Wenn die klinischen Zeichen und die radiologischen
Standardprojektionen eine Fraktur der CMC-Gelenke ver-
muten lassen, sollte eine Computertomografie durch-
geführt werden. Mit dieser Untersuchung können die
Frakturen und deren Dislokation sowohl an den Metakar-
palia, als auch am Hamatum exakt diagnostiziert werden.

Konservative Behandlung
Die konservative Behandlung dieser Verletzungen erfor-
dert hohe Aufmerksamkeit. Möglicherweise ist aufgrund
der Mobilität der Fragmente eine gute Reposition mög-
lich, die jedoch nicht stabil ist. Ein Verlust des Repositi-
onsergebnisses kann aufgrund der Weichteilschwellung
und der eingeschränkten konventionell-radiologischen
Beurteilbarkeit schwer zu erfassen sein. Aufgrund der In-
Abb. 18.21 Die Schrägaufnahme zeigt die Dislokation einer stabilität dieser Frakturen und der genannten Schwierig-
Fraktur des 4. und 5. karpometakarpalen Gelenks.
keit, Stellungsänderungen erkennen zu können, neigen
viele Chirurgen zur operativen Therapie, vorwiegend
durch geschlossene Reposition und Kirschner-Draht-Sta-
tum. Häufig kommt es zu Frakturen der Metakarpale-V- bilisation.
Basis, bei denen ein kleines radiopalmares Fragment am
Ursprung verbleibt, während der Schaft und die ulnare
Operative Behandlung
Basis nach dorsal und ulnar dislozieren. Nicht selten sieht
man begleitenden Frakturen der dorsalen Kante des Os Nach der Reposition wird die korrekte Stellung unter
hamatum. Trotz der Dislokation sind diese Frakturen auf Durchleuchtungskontrolle überprüft und das Ergebnis
konventionellen Röntgenaufnahmen schwierig zu diag- durch einen das CMC-Gelenk transfixierenden Draht ge-
nostizieren, da sich das Hamatum und die Basis des Me- sichert. Anschließend kann das CMC-Gelenk durch einen
tacarpale V auf normalen a.–p. Aufnahmen überlagern. von distal über den kollateralen Rezessus eingebrachten
Für gewöhnlich deutet eine ausgeprägte dorsale Draht oder von einem von ulnar in das Metakarpale ein-
Schwellung der Hand auf eine Verletzung der CMC-Gelen- gebrachten Draht in das Hamatum transfixiert werden.

Abb. 18.22 Links sieht man eine mit über den


lateralen Anteil der Metakarpaleköpfchen ein-
gebrachten Kirschner-Drähten behandelte Luxa-
tion der CMC-II- bis -V-Gelenke, rechts Darstel-
lung der typischen „ballonierten“ Hand.
Metakarpalefrakturen 469

Zur Erhöhung der Stabilität kann ein weiterer Draht in


die Basis des Metakarpale IV eingebracht werden, sofern
dieses nicht frakturiert ist. Die Drähte werden in der 18
Regel für etwa 6 Wochen belassen, eine Beübung der
Finger ist möglich.
Bei der Versorgung der CMC-Luxationsfrakturen bietet
die offene Reposition verschiedene Vorteile. Durch die
direkte visuelle Kontrolle über die kleinen Fragmente
kann eine akkurate Reposition der Gelenkfläche vor-
genommen werden. Häufig sind die Fragmente um 180°
disloziert und im Gelenk oder in der Fraktur einge-
klemmt. Zudem besteht das Risiko, dass sich ein Kom-
partmentsyndrom entwickelt. Über dieselben Zugänge,
die zur Beurteilung und Reposition der CMC-Gelenke ver-
wendet werden, können die palmaren und dorsalen In-
terosseuskompartimente gespalten werden. In seltenen
Fällen kann es notwendig sein, die eingestauchten dorsa-
len Fragmente des Os hamatum zu reponieren, um die
Gelenkfläche wiederherzustellen. In diesen Fällen kann
eine Spongiosaplastik vorgenommen werden, um eine Abb. 18.23 Fraktur des Os metacarpale am Übergang der
ausreichende Unterfütterung der Gelenkfläche zu ge- Metaphyse zur Diaphyse, behandelt mit über den lateralen An-
währleisten. In seltenen Fällen, mit ausgeprägter Trüm- teil der Metakarpaleköpfchen eingebrachten Kirschner-Dräh-
ten.
merzone und Zerstörung der Gelenkfläche kann es sinn-
voll sein, eine CMC-Arthrodese anzustreben. Die Ergeb-
nisse sind am CMC-II- und -III-Gelenk besser als an den Subkapitale Metakarpalefraktur
mobileren ulnaren CMC-Gelenken.
Subkapitale Frakturen der Metakarpalia sind häufige Ver-
letzungen und treten durch längseinwirkende Kräfte auf
Operative Technik
die Metakarpalia bei gebeugten Grundgelenken auf, es
Die Kirschner-Draht-Stabilisation über den kollateralen kommt zu Fehlstellungen mit palmarer Abkippung des
Rezessus wurde bereits bei der Versorgung der PIP-Frak- distalen Fragments. Die Indikation zur Versorgung dieser
turen dargestellt. Bei der Versorgung der Metakarpale- Frakturen wird teilweise kontrovers gesehen. Es kommt
frakturen kann diese Technik ebenfalls sehr hilfreich nur selten zu Pseudarthrosen, in Fehlstellung konsolidier-
sein. Die gut palpablen „Schultern“ der kollateralen Re- te Frakturen sind häufig asymptomatisch (23). Für einige
zessi dorsolateral an den Metakarpaleköpfchen bieten Indikationen besteht weitgehender Konsens zur operati-
einen guten Eintrittspunkt für unilaterale oder gekreuzte ven Stabilisierung: Torsionsabweichungen trotz geschlos-
Kirschner-Drähte, die nach proximal über die Fraktur sener Reposition, ein Streckdefizit aufgrund einer aus-
durch das CMC-Gelenk eingebracht werden (Abb. 18.23). geprägten Abkippung des Metakarpaleköpfchens, Vorlie-
Nach Palpation der Eintrittsstelle am Metakarpaleköpf- gen multipler Frakturen oder ausgeprägter Dislokation
chen wird der Draht mit der Maschine eingebracht und (mehr als 50 – 60°). Eine Dislokation im Sinne einer pal-
intramedullär nach proximal vorgetrieben. Um einen maren Abkippung kann durch die Beweglichkeit des
guten Halt zu gewährleisten, werden die Drähte subchon- CMC-Gelenks und durch eine Hyperextension im MCP-
dral an der Metakarpalebasis fixiert. Bei Luxationsfraktu- Gelenk ausgeglichen werden. Aufgrund der relativ gerin-
ren der CMC-Gelenke werden diese mit den Drähten gen Bewegungsumfänge des 2. und 3. Strahles in den
transfixiert. Der Einsatz zweier gekreuzter Kirschner- CMC-Gelenken, können subkapitale Frakturen mit einer
Drähte zur Sicherung der Rotation ist sinnvoll. Während Abkippung von mehr als 15 – 20° zu einem Streckdefizit
sich diese Technik für den 2., 3. und 5. Strahl anbietet, ist im MCP-Gelenk führen, was für eine operative Versor-
die Versorgung am 4. Strahl aufgrund der kleineren gung spricht. An den ulnaren beiden Strahlen hingegen
Schulter und des schlanken Markraums schwieriger an- können palmare Abkippungen von 20 – 30° aufgrund
zuwenden. Die Drähte sollten bei maximal flektiertem einer Beweglichkeit der CMC-Gelenke von 20 – 30° aus-
MCP-Gelenk eingebracht werden (Intrinsic-plus-Stellung). geglichen werden, ohne dass ein relevantes Streckdefizit
Dadurch wird vermieden, dass die transkutanen Drähte auftritt (24).
die Weichteile und die Haut irritieren; die Hand befindet Unter Berücksichtigung dieser funktionellen Gesichts-
sich in einer günstigen Stellung für die Ruhigstellung. punkte sollte die OP-Indikation auch individuell entspre-
Zudem sind die Kollateralbänder in dieser Position ge- chend den Anforderungen des Patienten gestellt werden.
dehnt. Hierbei sollten die Nachteile der geschlossenen Behand-
lung (Tastbarkeit des Metakarpaleköpfchens in der Hohl-
470 18 Luxationen und Frakturen der Hand

hand, Wegfall der dorsalen Vorwölbung des MCP-Ge- Flexion der Grundgelenke bei gestreckten Interphalange-
lenks) und die der offenen Behandlung (Narbenbildung, algelenken positioniert. Bei flach auf der Platte liegenden
18 potenzielle Bewegungseinschränkung) gegeneinander Fingern und entsprechend angehobener Mittelhand wird
abgewogen werden. die Röhre 15° ulnar der Handmittellinie eingestellt. Da-
Die Metakarpalehalsfrakturen werden reponiert, durch gelingt eine sehr gute Darstellung der Gelenkober-
indem auf die gebeugten MCP-Gelenke durch Druck auf flächen der Metakarpaleköpfchen.
die Grundphalanx eine nach dorsal gerichtete Kraft auf Die Marknagelung ist besonders geeignet für die rand-
das Metakarpaleköpfchen ausgeübt wird. Wichtig ist die bildenden Strahlen. Die Drahtstabilisation über den kol-
Kontrolle der Torsionsverhältnisse, die durch Inspektion lateralen Rezessus kann an allen Strahlen angewendet
der Nagelplatte, der Stellung des jeweiligen Strahles im werden.
Vergleich zu den Nachbarstrahlen, insbesondere beim
passiven Durchbewegen überprüft werden kann. Die Ru-
higstellung erfolgt bei gebeugten Grundgelenken und ge-
Technik der Marknagelosteosynthese des
streckten Mittelgelenken für die Dauer von 2 – 3 Wochen,
2. und 5. Strahles (Bündelnagelung)
dann wird die Behandlung unter Freigabe der Mittel- und
Bündelnagelung des 5. Strahles
Endgelenke fortgeführt. Die funktionelle Behandlung der
MCP-Gelenke kann in Abhängigkeit von der Fraktur nach An der ulnaren Hankante wird im Bereich der Ansatz-
4 – 5 Wochen eingeleitet werden, ggf. unter Belassen region der Sehne des M. extensor carpi ulnaris (ECU)
einer protektiven Schiene. eine 2 – 3 cm lange Inzision gesetzt (Abb. 18.25). Äste
des dorsalen sensiblen Astes des N. ulnaris sollten ge-
Offene Behandlungen der schont werden. Die Präparation wird zur ulnaren Begren-
Metakarpalehalsfrakturen zung der Ansatzregion der ECU-Sehne weitergeführt. Die
Sehne kann longitudinal gespalten oder nach dorsal weg-
Für die operative Behandlung der Metakarpalehalsfraktu- gehalten werden, um eine kleine Vorwölbung an der ul-
ren stehen die Methoden der Marknagelosteosynthese naren Metakarpalebasis darzustellen. Der Bereich zwi-
(Bündelnagelung) bzw. der Drahtstabilisation über den schen dieser Schulter und dem CMC-Gelenk dient als Zu-
kollateralen Rezessus zur Verfügung (Abb. 18.24). Die gang zum Markraum. Empfehlenswert ist es, die Ein-
letztgenannte Methode wurde bereits ausführlich in die- trittsstelle auch unter Durchleuchtungskontrolle zu prü-
sem Kapitel dargestellt. Entscheidend für die Einsetzbar- fen. An dieser Stelle wird die Kortikalis mit einem Pfriem
keit dieser Methode ist die knöcherne Unversehrtheit der oder Bohrer eröffnet und ggf. erweitert. Die Eintrittsstelle
Schultern des kollateralen Rezessus. Die Beurteilung er- muss groß genug sein (ca. 4 – 6 mm), um die gewünschte
folgt in der Regel auf konventionellen Röntgenaufnahmen Anzahl der Drähte (in der Regel 3) aufzunehmen. Zwei
oder unter Durchleuchtungskontrolle, alternativ mit technische Hinweise sollten berücksichtigt werden. Es
einer Einstellung nach Brewerton, welche die beste Rönt- bietet sich an, die Spitzen des Kirschner-Drahtes abzu-
gentechnik zur Beurteilung dieser Region des Metakarpa- schneiden, um ein stumpfes Ende zu erhalten oder
leköpfchens ist. Hierzu wird die supinierte Hand in 65°- einen stumpfen Draht zu verwenden. Durch die Spitze

Abb. 18.24 Prä- und


postoperative Röntgen-
bilder von Metakarpale-
halsfrakturen, die mit
Bündelnagelung behan-
delt wurden.
a Metakarpale II.
b Metakarpale V.

a b
Metakarpalefrakturen 471

Bündelnagelung Abb. 18.25 Zugang


flektierte und impaktierte zur intramedullären
subkapitale Bündelnagelung bei 18
metakarpophalangealer Metakarpale-V-Halsf-
Metakarpale-
Abschnitt rakturen. CMC = karpo-
fraktur
metakarpal.

Tuberkulum
des
Extensor vorgebogener
carpi Draht
ulnaris

CMC
Abschnitt

impaktiert
flektiert

könnte eine Perforation der Kortikalis beim Vortreiben bringen eines weiteren Drahtes wird häufig durch die
entstehen, durch ein stumpfes Ende wird die Ablenkung Engstelle des Schaftes in Schaftmitte verhindert.
an der inneren Kortikalis des Markraums erleichtert. Zum
Zweiten sollten die Drähte über die gesamte Länge leicht
Bündelnagelung des Metakarpale II
vorgebogen werden. Dadurch gelingt eine bessere Ver-
spannung im Markraum und somit eine bessere Fixation Die Bündelnagelung des Metakarpale II ist technisch sehr
des distalen Fragments. Die Drähte können antegrad gut ähnlich wie die des 5. Strahles. Nachdem die Metakarpa-
mit 2 großen Nadelhaltern eingebracht werden, dadurch lebasis dargestellt wurde, wird die Sehne des M. extensor
lässt sich das Vortreiben des Drahtes kontrollieren und carpi radialis longus (ECRL) angehoben oder gespalten
die Position im Metakarpaleköpfchen optimieren. Ein Na- und der radiale Anteil der Metakarpalebasis dargestellt.
delhalter wird dafür verwendet, den Draht voranzuschie- Die übrigen Operationsschritte entsprechend den eben
ben, der zweite wird näher an der Drahteintrittsstelle beschriebenen, wobei die Ulnarduktion im Handgelenk
befestigt. Dadurch wird der Draht stabilisiert und lässt das Einbringen der Drähte erleichtern kann.
sich besser einführen. Um das Einführen der Drähte zu
erleichtern, sollte die Hand in Radialduktion gehalten
Postoperative Nachbehandlung
werden. Bevor das vordere Ende des Drahtes über die
Fraktur geschoben wird, ist die Fraktur zu reponieren. Etwa 3 – 7 Tage nach der Bündelnagelung ist die Nach-
Falls der Draht den Markraum durch die Fraktur verlässt, behandlung aktiv bzw. aktiv-assistiv möglich. Die Ruhig-
sollte der Draht bis vor die Fraktur zurückgezogen und stellung erfolgt in einer 4-Fingerschiene in Intrinsic-plus-
gedreht werden, um die Richtung der Spitze zu ver- Position, die Beübung der Mittel- und Endgelenke in der
ändern, bevor er erneut vorgeschoben wird. Nachdem Schiene ist möglich. Die Patienten werden zu gezielten
die Fraktur reponiert ist und die Drähte korrekt liegen, Eigenübungen angehalten, die auch die MCP-Gelenke
werden die Enden so nah wie möglich an der Eintritts- mit einbeziehen. In Abhängigkeit von der knöchernen
stelle in den Knochen abgetrennt, wobei genügend Über- Durchbauung kann mit dem Kraftaufbau begonnen wer-
stand für eine Metallentfernung belassen werden sollte. den, in der Regel beträgt die Arbeitsunfähigkeit für ma-
Es ist auch möglich, die Drähte mit einem Stößel im nuelle Tätigkeiten etwa 8 Wochen postoperativ. Nach der
Markraum zu versenken. Meist werden 3 Drähte verwen- Versorgung von Mittelhandfrakturen mit über den kolla-
det, um eine stabile Versorgung zu erreichen, das Ein- teralen Rezessus eingebrachten Kirschner-Drähten ist
eine andere Nachbehandlung notwendig, da die Stabilität
472 18 Luxationen und Frakturen der Hand

der Versorgung sowie Infektionsgefahr an der Drahtein- schiene mit gebeugten MCP-Gelenken; die Mittel- und
trittsstelle eine Ruhigstellung erfordern, solange die Endgelenke können freigegeben werden. Nach dieser
18 Drähte einliegen. Die ersten 3 – 4 Wochen wird die Frak- Zeit wird die Schiene abgenommen und der Bewegungs-
tur konsequent ruhig gestellt, die Nachbarfinger oder die umfang freigegeben. Die Stabilität kann erhöht werden,
angrenzenden Gelenke des operierten Strahles können in indem eine Schiene mit freigegebenen MCP-Gelenken für
dieser Zeit vorsichtig beübt werden. Nach etwa einem weitere 2 Wochen belassen wird oder ein Zügelverband
Monat postoperativ werden die Drähte entfernt und ein zum Nachbarfinger angelegt wird. Die Dauer der Ruhig-
aktives bzw. aktiv-assistives Nachbehandlungsschema für stellung und Beginn der Belastung sollte unter Berück-
die DIP-, PIP- und MCP-Gelenke eingeleitet. In dieser Zeit sichtigung dieser generellen Empfehlungen je nach Frak-
kann die Hand in einer Schiene für etwa 2 weitere Wo- turform, Alter und Aktivität des Patienten angepasst wer-
chen geschützt werden, bevor nach radiologisch gesicher- den.
ter Durchbauung auf die Schiene verzichtet wird.
Offene Behandlung der Metakarpaleschaftfrakturen
Diaphysäre Metakarpalefrakturen
Für die operative Behandlung der Metakarpaleschaftfrak-
Metakarpaleschaftfrakturen können eingeteilt werden in turen stehen unterschiedliche Osteosynthesetechniken
Querfrakturen, Spiralfrakturen und komplexe Frakturen. zur Verfügung. Bei der Auswahl der Methode sollten die
Für die Indikationsstellung zur operativen Therapie der Stabilität der Versorgung und das zu erwartende funk-
Metakarpaleschaftfrakturen gibt es generelle Prinzipien, tionelle Ergebnis abgewogen werden.
darüber hinaus sind die Frakturformen bei der Indikati- Querverlaufende Metakarpaleschaftfrakturen können
onsstellung zu berücksichtigen. nicht durch interfragmentäre Schrauben fixiert werden.
Generelle Indikationen für die operative Therapie sind Die Versorgung mittels Bündelnagelung, wie zuvor be-
multiple Metakarpalefrakturen, offene Frakturen und schrieben, ist auch für Querfrakturen der Metakarpalia
Torsionsabweichungen sowie eine Instabilität nach ge- beschrieben (26, 27), auch wenn sich diese Technik eher
schlossener Reposition. Darüber hinaus erlaubt die für die Versorgung von Metakarpalehalsfrakturen anbie-
Kenntnis von zu tolerierenden Stellungsverhältnissen tet und es zum Klaffen des querverlaufenden Fraktur-
bzw. der Frakturstabilität eine differenziertere Indikati- spalts kommen kann.
onsstellung. So wird beispielsweise eine dorsale Angula- Als Goldstandard für die Versorgung von querverlau-
tion im mittleren Drittel des Metakarpaleschafts funktio- fenden Metakarpaleschaftfrakturen dürfte die Plattenos-
nell gut toleriert. Bis zu 30° dorsaler Angulation am Me- teosynthese bezeichnet werden. Hierdurch kann eine
takarpale V und 20° am Metakarpale IV sind akzeptabel. anatomische Reposition mit stabiler Fixation und inter-
Am Metakarpale II und III hingegen ist eine korrektere fragmentärer Kompression erreicht werden. Das Risiko
anatomische Reposition notwendig, da sich bereits ge- von Sehnenadhäsionen und damit verbundenen Bewe-
ringgradige Fehlstellungen auf die Beweglichkeit der gungseinschränkungen lässt sich durch die Möglichkeit
Grundgelenke auswirken. Torsionsfehlstellungen nach der frühen funktionellen Behandlung minimieren.
der Reposition sind nicht akzeptabel, da bereits sehr ge- Der Standardzugang erfolgt über einen längsverlaufen-
ringe Abweichungen zu einem Überkreuzen der Finger in den oder leicht gebogenen dorsalen Schnitt. Dieser kann
gebeugter Haltung führen können. Die zentralen Meta- direkt über dem betroffenen Metakarpale gesetzt wer-
karpalia werden durch derbe intermetakarpale Bänder den, alternativ im Zwischenraum, wenn benachbarte Me-
distal stabilisiert, was verhindert, dass sie sich stark ver- takarpalefrakturen versorgt werden sollen. Bei der Prä-
kürzen, sofern die Nachbarstrahlen unverletzt sind. paration muss auf die dorsalen sensiblen Äste des N. ra-
Frakturen der randbildenden Strahlen sind durch die- dialis und ulnaris geachtet werden. Die Strecksehnen
sen Mechanismus nicht geschützt und neigen zur Insta- werden beiseite gehalten, um Zugang zur Fraktur zu er-
bilität, wodurch sich eine Operationsindikation ergibt. halten. Bei der Exposition der Fraktur wird eine Schicht
Darüber hinaus ergeben sich Operationsindikationen des Periosts und der Muskelfaszie des Intersosseus erhal-
durch die Frakturmorphologie, da diese eine Vorhersage ten, um nach der Osteosynthese das Implantat bedecken
der Stabilität nach einer Reposition erlaubt. Spiralfraktu- zu können. So können zum einen die Strecksehnen ge-
ren sind hierfür ein gutes Beispiel. Diese Frakturen sind schützt und zum anderen die biologischen Voraussetzun-
instabil hinsichtlich axialer Belastung und führen bereits gen für die Knochenheilung verbessert werden. Dann
bei geringer Dislokation zu Torsionsabweichungen. Daher wird die Fraktur dargestellt und von Kallus und Debris
sollten diese Frakturen nur unter optimalen Bedingun- gesäubert, ohne das Metakarpale mehr als nötig zu depe-
gen, d. h. bei nichtdislozierten Frakturen, Fraktur eines riostieren. Anschließend kann die Fraktur reponiert und
zentralen Strahles oder bei Grünholzfrakturen unter Ge- provisorisch durch einen Kirschner-Draht fixiert werden.
währleistung engmaschiger klinischer und radiologischer Die meisten Metakarpalefrakturen können mit 2,0- oder
Verlaufskontrollen konservativ behandelt werden. Die 2,4-mm-Platten versorgt werden, die entweder dorsal
konservative Behandlung dieser Frakturen erfolgt durch oder lateral angelegt werden. Die Kompression der Frak-
3- bis 4-wöchige Ruhigstellung in einer dorsalen Finger- turen gelingt durch dynamische Kompressionsplatten
Metakarpalefrakturen 473

(DCP) nach der Technik der Arbeitsgemeinschaft für Os- ist, um die Schraubenosteosynthese adäquat anwenden
teosynthesefragen (AO). Es sollten mindestens 4 Kortizes zu können. In diesen Fällen ist eine Plattenosteosynthese
auf jeder Seite der Fraktur gefasst werden, um eine adä- indiziert, um die Torsions- und Biegekräfte zu neutralisie- 18
quate Stabilität der Platte zu gewährleisten. Interfrag- ren. Wenn eine Schraubenosteosynthese möglich ist, soll-
mentäre Schrauben können neben oder durch die Platte ten mindestens 2 Schrauben platziert werden. Die Ab-
eingebracht werden, nicht jedoch bei Querfrakturen. stände der Schrauben voneinander sollten mindestens
Während des Eingriffs wird das Repositionsergebnis kli- das 2-Fache des Schraubendurchmessers betragen, um
nisch und radiologisch überprüft, wobei insbesondere auf ein Brechen der Kortikalis zu vermeiden (28).
Torsionsabweichungen geachtet werden sollte. Der Zugang für die interfragmentäre Schraubenosteo-
Bei Frakturen mit glatten Rändern kann die exakte Re- synthese ist ähnlich wie der oben beschriebene. Auf-
position der Fragmente die anatomische Reposition er- grund der häufig sehr langen Verläufe der Frakturlinien
kennen lassen, allerdings kann bereits beim Vorliegen ist es oft erforderlich, die Fraktur langstreckig darzustel-
kleinerer Zwischenfragmente die Beurteilung und Repo- len, da die Fraktur auf der gesamten Länge sorgfältig von
sition erschwert sein. Aus diesem Grund sollte die kli- Periost und Debris befreit werden muss. Es sollte ver-
nische Beurteilung des Fingers und dessen Torsion, ins- sucht werden, soviel wie möglich des Frakturverlaufs ein-
besondere bei einer Bewegungsprüfung mehrfach wäh- zusehen, um eine perfekte Reposition zu erreichen und
rend des Eingriffs erfolgen. Im Anschluss an die Osteo- eine Rotationsfehlstellung vermeiden zu können. Wie
synthese werden die Faszie und das Periost über der Plat- zuvor erwähnt, kann die provisorische intraoperative
te verschlossen, ggf. eine Drainage eingelegt und die Haut Stabilisation durch Drähte hilfreich sein. Um bestmögli-
verschlossen. Je nach Versorgung wird die Fraktur 1 – 2 chen Widerstand gegen axial verkürzende Kräfte zu er-
Wochen ruhig gestellt und die Physiotherapie mit manu- reichen, sollten die Schrauben senkrecht zum Metakar-
ellen Lymphdrainagen begonnen. Spiralfrakturen werden paleschaft eingebracht werden. Die Schrauben, die senk-
für gewöhnlich mit Kirschner-Drähten oder interfrag- recht zur Frakturebene eingebracht werden, bieten den
mentären Schrauben versorgt. Die anatomische Repositi- Torsionskräften Widerstand. Idealerweise sollte mindes-
on sollte angestrebt werden, da bereits geringe Rotations- tens eine Schraube in jede dieser Ebenen eingebracht
fehler zu deutlichem Überkreuzen der Finger führen kön- werden, meist finden 2 – 3 2,4-mm-Schrauben Platz. Bei
nen. der Auswahl der Schraubentechnik sollte Folgendes be-
Wenn eine Spiralfraktur offen versorgt werden muss, achtet werden: Durch eine Zugschraubentechnik kann
sollte eine Schraubenosteosynthese angewendet werden, zwar eine Kompression der Fraktur erreicht werden, al-
um die Vorteile der anatomischen Reposition, Fraktur- lerdings ist das Risiko des Repositionsverlusts aufgrund
kompression und der damit möglichen frühen funktio- des schrägen Verlaufs der Fragmente erhöht. Wenn die
nellen Behandlung zu nutzen (Abb. 18.26). Der Schrägver- Fraktur vor Einbringen der Zugschraube bereits ungenau
lauf der Frakturlinie hat Einfluss auf die Operations- reponiert ist, kann die Kompressionskraft dazu führen,
methode, da eine interfragmentäre Schraubenfixation dass die Fraktur weiter disloziert, indem sich die Frag-
zur Voraussetzung hat, dass die longitudinale Länge der mente entlang der schräg verlaufenden Frakturlinie ver-
Fraktur etwa das 2- bis 3-Fache des Durchmessers des schieben. Für die Versorgung mehrfragmentärer Metakar-
Metakarpaleschafts beträgt. Ein Verhältnis von weniger paleschaftfrakturen bietet sich die Verbindung der
als 2 spricht dafür, dass die Fraktur nicht schräg genug Schraubenosteosynthese mit der Plattenosteosynthese

Abb. 18.26 Prä- und


postoperative Röntgenbil-
der einer schräg verlau-
fenden Metacarpale-III-
Spiralfraktur, behandelt
mit interfragmentärer
Schraubenosteosynthese.
474 18 Luxationen und Frakturen der Hand

Abb. 18.27 Prä- und postope-


rative Röntgenbilder einer offe-
18 nen Metakarpale-IV-Trümmer-
fraktur durch Schussverletzung,
behandelt mit Plattenosteosyn-
these. Zu beachten ist die zu-
sätzliche interfragmentäre
Schraubenosteosynthese.

an. So kann eine gute Reposition erreicht und einer Ver- Von manchen Operateuren wird die intermetakarpale
kürzung der Fraktur entgegengewirkt werden Kirschner-Draht-Osteosynthese bei komplexen Metakar-
(Abb. 18.27). Wenn diese Frakturen in der metaphysären palefrakturen oder bei Substanzverlust propagiert, um
Region auftreten, bleibt wenig Substanz an der Metakar- die Länge zu erhalten (29). Obwohl diese Methode auf-
palebasis für den Sitz der Schrauben. In diesen Fällen grund der einfachen Durchführbarkeit ansprechend er-
kann eine 2,0-mm-Klingen- oder -T-Platte verwendet scheint, hat sie viele Nachteile. Wenn die Methode bei
werden, um die proximale Stabilität zu gewährleisten. einer Metakarpalefraktur mit nur einem benachbarten
Bei einer ausgeprägten Zertrümmerung kann auch eine Metakarpale eingesetzt wird, bietet die Transfixation
Spongiosaplastik in Betracht gezogen werden, wobei die nur geringe Stabilität, insbesondere in der Extensions-/
Weichteilsituation zu berücksichtigen ist. Insbesondere Flexionsebene. Wird die Transfixation hingegen so einge-
bei offenen Frakturen mit Knochenverlust ist die Versor- setzt, dass das frakturierte Metakarpale mit 2 benachbar-
gung von der Weichteilsituation abhängig. Wenn eine ten Metakarpalia transfixiert wird, um die Stabilität zu
adäquate Weichteildeckung gelingt, kann eine Plattenos- erhöhen, flacht sich der natürliche Bogen der Metakarpa-
teosynthese durchgeführt werden, um einen Knochende- lia ab. Wenn die Drähte sehr distal in den Metakarpale-
fekt zu überbrücken. Die Knochentransplantation kann köpfen eingebracht werden, erhöht sich das Risiko der
entweder primär oder sekundär vorgenommen werden. Bewegungseinschränkung der benachbarten Grundgelen-
Bei offenen Wunden mit entsprechendem Weichteilver- ke. Darüber hinaus ist beim Einsatz dieser Methode eine
lust kann eine Plattenosteosynthese sinnvoll sein, wenn lang dauernde Ruhigstellung der Hand notwendig, ob-
nach adäquatem Débridement eine primäre lappenplas- wohl gerade in dieser Situation mit kombinierten Kno-
tische Deckung vorgenommen wird. Wenn die Weichteil- chen- und Weichteildefekten ausreichende Stabilität ge-
deckung nicht gesichert ist oder sekundär vorgenommen währleistet werden sollte, um ein frühzeitiges Bewe-
werden soll, kann durch einen Fixateur externe die Länge gungsprogramm zu erlauben und somit funktionelle Ein-
und Stabilität der Fraktur bis zur definitiven Versorgung schränkungen zu minimieren. Somit wird der Einsatz der
gewährleistet werden. Durch gebogene Drähte, die in den Transfixationstechnik an dieser Stelle für die zuvor ge-
proximalen und distalen stabilen Bereich der Fraktur ein- nannten Frakturen nicht empfohlen, sofern die sinnvolle-
gebracht und verbunden werden, kann eine provisorische ren Methoden nicht erschöpft sind.
Fixation erreicht werden. In diesen Fällen kann zum Zeit-
punkt der plastischen Defektdeckung die externe Stabili-
sation gegen ein stabiles inneres Verfahren ausgetauscht
werden, die Knochentransplantation kann nach Konsoli-
dierung der Weichteilverhältnisse vorgenommen wer-
den.
Literatur 475

Merke
18
■ Der wichtigste Gesichtspunkt bei der Versorgung knö- ■ Nichtreponible PIP-Luxationen sind meist der seltenere
cherner Strecksehnenabrisse ist die Stabilität des Endge- palmare Subtyp aufgrund der Inkarzeration einer Kondyle
lenks. Die Subluxation des Gelenks stellt die Indikation für zwischen den Mittelzügel und den Seitenzügel. Im Gegen-
ein operatives Vorgehen dar, mehr noch als die Größe satz dazu sind nichtreponible Luxationen des MCP-Ge-
oder Position des Fragments. lenks der häufigere dorsale Typ aufgrund einer Inkarzera-
■ Klassifikation der Beugesehnenabrisse: tion des Metakarpaleköpfchens zwischen den intrinsischen
– Typ I: nichtknöcherner Ausriss der FDP-Sehne, die sich und extrinsischen Muskeln.
in die Hohlhand retrahiert. ■ Elson-Test zur Beurteilung der Integrität des Mittelzügels:
– Typ II: Abriss eines kleinen Fragments, das sich bis zum Bei passiv gebeugtem PIP-Gelenk kann das DIP-Gelenk
Mittelgelenk retrahiert, wo die A3-Ringbänder das Frag- physiologischerweise nicht gestreckt werden. Somit lässt
ment an einer weiteren Dislokation nach proximal hin- sich ein kompletter Riss des Mittelzügels ausschließen.
dern. ■ Ein subluxiertes MCP-Gelenk kann durch Ausüben einer
– Typ III: große Ausrissfraktur, die nur bis knapp proximal palmar gerichteten Kraft auf die dorsale Basis der Grund-
des Endgelenks disloziert. phalanx reponiert werden. Versuche mit longitudinaler
■ Grundgliedschaftfrakturen dislozieren nach palmar auf- Distraktion oder Verstärkung der Hyperextensionsdefor-
grund des starken Zuges der Interosseusmuskulatur am mität können eine reponible Subluxation in eine irreponi-
proximalen Fragment. Mittelgliedfrakturen können in Ab- ble MCP-Luxation verwandeln, indem die palmare Platte
hängigkeit vom Unfallmechanismus und den Verhältnis- nach dorsal zwischen das Metakarpaleköpfchen und die
sen des Frakturverlaufs zur FDS-Sehne bzw. zum Streck- Basis der Grundphalanx einschlägt.
sehnenmittelzügel nach dorsal oder palmar abkippen. ■ Dislozierende Kräfte bei einer Bennett-Fraktur:
■ Möglichkeiten, Knochentransplantate für die Versorgung – M. abductor pollicis longus,
kleiner Frakturen an der Hand zu gewinnen sind – M. flexor pollicis longus,
– der dorsale distale Radius unter dem Boden des 2. – M. adductor pollicis.
Strecksehnenfachs, ■ Geschlossene Reposition einer Bennett-Fraktur gelingt
– der palmare distale Radius unter dem M. pronator qua- durch
dratus, – longitudinale Distraktion des Daumens,
– bei komplexen Handverletzungen Entnahme an Ampu- – Pronation des Daumens,
taten, – palmar-ulnaren Druck auf die Metakarpalebasis.
■ Eine Luxationsfraktur des PIP-Gelenks mit einer Betei- ■ Operationsindikation für Metakarpalehalsfrakturen:
ligung der Gelenkfläche von mehr als 40 % hat eine hohe – Torsionsabweichung trotz geschlossener Reposition,
Wahrscheinlichkeit nach der Reposition instabil zu verblei- – Streckdefizit aufgrund übermäßiger Flexion des Meta-
ben. Dies liegt an dem Verlust der artikulären Führung karpaleköpfchens,
durch die palmare Kante der Mittelphalanx. – multiple Frakturen, übermäßige Angulation.
■ Typen der externen Fixation ■ Einstellung für die Brewerton-Aufnahme (radiologische
– fixiert versus dynamisch, Darstellung der Metakarpaleköpfchen): Die supinierte
– gelenküberbrückend versus nichtüberbrückend, Hand wird mit 65° Grundgelenksflexion und gestreckten
– unilateral versus bilateral, Interphalangealgelenken positioniert, die Finger liegen
– kommerziell verfügbar versus Drahtfixateure. flach auf der Kassette, die Metakarpale heben sich von
■ Operative Methoden für instabile PIP-Luxationsfrakturen dieser ab, die Röntgenröhre wird 15° ulnar der Handmit-
mit Beteiligung von mehr als 40 % der palmaren Mittel- tellinie zentriert.
phalanxbasis:
– Arthroplastik durch palmare Platte,
– Rekonstruktion mit Hemihamatum-Ersatz,
– Rettungseingriffe – Arthrodese/Endoprothese.

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Treatment of unstable dorsal proximal interphalangeal
Anatomie und Klassifikation 477

19 Beckenringverletzungen
K. F. Dickson
Übersetzer: B. König, P. Ahrens, U. Stöckle
19
Instabile Beckenringverletzungen treten überwiegend im konservative Therapie mit zeitnaher Mobilisierung des
Rahmen von Mehrfachverletzungen oder Polytrauma auf. Patienten erfolgen. Für instabile Beckenverletzungen (B-
Sie stellen ein komplexes Verletzungsmuster dar, welches und C-Verletzungen) wird ein operatives Vorgehen im
neben knöchernen Läsionen auch periphere Weichteil- Rahmen des Polytraumamanagements entsprechend der
verletzungen des Gastrointestinaltrakts, des Urogenital- Art der Instabilität sowie der Gesamtsituation des Patien-
trakts sowie muskulärer Strukturen insbesondere des Be- ten mit den entsprechenden Begleitverletzungen emp-
ckenbodens beinhalten können. Instabile Beckenringver- fohlen. Dieses Kapitel soll einen kurzen Überblick über
letzungen können im akuten Stadium lebensbedrohlich die Klassifikation, die Indikationsstellung zur operativen
sein. Sie sollten nach Möglichkeit in dafür ausgestatteten Therapie sowie die Wahl der endgültigen Versorgung ge-
Traumazentren im Rahmen des Polytraumamanagements ben. Einen Schwerpunkt stellt dabei die Beschreibung der
behandelt werden. Spätschäden entstehen bei überleben- verschiedenen Zugänge sowie Repositionstechniken im
den Personen durch assoziierte, neurovaskuläre und vis- Rahmen der chirurgischen Therapie bei häufigen instabi-
zerale Verletzungen, persistierende Beckenringdefor- len Beckenverletzungen dar.
mitäten oder Instabilitäten. In deren Folge können per-
sistierende Schmerzen, muskuloskelettale Dysbalancen,
Beinlängendifferenzen, erektile Dysfunktionen und Un- Anatomie und Klassifikation
fruchtbarkeit sowie Blasen- und Mastdarmfunktionsstö-
rungen resultieren. Die Therapieindikationen und das Der knöcherne Beckenring besteht aus den paarig ange-
Therapieergebnis bei der Behandlung instabiler Becken- ordneten Ossa coxae und dem posterior angeordneten Os
ringverletzungen können durch verschiedene Faktoren sacrum. Die Ringstruktur wird ventral durch die Symphy-
beeinflusst werden. Beckenringverletzungen durch Nied- se und posterior durch die zwischen den Ossa coxae und
rigenergietrauma, wie z. B. durch einen häuslichen Sturz dem dazwischenliegenden Os sacrum befindlichen Arti-
eines alten Menschen, unterscheiden sich in Manage- culationes sacroiliacae geschlossen. Die Stabilität des Be-
ment und Prognose vom Therapieregime nach Hoch- ckenrings basiert im Wesentlichen auf den die knöcher-
rasanztraumen. Liegt ein stabiler Beckenbruch vor (s. u.) nen Strukturen verbindenden Bändern (Abb. 19.1).
erfolgt überwiegend ein konservativer Therapieversuch Die Symphyse verbindet ventral die beiden Ossa pubis,
mit dem Ziel der schnellen Mobilisierung des Patienten. welche Teil des Os coxae sind, und besteht aus einem
Ist eine schnelle Mobilisierung des Patienten zumeist fibrokartilaginären Diskus, welcher von Bandstrukturen
schmerzbedingt nicht möglich, findet sich ein zuneh- überzogen wird, insbesondere dem Lig. pubicum kranial
mender Trend zur minimalinvasiven operativen Stabili- sowie dem Lig. arcuatum pubis kaudal.
sierung, um sekundäre Komplikationen durch eine ver- Im hinteren Beckenring wird zentral das Os sacrum als
längerte Liegedauer des alten Menschen sowie zusätzli- kaudale Verlängerung der Wirbelsäule zwischen den bei-
che operationsbedingte Weichteilschäden mit entspre- den Ossa ilii als Teil des Os coxae eingebunden. Das Ilio-
chenden Wundheilungsstörungen zu vermeiden. sakralgelenk gestattet mit seiner gewölbten Gelenkfläche
In diesem Kapitel wird auf die Klassifikation von Be- einen nur minimalen Bewegungsumfang und wird durch
ckenringverletzungen und die darauf basierende Indika- die Ligg. sacroiliaca fixiert. Die stabilen Ligg. sacroiliaca
tionsstellung zur konservativen bzw. operativen Therapie dorsalia bewirken im Sinne einer Zuggurtung bei Belas-
eingegangen. Insbesondere die operative Therapie wird tung die Einklemmung des Os sacrum zwischen dem Os
im Rahmen des Polytraumamanagements behandelt, da coxae. Zu dieser Aufhängung gehören noch die Ligg. sa-
das Gesamtverletzungsmuster ein wesentlicher Aspekt in crotuberalia sowie sacrospinales, welche insbesondere
der Indikationsstellung zur operativen Therapie ist. Die einer Vorwärtsdrehbewegung des Os sacrum entgegen-
Klassifikationen beziehen sich auf die Anatomie, Art und wirken. Mechanisch ist der Gesamtkomplex des Ilio-
Richtung der einwirkenden Kraft und die daraus resultie- sakralgelenks neben der Kraftübertragung des Körper-
rende Instabilität des Beckens. Unter Berücksichtigung gewichts auf die unteren Extremitäten insbesondere
der Gesamtsituation des Patienten wird basierend auf auch für eine Abdämpfung von Belastungsspitzen z. B.
der Klassifikation die Indikationsstellung zur Primärsta- durch axiale Stauchung bei Sprüngen angepasst.
bilisierung sowie ggf. endgültigen Versorgung erfolgen. Zur Diagnostik von Beckenringverletzungen gehört
Prinzipiell kann bei Beckenbrüchen mit einer erhaltenen neben der klinischen Untersuchung eine adäquate Bild-
Stabilität des Beckenrings (Becken-A-Verletzungen nach gebung. Aus der Anamnese ist die Art und Intensität der
AO) und entsprechend geringer Schmerzhaftigkeit, die Krafteinwirkung zu entnehmen. Bei der klinischen Unter-
478 19 Beckenringverletzungen

hintere Spina iliaca Abb. 19.1 Illustration der Inletaufnahme ohne


interossäre sakroiliakale Bänder posterior Wirbelsäule zur Darstellung des Iliosakralgelenks.
sakroiliakale superior Das Gelenk wird von den Ligg. sacroiliaca anterior,
Gelenke interosseus und den starken Ligg. sacroiliaca pos-
terior stabilisiert.

19

vordere
sakroiliakale Bänder

Abb. 19.2 A.–p. Beckenaufnahme mit beidseitiger Beckenin-


stabilität bei beidseits erweitertem Iliosakralgelenksspalt und
Diastase der Symphyse. Der Patient hatte beidseitige Verletzun-
gen der A. ilica interna und wurde primär zur Notfallstabilisie-
rung durch Anlage eines Fixateur externe und Embolisation
versorgt. Abb. 19.3 Inletaufnahme eines instabilen Beckens mit rechts-
seitigem „Open book“-Mechanismus. Die Symphyse ist ruptu-
riert. Zur weiteren Diagnostik des hinteren Beckenrings ist
neben der klinischen Untersuchung eine weitere Bildgebung
suchung werden primär äußere Verletzungszeichen wie im CT zu empfehlen. Für die Einschätzung des Instabilitäts-
Asymmetrie bzw. Blutungen aus den natürlichen Kör- grads im hinteren Beckenring ist diese Aufnahme nicht zurei-
peröffnungen neben dem Vorliegen offener und geschlos- chend.
sener Verletzungszeichen begutachtet. Die Stabilität des
Beckenrings kann bei der klinischen Untersuchung durch
Palpation, einen manuellen Distraktionstest der beiden Sowohl in den konventionellen Röntgenaufnahmen als
Darmbeinstachel zur Beurteilung der horizontalen sowie auch im CT ist neben der Beurteilung des Symmetrie,
vertikalen Stabilität sowie durch a.–p. Druck in der Sym- der Weite der Symphyse und des Iliosakralgelenks sowie
physenregion beurteilt werden. entsprechender Frakturen im Beckenring auf das Vorlie-
Zur Bildgebung gehört als Basis eine Beckenübersichts- gen einer Fraktur des Processus transversus von L 5 zu
röntgenaufnahme (Abb. 19.2). Bei einem hämodynamisch achten. Die Abrissfraktur des Processus transversus an
stabilen Patienten sind zur weiterführenden Bildgebung L 5 gilt als wesentlicher Hinweis auf das Vorliegen einer
eine Beckeninletaufnahme zur Beurteilung der horizon- vertikalen Beckenringinstabilität. In der Computertomo-
talen Instabilität und a.–p. Dislokation sowie eine grafie ist neben der axialen Schnittbildgebung immer
Beckenoutletaufnahme zur Beurteilung der vertikalen In- eine Rekonstruktion in sagittaler Richtung zu empfehlen,
stabilität und kraniokaudalen Dislokation möglich insbesondere um beim älteren Patienten Ausbruchverlet-
(Abb. 19.3). Wird nicht schon im Rahmen einer Polytrau- zungen der oberen Sakralwirbelkörper aus dem Os sa-
madiagnostik ein Becken-CT durchgeführt, so ist dieses crum zu diagnostizieren, welche in den konventionellen
vor jedwedem operativen Eingriff an einer instabilen Be- Aufnahmen teilweise schwer zu erkennen sind. Des Wei-
ckenverletzung indiziert. Es gestattet eine präzise Klassi- teren gestattet die axiale Schnittbildgebung des CTs eine
fikation und Indikationsstellung zur operativen Therapie. sichere Diagnostik von gering dislozierten hinteren Be-
Anatomie und Klassifikation 479

19

A1 A2 A3

B1 B2 B3

C1 C2 C3

Abb. 19.4 Die AO-Klassifikation für Beckenringverletzungen b Typ B1: Außenrotationsverletzungen


(Wirth CJ, Mutschler W. Praxis der Orthopädie und Unfallchi- Typ B2: Innenrotationsverletzungen
rurgie, 2. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2009). Typ B3: beidseitige posteriore Rotationsverletzung
a Typ A1: Beckenrandfrankturen
Typ A2: Beckenringfraktur ohne Stabilitätsverlust c Typ C1: unilaterale Typ-C-Verletzung
Typ A3: Os-sacrum-Quer- oder Os-coccygis-Frakturen Typ C2: unilaterale Typ-C-Verletzung mit kontralateraler
Typ-B-Verletzung
Typ C3: bilaterale Typ-C-Verletzung
480 19 Beckenringverletzungen

ckenringverletzungen bei älteren Menschen, welche im kennzeichnet, d. h. der posteriore Beckenring ist stabil.
konventionellen Röntgenbild schwierig zu beurteilen Es gibt 3 Subgruppen:
sein können. – A1-Verletzungen sind Abrissfrakturen,
Für die Klassifikation von Beckenringverletzungen hat – A2-Verletzungen entstehen durch einen direkten An-
sich im deutschsprachigen Raum die AO-Klassifikation prall,
19 durchgesetzt (Abb. 19.4). Diese basiert auf einer Weiter- – A3-Verletzungen sind Sakrumquerfrakturen bei sta-
entwicklung der Klassifikation von Pennal u. Tile, welche biler Kraftübertragung über die Iliosakralgelenke.
hinsichtlich der Gewalteinwirkung auf den Beckenring 3 ■ Becken-A-Verletzungen können zumeist konservativ
Hauptvektoren unterschieden haben: behandelt werden. Operationsindikationen sind auf-
■ a.–p. Kompression, grund ihrer großen Schmerzhaftigkeit durch den Zug
■ laterale Kompression, der ansetzenden Muskulatur die Beckenschaufelfraktu-
■ Scherkrafteinwirkung (schräge oder kombinierte Kraft- ren bzw. distale Sakrumquerfrakturen mit großer
einwirkung, vertikale Abscherung, Malgaigne-Fraktur). Schmerzhaftigkeit bei Belastung.
■ Die Becken-B-Verletzung ist eine inkomplette Verlet-
Diese Klassifikation wurde 1988 von Tile modifiziert und zung des posterioren Beckenrings mit einer horizonta-
ab dem Jahr 1991 durch Tile et al. für die Arbeitsgemein- len Instabilität und erhaltener vertikaler Stabilität. Die
schaft für Osteosynthesefragen (AO/ASIF) weiter über- Unterscheidung in Subgruppen erfolgt auf Basis des
arbeitet. Verletzungsmechanismus und der Verletzung im Be-
Die AO-Klassifikation für Beckenringverletzungen un- reich des hinteren Beckenrings:
terscheidet 3 Hauptgruppen (Abb. 19.4). – Die Becken-B1-Verletzungen entsprechen unilatera-
■ Die Becken-A-Verletzung nach AO ist durch eine ver- len Verletzungen durch einen Außenrotations-
tikale und horizontale Stabilität des Beckenrings ge- mechanismus im hinteren Beckenring („Open
book“-Verletzung; Abb. 19.5, Abb. 19.6).
– Die Becken-B2-Verletzungen sind ebenfalls unilate-
ral, jedoch liegt hier ein Innenrotationsmechanismus
vor („Lateral compression“-Verletzung; Abb. 19.7,
Abb. 19.8).
– In die Gruppe der Becken-B3-Verletzungen werden
alle bilateralen B-Verletzungen eingeschlossen.
■ Die Gruppe der Becken-C-Verletzungen ist durch eine
komplette Verletzung des posterioren Beckenrings mit
horizontaler und vertikaler Instabilität gekennzeichnet
(Abb. 19.9).
– Dabei werden in die Subgruppe der Becken-C1-Ver-
letzungen alle unilateralen C-Verletzungen des hin-
teren Beckenrings eingeschlossen, wenn die Gegen-
seite stabil ist.
– In der Subgruppe der Becken-C2-Verletzungen wer-
den Verletzungen mit ipsilateral vorliegender C-In-
Abb. 19.5 A.–p. Beckenaufnahme mit 8 cm Symphysendehis-
zens und posteriorer Instabilität nach Reitunfall. stabilität, d. h. vertikaler und horizontaler Instabilität

Abb. 19.6 Becken-CT des Patienten von Abb. 19.5. Bei Sym- dacht auf eine komplette Ruptur des Iliosakralgelenks ventral
physendehiszenz von mehr als 6 cm kann eine komplette Ilio- und posterior, das rechts dargestellte kaudalere Schnittbild
sakralgelenkinstabilität vorliegen. Die linke Abb. zeigt den Ver- lässt die posterioren Bänder intakt erscheinen.
Anatomie und Klassifikation 481

19

Abb. 19.7 Becken-CT als 3D-Rekonstruktion nach Verkehrs-


unfall mit Becken-B2.1-Instabilität durch einen lateralen Kom-
Abb. 19.8 Das CT zeigt eine komplette laterale Sakrumfraktur
pressionsmechanismus mit einer geringen Innenrotations- und
nach lateraler Kompression, welche zum Ausschluss einer zu-
Flexionsdeformität des rechten Hemipelvis bei stabiler Impakti-
nehmenden Dislokation zumindest engmaschige Röntgenkon-
on der anterioren Ala des Os sacrum rechts. Findet sich auch
trollen erfordert oder z. B. minimalinvasiv mit Verschraubung
eine vertikale Instabilität, so liegt eine C-Verletzung vor. Die
des Iliosakralgelenks stabilisiert werden kann.
Differenzierung zwischen B- und C-Verletzungen ist in Grenz-
fällen schwierig, ggf. sollte die Versorgung der einer Becken-
C-Verletzung entsprechen.

a b

Abb. 19.9 b Postoperative a.–p. Beckenkontrolle nach Verschraubung


a Beispiel einer Becken-C1-Verletzung mit horizontaler und ver- des Iliosakralgelenks, offener Reposition und innerer Fixation
tikaler Iliosakralgelenkinstabilität des rechten hinteren Becken- mit Symphysenplatte.
rings und Symphysenruptur.

sowie auf der Gegenseite vorliegender B-Verletzung, Basierend auf der Anamnese des Unfallmechanismus
d. h. vertikaler Stabilität bei horizontaler Instabilität können häufig schon Hinweise auf die Art der vorliegen-
eingeschlossen. den Verletzung gefunden werden. Bei Dashboard Injuries,
– In die Subgruppe der Becken-C3-Verletzungen wer- d. h. einer axialen Krafteinwirkung auf die untere Extre-
den im hinteren Beckenring beidseits vorliegende C- mität bei sitzenden Patienten, sind für den Beckenring
Instabilitäten eingeschlossen (Abb. 19.7, Abb. 19.9, Verletzungen im Sinne eines Open-Book-Mechanismus
Abb. 19.10). zu erwarten (Abb. 19.5, Abb. 19.6, Abb. 19.11). Alternativ
bzw. in Kombination können Femurfrakturen sowie Frak-
Das Vorliegen weiterer Frakturen bzw. Instabilitäten im turen der hinteren Wand des Azetabulums vorliegen.
Beckenring wird in der AO-Klassifikation für alle 3 Durch eine laterale Gewalteinwirkung auf das Becken
Hauptgruppen durch weitere Unterteilungen der Sub- entstehen Verletzungen im Sinne eines lateralen Kom-
gruppen mit entsprechenden Faktoren beschrieben. pressionsmechanismus. Dabei kommt es zu einer Kom-
482 19 Beckenringverletzungen

Abb. 19.10 Ein Becken mit Dislokation in


allen drei Achsen. Jede Achse hat eine
Translations- und eine Rotationsdislokation.
x-Achse: Translation Impaktion/Diastase
Rotation Flexion/Extension
y-Achse: Translation kranial/kaudal
19 Rotation Innenrotation/
Außenrotation
z-Achse: Translation anterior–posterior
Rotation Abduktion/Adduktion

a b

Abb. 19.11 Beispiel einer „Open book“-Instabilität AO B1.1 b Das axiale Schichtbild des CTs bestätigt die Intaktheit der
durch a.–p. Kompressionsmechanismus. posterioren iliosakralen Bänder.
a Die Verletzung ist durch eine Symphysensprengung über
2,5 cm Dehiszens und einen ventral erweiterten Iliosakralge-
lenkspalt charakterisiert.

pression des hinteren Beckenrings auf der Seite der Ge- Konservative Behandlung
walteinwirkung mit einer Kompression des vorderen Be-
ckenrings. Bei entsprechender Ausprägung der Gewalt- Typ-A-Beckenverletzungen werden überwiegend konser-
einwirkung kann diese auf der Gegenseite zu einer Ver- vativ behandelt. Dabei ist das Ziel, unter suffizienter An-
letzung im Sinne eines Open-Book-Mechanismus führen algesie den Patienten mit Teilbelastung der betreffenden
(Abb. 19.12). Becken-C-Verletzungen entstehen überwie- Beckenhälfte zu mobilisieren. Zum Teil können auch Be-
gend durch einen vertikalen Schermechanismus. Das cken-B2-Verletzungen bei einer geringen Kompression
heißt, eine plötzliche starke Krafteinwirkung auf die ge- im hinteren Beckenring und damit verbundener geringer
streckte Hüfte führt zu einer Scherbelastung im hinteren Schmerzhaftigkeit konservativ behandelt werden. In die-
Beckenring, welcher eine ein- oder beidseitige Becken-C- sen Fällen wird der Patient ebenfalls unter suffizienter
Verletzung bzw. als Sonderform einen Ausbruch der pro- Analgesie mit Teilbelastung der verletzten Beckenhälfte
ximalen Os-sacrum-Anteile im Sinne einer beidseitigen an Unterarmgehstützen bzw. beim älteren Menschen
C-Verletzung nach sich ziehen kann. Becken-C-Verletzun- häufig im Gehwagen oder Rollator mobilisiert. Die Teil-
gen treten gehäuft bei Mehrfachverletzungen bzw. Poly- belastung sollte je nach Frakturtyp und Gesamtsituation
traumata durch Verkehrsunfälle oder den Sturz aus gro- zwischen 4 und 8 Wochen dauern. Zwischenzeitlich sind
ßer Höhe auf. Kontrollröntgenaufnahmen zu empfehlen, um bei persis-
tierenden Schmerzen bzw. sekundär aufgetretenen Dis-
Indikationen für die operative Behandlung 483

19

a b

Abb. 19.12 Beispiel einer Becken-C1.3-Verletzung links bei b Die axiale Schichtung im CT zeigt die komplette vertikale
kompletter lateraler Sakrumfraktur. und horizontale Instabilität.
a In der 3D-Rekonstruktion ersichtliche Innenrotationsdefor-
mität des linken Hemipelvis.

lokationen ggf. erneut eine Operationsindikation abklä- Die operative Therapie von instabilen Beckenverletzun-
ren zu können. Bei den relativ seltenen Avulsionsfraktu- gen (AO B- und C-Verletzungen) erfolgt aufgrund des ge-
ren des Sitzbeins oder der Spina ilica anterior superior häuften Auftretens im Rahmen von Mehrfachverletzun-
bzw. inferior kann es trotz eines stabilen Beckenrings zu gen oder Polytraumata zumeist im Rahmen des Poly-
einer deutlichen Dislokation der knöchernen Fragmente traumamanagements. Hierbei werden 4 Phasen unter-
kommen. In der Literatur sind hierzu keine eindeutigen schieden:
Empfehlungen bezüglich eines operativen oder konser- In Phase 1, d. h. 1 – 3 Stunden nach Eintreffen im Kran-
vativen Vorgehens ersichtlich. kenhaus (ATLS, Akut- und Reanimationsphase), erfolgt
Bei gering dislozierten oder impaktierten Beckenfrak- die primäre Sicherung der Vitalparameter, die Anlage er-
turen, welche radiologisch und klinisch stabil sind, ist forderlicher Zugänge sowie die Diagnostik. Liegt im Rah-
eine konservative Therapie mit Teilbelastung von 6 – 8 men eines Polytraumas mit einer grob dislozierten Be-
Wochen indiziert. Sollte es zu keiner weiteren Dislokati- cken-C-Verletzung eine hämodynamische Instabilität
on in den Röntgenkontrollen kommen, werden nachfol- vor, steht neben konservativen komprimierenden Maß-
gend eine schmerzadaptierte allmähliche Aufbelastung nahmen am Becken als operative Notfallstabilisierung
sowie die aktive Intensivierung der physiotherapeuti- die Anlage einer Beckenzwinge zur Verfügung. Durch
schen Nachbehandlung empfohlen. die Anlage einer Beckenzwinge ist es möglich, durch per-
Bei Beschwerdepersistenz unter konservativer Thera- kutan seitlich in die Os coxae eingebrachte kräftige Pins
pie ist ein CT durchzuführen, um eine Beteiligung des beide Beckenhälften zusammenzudrücken, um damit das
hinteren Beckenrings im Sinne einer B-Verletzung aus- intrapelvine Volumen zu reduzieren. Damit wird die
zuschließen bzw. nachzuweisen. Selbsttamponade aktiver Blutungen aus Frakturflächen
des Beckens, aus den mitverletzten venösen Plexus im
Bereich des posterioren Beckenrings sowie aus den peri-
Indikationen für die operative pelvinen Weichteilen unterstützt. Ziel dieser Notfallmaß-
Behandlung nahme ist es, durch die Stabilisierung des Beckenrings die
Gesamtsituation des Patienten stabilisieren zu können.
Die Indikation für eine operative Behandlung bei Becken- In Phase 2 des Polytraumamanagements, der Stabilisie-
ringverletzungen betreffen jeden Patienten mit erfolg- rungsphase von der 3. bis zur 72. Stunde nach Eintreffen
loser konservativer Therapie sowie Patienten mit instabi- im Krankenhaus, wird nach Analyse der vorliegenden
len Beckenringverletzungen oder ausgeprägten traumati- Verletzungen des Patienten und der Gesamtsituation ein
schen Fehlstellungen (Abb. 19.13 und Abb. 19.14). Avulsi- Therapieplan mit Priorisierung der operativen Eingriffe
onsverletzungen sollten, wie schon erwähnt, von Fall zu erstellt. Wenn nicht schon in Phase 1 die Anlage einer
Fall beurteilt werden. Bei einer Dislokation von weniger Beckenzwinge erforderlich war, wird in Phase 2 bei in-
als 1 cm ist entsprechend dem Gesamtzustand des Pa- stabilen Beckenringverletzungen als schneller und siche-
tienten und dem vor dem Unfall vorliegenden Aktivitäts- rer Eingriff zur mechanischen Stabilisierung des Becken-
level eine Operationsindikation abzuwägen. rings überwiegend ein Fixateur externe angelegt. Dieser
kann als perkutan eingebrachter supraazetabulärer Fixa-
484 19 Beckenringverletzungen

troperitoneums eine Laparotomie erforderlich, kann sich


auf dem operativen Rückzug die direkte Stabilisierung
des vorderen Beckenrings durch eine Plattenosteosynthe-
se bei Symphysenruptur anbieten.
Phase 3: Die frühsekundäre endgültige Osteosynthese
19 bei Beckeninstabilitäten erfolgt überwiegend in Phase 3
des Polytraumamanagements d. h. zwischen dem 3. und
10. Tag nach Einlieferung ins Krankenhaus. Je nach Vor-
liegen der Instabilität wird die Indikation zur inneren
Osteosynthese getroffen. Becken-B-Instabilitäten mit er-
haltener vertikaler Stabilität des posterioren Beckenrings
können zu einem großen Teil mit einer Stabilisierung des
vorderen Beckenrings ausbehandelt werden. Dabei kom-
men neben dem Belassen des Fixateur externe über 4
Wochen, Plattenosteosynthesen bei Symphysenruptur
bzw. Frakturen des vorderen Beckenrings in Betracht.
Abb. 19.13 Eine a.–p. Aufnahme einer jungen Frau mit sig- Bei einfachen Frakturen im Bereich des oberen Scham-
nifikanter Innenrotationsdeformität des linken Hemipelvis. Ini- beinasts ist eventuell eine Schraubenosteosynthese als
tial war die Deformität minimal, nahm jedoch unter konser- perkutane ggf. navigationsgestützte minimalinvasive
vativer Therapie über einige Wochen zu. Sie hatte eine Beinlän- Technik möglich. Die Schraube kann dabei von dorsola-
gendifferenz und sichtbare Asymmetrie der linken ventralen teral d. h. kranial des Azetabulums eingebracht werden
Beckenhälfte. Die weißen Hilfslinien verdeutlichen die Media-
oder in der überwiegenden Anzahl von ventral, d. h.
lisierung des Hüftdrehzentrums und die Verkürzung des linken
Beines. durch einen symphysennahen Eintrittspunkt in den obe-
ren Schambeinast.
Für den posterioren Beckenring stehen verschiedene
Operationstechniken zur Auswahl. Mit dem Ziel der Re-
duktion sekundärer Wundheilungsstörungen durch ein
zusätzliches operatives Trauma nach Beckenringverlet-
zungen mit traumatischen Weichteilschaden werden zu-
nehmend minimalinvasive Osteosynthesetechniken am
Beckenring angewendet. Für iliosakrale Instabilitäten
kann bei Becken-C-Instabilitäten bzw. Schmerzpersistenz
bei Becken-B-Verletzung eine Iliosakralschraubenosteo-
synthese indiziert sein. Auch hier lässt sich durch Anwen-
dung von Navigationssystemen die Präzision erhöhen
und die Strahlenbelastung für Patient und Operateur re-
duzieren.
Bei Becken-C-Instabilitäten im posterioren Beckenring
ist unter Berücksichtigung der Gesamtsituation des Pa-
Abb. 19.14 Intraoperative a.–p. Aufnahme der Patientin von tienten überwiegend eine innere Osteosynthese indiziert.
Abb. 19.13 nach Korrektur der Innenrotationsdeformität mit Neben der Iliosakralverschraubung stehen die ventrale
Fixateur externe. Der Fixateur wurde mit einem schrägen Kraft- Plattenosteosynthese des posterioren Beckenrings über
vektor angelegt, um das linke Hemipelvis nach lateral und dis- einen ilioinguinalen Zugang (erstes Fenster) sowie ins-
tal zu drücken. Offset und Beinlänge wurden linksseitig damit besondere bei Trümmerzonen im Bereich des lateralen
wiederhergestellt, wie die weißen Hilfslinien zeigen.
Os sacrums bzw. der transforaminalen Region (Zone 1
und 2 nach Dennis) posteriore Techniken zur Verfügung.
Nach offenem Débridement bei Kompromittierung der
teur externe eingebracht werden. Nur wenn keine wei- Nervenwurzeln durch Knochenfragmente ist neben
teren schweren Verletzungen bei einer insgesamt stabi- einer Distraktionsspondylodese, d. h. der Abstützung der
len Gesamtsituation des Patienten vorliegen, ist in dieser unteren Lendenwirbelsäule auf die posterioren Anteile
frühen Phase eine endgültige Stabilisierung durch eine des Os ilium durch ein Fixateur-interne-System, eine pos-
innere Osteosynthese möglich. Bei Verletzungen im Be- teriore Plattenosteosynthese oder eine Kombination ver-
reich der Iliosakralfuge bzw. einfachen Frakturen im Be- schiedener Techniken inklusive der Iliosakralverschrau-
reich des Os sacrum hat sich dafür die perkutane Stabili- bung möglich. Je nach vorliegender Frakturmorphologie
sierung des hinteren Beckenrings durch Iliosakralschrau- und Weichteilschädigung ist die Indikationsstellung indi-
ben bewährt. Ist bei abdominellen Verletzungen bzw. viduell zu treffen.
Blutungen im Bereich des Bauchraums und/oder des Re-
Operative Behandlung 485

In modern ausgestatteten Operationszentren stehen tienten eher gering. So wird, wie bereits beschrieben,
dem Operateur als Ergänzung zum konventionellen klas- der Fixateur externe meistens in der akuten Stabilisie-
sischen operativen Vorgehen zusätzliche intraoperative rung von instabilen Beckenfrakturen sowie hämodyna-
Visualisierungsmöglichkeiten wie 3D-Bildwandler sowie misch instabilen Patienten mit einem systolischen Blut-
Orientierungsoptimierungen durch den Einsatz von Navi- druck unter 90 mmHg verwendet.
gationssystemen zur Verfügung. Je nach gewähltem ope- Im Folgenden werden die Techniken für die Platzierung 19
rativen Vorgehen und Erfahrung des Operateurs lässt sich eines ventralen Fixateur externe bzw. einer Beckenzwin-
damit die operative Präzision erhöhen, die Weichteil- ge beschrieben. Die Verwendung des ventralen Fixateur
schädigung durch den operativen Eingriff verringern externe ist ein sicherer schneller Eingriff und vielen Trau-
und die Röntgenbelastung insbesondere für den Opera- matologen vertraut. Trotzdem kann diese Technik bei
teur reduzieren. vollständig instabilem Becken nicht immer eine adäquate
posteriore Stabilisierung gestatten. Gewöhnlich wird ein
Fixateur externe bestehend aus 2 – 4 Pins verwendet. Bei
der Platzierung ist hierbei auch eine mögliche Fehlstel-
lung des Beckens zu beachten. So sollte die Inzision z. B.
Operative Behandlung
bei einer Außenrotationsfehlstellung eher medialseitig
erfolgen, um die Spannung der Haut nach Reposition zu
Verletzungen des vorderen Beckenrings
reduzieren.
Symphysensprengungen (Video 19-1, DVD 2) Für die Anlage eines supraazetabulären Fixateur exter-
ne wird jeweils eine Stichinzision ca. 2 cm kranial und
Symphysensprengungen von mehr als 2,5 cm stellen eine 1 cm lateral der Spina iliaca anterior inferior eingebracht.
Indikation für eine operative Behandlung dar. Das Osteo- Nach stumpfer Präparation mit einem Trokar auf die Be-
syntheseverfahren kann dabei in der Anlage eines Fixa- ckenkante oberhalb der Spina iliaca anterior inferior wird
teur externe wie auch in der Durchführung einer Platten- über den Gewebeschutz in Richtung auf die Spina ischia-
osteosynthese bestehen. Bei einer externen Transfixation dica ca. 5 cm tief vorgebohrt und ebenfalls über den Ge-
sollte das Augenmerk auf dem hinteren Beckenring lie- webeschutz eine Schanz-Schraube von 5 bzw. 6 mm Stär-
gen, um keine posteriore Bandverletzung zu übersehen ke eingebracht. Zum Aufsuchen des Eintrittspunkts und
und somit eine posteriore Fehlstellung zu erzeugen zur Kontrolle der korrekten Platzierung wird mit dem
(Abb. 19.15). Ein weiteres Problem stellen Pin-Infektionen Bildwandler in a.–p., Ala- und Obturator-Projektion kon-
und Hautnekrosen bei adipösen Patienten dar. Letztend- trolliert. Beide Schanz-Schrauben werden mit einem Fi-
lich ist die Akzeptanz eines Fixateur externe, welcher xateur-externe-Gestänge verbunden, welches bei Poly-
entweder von ventral oder durch eine Beckenzwinge traumapatienten zeltförmig Raum für zu erwartende Vo-
von dorsolateral angelegt werden kann, durch den Pa- lumenzunahmen des Abdomens gibt. Im Bereich des su-

a b

Abb. 19.15 Beispiel eines Versagens eines anterioren Fixateur b Die Röntgenkontrolle nach Fixateur-Anlage zeigt die unzurei-
externe zur Stabilisierung des posterioren Beckenrings. chende Stabilisierung mit persistierender Dislokation des Ilio-
a Die initiale a.–p. Aufnahme zeigt ein instabiles rechtes He- sakralgelenks (breiter weißer Pfeil). Die Coils nach Embolisation
mipelvis mit weiter Dislokation der rechten Iliosakralfuge (brei- der rechten A. iliaca interna sind ebenfalls ersichtlich (dünner
ter weißer Pfeil). Es finden sich auch gering dislozierte Fraktu- weißer Pfeil).
ren des vorderen Beckenrings, im Bild links unten teilweise zu
sehen. Der Patient war hämodynamisch instabil und wurde mit
dem Fixateur primär versorgt.
486 19 Beckenringverletzungen

praazetabulären Knochens wird hier ein exzellenter Halt speziellen Beachtung, da sich eine Überkompression für
erzielt, sodass dadurch auch eine Kompression des hin- den Patienten nachteilig auswirken kann.
teren Beckenrings erzeugt werden kann. Ein Nachteil die- Folgende Technik zur Platzierung einer Beckenzwinge
ser Technik besteht darin, dass eine Adduktions- bzw. wird empfohlen: In Rückenlage wird unter Bildwandler-
Abduktionsrotationsfehlstellung mit jeweils nur einem kontrolle zuerst seitlich eine Linie von der Spina iliaca
19 Pin auf jeder Seite des Beckens schwerer korrigiert wer- anterior superior zur Spina iliaca posterior superior ge-
den kann. zogen. Diese Linie wird nachfolgend gedrittelt, sodass
Zur Anlage eines Fixateur externe in die Christa iliaca eine Stichinzision auf Höhe des Übergangs vom posterio-
ist zuerst eine Stichinzision ca. 2 – 2,5 cm posterior der ren zum mittleren Drittel durchgeführt werden kann
Spina iliaca anterior superior durchzuführen, welche bis (Abb. 19.16). Zudem befindet sich der Eintrittspunkt an-
auf den Beckenkamm unter stumpfer Präparation fort- näherungsweise auf einer Linie mit dem Trochanter
gesetzt wird. Lateralseitig besitzt die Beckenschaufel major des ipsilateralen Femurs. Anschließend erfolgt
hier häufig einen Absatz. Anschließend hilft die stumpfe dann eine stumpfe Präparation mit der langen Klemme
Platzierung eines Kirschner-Drahts entlang des inneren auf den Knochen, sodass der laterale Kortex der Becken-
Kortex der Beckenschaufel zur Bohrwinkelbestimmung schaufel getastet werden kann. Durchbohrte Pins gestat-
im Bereich des Tuberculum glutaeum medium, wo die ten die Positionierung von Kirschner-Drähten, über wel-
ideale Platzierung der vorderen Pins erfolgen sollte. che nach Kontrolle des korrekten Eintrittspunkts mit dem
Durch das gebohrte Führungsloch an der Spitze des Be- Bildwandler die Pins sicher angesetzt werden können
ckenkamms wird eine Schanz-Schraube zentriert in die und das Risiko der Perforation der Darmbeinschaufel in
Beckenschaufel eingedreht. Falls diese das Becken verlas- instabilen Bereichen vermieden werden kann. Die Pins
sen sollte, besteht immer noch ein fester bikortikaler Sitz. werden dann nach manueller Kompression und ggf. Re-
Die zweite Schanz-Schraube wird in simultaner Art und position des Beckens mit einem Bügel passgenau fixiert.
Weise ca. 4 cm weiter posterior in die Christa iliaca einge- Der angelegte Bügel besitzt zudem eine durchbohrte
bracht. Die Pins jeder Seite werden dann miteinander Schraube, die mit einem Schraubenschlüssel angezogen
verbunden, darüber als Joysticks die Beckenhälften repo- wird, um zusätzliche Kompression auf den hinteren Be-
niert und das Becken dann mit einem dritten Gestänge in ckenring ausüben zu können. Initialer Zug bei komplett
regelrechter Stellung transfixiert. instabilem Becken ist häufig im Rahmen der Reposition
Bei hämodynamisch instabilen Patienten müssen die vor der Kompression hilfreich (Abb. 19.17).
Kraftverhältnisse für eine Reposition genau verstanden Wie bereits beschrieben, stellt Überkompression eine
sein, um die Stabilisierung des hinteren Beckenrings zur potenzielle Komplikation dar, sodass nach Anlage der Be-
Blutungskontrolle erreichen zu können (6). Durch eine ckenzwinge eine radiologische Verlaufskontrolle erfor-
Kombination von Zug entweder in voller Extension oder derlich ist. Bedenken bestehen bei diesem Vorgehen in
Flexion der Hüfte von ungefähr 45° mit simultaner Kom- der Hinsicht, dass die posterioren Pins im Rahmen einer
pression des hinteren Beckenrings lässt sich normaler- anschließenden endgültigen Versorgung des hinteren Be-
weise eine akzeptable Reposition des Beckens erzielen. ckenrings z. B. mittels transiliosakraler Schraubenosteo-
Ein häufiger Fehler besteht hier jedoch in einer zu star- synthese zu einer möglichen Infektion führen können.
ken ventralen Kompression mit einhergehender Flexions- Trotz 20 dokumentierter Fälle, in denen sich keine sekun-
und Innenrotationsfehlstellung, sodass eine Öffnung im
Bereich des hinteren Beckenrings entsteht (s. Abb. 19.15).
In der akuten Behandlungsphase dienen die Reposition
Spina iliaca
und Stabilisierung des hinteren Beckenrings der Redukti- Spina iliaca anterior
on des Beckenvolumens und damit der Gesamtstabilisie- posterior superior
rung des Patienten (10). Nach Abschluss der Reposition superior
lässt sich durch Anziehen der Backen des Fixateur exter-
ne eine relative Stabilität der Beckenhälfte erzielen, wel-
che durch Anlage eines zweiten Gestänges weiter verbes-
sert wird. Um spätere Hautlazerationen oder Infektionen
zu vermeiden, wird die Haut um die Pins herum bis zur
Spannungsfreiheit inzidiert.
Die Beckenzwinge bietet im Vergleich zum Fixateur
externe den Vorteil einer besseren posterioren Stabilisie-
rung. Kontraindikationen für die Verwendung einer Be- Abb. 19.16 Die Idealposition zur Pin-Insertion für die posterio-
ckenzwinge bestehen in einer Fraktur der Beckenschaufel re Beckenzwinge liegt auf einer Linie von der Spina iliaca ante-
ventralseitig des Iliosakralgelenks, da eine Kompression rior superior zur Spina iliaca posterior superior, am Übergang
dieses Gelenks zu keiner Reposition der Beckenschaufel vom mittleren zum posterioren Drittel dieser Linie. Damit be-
führt. Trümmerfrakturen des Sakrums bedürfen einer findet sich der Eintrittspunkt annäherungsweise auf einer Linie
mit dem Trochanter major des ipsilateralen Femurs.
Operative Behandlung 487

dären Infektionen nach transiliossakraler Schraubenos- gang nach Pfannenstiel verwendet. Die Längsinzision
teosynthese zeigten, bleibt ein gewisses Restrisiko beste- wird dabei in den meisten Fällen als Verlängerung einer
hen. explorativen Laparatomie bei intraabdomineller Patholo-
Symphysensprengungen werden häufiger durch ein of- gie durch den Viszeralchirurgen durchgeführt. Häufiger
fenes Vorgehen mit Reposition und innerer Osteosynthe- wird dagegen der Pfannenstiel-Zugang benutzt, welcher
se versorgt. Hierzu wird neben der Längsinzision der Zu- 1 cm oberhalb der Symphyse auf einer Länge von unge- 19

a b

Abb. 19.17 Beispiel für die Anwendung einer Beckenzwinge. b Klinisches Bild mit externer Beckenzwinge während einer
Der Patient wurde von einer Maschine eingeklemmt und war späteren Operation. Aufgrund des posterioren Weichteilscha-
hämodynamisch instabil. dens wurde keine innere Osteosynthese des hinteren Becken-
a Das a.–p. Röntgenbild unter Reanimation zeigt eine Pin-Plat- rings durchgeführt und ein Fixateur externe zur Unterstützung
zierung beidseits im hinteren Ilium. der posterioren Beckenzwinge angelegt.

Inzision der Faszie


des M. rectus abdominis
Hautinzision

Lig. inguinale

a
Chevron-Fasern

Abb. 19.18 Zugang zur Symphysenverplattung. b Die beiden Muskelbäuche des M. rectus abdominis werden
a Pfannenstiel-Schnitt einen Finger breit oberhalb der Symphy- anhand des V-förmigen Verlaufs der Chevron-Fasern identifi-
se. ziert und geteilt.
488 19 Beckenringverletzungen

Abb. 19.19 Gewöhnlich werden


Zurückhalten die Seiten nacheinander exploriert,
der wobei der M. rectus abdominis mit
Blase einem Hohmann-Haken von der
Oberseite des Schambeinasts weg-
gehalten wird, unter Schutz der
19 Blase mit einen verformbaren
Retraktor.

fähr 10 cm verläuft (Abb. 19.18). Ein kritischer Gesichts- der Zange kann hier jedoch eine anatomische Reposition
punkt im Rahmen der Präparation besteht in der Unver- erzielt werden. Der Knorpel zwischen den Schambeinäs-
sehrtheit des Ansatzes des M. rectus abdominis an den ten wird folgend belassen und nicht débridiert. Falls
Schambeinästen. So ist zumeist eine adäquate Darstel- keine ausreichende Reposition möglich ist, kann unter-
lung und Reposition der Fraktur ohne weitere Verletzung stützend von ventral eine Farabeuf- oder Jungbluth-
des Ansatzes durchführbar. Eine Durchtrennung des Mus- Zange entweder mit einer 4,5- oder 3,5-mm-Repositions-
kelansatzes im Rahmen des Zugangs kann jedoch eine schraube angelegt werden (Abb. 19.21). Bei kompletten
postoperative Beschwerdesymptomatik für den Patienten Beckenringunterbrechungen mit posteriorer Dislokation
zur Folge haben. Oftmals ist ein Teil des Muskels trauma- einer Seite muss die dislozierte Beckenhälfte nach ventral
tisch bedingt bereits abgelöst, sodass eine Rekonstruktion reponiert werden, wobei hier normalerweise eine Jung-
sowie eine distale Reinsertion erforderlich sind. Nach bluth-Zange erforderlich ist. Im Falle großer Repositions-
Darstellung der Faszie, welche die beiden Köpfe des M. kräfte kann eine zusätzliche Haltemutter auf das äußere
rectus abdominis bedeckt, kann die Mittellinie zwischen Ende der Repositionsschraube gesetzt werden, um ein
den V-förmig verlaufenden Muskelfasern identifiziert Ausreißen zu verhindern und somit eine suffiziente Fixa-
werden. Die Trennung der beiden Muskelköpfe erfolgt tion aufrechtzuerhalten. Die zusätzliche Verschiebung der
anschließend nach mittiger Inzision. Nachfolgend wird vorderen Schambeinäste während der Repositions-
der M. rectus abdominis vom Oberrand der beiden obe- manöver kann zu weiteren Schädigungen des Ansatzes
ren Schambeinäste mit dem Elektrokauter medialseitig des M. rectus abdominis wie auch der Bandaufhängun-
sowie mit dem Rasparatorium lateralseitig gelöst, wobei gen des Penis führen. Deshalb sollten die beschriebenen
die anteriore Insertion belassen wird. Hohmann-Hebel zusätzlichen Schritte nur durchgeführt werden, wenn die
unterhalb des Rektus verbessern hierbei die Exposition, initiale Reposition misslingt.
ebenso wie die Verhinderung einer Verletzung der Blase Nach erfolgter suffizienter Reposition ist dann eine
(Abb. 19.19). Alternativ können Bauchtücher zwischen Überprüfung des hinteren Beckenrings auf Stabilität
Symphyse und Blase eingelegt werden, welche gleicher- durchzuführen und zu dokumentieren. Bezüglich einer
maßen Schutz und ein Zurückhalten der Blase gewähr- Plattenosteosynthese der Symphyse existieren verschie-
leisten. dene Ansätze. Neben einer Zweilochplatte werden Vier-
Sobald die oberen Anteile der Schambeinäste präpa- loch- bzw. Sechslochplatten mit Großfragmentschrauben
riert sind, wird die Symphyse mittels spitz-spitzer Repo- bzw. Kleinfragmentschrauben verwendet. Vom Autor
sitionszange reponiert, welche durch die vorderen Antei- wird eine gebogene Sechslochplatte entweder mit 3,5-
le des M. rectus abdominis auf die Tuberkel der Scham- oder 4,5-mm-Schrauben bevorzugt. Die Platte wird
beinäste platziert wird (Abb. 19.20). Kleine Löcher kön- dabei auf dem Oberrand der Schambeinäste platziert. Zu-
nen hierzu in den Knochen gebohrt werden, um einen sätzlich kann eine zweite Platte im 90°-Winkel von ven-
festeren Sitz der Repositionszange sicherzustellen. Häufig tral für eine stabilere Osteosynthese verwendet werden.
besteht neben einer Außenrotationsverletzung eine Ex- In der akuten Versorgung wird dieses Verfahren jedoch
tensions- bzw. Flexionsfehlstellung des Beckens. Mithilfe nicht angewendet (9). Bei schlechter Adaptation ist dieser
Operative Behandlung 489

Abb. 19.20 Eine Weber-Zange


kann oberflächlich am Ansatz des
M. rectus abdominis zur Repositi-
on der Symphyse platziert werden.

19

a
b

Abb. 19.21 b Reposition der posterioren Dislokation und der Symphysen-


a Platzierung der Jungbluth-Zange zur Reposition einer poste- diastase mit der Jungbluth-Zange.
rioren Translationsdislokation bei einer Kombination aus Sym-
physen- und kompletter Iliosakralfugeninstabilität.
490 19 Beckenringverletzungen

Ansatz dagegen gelegentlich erforderlich (5). Die obere ringverletzung und simultaner Schambeinastfraktur mit
Platte wird ungefähr um 15° bis jeweils zum letzten einer Diastase größer als 1,5 cm als Zeichen einer Ruptur
Loch am Übergang vom Schambein zum Schambeinast der Fascia iliopectinea angewendet. Da eine Ruptur der
nach unten gebogen. Diese anatomische Neigung der Fascia iliopectinea zu einer größeren Instabilität der
Schambeinäste tritt über dem Foramen obturatum ein. Schambeinastfraktur führt, ist hier eine operative Stabili-
19 Schrauben, die in das Schambein gedreht werden, kön- sierung indiziert.
nen bis zu 90 mm lang sein. Im Bereich des Foramen Alternativ kann zur weiteren Stabilisierung eine
obturatorium sind diese normalerweise mit einer Länge Schraube vom Schambeintuberkel in den supraazetabu-
von 20 – 30 mm deutlich kürzer. lären Knochen eingebracht werden (13). Dieses Verfahren
Der Zeitpunkt einer Versorgung von assoziierten Ver- einer intramedullären Schraubenplatzierung erfordert je-
letzungen des Urogenitaltrakts wird kontrovers dis- doch ein gewisses Maß an intraoperativer Erfahrung im
kutiert. Häufig wird eine Versorgung der Urethra durch Umgang mit dem Bildwandler, um eine Gelenkperforati-
die Urologie erst mehrere Monate nach der initialen Zer- on zu vermeiden. Eine nach kranial gekippte Obturator-
reißung durchgeführt. In diesen Fällen ist die Anlage Aufnahme ermöglicht hier die Darstellung des Knochen-
eines suprapubischen Blasenkatheters erforderlich, der korridors, in welchen die Schraube sicher eingedreht
jedoch mit einem hohen Risiko von Infektionen einher- werden kann. Die Anwendung von Navigationssystemen
geht. Eine Tunnelung abseits der Symphysensprengung kann eine bessere Visualisierung und Orientierung ge-
ist hier hilfreich, um eine Kontamination der Wunde zu statten.
verhindern. In den meisten Fällen kann jedoch eine Ure- Der Zeitpunkt der Osteosynthese wird kontrovers dis-
terozystoskopie mit Wiederherstellung der Urethra über kutiert und sollte patientenspezifisch geplant werden.
einen Foleykatheter erfolgen. Hierbei handelt es sich um Eine frühestmögliche Reposition durch offene oder ge-
das empfohlene und wenn möglich durchzuführende schlossene Techniken gestaltet sich häufig einfacher in
Vorgehen. Eine verzögerte Reposition und Refixation ist der Durchführung. Eine initiale Stabilisierung mittels Fi-
im Falle einer Urinleckage ins Becken indiziert, um eine xateur externe oder transiliosakraler Schraubenosteosyn-
Infektion zu verhindern. Hier ist eine Zeitspanne von these ermöglicht zudem ein sehr gutes postoperatives
3 – 5 Tagen nach Verletzung der Urethra empfohlen, um Ergebnis. Wenn jedoch eine anatomische Reposition mit
eine Plattenosteosynthese der Symphyse durchzuführen. geschlossenen Techniken nicht erreicht werden kann, ist
Intraperitoneale wie auch extraperitoneale Rupturen der die offene Reposition vor Erlangung einer hämodyna-
Blase sollten dagegen simultan mit der Symphyse ver- mischen Stabilität oft mit einem großen Blutverlust und
sorgt werden. daraus resultierender erhöhter Sterblichkeit verbunden.
Allgemein ist bei hämodynamisch instabilem Patienten
Schambeinastfrakturen (Video 19-2, DVD 2) sowie mechanisch instabilem Becken die initiale Stabili-
sierung mittels Fixateur externe, Beckenzwinge oder zu-
Die meisten Schambeinastfrakturen werden konservativ mindest die Beckenkompression mit einem Laken im
therapiert. Hierzu zählen ebenso Schambeinastfrakturen Schockraum empfohlen. Falls der Patient wegen weiterer
mit simultaner Verletzung des hinteren Beckenrings ohne Notfallindikationen in den Operationssaal verbracht wer-
nennenswerte Einschränkungen (9, 11). Obwohl die Os- den sollte, kann dort simultan die Anlage eines Fixateur
teosynthese dieser Frakturen die Stabilität des Beckens externe sowie zusätzlich die geschlossenen Reposition
erhöhen würde, kann darauf normalerweise verzichtet und perkutane Fixierung des hinteren Beckenrings erfol-
werden. Eine operative Versorgung ist dagegen bei einer gen.
Perforation von Vagina oder Blase im Sinne einer Innen- Geschlossene anatomische Repositionen sind nach 24 h
rotationsverletzung, bei einer Innenrotationsfehlstellung zunehmend erschwert. Gelegentlich wird eine Plattenos-
einer Beckenhälfte von mehr als 30° sowie bei Beinlän- teosynthese der Symphyse simultan mit einer explorati-
gendifferenzen von mehr als 1 cm indiziert. In diesen ven Laparotomie kombiniert, um eine zusätzliche Stabili-
Fällen gestattet die Anlage eines Fixateur externe unter tät des vorderen Beckenrings zu gewährleisten. Eine mi-
Durchführung einer Außenrotation die Reposition der nimale ventrale Gradabweichung kann sich hierbei pos-
Schambeinäste (s. Abb. 19.13 und Abb. 19.14). Wahlweise teriorseitig in eine mehr als 1 cm messende Fehlstellung
kann auch der Pfannenstiel-Zugang in einen modifizier- fortsetzen. Idealerweise ist nach initialer Stabilisierung
ten Zugang nach Stoppa ausgeweitet werden, wie dieser des Patienten sowie ausgeglichener Flüssigkeitsbilanz
bei der Versorgung hoher Schambeinastfrakturen mittels eine endgültige Versorgung nach 5 – 7 Tagen durchzufüh-
Platte verwendet wird (12). Im Rahmen dieses modifi- ren.
zierten Zugangs kann eine Platzierung von Platten im
Bereich vom einen Iliosakralgelenk über die Symphyse
zum kontralateralen Iliosakralgelenk erfolgen. Der Unter-
schied beim Zugang nach Stoppa besteht gegenüber dem
konventionellen Vorgehen in einer innenseitigen Platten-
lage. Diese Versorgung wird bei einer hinteren Becken-
Operative Behandlung 491

Verletzungen des hinteren Beckenrings


(Video 19-3, DVD 2)

Fehlstellungen des Iliosakralgelenks


(Video 19-4, DVD 2)
19
Eine suffiziente radiologische Diagnostik und Auswer-
tung der Aufnahmen ist vor der Durchführung eines ven-
tralen oder posterioren Zugangs bei Verletzungen des
hinteren Beckenrings erforderlich. Daher ist neben
einem CT eine exakte Positionierung des Beckens im
a.–p. bzw. seitlichen Strahlengang sowie ggf. bei der An-
fertigung von Inlet- bzw. Outletaufnahmen notwendig,
um die Reposition und Fixiation exakt beurteilen zu kön-
nen.
Bei vielen Beckenverletzungen kann vor allem die Re-
position des Iliosakralgelenks bzw. des hinteren Becken-
rings vor der geplanten Osteosynthese sehr anspruchsvoll
sein. Innerhalb der ersten 48 h nach der Verletzung ist
hier eine Versorgung mittels geschlossener Reposition Abb. 19.22 Die L 5-Nervenwurzel (dünne Pfeile) verläuft an
der Vorderseite des Os sacrum 2 cm medial des Iliosakralge-
oft noch möglich. Geeignete Techniken beinhalten
lenks, zu erkennen an der schimmernden Iliosakralgelenkkap-
neben dem Zug auch die Anlage eines Fixateur externe. sel.
Zusätzliche Pins im Bereich des anterior-inferioren Be-
ckenkamms können zudem eine geeignete Repositions-
hilfe darstellen. Wenn dadurch jedoch keine anatomische
Stellung zu erzielen ist oder mehr als 48 h seit dem Trau- Problem besteht jedoch häufig in einem traumaassoziier-
ma vergangen sind, besteht die Indikation zur offenen ten posterioren Weichteilschaden, der ein operatives Pro-
Reposition. cedere verhindert. Zudem ist das Iliosakralgelenk im Ver-
Bei der endgültigen Versorgung von Verletzungen des gleich zum ventralen Vorgehen nicht adäquat einsehbar.
Iliosakralgelenks kommen neben der perkutanen trans- Der posteriore Zugang ist bei sakralen Frakturen und so-
iliosakralen Schraubenosteosynthese insbesondere auch genannten Crescent-Frakturen, die posterior des Ilio-
die Plattenosteosynthese zur klinischen Anwendung. Ab- sakralgelenks im Bereich der Beckenschaufel verlaufen,
hängig von der Frakturmorphologie erfolgt ein ventraler wie auch bei der Notwendigkeit der Dekompression von
oder posteriorer Zugang. Vorteile beim ventralen Vor- Nervenwurzeln indiziert.
gehen bestehen in der besseren Darstellbarkeit des Ge- Der anteriore Zugang erfolgt in Rückenlage. Das Bein ist
lenks sowie in der Rückenlagerung des häufig mehrfach so abgedeckt, dass eine freie Flexion im Hüftgelenk sowie
verletzten Patienten. Nachteilig erschwert wird hier je- eine Entspannung des M. iliopsoas möglich ist. Ebenso
doch die Reposition einer nach posterior dislozierten Be- muss diese Lagerung die Manipulation für die Reposition
ckenhälfte. So kann häufig nur durch manuelle Unterstüt- erlauben. Der häufig durchgeführte chirurgische Zugang
zung eine adäquate osteosynthetische Versorgung durch- eröffnet das iliakale Fenster (erstes Fenster des ilioingui-
geführt werden. Ein zusätzliches Problem besteht beim nalen Zugangs). Der Zugang beginnt am anterior- supe-
Auftreten von sakralen Frakturen, die nicht von ventral rioren Beckenkamm und verläuft an diesem bis dieser
angegangen werden können. Zudem ist die Nervenwurzel nach posterior nicht mehr zu tasten ist. Der Zugang
von L 5 ggf. darzustellen und zu schonen (Abb. 19.22). Der wird bis auf den iliakalen Beckenkamm herunter präpa-
ventrale Zugang ist bei ausgedehnten posterioren Weich- riert. Der tendinöse Anteil zwischen der Abdominalmus-
teilverletzungen ebenso wie bei polytraumatisierten Pa- kulatur und den Abduktoren wird scharf inzidiert. Ver-
tienten, die nicht in Bauchlage gelagert werden können, meiden sollte man die Inzision von Muskelgewebe. In
indiziert. vielen Fällen überlappen sich die zu den Abdominalmus-
Der posteriore Zugang ermöglicht dagegen eine Repo- keln gehörenden Muskelanteile. Diese würden bei der
sition des hinteren Beckenrings mittels Repositionszan- direkten Präparation durchtrennt, würde der Operateur
gen. Davon profitieren vor allem Patienten, die ein langes direkt auf den Beckenkamm hinunter schneiden. Um das
Intervall zwischen Trauma und endgültiger Versorgung zu vermeiden, ist es besser den Schnitt am iliakalen Be-
aufweisen. Auch besteht bei diesem Vorgehen eine gerin- ckenkamm, weiter lateral und etwas inferior zwischen
gere Gefahr einer Verletzung der Nervenwurzel von L 5. dem Ansatz der Hüftabduktoren und den Abdominal-
Ein weiterer Vorteil ergibt sich durch die Vielzahl von muskeln durchzuführen. Werden die anatomischen Ge-
verfügbaren Techniken mit Iliosakralschrauben, Platten gebenheiten berücksichtigt, werden bei dieser Technik
oder Stäben sowie lumbopelviner Fixierung. Ein primäres keine Muskeln geschädigt, und der spätere Wiederver-
492 19 Beckenringverletzungen

schluss kann leichter durchgeführt werden. Dieses vor- stellt und parallel zum Iliosakralgelenk eingebracht wer-
sichtige Vorgehen empfiehlt sich insbesondere bei den. Sobald die anterior-inferiore Platte fixiert ist, kann
schlanken Patienten. Wenn der iliakale Beckenkamm dar- sie durch eine zweite mehr posterior-superior angelegte
gestellt ist, werden der M. iliopsoas und der M. iliacus Platte ergänzt werden. Für eine leichtere Operationstech-
subperiostal von der Innenseite der Beckenschaufel bis nik wurden speziell vorgebogene Platten für diese Region
19 zum Iliosakralgelenk mobilisiert. Sobald das Iliosakralge- hergestellt. Ihre Überlegenheit muss sich allerdings erst
lenk palpiert werden kann, muss vorsichtig weiter über in der operativen Anwendung beweisen.
die das Iliosakralgelenk überspannenden Bänder präpa- Für den posterioren Zugang sollte der Patient in Bauch-
riert werden, um einen Zugang zur Nervenwurzel L 5 des lage auf einem röntgendurchlässigen Tisch gelagert wer-
Plexus sakralis zu erreichen. Diese Nervenwurzel liegt ca. den. Das Becken soll so gelagert sein, dass entsprechende
2 – 3 cm medial, oberhalb des Iliosakralgelenks. Wenn Inlet- und Outletaufnahmen durchgeführt werden kön-
man auf dem Os sacrum nach unten tastet, überkreuzt nen. Die Lagerung erfordert häufig 15 cm dicke Lage-
die Wurzel L 5 das Iliosakralgelenk. Wegen dieser ana- rungskissen unter den Oberschenkeln, um eine Abkip-
tomischen Gegebenheiten ist ein vorsichtiges Präparieren pung des Beckens zu vermeiden und eine gute radiologi-
gefordert, um einen Schaden von L 5 mit den zugehörigen sche Einstellbarkeit zu gewährleisten. Für die bessere
Ausfällen zu vermeiden. Wenn 2 cm des Sakrums einseh- Ventilation in Bauchlage werden häufig weitere Kissen
bar sind, kann ein scharfer Hohmann-Haken als stummer ergänzt. Die Entscheidung für den posterioren Zugang
Diener in das Sakrum platziert werden, um eine gute sollte von der Situation der Weichteile abhängig gemacht
Sicht auf das Iliosakralgelenk zu ermöglichen. Zug und werden. Ein immer wieder gesehenes Problem ist hier
Elongation der Nervenwurzel (L 5) müssen auf ein Mini- das Décollement des Haut-Subkutan-Komplexes (Morel-
mum reduziert bleiben, um spätere Lähmung und Miss- Lavallée-Läsion) von der Faszie durch die Lagerung. In ca.
empfindungen zu vermeiden. Wie bereits erwähnt, kann ⅓ der Fälle tritt hier eine Infektion auf (14). Die Morel-
die Reposition des Iliosakralgelenks problematisch sein. Lavallée- oder Décollementverletzung benötigt ein
Eine mitunter hilfreiche Technik besteht in der Verwen- gründliches Débridement und eine Entnahme von Abstri-
dung einer Jungbluth-Zange zur Manipulation und Repo- chen vor einer endgültigen Refixierung. Falls sich bei Er-
sition von Symphysensprengungen. Zusätzlich kann mit öffnen der Hämatomhöhle makroskopisch kein Infekt
einer Farabeuf-Zange die iliakale Beckenschaufel gefasst zeigt, wird eine Refixierung mit anschließend enger Wi-
werden, um eine Rotation und Kompression des Ilio- ckelung durchgeführt. Bevor die OP beginnt, wird wieder-
sakralgelenks zu erreichen. Dies kann ebenso mit einem holt mit dem C-Bogen die adäquate Positionierung des
Fixateur extern erreicht werden oder durch die Applika- Patienten und die Durchführbarkeit von Inlet-/Outletauf-
tion eines Pins, der in den Beckenkamm appliziert als nahmen sowie seitlichen und a.–p. Aufnahmen überprüft.
Joystick benutzt wird. Die Einbringung von Zangen kann Der Hautschnitt beginnt 1 cm lateral des posterosupe-
in diesem OP-Gebiet sehr schwierig sein. In manchen rioren Beckenkamms und wird nach kaudal in einer ge-
Fällen, vor allem bei sehr dünnen Menschen, ist die Ent- raden Schnittführung von der Beckenkante bis zur Mitte
spannung des M. psoas durch Hüftbeugung in Kombina- des Gesäßes hinab geführt. (Abb. 19.23). Nach dem
tion mit einer Farabeuf- oder Jungbluth-Zange notwen- Schnitt durch die Haut erreicht man die Faszie des M.
dig. Diese wird das Iliosakralgelenk überspannend einge- gluteus maximus. Diese Faszie ist sehr dünn und im
bracht, um eine Reposition zu ermöglichen. Ist die ana- Falle einer Durchtrennung schwer zu adaptieren. Bei die-
tomische Reposition erreicht, können unterschiedliche sem Zugang liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Präpara-
Fixationsverfahren durchgeführt werden. Das Einbringen tion und Darstellung eines Vollhautlappens. Der M. glu-
von Iliosakralschrauben von anterior ist eine sehr an- teus maximus entspringt vom iliakalen Beckenrand
spruchvolle Technik. Durch die richtige Lagerung und Po- sowie der lumbodorsalen Faszie. Ein gerades Durchtren-
sitionierung, unterstützt durch das Anheben des Beckens nen bis auf den Rand des posterosuperioren Becken-
mit Tüchern und Kissen, kann der Patienten auf einem kamms würde den M. gluteus maximus durchtrennen.
röntgendurchlässigen OP-Tisch platziert werden. Sobald Kommt es zur unachtsamen Durchtrennung des Muskels,
das Iliosakralgelenk dargestellt ist, besteht eine weitere ist die spätere Readaptation und damit die Bedeckung des
Versorgungsoption in der Platzierung zweier Osteosyn- posterosuperioren Beckenkamms sehr schwierig. Außer-
theseplatten mit 4,5 bzw. 3,5 mm Stärke. Die Platten soll- dem besteht eine höhere Prävalenz für Wunddehiszen-
ten orthogonal (90°) zueinander eingebracht werden. Die zen. Ein schwieriger, jedoch essenzieller Schritt beim
beste Knochenverankerung findet sich in der Belegung posterioren Zugang besteht in der Hebung des M. gluteus
der Randkante mit Schrauben, wo der Knochen am här- maximus als intakter Lappen durch die Ablösung von der
testen ist und eine Dreilochplatte mit einer Schraube im iliosakralen Faszie. Gelingt dies, schafft man sich einen
Sakrum und den zwei weiteren Schrauben im Os ilium deutlich leichteren und sichereren Wiederverschluss des
befestigt wird. Der Operateur muss sich bewusst sein, geöffneten Iliosakralgelenks und verringert die Gefahr
dass das Becken schräg nach medial (ca. 10°) verläuft. von Infektionen deutlich (15).
Zur Vermeidung von Schraubenfehllagen mit Störung Wenn der gesamte Ursprung des M. gluteus maximus
des Iliosakralgelenks müssen die Schrauben exakt einge- dargestellt ist, wird der Muskel zusammen mit der lum-
Operative Behandlung 493

Hautinzision
Faszie des
M. thoracolumbalis
Spina iliaca
posterior
superior 19
Linea
glutealis
posterior
und
Muskel

Foramen
ischiadica
mit Inhalt

a b

Abb. 19.23 b Die Haut sowie der M. gluteus maximus werden von der
a Beim posterioren Beckenzugang beginnt der Hautschnitt glutealen bzw. der lumbodorsalen Faszie abgehoben.
1 cm lateral und 2 cm oberhalb der Spina iliaca posterior supe-
rior und verläuft über den mittleren Gesäßabschnitt.

bodorsalen Faszie vom Beckenkamm abgehoben. Dies er- rior dargestellt werden kann und der lange Anteil des
laubt eine gute Übersicht auf das Sakrum und die Incisura Iliosakralgelenks davor zu sehen ist.
ischiadica. An der Kurvatur des Sakrums wird der laterale Die Reposition des Iliosakralgelenks ist der schwie-
Anteil des M. piriformis als Leitstruktur nach unten bis rigste Teil in der Versorgung dieser Verletzungen
zur lateralen Grenze des Os sacrum verfolgt. Das Ablösen (Abb. 19.24). Die Zangen, die hierbei Verwendung finden,
des M. piriformis beginnt distal und wird nach proximal sind unter anderem die gebogene Matta-Zange, die über
fortgeführt, wodurch die darunter liegenden Strukturen den Gelenkspalt eingebracht wird, sodass eine Branche
vor iatrogener Verletzung geschützt werden (16). Ein Teil auf dem Sakrum und die andere Branche auf der Außen-
des M. piriformis inseriert am anterioren Sakrumrand; seite der iliakalen Beckenschaufel fasst. Die Platzierung
der laterale Anteil wird gelöst, hierdurch ermöglicht unterstützt die Vermeidung von externen Rotationsfeh-
man das Platzieren von Repositionszangen über den Ge- lern sowie der Diastase des Iliosakralgelenks. Unterstützt
lenkspalt. Der M. gluteus maximus wird am lateralen wird das Vorgehen durch eine weitere Weber-Zange, die
posterioren Anteil der iliakalen Beckenschaufel abgelöst. von der posterosuperioren Christa zum Processus spino-
Knochenfragmente und verletztes Gewebe werden sus des Os sacrum eingebracht wird und die etwaige
vom Gelenk entfernt, und ein fächerförmiger Spreizer Kranialisierung und Innenrotationsfehler der Beckenhälf-
für eine bessere Übersicht eingesetzt. Eine vorsichtige te vermeidet. Die Kombination der beiden Zangen und
Verwendung des flächigen Spreizers ist wichtig, da eine die richtige Platzierung reichen in der Regel, um eine
übermäßige Öffnung/Spreizung des Iliosakralgelenks eine anatomische Reposition durchzuführen (Abb. 19.25). Bei
Schädigung des lumbosakralen Plexus verursachen kann. Sakrumfrakturen kann die Positionierung zumindest
Als goldene Regel sei darauf verwiesen, dass niemals der einer Branche der gebogenen Matta-Zange auf dem Wir-
chondrale Anteil des Iliosakralgelenks débridiert wird. belkörper S 1 die Reposition deutlich erleichtern (13). Um
Hingegen werden freiliegende Knorpelstückchen ent- dies sicher durchführen zu können, wird der anteriore
fernt. Sobald das Iliosakralgelenk in seinen posterioren Aspekt des Os sacrum medial der Fraktur palpiert und
Anteilen gesäubert ist, wird ein kleiner Teil des Gelenks zwischen dem Wirbelkörper S 1 und S 2 unter Schonung
visualisiert und für die Überprüfung der Reposition ge- der Nervenwurzel eingebracht. Beim Einbringen sollte
nutzt. Es gibt eine konkave Oberfläche im Bereich des die Zange an der Innenseite des Chirurgenfingers hinun-
Sakrums, die genau in eine korrespondierende konvexe ter gleiten, um richtig auf dem Wirbelkörper platziert zu
Fläche des Os ilium passt. Das Iliosakralgelenk hat eine L- werden. Auf diesem Weg vermeidet man eine Verletzung
förmige Konfiguration, wobei das Ende der L-Basis poste- der neurovaskulären Strukturen. Der Schlüssel zum Er-
494 19 Beckenringverletzungen

19

Abb. 19.24 Platzierung der Repositionszangen zur Reposition de wird bei bestehenden iliosakralen Gelenkinstabilitäten bzw.
von vertikalen Dislokationen der Beckenschaufel. Diese Metho- bei Sakrumfrakturen verwendet.

Sakroiliakalgelenk
(gestrichelte Linie)

Linea glutealis
anterior

Fossa
iliaca

Spina
ischiadica

sakrales
Promontorium

Spina iliaca posterior inferior

Abb. 19.25 Zwei Blickwinkel, die die sichere Platzierung der wird bei iliosakralen Gelenkinstabilitäten und Sakrumfrakturen
Repositionszange für die Korrektur einer Diastase oder Rotati- angewendet .
onsdislokation der Beckenschaufel erlauben. Diese Methode
Operative Behandlung 495

folg bei der Reposition liegt in der richtigen Platzierung schaufel beginnt (Ende des Iliosakralgelenks). An diesem
der Zangen und der damit möglichen Krafteinleitung. Die Kreuzungspunkt sollte einige Millimeter nach posterior
häufigsten Repositionsfehler bei hinteren Beckenverlet- (in den Bereich des Iliosakralgelenks) in Richtung des
zungen bestehen in kranialisierten und nach posterior flacheren Anteils der iliakalen Beckenschaufel die erste
translozierten Diastasen sowie Rotationsfehlstellungen der beiden Iliosakralschrauben unter Bildwandlerkon-
(6). Translationsfehler können häufig korrigiert werden, trolle gebohrt werden. Sobald die Bohrung in der seitli- 19
Rotationsfehler hingegen bleiben häufig bestehen. Die chen, der Inlet- und der Outletaufnahme kontrolliert
Feinmanipulation an den Repositionszangen ermöglicht wurde, beginnt man mit der Bohrung unter Verwendung
häufig die Verbesserung der Repositionsqualität eines osszilierenden Bohrers, um die Haptik zu verbes-
(Abb. 19.26). sern und um sicherzustellen, dass nur 3 der 4 Kortizes
Sobald die anatomische Reposition in der Inlet- und durchbohrt werden. Der Autor empfiehlt die Benutzung
Outlet- sowie a.–p. und seitlichen Aufnahme erreicht ist, eines 3,2-mm-Bohrers unter osszilierendem Vortrieb. Die
werden Iliosakralschrauben als primäres Fixationskon- 3 Kortizes, die durchbrochen werden, sind der äußere
strukt eingebracht (Abb. 19.26). Eine Verplattung zur Ver- und innere Kortex der Beckenschaufel sowie der innere
spannung des hinteren Beckenrings kann alternativ Kortex des Os sacrum. Nach dem Durchbrechen des drit-
durchgeführt werden. Hierbei werden vor allem die 14- ten Kortex soll der Bohrer im Knochen verbleiben, und es
bis 16-Loch-Rekonstruktionsplatten verwendet, welche muss darauf geachtet werden, dass nicht der vierte Kor-
auch eingeschoben werden können. Die Platzierung er- tex durchbohrt wird. Hierbei empfiehlt es sich, den Bild-
folgt am superioren Anteil der Incisura ischiadica unter wandler zu nutzen und durch a.–p., Inlet- und Outletauf-
dem posterior-superioren Beckenkamm. Diese Plattenos- nahmen die korrekte Lage sicherzustellen bzw. nach
teosynthesen werden vor allem bei offenen Os-sacrum- Möglichkeit ein Navigationssystem zu verwenden.
Frakturen, massiver Osteoporose sowie als Verstärkung Wenn der Bohrer korrekt im S 1-Wirbelkörper platziert
für Iliosakralschrauben verwendet. Wie bereits erwähnt ist, verbleibt er in dieser Position, und durch eine weitere
sind die Iliosakralschrauben der wichtigste Stabilisator laterale Aufnahme wird die präzise Lage überprüft. Die
bei einer hinteren Beckenfraktur. Die richtige Platzierung laterale Aufnahme ist ein wichtiger Schritt in der Opera-
der Iliosakralschrauben erfordert genaue anatomische tion, da sie schwerwiegende Komplikationen verhindert.
Kenntnisse des hinteren Beckenrings und kann durch Ein Bohrer desselben Durchmessers wird zur Bestim-
die Anwendung von Navigationssystemen unterstützt mung der Schraubenlänge benutzt, indem der außen lie-
werden. Bei ungenauer Iliosakralschraubenplatzierung gende Teil gemessen und hierdurch die Länge der Boh-
steigen die Morbidität und Mortalität signifikant an. Den- rung ermittelt wird. Der erste Bohrer wird in seinem
noch bleibt die exakte Platzierung der Iliosakralschrau- Bohrloch belassen und ein zweiter für die zweite Schrau-
ben variabel und ist abhängig von der knöchernen Ana- be unter Bildwandlerkontrolle sicher eingebohrt. Die
tomie (z. B. Os-sacrum-Dysplasie, Lumbalisationen des beste Lage für die zweite Schraube ist etwas weiter kra-
S 1-Wirbels oder ein signifikant abgeschrägtes Sakrum; nial und anterior zur ersten Schraube. Es gibt unter-
Abb. 19.27, Abb. 19.28, Abb. 19.29). Einige Autoren sehen schiedliche Schrauben, darunter durchbohrte und nicht-
den weiter posterioren Zugang dem anterioren Zugang durchbohrte sowie Vollgewinde- und Teilgewindeschrau-
überlegen, da der weiter hinten liegende Zugang weiter ben. Der Autor nutzt in den meisten Fällen normale
entfernt vom anterior liegenden Knorpel des Iliosakral- Spongiosaschrauben mit geringer Gewindelänge. Der
gelenks liegt. Dies trifft möglicherweise bei Verletzungen schwächste Punkt der Schraube liegt zwischen dem An-
des Iliosakralgelenks zu. Die Schrauben sind hierbei je- fang des Gewindegangs und dem Schraubenhals. Bei der
doch kürzer und entfalten den Hauptteil ihrer Wirkung Applikation muss darauf geachtet werden, dass der Ge-
im Flügel des Sakrums, welcher deutlich schwächer ist als winde-Hals-Übergang möglichst weit vom Gelenkspalt
der Knochen des S 1-Wirbels. Die Autoren bevorzugen die entfernt ist, um die Gefahr von Schraubenbrüchen zu
Applizierung der längeren Schraube in den S 1-Wirbel- reduzieren und die bestmögliche Verankerung im Kno-
körper unter der Annahme, dass der robusteste Knochen chen zu erreichen. Ein eher theoretischer Nachteil bei
in der oberen Deckplatte des S 1-Wirbels zu finden ist. der Verwendung von Teilgewindeschrauben besteht in
Die Verwendung durchbohrter Schrauben ermöglicht der Gefahr von Hyperkompressionen auf den Frakturspalt
dem Operateur eine bessere perkutane Applikation. Die mit einer möglicherweise daraus resultierenden Nerven-
größte Schwäche hierbei ist die fehlende haptische Di- schädigung. Nach Erfahrung des Autors bei mehr 100
mension bei der Verwendung von Bohrdrähten. durchgeführten Iliosakralverschraubungen ist nicht ein
Die intraoperative Bildwandlerkontrolle in der a.–p., Fall von Nervenschädigung bekannt. Um einen Einbruch
Inlet-, Outlet- und seitlichen Projektion ist bei der Appli- des Schraubenkopfs durch die Kortikalis zu vermeiden,
kation der Iliosakralschrauben entscheidend (Abb. 19.29). ist die Verwendung einer Unterlegscheibe zu empfehlen.
Der vom Autor bevorzugte Startpunkt bei der Applikation Zusätzlich kann bei Vorliegen entsprechender anatomi-
der Schrauben ist die Kreuzung einer imaginären Linie scher Voraussetzungen des Patienten eine transsakrale
von der hinteren oberen Grenze der Incisura ischiadica Schraube durch den Wirbelkörper S 1 von der einen Be-
mit der Linie, an der der abfallende Winkel der Becken- ckenschaufel zur anderen eingebracht werden. Hierbei ist
496 19 Beckenringverletzungen

19

a b

c d

e f

Abb. 19.26 Beispiel des posterioren Zugangs zum Iliosakral- richtung. Beachte die Kranialisierung des linken hinteren Be-
gelenk zur Reposition bei kompletter Zerreißung des Iliosakral- ckenkamms. Die Einzeichnung der Hautinzision verläuft etwas
gelenks (Fall von P. J. Kregor, MD). nach lateral versetzt.
a A.–p. Röntgenaufnahme eines verletzten Beckens. Eine leich- d Eine Inzision auf die Muskelfaszie wird durchgeführt. In die-
te, rechtsseitige Dislokation und Erweiterung des Gelenkspalts sem Beispiel zeigt sich eine leichte Décollementverletzung. Der
sowie eine rechtsseitige Fraktur des Os pubis sind zu erkennen. M. gluteus maximus wird nach lateral mobilisiert, um freie
Ebenfalls zeigt sich eine komplette Zerreißung des linken Ilio- Sicht auf das Iliosakralgelenk zu ermöglichen. Der M. gluteus
sakralgelenks in Kombination mit einer vertikalen Kranialisie- maximus inseriert an der lumbodorsalen Faszie über dem Os
rung der linken Beckenschaufel. sacrum am iliakalen Beckenkamm. Der Ursprung wird durch
b Computertomografische Darstellung der zuvor im Röntgen- die gepunktete Linie verdeutlicht.
bild erkennbaren Verletzung. e In diesem Beispiel werden zwei spitze Repositionszangen
c Ein posteriorer Zugang wurde gewählt, um die Verletzung eingesetzt, um die Reposition zu erreichen. In vielen Fällen
des Iliosakralgelenks zu berücksichtigen. Der Blickwinkel ent- wird ebenfalls eine Repositionszange vom posterioren Becken-
spricht der Sichtlinie des auf der linken Seite des Patienten kamm zum anterioren Anteil des Os sacrum eingebracht.
stehenden Chirurgen. Der Patient liegt in Bauchlage auf f Die gewünschte Reposition wird vom Chirurgen mit dem
einem röntgendurchlässigen OP-Tisch, mit dem Kopf in Gegen- Zeigefinger kontrolliert.
Operative Behandlung 497

19

Abb. 19.26 (Fortsetzung)


g Die richtige Reposition wird durch Inlet- und Outletaufnah-
men mit dem Bildwandler überprüft.
h Das Loch für die Iliosakralschraube wird unter Bildwandler-
kontrolle gebohrt. Das Bohrloch erlaubt die taktile, manuelle
Kontrolle der Bohrung in das Sakrum. k
i Man versichert sich der richtigen Platzierung des Bohrlochs
durch wiederholte bildwandlergestützte Inlet-, Outlet- und seit-
liche Aufnahmen.
j Die weiter anteriore Iliosakralschraube wird durch eine kleine
Hautinzision eingebracht.
k Die Bildwandlerkontrolle wird zur Bestätigung der regelrech-
ten Reposition und Schraubenplatzierung genutzt. Beispiel des
posterioren Zugangs zum Iliosakralgelenk für eine Reposition
und Fixierung bei kompletter Zerreißung.

Fortsetzung Abbildung ▶
498 19 Beckenringverletzungen

19

l m

Abb. 19.26 (Fortsetzung) m Postoperatives Röntgenbild des Beckens. Das rechte Ilio-
l Der M. gluteus maximus wird durch mehrere resorbierbare sakralgelenk wurde in dieser Versorgung nicht berücksichtigt,
Nähte verschlossen. Vor dem Hautverschluss wird eine Saug- da eine nur minimale Verschiebung bestand.
drainage eingelegt.

a b

Abb. 19.27 Beispiel einer hinteren Plattenosteosynthese zur b Inletaufnahme des Beckens, welche die Stabilisierung zeigt.
Verspannung (Fall von D. Templeman, MD und A. Schmidt, Es zeigt sich eine geringe verbliebene Innenrotation der Be-
MD). ckenschaufel, die möglicherweise durch den hinteren Zugang
a Ein a.–p. Röntgenbild des Beckens mit einer posterioren Sta- nicht perfekt reponiert werden kann.
bilisierung durch eine solche Platte in Kombination mit Ilio-
sakralschrauben.

eine sehr präzise Vorgehensweise notwendig, um eine te man auch treu bleiben, wenn Azetabulumfrakturen
sichere Platzierung zu gewährleisten. Eine transsakrale vorliegen. Die Reposition des hinteren Beckens erleichtert
Schraube kann gegebenenfalls die vertikale Stabilität er- die Reposition des Azetabulums. In manchen Fällen er-
höhen und die vertikale Migration verringern; hierdurch folgt die Stabilisierung jedoch zuerst anterior. Hierbei
wird die Möglichkeit von Fehlstellungen bei Trümmer- zeigt sich, dass selbst ein paar Millimeter anteriore Rota-
brüchen des Os sacrum deutlich reduziert (16). Eine Wir- tionsfehlstellung im posterioren Segment zu zentimeter-
belkörperschraube in S 2 kann in manchen Fällen ver- großen Fehlstellungen führen. Aus diesem Grund ist die
wendet werden, um eine ausreichende Stabilität zu errei- posteriore Fixation der anterioren vorzuziehen. Die
chen. Die richtige Platzierung einer S 2-Schraube ist tech- Hauptkomplikation, die man im Auge behalten muss,
nisch anspruchsvoll und abhängig von der Pedikelgröße wenn man die Iliosakralschraube einbringt, ist die Verlet-
in S 2. A.–p., Inlet-, Outlet- und seitliche Aufnahmen wer- zung der L 5-Nervenwurzel. Beim unvorsichtigen Vor-
den verwendet, um vor der Applikation der Schraube die gehen können mitunter Bohrdraht, Bohrer oder Schraube
anatomische Reposition sicherzustellen. Im Allgemeinen so eingebracht werden, dass der Beginn zwar im soliden
muss darauf hingewiesen werden, dass bei vertikal insta- Knochen im Bereich des Kreuzbeinflügels beginnt (Be-
bilen Beckenverletzungen die hintere Reposition Vorrang reich der L 5-Nervenwurzel), dann den Knochen jedoch
vor der Versorgung der vorderen hat. Diesem Prinzip soll- wieder verlässt und in S 1 wieder eintritt. Deshalb ist
Operative Behandlung 499

obere Gelenkfacette Abb. 19.28 Fehlplat-


des Sakrums zierungen von Ziel-
Cauda equina
bohrdrähten oder
Schrauben können de-
oberes
saströs sein. Zu weit
Iliosakralgelenk
posteriore Implantate
können die Nerven- 19
wurzeln, zu weit ante-
riore die Nerven (L 5)
oder Gefäße (sakraler
Venenplexus, Becken-
vene/-arterie) schädi-
gen.

A. + V. iliolumbalis A. + V. iliaca externa


S1
Truncus N. sacralis medialis, A. + V. iliaca interna
lumbosacralis A. rectalis superior

Kreuzbeinfrakturen – Fehlstellungen des


Iliosakralgelenks
40° von
kaudal Kreuzbeinfrakturen können über den anterioren Zugang
erreicht werden. In den meisten Fällen wird die Fraktur
jedoch schwierig zu erkennen sein (z. B. wenn die Sa-
krumfraktur weit medial oder die Kreuzbeinfraktur weit
posterior zum Iliosakralgelenk ist). In diesen Fällen emp-
fiehlt der Autor auch hier den posterioren Zugang, wenn
es die Weichteilverhältnisse zulassen. Dieser Zugang er-
a.–p. laubt eine direkte Visualisierung des Frakturgebiets, das
entweder hinter dem Iliosakralgelenk bzw. am hinteren
Anteil des Iliosakralgelenks beginnt. In manchen Fällen
können frakturierte Teile des Os ileum in Verbindungen
zum Os sacrum verbleiben und durch restliche Bänder
zusammenhängen, sodass die Fraktur nach der Repositi-
on und Fixation stabil ist (Abb. 19.30). Die Schwierigkeit
bei Kreuzbeinfrakturen ist das Erreichen einer guten Re-
40° von
kranial
position. Die Deformität, die die größte Komplikation
darstellt, ist die Innen- oder Außenrotationsfehlstellung
einer Beckenhälfte, welche durch den hinteren Zugang
sehr schwer zu korrigieren ist. Repositionstechniken, die
unter Verwendung von Zangen, Kirschner-Drähten, Pins
und Joysticks durchgeführt werden, können die Repositi-
on des Iliosakralgelenks und der Fraktur ermöglichen.
Abb. 19.29 Zwei sicher implantierte Iliosakralschrauben bei
einer Sakrumfraktur.
Der Operateur startet mit der Reposition der posterio-
a Inletaufnahme. ren Kreuzbeinfraktur und der iliakalen Beckenschaufel.
b A.–p. Aufnahme. Der Knochen der posterioren, iliakalen Beckenschaufel
c Outletaufnahme. ist in seinen höher gelegenen Anteilen weicher und
schwächer. Aus diesem Grund wird in der gängigen Re-
positionsmethode die Verwendung kleiner Klämmchen
neben der haptischen Kontrolle die radiologische Darstel- als Schraubenhalter (Farabeuf/Jungbluth) favorisiert, die
lung beim Durchbohren der 3 Kortizes wichtig, um der- so platziert werden, dass sie kopfwärts am Oberrand der
artige Komplikationen zu vermeiden. Incisura ischiadica eingebracht werden, sodass eine Fixie-
rung ober- und unterhalb möglich bleibt und die Ver-
ankerung der Repositionsschraube in stabilem Knochen
geschieht, der den Kräften der anatomischen Reposition
500 19 Beckenringverletzungen

19

a
b

c d

e f

Abb. 19.30 Beispiel einer Iliosakraldislokation nach lateraler c Outletaufnahme der Verletzung.
Kompressionsverletzung. d A.–p. Aufnahme mehrere Monate nach Reposition und Refi-
a A.–p. Ansicht der Verletzung. Beachte, dass die posteriore xation des posterioren Iliums mit einer Vierlochrekonstrukti-
Beckenschaufelfraktur auf dieser Aufnahme möglicherweise onsplatte und zwei Zugschrauben. Beachte, dass der vordere
schwer zu erkennen ist. Das rechte Hemipelvis steht initial in Beckenring keiner weiteren Fixation bedarf.
einer Rotationsfehlstellung und ist leicht gekippt, ebenfalls zei- e Inletaufnahme mehrere Monate postoperativ.
gen sich Frakturen aller Schambeinäste. f Outletaufnahme mehrere Monate postoperativ.
b Die Kreuzbeinfraktur kann gut auf der Inletaufnahme er-
kannt werden.
Operative Behandlung 501

standhalten kann. Die obere Grenze der Incisura ischia- Sakrumfrakturen


dica hat eine sehr solide Knochenstruktur, die eine siche-
re Fixierung erlaubt. Abhängig von der Größe der Kreuz- Wie aus den Darstellungen der beiden vorherigen poste-
beinfraktur und dem Frakturmechanismus ist die Fraktur rioren Verletzungen zu erkennen ist, sind Sakrumfraktu-
entweder stabil oder instabil. Initiale Repositionstech- ren mitunter schwer einzustellen und zu reponieren
niken verwenden häufig 2 Farabeuf-Zangen, eine wird (Abb. 19.31). Unter Verwendung der beschriebenen Tech- 19
nahe dem Kamm und eine nah an der Inzisur einge- nik kann eine anatomische Reposition erreicht werden.
bracht. Jeweils eine 3,5-mm-Schraube wird von beiden Die Inzidenz neurologischer Verletzungen steigt bei Kom-
Seiten mit Versatz an der Frakturlinie eingebracht, sodass binationsverletzungen mit Beteiligung des Os sacrum. Ei-
nach dem Einbringen der Schrauben der Bruch reponiert nige Operateure sind der Meinung, dass die Verwendung
wird. Nachdem die Fraktur behutsam débridiert wurde, von Zugschrauben mit Teilgewinde die Kompression des
wird die Farabeuf-Zange so lange manipuliert, bis eine Os sacrum erhöhen und die Verletzung neurologischer
anatomische Reposition erreicht ist. Falls sich bei diesem Strukturen begünstigen würde. Bei über 100 Patienten,
Repositionsversuch Schwierigkeiten auftun, wird eine ge- die bei Sakrumfrakturen mit Iliosakralschrauben versorgt
bogene Matta-Zange durch die Inzisur eingebracht, eine wurden, berichtet der Autor über keine einzige iatrogen
Branche auf dem Sakrum und die andere Branche auf der herbeigeführte Nervenverletzung unter der Verwendung
Beckenschaufel. Die Zange kann nun die Beckenhälfte di- von Zugschrauben. Der operative Zugang zu Sakrumfrak-
rigieren und nach innen oder nach außen rotieren lassen, turen ist gleich dem Zugang für die Versorgung von Ilio-
abhängig von der Repositionsrichtung. Der vorsichtige sakralgelenkinstabilitäten, wie sie zuvor beschrieben
Einsatz der Matta-Zange verhindert das Verblocken für wurden. Die Sakrumfrakturlinie wird unter besonderer
die Fixation. Im Allgemeinen platziert der Autor die Schonung der Nervenwurzeln débridiert. Die Verwen-
Zange eher über dem Ischiasaustritt, sodass im Folgenden dung einer Weber-Zange und einer gebogenen Matta-
eine Platte in stabilem Knochen platziert werden kann. Zange durch die Notch erlaubt die anatomische Repositi-
Die zweite Zange wird höher, jedoch nicht am höchsten on (s. Abb. 19.25; 6, 16). Bei Sakrumfrakturen muss die
Punkt des Beckenkamms eingesetzt, um auch hier das Branche der gebogenen Matta-Zange medial des Fraktur-
sichere Verankern einer Platte zu ermöglichen. Wenn verlaufs liegen. Der Zeigefinger des Operateurs wird zwi-
die Schrauben als Zugschrauben gesetzt werden, muss schen der Nervenwurzel von S 1 und S 2 auf dem Wirbel-
sich der Operateur über den schrägen Verlauf der Frak- körper S 1 platziert. Die Branchenrückseite der Zange
turlinie im Klaren sein, um nicht den Zug zu blockieren. wird entlang des Fingers hinab geführt, bis sie auf dem
Wenn die Reposition erreicht ist, sichern temporäre An- Wirbelkörper S 1 platziert ist, und man versichert sich
kerschrauben das Erreichte, bis die Platte endgültig ein- erneut des guten Haltes, bevor die Reposition durch-
gebracht ist. In manchen Fällen werden Fixateurplatten geführt wird. In gleicher Weise wie bei den Iliosakralge-
für die Unterstützung der Reposition verwendet, um lenkinstabilitäten muss der Operateur mindestens 2 Zan-
Knochenanteile in bestimmte Richtungen zu ziehen gen in kombinierter Form benutzen. Vorsichtig werden
oder zu schieben. Die Sicherungsschrauben werden von die Spitzen betont unter Druck eingesetzt, bis die ana-
posterior-superior iliakal in Richtung der anterioren ilia- tomische Reposition erreicht ist. Sakrumfrakturen mit
kalen Wirbelsäule eingebracht und weisen mitunter eine starker Fragmentierung benötigen in manchen Fällen
Länge von 130 mm auf. Die Sicherungsschrauben werden eine ergänzende Unterstützung neben den Iliosakral-
häufig von 2 Platten unterstützt. Die Plattengröße ist ab- schrauben. In diesen Fällen benutzt der Autor eine pos-
hängig vom Frakturausmaß. Das am weitesten hinten lie- teriore Platte als Verspannung, welche von der einen Be-
gende Loch der Platte wird um 90° geschränkt, damit es ckenschaufel zur korrespondierenden Beckenschaufel
über den Kamm des Iliums zu liegen kommt. Eine Siche- reicht. Wie bereits erwähnt wird eine 14- bis 16-Loch-
rungsschraube kann hier eingebracht werden, die zwi- platte kaudal der posterior-superioren Spina iliaca einge-
schen der inneren und äußeren Kortikalis des Os iliums bracht (genau über der Grenze der Incisura ischiadica),
zu liegen kommt. Vorsicht ist geboten, um nicht weitere zwischen den Processus spinosi des Os sacrum, sodass die
Schraubenplätze mit der Plattenlage zu behindern. So- Platte nicht prominent aufträgt und 3 sichere Schrauben
bald die Sicherungsschraube eingebracht ist, wird die in jeden Beckenflügel eingebracht werden können. Die
Platte gesetzt und weitere Schrauben können an beiden Platte liegt etwas unterhalb der Rückenmuskulatur mit
Seiten der Fraktur eingebracht werden. Der Autor präfe- einer beckenwärts geneigten Verschränkung der Platte.
riert 3,5-mm-Schrauben und 3,5- bis 4,5-mm-Rekon- Normalerweise verwendet der Autor eine Platte mit je-
struktionsplatten. Sobald die Kreuzbeinfraktur reponiert weils 3 Löchern lateral und medial des Iliosakralgelenks-
ist, wird die Stabilität des Iliosakralgelenks evaluiert. In spalts. Die dritte Schraube vom Ende jeder Seite wird
vielen Fällen besteht eine adäquate Stabilität mit der Os- zwischen die 2 Kortizes der Beckenschaufel geschraubt.
teosynthese der Kreuzbeinfraktur und das Iliosakralge- Diese Schrauben können 130 mm Länge übersteigen. Die
lenk bedarf keiner weiteren Stabilisierung (Abb. 19.30 f). Platte wird zwischen dem zweiten und dritten Loch auf
beiden Seiten gebogen, sodass die 2 äußeren Schrauben
die Beckenschaufel durchqueren. Zudem wird die Platte
502 19 Beckenringverletzungen

19

a b

c d

e f

Abb. 19.31 d A.–p. Aufnahme nach Stabilisierung durch eine offene Repo-
a A.–p. Aufnahme einer Beckenverletzung, die eine instabile sition der linken Sakrumfraktur durch zwei Iliosakralschrauben
Fraktur des Kreuzbeins links zeigt. Weiterhin ist eine vertikale und Rekonstruktion einer kleinen assoziierten Sakrumfraktur
und laterale Translation des Beckens festzustellen. Es zeigt sich des posterioren Beckenrings.
keine gravierende Rotationsdeformität. e Inletaufnahme nach Stabilisierung.
b Die Inletaufnahme zeigt keine signifikante Deformität. f Outletaufnahme nach Stabilisierung.
c Die Outletaufnahme bestätigt hingegen eine signifikante
Kranialisierung des linken Beckens, wie an der Symmetriever-
schiebung der Tuberositas ossis ischii zu sehen ist.
Operative Behandlung 503

19

a b

Abb. 19.32 b Sagittale CT-Aufnahme nach Reposition und Fixation mit bi-
a Sagittale CT-Aufnahme einer bilateralen H-Typ-Sakrumfraktur; lateralen Iliosakralschrauben.
diese zeigt eine typische kyphotische Deformität des Sakrums.

a b

c d

Abb. 19.33 des Sakrums beidseits sowie bilateral der superioren und infe-
a A.–p. Aufnahme eines Beckens mit Windschlagdeformität, rioren Äste nach Reposition und Refixation des Beckens.
Außenrotation des rechten und Innenrotation des linken Hemi- d Eine a.–p. Aufnahme des Beckens nach Drei-Etagen-Becken-
pelvis. rekonstruktion zur Versorgung der Windschlagdeformität.
b Eine a.–p. Aufnahme eines weiteren Beckens nach Fixation Ebenfalls wurde die Beckenarchitektur deutlich verbessert.
mit Iliosakralschrauben bei gleicher Deformität. Die Rekonstruktion erforderte einen sehr großen operativen
c Eine a.–p. Aufnahme des Beckens nach Entfernung der Ilio- Eingriff. Eine bessere, initiale Reposition und Fixation wäre
sakralschrauben und vor einer Drei-Etagen-Rekonstruktion mit deutlich günstiger für den Patienten gewesen.
Entlastung der anterioren und posterioren Bänder, Osteotomie
504 19 Beckenringverletzungen

leicht in der Mitte gebogen, übereinstimmend mit dem Nach der Fixation werden die Instrumente entfernt.
leichten anatomischen Anstieg des Os sacrum entlang der Einige Operateure belassen die Pedikelschrauben als zu-
hinteren Oberfläche. sätzliche Stabilisierung und gehen von einer beschleunig-
Eine weitere schwer reponierbare Fraktur ist die H- ten Wiederherstellung bei sofort zugelassener Vollbelas-
oder U-förmige Sakrumfraktur. Der symmetrisch bilate- tung aus. Dem gegenüber steht die 8-wöchige Teilbelas-
19 rale Frakturverlauf wird vor allem bei Menschen nach tung mit Sohlenbelastung, wenn die Pedikelschrauben
Sprungtrauma oder als Insuffizienzfrakturen bei Osteo- entfernt werden. Das Belassen der dorsolumbalen
porose gesehen und stellt eine totale Dissoziation der Beckenosteosynthese hat jedoch Nachteile. Zum einen
unteren Extremitäten vom unteren Anteil der Lendenwir- ist eine erneute OP zur Entfernung des Materials notwen-
belsäule mit dem Os sacrum dar. Damit werden diese dig, und eine derartige Operation birgt verschiedene Ri-
Instabilitäten zu den Becken-C3-Verletzungen mit beid- siken mit Schmerzpersistenz und Fehlstellungen (Angula-
seits vertikaler Instabilität gezählt. Diese Patienten kön- tion der WS S 1 –L 5). Nach Erfahrung des Autors kann die
nen eine signifikante Deformität mit Kyphose des Sa- lumbale Beckenfixierung entfernt werden, ohne dass eine
krums aufweisen. Die Art dieser Verletzungen ist sehr Fehlstellung entsteht. Die Rehabilitation ist langsamer,
problematisch, da das gesamte Becken eine Distraktion der Langzeiterfolg ist genau gleich wenn nicht sogar bes-
für die Reposition benötigt (Abb. 19.32). Die vom Autor ser, wenn die Schrauben entfernt werden. Das größte
bevorzugte Technik bei diesen seltenen Verletzungsmus- Problem mit diesen Frakturen ist die Schwierigkeit das
tern ist die Verwendung von Pedikelschrauben, die im Frakturmuster zu bestimmen, sodass eine mögliche ky-
Wirbelkörper L 5 (manchmal auch in L 4) platziert wer- photische Deformitätskomponente nicht erkannt und be-
den und hinunter bis zum posterosuperioren Becken- rücksichtigt werden kann. Dies führt zu einer deutlich
kamm reichen (Distraktionsosteosynthese). Diese Kon- erhöhten Morbidität und wiegt umso schwerer, wenn
figuration erlaubt den Zug zwischen den erhaltenen An- eine spätere Korrektur erfolgen soll.
teilen von S 1 (verbunden mit der Wirbelsäule) und den Eine weitere schwer zu reponierende Fraktur ist die
Beckenschaufeln (und dem unteren Anteil des Os sa- Windschlagdeformität (Abb. 19.33). Diese bilaterale Be-
crum). Zug und Hyperextension der unteren Extremität ckenverletzung besteht zur einen Hälfte aus einer innen-
sind notwendig, um die Reposition zu ermöglichen. Dies rotierten Beckenschaufel in Kombination mit einer au-
muss bei der OP-Lagerung des Patienten bedacht werden. ßenrotierten kontralateralen Beckenschaufel. Um die
Zug, Extension und Kompression ermöglicht die Reposi- Prinzipien des Vorangegangenen fortzusetzen, ist es
tion des Beckens. Wenn die Nervenwurzeln gedehnt oder möglich diese Deformität in der akuten Phase zu repo-
gebeugt werden, kann der Operateur die Nervenwurzeln nieren. In vielen Fällen wird eine anteriore externe Fixa-
schonend kontrollieren, bis eine anatomische Reposition tion benutzt, um die Rotationskomponente zu berück-
erreicht ist. Erst dann werden die Iliosakralschrauben sichtigen, bevor eine endgültige hintere Stabilisierung
platziert, um die Beckenhälfte am Sakrum zu verschrau- mit Iliosakralschrauben erfolgt.
ben. Zusätzlich kann eine o. g. Verspannungsplatte poste-
rior eingebracht werden, um weitere Stabilität zu errei-
chen.
Operative Behandlung 505

tiert die Belastung steigern und die Physiotherapie forcie-


Rehabilitation
ren. Patienten mit beidseitigen Beckenverletzungen soll-
Die Rehabilitation von Patienten mit instabilen Becken- ten für 8 Wochen im Rollstuhl mobilisiert werden. Die
verletzungen beinhaltet die postoperative Entlastung meisten Patienten beginnen mit der Mobilisierung der
bzw. Teilbelastung für 8 Wochen. Nach Röntgenkontrolle gesunden Seite unter Verwendung von Unterarmgehstüt-
8 Wochen postoperativ kann der Patient schmerzadap- zen oder einem Gehwagen. 19

Tipps und Tricks


■ Externe Fixationspins werden durch das Pilot-Loch in die ■ Eine mitunter hilfreiche Technik für die Reposition des
Crista iliaca gebohrt, genau zwischen die Kortizes des Iliosakralgelenks bei Zerreißung der Symphyse ist die
Knochens. Verwendung einer Jungbluth-Zange.
■ Eine angemessene Reposition eines instabilen hinteren ■ Ein weiterer Trick besteht in der Verwendung einer Fara-
Beckenrings kann durch eine dosierte Kombination von beuf-Zange, die an der Beckenschaufel für eine Manipu-
Zug in voller Extension oder in leichter Flexion bis 45°, lation bei Rotationsfehlstellungen eingebracht wird, und
und/oder Kompression des hinteren Beckens erreicht wenn Kompression auf das Iliosakralgelenk ausgeübt
werden. werden soll.
■ Cave! Eine Kontraindikation für die Anwendung einer ■ Es gibt eine konkave Fläche des Sakrums, die genau in
posterioren Beckenzwinge ist die iliakale Beckenschau- die konvexe Fläche des Iliums passt, diese ist hilfreich
felfraktur, die anterior des Iliosakralgelenkspalts verläuft. beim Einpassen des Iliosakralgelenks von posterior.
■ Erhalte die Insertion des Rektus an den vorderen Rami ■ Die laterale Bildwandleraufnahme ist ein Schritt, der
beim Pfannenstiel-Zugang. schwerwiegende Komplikationen bei der Einbringung
■ Wenn intramedulläre Ramusschrauben eingesetzt wer- der Iliosakralschrauben verhindern kann.
den sollen, kann eine bildwandlergestützte, schräge Auf- ■ Wenn der posteriore Zugang gewählt wird, stelle die
nahme, den sicheren Insertionskorridor zeigen. Insertion des M. gluteus maximus an der lumbodorsalen
■ Der vordere Zugang zur Versorgung einer hinteren Be- Faszie dar. Vermeide es direkt auf den posterosuperioren
ckeninstabilität ist indiziert, wenn eine hintere Weichteil- Beckenkamm zu schneiden, da eine Schädigung des M.
quetschung oder multiple Verletzungen vorliegen, die gluteus maximus resultiert. Débridiere niemals den
eine Bauchlagerung verhindern. Weiterhin empfiehlt Knorpel des Iliosakralgelenks, entferne jedoch lose Knor-
sich der Zugang beim Vorliegen einer iliakalen Be- pelstücke.
ckenschaufelfraktur die vor dem Iliosakralgelenk liegt. ■ Generell sollte die Reposition einer hinteren Beckenver-
■ Der hintere Zugang für die hintere Beckeninstabilität ist letzung Vorrang vor einer Reposition von Azetabu-
indiziert bei Sakrumfrakturen, wenn die Frakturlinie hin- lumfrakturen oder vorderen Beckenringverletzungen ha-
ter dem Iliosakralgelenk liegt und wenn eine Kompressi- ben. Wird trotzdem mit der Reposition einer vorderen
onsverletzung der Nervenwurzeln vorliegt und eine De- Verletzung begonnen, können wenige Millimeter bzw.
kompression erreicht werden soll. Grad Translations- bzw. Rotationsverschiebung zenti-
metergroße Dislokationen im hinteren Beckenring be-
wirken.
506 19 Beckenringverletzungen

Neue Techniken Komplikationen


Für die Reposition und Osteosynthese des Beckens wer- Die zwei wichtigsten Dinge, die bei der chirurgischen
den zunehmend computerassistierte minimalinvasive Versorgung von Beckenfrakturen beachtet werden müs-
Navigationstechniken verwendet. Die Entwicklung sen, sind die anatomische Reposition sowie die Vermei-
19 schreitet schnell voran, und die Möglichkeiten werden dung von iatrogenen Komplikationen. Komplikationen,
bald allen Operateuren gestatten, die Reposition und Os- die von der Verletzung herrühren sind nicht vermeidbar.
teosynthese genauer zu planen und durchzuführen als Kellam et al. beschrieb eine Infektionsrate von 25 % bei
bisher. Die Schwierigkeit der Reposition von Beckenver- der Verwendung des posterioren Zugangs zum Becken
letzungen war immer die genaue Reposition. Abgesehen (15). Diese hohe Infektionsrate resultiert aus der Wahl
von der Verwendung von Computerassistenzsystemen des Zugangs durch traumatisch vorgeschädigtes Gewebe
müssen jedoch adäquate chirurgische Instrumente ent- und die direkte Präparation auf den Knochen ohne den
wickelt werden, um gänzlich minimalinvasive Repositi- M.-gluteus-Lappen zu präparieren. Die dezidierte Begut-
onstechniken und Osteosynthesen zu erreichen. achtung und Beurteilung des Weichteilgewebes unter Be-
achtung von Décollementverletzungen in Bezug auf die
Wahl des operativen Zugangs kann die hohe Infektions-
Ergebnisse rate auf 2,8 % senken (11). Wenn das posteriore Weich-
teilgewebe eine zu große Schädigung erlitten hat, kann
Multiple Studien konnten keinen Unterschied im Ergeb- die Verwendung eines anterioren Zugangs zielführend
nis von unterschiedlichen Versorgungsarten und Verlet- sein.
zungsarten feststellen. In vielen dieser Studien werden Insbesondere bei unfallbedingten Nervenschädigungen
komplett instabile Beckenfrakturen konservativ oder mit- sollte der Chirurg darauf achten, dass keine weiteren Ner-
tels Fixateur externe therapiert. In eigenen Studien konn- venschäden entstehen. Die umsichtige Exploration, Repo-
te gezeigt werden, dass das Ergebnis deutlich vom Grad sition und Osteosynthese kann verhindern, dass bereits
der Beckendislokation abhängt (17, 18). Die Wiederher- leicht geschädigte neurologische Strukturen stärker ge-
stellung der Arbeitsfähigkeit variiert zwischen 40 und schädigt werden. Dabei kann die Verwendung eines in-
100 % nach Beckenfrakturen. Zusammenfassend lässt traoperativen Neuromonitorings hilfreich sein. Der Ein-
sich sagen, dass den Begleitverletzungen eine deutlich satz eines Neuromonitoring in der akuten Phase als Di-
höhere Wertigkeit beigemessen werden muss als bisher agnostikum wird kontrovers diskutiert. Der Autor ver-
angenommen wurde. Der größte Einflussfaktor für das wendet das intraoperative Neuromonitoring ausschließ-
postoperative Ergebnis ist das Vorliegen neurologischer lich bei der Korrektur von chronischen Fehlstellungen,
Schädigungen. Höhergradige Verletzungen führen zu welche eine größere Reposition benötigen (5). Nach Mei-
einem deutlich schlechteren Ergebnis. Allgemein lässt nung des Autors ist die Verwendung in der akuten Phase
sich feststellen, dass eine möglichst anatomische Reposi- nicht indiziert.
tion erreicht werden sollte, um posttraumatische Defor- Abschließend muss wegen der Komplexität von Be-
mitäten zu vermeiden und eine langfristige Wiederher- ckenfrakturen und der Schwere der häufig zu findenden
stellung der Funktion zu erreichen (5), was auch in eige- Begleitverletzungen betont werden, dass es keinen ein-
nen Studien bestätigt werden konnte (16). deutigen Beweis einer Korrelation zwischen der Reposi-
tion und der nachfolgenden Funktion gibt. Nach Meinung
des Autors ist das funktionelle Ergebnis für den Patienten
umso besser, je anatomischer die Reposition und Stabili-
sation gelingt. Diese Meinung basiert auf der Erfahrung
von über 1000 Beckeneingriffen und wird von anderen
Autoren in der Literatur unterstützt (11, 17, 18). Das Ziel
bei der Therapie von Beckenringfrakturen ist die ana-
tomische Reposition und Osteosynthese unter Vermei-
dung von Komplikationen.
Komplikationen 507

Merke

■ Verletzungen mit Instabilität des hinteren Beckenrings er- ■ Nach Möglichkeit sollte der Ansatz des M. rectus abdomi-
fordern eine innere Fixation. nis bei der Symphysenverplattung nicht desinseriert wer-
■ Als Notfallmaßnahme beim hämodynamisch instabilen Pa- den. Der Symphysenknorpel sollte nicht débridiert wer-
tienten mit instabiler Beckenringverletzung können ein den. 19
Fixateur externe bzw. eine Beckenzwinge als Notfallstabi- ■ Wenn bei instabilen Beckenverletzungen eine Innenrotati-
lisierung angelegt werden. onsdislokation des instabilen Hemipelvis über 20° oder
■ Der Fixateur externe kann zur endgültigen Therapie von eine Beinlängendifferenz über 1 cm vorliegt oder ein
Becken-B-Verletzungen bzw. zur externen Stabilisierung Schambeinastbruch Blase oder Vagina kompromittiert,
des vorderen Beckenringes in Kombination mit posterio- ist eine operative Stabilisierung indiziert.
ren Osteosynthesetechniken bei Becken-C-Verletzungen ■ Die meisten Schambeinastfrakturen werden konservativ
eingesetzt werden. behandelt. Liegt eine Dislokation über 1,5 cm mit einer
■ Die Einschätzung der Beckenringstabilität erfolgt aus der Instabilität des posterioren Beckenrings vor, sollte die Frak-
Kombination von klinischer Untersuchung (unter anderem tur bei Instabilität der iliopektinalen Faszie operativ ver-
Kompressionstest) und Bildgebung mit Röntgen und CT. sorgt werden.
Cave: Auch bei radiologisch geringer Dislokation kann ■ Die Hauptkomplikation der Schraubenosteosynthese des
eine grobe Instabilität vorliegen. Iliosakralgelenks ist eine Verletzung der L 5-Nervenwurzel
■ Die inferioren iliosakralen Bänder sind wichtig für die Sta- durch Führungsdraht, Bohrerspitze oder Schraube. Wenn
bilität des posterioren Beckenrings. Im CT sollte der ge- die Schraube zu weit anterior platziert wird, kann sie am
samte Iliosakralfugenbereich zur Beurteilung der iliosakra- lateralen Os sacrum perforieren und die Nervenwurzel
len Stabilität dargestellt werden. verletzen.
■ Bei konservativer Therapie von Beckenringinstabilitäten im ■ Bilaterale Os-sacrum-Frakturen und U- oder H-Frakturen
Falle von A-Verletzungen nach AO-Klassifikation oder B- (Sakrumausbruchverletzungen) werden regelmäßig falsch
Verletzungen mit gering impaktiertem lateralem Os sa- eingeschätzt, wodurch eine erhöhte Rate an Nervenwur-
crum nach lateralem Kompressionsmechanismus sollten zelverletzungen resultiert. Diese Verletzungen sind durch
engmaschige Röntgenkontrollen (z. B. wöchentlich für 4 eine komplette Instabilität zwischen Becken und Wirbel-
Wochen) zum Ausschluss sekundärer Dislokationen erfol- säule gekennzeichnet und können im seitlichen Sakrum-
gen. röntgen bzw. noch besser in der sagittalen CT-Rekonstruk-
■ OP-Indikation bei Symphysenverletzungen ist eine Diasta- tion des Os sacrum beurteilt werden.
se ab 2,5 cm, bei Vorliegen posteriorer Instabilitäten da- ■ Bei der Behandlung von Beckenringverletzungen sind für
runter. ein gutes Gesamtergebnis die präoperative neurologische
■ Eine Beckenzwinge gestattet eine gute Kompression des Untersuchung, das Vorliegen von Begleitverletzungen
posterioren Beckenrings, ist jedoch bei Os-ilium-Frakturen sowie die Qualität der Reposition entscheidend.
über der Iliosakralfuge kontraindiziert, wenn der Pin kein
knöchernes Widerlager findet.

Inhalt der DVDs

Video 19-1 (DVD 2) ORIF der Symphyse, Iliosakralschrau- Video 19-4 (DVD 2) ORIF einer Iliosakralgelenkverletzung
benplatzierung. Die Plattenosteosynthese der Symphyse links. Eine Dislokation des Iliosakralgelenks wird durch Dar-
sowie die perkutane Iliosakralschraubenplatzierung werden stellung über einen hinteren Zugang offen reponiert. Die
demonstriert. Pfannenstiel-Zugang, Symphysenrepositions- Stabilisation erfolgt durch eine Iliosakralschraubenosteosyn-
technik und die Platzierung der Platte werden gezeigt. these.
Video 19-2 (DVD 2) ORIF einer Rotationsinstabilität. Dieses Video 19-5 (DVD 2) ORIF einer lateralen Sakrumfraktur
Video zeigt die Versorgung einer Frakturheilungsstörung des links. Der hintere Zugang zum Os sacrum für die offene
vorderen Beckenrings bei einer jungen Frau mit Dyspareunie. Reposition und innere Stabilisierung einer Denis-Typ-II-Sa-
Über einen Pfannenstiel-Zugang werden die Frakturheilungs- krumfraktur links mit signifikanter Dislokation wird gezeigt.
störung dargestellt sowie eine Osteotomie und eine innere Die offene Repositionstechnik und Iliosakralverschraubung
Fixation durchgeführt. wird demonstriert.
Video 19-3 (DVD 2) Iliosakralschrauben. Dieses Video ver-
anschaulicht die Anatomie des hinteren Beckenrings, die Ri-
siken bei der Iliosakralschraubenplatzierung sowie die Tech-
nik zur sicheren Implantation.
508 19 Beckenringverletzungen

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Literatur 509

20 Azetabulumfrakturen
P. J. Kregor, M. Stover
Übersetzer: G. Sandmann, B. König, U. Stöckle

Das Azetabulum wird durch die Fusion des Os ilium, Os sein. Nachdem die initiale Behandlung von Azetabu-
ischium und Os pubis gebildet, die sich in der Gelenk- lumfrakturen nicht selten auch zugleich die endgültige 20
fläche treffen. Es besitzt als Kugelgelenk eine sehr gute Versorgung ist, bedarf auch die Erstbehandlung schon
Führung für den Hüftkopf. Judet et al. wie auch Letournel einigen Wissens über die Verletzung.
haben festgestellt, dass die Gelenkpfanne zusätzlich Die initiale Röntgenbildgebung beinhaltet dabei eine
durch die ischiadische Querverstrebung unterstützt Beckenübersichtsaufnahme, sobald ein Patient nach
wird und sich damit 2 Pfeiler abgrenzen lassen: der vor- einem Trauma über Schmerzen in der Leiste oder lateral-
dere Pfeiler (gebildet vom Os ilium und dem Os pubis) seitig über der Hüfte klagt. Außerdem ist die Beckenüber-
und der hintere Pfeiler (gebildet durch das Os ischium; sichtsaufnahme Standard bei Mehrfachverletzten oder
Abb. 20.1; 1, 2). Dislozierte Azetabulumfrakturen, bei unklaren Unfallmechanismen. Anhand dieser ersten Ba-
denen die Kongruenz zwischen dem Hüftkopf und dem sisdiagnostik lassen sich Frakturen, die das Azetabulum
verbliebenen superioren Anteil des Azetabulums nicht betreffen, mithilfe der 6 Röntgenlinien, wie sie von Judet
mehr gegeben ist, haben typischerweise eine schlechte et al. bzw. Letournel definiert wurden, nachweisen
Prognose. Sollen derartige Verletzungen operativ ange- (Abb. 20.2). Obwohl diese Röntgenlinien dabei keiner spe-
gangen werden, lässt sich ein weitgehend intaktes Hüft- ziellen anatomischen Struktur zuzuweisen sind, werden
gelenk mit guter Hüftfunktion nur dann erreichen, wenn durch sie wegen ihrer tangentialen Ausrichtung zum
Komplikationen vermieden werden können (3). Je mehr Röntgenstrahl die verschiedenen Wände und Pfeiler des
Erfahrung der behandelnde Chirurg mit derartigen Ver- Azetabulums dargestellt. Die genaue Analyse dieser Lini-
letzungen besitzt, desto besser wird er die entsprechen- en ist ein wichtiger Schritt, um anhand des zweidimen-
den Röntgenbilder interpretieren und den richtigen Zu- sionalen Röntgenbilds die komplexe dreidimensionale
gangsweg auswählen können, damit eine gute Rekon- Struktur des Azetabulums zu verstehen. Darüber hinaus
struktion erreichen und zudem den Einfluss von Begleit- ermöglicht die Beckenübersichtsaufnahme einen Ver-
verletzungen auf das Behandlungskonzept einschätzen gleich mit der Gegenseite etwa mit der Fragestellung, ob
können. Nachdem es sich bei Azetabulumfrakturen um der Hüftkopf in einer anderen Position zum radiologi-
eher seltene Verletzungen handelt, die typischerweise schen Dach des Azetabulums steht. Bei der Bewertung
eher bei Hochrasanztraumen auftreten, gehört die Ver- einer Beckenübersichtsaufnahme sollte man darauf ach-
sorgung dieser Verletzungen am besten in die Hände ten, dass das Os coccygeum und die Symphyse in einer
eines erfahrenen Chirurgen an spezialisierten Zentren, Linie projiziert werden, erst dann kann davon ausgegan-
die mit der Versorgung von Mehrfachverletzten vertraut gen werden, dass die Aufnahme nicht verdreht ist. Sollte
sind. Nichtsdestotrotz sollten alle Unfallchirurgen mit der dies nicht der Fall sein, muss diese Verdrehung in die
Diagnosesicherung und der Initialbehandlung vertraut

Abb. 20.1 Das Azetabulum besteht entsprechend


einer Definition nach Judet et al. und Letournel aus
einem vorderen und einem hinteren Pfeiler. Der vor-
dere Pfeiler (weiß) setzt sich aus Crista iliaca, Be-
ckenschaufel, Linea terminalis, vorderer Wand und
den Schambeinästen zusammen. Zum hinteren Pfeiler
(schraffiert) gehören die hintere Säule, die hintere
Wand und das Os ischium.
a Äußere Ansicht des Hemipelvis.
b Innere Ansicht des Hemipelvis.

a b
510 20 Azetabulumfrakturen

4
20
1
2
3
5
6
a

Abb. 20.2 Die sechs Linien des Azetabulums, welche in der


a.–p. Röntgenaufnahme der Hüfte zur Darstellung kommen.
Die vordere Wand kommt mit ihrer lateralen Kante leicht late-
ral der Kantendarstellung der Hinterwand zur Projektion. 1:
Linea iliopectinea, 2: Linea ilioischiadica, 3: radiologische Trä-
nenfigur, 4: radiologisches Pfannendach, 5: vordere Wand, 6:
hintere Wand.

b c
Auswertung der Röntgenaufnahme mit einbezogen wer-
Abb. 20.3 Beispiel einer Querfraktur / Fraktur der hinteren
den.
Wand.
Obwohl einige Azetabulumfrakturen offensichtlich sind a Das a.–p. Bild zeigt eine Unterbrechung der Linea iliopecti-
und mit Dislokation des Knochens und Subluxation/Lu- nea und Linea ilioischiadica mit medialer Dislokation des Fe-
xation des Hüftkopfs einhergehen, sind andere weniger murkopfs relativ zum Pfannendach.
offensichtlich auf der normalen Beckenübersichtsaufnah- b Die Ala-Aufnahme verdeutlicht die Fraktur des hinteren Pfei-
me nachweisbar. Ergänzend kommen noch die Ala- und lers (schwarzer Pfeil) und die mediale Subluxation des Femur-
kopfs.
Obturatoraufnahme oder Judet-Aufnahme infrage, bei
c Die Obturatoraufnahme zeigt eine signifikante Dislokation
denen der Patient jeweils 45° gedreht wird, um so eine des ventralen Frakturbereichs (schwarzer Pfeil) mit der bereits
orthogonale Aufnahme des entsprechenden Knochens zu beschriebenen Femurkopfsubluxation, die Fraktur der hinteren
bekommen (Abb. 20.3). Dabei ist die Obturatoraufnahme Wand ist zart ersichtlich (weißer Pfeil).
leichter durchführbar, weil der Patient dabei 45° auf die
gesunde Seite gedreht wird. Diese Aufnahme wird Obtu-
ratoraufnahme genannt, weil das Foramen obturatorium
orthogonal zum Röntgenstrahl zur Darstellung kommt. on findet sich dann, wenn der mediale Anteil des Hüft-
Sie eignet sich am besten zur Beurteilung des vorderen kopfs die Spitze des Os coccygeum trifft. Diese Aufnahme
Pfeilers, der hinteren Wand und des Ramus ossis ischii. eignet sich dann, um den hinteren Pfeiler, die vordere
Die Obturatoraufnahme sollte immer dann durchgeführt Wand und das Os ilium zu beurteilen. Sollten diese bei-
werden, wenn bei einem Patienten nach Hochransanz- den Aufnahmen nicht adäquat durchführbar sein, sollte
trauma und Leistenschmerz die normale Beckenüber- ein Computertomogramm zur Diagnostik erfolgen. Die
sichtsaufnahme kein Ergebnis erbracht hat. Diese Auf- Judet-Aufnahmen sind dabei zwar aus dem axialen Da-
nahme zeigt dabei auch kleine Frakturen der hinteren tensatz rekonstruierbar, dies ist in aller Regel jedoch
Wand, des Hüftkopfs oder des Schenkelhalses. Die Ala- nicht zufriedenstellend möglich.
Aufnahme wiederum ist im Großteil der Fälle falsch ro-
tiert, da der Patient für ihre Durchführung auf der ver-
letzten Seite liegen muss. Sie lässt sich also nur dann
aussagekräftig durchführen, wenn eine suffiziente
Schmerztherapie durchgeführt wird. Eine richtige Rotati-
Klassifikation 511

migen Frakturen, Frakturen des vorderen Pfeilers mit


Klassifikation
hinteren Hemiquerfrakturen und Zwei-Pfeiler-Fraktu-
Eine systematische Betrachtung der konventionellen Bild- ren.
gebung kann in einem Großteil der Fälle bereits die rich- ■ Pfeilerfrakturen trennen einen gesamten Pfeiler von
tige Diagnose und die korrekte Frakturmorphologie brin- der Beckenschaufel ab, wohingegen Wandfrakturen
gen. Dies ist umso wichtiger, als sich daraus Therapiekon- nur einen Teil der Gelenkfläche abtrennen. Pfeiler Frak-
sequenzen für den Patienten ergeben. Basierend auf der turen weisen eine Frakturlinie auf, die in das Foramen
Auswertung von Röntgenbildern und anatomischen Prä- obturatorium einstrahlt und auch der untere Scham-
paraten haben Letournel et al. sowie Judet eine Klassifi- beinast ist betroffen. 20
kation für Azetabulumfrakturen entwickelt (1, 2). Ihre ■ Frakturen des vorderen Pfeilers können nach anterior
Klassifikation besteht dabei aus 5 einfachen und 5 zu- auslaufen, entweder hoch (Beckenschaufel), auf mitt-
sammengesetzten Frakturformen, sodass auch Misch- lerer Höhe (Spina iliaca anterior superior), tief (Psoas-
typen beschrieben werden können (Abb. 20.4). Dabei ist Grube auf Höhe der Spina iliaca anterior inferior) oder
die Letournel-Klassifikation nicht nur rein deskriptiv, es sehr tief im Bereich der Eminentia pectinea.
ergeben sich aus ihr auch Konsequenzen für die operative ■ Frakturen des vorderen Pfeilers betreffen in der Regel
Versorgung, und genau das macht sie so wichtig (2, 3, 4). die quadrilaterale Fläche. Daher und dadurch, dass der
Eine exakte Diagnosestellung anhand der Röntgenbilder vordere Pfeiler typischerweise nach außen rotiert ist,
ermöglicht es dem Chirurgen, den besten Zugang aus- führen sie zur Medialisierung des Hüftkopfs.
zuwählen und so eine möglichst anatomische Rekon- ■ Querfrakturen betreffen in der Regel beide Pfeiler. Den-
struktion zu erreichen. noch werden sie nicht als Zwei-Pfeiler-Frakturen be-
Es würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, wenn zeichnet, denn dieser Begriff ist für eine spezielle, er-
an dieser Stelle die Letournel-Klassifikation in aller Aus- gänzende Frakturform reserviert. Querfrakturen gehö-
führlichkeit besprochen werden sollte. Jeder Chirurg, der ren zu den einfachen Frakturen und trennen dabei den
sich jedoch mit der operativen Versorgung von Azetabu- kranialen Anteil vom kaudalen ischiopubischen Seg-
lumfrakturen beschäftigt, sollte mit der Klassifikation ment ab. Das ischiopubische Segment rotiert dabei in
wohl vertraut sein. Der Erwerb dieses Wissens ist zwar 2 Richtungen. Zum einen rotiert es um eine vertikale
anspruchsvoll, wird jedoch ausführlich im Grundlagen- Achse, die durch die Symphyse verläuft. Dazu verkippt
buch von Letournel und Judet beschrieben (4). Dieses das ischiopubische Segment auch um eine horizontale
Buch geht dabei von einem gewissen Grundwissen hin- Achse, die vom hinteren Anteil der Fraktur zur Sym-
sichtlich der Klassifikation aus; neben dem eben erwähn- physe verläuft. Querfrakturen können weiter klassifi-
ten Buch beschäftigt sich auch das Werk von Letournel ziert werden, abhängig davon wo sie das Azetabulum
damit und geht dabei auch auf die operativen Zugänge frakturieren. Man unterscheidet: Frakturen, die das
ein (2). Dennoch sind einige Teile der Klassifikation ele- Azetabulumdach betreffen (transtektale Frakturen),
mentar und sollen daher auch erwähnt werden (4, 5): Frakturen, die durch den höchsten Punkt der Fossa
■ 5 einfache Frakturtypen sind beschrieben: acetabuli gehen (juxtatektale Frakturen) und Fraktu-
– Frakturen der hinteren Wand, ren, die den unteren Teil der vorderen und hinteren
– Frakturen des hinteren Pfeilers, Wand einschließen (infratektale Frakturen).
– Frakturen der vorderen Wand, ■ Frakturen, die die Beckenschaufel betreffen sind Frak-
– Frakturen des vorderen Pfeilers, turen des vorderen Pfeilers, Frakturen des vorderen
– Querfrakturen. Pfeilers mit hinteren Hemiquerfrakturen und Zwei-
■ Letournel bezeichnete jede dieser Frakturformen als Pfeiler-Frakturen.
Grundtyp, unabhängig von der Eindeutigkeit der Frak- ■ Verletzungen des vorderen Pfeilers mit hinteren Hemi-
turlinie. querfrakturen können als Kombination einer Fraktur
■ 5 zusammengesetzte Frakturformen wurden beschrie- des vorderen Pfeilers und der hinteren Hälfte einer
ben: Querfraktur angesehen werden. Die Fraktur des hin-
– Querfrakturen mit hinterer Wand, teren Pfeilers ist in der Regel kaudal gelegen und gering
– Frakturen des hinteren Pfeilers und der hinteren disloziert. Sie ist von Zwei-Pfeiler-Frakturen mit Betei-
Wand, ligung des hinteren Pfeilers zu unterscheiden.
– Frakturen des vorderen Pfeilers oder der vorderen ■ Ältere Patienten mit Niedrigenergietrauma neigen zu
Wand mit hinteren Hemiquerfrakturen, Frakturen des vorderen Pfeilers oder Frakturen des vor-
– T- förmige Frakturen, deren Pfeilers mit hinteren Hemiquerfrakturen. Beide
– Zwei-Pfeiler-Frakturen. Frakturtypen können dabei die quadrilaterale Fläche
■ Wie später noch näher gezeigt werden wird, ist die betreffen (Abb. 20.5), beispielsweise unter Einschluss
Letournel-Klassifikation eine relativ gut reproduzier- der medialen Gelenkfläche („Gull Wing“-Zeichen;
bare Klassifikation mit geringen interindividuellen Un- Abb. 20.6) oder mit Impaktion der hinteren Wand.
terschieden. Dennoch gibt es Frakturtypen, die sich ■ Typisch für die Zwei-Pfeiler-Fraktur ist, dass kein Anteil
nicht exakt einordnen lassen, insbesondere bei T-för- der kranialen Gelenkfläche mit dem intakten Os ilium
512 20 Azetabulumfrakturen

Abb. 20.4 Die Klassifikation der Azetabulum-


Grundverletzungsmuster frakturen nach Judet u. Letournel. Die einzelnen
Frakturtypen werden im Text beschrieben.
a Einfache Frakturtypen.
b Zusammengesetzte Frakturtypen.

20
hintere Wand hinterer Pfeiler

a vordere Wand vorderer Pfeiler Querfraktur

Begleitende Verletzungsmuster

hinterer Pfeiler/hintere Wand quer/hintere Wand

T-förmig

vorderer Pfeiler/hintere Querfraktur kombiniert beide Säulen


(2-Pfeiler-Fraktur)
b
Klassifikation 513

20

Abb. 20.5 A.–p. Beckenübersicht mit linksseitiger Azetabu-


lumfraktur. Eine Frakturlinie in die Beckenschaufel ist im a.–p.
Röntgenbild nicht sicher zu beurteilen. Es findet sich eine sig-
nifikante Unterbrechung und Dislokation der Linea ilioischiadi-
ca und eine deutlich nach medial verkippte Darstellung der
quadrilateralen Fläche (weißer Pfeil). Schlussendlich sieht man
eine mediale Dislokation des Femurkopfs mit kranialer Ver-
schiebung und Abwinkelung im Azetabulumdach (schwarzer
Pfeil). Abb. 20.6 Beispiel für das „Gull wing“-Zeichen (Pfeile) bei
einer älteren Frau mit Fraktur des vorderen Pfeilers und Impak-
tion des Hüftdachs. Der mediale Anteil des Femurkopfs findet
sich medial der Linea ilioischiadica. Der intakte Hüftpfannen-
in Kontakt ist (Abb. 20.7). Daneben findet sich eine anteil ist der seitliche Anteil des Flügelzeichens. Der mediale
Frakturlinie, die den vorderen Pfeiler (dieser ist selbst Anteil entspricht dem impaktierten und/oder dislozierten
vom intakten Os ilium getrennt) vom hinteren Pfeiler Oberflächenanteil des Hüftdachs.
trennt. Der Hüftkopf ist in aller Regel medialisiert, der
vordere Pfeiler ist nach außen rotiert, wohingegen der
hintere Pfeiler nach innen rotiert ist. Das Labrum bleibt
an allen Fragmenten erhalten, weshalb die Hüfte auch Hüftgelenks betroffen ist. Früher dachte man, dass Frak-
eine gewisse Form von Kongruenz behält, was auch als turen, die die Gelenkfläche im Bereich des Pfannendachs
sekundäre Kongruenz bezeichnet wird. Das Knochen- betreffen, ein erhöhte Risiko für die Ausbildung einer
spornzeichen („Spur Sign“) ist pathognomonisch für posttraumatischen Arthrose aufweisen. Matta et al.
eine Zwei-Pfeiler-Fraktur. Dieses zeigt sich in der haben dann schrittweise versucht, die superiore Gelenk-
Regel am besten auf der Obturatoraufnahme und stellt fläche zu beurteilen, indem sie die Pfannendachwinkel
den kaudolateralen Aspekt der Beckenschaufel dar, die eingeführt haben (6). Diese Winkel werden durch eine
vom Pfannendach getrennt wird. vertikale Linie definiert, die durch das Hüftkopfzentrum
verläuft und eine zweite Linie, die vom Hüftkopfzentrum
zu dem Punkt läuft, an dem die Fraktur in die Gelenk-
Beauel et al. haben gezeigt, dass die Letournel-Klassifika- fläche einstrahlt. Diese Linien werden auf den 3 Stan-
tion eine hohe Inter- und Intraobserver-Übereinstim- dardröntgenaufnahmen eingezeichnet, eine Extension
mung zwischen Chirurgen mit hoher Fallzahl an operativ sollte dabei am Bein nicht vorhanden sein (Abb. 20.8).
versorgten Azetabulumfrakturen (> 40 Fälle/Jahr) auf- Messungen des Pfannendachwinkels setzen voraus, dass
weist (5). Die alleinige CT hat sich zur Klassifikation von der Hüftkopf nicht luxiert ist. Sie können nicht bei Zwei-
Azetabulumfrakturen als nicht zureichend herausgestellt Pfeiler-Frakturen verwendet werden, da das frakturierte
(5), sie gibt dennoch eine Reihe wichtiger Zusatzinforma- Azetabulum hier ebenso medialisiert ist wie der sub-
tionen, wie die Zahl der Fragmente, die Ausläufer von luxierte Hüftkopf und es dadurch zur sekundären Kon-
Frakturen, die Dislokation, die Ausrichtung und die Rota- gruenz kommt. Ebenso können sie nicht bei Frakturen
tion von Fragmenten. Zudem hilft sie, eine Impaktion der der hinteren Wand angewendet werden, da bei diesen
Gelenkfläche ebenso zu beurteilen, wie ins Gelenk dis- Frakturen nur in Ausnahmefällen eine Mitbeteiligung
lozierte Fragmente. Dies macht sie für die präoperative der kranialen Gelenkfläche im Röntgenbild sichtbar ist.
Planung unerlässlich. Auch wenn sich die genaue Definition seit der Original-
Die Frage, ob eine Frakturlinie und ihre Dislokation arbeit verändert hat, geht man heute davon aus, dass
einen möglichen Einfluss auf das Gelenk hat, hängt weit- eine Fraktur dann den superioren Anteil der Gelenkfläche
gehend davon ab, wo die Fraktur verläuft, wie groß der betrifft, wenn die Frakturlinie in einem Winkel unter 45°
Grad der Dislokation ist und ob dadurch die Stabilität des ins Gelenk zieht. Mithilfe eines mathematischen Models
514 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

e f g

Abb. 20.7 Beispiel einer Zwei-Pfeiler-Fraktur des Azetabulums. fel betrifft. Somit ist kein Teil der Gelenkfläche mehr mit dem
a Die Beckenübersichtsaufnahme zeigt dabei eine Überlage- Os ilium in Kontakt.
rung des Hüftkopfs und der ilioischialen Linie als Hinweis auf d Verschiedene axiale CT-Aufnahmen: dabei findet sich das
die Medialisierung des Hüftkopfs (Pfeil). intakte Os ilium unter 1, mit 2 wird der vordere Pfeiler bezeich-
b Die Ala-Aufnahme zeigt die Frakturlinie einstrahlend in die net, mit 3 der hintere Pfeiler. Der inferiore Anteil des Os ilium
Beckenschaufel ca. 2,5 cm von der Spina iliaca anterior superior bildet dabei das Knochenspornzeichen.
entfernt (weißer Pfeil). Eine signifikante Dislokation des hin- e 3D-Rekonstruktionen der Fraktur: Obturatoransicht.
teren Pfeilers ist ebenfalls sichtbar (schwarzer Pfeil). f Ala-Ansicht.
c In der Obturatoraufnahme wird das Knochenspornzeichen g Äußere Ansicht der Beckenschaufel.
sichtbar, das den inferioren/lateralen Aspekt der Beckenschau-
Klassifikation 515

Abb. 20.8 Die Pfannendachwinkel sind für die a.–p., die Ala- und die
Obturatorröntgenaufnahme definiert. Dafür wird ein Punkt zentral im
Femurkopf definiert. Durch diesen Punkt wird eine senkrechte Linie gezo-
gen. Eine weitere Linie wird in allen Projektionen vom Punkt im Zentrum des
Femurkopfs zur Frakturlinie gezogen, wodurch die Winkel definiert werden.
a A.–P. Aufnahme.
b Ala-Aufnahme.
c Obturatoraufnahme.

20

b c

wurde diese Definition auf das CT übertragen. Dabei zeig- In Kadaverexperimenten hat sich gezeigt, dass Fraktu-
te sich, dass dann, wenn eine Fraktur ins Gelenk ein- ren, die das Pfannendach betreffen in einigen Situationen
strahlt und der Abstand zur kranialen subchondralen mit veränderten Kontaktdrücken assoziiert sind (9). Eine
Verdichtung kleiner als 1 cm ist, die gewichtstragende nicht ganz stufenfreie Reposition einer transtektalen (ho-
Zone betroffen ist (7). Vrahas et al. haben anhand von hen) Querfraktur führte zu erhöhten Spitzendrücken in
anatomischen Präparaten versucht, eine Messmethode der superioren Gelenkfläche, wie es anhand von Druck-
zu etablieren, die Aussagen hinsichtlich der Stabilität zu- messfolien nachweisbar war. Eine Reposition mit einem
lässt (8). Frakturen des vorderen Pfeilers, die kranial der noch vorhandenen Spalt einer transtektalen Querfraktur
Spina iliaca anterior superior verliefen (Pfannendachwin- bzw. Reposition mit Spalt und Stufe einer juxtatektalen
kel ca. 30° in der Obturatoraufnahme) und Frakturen des Querfraktur erbrachte keine erhöhten Kontaktdrücke im
hinteren Pfeilers, die kranial der Spina ischiadica verlie- Hüftgelenk. Dieses und das Ausmaß der Dislokation sind
fen (Pfannendachwinkel von 70° in der Ala-Aufnahme) in der Hinsicht von klinischer Relevanz, als dass sie Aus-
führten zu einer Subluxation des Hüftkopfs im Einbein- sagen über die Auftretenswahrscheinlichkeit von Arthro-
stand-Modell). Das zeigt, dass der hintere Pfeiler einen se geben können, unabhängig davon, ob Azetabulumfrak-
größeren Einfluss auf die Stabilität besitzt, was sich turen konservativ oder operativ behandelt werden.
durch die Inklination des Beckens erklären lässt und
dem nach posterior gerichteten Kraftvektor während
des Einbeinstands. Diese Erkenntnis könnte Einfluss auf
die operative Stabilisierung von Frakturen und die er-
laubten Bewegungsausmaße bei der nachfolgenden Be-
handlung haben.
516 20 Azetabulumfrakturen

Konservative Therapie kopf vor der Mobilisierung des Patienten die Kongruenz
mit dem Azetabulum behält (10). Er definierte daher als
Eine nichtoperative Therapie ist für folgende Frakturen Kriterien für eine nichtoperative Therapie:
abzuwägen: ■ Pfannendachwinkel in allen 3 Azetabulumansichten

■ Frakturen, die den gewichtstragenden Anteil der Ge- > 45°,


lenkfläche nicht betreffen, definiert anhand der Pfan- ■ ein subchondraler Bogen von 10 mm im CT,

nendachwinkel im konventionellen Röntgen bzw. im ■ eine Dislokation von weniger als 50 % der hinteren

CT; Wand,
■ Frakturen, die im Bereich der superioren Gelenkfläche ■ Kongruenz in allen 3 Azetabulumansichten.
20
weniger als 2 mm disloziert stehen und eine Kongru-
enz zwischen dem Hüftkopf und dem Azetabulum bei- Bei 41 Patienten mit 41 Azetabulumfrakturen wurde eine
behalten. Das betroffene Bein sollte dabei nicht unter dynamische gehaltene Aufnahme angefertigt, um so
Extension sein; einen Verlust der Gelenkkongruenz zwischen dem Hüft-
■ Frakturen der hinteren Wand, die weniger als 20 % aus- kopf und dem Azetabulumdach zu erkennen. Die mittlere
machen und keine Zwischenfragmente aufweisen; Dislokation lag bei 7 mm. Bei 12 Patienten zeigte die dy-
■ Zwei-Pfeiler-Frakturen, die eine sekundäre Kongruenz namische Bildwandleruntersuchung eine gewisse Beweg-
aufweisen. lichkeit der dislozierten Fragmente, aber die Kongruenz
war lediglich bei 3 Patienten gestört (eine Querfraktur –
Aufgrund der Veränderungen in der Belastungszone und auch mit einer Diastase der Symphyse assoziiert, 2 Frak-
der assoziierten Medialisierung des Gelenks, sollten turen der hinteren Wand). Diese 3 Frakturen wurden
Zwei-Pfeiler-Frakturen in der Regel immer dann operativ operativ versorgt, während die anderen 38 Frakturen
versorgt werden, wenn keine medizinischen Gründe da- konservativ therapiert wurden. Dabei wiesen 91 % der
gegensprechen. Frakturen mit geringer Dislokation sind nichtoperativ therapierten Patienten gute bis exzellente
teilweise schwer zu klassifizieren, aber wenn die Disloka- Ergebnisse auf.
tion wirklich gering ist und der Hüftkopf zentriert steht
bringt die Klassifikation nur wenig Vorteile. Falls möglich
sollten Patienten bei der konservativen Therapie abhän- Indikationen für die operative Therapie
gig von evtl. Begleitverletzungen mit einer Teilbelastung
von 10 – 15 kg am verletzten Bein mobilisiert werden. Die Die Vorteile der operativen Versorgung von Azetabu-
Autoren empfehlen im übrigen nicht die routinemäßige lumfrakturen können sowohl kurz-, als auch langfristig
Durchführung von gehaltenen Aufnahmen, außer wenn sein. Dabei ist ein kurzfristiger Vorteil, dass die operative
die Verletzung ein kleines kranial disloziertes Hinter- Therapie zu einer stabilen Rekonstruktion des Gelenks
wandfragment hat oder wenn die Azetabulumfraktur in führt und so eine frühe Mobilisierung des Patienten er-
Kombination mit einer Beckenringfraktur vorliegt. Hält möglicht. Die Langzeiteffekte bestehen darin, dass das
man sich an diese Kriterien, wird man eine erfolgreiche Auftreten einer posttraumatischen Arthrose vermieden
konservative Therapie der Azetabulumfrakturen durch- oder zumindest verzögert werden kann und so der Pa-
führen können. Zusätzlich kann eine nichtoperative The- tient für viele Jahre eine gute Hüftfunktion erhält. Diese
rapie der Azetabulumfrakturen immer dann notwendig Vorteile können in der Mehrzahl der Fälle dann erreicht
werden, wenn die Begleiterkrankungen/-verletzungen werden, wenn es gelingt, Komplikationen zu vermeiden
eine operative Versorgung nicht erlauben, das Gelenk be- (3).
reits arthrotisch geschädigt ist, schwere Weichteiltrau- Eine chirurgische Versorgung von Azetabulumfraktu-
men oder Hautverletzungen über dem OP-Gebiet vorlie- ren ist immer dann erforderlich, wenn der Hüftkopf sub-
gen, bei Infektionen oder schlechter Knochenqualität. luxiert steht und es damit zu einer Inkongruenz mit der
Bei der konservativen Therapie einer Fraktur der hin- Gelenkfläche der Hüftpfanne kommt. Das kann auch se-
teren Wand muss der behandelnde Chirurg vorsichtig kundär entstehen, durch dislozierte Fragmente oder freie
sein und sowohl die Lokalisation als auch die Fragment- Fragmente im Gelenk. Wenn die Hüfte zwar zentriert
größe bedenken. Frakturen, die weniger als 20 % der ge- bleibt, die Fraktur jedoch die superiore Gelenkfläche be-
samten Gelenkfläche einnehmen, können dennoch zu trifft und dort eine Stufe von mehr als 2 mm vorhanden
einer Instabilität im Hüftgelenk führen, insbesondere ist, dann sollte eine Operation ernsthaft in Erwägung ge-
dann, wenn die Fraktur den superioren Anteil der hin- zogen werden. Bei dieser Entscheidung müssen natürlich
teren Wand betrifft (Abb. 20.9). Sollten nach der initialen die Begleitumstände und -erkrankungen des Patienten in
Bildgebung Unklarheiten hinsichtlich der Stabilität im die Erwägung mit einbezogen werden, um eine individu-
Hüftgelenk bleiben, können gehaltene Aufnahmen zur elle Versorgung zu gewährleisten. So ist beispielsweise
weiteren Bewertung herangezogen werden. Tornetta be- eine operative Versorgung bei einem 20-Jährigen mit
schreibt in seiner Arbeit die Verwendung von gehaltenen einer isolierten Azetabulumfraktur eher in Betracht zu
Aufnahmen bei Frakturen, die die Kriterien für eine kon- ziehen, als bei einem multimorbiden Patienten fort-
servative Therapie erfüllen, um zu zeigen, wie der Hüft- geschrittenen Alters. Ist eine Operation angedacht, sind
Indikationen für die operative Therapie 517

20

a b

c d

Abb. 20.9 Ein superiores Fragment der hinteren Wand kann, auch
wenn es relativ klein ist, zu einer Instabilität der Hüfte führen.
a A.–p. Röntgenaufnahme einer luxierten Hüfte.
b Computertomogramm geschichtet durch das Pfannendach. Der Pa-
tient hatte rezidivierende Instabilitäten des Hüftkopfs nach einer offe-
nen Reposition, bei der ein kleines Fragment der hinteren Wand nicht
refixiert worden war. Der Patient wurde daher zur Weiterbehandlung
verlegt.
c Das intraoperative Foto zeigt eine entsprechende Abnutzung am Hüft-
kopf.
d Intraoperatives Foto des relativ kleinen, aber superior an der hinteren
Wand gelegenen Fragments.
e Plattenosteosynthese des kleinen superioren Fragments an der hin-
teren Wand.

e
518 20 Azetabulumfrakturen

sowohl die Frakturmorphologie als auch die Begleitver- der Dislokation etwas reduzieren, eine anatomische Re-
letzungen, die sich auf die Frakturversorgung auswirken position und Stabilität werden damit jedoch nicht er-
können, genau abzuwägen und der Chirurg muss sich reicht (Abb. 20.10). Daher kann eine initiale geschlossene
überlegen, ob er sich die Versorgung einer derartigen Reposition in annähernd anatomischer Position und Stel-
Verletzung zutraut, ob das richtige Team verfügbar ist lung der Fragmente nachfolgende Repositionsmanöver
und ob der Patient stabil genug ist, eine derartige opera- erleichtern, da die deformierende Kraft vom Hüftkopf
tive Intervention zu überstehen. Wenn es hinsichtlich genommen wird. Dies ist einer der Hauptgründe, wieso
eines der aufgeführten Punkte Zweifel gibt, sollte die für die chirurgische Versorgung von Azetabulumfraktu-
20 Operation entweder verschoben werden oder der Patient ren der Gebrauch von Extensionstischen befürwortet
an ein spezialisiertes Hüftzentrum verlegt werden. wird (3, 11). Sofern man die verbliebene Dislokation ver-
standen hat, wird es dem Chirurgen gelingen, verlässliche
Repositionsmanöver zu nutzen, um so eine erfolgreiche
Osteosynthese durchzuführen.
Operative Therapie
Anatomie und chirurgische Zugänge Präparation der Haut und antibiotische
Therapie
Den Unfallmechanismus für die unterschiedlichen Frak-
turformen zu verstehen und den Verlauf der Frakturlinien Eine postoperative Infektion nach der Osteosynthese
zu erkennen, hilft die Pathoanatomie des Azetabulums einer Azetabulumfraktur ist eine verheerende Komplika-
nach einem Unfall zu verstehen. Das Azetabulum („Hüft- tion. Daher sollten die Desinfektion der Haut und das
sockel“) wird durch den Hüftkopf auseinandergedrängt, Abdecken des Situs mit hoher Präzision erfolgen. Die Ver-
der die Kraft überträgt, die an unterschiedlichen Punkten abreichung eines Antibiotikums vor dem Hautschnitt ist
auf das Femur einwirken kann. Abhängig vom resultie- ebenfalls empfehlenswert. Als Abdecktücher werden Tü-
renden Kraftvektor wird der Kopf in die Pfanne getrie- cher aus Plastik verwendet, die die Wunde vom restli-
ben, und dies führt letztlich zur Fraktur. Die typische chen Patienten abdichten. Dies ist insbesondere bei Trau-
Dislokation (letztendliche Position der Fragmente, alle li- mapatienten wichtig, die evtl. zusätzliche Abschürfungen
nearen Verschiebungen und Rotationen berücksichtigt) oder andere offene Wunden aufweisen. Die Haut wird
wird durch die anhängenden Weichteile an den Frag- dabei mit einer Mischung aus Betadine/Alkohol oder
menten beeinflusst und durch die endgültige Stellung einer Mischung aus Alkohol/Jodophor desinfiziert. Im Be-
des Hüftkopfs. Dabei besitzen die Fragmente die Tendenz, reich des späteren Zugangs wird eine Ioban-Folie geklebt.
um den Hüftkopf zu rotieren, da dieser in den Knochen Ein Cephalosporin der ersten Generation (z. B. Cefazolin)
getrieben wird. Eine geschlossene Reposition des Hüft- oder Vancomycin wird 30 min vor dem Hautschnitt gege-
kopfs mit Extension mag zwar zu einer annähernd ana- ben und in der Regel für 2 Tage weitergeführt. Besteht
tomischen Stellung des Kopfes führen und das Ausmaß der Verdacht auf eine Infektion mit gramnegativen Bak-
terien (Harnwegsinfektion, polytraumatisierter Patient),
wird zusätzlich ein Aminoglykosid vor der Operation
und 48 h danach gegeben (z. B. Gentamicin 300 mg).

Kocher-Langenbeck-Zugang (Video 20-1, DVD 2)


Der Kocher-Langenbeck-Zugang ist der bevorzugte Zu-
gang zur Versorgung von Frakturen der hinteren Wand,
des hinteren Pfeilers und zudem für die meisten Quer-
frakturen mit Beteiligung der hinteren Wand und be-
stimmte Formen der T-förmigen Frakturen. Der Patient
wird dabei entweder in Bauch- oder Seitenlage gelagert,
nach Möglichkeit auf einem strahlendurchlässigen Tisch.
In den meisten Fällen wird die Lagerung auf einem spe-
ziellen Frakturtisch bevorzugt. Die Bauchlagerung auf
dem Spezialtisch hat dabei einige Vorteile:
■ Die Bauchlage ermöglicht eine bessere Palpation bei

der Reposition des ischiopubischen Fragments der qua-


drilateralen Fläche.
■ Das Setzen von Repositionszangen durch die Incisura

Abb. 20.10 Beispiel für eine Zwei-Pfeiler-Fraktur mit signifi- ischiadica major auf den vorderen Pfeiler/Becken
kanter Medialisierung des Femurkopfs. Diese zentrale Hüft- („BRIM“) wird erleichtert.
(sub)luxation erfordert die Anlage einer Extension.
Operative Therapie 519

■ Bei der Bauchlage ist die Lagerung des betroffenen Bei- teln trennt. Dies definiert das intervaskuläre Intervall
nes in Hüftextension und Knieflexion erleichtert, was zwischen der A. glutea superior (oberes Drittel des M.
beides den N. ischiadicus entspannt. gluteus maximus) und der A. glutea inferior (untere
■ Sowohl die Bauchlage als auch leichte Extension kön- zwei Drittel des M. gluteus maximus). Wenn die Präpara-
nen die Dislokationskräfte des Hüftkopfs vermindern, tionsebene mit dem Zeigefinger palpiert wird, kann in
was die Reposition erleichtern kann. diesem Schritt auch die Faszie in diesem Bereich inzidiert
■ Wenn der Patient in Bauchlage gelagert und dabei die werden. Der M. gluteus maximus wird dann vom pro-
Hüfte gestreckt und das Knie gebeugt ist, kann eine ximalen Femur ca. 1,5 cm von seiner Insertion abgelöst
kontrollierte Distraktion des Hüftgelenks das Entfernen – dies ermöglich eine bessere Exposition und ein leichte- 20
freier intraartikulärer Fragmente oder die Fragmentre- res Weghalten des posterioren Anteils. Zwei häufige Feh-
position erleichtern. ler in der Präparation sind zum einen, dass der Kocher-
■ Die Desinfektion und das Abdecken sind durch die Langenbeck-Zugang nicht weit genug nach distal geführt
Bauchlagerung erleichtert. wird und zum anderen, dass die Fasern des M. gluteus
maximus nicht ausreichend abgelöst werden. Beide Fak-
Der Vorteil der Seitlagerung liegt darin, dass eine Osteo- toren können zu Schwierigkeiten beim Weghalten des
tomie des Trochanters durchgeführt werden kann ggfs. posterioren Lappens führen. Der Charnley-Haken kann
mit einer chirurgischen Hüftluxation. Es ist dafür auch in einem nächsten Schritt auf Höhe des Trochanter
kein spezieller OP-Tisch oder Lagerungsmittel erforder- major eingesetzt werden, um so die Faszie des M. gluteus
lich. maximus nach posterior und gleichzeitig den Tractus ilio-
Der Kocher-Langenbeck-Zugang erlaubt eine direkte tibialis nach anterior zu halten.
Einsicht in die Incisura ischiadica major, die supraazeta- Das nächste entscheidende Manöver ist die Identifizie-
buläre Region, den hinteren Pfeiler und den hinteren un- rung und der Schutz des N. ischiadicus. Im Rahmen elek-
teren Azetabulumrand. Dieser Zugang erlaubt das Austas- tiver Hüftrekonstruktionen findet sich der N. ischiadicus
ten und das Setzen von Repositionszangen im Bereich der oft im Bereich des M. piriformis. In Fällen einer Azetabu-
quadrilateralen Fläche. lumfraktur ist die Anatomie in diesem Bereich jedoch
Bei der Bauchlagerung ist die sorgfältige Lagerung des weitgehend gestört. Am sichersten lässt sich hier der N.
Patienten wichtig. Es sollte darauf geachtet werden, dass ischiadicus am Hinterrand des M. quadratus femoris auf-
der Patient gerade gelagert ist, dass die Stiefel sowohl am finden. Sobald der N. ischiadicus gefunden ist, kann eine
verletzten als auch am unverletzten Bein angelegt sind Neurolyse mit Ablösen des umgebenden Fettgewebes er-
und dass kein unnötiger Zug am Plexus brachialis folgen. Im Großteil der Fälle liegt der N. ischiadicus pos-
herrscht. Dies lässt sich dadurch ermöglichen, dass ein terior der Sehne des M. obturator internus und anterior
Winkel von ungefähr 70° zwischen dem Rumpf und den der Sehne des M. piriformis. Dennoch gibt es auch hier
Armen angelegt ist. Das zu operierende Bein wird in diverse Varianten (13). Das Intervall zwischen dem M.
leichter Hüftextension bei gleichzeitiger Knieflexion von quadratus femoris und den Mm. gemelli wird im nächs-
60° gelagert. Hüftflexion während der Operation ent- ten Schritt identifiziert. Der gemeinsame sehnige Ansatz
spannt das anteriore iliofemorale Band, was die Distrak- besteht aus dem M. gemellus inferius, dem M. obturator
tion erleichtert und somit die Frakturreposition verbes- internus und dem M. gemellus superius. Der Chirurg
sert, sowie auch das Bergen freier Gelenkkörper erleich- muss nun die Schicht zwischen der Hüftkapsel und der
tert. Alle Haken sollten während dieses Repositions- Unterfläche dieses gemeinsamen Sehnenansatzes auf-
manövers aus der Incisura ischiadica genommen werden, suchen. Während der Präparation fühlt er eine dicke seh-
um unnötigen Zug am N. ischiadicus zu vermeiden. nenförmige Struktur am oberen Anteil der Unterfläche
Der Zugang beginnt ca. 5 cm von der Spina iliaca pos- der gemeinsamen Sehneninsertion, was der Sehne des
terior superior in Richtung Trochanter major, um dann in M. obturator internus entspricht. Die gemeinsame Seh-
Schaftmitte nach distal zu verlaufen (Abb. 20.11 und neninsertion inklusive der Sehne des M. obturator inter-
Abb. 20.12; 2, 12). Es erfolgt sodann eine scharfe Präpara- nus und die umgebenden Mm. gemelli werden ca. 1,5 cm
tion auf die Faszie des M. gluteus maximus, die in Ver- von ihrem Ansatz am Hinterrand des Trochanter major
längerung mit dem Tractus iliotibialis verläuft. Der abgesetzt. Das Absetzen ca. 1,5 cm vom Trochanter major
Tractus iliotibialis wird dann im mittleren Anteil des pro- entfernt, basiert dabei auf dem Wissen, dass ein Ast der
ximalen Femurs gespalten, beginnend von distal nach A. circumflexa femoris medialis anterior der Sehne des M.
proximal. Dabei sollte darauf geachtet werden, die Inzisi- obturator internus verläuft und in diesem Bereich nahe
on des Tractus iliotibialis nicht zu weit posterior durch- um den Hüftkopf zieht (14). Dies ist auch der Grund da-
zuführen, da sonst die Insertion des M. gluteus maximus für, dass, nachdem der M. obturator internus und der
am posterolateralen Femur beeinträchtigt wird. Nach gemeinsame Sehnenanstz durchtrennt sind, die Inzision
Durchtrennen der Fasern des Tractus iliotibialis bis zum des M. piriformis ebenfalls 1,5 cm von seinem Ansatz-
Trochanter major erfolgt die Palpation der Muskelfasern punkt erfolgt. Nachdem der M. obturator internus iden-
des M. gluteus maximus, um die Muskelraphe zu ertas- tifiziert und befreit wurde, kann der Chirurg im Verlauf
ten, welche das obere Drittel von den unteren zwei Drit- des Muskelbauchs / der Sehne bis zur Incisura ischiadica
520 20 Azetabulumfrakturen

20

Abb. 20.11 Bauchlagerung, wie sie beim Kocher-Langenbeck- b Die Präparation durch das Subkutangewebe und den Tractus
Zugang verwendet wird. iliotibialis sowie die Faszie des M. gluteus maximus (obere An-
a Hautinzision. Dabei verläuft der untere Anteil der Inzision sicht) stellt die Bursa trochanterica dar (untere Ansicht).
vom Trochanter major in der Schaftachse des Femurs bis Fe- c Der M. gluteus maximus ist von seinem Ansatz an der pos-
murmitte nach distal. Der obere Anteil verläuft geschwungen terolateralen Begrenzung des Femurs inzidiert worden, 1,5 cm
mit ca. 110° zur horizontalen Achse und zieht nach proximal in von seinem Ansatz. An der Unterseite der Sehne ist ca. 1,5 cm
Richtung der Spina iliaca posterior superior. von der Spitze der Inzision der Ast der ersten Perforansgefäße.

minor präparieren. Entlang des M. piriformis kann dann cisura ischiadica major. Um dies zu ermöglichen, werden
zur Incisura ischiadica major präpariert werden. Ein na- die kurzen Außenrotatoren von der quadrilateralen Flä-
türlicher Zügel verläuft zwischen der Unterfläche des M. che mit einem gebogenen Elevatorium, welches durch die
obturator internus und der Gelenkkapsel am hinteren Incisura ischiadica major geführt wird, abgehoben. Der
Pfeiler. Diese kann bis auf Höhe der Incisura ischiadica Muskelbauch des M. piriformis wird ebenso wie die kur-
minor geteilt werden, wo die vielfach gefiederte Sehne zen Außenrotatoren von der quadrilateralen Fläche abge-
des M. obturator internus dann sichtbar wird, wenn sie hoben – am besten geschieht dies mit dem gebogenen
aus der Incisura ischiadica minor austritt. Es findet sich Elevatorium.
eine Bursa zwischen der Unterfläche des M. obturator Nach Reposition der Azetabulumfraktur wird die
internus und der Incisura ischiadica minor, die die Iden- Wunde mit 6 Litern steriler Kochsalzlösung ausgiebig ge-
tifikation letzterer erleichtert. Letztlich kann der M. glu- spült, am besten unter Benutzung einer Jet-Lavage. Die
teus minimus angehoben werden, beginnend von inferior Sehne des M. piriformis und der gemeinsame Sehnen-
nach superior; das Ausmaß hängt von der erforderlichen ansatz werden mit einem resorbierbaren Faden der Stär-
Exposition ab. ke 1 refixiert (dabei muss der Verlauf der A. circumflexa
Nach kompletter Exposition der retroazetabulären Flä- femoris medialis beachtet werden) und die Sehne des M.
che erfolgt die Reposition der Fraktur in einem nächsten gluteus medius wird mit einem Faden der Stärke 5 refi-
Schritt (S. 528). Wenn notwendig, kann während der Re- xiert. 2 Redondrainagen werden unter die Faszie gelegt.
position die mediale Wand des Azetabulums (die quadri- Die Faszie wird dann mit einem Faden der Stärke 1 ge-
laterale Fläche) palpiert werden und zwar durch die In- schlossen, und das Subkutangewebe erneut gespült. Das
Operative Therapie 521

20

f g

Abb. 20.11 (Fortsetzung) f Ein gebogenes Elevatorium wird dazu benutzt, die Schicht
d Der N. ischiadicus (Pfeil) ist am besten am Hinterrand des M. zwischen der Unterfläche der gemeinsamen Sehnen und der
quadratus femoris (Q.F.) auffindbar. Dieser besitzt einen relativ Hüftkapsel zu präparieren. Der N. ischiadicus ist dabei am Hin-
großen muskulären Anteil unmittelbar kranial des Ansatzes des terrand der gemeinsamen Sehnen zu erkennen.
M. gluteus maximus. g Ein Nervenhaken wird in der Incisura ischiadica minor plat-
e Anatomie der kurzen Außenrotatoren und des N. ischiadicus. ziert, um so den N. ischiadicus zu schützen. Ein Assistent auf
Der N. ischiadicus lässt sich in den meisten Fällen posterior des der Gegenseite hält dabei diesen Haken, unter dem sich auch
M. quadratus femoris (Q.F.), posterior der Sehnen (C.T.) von M. das abgelöste Ende des M. obturator internus und die beiden
gemellus superior, M. obturator internus und M. gemellus infe- Muskelbäuche der Mm. gemelli befinden. Dies hilft, den N.
rior sowie anterior der Sehne des M. piriformis (P.) finden. Der ischiadicus vor einer Schädigung durch Hakenzug zu schützen.
M. gluteus medius (G.M.) kann nach kranial weggehalten wer-
den, um den M. gluteus minimus darzustellen.
522 20 Azetabulumfrakturen

M. piriformis

M. gluteus medius
M. gluteus minimus

20

M. gluteus maximus

M. quadratus femoris
M. obturatorius
Ischiasnerv
internus und
M. gemellus

Abb. 20.12 Der Kocher-Langenbeck-Zugang ist in Seit- oder bauchs des M. piriformis. Es ist zu beachten, dass der M. glu-
Bauchlage des Patienten möglich. Der N. ischiadicus wird am taeus inferior sich tief unterhalb des Muskelbauchs des M. piri-
besten an der Hinterkante des M. quadratus femoris auf- formis fortsetzt.
gesucht. Er verläuft posterior des gemeinsamen Sehnenansat- a Intraoperative Fotos – die schwarzen Pfeile markieren die
zes von M. obturator internus sowie der Mm. gemellus superior Sehne des M. piriformis.
und inferior. In den meisten Fällen liegt er anterior des Muskel- b Schemazeichnung.

Subkutangewebe wird mit einem nichtresorbierbaren einer Exposition der Fossa iliaca und des kranialen An-
Faden geschlossen, ehe der Hautverschluss mit Haut- teils des Beckenrings. Das mittlere (zweite) Fenster, zwi-
klammern erfolgt. schen dem M. iliopsoas und dem Gefäß-Nerven-Bündel
gelegen, erlaubt eine Einsicht auf die quadrilaterale Flä-
Ilioinguinaler Zugang (Video 20-2, DVD 2) che und die Eminentia iliopectinea. Das mediale (dritte)
Fenster erlaubt Einsicht auf den oberen Schambeinast,
Der ilioinguinale Zugang wurde von Letournel entwickelt, die Symphyse und den Raum posterior des Os pubis.
um so den gesamten vorderen Beckenring von der Sym- Der ilioinguinale Zugang ist der bevorzugte Zugang zur
physe bis zum Iliosakralgelenk erreichen zu können (2, 3, Versorgung von Frakturen des vorderen Pfeilers, der Frak-
12, 15). Zuvor verwendete Zugänge ermöglichten nur turen des vorderen Pfeilers mit hinteren Hemiquerfrak-
einen limitierten Zugang zum Becken medial der Psoas- turen und kombinierter Zwei-Pfeiler-Frakturen. Er kann
grube (z. B. der Smith-Petersen-Zugang) und eine für Frakturen der vorderen Wand und Querfrakturen
schlechte Einsicht auf die quadrilaterale Fläche. Der ilio- dann benutzt werden, wenn die Hauptdislokation nach
inguinale Zugang bedient sich dabei dreier Fenster, um so anterior ist. Dieser Zugang ist am besten zur chirurgi-
den gesamten Anteil der Fossa iliaca, des vorderen Pfei- schen Versorgung von Frakturen geeignet, welche das
lers, des Beckenrings, der parasymphysialen Region und Os pubis von der Symphyse bis zur Eminentia iliopectinea
der quadrilateralen Fläche einzusehen. Die Fenster wer- mit betreffen und diejenigen Frakturen, die am Vorder-
den dabei durch den M. iliopsoas und die externen Ilia- rand des Os ilium oder zur Beckenschaufel ziehen. Der
kalgefäße definiert. Das laterale (erste) Fenster führt zu Hauptnachteil des ilioinguinalen Zugangs ist, dass eine
Operative Therapie 523

direkte Einsicht in das Gelenk fehlt. Dies hat zur Folge, wenn diese Inzision lateralseitig erfolgt, da bei den meis-
dass die Reposition auch intraartikulärer Frakturen nur ten Menschen der N. cutaneus femoris lateralis unmittel-
indirekt erfolgen kann. Bei Frakturen des vorderen Pfei- bar unter dem Ligament verläuft und durch die Inzision
lers mit hinteren Hemiquerfrakturen und Zwei-Pfeiler- nicht verletzt werden sollte. Im Allgemeinen findet sich
Frakturen verbleibt ein lateraler Anteil des Weichteils der N. cutaneus femoris lateralis 1 – 2 cm medial der
zwischen dem posterioren Frakturfragment und dem in- Spina iliaca anterior superior, dies ist jedoch sehr varia-
takten oder frakturierten Gelenkrand (Labrum). Dies bel. Wenn der Sehnenspiegel lateralseitig von der Spina
kann die indirekte Reposition des hinteren Pfeilers er- iliaca anterior superior abgelöst wird, kann ein größerer
leichtern. Anteil des M. iliopsoas und der ihn umgebenden Faszie 20
Der Patient wird in Rückenlage gelagert mit der Hüfte des M. tensor fasciae latae nach distal abgelöst werden.
in leichter Flexion, um so eine Relaxation des M. iliopsoas Eine zusätzliche Flexion der Hüfte erlaubt die Mobilisie-
zu erreichen. Muskelrelaxation kann während der Prä- rung des M. iliopsoas nach medial zur Eminentia ilio-
paration von Vorteil sein, insbesondere dann, wenn eine pectinea und zum vorderen Beckenring. Eine Präparation
Retraktion der Bauchdecke/Hüftmuskulatur erfolgen über den Ring hinaus und auf die quadrilaterale Fläche ist
muss. Der Patient kann für diesen Zugang auf einen Frak- an dieser Stelle durch die Faszie des M. ilopectineus limi-
turtisch gelagert werden, alternativ kann das Bein auch tiert.
frei gelagert sein. Der klassische ilioinguinale Zugang be- Die stumpfe Präparation von lateral nach medial über
ginnt mit einer Hautinzision 1 – 2 cm kranial der Sym- den anterioren Anteil des M. iliopsoas kann beim Auf-
physe und zieht geschwungen zu einem Punkt gleich un- suchen des N. femoralis medial des Muskelbauchs des
terhalb der Spina iliaca anterior superior (Abb. 20.13). M. iliopsoas helfen. Um Zugang zum Becken zu erreichen,
Nach der Hautinzision und der Präparation des Kutange- muss die iliopektinale Faszie im medialen Anteil des M.
webes, wird die Faszie des M. obliquus externus im Be- iliopsoas geteilt werden. Die iliopektinale Faszie trennt
reich des Abdomens identifiziert und das Intervall zwi- dabei die Iliopsoasmuskulatur und den N. femoralis von
schen der Bauchmuskulatur und den Hüftabduktoren den benachbarten externen Iliakalgefäßen, sodass das
dargestellt. Das laterale Fenster wird präpariert, indem Teilen der Faszie mit großer Sorgfalt erfolgen muss. Es
die Bauchwand von ihrem Ansatz an der Beckenschaufel finden sich in diesem Bereich oftmals kleine Gefäßäste
abgelöst wird, wie auch der M. iliacus von seinem Ansatz zwischen dem Muskelbauch des M. iliopsoas und der A.
auf der Innenseite des Os ilium. Der M. iliopsoas wird iliaca externa, die ligiert werden sollten. Der Puls in der
vom inneren Anteil der Fossa iliaca bis zum Beckenrand A. iliaca externa / A. femoralis kann unmittelbar neben
nach anterior abgelöst und bis zum Iliosakralgelenk nach der iliopektinalen Faszie palpiert werden. In einem
posterior. Bei der Präparation ist die das Os ilium versor- nächsten Schritt wird die iliopektinale Faszie medial
gende Arterie zu beachten. Eine Verletzung derselben und lateral identifiziert, und es erfolgt eine Inzision in
kann eine signifikante Blutung hervorrufen, die den Ein- a.–p. Richtung. Der N. femoralis und der M. psoas werden
satz von Knochenwachs über dem Durchtrittsloch der gemeinsam mit einer Penrose-Drainage angeschlungen.
Arterie erforderlich macht. Dieses befindet sich ca. Dieses Anschlingen erleichtert das Weghalten des Mus-
1,5 cm lateral und 1,5 cm anterior des Iliosakralgelenks. kels, es bietet aber auch einen Schutz für den N. femoralis
In diesem Bereich wird sodann ein feuchtes Bauchtuch sofern im mittleren Fenster gearbeitet wird. Das Setzen
eingelegt. von Haken durch das mittlere Fenster auf die quadrilate-
Im vorderen Anteil wird nach Identifizierung des exter- rale Fläche, um so Gefäße nach medial und den M. ilio-
nen Leistenkanals die Faszie des M. externus gerade über psoas und den N. femoralis nach lateral zu halten, führt
dem Leistenkanal gespalten, beginnend vom lateralen zu einer verbesserten Einsicht in diesem Bereich. Es muss
Anteil des M. rectus abdominis bis zu einem Punkt sorgfältig darauf geachtet werden, dass der Zug nach me-
knapp oberhalb der Spina iliaca anterior superior. Wird dial nicht länger als notwendig durchgeführt wird. Es
der M. obliquus externus nach distal weggehalten, kom- muss regelmäßig der Puls im Bereich der A. iliaca externa
men die Strukturen, welche innerhalb des Leistenkanals bzw. Fluss in der V. iliaca externa getastet werden, da es
verlaufen (Samenstrang, N. ilioinguinalis) zum Vorschein beim Operieren durch das mittlere Fenster durch den
und werden mit einer Penrose-Drainage markiert. Der Hakenzug zu einer Okklusion der A. femoralis kommen
Grund des Leistenkanals wird durch die zusammen ver- kann.
laufenden Sehnen des M. obliquus internus und des M. In der Mittellinie der Bauchwand unterhalb der Linea
transversus abdominis gebildet. Der distalste Punkt wird arcuata laufen die Faszienanteile der Bauchmuskulatur in
durch das Leistenband gebildet. Das Band ist lateralseitig eine einzelne Schicht anterior des M. rectus abdominis
stärker ausgebildet und leichter zu identifizieren, nach aus. Zur Darstellung des mittleren Fensters wird die Inzi-
medial hin erfolgt die Insertion am Tuberculum pubicum. sion, welche zuvor durch die Aponeurose des M. externus
Das kleine Becken wird durch Inzision des Ligaments obliquus gemacht wurde, nach medial zur Mittellinie
2 – 3 mm proximal seiner Einstrahlung in die Faszie des über den M. rectus abdominis verlängert. Diese Faszien-
M. externus obliquus erreicht. Dabei sollte das Spalten schicht wird vom M. rectus abdominis nach distal abge-
des Ligaments sorgfältig erfolgen, insbesondere dann, hoben, während darauf geachtet wird, die Faszie im Be-
524 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

Abb. 20.13 Ilioinguinaler Zugang. c Die Faszie des M. obliquus externus wird in einem nächsten
a Die Hautinzision für den ilioinguinalen Zugang beginnt ca. Schritt geteilt und distal zurückgeschlagen. Zudem wird das
2 cm kranial der Symphyse und zieht entlang der Beckenschau- Lig. inguinale im Verlauf durchtrennt, wobei 3 – 4 mm der Fa-
fel zur Spina iliaca anterior superior. Die Inzision ist ebenso sern am kranialen Anteil belassen werden.
angezeichnet wie die Mittellinie des Abdomens, welche der d Nach Durchtrennen des Lig. inguinale wird die Fascia ilio-
Linea alba entspricht. pectinea dargestellt. Die Faszie wird dann häufig bis zur Emi-
b Nach Präparation durch das subkutane Gewebe wird der nentia pectinea und zum Iliosakralgelenk gespalten.
äußere Leistenkanal sichtbar. Das Trennen der Faszie des M.
obliquus externus erfolgt in einem nächsten Schritt.

reich des vorderen Beckenrings nicht zu verletzen, um so da hier Lymphgefäße verlaufen, die nicht verletzt werden
eine komplette Rekonstruktion am Ende der OP zu er- sollten. Mithilfe eines Fingers werden entlang des poste-
möglichen. Der M. rectus abdominis wird transversal rioren Anteils des Schambeinasts im Bereich des mitt-
vom superioren Anteil gespalten. Der retroperitoneale leren Fensters die retropubischen Gefäßanastomosen
Raum wird eröffnet und die Blase vom posterioren Anteil palpiert (16). Sobald diese Gefäße geklippt oder mit
des Os pubis abgelöst. Eine oberflächliche Präparation dem Elektrokauter verödet sind, kann die subperiostale
lateral des M. rectus abdominis ist nicht empfehlenswert, Präparation des Schambeinasts und der quadrilateralen
Operative Therapie 525

20

e g

Abb. 20.13 (Fortsetzung) f Intraoperativer Blick durch das „laterale Fenster“ mit entspre-
e Die A. iliaca externa und die V. iliaca externa werden palpiert chender Exposition der Fossa iliaca interna. Die Fraktur des
und mit einer Penrose-Drainage angeschlungen. Am Unterrand vorderen Pfeilers lässt sich so einsehen. Dieses Fenster kann
des Fotos ist das „mittlere Fenster“ zu sehen, durch das der genutzt werden, um die Reposition des Iliosakralgelenks durch-
Chirurg die quadrilaterale Fläche ertasten und einsehen kann, zuführen, sofern dies notwendig ist.
am besten unter Verwendung eines gebogenen Hakens, wel- g Beim Schließen des ilioinguinalen Zugangs werden der
cher im Bereich der Spina ossis ischii eingesetzt wird. Grund des Leistenkanals und die Faszie des M. externus obli-
quus mit einer fortlaufenden Naht genäht.

Fläche komplettiert werden. Um über das laterale Fenster Fensters zur Visualisierung und indirekten Reposition
Einblick auf die quadrilaterale Fläche zu bekommen, ist des hinteren Pfeilers erforderlich.
eine Hüftflexion von 50°– 60° erforderlich. Dies kann Mittlerweile wurden Modifikationen des ilioinguinalen
unter Verwendung eines Frakturtischs nicht erreicht wer- Zugangs entwickelt, um hier einen Zugang zu bestimm-
den. Sollte man also den Frakturtisch benutzen, so ist in ten Anteilen des Azetabulums und des Hüftgelenks für
der Regel eine extensivere Ausnutzung des mittleren spezielle Indikationen zu erreichen. Weber u. Mast defi-
nierten eine Erweiterung nach posterior, um so einen
526 20 Azetabulumfrakturen

Zugang zum posterolateralen Os ililum zu erreichen, ins- magna, Gefäßverletzungen der A. iliaca oder ihrer Äste
besondere für die Versorgung von Frakturen, die das Ilio- sowie schweren Schädel-Hirn-Traumata. Bei der Auswahl
sakralgelenk mit betreffen (17). Kloen et al. beschrieben des Zugangs ist es die Aufgabe des Chirurgen die Balance
die Verwendung des Smith-Peterson-Intervalls anterior, zwischen verbesserter Exposition gegenüber einer erhöh-
um so die Exposition des vorderen Beckenrings zu ver- ten Morbidität zu finden (welche für gewöhnlich mit die-
bessern und intraartikuläre Einsicht zu bekommen (18). sem erweiterten Zugang verbunden ist; 3, 22).
Aussparen des mittleren Fensters zugunsten eines Splits Der von den Autoren bevorzugte erweiterte Zugang ist
des M. rectus abdominis in der Mittellinie und Verwen- der erweiterte iliofemorale Zugang. Im nächsten Ab-
20 dung des Stoppa-Zugangs als Teil des ilioinguinalen Zu- schnitt wird dieser Zugang intensiv besprochen, und es
gangs kann die Einsicht und das Setzen der Repositions- werden zudem alternative erweiterte Zugänge dar-
zangen bzw. der Implantate im Bereich der quadrilatera- gestellt.
len Fläche und des hinteren Pfeilers verbessern (19).
Erweiterter iliofemoraler Zugang
Erweiterte Zugänge
Der erweiterte iliofemorale Zugang ermöglicht einen di-
Erweiterte Zugänge wurden entwickelt, um einen direk- rekten Zugang zur Beckenschaufel, zur Incisura ischiadica
ten Zugang sowohl zum vorderen als auch zum hinteren major, der Iliosakralgelenksregion und zum Beckenring
Pfeiler sowie zur Gelenkfläche zu bekommen. Das kann bis zur Eminentia pectinea. Letournel beschrieb eine ver-
für komplexe Rekonstruktionen erforderlich sein. Daher besserte Exposition gegenüber dem erweiterten Smith-
sind diese Zugänge per definitionem von lateral kom- Petersen-Zugang, einen Zugang zur retroazetabulären
mend und beinhalten allesamt das Abheben der Abduk- Fläche und kaudal bis zum Os ischium (2).
toren-Muskulatur vom lateralen Os ilium. Zu den erwei- Der Patient wird für diesen Zugang in Seitenlage gela-
terten Zugängen gehören der Triradiate-Zugang nach gert. Das Bein wird mit Zug am distalen Femur positio-
Mears (20), der erweiterte T-förmige Zugang (21) und niert. Die Hüfte befindet sich in Neutralstellung und das
der erweiterte iliofemorale Zugang (2, 12). Diese Zugänge Knie flektiert, um so eine Entspannung des N. ischiadicus
sind im Normalfall dann indiziert, wenn Verletzungen zu erreichen. Der Zugang kann dabei in 4 Schritte unter-
sowohl des vorderen als auch des hinteren Pfeilers vor- teilt werden (Abb. 20.14). Die Hautinzision beginnt knapp
liegen und die Frakturen ein spezielles Frakturmuster unterhalb der Spina iliaca posterior superior und verläuft
aufweisen, sodass eine Versorgung über den Kocher-Lan- dann bogenförmig entlang der Beckenschaufel zur Spina
genbeck- oder den ilioinguinalen Zugang nicht zufrieden- iliaca anterior superior. Die Inzision sollte dabei knapp
stellend möglich ist. Indikationen für einen erweiterten unterhalb der Beckenschaufel erfolgen und dann nach
Zugang sind: distal knapp posterior der Spina iliaca anterior superior
■ Frakturen beider Pfeiler mit Auslaufen der Fraktur in ziehen, über den Muskelbauch des M. tensor fasciae latae
das Iliosakralgelenk, eine begleitende Fraktur des hin- zum lateralen Anteil der Patella zielend. Nun wird in
teren Pfeilers oder signifikante Dislokationen oder einem nächsten Schritt das Intervall zwischen der Bauch-
auch die Fraktur der hinteren Wand. muskulatur und den Hüftabduktoren im Bereich des Be-
■ Kombinierte Zwei-Pfeiler-Frakturen, bei denen der pe- ckenkamms identifiziert. Die Ursprünge des Mm. glutei
riphere Rand des vorderen oder hinteren Pfeilers be- medius und maximus werden von der Beckenschaufel
troffen ist und kein Kontakt zwischen den Fragmenten abgelöst, und diese werden dann zusammen mit dem
mehr vorhanden ist (dies spricht für eine Trennung des M. gluteus minimus vom lateralen Anteil des Os ilium
Kapsel-Labrum-Komplexes vom vorderen und hinteren zum kranialen Anteil der Incisura ischiadica major und
Pfeiler, was eine indirekte Reposition der hinteren Pfei- der supraazetabulären Region abgelöst. Der Ursprung des
lers erschwert). M. gluteus maxiumus soll von den Cristae gluteae des Os
■ Hohe (transtektale) Querfrakturen, Querfrakturen plus ilium posteriorseitig komplett abgelöst werden.
Verletzungen der hinteren Wand und T-förmige Frak- In einem nächsten Schritt sollte die Insizion nach kau-
turen insbesondere dann, wenn sie mit Begleitverlet- dal geführt werden, ungefähr bis zur halben Länge des
zungen des Beckenrings (Dislokation der Symphyse Oberschenkels, gerade distal des Einstrahlens des M. ten-
oder Frakturen des Schambeinasts) assoziiert sind. sor fascia lata in den Tractus iliotibialis. Die Faszie über
■ Frakturen, die beide Pfeiler betreffen und älter als 3 dem M. tensor fasciae latae wird inzidiert, der Muskel
Wochen sind. Die lokale Knochenresorption im Bereich von seinem Ursprung am anterior-lateralen Os ilium ab-
der Frakturlinie kombiniert mit Kallusbildung macht gelöst und nach posterior mit dem Abduktoranteil präpa-
dabei eine adäquate Rekonstruktion schwierig, wenn riert. Distal davon wird der posterior gelegene Anteil der
keine direkte Einsicht auf die Gelenkfläche vorliegt. umscheidenden Faszie des M. tensor fasciae latae inzi-
diert und die darunter liegende Faszie des M. rectus fe-
Relative Kontraindikationen für einen erweiterten Zu- moris dargestellt und nach lateral weg gehalten. Bei der
gang bestehen in einem höheren Alter (> 50 Jahre), Dé- Präparation sollte beim Inzidieren der nächsten Faszien-
collementverletzungen der Weichteile, Adipositas per schicht darauf geachtet werden, dass die aufsteigenden
Operative Therapie 527

20

a b

Abb. 20.14 Der erweiterte iliofemorale Zugang. b Die Distraktion des Hüftgelenks erlaubt nach Kapsulotomie
a Äußerer Anteil des Azetabulums, wie es unter Verwendung (falls erforderlich) die direkte Einsicht auf die azetabuläre Ge-
des iliofemoralen Zugangs möglich ist. lenkfläche.

Äste der A. circumflexa lateralis unmittelbar unterhalb gestellt werden, in einer ähnlichen Art und Weise, wie
dieser Gewebsschicht liegen. Die Gefäße werden dar- sie auch beim Kocher-Langenbeck-Zugang beschrieben
gestellt und ligiert, um so eine gute Präparation des Mus- wurde. Die Sehnen des M. piriformis und des M. obtu-
kellappens zu erreichen. Im distalen Wundanteil kann rator internus werden von der Trochanterregion und
der M. rectus femoris gut vom M. vastus lateralis unter- ebenso von der retroazetabulären Fläche abgelöst. Eine
schieden werden. In einem nächsten Schritt wird der anteriore superiore Kapsulotomie kann im Anschluss er-
proximale Abduktor weit nach kaudal und posterior mo- folgen, um eine direkte Einsicht auf die Gelenkfläche zu
bilisiert, und entlang der Rektussehne wird dann nach bekommen. Das Auspalpieren der quadrilateralen Fläche
supraazetabulär präpariert. Der superiore gluteale Pedi- und des inneren Abschnitts des großen Beckens ist durch
kel wird vom anterioren Anteil der Incisura ischiadica die Incisura ischiadica major möglich. Man sollte sorgfäl-
major abgehoben. Der Trochanter major ist leicht zu pal- tig darauf achten, wie der Zugang zu den inneren Ab-
pieren, ist jedoch von straffem Bindegewebe umgeben. schnitten des Beckens von oben oder vorne erlangt
Die Sehne des M. gluteus minimus wird ebenfalls in der wird. Wenn die Frakturlinie entlang der Beckenschaufel
supraazetabulären Region aufgefunden und kann in verläuft, sollten die Muskelansätze anterior-superior und
ihrem Verlauf zur Spitze des Trochantermassivs verfolgt anterior-inferior am Beckenkamm erhalten bleiben, um
werden. Distal kann mit einem Finger entlang des M. so eine Gefäßversorgung des vorderen Pfeilerfragments
vastus lateralis die Insertion im Bereich der Ansatzstelle zu erhalten. Das Setzen von Repositionszangen und das
am Trochanter abgelöst werden. Diese beiden Landmar- digitale Austasten des Beckenrings kann durch die Ebene
ken können einen bei der Präparation des Bindegewebes zwischen den Spinae erfolgen. Für Quer- oder T-förmige
leiten. Für gewöhnlich wird dies mit Präparierscheren Frakturen sollten die Ansätze im Bereich des Becken-
durchgeführt, um so die Insertion des M. gluteus mini- kamms ebenfalls erhalten werden, um die Gefäßversor-
mus am anterolateralen Trochanter darzustellen. gung des anterioren Iliums nicht zu gefährden. In so
Die Sehne des M. gluteus minimus wird vom Trochan- einem Fall kann der Ansatz des M. rectus femoris abge-
ter abgelöst. Ein Finger kann dann stumpf von posterior löst werden, um so den Vorderrand der quer verlaufen-
nach proximal und distal geführt werden, um so die den Frakturlinien im Bereich des vorderen Beckenrings
schräge Insertion des M. gluteus medius abzulösen. Die bzw. Azetabulums einzusehen. Der M. iliopsoas kann
Sehne des M. gluteus medius kann dann scharf vom Tro- vom Becken abgelöst werden, um die Reposition und
chanter gelöst werden, alternativ kann auch eine Osteo- das Setzen von anterioren Repositionszangen zu erleich-
tomie des Trochanter major durchgeführt werden. Wenn tern und die Ursprünge der Bauchmuskulatur im Bereich
eine Tenotomie durchgeführt wird, sollte dies Schritt für der Beckenschaufel unangetastet zu lassen.
Schritt erfolgen und währenddessen Haltefäden gesetzt
werden, um die Orientierung und Position der Sehne für
die nachfolgende Rekonstruktion zu behalten. Wenn eine
Osteotomie erfolgt, sollte diese lateral der Insertion des
M. piriformis erfolgen, um so die Gefäßversorgung des
Hüftkopfs nicht zu gefährden (14). Letztlich können der
hintere Pfeiler und die Incisura ischiadica major dar-
528 20 Azetabulumfrakturen

wendet, wie dies bei Seitlagerung des Patienten erforder-


Chirurgische Techniken
lich ist. (Abb. 20.15 und Abb. 20.16). Die Verwendung von
Behandlung einer Fraktur der hinteren Wand Kopflampen und feinen Saugern ist bei der Identifizie-
durch den Kocher-Langenbeck-Zugang rung und dem Entfernen von Fragmenten im Hüftgelenk
(Video 20-1, DVD 2) nützlich. In einem Großteil der Fälle ist das Lig. teres
abgelöst. Es wird ebenfalls débridiert, da sich im Band-
Die wichtigen Fragen, die man sich im Rahmen der prä- verlauf oft kleine chondrale oder osteochontrale Frag-
operativen Planung bei der Versorgung einer Fraktur der mente finden.
20 hinteren Wand stellen sollte sind: Gelegentlich finden sich Fragmente, die anterior des
■ Wie weit reicht das Fragment der hinteren Wand nach Hüftkopfs liegen, welche mit einer rechteckig gebogenen
anterior? Der Chirurg sollte sich präoperativ ein Bild Klemme geborgen werden können. Der Chirurg sollte
davon machen, ob die Fraktur eingesehen werden während der Operation auch auf jeglichen Knorpelscha-
kann und ob die Reposition über die Exposition, wie den im Bereich des Hüftkopfs achten. Der Hüftkopf wird
sie beim Kocher-Langenbeck-Zugang möglich ist, er- dann durch Lösen der Extension in die richtige Position
reicht werden kann. In speziellen Fällen kann eine zurückgebracht. Die Reposition der hinteren Wand wird
Fraktur der hinteren Wand ziemlich weit nach superior bei reponiertem Gelenk durchgeführt, da der Hüftkopf
reichen, und die Mm. gluteus medius und minimus hier als Schablone benutzt wird. Eine Impaktion im
werden dem Chirurgen die Einsicht auf die hintere Randbereich kann in Form von osteochondralen Frag-
Wand versperren, oder die Muskulatur wird beim Ver-
such, die Fraktur darzustellen, signifikant geschädigt.
Keine dieser Optionen ist erstrebenswert. Wenn die
Fraktur weit nach superior oder anterior läuft, sollte
eine Exposition durch eine Trochanterosteotomie
nach Ganz in Erwägung gezogen werden (23).
■ Die Charakterisierung der hinteren Wand insbesondere

hinsichtlich der Fragmentgröße und -zahl lässt sich am


besten im a.–p. Röntgenbild des Beckens und zusätzlich
auf der Obturatoransicht beurteilen. Diese sollte dann
mittels Computertomografie bestätigt werden.
■ Das Vorliegen intraartikulärer Fragmente wird über-

prüft. Sollten derartige Fragmente vorliegen, sind ihre


Anzahl und Größe einzuschätzen.
■ Es sollte beurteilt werden, ob eine Impaktion der Ge-

lenkfläche vorliegt, falls ja, sollten ihre Größe und ihre


Abb. 20.15 Distraktion des Hüftgelenks wie sie sich beim Ko-
Lokalisation festgestellt werden. cher-Langenbeck-Zugang darstellt. Die Lagerung des Patienten
■ Der Chirurg sollte prüfen, ob eine inkomplette oder
erfolgt hier in Bauchlage unter Verwendung eines Fraktur-
minimal dislozierte Querfraktur vorliegt. tischs.
■ Der Chirurg sollte sich ein Bild darüber machen, ob

assoziierte Frakturen/Verletzungen des Hüftkopfs vor-


liegen.

Die Versorgung einer Fraktur der hinteren Wand beginnt


mit dem Kocher-Langenbeck-Zugang, wie wir ihn bereits
dargestellt haben. Man sollte dabei penibel darauf achten,
eine Ablösung der Abduktorenmuskulatur zu vermeiden.
Nach der Exposition werden die Frakturkanten sowie der
spongiöse Knochen sowohl des Fragments der hinteren
Wand als auch des Frakturbetts débridiert. Der Chirurg
sollte sich dabei die Originalposition kleiner, separater
osteochondraler Fragmente im Gedächtnis einprägen,
denn dies wird die Reposition des Fragments der hin-
teren Wand in die richtige Position erleichtern. Die Dis-
traktion des Hüftgelenks und das Débridement und Spü-
len des Gelenks führen zu einer besseren Einsicht. Ers-
teres kann mithilfe eines Frakturtischs durchgeführt wer- Abb. 20.16 Distraktion des Hüftgelenks bei einem Kocher-
den, wenn der Patient dabei in Bauchlage gelagert ist (mit Langenbeck-Zugang in Seitlage. Hier findet der Femurdistrak-
dem Knie in Flexion) oder es wird ein Beindistraktor ver- tor Verwendung.
Operative Therapie 529

menten vorhanden sein, die disloziert und um 70°– 90°


verdreht in den kompakten Knochen der hinteren Pfeiler
imprimiert wurden. Eine geringfügige Impaktion ist bei
11 – 23 % aller Fälle vorhanden (2, 3, 24). Sollte eine der-
artige randständige Impaktion vorhanden sein, werden
die impaktierten Fragmente in die richtige Position repo-
niert (Abb. 20.17). Die Unterfütterung mit Knochen (Bone
graft) kann mit Knochen aus dem Trochanter major über
eine 1,5 cm lange und rechtwinklig zur Kortikalis durch- 20
geführte Osteotomie erfolgen, um so den Defektbereich
zu unterfüttern. Einzelne, kleine osteochondrale Frag-
mente werden reponiert und durch die Verwendung a
von Kleinfragmentschrauben (falls notwendig 2,0 oder
2,7 mm) gehalten. Die hintere Wand wird dann in die
richtige Position gebracht. Die typische Dislokation der
hinteren Wand ist nach kranial und in die Peripherie.
Ein oder zwei Repositionszangen werden dann für die
Reposition verwendet. Interfragmentäre Zugschrauben
können durch die hintere Wand gesetzt werden, sollte
diese groß genug sein. Die Richtung solcher Zugschrau-
ben muss von der Reposition abhängig gemacht werden.
Die Schrauben sollten nicht zu fest angezogen werden, da
dies zu einer Dislokation der Fragmente führen kann,
insbesondere wenn noch keine Platte angelegt wurde. In b
einem letzten Schritt wird eine passend angeformte 3,5-
mm-Rekonstruktionsplatte über die hintere Wand gelegt,
um so eine Kompression und eine Abstützung der Fraktur
zu ermöglichen (Abb. 20.18). Die Form der Platte ist dabei
wichtig für ihre Funktion. Die äußere Oberfläche der hin-
teren Wand ist konvex. Die Platte wird angebogen, sodass
sie einen spitzen Winkel zwischen dem 1. und dem 2.
Loch distal aufweist. Dies führt dazu, dass eine lange
Schraube (typischerweise 50 – 70 mm) in das Os ischium
eingebracht werden kann. Die untere Hälfte der Platte
besitzt eine leichte Konkavität, um sich so der Kurvatur
c
der hinteren Wand anzupassen. Der obere Anteil der Plat-
te wird etwas weniger angebogen, sodass die Platte im Abb. 20.17 Bei einer Fraktur der hinteren Wand sind Impakti-
oberen Anteil vom Knochen absteht, dabei jedoch die on und freie osteochondrale Fragmente häufig vergesellschaf-
hintere Wand im mittleren Abschnitt berührt. Nun wird tet.
unter Verwendung des Kugelspitz in einem der oberen a Die Impaktion des Randes stellt sich mit einem um 70° ver-
Löcher die Platte gegen den Knochen gedrückt. Dieses drehten Fragment dar. Es wird in sein Frakturbett reponiert.
Zusätzlich findet sich ein freies osteochondrales Fragment.
Manöver erfordert eine extrem starke Kompression
Die Verbindung der hinteren Wand zur Gelenkkapsel wird be-
gegen die Konvexität des Fragments der hinteren Wand. lassen.
Die Platte sollte lang genug sein, sodass 2 Schrauben nach b Unter Verwendung des Hüftkopfs als Schablone erfolgt die
superior in das Os ilium gesetzt werden können. Zug- Reposition des rotierten Fragments in die richtige Position. Zur
schrauben werden, falls nötig auch durch die Platte ge- Unterfütterung des Fragments wird ein Knochentransplantat
setzt. Ob die Reposition und die Fixation der hinteren verwendet. Zudem werden die Fragmente mittels 2,0- oder
Wand zufriedenstellend sind, kann durch Austasten mit 2,7-mm-Schrauben gesichert.
c Die hintere Wand wird dann in die entsprechende Position
dem Finger und Fraktureinsicht kontrolliert werden. Die
reponiert und im Bereich der hinteren Wand eine Platte ange-
extraartikuläre Schraubenlage wird mit dem Bildwandler legt.
bestätigt (25). Die Obturatoraufnahme kann zur Überprü-
fung der Reposition Verwendung finden, man muss sich
dabei jedoch vergegenwärtigen, dass die Bildwandler-
untersuchung nur bis auf 2 mm genau ist und die direkte Häufig auftretende Fehler sind die Ablösung der Ab-
Einsicht der Fraktur der Bildwandlerdarstellung über- duktorenmuskulatur, eine schlechte Einsicht auf das
legen ist (Abb. 20.19). Fragment der oberen/hinteren Wand und eine unzurei-
chende Berücksichtigung intraartikulär liegender Frag-
530 20 Azetabulumfrakturen

größerer Zugang erforderlich sein, kann eine Osteotomie


der Trochanterregion indiziert sein. Die Gefäßversorgung
der hinteren Wand sollte wie bei jeder Fraktur erhalten
bleiben. Bei Fragmenten der hinteren Wand kann dies für
gewöhnlich durch den Erhalt von Kapsel und Labrum
ermöglicht werden.
Ein weiterer möglicher Fehler ist das unzureichende
Débridement intraartikulär gelegener knöcherner Frag-
20 a mente. Die exakte präoperative Planung und Beurteilung
intraartikulärer Fragmente ist in diesem Fall hilfreich, um
eine derartige Komplikation zu vermeiden. Eine unzurei-
chende anatomische Reposition oder eine unzureichende
Abstützung impaktierter Fragmente kann durch Verwen-
dung des Hüftkopfs als Repositionshilfe minimiert wer-
den. Zudem sollte die Indikation zur Knochentransplan-
tation großzügig gestellt werden.
Häufige Fehler bei der Versorgung einer Fraktur der
hinteren Wand beinhalten zudem ein zu starkes Anbie-
gen der Platte, sodass der superiore und inferiore Anteil
der Platte mit dem Knochen Kontakt hat, im mittleren
Abschnitt die Platte die hintere Wand aber nicht suffi-
zient abstützt (s. Abb. 20.18 a). Zwei weitere häufige Feh-
ler bei der Anpassung der Platte sind zum einem, dass die
Platte nicht peripher genug an das Azetabulum angelegt
b
wird, sodass die hintere Wand nicht adäquat abgestützt
wird und zum anderen, dass die Platte nicht gerade
genug angelegt wird und so den hinteren Pfeiler nicht
gut abstützt, sondern eher nach anterior oberhalb des
Azetabulums zu liegen kommt. Eine Positionierung der
hinteren Platte kranial der Incisura ischiadica major, so-
fern die Platte direkt zum hinteren Pfeiler zieht, führt zu
einer Gefährdung des N. glutealis superior und der Be-
gleitarterie (s. Abb. 20.18 b).

Behandlung einer Fraktur des hinteren Pfeilers


durch einen Kocher-Langenbeck-Zugang
c
Die Fraktur des hinteren Pfeilers wird in allen Fällen
Abb. 20.18 Das direkte Anpassen und Positionieren der Platte durch einen Kocher-Langenbeck-Zugang angegangen.
im Bereich der hinteren Wand ist schwierig. Der Patient sollte dabei in Bauchlage gelagert werden,
a Ein zu starkes Anbiegen führt dazu, dass die Platte die hin- da sonst die Beurteilung der Rotationskomponente des
tere Wand nicht ausreichend abstützt. hinteren Pfeilers durch die Incisura ischiadica major er-
b Ein anderer Fehler ist, dass die Platte gar nicht gebogen
schwert ist. Die anatomische Reposition ist dennoch sehr
wird, sondern gerade aufgelegt wird. Damit stützt sie aber
nicht den Hauptanteil der hinteren Wand. Zusätzlich besteht schwierig zu erreichen. Die gängige Fehlstellung der hin-
die Gefahr, dass, wenn man die Platte gerade anlegt und sie teren Pfeiler ist die superiore Dislokation mit nach krani-
daher etwas kranialer zu liegen kommt, der N. gluteus superior al ziehender Dislokation bzw. Rotationsfehler. Dies kann
und seine Begleitgefäße gefährdet werden. am besten durch die Palpation der hinteren Pfeiler durch
c Korrekte Positionierung der Platte im Bereich der hinteren die Incisura ischiadica major beurteilt werden. Als hilf-
Wand. reiches Repositionswerkzeuge für die Versorgung von
Frakturen des hinteren Pfeilers haben sich eine kurze
gebogene Zange, die asymmetrische Verbruegge- oder
mente. Versuche, einen kranial und anterior gelegenen die Weber-Repositionszange erwiesen, welche durch die
Zugang zum supraazetabulären Knochen anzulegen, kön- Incisura ischiadica major gesetzt werden. Eine Schanz-
nen zu einer Elongation der Abduktorenmuskulatur und Schraube im Os ischium kann zur Beurteilung der Rotati-
des N. glutealis superior führen und so zu einer erhöhten on ebenfalls hilfreich sein. Eine erste Zugschraube wird in
Zugangsmorbidität. Die Hüftabduktion kann in solchen der Regel vom hinteren Pfeiler in das intakte Os ilium
Fällen helfen die Muskulatur zu entspannen. Sollte ein gesetzt. Bei übergewichtigen Patienten kann das Setzen
Operative Therapie 531

20

a b

c d

Abb. 20.19 Beispiel einer Azetabulumfraktur der hinteren Beckenschaufelaufnahme ein einzelnes Knochenfragment ent-
Wand. lang der Incisura ischiadica major zeigt (schwarzer Pfeil). Es
a Beckenübersichtsaufnahme, die ein wahrscheinlich intraarti- handelt sich um eine kombinierte Fraktur der hinteren Wand.
kuläres Fragment zeigt, erkennbar an der Erweiterung des me- c Postoperative a.–p. Aufnahme. Einzelne interfragmentäre
dialen Gelenkspalts. Schrauben wurden verwendet, um die kombinierte Verletzung
b Judet-Ansicht der Fraktur. Dabei zeigt die Obturatoransicht der hinteren Wand zu refixieren. Zudem wurde eine Abstütz-
(rechte Abbildung) klar die Dislokation im Bereich der hinteren platte eingebracht.
Wand (weißer Pfeil). Man beachte, dass sich in der schrägen d Postoperative Judet-Aufnahme.

dieser Zugschraube erschwert sein, weshalb die Verwen- Behandlung von Querfrakturen über den
dung einer Zweilochplatte im Bereich der Incisura ischia- Kocher-Langenbeck-Zugang
dica major zur provisorischen Fixation Verwendung fin-
den kann. Eine Sechslochplatte wird dann entlang des Aus den vorher genannten Gründen werden Querfraktu-
hinteren Pfeilers angelegt. Diese Platte besitzt weniger ren in der Regel versorgt, indem der Patient auf dem
die Funktion einer Abstützungsplatte, und so ist es nicht Bauch gelagert wird. Dabei hat sich für die Reposition
von so entscheidender Bedeutung, dass diese Platte ent- eine Extension am Femur bewährt. Als Repositionsinstru-
lang des azetubulären Pfannenrands verläuft, wie es bei mente eignen sich eine Schanz-Schraube im Bereich des
der Fraktur der hinteren Wand notwendig ist. Eine zu- Tuber ischiadicum zur Kontrolle der Reposition, sowie
sätzliche Zugschraube wird von eher peripher durch den gebogene Repositionszangen, wie die Weber- oder die
hinteren Pfeiler gesetzt. asymmetrische Verbruegge-Zange.
Daneben finden auch die Farabeuf-Zange oder eine
kleine Beckenrepositionszange, die im Verlauf des hin-
teren Pfeilers angelegt werden können, Verwendung
(Abb. 20.20 und Abb. 20.21). Oftmals scheint es, als ob
der hintere Pfeileranteil einer Querfraktur sich perfekt
532 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

Abb. 20.20 Für die Reposition einer Azetabulumquerfraktur tur auf den hinteren Pfeiler platziert. Eine Schanz-Schraube im
sind häufig unterschiedliche Repositionszangen und -manöver Os ischium dient als Joystick zur Derotation des ischiopubi-
erforderlich. schen Fragments.
a Eine Repositionszange (z. B. Coaxialzange, nicht im Bild) wird b Reposition dieser Querfraktur. Eine Zugschraube wurde vom
über die Incisura ischiadica major über den hinteren Pfeiler intakten Ilium in das ischiopubische Segment platziert.
gegen den vorderen Pfeiler platziert. Eine Beckenrepositions- c Schemazeichnung der beschriebenen Repositionstechniken.
zange wird mit je einer Schraube ober- und unterhalb der Frak-

reponieren lässt. Bei der Palpation jedoch zeigt sich dann, wird eine Platte über den hinteren Pfeiler angelegt. Bei
dass der obere Anteil der Fraktur entweder einen Rotati- den meisten Querfrakturen ist die Verwendung einer ein-
onsfehler oder eine persistierende Spaltbildung aufweist. zelnen Platte ausreichend.
Dies kann durch die Rotation des Os-ischium- Fragments
mittels der eingebrachten Schanz-Schraube im Tuber is- Versorgung einer Querfraktur mit Beteiligung
chiadicum und/oder durch das Setzen einer Repositions- der hinteren Wand über den Kocher-
zange durch die Incisura ischiadica major auf den vor- Langenbeck-Zugang (Video 20-1, DVD 2)
deren Pfeiler vermieden werden. Nach Reposition der
Fraktur wird eine Zugschraube vom hinteren Pfeiler in Der Schlüssel bei der Versorgung einer Querfraktur mit
den vorderen Pfeiler platziert, zusätzlich erfolgt das Set- Beteiligung der hinteren Wand liegt darin, in einem ers-
zen einer Zugschraube durch den hinteren Pfeileranteil ten Schritt die quere Komponte der Fraktur anzugehen
der Fraktur. Die Repositionszangen können dann entfernt und erst in einem zweiten Schritt die Hintere-Wand-
werden, da die Fraktur nun reponiert ist. Im Anschluss Komponente der Fraktur zu versorgen (Abb. 20.22 und
Operative Therapie 533

20

a b

Abb. 20.21 Eine transtektale Azetabulumquerfraktur eines a Beckenübersicht nach Trauma.


18-jährigen Patienten, die über einen Kocher-Langenbeck-Zu- b Verlaufskontrolle 2 Jahre nach operativer Stabilisierung.
gang versorgt wurde.

a b

c d

Abb. 20.22 Reposition und Osteosynthese einer Azetabulum- der Rotation wurde eine Schanz-Schraube als Joystick im Be-
querfraktur mit Fraktur der hinteren Wand links, versorgt über reich der Tuberositas ossis ischii gesetzt.
einen Kocher-Langenbeck-Zugang in Bauchlage des Patienten. c Postoperative Beckenübersicht.
a Unfallröntgenbild. d Postoperative Judet-Aufnahmen (Ala- und Obturatorprojek-
b Eine Repositionszange wurde über die Incisura ischiadica tion).
major gegen den vorderen Pfeiler platziert. Für die Kontrolle
534 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

Abb. 20.23 Querfraktur mit Beteiligung der hinteren Wand schraubung links durchgeführt. Man beachte die Benutzung
und einer assoziierten Beckenringfraktur bei einer 63-jährigen spezieller Repositionsinstrumente, um so die Rotationsfehlstel-
Diabetikerin. lung des linken Hemipelvis zu korrigieren.
a Die linksseitige Querfraktur mit Beteiligung der hinteren d Intraoperativ durchgeführte Obturatoraufnahme, die die Re-
Wand ist kombiniert mit einer Verletzung des ipsilateralen Ilio- position der Querfrakturkomponente zeigt. Diese wurde hier
sakralgelenks. Daraus resultiert eine geringgradige Abduktion/ dadurch erreicht, dass eine kurze, gebogene Repositionszange
Außenrotation des linken Hemipelvis. Die Patientin hat als Be- über die Incisura ischiadica major eingebracht wurde und
gleitverletzungen noch eine anterior-inferiore Luxation der zudem eine Beckenrepositionszange entlang des hinteren Pfei-
rechten Hüfte und eine Femurschaftfraktur links. lers. Eine Zugschraube wird vom hinteren in den vorderen
b Judet-Aufnahmen der genannten Verletzungen. Pfeiler gesetzt.
c Über einen Kocher-Langenbeck-Zugang wurden zunächst Mi- e A.–p. Aufnahme des Beckens 6 Monate postoperativ. Die
nifragmentschrauben zur Refixation eines freien osteochondra- Patientin entwickelte heterotope Ossifikationen im Stadium
len Fragments eingebracht. Der quere Anteil der Fraktur war Brooker III.
nicht reponierbar. Daher wurde eine perkutane Iliosakralver-
Operative Therapie 535

20

Abb. 20.23 (Fortsetzung)


f Judet-Aufnahme 6 Monate postoperativ.
g Beckenübersicht 2 Jahre postoperativ, nachdem die Metall-
entfernung und die Abtragung der heterotopen Ossifikationen
erfolgt waren.
h Judet-Aufnahme 2 Jahre postoperativ. Die Patientin hatte
noch minimale Schmerzen (5/5/5 im modifizierten Score
nach d’Aubigné u. Postel; 3)

Abb. 20.23). Dieses Vorgehen ermöglicht es dem Chirur- terior angelegt, und die zweite Platte wird zur Versor-
gen, eine komplexe Querfraktur mit Fraktur der hinteren gung der hinteren Wand genutzt (Abb. 20.23).
Wand in zwei einfachere Frakturformen umzuwandeln:
eine Querfraktur, die bereits reponiert und fixiert ist und Versorgung einer T-förmigen
eine verbleibende Fraktur der hinteren Wand. Während Azetabulumfraktur über den Kocher-
der Exposition kann es hilfreich sein, einen Faden durch Langenbeck-Zugang
das Fragment der hinteren Wand zu ziehen, um es so aus
dem Sichtfeld halten zu können und ungestört die quere Ein wesentliches Merkmal einer T-förmigen Fraktur ist,
Frakturkomponente versorgen zu können. In einem dass der vordere Pfeiler und der hintere Pfeiler über die
Großteil der Fälle wird zunächst eine Zugschraube in inferiore Fraktur getrennt sind. Eine T-förmige Fraktur
den hinteren Pfeiler über die quere Komponente der kann dabei durch einen erweiterten iliofemoralen Zu-
Fraktur gesetzt. Eine zusätzliche Zugschraube kann dann gang oder den Kocher-Langenbeck-Zugang angegangen
vom hinteren zum vorderen Pfeiler verlaufen. Sollte das werden. Letzterer ist am besten für ältere Patienten (älter
hintere Wandfragment groß sein und das Querfragment als 55 Jahre) geeignet oder dann, wenn das vordere Pfei-
horizontal verlaufen, kann zusätzlich zu einer posterio- lerfragment sehr klein oder minimal disloziert ist. Bei der
ren, interfragmentären Zugschraube eine Platte entlang Versorgung derartiger Frakturen über einen Kocher-Lan-
der Incisura ischiadica major eingebracht werden. Ist die- genbeck-Zugang kann es ein, dass die Reposition des vor-
ses geschehen, wird das hintere Wandfragment débri- deren Pfeilers erschwert ist. Es gibt dabei 3 mögliche Vor-
diert und reponiert, wie bereits weiter oben beschrieben. gehensweisen, die bei der offenen Reposition und inne-
Eine Platte wird dann über die hintere Wand gelegt. Soll- ren Fixation T-förmiger Frakturen über den Kocher-Lan-
te die hintere Wand sehr klein sein oder das Fragment genbeck-Zugang Verwendung finden:
sehr weit peripher liegen, kann die Verwendung von 2 ■ Die Reposition des vorderen Pfeilers folgt der Repositi-

Platten erforderlich werden. In solch einem Fall wird die on des hinteren Pfeilers.
kürzere Platte zur Versorgung der Querfraktur eher pos-
536 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

Abb. 20.24 T-förmige Fraktur mit Beteiligung der hinteren c Judet-Aufnahme derselben Hüfte nach geschlossener Reposi-
Wand bei einem 42-jährigen Mann. tion. Man beachte das hohe Auslaufen der Verletzung des hin-
a A.–p. Aufnahme mit posteriorer Luxation des Hüftkopfs. teren Pfeilers in die Incisura ischiadica major.
Man beachte die weite Dislokation des hinteren Pfeilers und d Computertomografie des Beckens, welche eine typische T-
die relativ geringe Dislokation des vorderen Pfeilers. förmige Fraktur in a.–p. Ausrichtung zeigt.
b A.–p. Aufnahme nach geschlossener Reposition der linken
Hüfte.

■ Die Reposition des hinteren Pfeilers folgt der Repositi- ment des hinteren Pfeilers durch die Benutzung eines
on des vorderen Pfeilers. Lamina-Spreizers disloziert werden. Der Hüftkopf kann
■ Das Schaffen eines intakten ischiopubischen Segments dann in einem nächsten Schritt distrahiert werden, was
gefolgt von der Reposition des kaudal gelegenen Frag- durch die Benutzung des Frakturtischs ermöglicht wird,
ments an das intakte Os ilium. sodass eine Repositionszange an den vorderen Pfeiler an-
gelegt werden kann. Gelegentlich wird ein Knochenha-
ken oder eine Repositionshilfe wie eine Schanz-Schraube
Letztere Vorgehensweise kann benutzt werden, wenn ein in den vorderen Pfeiler zur Kontrolle der Rotation benö-
ischiales T-Fragment vorliegt, bei dem der vertikale An- tigt. Es wird sodann eine Zugschraube vom hinteren Pfei-
teil der Fraktur in das Os ischium zieht. Die am häufigs- ler in den vorderen Pfeiler eingebracht und das hintere
ten benutzte Vorgehensweise bei der Verwendung des Pfeilerfragment dann in der richtigen Position fixiert.
Kocher-Langenbeck-Zugangs ist jedoch die Reposition Wenn die hintere Wand ebenfalls frakturiert ist, folgt
des vorderen Pfeilerfragments in einem ersten Schritt, die Reposition und innere Fixation, wie es für die singu-
gefolgt von der Reposition und Fixation des hinteren Pfei- läre Fraktur der hinteren Wand beschrieben wurde. Al-
lerfragments. In einem Großteil der Fälle kann das Frag- ternativ kann zunächst der hintere Pfeiler angegangen
Operative Therapie 537

20

g h

Abb. 20.24 (Fortsetzung). ment zunächst reponiert, ehe Zugschrauben gesetzt wurden
e Tiefer liegende CT-Schichten zeigen die Dissoziation zwi- und eine Platte eingebracht wurde. In einem nachfolgenden
schen dem vorderen und dem hinteren Pfeiler, was die Diag- Schritt erfolgte die Reposition des vorderen Pfeilerfragments
nose einer T-förmigen Fraktur mit Beteiligung der hinteren und die Platzierung einer Zugschraube von posterior nach an-
Wand bestätigt. terior.
f Intraoperative Bildwandleraufnahmen, die die Reposition und g Beckenübersicht 1 Jahr postoperativ.
Fixation darstellen. In diesem Fall wurde das posteriore Frag- h Judet -Aufnahmen 1 Jahr postoperativ.

werden, bevor man sich der Versorgung des vorderen gangs, ist eine Inzision der Abduktorenanteile im Bereich
Pfeilers zuwendet (Abb. 20.24). der Beckenschaufel sehr häufig (entweder anterior oder
posterior des Tuberculum gluteus medialis), um die Re-
Versorgung von Frakturen des vorderen position der Fraktur an der Außenfläche des Os ilium
Pfeilers unter Benutzung des ilioinguinalen tasten zu können. Dies bedarf in der Regel des Abhebens
Zugangs (Video 20-2, DVD 2) von Gewebe für 2 – 3 cm vom äußeren Aspekt des Inno-
minatum. Die Reposition beginnt in der Regel von ante-
Frakturen, die überwiegend durch den ilioinguinalen Zu- rior nach posterior sowie von kranial nach kaudal.
gang versorgt werden, sind Frakturen der vorderen Pfei- Für die Versorgung von Frakturen des vorderen Pfeilers
ler, vordere und hintere Hemiquerfrakturen und Zwei- wurde eine Vielzahl verschiedener Instrumente ent-
Pfeiler-Frakturen, sowie gelegentlich auch Quer- oder T- wickelt, um so eine Kontrolle über die Rotation zu erhal-
förmige Frakturen. Der erste Schritt bei der Reposition all ten. Klemmen werden benutzt, um das Fragment nach
dieser Frakturen ist die Reposition des Fragments des lateral wegzuhalten und Kontrolle über die Flexion und
vorderen Pfeilers. Nach Exposition des inneren Anteils Extension in der Sagittalebene zu bekommen. Bei einer
des Os ilium über die 3 Fenster des ilioinguinalen Zu- Frakturversorgung wie in diesem Fall wird eine Farabeuf-
538 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

Abb. 20.25 Die Reposition einer Fraktur des vorderen Pfeilers, intakte Os ilium angelegt wird und zwar auf den äußeren Anteil
einer kombinierten Zwei-Pfeiler-Fraktur oder einer Fraktur des des Beckens. Darüber hinaus können eine Farabeuf-Zange oder
vorderen Pfeilers mit posteriorer hemitransverser Komponente. eine Schanz-Schraube in der interspinalen Region zur Rotations-
a Häufige Repositionshilfen sind die Weber-Klemme im Bereich kontrolle der vorderen Pfeiler verwendet werden.
der Beckenschaufel und eine große gebogene Repositionszan- b Nahansicht.
ge (oder „King-Tong“-Zange), die vom vorderen Pfeiler auf das

Klemme am anterioren Anteil der Beckenschaufel (im Be-


reich der interspinalen Notch oder entlang der Becken-
schaufel) angesetzt, um so eine Kontrolle über die Rota-
tion zu bekommen (Abb. 20.25). Dies kann auch durch
eine Schanz-Schraube erreicht werden, die in die Spina
iliaca anterior superior eingebracht wird. Die Reposition
der vorderen Pfeiler folgt dann in einem nächsten Schritt
durch Längszug am Bein, um so zunächst Länge zu ge-
winnen, ehe die Reposition der Fraktur unter Rotations-
kontrolle anhand der Beckenschaufel oder des Becken-
rands erfolgt. Eine Klemme im Bereich der Schaufel si-
chert dann die Reposition. Als Klemme kann in diesem
Fall eine gebogene Repositionszange benutzt werden. Al-
ternativ steht die „King-Tong“-Zange zur Verfügung, die
auf den äußeren Anteil des intakten Os ilium angesetzt
wird und zum anderen auf den Beckenring, um so eine
Kontrolle über die Lateralisation und Flexion zu erhalten
(Abb. 20.25 und Abb. 20.26).
Die Palpation der äußeren Anteils des Os ilium kann
die richtige Position und Rotation des vorderen Pfeilers
bestätigen, und das Repositionsergebnis kann an der In-
nenseite des Os ilium und des Beckenrings auch einge-
sehen werden (Abb. 20.27). Oftmals besteht das Fragment
des vorderen Pfeilers aus einem tortenstückförmigen An-
teil des Os ilium. Sollte dies der Fall sein, wird zunächst
dieses Stück posterior eingepasst. Die Reposition wird
Abb. 20.26 Intraoperativer Situs mit Reposition einer Fraktur durch eine intrafragmentäre Schraube gesichert, und ge-
des vorderen Pfeilers in ähnlicher Art und Weise wie in wöhnlich erfolgt zudem das Anlegen einer Protektions-
Abb. 20.25 beschrieben. Eine gebogene Repositionszange platte im Bereich des vorderen Pfeilers. Es ist sehr häufig,
wird für die Reposition des vorderen Pfeilers an das intakte dass ein kleines Kortikalisfragment vom posterioren An-
Os ilium verwendet. Die anatomische Rekonstruktion wird teil des Beckenrands abgesprengt wird. Dies kann ana-
durch Austasten der Fraktur verifiziert. In der dargestellten
tomisch reponiert werden, da es als Schlüsselfragment
Abbildung war die Reposition noch nicht perfekt und wurde
durch das Setzen einer weiteren Zange verbessert. für die Reposition des vorderen Pfeilers dienen kann.
Operative Therapie 539

Oftmals findet sich ein Fragment der posterioren Flä-


che des superioren Ischiaspfeilers, dem ipsilateralen Ilio-
sacralgelenk anliegend (Abb. 20.28). Ausgiebiges Débride-
ment und Säubern des Frakturbetts, wie auch die ana-
tomische Reposition des Fragments sind sehr anspruchs-
voll, da die Rekonstruktion der Ischiasgrube den wich-
tigsten Schritt bei der Rekonstruktion darstellt. Sobald
sich der Hauptanteil des vorderen Pfeilers in korrekter
Position befindet und die Reposition durch Klemmen ge- 20
sichert wird, erfolgt die interfragmentäre Schraubenos-
teosynthese. Eine weitere interfragmentäre Schraube im
Bereich der Crista iliaca sowie eine weitere von der Spina
iliaca anterior inferior supraazetabulär gelegen in die
Spina iliaca posterior superior kann dabei helfen die Re-
position des vorderen Pfeilers zu halten. Sofern möglich
sollte eine Schraube lateral des Randes in den vorderen
Pfeiler sowie in den Ischiaspfeiler platziert werden, da
dies hilft die Reposition der Fraktur zu halten. In einem
nächsten Schritt wird eine Abstützplatte entlang des Be-
ckenrands vom intakten Os ilium zum Ramus superior Abb. 20.27 Intraoperative Bildwandlerkontrolle der Repositi-
gesetzt. Praktischerweise findet hier eine 10- bis 14- on des vorderen Pfeilers gegen das intakte Os Ilium. Dies
Lochplatte Verwendung, um so vom Beckenring bis zum wird bei Frakturen des vorderen Pfeilers, Frakturen des vor-
Tuberculum pubicum zu reichen. Diese Platte wird lateral deren Pfeilers mit hinterer Hemiquerfraktur sowie kombinier-
ten Zwei-Pfeiler-Frakturen auf diese Weise durchgeführt. Die
des Randes platziert und so gebogen, dass sie auf den
Frakturebene zwischen vorderem Pfeiler und intaktem Os
superoposterioren Rand des Schambeinasts und dem
ilium liegt in der Frontalebene. Deshalb werden nach erfolg-
Schambein selbst zu liegen kommt. Versucht man die reicher Reposition Zugschrauben von anterior nach posterior
Platte etwas weiter lateral anzulegen, wird die Platte platziert, wie hier zu sehen ist.
mehr auftragen, da sie über der Eminentia pectinea und
bis in die Konkavität der superoanterioren Oberfläche des
Schambeinastes zu liegen kommt.
Die Platte wird etwas vorgebogen, um so beim Anzie-
hen der Schrauben etwas Druck auf den vorderen Pfeiler
zu bringen. Die Platte wird anfangs auf das intakte Os
ilium unmittelbar lateral des Iliosakralgelenks gelegt.
Dies erlaubt eine Fixierung im Bereich der Spina iliaca
posterior. Die Platte wird in einem nächsten Schritt ent-
lang des oberen Anteils des Schambeinasts fixiert, ge-
wöhnlich vom mittleren Fenster aus. Die Platte hat die
Funktion die Flexions- und Abduktionskräfte während
der Rotation auf den vorderen Pfeiler zu neutralisieren.
Gelegentlich kann es erforderlich werden, eine kürzere
Platte zu benutzen, die sich vom intakten Os ilium zur Abb. 20.28 Blick durch das laterale Fenster (1. Fenster) des
Eminentia iliopectinea erstreckt, insbesondere dann, ilioinguinalen Zugangs auf die linke Fossa iliaca interna. Der
wenn der Patient eine schlechte Knochenqualität auf- vordere Pfeiler ist gegen das stabile Os ilium fixiert worden.
Hier findet sich häufig ein separates Fragment im Bereich der
weist und der vordere Pfeiler im Bereich des Ramus su-
Linea terminalis, welches zur Kontrolle der Reposition des vor-
perior keine signifikante Fragmentierung aufweist. Diese deren Pfeilers wichtig ist (Schlüsselfragment).
sogenannte Springplatte hilft dabei die Position des vor-
deren Pfeilers zu halten und dient auch als Hilfsmittel zur
Schraubenplatzierung im hinteren Pfeiler. Die intraopera-
tive Bildwandleruntersuchung, bestehend aus einer a.–p. position des vorderen Pfeilers zufrieden und ist dies der
Ansicht und einer Obturatoransicht, hilft dabei die Posi- einzige Anteil der Fraktur, so können zusätzliche Schrau-
tion des vorderen Pfeilers nach Reposition zu beurteilen ben in die Platte eingebracht werden und zwar proximal
(s. Abb. 20.22). Radiologische Landmarken, die verwendet der Eminentia iliopectinea. Dies erfolgt in der Regel
werden, um die Qualität der Reposition des vorderen durch das laterale Fenster in den hinteren Pfeiler, um so
Pfeilers zu beurteilen, sind die Linea iliopectinea und die Fixierung zu verbessern, sowie durch das mittlere
die Frage, ob das Fragment auf der Obturatoransicht late- Fenster in den Schambeinast (Abb. 20.29).
ralisiert erscheint oder nicht. Ist der Chirurg mit der Re-
540 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

Abb. 20.29 Zahlreiche Zugschrauben, die für die Reposition Anteil der Crista iliaca und vom vorderen Pfeiler in das intakte
und Osteosynthese einer kombinierten Zwei-Pfeiler-Fraktur mit Os ilium (in a.–p. Richtung) sowie in den hinteren Pfeiler ge-
großem einzelnen Knochenfragment in einem jungen Patien- setzt.
ten verwendet wurden. c Intraoperative Bildwandleraufnahmen. Man beachte, dass die
a A.–p. Beckenübersicht einer sehr adipösen 22-jährigen Pa- Schrauben vom lateralen Anteil der Spina iliaca anterior infe-
tientin. rior, welche in Richtung der Spina iliaca posterior superior zie-
b Postoperative Darstellung mittels Beckenübersicht. Zug- hen, einen guten Halt im Knochen finden.
schrauben wurden dabei entlang der Crista iliaca, vom latera- d Judet-Aufnahmen 2 Jahre postoperativ.
len Anteil der Spina iliaca anterior inferior in den posterioren

Reposition und Fixation des hinteren Pfeilers ilium angesetzt, die innere Branche auf die quadrilaterale
unter Verwendung eines ilioinguinalen Fläche über das mittlere Fenster. Wenn erforderlich, kann
Zugangs (Video 20-2, DVD 2) eine Platte angelegt werden, um die Kräfte entsprechend
zu verteilen. Sobald die Klemme etwas weiter posterior
Sofern Frakturen des vorderen Pfeilers mit hinteren He- angesetzt wird, führt dies zu einer Lateralisation des
miquerfrakturen oder kombinierte Zwei-Pfeiler-Fraktu- Fragments des hinteren Pfeilers. Ein häufiger Fehler ist,
ren vorliegen, erfolgt die Reposition des vorderen Pfeilers dass nicht die entsprechende Länge vorliegt, ehe die Re-
zunächst wie bereits beschrieben. In einem nächsten position des hinteren Pfeilers erfolgt. Sollte die Fraktur-
Schritt kann der Chirurg mit der Reposition und Osteo- linie im Bereich der retroazetabulären Fläche verlaufen,
synthese des hinteren Pfeilers fortfahren. Sollte es sich ist eine Lateralisation des Fragments ohne genügend Zug
um ein großes Fragment des hinteren Pfeilers handeln, unmöglich. Daher sollte während des Repositionsschritts
das den Großteil der quadrilateralen und retroazetabulä- ausreichend Zug auf die Extremität gebracht werden, um
ren Fläche umfasst, kann die Osteosynthese nur mit die Reposition des hinteren Pfeilers halten zu können.
Schrauben erfolgen. Das Repositionsmanöver für die Re- Sobald eine ausreichende Lateralisierung erreicht ist,
position des hinteren Pfeilers besteht darin, eine nach kann eine zweite kleinere Repositionszange durch das
lateral wirkende Kraft auf die quadrilaterale Fläche anzu- mittlere Fenster aufgesetzt werden (Abb. 20.30). Dabei
legen. Dies kann mithilfe einer großen gebogenen Repo- wird eine Branche der Klemme auf die Eminentia ilio-
sitionszange erfolgen. Dabei wird die eine Branche im pectinea oder die vordere Wand gesetzt und die zweite
Bereich der interspinösen Fläche auf das äußere Os Branche entlang der quadrilateralen Fläche platziert.
Operative Therapie 541

20

a b

c d

e f

Abb. 20.30 Fraktur des vorderen Pfeilers mit Beteiligung der c Intraoperative Bildwandlerkontrolle der Reposition des vor-
quadrilateralen Fläche bei einem 66-jährigen Mann, der diese deren Pfeilers auf das intakte Os ilium über den ilioinguinalen
Verletzung bei einem Niedrigenergietrauma erlitten hat. Zugang. Die Aufnahme auf der linken Seite zeigt, dass die
a Es findet sich eine signifikante Impaktion der Gelenkfläche Reposition erst nach Setzen einer Schanz-Schraube über den
und eine Medialisierung des Hüftkopfs. Das radiologisch intak- ilioinguinalen Zugang im Bereich des Trochanter minor mög-
te Azetabulumdach zeigt sich nur auf den lateralen 2 cm (siehe lich wird. Eine nach lateral ziehende Kraft wurde dann ange-
Pfeil). legt, was letztlich die Reposition des Os ilium und des vorderen
b Judet-Aufnahme. Die schräge Aufnahme des Os ilium (linke Pfeilers ermöglichte.
Aufnahme) zeigt, dass der hintere Pfeiler nicht betroffen ist. d Zugschrauben wurden dann vom vorderen Pfeiler in das in-
Die ilioischiale Linie zeigt sich auf der Beckenübersicht mit- takte Os ilium eingebracht. In einem nächsten Schritt wurden
betroffen, was an der signifikanten Mitbeteiligung der quadri- zwei Platten vom intakten Os ilium auf den vorderen Pfeiler
lateralen Fläche liegt. Die Obturatoraufnahme (rechte Abbil- gesetzt. Grund hierfür war die ausgeprägte Osteoporose des
dung) zeigt die Medialisierung des Hüftkopfs, die Dislokation Patienten. Eine supraazetabuläre Zugschraube wurde dann zur
im Bereich des vorderen Pfeilers und die signifikante Dislokati- Fixierung der quadrilateralen Fläche eingesetzt.
on zwischen dem intakten Os ilium und dem dislozierten vor- e Beckenübersicht 1 Jahr postoperativ.
deren Pfeiler (Pfeil). f Judet-Aufnahme 1 Jahr postoperativ.
542 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

Abb. 20.31 Nach Reposition des vorderen Pfeilers bei einer Eminentia pectinea auf die quadrilaterale Fläche gesetzt. Zug-
kombinierten Fraktur des vorderen Pfeilers mit hinterer Hemi- schrauben werden in einem nächsten Schritte von der Fossa
querfraktur oder einer kombinierten Zwei-Pfeiler-Fraktur erfolgt iliaca interna auf den hinteren Pfeiler gesetzt.
die Reposition des hinteren Pfeilers. Eine kurze gebogene Re- a Intraoperativer Situs.
positionszange wird dabei über das mittlere Fenster von der b Bildwandlerkontrolle.

Damit wird der hintere Pfeiler nach kranial gezogen, um meisten Querfrakturen eine Medialisierung des hinteren
die Fraktur im Bereich des Beckenrings zu reponieren. Ein Anteils des ischiopubischen Fragments. Daneben findet
in der Incisura ischiadica minor platzierter Knochenha- sich auch eine Rotation in sagittaler Richtung dieses Frag-
ken kann das Repositionsmanöver erleichtern. ments um den dislozierten Hüftkopf. Die Kontrolle dieser
Die Schraubenfixierung des vorderen Pfeilers zielt von sagittalen Rotation kann über einen ilioinguinalen Zu-
anterior entlang des hinteren Pfeilers nach posterior, um gang sehr schwer sein. Die Reposition kann vom Becken-
den Knochen distal der Spina ischiadica zu verlassen. Die rand zum vorderen Ring durch das laterale Fenster einge-
Fixation kann entweder neben oder durch die Platte er- sehen werden. Der posteriore Anteil der Querfraktur
folgen. Ein typischer Eintrittspunkt befindet sich 1 cm kann über das mittlere Fenster eingesehen und palpiert
lateral des Beckenrands und 2 cm anterior des Iliosakral- werden und dies sogar besser als über den Stoppa-Zu-
gelenks (Abb. 20.31). Von diesem Startpunkt aus sollte gang (19). Wie bereits weiter oben beschrieben, können
der Bohrer in die Mitte zwischen der hinteren Begren- die Repositionszangen über das mittlere Fenster an das
zung der Incisura ischiadica major und dem Foramen Os-pubis-Fragment bzw. an den Außenrand des Os ilium
obturatorium zielen. Wenn eine Kompression der Fraktur zwischen den beiden Spinae gesetzt werden, um so die
indiziert ist oder der Chirurg wünscht, dass die Repositi- Lateralisation und die Rotation des hinteren Pfeilers zu
on durch die Schraube erleichtert wird, so kann die erleichtern. Der Hüftkopf sollte während des Rotations-
Schraube auch als Zugschraube gesetzt werden. Sollte manövers distrahiert werden. Eine Fixierung erfolgt im
die Fraktur gehalten werden, empfehlen wir auf die Ver- nächsten Schritt über Schrauben vom Beckenrand in
wendung einer Zugschraube zu verzichten. Häufig ver- den inferoposterioren Teil des hinteren Pfeilers. Dies hilft,
laufen diese Schrauben nicht senkrecht zur Fraktur und die Reposition und das Schließen des hinteren Anteils der
führen deshalb zu einer erneuten Dislokation. Die zweite Fraktur zu kontrollieren. Eine Schraube kann dabei auch
Schraube wird gewöhnlich durch die Platte oder außer- in den vorderen Anteil der Querfraktur eingebracht wer-
halb der Platte in etwas lateraler Richtung gesetzt, um so den. Die Plattenosteosynthese hilft dabei Rotationskräfte
den lateralen Anteil des Fragments des hinteren Pfeilers zu neutralisieren. Am besten eignen sich Querfrakturen
zu halten. für die Versorgung über einen ilioinguinalen Zugang
dann, wenn die Frakturlinie in typischer Position, näm-
Reposition und Fixation von Querfrakturen lich anterior gerade unterhalb der Spina iliaca anterior
unter Verwendung des ilioinguinalen Zugangs inferior ausläuft und wenn es sich um eine tief auslau-
fende, gering dislozierte Fraktur des hinteren Pfeilers
Die Reposition von Querfrakturen über den ilioinguinalen handelt. Diese Frakturen haben typischerweise ihre größ-
Zugang kann sehr schwierig sein. Dies liegt zum einem te Dislokation im Bereich des Beckenrands, bedingt durch
daran, dass eine Rotation des Fragments durch die intakte die sagittale Rotation des ischiopubischen Fragments um
Symphyse begünstigt wird. Zudem findet sich bei den den Hüftkopf. Aufgrund der fehlenden Medialisierung
Operative Therapie 543

20

a b

Abb. 20.32 Ein ilioinguinaler Zugang kann für die Versorgung


bestimmter querer Azetabulumfrakturen verwendet werden:
eine juxtatektale Azetabulumfraktur mit assoziierter Spren-
gung der Symphyse.
a Beckenübersicht nach dem Unfall.
b Outlet-Röntgen des Beckens. Die leichte Asymmetrie des
Gelenkspalts auf der rechten Seite war der Grund für die ope-
rative Versorgung bei diesem jungen Patienten.
c Beckenübersicht 1 Jahr postoperativ.

und der Dislokation nach posterior wird die Kontrolle der Reposition und Osteosynthese über einen
Rotation erleichtert (Abb. 20.32). erweiterten iliofemoralen Zugang

Erweiterter ilioinguinaler Zugang Beim erweiterten iliofemoralen Zugang können der ge-
samte äußere Aspekt des Os ilium, der supraazetabuläre
Zwei-Pfeiler-Frakturen mit einer Frakturlinie, die sich von Anteil bis zur Spina iliaca anterior inferior, der hintere
der Crista iliaca bis zum Iliosakralgelenk nach posterior Pfeiler bis zum posterioren Rand des Azetabulums (sub-
ausdehnen, sind über den herkömmlichen ilioinguinalen azetabuläre Grube) und der gesamte posteriore Anteil des
Zugang schwierig zu reponieren. Weber u. Mast haben Azetabulums eingesehen werden. Falls erforderlich kann
deshalb eine etwas weiter laterale Zugangsform beschrie- eine Erweiterung des Zugangs und der Präparation erfol-
ben, um so eine Erweiterung des Zugangs zur Außenseite gen, die auch den inneren Anteil des Os ilium darstellt.
des posterioren Os ilium zu erleichtern (17). Dadurch Wird dieser Zugang gewählt, muss man sorgfältig darauf
wird die Einsicht auf die gesamte Frakturlinie des äuße- achten, nicht das gesamte Os ilium von seinem umgeben-
ren Knochenanteils erleichtert. Die Fraktur wird in diesen den Weichteilgewebe zu lösen, da sonst die Durchblutung
Fällen nicht lediglich indirekt reponiert, wie es beim tra- der Knochenfragmente reduziert wird. Es sollte daher bei
ditionellen ilioinguinalen Zugang durchgeführt wird, da Frakturen im Bereich der Crista iliaca darauf geachtet wer-
hier nur der innere Anteil des Beckens dargestellt wird. den, dass die Weichteile im Bereich des anterioren Os ili-
Nach Reposition und Setzen einer Schraube und einer um, insbesondere im Bereich der beiden Spinae erhalten
superior angelegten Platte, erfolgen die Reposition und bleiben. Dieser Zugang ermöglicht eine gute Einsicht so-
Fixation des vorderen Pfeilers und nachfolgend des hin- wohl auf den äußeren wie auch den inneren Knochen-
teren Pfeilers wie bereits beschrieben. Die spezielle Frak- anteil. Bei der Versorgung einer queren, T-förmigen Frak-
turform der Zwei-Pfeiler-Fraktur ist auch eine gute Indi- tur oder einer kombinierten Querfraktur mit Fraktur der
kation für einen erweiterten iliofemoralen Zugang. hinteren Wand kann das Abheben der Bauchmuskulatur
von der Crista iliaca und des M. iliopsoas vom inneren
Anteil des Os ilium dazu führen, dass die Knochendurch-
blutung gestört wird. Daher wird in einem derartigen Fall
die Präparation entlang des anterioren Anteils des Os ilium
544 20 Azetabulumfrakturen

empfohlen. Dies beinhaltet auch, dass der M. rectus femo- ben-Technik unter Verwendung einer Farabeuf-Klemme
ris frei präpariert wird und der M. iliopsoas aus der Psoas- im Bereich des supraazetabulären Knochens und entlang
grube mobilisiert wird. Dieser Zugang wird für die bessere der Crista ilica erfolgen. Dies zusammen mit der Repositi-
Einsicht und das Setzen von Repositionszangen bevorzugt, onszange im Bereich der Crista iliaca führt in einem Groß-
da er vom Beckenrand zum vorderen Rand des Azetabu- teil der Fälle zu einer Reposition des vorderen Pfeilers.
lums führt. Sollte eine weitere Lateralisation des vorderen Pfeilers per-
Die Reposition von Zwei-Pfeiler-Frakturen oder vor- sistieren, so kann eine King-Tong-Zange angelegt werden.
deren und hinteren Hemiquerfrakturen beginnt immer Dabei wird die eine Branche im Bereich des Beckenrands
20 im hinteren Anteil der Crista iliaca, um sich dann nach und die andere Branche im Bereich des lateralen Anteils
kaudal zum Ischiaspfeiler vor zu bewegen, um so zunächst des intakten Os ilium angelegt. Eine Schanz-Schraube im
den vorderen Pfeiler und im Anschluss den hinteren Pfeiler Bereich des proximalen Femurs kann zusätzlich helfen, die
zu reponieren. Handelt es sich um eine bereits länger be- Lateralisation des medialisierten Hüftkopfs zu erreichen.
stehende Fraktur, insbesondere mit einer Querkomponen- Wenn die korrekte Position erreicht wurde, ist die bevor-
te, ist die Anhebung des superioren glutealen neurovasku- zugte Richtung für die interfragmentäre Verschraubung
lären Bündels vom superior-anterioren Anteil der Incisura von einem Punkt etwas lateral der Spina iliaca anterior
ischiadica major notwendig. Das Anheben des Weichteil- superior in Richtung der inferioren Fossa ischiadica bzw.
gewebes im Bereich der quadrilateralen Fläche und in der in Richtung der Spina iliaca posterior superior. Eine inter-
Ischiasgrube erleichtert das Setzen von Zangen und das fragmentäre Schraube kann entlang der Beckenschaufel
Austasten der Fraktur in diesem Bereich. ebenfalls Verwendung finden. Rotationskräfte im Bereich
des vorderen Pfeilers können durch eine Rekonstruktions-
platte entlang der Incisura ischiadica major auslaufend bis
Frakturen des vorderen Pfeilers mit hinteren
über die Frakturlinie der Fraktur des vorderen Pfeilers hi-
Hemiquerfrakturen sowie kombinierte Zwei-Pfeiler-
naus neutralisiert werden. Die Platte sollte dabei eine Fin-
Frakturen
gerbreite kranial der Incisura ischiadica major angelegt
Für gewöhnlich wird die Präparation bei derartigen Frak- werden, da in diesem Bereich eine gute Knochenqualität
turen auf den äußeren Anteil des Knochens reduziert. auf der Gegenkortikalis zu erwarten ist. Die Reposition des
Flächiges Ablösen der Bauchmuskulatur von der Becken- hinteren Pfeilers sollte in ähnlicher Weise erfolgen, wie es
schaufel erlaubt dabei das Setzen von Repositionszangen im Kapitel für den Kocher-Langenbeck-Zugang beschrie-
und das Palpieren der Frakturlinien im Bereich der Fossa ben wurde. Eine Schanz-Schraube im Os ischium kann
iliaca interna. Sofern eine Keilfrakur im Bereich des vor- auch hier helfen, die Kontrolle über die Rotation zu bekom-
deren Pfeilers vorliegt, sollte zunächst die Reposition und men.
Fixation dieses Fragments in anatomischer Position erfol- Abhängig vom Frakturverlauf kann eine Zwei-Schrau-
gen, ehe die weitere Präparation nach anterior erfolgen ben-Technik mit einer Farabeuf-Klemme für die Reposi-
kann. Frakturen des vorderen oder hinteren Pfeilers, die tion der retroazetabulären Fläche nützlich sein. Eine Re-
in das Sakralgelenk entlang des internen Anteils hinein- positionszange mit Kugelspieß kann entlang des Becken-
ziehen, können entlang des lateralen Aspekts des poste- rands nützlich sein, aber auch bei der Reposition des
rioren Os iliums über den erweiterten iliofemoralen Zu- azetabulären Randes. Mit einer zweiten Klemme, die in
gang gut eingesehen werden. Nachdem das Stück im Be- oder nahe der Incisura ischiadica major gesetzt wird,
reich des Os ilium reponiert ist, wird für gewöhnlich eine kann die Reposition des hinteren Pfeilers komplementiert
kleine Platte entlang der lateralen Fläche der Crista iliaca werden. Kurze intrafragmentäre Zugschrauben können
angelegt, um so den Zug der Bauchmuskulatur nach me- unmittelbar anterior der Incisura ischiadica major plat-
dial zu neutralisieren. Dies soll im Folgenden helfen, Kräf- ziert werden und finden entweder Halt im hinteren Pfei-
te zu neutralisieren, die das Fragment im Laufe nachfol- ler entlang der quadrilateralen Fläche oder im hinteren
gender Repositionsmanöver eventuell dislozieren könn- Anteils des Knochens. Längere interfragmentäre Schrau-
ten. Vergleichbar mit dem bereits beschriebenen Reposi- ben können von der anterioren Fläche des Tuberkulums
tionsmanöver beim ilioinguinalen Zugang kann auch hier des M. gluteus medius in die Spina ischiadica gebracht
eine Repositionszange in den interspinalen Bereich oder werden. Der hintere Pfeiler kann durch eine Platte von
eine Schanz-Schraube in die Spina iliaca anterior superior der Fossa subcotyloidea zum supraazetabulären Knochen
platziert werden. Beides kann helfen, eine Kontrolle über nahe der Spina iliaca anterior inferior neutralisiert wer-
die Rotation des vorderen Pfeilers während der Repositi- den (Abb. 20.33).
on zu bekommen. Darüber hinaus verbessert dies auch
die Kontrolle über die Medialisierung des Hüftkopfs. Mit-
Querfrakturen
hilfe eines Frakturtischs kann die Reposition des Hüft-
kopfs erleichtert werden und so bereits eine indirekte Für Frakturen mit einer queren Komponente kann gleich-
Reposition der Frakturlinien erfolgen. zeitig die Kontrolle über die vorderen und hinteren An-
Wenn dies erfolgt ist, kann eine weitere Lateralisierung teile der Fraktur erreicht werden. Die Reposition erfolgt
des Fragments des vorderen Pfeilers über die Zwei-Schrau- jedoch typischerweise in Bauchlage. Eine Schanz-Schrau-
Operative Therapie 545

20

a b

c d

Abb. 20.33 Die Benutzung eines erweiterten iliofemoralen


Zugangs für kombinierte Zwei-Pfeiler-Frakturen mit segmen-
taler Beteiligung des hinteren Pfeilers bis hoch in die Incisura
ischiadica major. Bei dem gezeigten Patienten handelt es sich
um einen 22-jährigen Mann, der ein Trauma im lumbalen Wir-
belsäulenbereich erlitten hat.
a Beckenübersicht.
b Judet-Aufnahme des Unfalls. Man beachte ein einzelnes
knöchernes Fragment im Bereich der Incisura ischiadica major,
wie es auf der Ala-Aufnahme sichtbar wird.
c 3D-Rekonstruktion der Verletzung.
d Beckenübersicht 1 Jahr postoperativ.
e Judet-Aufnahmen 1 Jahr postoperativ.

be wird dabei in das Os ischium platziert und hilft dabei, Zwei-Schrauben-Technik sowohl für die Reposition des
eine gute Rotationskontrolle über das hintere ischiopubi- vorderen als auch des hinteren Pfeilers verwendet wer-
sche Fragment zu bekommen. Die hinteren und vorderen den. Die interfragmentäre Fixation kann vom supraazeta-
Anteile der Querfrakturen werden in ähnlicher Art und bulären Knochen in die hintere Begrenzung des hinteren
Weise mittels Zangen reponiert. Repositionszangen mit Pfeilers oder entlang der quadrilateralen Fläche erfolgen.
Kugelspitz oder gewinkelte Repositionszangen werden Schrauben können im vorderen Pfeiler entlang der pos-
durch die Incisura ischiadica major auf die quadrilaterale terioren Begrenzung des Tuberculum gluteus medius und
Fläche oder den anterioren Beckenrand platziert und eine ca. 3 – 4 cm kranial des Azetabulums eingebracht werden.
Zwei-Schrauben-Technik (mit Farabeuf-Klemme) zur Re- Ähnlich wie für die Fixierung des hinteren Pfeilers kann
position im vorderen Anteil benutzt. Alternativ kann die bei Zwei-Pfeiler-Frakturen auch hier eine Schraube etwas
546 20 Azetabulumfrakturen

kranial der Incisura ischiadica major etwas mehr nach Die Frakturlinie kann sich dabei vom inneren Anteil des
anterior und in Richtung der hinteren Pfeiler platziert Os ilium bis zum Beckenrand ausdehnen. Eine Schanz-
werden. Im Anschluss erfolgt die Neutralisation mittels Schraube kann bei der Reposition des Fragments des vor-
einer Platte, welche dann vom peripheren Rand der deren Pfeilers hilfreich sein. Repositionszangen, die vom
Fossa subcotyloidea in Richtung des suprazetabulären supraazetabulären Knochen zum Beckenrand gesetzt
Knochen verläuft. werden sowie von der Eminentia iliopectinea zur retro-
Im Falle einer T-förmigen Fraktur kann die Frakturlinie azetabulären Fläche, können die Reposition des vorderen
des hinteren Pfeilers für gewöhnlich um einiges leichter Pfeilers erleichtern und damit auch den vertikalen Anteil
20 über einen erweiterten iliofemoralen Zugang beurteilt der T-förmigen Fraktur. Die Fixation des vorderen Pfeilers
werden. Daher erfolgt die Reposition bei diesen Fraktu- kann dann ähnlich durchgeführt werden, wie es bereits
ren auch in der Regel zunächst mit diesem Fragment. für Querfrakturen beschrieben wurde. Es erfolgt eine
Dies wird in den meisten Fällen in einer ähnlichen Art Schraubenfixierung vom posterioren Anteil des Tubercu-
und Weise durchgeführt wie bereits beschrieben. Die lum gluteus medius in den vorderen Pfeiler. Die gesamte
Neutralisation eines reponierten Fragments erfolgt wie- Fraktur kann dann durch eine Platte, die von der Tubero-
derum über eine Platte, welche entlang der hinteren Kno- sitas ischii zum supraazetabulären Knochen entlang des
chengrenze angelegt wird, um so die Fixierung des hin- peripheren Randes angelegt wird neutralisiert werden.
teren Pfeilers zu erreichen, unabhängig von der Situation Gewöhnlich verlaufen dabei Schrauben im Bereich der
im Bereich des vorderen Pfeilers. Der vordere Anteil der Platte vom intakten Os ilium in das Fragment des vor-
T-förmigen Fraktur kann schwieriger zu reponieren sein.

c d

Abb. 20.34 Eine nichtreponierbare hintere Hüftluxation bei a Beckenübersicht nach dem Unfall.
einem 32-jährigen Mann mit einer transtektalen Querfraktur b A.–p. Aufnahme des Femurs nach dem Unfall.
mit Fraktur der hinteren Wand. Der Patient hat heterotope c Beckenübersicht der bereits versorgten Fraktur.
Ossifikationen im Bereich des vorstehenden Femurnagels, wel- d Judet-Aufnahmen, die eine anatomische Frakturreposition
cher bei einer Voroperation eingebracht worden war. Ein erwei- zeigen. Der Patient entwickelte im Verlauf eine avaskuläre Hüft-
terter iliofemoraler Zugang wurde für die Reposition und die kopfnekrose, was 18 Monate nach dem Unfall zu einer Total-
Frakturversorgung gewählt. endoprothese der Hüfte führte.
Operative Therapie 547

20

a b

Abb. 20.35 Die Benutzung kombinierter Zugänge für die


Versorgung einer T-förmigen Azetabulumfraktur bei einem
16-jährigen Jungen. Der Patient hatte zudem eine Femur-
schaftfraktur erlitten. Der Patient war hämodynamisch in-
stabil, sodass die Blutung angiografisch embolisiert wurde.
a Beckenübersicht des verletzten Beckens.
b Judet-Aufnahmen der Beckenfraktur. Die Ala-Aufnahme
zeigt eine hohe deutliche Dislokation des hinteren Pfeilers.
Die Obturatoraufnahme zeigte deutlich die Dislokation des
vorderen Pfeilers.
c Die zusätzlich vorhande Femurschaftfraktur.
d Beckenübersicht 2 Jahre nach dem Unfall. Der Patient hat
eine normale Hüftfunktion.

c d

deren Pfeilers, was die Fixierung weiter erleichtert der Hüfte wird begonnen und dabei ein besonderes Au-
(s. Abb. 20.33 und Abb. 20.34). genmerk auf die Hüftflexion und -extension gelegt sowie
auf Innen- und Außenrotation. Die Benutzung von CPM-
Reposition und Fixation durch kombinierte Maschinen wird postoperativ nicht routinemäßig einge-
Zugänge setzt, auch wenn die passive Beübung in manchen Fällen
hilfreich sein kann. Mit Kräftigungsübungen für die Ab-
Obwohl der gemeinsame Gebrauch des Kocher-Langen- duktoren wird ab der 6. Woche nach OP begonnen. Ergo-
beck-Zugangs mit dem ilioinguinalen Zugang beschrieben metertraining und Gewichtstraining mit geringem Wi-
wurde (26), sind die Autoren derselben Ansicht wie Le- derstand können von Woche 6 – 12 begonnen werden.
tournel (2, 4) und Matta (3), dass nur ein chirurgischer Ab der 8. Woche ist eine schrittweise Belastungssteige-
Zugang optimiert werden sollte, um die Fraktur zu repo- rung möglich, dabei kann ein Wechsel von Gehstützen
nieren. Nichtsdestotrotz kann es Indikationen für einen oder Rollator auf einen Gehstock für die nächsten 2 – 6
kombinierten ilioinguinalen Zugang gefolgt von einem Wochen erfolgen. Der Patient wird darüber informiert,
Kocher-Langenbeck-Zugang geben. Eine derartige Indika- dass sich die Muskelkraft im ersten Jahr nach der Opera-
tion ist eine T-förmige Fraktur mit weiterer Dislokation tion noch verbessern kann und deshalb ein Muskelauf-
des vorderen Pfeilers und des hinteren Pfeilers sowie bautraining in dieser Zeit sinnvoll ist. Büroarbeiten kön-
Gründe, die gegen einen erweiterten iliofemoralen Zu- nen 6 – 12 Wochen nach der Operation wieder durch-
gang sprechen (Abb. 20.35). geführt werden; sollte es sich um Patienten mit schwerer
körperlicher Arbeit handeln, so dauert die Rückkehr in
den Beruf mindestens 4 – 6 Monate postoperativ.
Rehabilitation
Die Mobilisierung von Patienten nach Azetabulumfraktur
erfolgt mit Sohlenkontakt (< 10 kg Belastung) für 8 – 12
Wochen postoperativ. Die sofortige Bewegungsübung
548 20 Azetabulumfrakturen

Tipps und Tricks


■ Die Obturatoraufnahme (s. Abb. 20.3 c) ist eine wichtige ■ Häufige Fehler bei der Fixierung hinterer Randfrakturen
Ansicht bei der Evaluation von Patienten nach Hoch- sind die schlechte Einsicht des kranialen Frakturanteils,
rasanztraumen und Schmerzen in der Leiste, bei denen die unzureichende Reposition impaktierter Frakturantei-
die a.–p. Beckenansicht keine Fraktur gezeigt hat. Diese le sowie die zu starke Konturierung der Platte im Bereich
Ansicht zeigt auch kleine Frakturen der hinteren Wand, der hinteren Wand.
des Schenkelhalses oder des Hüftkopfs. ■ Bestimmte Faktoren erschweren die Behandlung von
■ Pfannendachmessungen müssen ohne Extension durch- Querfrakturen oder von Querfrakturen mit Frakturen
20 geführt werden und sind nur dann verwertbar, wenn die der hinteren Wand von einem Kocher-Langenbeck-Zu-
Hüfte nicht subluxiert steht. Pfannendachmessungen gang aus. Diese Faktoren beinhalten transtektale Fraktu-
werden bei Zwei-Pfeiler-Frakturen oder Frakturen der ren, Verletzungen des kontralateralen Iliosakralgelenks,
hinteren Wand des Azetabulums nicht benutzt. Verletzungen zum vorderen Beckenring hin (Zerreißung
■ Bei Patienten, deren Fraktur die Kriterien für die konser- der Symphyse oder parasymphysiale Frakturen) und sepa-
vative Therapie erfüllen, können gehaltene Röntgenauf- rate osteochondrale Fragmente im Bereich des Gelenk-
nahmen angefertigt werden. doms. Besonders bei jungen Patienten (< 45 Jahre) sollte
■ Häufige Fehler bei der Durchführung des Kocher-Langen- über einen erweiterten iliofemoralen Zugang nach-
beck-Zugangs sind, dass der Zugang nicht weit genug gedacht werden, wenn einer dieser Faktoren vorliegt.
nach distal entlang des Femurs durchgeführt wird und ■ Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Querfrakturen die
die Insertion des M. gluteus maximus nicht gespalten Reposition des hinteren Pfeilers perfekt erscheinen
wird. Dies führt dazu, dass die Mobilisierung der Abduk- mag, dennoch kann ein Rotationsfehler im Bereich der
torengruppe nicht suffizient durchgeführt werden kann, quadrilateralen Fläche und des Beckenrands vorliegen.
was nachfolgend die optimale Einsicht auf die Fraktur Dies kann durch das Austasten der Frakturlinie durch
beeinträchtigen kann. die Incisura ischiadica major erkannt werden. Korrigiert
■ Beim Kocher-Langenbeck-Zugang kann der N. ischiadicus werden kann dies durch das Setzen einer Schanz-Schrau-
am besten am hinteren Anteil des M. quadratus femoris be und/oder einer Repositionszange in die Tuberositas
gefunden werden. Der Chirurg sollte nicht versuchen den ischii und in das vordere Pfeilerfragment (s. Abb. 20.20).
Nerv im Bereich des M. piriformis zu suchen, da dieser ■ Ein Schlüsselkonzept bei der Behandlung von Querfrak-
Bereich durch die Fraktur beeinträchtigt sein kann. turen mit Beteiligung der hinteren Wand ist, dass zu-
■ Beim Kocher-Langenbeck-Zugang sollte der Muskel- nächst die quere Komponente der Fraktur versorgt
bauch des M. quadratus femoris unverletzt bleiben, da wird und erst in einem zweiten Schritt die Reposition
der tiefe Ast der A. circumflexa femoris medialis tief des Fragments der hinteren Wand erfolgt.
unter dem Muskelbauch liegt. Dies sichert somit die ■ Frakturen des vorderen Pfeilers sind in der Regel media-
Blutversorgung des Hüftkopfs. lisiert und außenrotiert. Sie werden reponiert durch das
■ Beim Kocher-Langenbeck-Zugang sollte die Durchtren- Setzen einer Repositionszange mit Kugelspitze entlang
nung des M. piriformis und des M. obturator internus der Crista iliaca und einer zweiten Klemme mit einer Bran-
1,5 cm vom Ansatzpunkt im Bereich des proximalen Fe- che im Bereich des Beckenrands des vorderen Pfeilers und
murs entfernt sein. Eine Durchtrennung näher zum einer Branche am äußeren Anteil des intakten Beckens.
Femur hin würde die A. circumflexa femoris medialis ge- Die Reposition wird durch den Gebrauch einer Farabeuf-
fährden. Klemme im Bereich der Interspinalebene zur Kontrolle der
■ Kapsuläre Anteile im Bereich der Wandfrakturen sollten Rotation erleichtert. Die Qualität der Reposition wird
erhalten werden. durch die Reposition des vorderen Pfeilers zum intakten
■ Das inferiore Drittel bis zur Hälfte des M. gluteus mini- Os ilium hin beurteilt. Dies geschieht durch das laterale
mus ist durch Frakturen der hinteren Wand schwer ge- und mediale Fenster des ilioinguinalen Zugangs. Zudem
schädigt. Am Ende der Operation sollte hier ein ausgie- steht die Frakturlinie im Bereich des äußeren Anteils des
biges Débridement erfolgen, um der Ausbildung hete- reponierten Knochens zur Verfügung.
rotoper Ossifikationen entgegenzuwirken. ■ Die Versorgung transtektaler, querer Azetabulumfraktu-
■ Beim ilioinguinalen Zugang trennt die iliopektineale Fas- ren oder die verzögerte Versorgung von Querfrakturen
zie das Muskelfenster (M. iliopsoas und begleitender N. (> 3 Wochen nach Unfallzeitpunkt) wird über einen er-
femoralis) vom Gefäßfenster (A. iliaca externa und V. weiterten iliofemoralen Zugang erleichtert. Dieser er-
iliaca externa). Die iliopektineale Faszie zieht dabei von laubt eine direkte Einsicht, und das Setzen der Zangen
der Eminentia pectinea zum Iliosakralgelenk. kann im vorderen oder hinteren Anteil der Querfraktur
■ Die anteriore Präparation für den erweiterten iliofemo- erfolgen. Dieser Zugang erlaubt auch die direkte Ein-
ralen Zugang besteht aus dem Durchtrennen von 3 Fas- sicht auf die Gelenkfläche und die Beurteilung der ent-
zienschichten: der Faszie über dem M. tensor fascia lata, sprechenden Reposition.
der Faszie über dem M. rectus femoris und der Aponeu- ■ Die Reposition und Osteosynthese einer Beckenfraktur
rose über dem Vastus lateralis des M. quadriceps femo- (Dissoziation des Iliosakralgelenks, Symphysenspren-
ris. Unter der letzten finden sich Äste der A. circumflexa gung) geht in der Regel der Versorgung von Azetabu-
femoris lateralis, welche ligiert werden. lumfrakturen voran.
Operative Therapie 549

bulumfrakturen (Pipkin-IV-Verletzung) hilfreich sein


Neue Techniken
(Abb. 20.36). Dabei können über einen Zugang eine Hüft-
Trochanter-Flip-Osteotomie kopffraktur und eine Azetabulumfraktur der hinteren
Wand versorgt werden. Zudem kann die Osteotomie
Siebenrock et al. haben die Trochanter-Flip-Osteotomie auch ohne eine entsprechende Hüftluxation durch-
nach Ganz beschrieben (23). Der chirurgische Zugang ist geführt werden, um so eine bessere Einsicht auf die an-
dabei dem Kocher-Langenbeck-Zugang sehr ähnlich, be- terior-kraniale Ausdehnung von Frakturen der hinteren
inhaltet jedoch eine 1,5 cm große Osteotomie des Tro- Wand zu bekommen, ohne eine Ablösung der Abdukto-
chanter major. Bei dieser werden sowohl die proximalen ren vornehmen zu müssen (Abb. 20.36, Abb. 20.37). 20
wie distalen Muskelansätze zur Trochanterregion intakt
belassen. Dies führt zu einer sogenannten bigastrischen Implantation einer Totalendoprothese der
Osteotomie. Das Trochanter-major-Fragment bleibt krani- Hüfte im Akutfall
al mit dem M. gluteus medius und dem M. gluteus mini-
mus und kaudal zum M. vastus lateralis verbunden. Eine Historisch gesehen waren die Ergebnisse nach Implanta-
Z-förmige Kapsulotomie zur vorderen Hüftkapsel kann tion einer Hüfttotalendoprothese (Hüft-TEP) bei Azeta-
dann erfolgen, was die chirurgische Hüftluxation in Fle- bulumfrakturen durch eine hohe Rate an Lockerungen
xions-Adduktions- und Außenrotationsbewegung der der azetabulären Komponente und notwendigen Revisi-
Hüfte erlaubt. Dieser Zugang kann auch bei der Versor- onseingriffen geprägt (27). Moderne Techniken und Im-
gung von Hüftkopffrakturen in Kombination mit Azeta- plantate haben in den letzten Jahren in Kombination mit

a b

Abb. 20.36 Die Verwendung der Trochanter-Flip-Osteotomie a Beckenübersicht mit Darstellung der Verletzung.
nach Ganz mit chirurgischer Hüftluxation bei der Behandlung b Intraoperativer Situs mit Verletzung des Femurkopfs und
einer Pipkin-IV-Fraktur der rechten Hüfte. entsprechender Osteosynthese.
c Beckenübersicht 1 Jahr postoperativ.
d Judet-Aufnahmen 1 Jahr postoperativ.
550 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

e f

Abb. 20.37 Fall einer komplexen superioren Fraktur der hin- d Intraoperativer Situs aus Sicht des Chirurgen. Der M. gluteus
teren Wand, die die Durchführung einer Trochanter-Flip-Osteo- medius wird nach anterior weggehalten. Die Distraktion des
tomie erforderlich machte. Hüftgelenks wird über einen Distraktor erreicht.
a Beckenübersicht der verletzten Hüfte. e Signifikantes Kontusionsareal am posterioren Anteil des Hüft-
b Der Versuch einer geschlossenen Reposition führte nicht zu kopfs (Pfeil).
einer konzentrischen Reposition. f Intraoperativer Situs mit signifikanter Kranialisierung des
c Die CT-Aufnahme zeigt die weit nach anterior reichende Fragments der hinteren Wand. Der N. ischiadicus wird am Hin-
große Fraktur der hinteren Wand im Bereich der linken Hüfte. terrand des M. quadratus femoris dargestellt (weißer Pfeil),
Man beachte die Ausstrahlung der Fraktur bis zur Spina iliaca und der M. piriformis identifiziert. Der M. gluteus wird nach
anterior inferior und die freien Gelenkkörper. anterior umgeschlagen. Vor der Osteotomie wird der geplante
Osteotomieverlauf mit dem Elektrokauter markiert.
Operative Therapie 551

20

g h

i j

Abb. 20.37 (Fortsetzung) i Beckenübersicht 2 Jahre nach Versorgung. Auch wenn das
g Nach durchgeführter Osteotomie wird der gesamte superio- Gelenk keine radiologischen Arthrosezeichen aufweist, wird
re Anteil des Hüftkopfs und der superior-posteriore Anteil der die Langzeitprognose vom signifikant vorhandenen Knorpel-
Azetabulumfraktur sichtbar. schaden abhängen.
h Signifikanter Knorpelschaden am posterioren Anteil des j Judet-Aufnahme 2 Jahre nach Versorgung.
Hüftkopfs.

a b

Abb. 20.38 Implantation einer Totalendoprothese nach er- Abscherfraktur des Hüftkopfs und begleitend des Trochanter
folgter Osteosynthese einer Azetabulumfraktur bei einer 72- minor. Bei der Patientin wurde die Azetabulumfraktur osteo-
jährigen Patientin mit einem insulinpflichtigen Diabetes melli- synthetisch versorgt und eine Hüft-TEP implantiert. Die Opera-
tus. tion erfolgte dabei über einen Kocher-Langenbeck-Zugang.
a Beckenübersichtsaufnahme. Es zeigt sich eine transtektale b Beckenübersicht 6 Monate postoperativ.
Querfraktur mit Beteiligung der hinteren Wand, sowie eine
552 20 Azetabulumfrakturen

Abb. 20.39 Beispiel einer primär mit Hüft-TEP versorgten Azetabulumquerfraktur


mit Fraktur der hinteren Wand. Die 82-jährige Patientin wurde initial über 3 Wochen
konservativ behandelt.
a Die signifikante zentrale Femurkopfluxation mit Femurkopfentrundung ist deut-
lich ersichtlich.
b Bei der Implantation der Hüft-TEP bestätigt sich der Schaden am Femurkopf. Bei
der Patientin wurde die Querfrakturkomponente zur Implantation der TEP stabili-
siert.
c Verlaufskontrolle a.–p. 2 Jahre postoperativ.
20

b c

einer angemessenen Stabilisierung des Beckens zu deut- Perkutane Schraubenosteosynthese


lich besseren Resultaten geführt (28, 29). Die vorhersag-
baren Resultate der Hüft-TEP bei vorliegender Azetabu- Die geschlossene Reposition und perkutane Schraubenos-
lumfraktur mögen insbesondere bei geriatrischen Patien- teosynthese wurden in letzter Zeit für die Behandlung
ten mit signifikanter Osteoporose, einer Dislokation der dislozierter Azetabulumfrakturen beim alten Menschen
Fragmente und Gelenkbeteiligung mit Impression der Ge- und für minimal dislozierte Frakturen bei jungen Patien-
lenkfläche verlockend sein. Allgemein gilt, dass zunächst ten empfohlen (30, 31). Der offensichtliche Vorteil dieser
die Fixation der Fraktur erfolgt, ehe die Hüft-TEP einge- Technik ist die minimale Invasivität des Zugangs. Beden-
setzt wird. Für quere Azetabulumfrakturen, Querfraktu- ken bestehen jedoch dahingehend, dass eine anatomische
ren mit Fraktur der hinteren Wand und Frakturen der Reposition damit nicht zu erreichen ist. Starr et al. haben
hinteren Wand kann dies über einen Kocher-Langen- durchschnittlich eine Dislokation von 3 mm nach einer
beck-Zugang erfolgen (Abb. 20.38 und Abb. 20.39). Für perkutanen Schraubenfixation festgestellt (31). Gelegent-
Verletzungen des vorderen Pfeilers, Frakturen des vor- lich können interne Umstände wie Multimorbidität oder
deren Pfeilers mit hinteren Hemiquerfrakturen und schwere Weichteiltraumen solch einen minimalen Zu-
Zwei-Pfeiler-Frakturen sollte der Levine-Zugang gewählt gang rechtfertigen. In letzter Zeit hat sich dabei auch
werden (29). mehr und mehr die computerbasierte Navigation für die
Versorgung von Azetabulumfrakturen durchgesetzt.
Nichtsdestotrotz werden diese Techniken eingeschränkt
benutzt, da sie von spezialisierten, teuren Geräten abhän-
gig sind, und eine anatomische Frakturreposition erfor-
derlich ist, um bei Azetabulumfrakturen ein gutes Ergeb-
Ergebnisse 553

nis zu erreichen. Dies ist nur durch die Verwendung of- Tab. 20.1 Korrelation zwischen Frakturtyp und Qualität der
fener Zugänge wie bereits beschrieben möglich. Reposition nach Letournel u. Judet.
Frakturtyp Perfekte
Repositionen (%)
Ergebnisse hintere Wand 93,7
hinterer Pfeiler 76,9
Die Ergebnisse operativ versorgter Azetabulumfrakturen
haben sich seit den 1970er-Jahren deutlich verbessert. vordere Wand 77,7
Das wird insbesondere dem Werk von Emile Letournel vorderer Pfeiler 86,4 20
zugeschrieben. Er hat eine systematische Interpretation
Querfraktur 71,4
der Bildgebung des Beckens eingeführt, eine Klassifikati-
on zur Beschreibung der Azetabulumfrakturen entwickelt T-förmige Fraktur 70,0
und operative Zugänge und Vorgehensweisen für die chi- Querfraktur mit Fraktur der 67,5
rurgische Versorgung dargelegt (2, 4). Letournel legte hinteren Wand
dabei besonderen Wert darauf, bereits das konventionelle Fraktur der hinteren Wand und 90,0
Röntgenbild bei Azetabulumfrakturen zu verstehen. Da- des hinteren Pfeilers
rüber hinaus betonte er, dass die richtige Klassifikation
Fraktur des vorderen Pfeilers mit 68,0
dem Chirurgen die Wahl des richtigen chirurgischen Zu- hinterer Hemiquerfraktur
gangs und der entsprechenden Repositionstechnik er-
möglicht. Letztlich hat er immer wieder betont, wie Zwei-Pfeiler-Fraktur 60,7
wichtig die offene Reposition und innere Fixation von Gesamtanteil perfekter 73,7
Azetabulumfrakturen in einer anatomisch korrekten Stel- Repositionen
lung ist. Wie im Folgenden dargelegt, besteht eine enge Quelle: Daten aus Letournel E, Judet R. Fractures of the Acetabulum, 2nd
Korrelation zwischen der Qualität der Osteosynthese und ed. Berlin: Springer; 1993: 524
dem Ergebnis des Patienten.

Die Qualität der Reposition


(1984 – 1990) eine Rate von 90 % perfekten Repositionen
Letournel u. Judet haben das Ergebnis von 569 Patienten erreicht werden konnte.
mit Azetabulumfrakturen, welche innerhalb von 3 Wo- Matta beschrieb eine Serie von 262 operativ versorgten
chen nach dem Unfall versorgt wurden, dokumentiert Azetabulumfrakturen (3). Er bewertete die Reposition an-
und ausgewertet (33). Sie klassifizierten dabei die Quali- hand der Beurteilung der maximalen Dislokation von ir-
tät ihrer Reposition in zwei Gruppen: Zum einem die gendeiner der normalen radiologischen Linien des Azeta-
perfekte Reposition (d. h. alle radiologischen Landmarken bulums, wie sie auf den 3 Standardaufnahmen des Aze-
wurden korrekt wieder hergestellt) oder die nicht ganz tabulums zu sehen sind. Als anatomische Reposition
perfekte Reposition (d. h. nicht alle radiologischen Land- wurde dabei eine Dislokation von weniger als 1 mm de-
marken wurden korrekt rekonstruiert). Daneben prägten finiert, eine nicht ganz perfekte Reposition lag bei
sie den Begriff der chirurgischen sekundären Kongruenz 2 – 3 mm Dislokation und eine schlechte Reposition
wie sie in aller Regel bei Zwei-Pfeiler-Frakturen auftreten hatte eine Dislokation von 3 mm oder mehr. Er beurteilte
kann. In diesem Fall wird die Gelenkfläche um den Hüft- daneben auch einige Repositionen im Sinne einer sekun-
kopf so perfekt wie möglich rekonstruiert, es besteht dären chirurgischen Kongruenz. Insgesamt war die Repo-
dabei jedoch gelegentlich noch eine Dislokation zwischen sition in 71 % der Fälle anatomisch, in 20 % der Fälle nicht
dem restlichen Becken und dem Azetabulum. Letournel ganz anatomisch, und 7 % der Fälle wiesen eine schlechte
gelang es dabei, in 73,7 % der Fälle eine perfekte Reposi- Reposition auf. Eine sekundäre chirurgische Kongruenz
tion zu erreichen, 4,8 % der Fälle wiesen eine sekundäre wurde in 3 % der Fälle erreicht. Er fand heraus, dass die
chirurgische Kongruenz auf. Die Korrelation zwischen Qualität der Reposition vom Frakturtyp abhängt; so lie-
dem Frakturtyp und der Qualität der Reposition wird in ßen sich noch 96 % der einfachen Frakturen anatomisch
Tab. 20.1dargelegt. Sie fanden heraus, dass die Rate per- reponieren, wohingegen nur 64 % der kombinierten Frak-
fekter Repositionen von 75 % in den ersten beiden Wo- turen anatomisch rekonstruiert werden konnten. Ein
chen nach dem Unfall auf 62 % in der dritten Woche nach Alter über 40 Jahre zeigte dabei eine Korrelation mit
dem Unfall fiel. Darüber hinaus stieg die Qualität der einer schlechteren Repositionsqualität. Nur bei 57 % der
Reposition auch mit der Erfahrung Letournels. In den Patienten über 40 Jahre konnte eine anatomische Reposi-
ersten 5 Jahren, in denen er die operative Versorgung tion erreicht werden, wohingegen dies bei 78 % der Pa-
von Azetabulumfrakturen durchführte (1958 – 1962), tienten unter 40 Jahren möglich war. Die initiale Disloka-
wurde eine perfekte Reposition in 68 % der Fälle erreicht, tion der Fraktur korrelierte dabei nicht mit der Qualität
wohingegen in den letzten 6 dokumentierten Jahren der Reposition.
554 20 Azetabulumfrakturen

Moed et al. konnten nachweisen, dass die Qualität der Radiologische und klinische Ergebnisse nach
Reposition von Frakturen der hinteren Wand am besten
operativ versorgten Azetabulumfrakturen
mithilfe eines postoperativen CTs beurteilt werden kann,
besser als es mit den konventionellen Röntgenaufnahmen Letournel u. Judet haben eine enge Korrelation zwischen
möglich war (34). Sie kontrollierten dabei 67 Patienten der Qualität der Reposition und der Ausbildung einer Ar-
nach, von denen 61 ein 4-Jahres-Follow-up hatten. Die throse nachweisen können (2, 33). Mit mindestens ein-
Qualität der Reposition wurde dabei auf konventionellen jährigem Follow-up lag die Inzidenz einer posttraumati-
Röntgenaufnahmen des Beckens in 65 von 67 Fällen als schen Arthrose bei anatomisch perfekter Reposition bei
20 anatomisch beurteilt. Dagegen zeigte die Computertomo- 10,2 % und bei nicht ganz perfekter Reposition bei 35,7 %.
grafie eine Frakturinkongruenz ≥ 2 mm in 11 Patienten Der am häufigsten verwendete klinische Score ist der
und einen Frakturspalt > 2 mm in 52 Patienten. Bei modifizierte Merle-d’Aubigné-Score. Dieser wurde initial
24 Hüften war zumindest ein Teil des Frakturspalts entwickelt, um die Ergebnisse nach Hüft-TEP zu evaluie-
≥ 1 mm. Nur 15 der 67 Hüften wurden auf Grundlage ren (35), wurde von Letournel u. Judet übernommen (36)
des postoperativen CTs als anatomisch rekonstruiert be- und von Matta modifiziert (3). Schmerzen, Gangbild und
zeichnet. Frakturspalten ≥ 10 mm oder ein gesamter Bewegungseinschränkung der Hüfte werden jeweils be-
Spaltbereich ≥ 35 mm2 waren mit einem schlechten Re- urteilt und mit einer maximalen Punktzahl von 6 Punk-
sultat assoziiert. ten pro Kategorie bewertet. Die 3 erreichten Punkte in
den Untergruppen werden dann summiert und bilden
so den Endscore.
In einer Studie von 262 Azetabulumfrakturen bei
einem Follow-up von mindestens 2 Jahren, fand Matta
klinisch exzellente Fälle in 40 %, gut waren 36 % der Fälle,
zufriedenstellend 8 % und schlecht 16 % der Fälle (3). Die

Tab. 20.2 Korrelation zwischen Repositionsqualität von Azetabulumfrakturen und klinischem Ergebnis.
Repositionsqualität Klinisches Ergebnis
exzellent gut ausreichend schlecht
anatomisch (n = 185) 82 (46 %) 68 (37 %) 10 (5 %) 25 (12 %)
nicht perfekt (n = 52) 17 (33 %) 18 (35 %) 7 (14 %) 10 (18 %)
schlecht (n = 18) 3 6 2 7
sekundäre chirurgische Kongruenz 2 3 2
Quelle: Daten von Matta JM. Fractures of the acetabulum: accuracy of reduction and clinical results in patients operated within three weeks after the injury.
J Bone Joint Surg Am 1996; 78: 1632 – 1645

Tab. 20.3 Korrelation des Frakturtyps mit dem prozentualen Anteil guter bis exzellenter klinischer Ergebnisse.
Frakturtyp Letournel Matta
hintere Wand 82 68
hinterer Pfeiler 91 63
vordere Wand 78 67
vorderer Pfeiler 88 83
Querfraktur 95 89
T-förmige Fraktur 88 77
Querfraktur mit Fraktur der hinteren Wand 74 70
Fraktur der hinteren Wand und des hinteren Pfeilers 47 90
Fraktur des vorderen Pfeilers mit hinterer Hemiquerfraktur 85 87
Zwei-Pfeiler-Fraktur 82 72
Prozent gesamt 81 76
Quelle: Daten von Letournel E, Judet R. Fractures of the Acetabulum, 2nd ed. Berlin: Springer; 1993 und Matta JM. Fractures of the acetabulum: accuracy of
reduction and clinical results in patients operated within three weeks after the injury. J Bone Joint Surg Am 1996; 78: 1632 – 1645
Ergebnisse 555

klinischen Resultate spiegelten dabei die Qualität der Re- te Hüftreposition und intraartikuläre Schäden. Weitere
position wider (Tab. 20.2). Eine perfekte Reposition war Faktoren, die tendenziell schlechtere Ergebnisse aufwie-
mit einem sehr guten oder exzellenten klinischen Resul- sen, ohne statistisch signifikant zu sein, waren Impaktio-
tat in 83 % der Fälle assoziiert. Bei nicht perfekter Reposi- nen der Frakturen und die Frakturierung des gewichts-
tion (2 – 3 mm Dislokation auf einer beliebigen konven- tragenden Anteils des Azetabulums.
tionellen Azetabulumaufnahme) konnte ein gutes oder
exzellentes klinisches Resultat in 68 % der Fälle erreicht Ergebnisse nach verzögerter Versorgung
werden. Sobald die Reposition schlecht war (9 von oder Revisionsversorgung von
18 Hüften) konnten gute oder exzellente klinische Resul- 20
Azetabulumfrakturen
tate nur noch in 50 % der Fälle erreicht werden. In seiner
Nachuntersuchung hatten 6 % der Patienten eine Hüft-TEP Die Ergebnisse nach verzögerter Versorgung von Azeta-
bei einem durchschnittlichen Follow-up von 6 Jahren. bulumfrakturen sind schlechter als nach akuter Fraktur-
Matta fand dabei einige Faktoren, die mit einem versorgung. Letournel u. Judet berichteten über 64,4 %
schlechten klinischen Resultat assoziiert waren (3): gute bis exzellente klinische Resultate bei Frakturen, die
■ Eine nicht perfekte Reposition (2 mm Dislokation auf innerhalb von 3 Wochen bis 4 Monaten nach dem Unfall
einer beliebigen Azetabulumröntgenaufnahme). versorgt wurden (38). Johnson et al. zeigten in ihrer Ar-
■ Eine traumatische Verletzung der Gelenkfläche oder beit bei 188 Patienten welche durchschnittlich 43 Tage
des Knochens im Bereich des Hüftkopfs. nach dem Unfall versorgt wurden, dass hier nur noch in
■ Ein Alter des Patienten von über 40 Jahren. Dennoch 65 % der Fälle gute bis exzellente Ergebnisse zu erreichen
scheint das Alter selbst keinen unabhängigen Vorher- waren (39). Komplikationen waren bei diesen Patienten
sagewert für das Ergebnis zu haben, da das Alter eben- ebenso signifikant höher: 20 postoperative Schädigungen
falls mit der Möglichkeit korrelierte eine perfekte Re- des N. ischiadicus, 8 Infektionen, 5 Embolien, 26 Fälle von
position zu erreichen. avaskulären Hüftkopfnekrosen. Noch schlechtere Ergeb-
nisse finden sich bei Revisionen, wie sie bei unzureichend
Die klinischen Resultate korrelierten nicht mit dem Frak- reponierten Azetabulumfrakturen erforderlich sind.
turtyp, weder in der Nachuntersuchungsserie von Letour- Mayo et al. berichteten in ihrer Arbeit über 64 Patienten,
nel u. Judet noch in der Nachuntersuchung von Matta bei denen aufgrund einer schlechten Reposition oder
(Tab. 20.3), (3, 33). eines sekundären Verlusts der Reposition eine Revision
erforderlich wurde (40). In 56 % der Fälle wurde eine Re-
Ergebnisse nach operativer Reposition und position mit Dislokation von weniger als 2 mm erreicht.
Osteosynthese von Frakturen der hinteren Das klinische Ergebnis war dabei in 42 % der Fälle gut bis
exzellent bei einem durchschnittlichem Follow-up von
Wand
4,2 Jahren. Darüber hinaus hatte auch der Zeitpunkt
Auch wenn Frakturen der hinteren Wand oftmals als re- vom Unfall bis zur Revisionsoperation einen Einfluss auf
lativ einfache Frakturen angesehen werden, zeigen die das klinische Ergebnis. Erfolgte die Revision innerhalb
klinischen Ergebnisse, dass das Ergebnis nicht immer op- von 3 Wochen nach dem Unfall, wiesen 57 % der Patien-
timal ist. Letournel u. Judet hatten 83 % gute bis exzellen- ten gute bis exzellente Ergebnisse auf. War die Revisions-
te Ergebnisse nach Frakturen der hinteren Wand (33). operation jedoch erst 12 Wochen nach dem Unfall, sank
Matta hatte 68 % gute bis exzellente Ergebnisse nach Frak- die Zahl von guten bis exzellenten Ergebnissen auf 29 %.
turen der hinteren Wand in seiner Nachuntersuchung (3).
Dies, obwohl die Reposition (kontrolliert mittels konven-
Funktionelles Ergebnis
tioneller Röntgenaufnahmen) in 93 – 100 % der Fälle per-
fekt gewesen war. Das unterstreicht, was Moed et al. in Obwohl der modifizierte Merle-d’Aubigné-Score der am
ihrer Publikation gefordert hatten, nämlich, dass die kon- häufigsten benutzte klinische Score ist, ist es kein funk-
ventionellen Röntgenaufnahmen nicht ausreichend sind, tioneller Patientenfragebogen. Moed et al. zeigten, dass
um die Qualität der Reposition von Frakturen der hin- Patienten nach operativ versorgten Azetabulumfrakturen
teren Wand zu beurteilen (34). In einer weiteren Publi- hohe Punktwerte im muskuloskelettalen, funktionellen
kation haben Moed et al. das klinische Ergebnis von 100 Score (MFA) erreichten und diese Ergebnisse mit dem
Frakturen der hinteren Wand beschrieben (37). Die Auto- Merle-d’Aubigné-Score korrelierten (41). Die hohen
ren weisen darauf hin, dass eine dringlich durchgeführte Werte im MFA-Score zeigten, dass eine komplette Rück-
Reposition bei vorliegender Hüftluxation erfolgen sollte kehr zum funktionellen Level vor dem Unfall ungewöhn-
und die Gelenkfläche des Azetabulums anatomisch re- lich ist.
konstruiert werden muss. 90 % der Fälle hatten damit
gute bis exzellente Ergebnisse, 8 % benötigten eine Revi-
sionsoperation (37). Faktoren, die mit einem schlechten
Ergebnis einhergingen, waren fortgeschrittenes Alter
zum Zeitpunkt des Unfalls (über 50 Jahre), eine verzöger-
556 20 Azetabulumfrakturen

Komplikationen Verletzungen der Leber oder Milz, die klinisch überwacht


werden.
Frakturen des Azetabulums sind in der Regel Ergebnis
eines Hochrasanztraumas. Oft weisen die Patienten
Infektionen
daher noch weitere Verletzungen des muskuloskelettalen
Systems oder auch innere Verletzungen auf. Die Versor- Infektionen nach Versorgung einer Azetabulumfraktur
gung der Azetabulumfraktur kann dabei arbeits- und treten bei 4 – 12 % der Patienten auf (3, 11, 48). Eine pe-
zeitintensiv sein, sodass die optimale Vorbereitung des rioperative Antibiotikumprophylaxe ist bei allen Patien-
20 Patienten unumgänglich ist. Abgesehen davon können ten empfohlen, die eine operative Versorgung einer Aze-
unfall- oder versorgungsbedingte Komplikationen auftre- tabulumfraktur bekommen. Die exakte Beurteilung des
ten. Die Identifizierung potenzieller Probleme in der Weichteilmantels hinsichtlich Abschürfungen, offenen
Frühphase nach dem Trauma kann dabei helfen, nachfol- Verletzungen oder Décollement-Verletzungen kann
gende Komplikationen zu vermeiden. Die Erfahrung des dabei helfen, die chirurgische Versorgung entsprechend
Chirurgen bei der Versorgung von Azetabulumfrakturen zu planen, um so Weichteilkomplikationen zu vermeiden.
hat einen Einfluss auf die Komplikationsrate. Die Verlet- Das Vermeiden von Zugängen durch geschädigte Weich-
zung des Azetabulums und die nachfolgende Rekonstruk- teile kann das Risiko postoperativer Weichteilkomplika-
tion kann dabei mit Komplikationen wie tiefer Venen- tionen vermindern. Die penible Vorbereitung und das
thrombose, Infektionen, neurologischen oder Gefäßver- entsprechende Abdecken des Patienten sowie ein vor-
letzungen, unbefriedigenden Repositionen, intraartikulä- sichtiges Weichteilmanagement und Beachten der Kno-
rer Lage oder einem Versagen des Osteosynthesemateri- chendurchblutung sind zudem für die Vermeidung von
als einhergehen. Nach einer operativen Versorgung gibt Infektionen wichtig. Zerstörter Muskel sollte vor dem
es aber auch Spätkomplikationen wie die Ausbildung Wundverschluss entfernt werden, potenzielle Höhlen
einer Pseudarthrose oder eine Frakturheilung in Fehlstel- sollten drainiert werden und die Antibiotikumprophyla-
lung, die avaskuläre Femurkopfnekrose, heterotope Ossi- xe sollte bis zum Drainagezug fortgesetzt werden bzw.
fikationen und die posttraumatische Coxarthrose. Dabei solange weitergeführt werden, wie die seröse Wundse-
kann die Vermeidung von Frühkomplikationen auch sig- kretion noch nicht persistiert hat. Die exakte Beurteilung
nifikanten Einfluss auf das Auftreten von Spätkomplika- von Wunden im Bereich des Beckens ist postoperativ
tionen und auch auf schlechte funktionelle Ergebnisse sehr wichtig. Wenn Anzeichen für eine verlängerte Se-
haben. kretion oder ein Hämatom bestehen, ist eine aggressive
Haltung mit früher Revision und Débridement des Gewe-
bes durchzuführen.
Tiefe Venenthrombose
Große Ablederungsverletzungen (sogenannte Morel-
Tiefe Venenthrombosen treten nach operativer Versor- Lavallée-Verletzungen) trennen das subkutane Fettgewe-
gung einer Azetabulumfraktur häufig auf (42–46). Dage- be von der darunter liegenden Muskelfaszie (49). Hak et
gen kommt es weit weniger oft zum Auftreten von Lun- al. berichteten, dass Bakterienkulturen im Zusammen-
genembolien. Die Gefahr, die von einer Lungenembolie hang mit Ablederungsverletzungen bei 46 % von ins-
ausgeht, hat die meisten Ärzte dazu veranlasst, eine pe- gesamt 24 Fällen positiv waren (49). Darüber hinaus
rioperative Prophylaxe durchzuführen. Diese besteht in wies eine innere Osteosynthese in diesen Fällen eine In-
der Regel aus einem mechanischen Hilfsmittel im Bereich fektionsrate von 3 Fällen auf 24 auf, auch nach voran-
der unteren Extremität in Kombination mit einer che- gegangenem aggressivem Débridement. Tseng u. Tornetta
mischen Prophylaxe. Die Autoren verwenden dabei nie- beschrieben die Behandlung von 19 Patienten mit einer
dermolekulares Heparin bis zum Abend vor der Operati- Morell-Lavallée-Verletzung, die derart behandelt wurde,
on; im Anschluss an die Operation wird die Prophylaxe dass innerhalb von 3 Tagen ein perkutanes Débridement
am 2. postoperativen Tag bis zur 3. Woche wieder einge- mittels Ausbürsten und nachfolgender Lavage erfolgte.
setzt. Als Alternative steht die postoperative Gabe von Dieser Eingriff erfolgte über Inzisionen von 2 cm Länge.
Marcumar zur Verfügung (47). Das präoperative Scree- Die Frakturversorgung wurde dann verzögert durch-
ning mittels Ultraschall wird immer mehr genutzt, ins- geführt, und in dieser Serie fanden sich dabei keine In-
besondere dann wenn Patienten aus einer anderen Klinik fektionen (50).
zur endgültigen Versorgung verlegt werden oder dann,
wenn bereits 2 Tage verstrichen sind, ehe die chirurgi-
Neurologische Verletzungen
sche Versorgung erfolgt. Wenn das durchgeführte Scree-
ning positiv ausfällt, wird ein V.-cava-Schirm vor der Vor der Rekonstruktion sollten neurologische Einschrän-
Operation eingesetzt. Das Einsetzen derartiger Schirme kungen oder Verletzungen, die vom Unfall herrühren,
sollte bei den Patienten in Erwägung gezogen werden, ausgeschlossen werden. Es ist unabdingbar, dass eine
die keine medikamentöse Prophylaxe perioperativ durch- komplette und genaue neurologische Untersuchung vor
führen können. Das sind in der Regel schwerstverletzte der chirurgischen Rekonstruktion dokumentiert wird.
Patienten mit begleitenden zerebralen Verletzungen oder Präoperativ bereits vorhandene Verletzungen des
Komplikationen 557

N. ischiadicus wurden so in bis zu 30 % der Verletzungen Gefäßblutung nicht im OP kontrolliert werden können.
gefunden (51). Verletzungen des N. ischiadicus nach einer Eine Angiografie kann dabei auch nach dem Packing mit
chirurgischen Intervention wurden in bis zu 16 % der Pa- einem hämostyptischen Schwamm und einem oberfläch-
tienten beschrieben. Letournel u. Judet empfahlen die lichen Wundverschluss erfolgen.
Operation in Bauchlage mit einer Knieflexion und Hüft- Die präoperative Angiografie, um Verletzungen der A.
extension, um so eine Entspannung des N. ischiadicus zu glutealis superior vor einem erweiterten Zugang abzuklä-
erreichen. Zudem empfahlen sie den Einsatz spezieller ren, wurde empfohlen (57). Wird eine entsprechende Ge-
Nervenhaken, um so das potenzielle Risiko für iatrogene fäßverletzung nachgewiesen, empfehlen die gleichen Au-
Nervenschäden zu reduzieren (2). Von anderen Autoren toren auch die Adaption des Zugangs. Reilly et al. unter- 20
wurde der Gebrauch intraoperativer somatosensorisch suchten den Fluss der A. glutealis superior in 41 Fällen
evozierter Potenziale oder spontaner Elektromyografie nach erweitertem Zugang und lediglich bei einem Patien-
empfohlen, um so die Nervenfunktion während der Ope- ten fanden sie dabei kein Doppler-Signal mehr. Eine Af-
ration zu überwachen (52). Middlebrooks folgerten aus fektion des Weichteils war nach dem Zugang nicht vor-
ihrer Studie schließlich, dass das intraoperative Monito- handen (58).
ring aufgrund der geringen Komplikationsraten nicht ge- Verletzungen der A. iliaca externa können bei einer
rechtfertigt war, sofern die entsprechenden Vorkehrun- Operation über einen ilioinguinalen Zugang vorkommen.
gen getroffen wurden, um den Nerv intraoperativ zu Dies kann eine Gefäßverletzung mit einem scharfen In-
schonen (53). Ein intraoperatives Neuromonitoring kann strument sein oder eine Thrombose. Bei Hakenzug über
jedoch dann indiziert sein, wenn sich der Chirurg noch in das mittlere Fenster des ilioinguinalen Zugangs kann dies
der Lernphase befindet oder wenn es sich um eine ver- zu einer Thrombose der A. femoralis führen. Deshalb ist
zögerte Versorgung handelt, bei der eine erweiterte Mo- das Fühlen des Pulses über der A. femoralis während der
bilisierung des Weichteilgewebes und des Knochens er- Arbeit am mittleren Fenster zwingend notwendig. Zudem
forderlich ist. Die Prognose für eine Erholung des N. is- sollten auch postoperativ regelmäßige Kontrollen des
chiadicus nach einem Trauma ist schlecht, verglichen mit Pulsstatus alle 1 – 2 h in den ersten 12 h postoperativ er-
dem Erholungspotenzial nach iatrogener Schädigung folgen. Wenn eine traumatische Lazeration auftritt, sollte
(54). diese intraoperativ behoben werden. Dies gilt auch, wenn
Eine iatrogene Schädigung oder absichtliche Durch- eine Thrombose der A. iliaca externa intraoperativ auf-
trennung des N. cutaneus femoris lateralis kommt ins- tritt. Wenn nach dem Wundverschluss eine veränderte
besondere im Zusammenhang mit dem ilioinguinalen Zu- Durchblutung der unteren Extemität auftritt, ist die not-
gang vor. Dies führt zu einer Taubheit im Bereich des fallmäßige Durchführung einer Angiografie indiziert, um
Oberschenkels und gelegentlich auch, und dann natürlich so Thrombosen im Bereich der A. iliaca externa aus-
schwerwiegender, zu Schmerzen. Es ist wichtig, dass Pa- zuschließen.
tienten darüber präoperativ aufgeklärt werden. Die intra-
operative Schonung des Nervs oder seine scharfe Durch-
Posttraumatische Arthrose
trennung, sollte er verletzt sein, kann in einem verringer-
ten Risiko für das Auftreten einer postoperativen Meral- Das Ziel der chirurgischen Versorgung von Azetabu-
gia paraesthetica resultieren. lumfrakturen ist eine normale Hüfte ohne Arthrosezei-
chen. Dennoch ist es klar, dass eine der häufigsten Lang-
zeitkomplikationen nach Azetabulumfrakturen die Aus-
Gefäßverletzungen
bildung einer posttraumatischen Arthrose ist, wie es
Gefäßverletzungen im Bereich des Beckens sind seltener auch bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben
mit Azetabulumfrakturen vergesellschaftet als mit Be- wurde.
ckenfrakturen. Dennoch gibt es Fälle, in denen derartige
Verletzungen auftreten. Verletzungen der A. glutealis su-
Avaskuläre Nekrose
perior in Verbindung mit Frakturen bis hoch in den hin-
teren Pfeiler können von der Fraktur selbst herrühren Eine avaskuläre Hüftkopfnekrose tritt in 1 – 5 % der Fälle
oder während der Mobilisierung und Reposition einer auf (3, 11, 59). Dabei sollte die Diagnose avaskuläre Hüft-
derartigen Fraktur herrühren. Wenn eine derartige Ver- kopfnekrose für diejenigen Fälle reserviert bleiben, in
letzung intraoperativ auftritt, ist die natürliche Reaktion denen sich typische radiologische Veränderungen im Be-
des Chirurgen, eine Klemme in diesem Bereich zu setzen. reich des Hüftkopfs finden. Dazu gehören subchrondrale
Dies sollte jedoch in diesem Fall vermieden werden, Aufhellungen, ein Einbruch des Hüftkopfs und gelegent-
damit der N. glutealis superior nicht geschädigt wird. In lich auch die Zerstörung des Gelenks (Abb. 20.40). Radio-
solch einem Fall wäre ein Packing in den meisten Fällen logische Veränderungen treten dabei im Zusammenhang
ratsam. Sollte es dennoch erforderlich sein, so wird eine mit einer Hüftkopfnekrose zunächst im Bereich des Hüft-
Präparation des Gefäßes und die selektive Gefäßligatur kopfs auf, um sich erst danach auf das gesamte Hüftge-
empfohlen. In seltenen Fällen kann die Notfallembolisa- lenk auszubreiten. Eine zunehmende Verringerung des
tion mittels Angiografie notwendig werden, sollte die Gelenkspalts im Zusammenhang mit Deformierung oder
558 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

Abb. 20.40 Avaskuläre Femurkopfnekrose nach Azetabulum- eine Trochanter-Flip-Osteotomie nach Ganz mit chirurgischer
fraktur, primär den Femurkopf und in der Folge auch das Aze- Hüftluxation. 1 Jahr postoperativ war der Patient komplett
tabulum betreffend. asymptomatisch.
a Irreponierbare Hüftluxation mit Femurkopffraktur und klei- c 22 Monate postoperativ bekam der Patient signifikante links-
ner superior-posteriorer Azetabulumwandfraktur. Eine ge- seitige Hüftschmerzen. Eine avaskuläre Nekrose unter Einbezie-
schlossene Reposition unter Sedierung war nicht möglich. hung des kraniolateralen Femurkopfs ist radiologisch ersicht-
b A.–p. Röntgen 1 Jahr nach offener Reposition und innerer lich, das Azetabulum erscheint relativ anatomisch.
Osteosynthese des Femurkopfs und der hinteren Wand über d Der Patient unterzog sich der Implantation einer Hüft-TEP.

Fragmentierung des Hüftkopfs ist dabei eher mit einer Darüber hinaus kann auch der Zugang Einfluss auf die
ungenügenden Reposition und einer Abnutzung des signifikante Ausbildung postoperativer heterotoper Ossi-
Knorpels im Bereich des Hüftkopfs als mit einer Kopf- fikationen haben. So treten diese häufiger bei erweiterten
nekrose verbunden. Wenn derartige Veränderungen zu Zugängen wie dem erweiterten iliofemoralen Zugang auf,
einem frühen Zeitpunkt auftreten, können sie auch ein der von allen Zugängen die höchste Rate heterotoper Os-
Zeichen für eine Infektion des Hüftgelenks sein. sifikationen aufweist. Der ilioinguinale Zugang weist da-
hingegen nur eine sehr geringe Rate auf (3, 62). Das chi-
rurgische Débridement zerstörter Skelettmuskulatur (64),
Heterotope Ossifikation
die postoperative Prophylaxe mit Indometacin (65 – 67)
Heterotope Ossifikationen im Bereich der Hüfte sind am und die postoperative Bestrahlung (61, 63, 68 – 70) wur-
wahrscheinlichsten sekundär als Folge des initialen Trau- den allesamt empfohlen. Eine randomisierte Studie zeigte
mas bzw. eine Folge chirurgischer rekonstruktiver Maß- jedoch einen eingeschränkten Effekt der Indometacin-
nahmen. Bestimmte Patienten weisen dabei ein erhöhtes Prophylaxe verglichen mit einer Kontrollgruppe 6 Wo-
Risiko für die Ausbildung heterotoper Ossifikationen auf. chen nach der Operation (71). Im Gegensatz dazu konn-
Dabei treten hererotope Ossifikationen häufiger bei Män- ten Moore et al. bei einer randomisierten Studie von Pa-
nern auf, bei Patienten mit begleitenden Schädel-Hirn- tienten nach operativ versorgter Azetabulumfraktur kei-
Verletzungen und bei verzögerter Frakturversorgung nen signifikanten Unterschied zwischen einer Gruppe die
(60 – 63). 6 Wochen mit Indometacin behandelt wurde und der
Komplikationen 559

anderen Gruppe welche eine 800-Gray-Bestrahlung be- wird gewöhnlich eine relativ frühe Resektion 4 – 12 Mo-
kam, zeigen (72). Aktuell wird die Bestrahlung als ein- nate postoperativ empfohlen. Obwohl es keine publizier-
malige Bestrahlung mit 700 Gray postoperativ bei denje- te Studie darüber gibt, ob die Frühintervention effektiv
nigen Patienten empfohlen, die ein hohes Risiko zur Aus- ist, wurde das erneute Auftreten von heterotopen Ossifi-
bildung heterotoper Ossifikationen besitzen. Wenn kli- kationen nie als Problem beschrieben (Abb. 20.41).
nisch signifikante heterotope Ossifikationen auftreten,

Merke 20
■ Die Obturatoraufnahme erlaubt die Beurteilung des vor- ■ Frakturen, die bis in die Beckenschaufel einstrahlen bein-
deren Pfeilers, der hinteren Wand und des Ramus ischia- halten Frakturen des vorderen Pfeilers, Frakturen des vor-
dicus (s. Abb. 20.3 c). deren Pfeilers mit hinterer Hemiquerfraktur und kom-
■ Die Alaaufnahme (s. Abb. 20.3 b) wird zur Beurteilung des binierte Zwei-Pfeiler-Frakturen.
hinteren Pfeilers, der vorderen Wand und der Becken- ■ Bei älteren Patienten, die sich eine Azetabulumfraktur in
schaufel benutzt. der Regel bei einem Sturz zuziehen, liegt häufig eine Frak-
■ Das Klassifikationssystem von Judet und Letournel besteht tur des vorderen Pfeilers oder eine Fraktur des vorderen
aus 5 einfachen und 5 zusammengesetzten Frakturtypen Pfeilers mit hinterer Hemiquerfraktur vor.
(s. Abb. 20.4). ■ Die kombinierte Zwei-Pfeiler-Fraktur trennt die Anteile der
■ Pfannendachwinkel werden benutzt, um eine Beteiligung Hüftpfanne vom intakten Os ilium. Der inferiore laterale
des Azetabulumdachs zu definieren, und werden einge- Rand des intakten Anteils des Beckenknochens zeigt das
zeichnet, indem eine vertikale Linie durch das Zentrum sogenannte „Spur sign“, das am besten auf der Obturator-
des Hüftkopfs gezogen wird und eine weitere vom Zen- aufnahme zu sehen ist.
trum des Hüftkopfs zu dem Punkt, an dem die Fraktur in ■ Indikationen für den Kocher-Langenbeck-Zugang sind Frak-
die Gelenkfläche einstrahlt. Dies wird auf allen 3 Standard- turen der hinteren Wand und/oder des hinteren Pfeilers,
röntgenaufnahmen gemacht. Die Röntgenaufnahmen die meisten Querfrakturen, die meisten Querfrakturen mit
müssen dabei ohne Extension gemacht werden und der hinterer Wand und die meisten T-förmigen Frakturen.
Hüftkopf darf dabei nicht subluxiert stehen (6). ■ Chirurgische Indikationen für den ilioinguinalen Zugang
■ Pfannendachwinkel können nicht zur Beurteilung von sind Frakturen der vorderen Wand, Frakturen des vor-
Zwei-Pfeiler-Frakturen (da das Azetabulum mit dem sub- deren Pfeilers, Frakturen des vorderen Pfeilers mit hinterer
luxierten Femurkopf medialisiert steht, was als sekundäre Hemiquerfraktur und die meisten Zwei-Pfeiler-Frakturen.
Kongruenz bezeichnet wird) oder Frakturen der hinteren ■ Chirurgische Indikation für einen erweiterten iliofemoralen
Wand (da diese Frakturen selten den kranialen Anteil der Zugang sind transtektale Querfrakturen oder Querfraktu-
Hüftpfanne auf irgendeiner Röntgenaufnahme treffen) ren mit Fraktur der hinteren Wand oder T-förmige Fraktu-
eingesetzt werden. ren mit weiter Dislokation sowohl des vorderen als auch des
■ Bei CT-Aufnahmen werden diejenigen Frakturen als Frak- hinteren Pfeilers sowie Zwei-Pfeiler-Frakturen mit signifi-
turen des gewichtstragenden Anteils der Hüftpfanne an- kanter Beteiligung des Iliosakralgelenks. Dieser Zugang er-
gesehen, die bis auf 1 cm zur kranialen subchondralen laubt die simultane Kontrolle sowohl des vorderen als auch
Verdichtung des Hüftdachs herankommen (7). des hinteren Pfeilers und die direkte Einsicht auf die Gelenk-
■ Biomechanische Studien zeigen, dass der hintere Pfeiler fläche bei der Reposition durch Zug am Hüftkopf.
beim Einbeinstand hinsichtlich der Stabilität wichtiger ist ■ Die klinische Arbeit von Matta zeigt eine enge Korrelation
als der vordere Pfeiler (8). zwischen der Qualität der Reposition und dem klinischen
■ Die konservative Therapie von Azetabulumfrakturen sollte Ergebnis (3). Eine perfekte Reposition war verknüpft mit
bei folgenden Frakturen in Erwägung gezogen werden: insgesamt guten bis exzellenten klinischen Ergebnissen in
– Frakturen, die den gewichttragenden Gelenkanteil, der 83 % der Fälle. Bei nichtperfekter Reposition (2 – 3 mm
durch den Pfannendachwinkel auf konventionellen Dislokation auf einer der Azetabulumröntgenaufnahmen)
Röntgenaufnahmen oder durchs CT definiert ist, nicht konnte ein gutes oder exzellentes klinisches Ergebnis nur
betreffen. in 68 % der Fälle erreicht werden. Bei schlechter Reposition
– Frakturen, die weniger als 2 mm im kranialen Pfannen- und einer Dislokation von mehr als 3 mm wurde ein gutes
anteil disloziert stehen und bei denen die Kongruenz klinisches Ergebnis nur noch in 50 % der Fälle erreicht.
zwischen dem Hüftkopf und dem Azetabulum auch Faktoren, die mit einem schlechten klinischen Ergebnis
ohne Zug erhalten bleibt. korrelierten, waren die nichtperfekte Reposition (2 mm
– Frakturen der hinteren Wand, die weniger als 20 % der Dislokation auf einer der Azetabulumröntgenaufnahmen),
Gelenkfläche beinhalten und bei denen sich keine Zwi- ein traumatischer Knorpelschaden der Gelenkfläche oder
schenfragmente zeigen. eine Fraktur des Hüftkopfs sowie das Alter des Patienten
– Frakturen mit sekundärer Kongruenz bei kombinierten über 40 Jahre. Die Rate der Konversion zur Hüft-TEP lag
Zwei-Pfeiler-Frakturen. bei 6 %.
■ Die avaskuläre Nekrose nach einer Azetabulumfraktur war
bei erfahrenen Chirurgen selten (1 – 3 %).
560 20 Azetabulumfrakturen

20

a b

c d

e f

Abb. 20.41 Heterotope Ossifikationen nach einer Azetabu- d Judet-Aufnahme 4 Monate postoperativ.
lumfraktur. e Der Patient unterzog sich 6 Monate postoperativ der Metall-
a Post-operative Beckenübersicht nach Versorgung einer trans- entfernung, bei der auch die heterotopen Ossifikationen ent-
versen Fraktur mit Beteiligung der hinteren Wand über einen fernt wurden. Dadurch erlangte der Patient eine annähernd
Kocher-Langenbeck-Zugang. freie Beweglichkeit der linken Hüfte.
b Postoperative Judet-Aufnahme. f Judet-Aufnahme nach durchgeführter Resektion der hetero-
c Vier Monate postoperativ entwickelte der Patient heterotope topen Ossifikationen.
Ossifikationen im Bereich der Hüfte (Brooker Grad IV).
Literatur 561

Inhalt der DVDs

Video 20-1 (DVD 2) Kocher-Langenbeck-Zugang bei einer Video 20-2 (DVD 2) Ilioinguinaler Zugang für eine kom-
Azetabulumquerfraktur der hinteren Wand. Die detaillier- binierte Zwei-Pfeiler-Fraktur. Die Darstellung der 3 Fenster
ten Schritte dieses Zugangs in Bauchlage unter Anwendung des ilioinguinalen Zugangs wird gezeigt. Über diesen Zugang
eines speziellen Frakturoperationstischs werden gezeigt. Die wird die komplexe Fraktur schrittweise reponiert. Die Zan-
Distraktion im Hüftgelenk mit diesem Tisch gestattet die genplatzierung, Schraubenosteosynthese und Kontrolle der
einfache Bergung intraartikulärer Fragmente der hinteren Repositionsqualität sind Schlüsselkonzepte, die diskutiert 20
Wand. Die anatomische Reposition mehrerer Fragmente ist werden.
zu sehen.

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564 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21 Hüftluxation und Femurkopffraktur


J. A. Geller, M. C. Reilly
Übersetzer: A. Buchholz, M. Lucke, U. Stöckle

Die traumatische Luxation des Hüftgelenks ist eine relativ unter Vollnarkose und in Operationsbereitschaft unter-
seltene Verletzung, die meist infolge eines Hochrasanz- nommen werden. Bleibt der geschlossene Repositionsver-
traumas auftritt. Dabei wird durch eine axiale Gewaltein- such erfolglos, ist die offene Reposition des Gelenks indi-
wirkung entlang der Femurachse der Hüftkopf aus der ziert. Präoperativ ist eine erweiterte bildgebende Diag-
Gelenkpfanne gestoßen. Die traumatische Hüftluxation nostik sinnvoll und sollte daher unbedingt erfolgen. In
21 kommt isoliert, überwiegend jedoch in Kombination mit der Computertomografie (CT) kommen Größe und Loka-
Begleitfrakturen von Femurkopf oder Azetabulum vor. So lisation interponierter Strukturen deutlich zur Darstel-
weisen lediglich 30 % der Patienten mit einer Hüftluxati- lung. Ergänzend können für die Operationsplanung wich-
on keine begleitende Azetabulumfraktur auf (1). 42 – 84 % tige Begleitverletzungen, wie eine Absprengung des pos-
aller traumatischen Hüftluxationen sind auf einen Auto- terioren Pfannerands oder eine Femurkopffraktur, sicher
unfall zurückzuführen, wobei die Mehrzahl dieser Patien- beurteilt werden. Klinische Untersuchungen konnten zei-
ten keinen Sicherheitsgurt angelegt hatte (2, 3). Weitere gen, dass eine schnelle konzentrische Reposition des
Ursachen sind Motorradunfälle, Stürze aus großer Höhe Hüftkopfs zu den besten Langzeitergebnissen führt, wäh-
sowie Fußgänger- und Sportunfälle. Am häufigsten findet rend eine verspätete Reposition mit deutlich schlechteren
sich die hintere Luxationsform. Weitaus seltener werden Resultaten einhergeht. Typische Komplikationen sind die
dagegen vordere Luxationen beobachtet, bei denen der Femurkopfnekrose, die Arthrose des Hüftgelenks oder
Femurkopf in das Foramen obturatum luxieren kann (Lu- auch neurologische Schäden (2, 4–6). Die Reposition soll-
xatio obturatoria). te innerhalb eines Intervalls von 6 Stunden nach dem
Die klinische Versorgung eines Patienten mit traumati- Traumaereignis erfolgen, um das Risiko einer avaskulären
scher Hüftluxation beginnt mit der Erstuntersuchung im Nekrose (AVN) zu mindern. In einer Studie aus dem Jahr
Schockraum. Hierbei sollten etablierte ATLS-Algorithmen 1986 berichteten Hougaard u. Thomsen über eine Zunah-
(Advanced Trauma Life Support) zur Anwendung kom- me der Inzidenz avaskulärer Hüftkopfnekrosen von 4,8 %
men. Bei dem Befund eines Patienten mit verkürzter Ex- auf 52,9 %, wenn das Gelenk erst nach einem Zeitfenster
tremität sowie fixierter Flexions-, Adduktions- und In- von 6 Stunden reponiert wurde (7). Im Anschluss an eine
nenrotationsstellung des Beines, besteht der Verdacht erfolgreiche Reposition ist eine Röntgenkontrolle zur Be-
einer hinteren Luxation. Dagegen weisen eine Extensi- urteilung der Gelenkkongruenz obligat. Diese sollte eine
ons-, Neutral- oder leichte Abduktionsstellung des Beines Beckenübersicht sowie eine Ala- und Obturator-Aufnah-
auf eine vordere Luxation hin. Der Bewegungsumfang der me nach Judet einschließen. Zur Identifikation von Inter-
ausgerenkten Hüfte ist aufgrund starker Schmerzen ponaten wie auch zur besseren Beurteilung von Begleit-
hochgradig eingeschränkt. Initial genügt für die Diagno- frakturen des Azetabulums, des Hüftkopfs oder des
sesicherung eine Beckenübersichtsaufnahme. Darüber hi- Schenkelhalses ist zusätzlich ein CT von Vorteil.
naus ist es aber wichtig, begleitende Frakturen sicher zu Das Hüftgelenk ist ein Kugelgelenk, dessen polyaxialer
erkennen, insbesondere Frakturen von Azetabulum, Fe- Bewegungsumfang nur vom Schultergelenk übertroffen
murkopf und Schenkelhals. Sobald das ganze Verlet- wird. Das Azetabulum setzt sich aus allen 3 Beckenkno-
zungsausmaß feststeht und der Gesamtzustand des häu- chen, dem Os pubis, dem Os ischium und dem Os ilium,
fig mehrfach verletzten Patienten dies zulässt, sollte um- zusammen und bildet die Gelenkpfanne, in der der Fe-
gehend die Reposition des Gelenks erfolgen. Ernsthafte murkopf lagert. Azetabulum und Femurkopf bilden eine
Begleitverletzungen sind aufgrund der Schwere des Un- fest verbundene Gelenkeinheit, die bei der gesunden
fallmechanismus wahrscheinlich und gehören durch eine Hüfte keine Translationsbewegungen zwischen den Ge-
standardisierte Schockraumdiagnostik abgeklärt. So wei- lenkpartnern zulässt und somit eine optimale knöcherne
sen Patienten mit einer traumatischen Hüftluxation in Führung des Hüftkopfs gewährleistet. Ein straffer Kapsel-
90 % der Fälle mindestens eine weitere Organverletzung Band-Apparat, zu dem das kräftige fibrokartilaginäre La-
auf. Dabei finden sich mit absteigender Häufigkeit Verlet- brum, das Lig. transversum acetabuli und die Gelenkkap-
zungen des muskuloskelettalen Systems, geschlossene sel gehören, stabilisiert dabei den Femurkopf in der Ge-
Kopfverletzungen, Thoraxverletzungen, kraniofaziale Zu- lenkpfanne. Diese Konstruktion sichert eine ausreichende
satzverletzungen und Abdominalverletzungen (1). Belastungsstabilität während des Ganges, ohne dabei die
Die geschlossene Reposition der Hüfte kann bei einem Mobilität des Hüftgelenks einzuschränken. Verletzungen
kreislaufstabilen Patienten für gewöhnlich noch in der jeder dieser Strukturen können zu einer symptomati-
Notaufnahme unter Analgosedierung durchgeführt wer- schen Instabilität oder gar Luxation des Gelenks führen.
den. Gelingt dies nicht, sollte zügig ein weiterer Versuch Bei der typischen hinteren Hüftluxation, ohne knöcherne
Klassifikation 565

Abb. 21.1 Intraoperative Darstellung einer


irreponiblen isolierten Luxation des linken
anterior Hüftgelenks. Für gewöhnlich erkennt man
eine „Luxationshöhle“ zwischen dem M. piri-
formis und dem M. obturator internus. Häu-
fig führt das Austreten des Femurkopfs zu
Gewebeschädigungen am unteren Rand des
M. piriformis, des M. gluteus minimus und
Trochanter major des Muskelbauchs des M. gemellus superior.

kranial

21
M. piriformis
M. obturatorius
internus
M. gemellus superior

Verletzung des Azetabulums, wird die hintere Gelenkkap- ■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur des Pfannenbo-
sel von ihrem Ansatz am Labrum abgerissen, und der dens,
Femurkopf luxiert durch den M. gemellus superior oder ■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur des Femurkopfs.
das Intervall zwischen den Ursprungssehnen von M. piri-
formis und M. obturator inferior. Dies kann intraoperativ Eine weitere Klassifikation der Hüftluxation wurde von
bei der offenen Reposition deutlich nachvollzogen wer- Steward u. Milford im Jahr 1954 veröffentlicht (9). Diese
den (Abb. 21.1). eher funktionelle Einteilung orientiert sich dabei an einer
zu erwartenden Instabilität des Hüftgelenks nach erfolg-
ter Reposition. Sie unterscheidet wie folgt:
■ einfache Hüftluxation ohne Begleitfraktur,
Klassifikation
■ Hüftluxation mit einem oder mehreren größeren Frag-

Im Rahmen der traumatischen Hüftluxation kann es zu menten der Azetabulumwand, jedoch stabiler Gelenk-
zahlreichen Begleitverletzungen kommen. Vereinfacht führung nach Reposition,
lässt sich die Hüftluxation daher in 4 Gruppen gliedern: ■ Hüftluxation mit Frakturierung des Azetabulumrands,

■ Hüftluxation ohne begleitende Fraktur, jedoch mit verbleibender Gelenkinstabilität,


■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur des Azetabu- ■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur von Femurkopf

lums, oder Schenkelhals.


■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur des Femurkopfs,

■ Hüftluxation mit begleitender Fraktur von Femurkopf Trotz dieser Bemühungen, die unterschiedlichen Verlet-
und Azetabulum. zungsformen der Hüftluxation in einem einheitlichen
Schema zusammenzufassen, hat sich im klinischen Alltag
Die Hüftluxation mit begleitender Fraktur des Azetabu- die anatomische Beschreibung der Luxation am besten
lums wurde als eigene Entität schon in Kap. 20 bespro- bewährt. Als Kriterium dient die Stellung des Hüftkopfs
chen. Das vorliegende Kapitel widmet sich in erster Linie in Bezug zum Azetabulum. Dieser kann folglich nach hin-
den übrigen 3 Gruppen. Historische Klassifikationen der ten, vorne, unten (Luxatio obturatoria) oder zentral dis-
Hüftluxation beziehen jedoch in der Regel die Azetabu- loziert sein. Die hintere Luxation ist mit 90 % die häufigste
lumfraktur mit ein. Die Einteilung der hinteren Hüftluxa- Form (3, 10). Die vordere Hüftluxation wird dagegen nur
tion von Thompson u. Epstein aus dem Jahr 1951 richtet in ca. 10 % der Fälle beobachtet (3, 10). Die untere Luxa-
sich nach dem Schweregrad der ossären Zusatzverlet- tion und die Luxation des Femurkopfs in das Foramen
zung (8). Die Klassifikation unterscheidet folgende Typen: obturatum sind selten, dafür aber häufig mit Schenkel-
■ Hüftluxation mit oder ohne knöchernem Kapselausriss, hals- oder Femurschaftfrakturen assoziiert. Die zentrale
■ Hüftluxation mit einfacher Fraktur des hinteren Pfan- Hüftluxation schließt definitionsgemäß eine Fraktur der
nenrands, quadrilateralen azetabularen Gelenkfläche mit ein und ist
■ Hüftluxation mit Trümmerfraktur des Pfannenrands streng genommen als dislozierte Azetabulumfraktur zu
(mit oder ohne größeres Hauptfragment), werten. Als weitere Entität wird in der Literatur die bila-
terale Luxation beschrieben (11–15), die kombiniert mit
566 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21

a b

Abb. 21.2 Bilaterale Hüftluxation. b A.–p. Röntgenaufnahme des Beckens nach Reposition der
a Das rechte Hüftgelenk ist nach posterior und das linke nach Hüftgelenke.
ventral luxiert.

Kopffragment (Abb. 21.3). Die vordere Hüftluxation ist


weitaus seltener, allerdings ist bei ihr die Wahrschein-
lichkeit einer begleitenden Femurkopffraktur ungleich
höher. In diesen Fällen werden meist Impressionsfraktu-
ren unterhalb der Fovea centralis beobachtet (10).
Die am häufigsten angewandte Klassifikation der Hüft-
kopffrakturen stammt von Pipkin und wurde erstmals in
seiner Originalarbeit zur Femurkopffraktur im Jahr 1957
veröffentlicht (Abb. 21.4; 17). Diese Einteilung basiert auf
der Frakturlokalisation und dem Auftreten begleitender
Frakturen.
■ Pipkin I: Hüftkopffraktur kaudal der Fovea centralis

(außerhalb der Belastungszone).


■ Pipkin II: Hüftkopffraktur kranial der Fovea centralis
Abb. 21.3 Die CT-Aufnahme des Beckens in der Transversal-
(innerhalb der Belastungszone).
ebene zeigt eine beidseitige Femurkopffraktur mit anterome-
■ Pipkin III: Typ I oder II mit begleitender Schenkelhals-
dialer Frakturlokalisation.
fraktur.
■ Pipkin IV: Typ I oder II mit begleitender dislozierter

einer instabilen Verletzung der lumbalen Wirbelsäule Azetabulumfraktur.


auftreten kann (flaoting pelvis; 16). Bei der bilateralen
Luxation können die Hüften in entgegengesetzte Rich- Die Typ-I-Verletzung geht mit einer Ruptur des Lig. capi-
tungen luxiert sein (Abb. 21.2). Ein derartiges Verlet- tis femoris einher, da der Hüftkopf mit seiner Bandinser-
zungsmuster ist häufig Folge eines Motorradunfalls (12– tion aus der Gelenkpfanne disloziert. Das kaudal der
17). Fovea centralis abgescherte Kalottenfragment verbleibt
Wie bereits erwähnt, stellt auch die Femurkopffraktur dagegen häufig mit einem periostalen oder kapsulären
eine mögliche Begleitverletzung der Hüftluxation dar. Die Anteil in der Pfanne. Bei der Typ-II-Fraktur wird das Lig.
Scherkräfte, welche bei der Ausrenkung des Gelenks auf capitis femoris zumeist nicht beschädigt, da es hierbei zu
den Hüftkopf einwirken, können dabei zu einer Fraktur einem knöchernen Ausriss des Bandes kommt. Bei Typ-
der Kalotte führen. Femurkopffrakturen sind selten und III- und -IV-Verletzungen besteht eine begleitende Frak-
treten nahezu ausnahmslos in Verbindung mit einer trau- tur des Schenkelhalses oder der Azetabulumwand. Der
matischen Hüftluxation auf. Sie werden mit einer Inzi- dislozierte Anteil des Hüftkopfs kommt hinter dem Pfan-
denz von bis zu 16 % aller Hüftluxationen beschrieben nenrand oder komplett hinter dem Azetabulum zu liegen
(18). Die Lokalisation der Femurkopffraktur hängt von und weist häufig Impressions- und Fragmentierungs-
der Stellung des Hüftgelenks während des Unfallereignis- zonen auf. Da die typische Femurkopffraktur eine antero-
ses ab. Da der Femurkopf meist nach posterior luxiert, mediale Pathologie aufweist, dokumentieren Obturator-
findet sich aufgrund des Schermechanismus am hinteren Aufnahmen und CT-Bilder die Fraktur am besten.
Pfannenrand typischerweise ein anteromedial gelegenes
Konservative Therapie 567

Abb. 21.4 Pipkin-Klassifikation


für die Femurkopffraktur.
a Pipkin I: Fraktur der Kalotte
kaudal der Fovea centralis.
b Pipkin II: Fraktur der Kalotte
kranial der Fovea centralis.
c Pipkin III: Fraktur der Kalotte mit
begleitender Schenkelhalsfraktur.
d Pipkin IV: Femurkopffraktur mit
begleitender dislozierter Azetabu-
lumfraktur.

21
Pipkin I Pipkin II
a b

Pipkin III
d Pipkin IV
c

Konservative Therapie hierbei rechtwinklig in der Hüfte gebeugt. Ein leichter


Wechsel zwischen Innen- und Außenrotationsbewegun-
Geschlossene Reposition der hinteren gen ermöglicht die Reposition.
Hüftluxation
Geschlossene Reposition der vorderen
Nachdem die Diagnose der Hüftluxation gestellt wurde,
Hüftluxation
sollte unabhängig davon, ob zusätzliche Frakturen von
Femurkopf oder Azetabulum vorliegen, baldmöglichst Für die Reposition der vorderen Hüftluxation wird eben-
die geschlossene Reposition des Gelenks erfolgen. Dies falls eine Methode von Allis beschrieben, die auf dem
gilt auch dann, wenn ein definitives Behandlungskonzept wesentlichen Prinzip von Zug und Gegenzug basiert
noch nicht feststeht. Für die geschlossene Reposition sind (19). Für die Reposition der unteren Luxation wird von
unterschiedliche Methoden beschrieben. Das am häufigs- Walker ein Verfahren geschildert. Die Einrenkung erfolgt
ten angewandte Verfahren ist das Manöver nach Bigelow hierbei über axialen Zug und Innenrotation am Ober-
(Abb. 21.5; 18). Der Patient liegt auf dem Rücken. Ein schenkel. Gleichzeitig wird auf die Hüfte ein seitlicher
Assistent fixiert das Becken über Druck auf die Spinae Druck ausgeübt (21).
ilacae anteriores superiores, während der Arzt einen Alle Repositionsverfahren sollten in ausreichender An-
Zug in Längsrichtung des Femurs auf die Hüfte ausübt algesie und Sedierung durchgeführt werden. Um eine
und dabei simultan den Oberschenkel um 90° Grad weitere Traumatisierung der Hüfte zu vermeiden, ist auf
beugt. Eine zusätzliche behutsame Innenrotations- und ein schonendes Vorgehen mit langsam steigender und
Adduktionsbewegung führen dabei zur Reposition des kontinuierlicher Kraftapplikation zu achten. Die Repositi-
Hüftkopfs. Eine ähnliche Methode wird von Allis be- on der Hüfte unter einfacher Analgosedierung sollte nur
schrieben (Abb. 21.6; 19). Ein Assistent stabilisiert das Be- einmal versucht werden. Gelingt dies nicht, ist von einem
cken, während der Arzt einen Längszug entlang des Fe- weiteren Versuch abzusehen, da durch allzu brüske Maß-
murs auf das Hüfgelenk ausübt. Der Oberschenkel ist nahmen die Gefahr besteht, chondrale Läsionen zu er-
568 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21
a

Abb. 21.5 Methode nach Bigelow zur Reposition einer hin- b Dabei beugt er den Oberschenkel um 90° Grad.
teren Hüftluxation. Der Patient befindet sich in Rückenlage. c Über eine behutsame Innenrotations- und Adduktionsbewe-
a Ein Assistent fixiert das Becken über Druck auf die Spinae gung erfolgt die Reposition des Gelenks.
ilacae anteriores superiores, während der Arzt einen Zug in der
Längsachse des Femurs auf das Hüftgelenk ausübt.
Konservative Therapie 569

Abb. 21.6 Methode nach Allis zur Reposition einer hinteren gelenk aufbringt. Bei rechtwinklig gebeugter Hüfte, führen zu- 21
Hüftluxation. Ein Assistent stabilisiert das Becken, während sätzliche vorsichtige Wechselbewegungen zwischen Außen-
der Arzt einen Längszug entlang der Femurachse auf das Hüft- und Innenrotation zur Einrenkung des Hüftkopfs.

Abb. 21.7 Eine irreponible Hüftluxation. Der Femur-


kopf sitzt wie in einem Knopfloch in der Kapsel und
dem Intervall zwischen den Sehnen des M. piriformis
und des M. obturatorius internus fest.

weitern oder iatrogene Frakturen des Schenkelhalses zügige Überweisung des Patienten entscheiden. Sollte die
bzw. des Azetabulums zu verursachen. Stattdessen sollte geschlossene Reposition mit einem qualifizierten Team
der Patient zügig unter Allgemeinnarkose und Operati- und unter adäquater Analgosedierung des Patienten
onsbereitschaft eingerenkt werden. Nur in seltenen Fäl- nicht gelingen, ist auch eine geschlossene Reposition
len gelingt die Reposition auch unter Allgemeinnarkose unter Allgemeinnarkose weniger wahrscheinlich. Diese
nicht. Dies kann folgende Ursachen haben: Erkenntnis mag für den Unfallchirurgen, der aufgrund
■ unzureichende Muskelrelaxation, persönlicher Erfahrungen einem offenen Verfahren skep-
■ die Reposition des Femurkopfs wird durch die Gelenk- tisch gegenübersteht, bei der Entscheidungsfindung hilf-
kapsel oder die kurzen Außenrotatoren der Hüfte blo- reich sein.
ckiert (Abb. 21.7), Nach erfolgreicher Reposition und radiologisch gesi-
■ eine begleitende Fraktur des Femurschafts erschwert chertem Ausschluss knöcherner Begleitverletzungen
die Führung des proximalen Femurs. kann der Patient mit Gehstützen schmerzadaptiert mo-
bilisiert werden. Die Aufklärung und Anleitung des Pa-
Ist dies der Fall, so kann für die Reposition unter All- tienten zur Vermeidung von Bewegungen, die eine Relu-
gemeinnarkose das Einbringen einer Schanz-Schraube in xation des Hüftgelenks provozieren können, sollten fester
das proximale Femur (auf Höhe des Trochanter minor) Bestandteil der Nachbehandlung sein. Das Tragen einer
hilfreich sein. Bleibt der geschlossene Repositionversuch Abduktionsorthese bringt nur einen zweifelhaften Bene-
im Operationssaal vergeblich, muss der Chirurg sich ent- fit. Bei kleinen ossären Läsionen der hinteren Pfannen-
weder für die offene Reposition des Hüftgelenks oder die wand kann unter Umständen das selbe Behandlungs-
570 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

regime, wie bei einer isolierten Luxation gewählt werden Pipkin-I- und -II-Fraktur
(s. Kap. 20). Eine fragliche Instabilität ist jedoch zuvor (Video 21-1 und 21-2, DVD 3)
unter Durchleuchtung des Hüftgelenks und ausreichen-
der Analgesie zwingend abzuklären. Wird bei der Stabili- Die Therapie der Femurkopffraktur richtet sich nach
tätsprüfung (Flexion, axiale Belastung und Innenrotation Größe und Lokalisation des Fragments. Bei kleinen Läsio-
der Hüfte) in einer der Durchleuchtungsebenen (a.–p., nen unterhalb der Fovea centralis (außerhalb der Belas-
Ala- und Obturator-Aufnahme) ein Subluxieren des Fe- tungszone) sind die Exzision der Fragmente und die an-
murkopfs registriert, sollte eine operative Stabilisierung schließende Rekonstruktion der Gelenkkapsel das Ver-
der posterioren Pfannenwand erfolgen. Das schnellst- fahren der Wahl. Hierfür wird typischerweise der poste-
mögliche Wiedererlangen der uneingeschränkten Geh- riore Zugang nach Kocher-Langenbeck in Seitenlage des
fähigkeit ist das primäre Ziel der Nachbehandlung. Geh- Patienten gewählt. Nach Inzision der Fascia lata und
hilfen sollten zur Mobilisierung nur vorübergehend ver- Längsspaltung des M. gluteus maximus können die Mm.
21 wendet werden, bis der Patient ein sicheres und gluteus medius und minimus vorsichtig nach ventral
schmerzfreies Gangbild aufweist. weggehalten werden. Die anschließende Tenotomie des
Begleitende Femurkopffrakturen können nur in äu- M. piriformis sollte in einem Mindestabstand von 1 cm
ßerst seltenen Fällen konservativ behandelt werden. Bei zum Trochanter major erfolgen, um den aufsteigenden
einer kleinen Fraktur der Kalotte kaudal der Fovea cen- Ast der A. circumflexa femoris medialis und damit die
tralis, die nicht über 1 mm disloziert ist und keine in- Blutversorgung des Hüftkopfs nicht zu gefährden. Meist
traartikulären Fragmente aufweist, kann eine nichtopera- besteht durch das posteriore Austreten des Femurkopfs
tive Behandlung erwogen werden. Vor dem Hintergrund ein ausgedehnter Defekt des M. gemellus superior. Nach
der gravierenden körperlichen Einschränkung und der sorgfältigem Débridment des beschädigten Muskelgewe-
hohen Komplikationsrate dieser Verletzung stellt eine bes, werden der M. obturatorius internus und der ver-
konservative Vorgehensweise jedoch nur in Ausnahme- bleibende M. gemellus superior am femoralen Sehnen-
fällen eine Therapieoption dar (23). ansatz abgesetzt. Zum Schutz der Blutversorgung des
Hüftkopfs wird der M. quadratus femoris nicht vom
Femur abgelöst. Der traumatisch bedingte Kapseldefekt
Indikationen für die operative lässt sich in der Regel gut darstellen. Über ihn kann vor-
Behandlung sichtig versucht werden die Hüfte kontrolliert zu luxie-
ren. Sollte dies nicht gelingen, kann die traumatische
Die meisten Femurkopffrakturen bedürfen einer zeit- Kapseleröffnung behutsam entlang des Pfannenrands er-
nahen chirurgischen Versorgung. Selbst kleine Fragmente weitert werden, ohne dabei das Labrum zu verletzen. Für
kaudal der Fovea centralis, welche die Gelenkstabilität die Resektion des kaudalen Kopffragments ist eine über-
per se nicht beeinflussen, können in Fehlstellung anhei- sichtliche Darstellung des Azetabulums mit Einsicht in
len und somit die Hüftmobilität beeinträchtigen. Typi- die Tiefe erforderlich. Das Ausleuchten des Gelenks mit
scherweise dislozieren Frakturen unterhalb der Fovea einer Kopflampe oder einer flexiblen OP-Lampe kann bei
centralis nach unten und vorne. Bei Ausheilung des Frag- der Bergung des Fragments hilfreich sein.
ments in Fehlstellung drückt dieses gegen den Rand der Die genaue Analyse der präoperativen CT-Bilder gibt
Fossa acetabuli. Die Folge ist eine Einschränkung der Ro- Aufschluss über die Anzahl der Fragmente. Neben einer
tation und Adduktion im Hüftgelenk. Daher sollten auch visuellen Kontrolle sollte durch Palpation der Gelenkflä-
diese Verletzungen operativ versorgt werden, wenn sich chen eine vollständige Exzision sämtlicher Fragmente si-
geschlossen keine ausreichende Reposition erreichen chergestellt werden. Nach der Entfernung intraartikulä-
lässt. rer Fragmente und einer gründlichen Gelenkspülung er-
folgt die Resektion des rupturierten Lig. capitis femoris,
um einem späteren Impingement von Bandresten vor-
Operative Behandlung zubeugen. Anschließend wird der Hüftkopf wieder einge-
richtet und die Gelenkkapsel rekonstruiert. Wenn der
Topografische Anatomie, Zugänge und Kapseldefekt nicht direkt genäht werden kann, können
zur Refixation der Kapsel Nahtanker verwendet werden.
Operationstechnik
Beim Eindrehen der Anker ist darauf zu achten, dass
Eine eingehende Darstellung der topografischen Ana- diese vom Gelenk wegweisen, damit die Spitzen nicht
tomie sowie der operativen Zugangswege ist den Kap. 20 in den Gelenkraum perforieren. Abschließend werden
und 22 zu entnehmen. die kurzen Außenrotatoren am Femur refixiert und die
Wunde schichtgerecht verschlossen.
Große Femurkopffragmente oder Frakturen in der Be-
lastungszone des Hüftkopfs, (kranial der Fovea centralis)
sind als kritisch für die Hüftgelenkstabilität zu bewerten.
In diesen Fällen ist die offene Reposition mit Osteosyn-
Operative Behandlung 571

these der Fraktur indiziert. Über den Kocher-Langenbeck- und wird in der Gelenkpfanne zurückgehalten. Um die
Zugang kann eine anteromedial gelegene Pathologie der Blutversorgung des Femurkopfs nicht zu gefährden, soll-
Fraktur jedoch nicht vollständig dargestellt werden, auch ten nach Möglichkeit sowohl das Lig. capitis femoris als
dann nicht, wenn der Femurkopf luxiert und die Hüfte auch sämtliche kapsulären Anteile am Fragment belassen
maximal gebeugt, innenrotiert und adduziert wird. Fer- werden. Allerdings ist die anatomische Reposition der
ner ist über den posterioren Zugang, selbst bei erfolgrei- Faktur häufig nicht ohne anteilige Durchtrennung einer
cher Fragmentreposition, eine Schraubenosteosynthese dieser Weichteilstrukturen möglich. Nach erfolgreicher
von ventral nicht möglich. Aus diesem Grund ist zur Ver- Reposition wird das Kalottenfragment mit kopflosen
schraubung dieser Femurkopffrakturen der iliofemorale Kompressionsschrauben oder subchondral versenkbaren
Zugang (Smith-Petersen-Zugang) in Rückenlage des Pa- Zugschrauben fixiert. Typischerweise werden kleine
tienten zu empfehlen. Die Hautinzision erfolgt ausgehend Schrauben mit einem Durchmesser von 2,0, 2,7 oder
von der Spina iliaca anterior superior ca. 7 cm nach distal 3,5 mm gewählt (Abb. 21.8). Oftmals liegen gleichzeitig
auf einer gedachten Linie zum lateralen Patellarand. Die Impressions- und Scherverletzungen des Knorpels vor,
21
Oberschenkelfaszie wird vorsichtig über den medialen die zusätzlich mit kleinen Schrauben oder bioresorbier-
Rand des M. tensor fasciae latae inzidiert, um den N. baren Pins versorgt werden sollten. Nach der Osteosyn-
cutaneus femoris lateralis in der Faszienscheide des M. these wird das Gelenk sorgfältig gespült, verbleibende
sartorius nicht zu verletzen. Der M. tensor fasciae latae intraartikuläre Fragmente per Palpation ausgeschlossen
wird nach lateral aus seiner Loge herausmobilisiert und und der Hüftkopf vorsichtig reponiert. Die ventrale Kap-
die Faszie des M. rectus femoris eröffnet bis die Pars sulotomie wird verschlossen und die Pars directa des M.
directa und die Pars reflecta sichtbar werden. Beide Rek- rectus femoris wieder an die Spina iliaca anterior inferior
tusköpfe werden proximal an ihrem Ursprung abgelöst transossär oder mit Nahtankern fixiert.
und nach medial gehalten. An der vorderen Gelenkkapsel Wie schon erwähnt, kann es in seltenen Fällen vorkom-
kann der entsprechende Anteil des M. iliopsoas identifi- men, dass sich die hintere Hüftluxation nicht geschlossen
ziert und von lateral nach medial scharf von der Kapsel reponieren lässt. Grund hierfür kann entweder ein sper-
abgetrennt werden, bis die Bursa iliopectinea eröffnet ist. rendes Fragment oder eine knopflochartige Verhakung
Die Psoassehne wird in der Bursa iliopectinea aufgesucht, des Femurkopfs in dem hinteren Kapseldefekt sein. Der
mit einem Hohmann-Hebel unterfahren und nach medial Zugang nach Smith-Petersen erweist sich in diesem Fall
weggehalten, sodass die vordere Gelenkkapsel hinrei- als wenig hilfreich, da er keine ausreichende Exposition
chend exponiert ist. Diese wird mit einer T-förmigen der Pathologie zulässt. Hier empfiehlt sich die Reposition
Schnittführung eröffnet. Ein Schnitt wird parallel zum des Gelenks zunächst über einen hinteren Zugang. Im
Pfannenrand und der andere parallel zum Schenkelhals Anschluss kann dann über einen vorderen Zugang die
geführt. Das Labrum sollte hierbei unversehrt bleiben. Femurkopffraktur osteosynthetisch stabilisiert werden.
Der Femurkopf wird nun über Außenrotation und Trak-
tion behutsam nach ventral luxiert. Ein Extensionstisch Pipkin-III-Fraktur
kann bei diesem Manöver hilfreich sein. Nach erfolgter
Hüftluxation wird das Bein in der sogenannten „Vierer- Die Pipkin-III-Fraktur beschreibt eine Schenkelhalsfraktur
Position“ gelagert. Für gewöhnlich bleibt das Kopffrag- in Kombination mit einer Fraktur des Femurkopfs kaudal
ment mit dem intakten Lig. capitis femoris verbunden oder kranial der Fovea centralis (Abb. 21.9). In der Regel

Abb. 21.8 Die Schrauben zur Fixierung


der Femurkopffraktur werden von ventral
nach posterior eingebracht. Die Obtura-
tor-Aufnahme dokumentiert das Reposi-
tionsergebnis.
572 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21
a b

c d

Abb. 21.9 32-jähriger männlicher Patient mit einer Pipkin-III-


Fraktur. Eine geschlossene Reposition war nicht möglich
(Fall von Frank Schuler, MD, PhD).
a A.–p. Aufnahme der Hüfte.
b Zur operativen Versorgung wurde der Kocher-Langenbeck-
Zugang gewählt, da der Hüftkopf nach hinten disloziert war.
Das intraoperative Bild zeigt einen vollkommen dislozierten
Femurkopf.
c Die Fraktur des frei abgetrennten Femurkopfs konnte separat
korrigiert und fixiert werden.
d Über den posterioren Zugang erfolgte die Reposition und
Stabilisierung der Schenkelhalsfraktur mit kanülierten Schrau-
ben (a.–p. Röntgenbild). Die Langzeitprognose dieser Verlet-
zung ist unbefriedigend.
e Seitliches Röntgenbild der osteosynthetisch versorgten
Fraktur.
e
Operative Behandlung 573

verbleibt das Hüftkopffragment in der Pfanne, während


das Schenkelhals-Kopf-Fragment nach posterior dis-
loziert. Derartige Verletzungen sollten schnellstmöglich
chirurgisch versorgt werden, da bei diesen Frakturen die
Blutversorgung des Hüftkopfs hochgradig gefährdet ist.
Sowohl über den Watson-Jones- als auch über den
Smith-Peterson-Zugang können die Reposition und Os-
teosynthese dieser Kombinationsverletzung erfolgen. Als
erstes sollte das dislozierte Schenkelhals-Kopf-Fragment
reponiert und osteosynthetisch fixiert werden. Insbeson-
dere bei kleinen Kopffragmenten ist dies von Vorteil, da
sich hierdurch eine bessere Kontrolle zur Reposition des
Kalottenfragments gewährleisten lässt. Bei ausgeprägter
21
Destruktion des Hüftkopfs, älteren Patienten oder bei Pa-
tienten mit einem geringen funktionellen Anspruch an
das Hüftgelenk, ist eine primär endoprothetische Versor- Abb. 21.10 Typische Beckenübersichtsaufnahme bei einer
gung in Betracht zu ziehen. Pipkin-IV-Verletzung. Es ist eine kleine periphere Fraktur der
hinteren Pfannenwand zu erkennen.

Pipkin-IV-Frakturen
Bei der Pipkin-IV-Fraktur liegt eine Pikpin-I- bzw. -II-Ver-
letzung in Kombination mit einer Fraktur der posterioren Anzeichen für eine hintere Instabilität, kann die posterio-
Azetabulumwand vor (Abb. 21.10). Ursächlich ist eine re Pfannenwandfraktur unter Umständen konservativ be-
Krafteinwirkung via Femurkopf auf den hinteren Pfan- handelt werden.
nenrand. Abhängig vom Verletzungsmechanismus treten Die Möglichkeit, beide Frakturen über nur einen Zu-
entweder eine kleine Hüftkopffraktur in Kombination gang zu versorgen, stellt die (bigastrische) Trochanteros-
mit einer ausgeprägten Imprimierung des hinteren Pfan- teotomie mit ventraler Kapsulotomie und kontrollierter
nenrands oder eine kleine Absprengung des hinteren Hüfgelenkluxation dar, wie sie von Siebenbrock et al. be-
Pfannenrands in Kombination mit einer ausgeprägten Lä- schrieben wurde (Abb. 21.11; 24). Der Patient befindet
sion des Hüftkopfs auf. Beide Verletzungen, Femurkopf- sich in Seitenlagerung auf einem röntgendurchlässigen
und Azetabulumfraktur sollten isoliert beurteilt werden, Operationstisch. Über einen Kocher-Langenbeck-Zugang
um eine optimale Behandlungsstrategie festlegen zu kön- wird die bigastrische Trochanterosteotomie mit einer
nen. Selten besteht die Notwendigkeit, dass beide Fraktu- Dicke von ca. 1,5 cm durchgeführt. Dabei gilt es, die An-
ren osteosynthetisch versorgt werden müssen. sätze der Mm. glutei medius und minimus proximal
Bei einem kleinen Femurkopffragment wird in der sowie des M. vastus lateralis distal an dem osteotomier-
Regel über einen Kocher-Langenbeck-Zugang das Kalot- ten Fragment zu belassen. Das Absetzen der Ansatzsehne
tenfragment entfernt und die hintere Azetabulumwand des M. piriformis vom proximalen Femur ist nicht erfor-
rekonstruiert. Reposition und Fixation einer höhergradi- derlich und sollte zur Schonung der Hüftkopfdurchblu-
gen Femurkopffraktur können über einen hinteren Zu- tung unterbleiben. Der traumatische Kapseldefekt wird
gang versucht werden. Wie jedoch bereits weiter oben entlang des Pfannenrands erweitert. Durch Flexion und
beschrieben, lässt sich über diesen Zugang nicht immer Außenrotation in der Hüfte wird der Femurkopf nach
eine ausreichende Exposition der verletzten Strukturen vorne luxiert. Somit ist der Femurkopf für eine Osteosyn-
erreichen. Sollte sich intraoperativ eine osteosyntheti- these mit Zugschrauben hinreichend zugänglich. Im An-
sche Versorgung der Femurkopffraktur als erforderlich schluss wird der Hüftkopf wieder behutsam reponiert,
aber nicht durchführbar erweisen, kann ggf. in zweiter die posteriore Azetabulumwand rekonstruiert und die
Sitzung ein Zugang nach Smith-Petersen angelegt wer- komplette Kapsulotomie wieder verschlossen (Abb. 21.12
den. und Abb. 21.13).
Für die offene Reposition und Osteosynthese größerer
Femurkopffragmente sollte primär der Smith-Petersen-
Rehabilitation
Zugang gewählt werden. Nach der osteosynthetischen Fi-
xation des Femurkopfs ist es wichtig eine Stabilitätsprü- Im Anschluss an die operative Versorgung einer Fe-
fung des Hüftgelenks durchzuführen, um eine Subluxati- murkopffraktur ist eine intensive physiotherapeutische
on am hinteren Pfannenrand auszuschließen. Gewähr- Nachbehandlung erforderlich. Ziel ist die Wiedererlan-
leistet die frakturierte hintere Azetabulumwand keine gung der ursprünglichen Hüftbeweglichkeit sowie die
ausreichende Stabilität, kann in zweiter Sitzung über Therapie der begleitenden Muskelatrophie, vornehmlich
einen Kocher-Langenbeck-Zugang die Fraktur der poste- von Quadrizeps- und Adduktorenmuskulatur. Eine Teil-
rioren Pfannenwand versorgt werden. Bestehen keine belastung sollte für die ersten 8 Wochen postoperativ
574 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

Abb. 21.11 Schematische Darstellung des Zu-


gangs für die Trochanterosteotomie nach Ganz bei
der chirurgischen Hüftgelenksluxation. Dieser Zu-
gang kann zur Behandlung einer Pipkin-IV-Verlet-
zung verwendet werden. Gmed = M. gluteus me-
dius, Vlat = M. vastus lateralis, GT = Trochanter
major, Q = M. quadrizeps femoris (Siebenrock KA,
Gautier E, Ziran BH et al. Trochanteric flip osteo-
tomy for cranial extension and muscle protection in
acetabular fracture fixation using a Kocher-Langen-
beck approach. J Orthop Trauma 1998; 12:
387 – 391).

21

eingehalten werden. Anschließend kann eine sukzessive


Neue Techniken
Steigerung der Belastung erfolgen. Das Training am Ergo-
meter kann die Rehabilitation unterstützen. Schienen Operationstische, die intraoperativ die Extension und Au-
oder Hilfsmittel zur Verhinderung einer erneuten Hüftlu- ßenrotation des Beines unterstützen, ermöglichen eine
xation finden heute in der Regel keine Anwendung mehr. bessere Exposition der Femurkopffraktur.

Tipps und Tricks


■ Weist ein Patient eine irreponible Pipkin-IV-Verletzung ■ Bei ungenügender Reposition einer Femurkopffraktur ist
auf, bei der sowohl der Femurkopf als auch die posterio- das Kalottenfragment typischerweise nach kaudal dis-
re Azetabulumwand chirurgisch versorgt werden müs- loziert. Um die Qualität der Reposition beurteilen zu
sen, empfiehlt es sich zunächst einen hinteren Zugang können, ist eine Darstellung des oberen Kopfanteils
zu wählen. Ein Repositionsversuch der Hüfte von ventral wichtig.
ist weniger aussichtsreich, da der Femurkopf meist ■ Bei der Versorgung einer Femurkopffraktur über den
knopflochartig in den kleinen Außenrotatoren fixiert ist. Smith-Peterson-Zugang ermöglicht die Lagerung der
■ Die Zugschrauben zur Fixierung einer Fermurkopffraktur Beine in der sogenannten „Vierer-Position“ eine gute
sollten auf subchondralem Niveau versenkt werden und Exposition des Hüftkopfs und erleichtert die Rekonstruk-
deutlich unterhalb der Knorpeloberfläche zu liegen kom- tion. Hierfür sind Flexion, Abduktion und Außenrotation
men. des Oberschenkels in der Hüfte erforderlich, welche
■ Eventuell kann eine kleine Fraktur an der oberen-hin- durch das Unterlegen eines Lagerungskissens unter die
teren Pfannenwand im Rahmen einer Pipkin-IV-Verlet- jeweilige Gesäßhälfte unterstützt werden kann. Alterna-
zung Ausdruck einer ligamentären Instabilität des Hüft- tiv kann ein Operationstisch mit Extensions- und Außen-
gelenks sein. Ist das Fragment zu klein für eine Osteo- rotationsfunktion der Hüfte eingesetzt werden.
synthese, ist eine Refixation der Kapsel mit Nahtankern
ratsam.
■ Wird der Smith-Peterson-Zugang für die osteosyntheti-
sche Fixation einer Femurkopffraktur verwendet, ist da-
rauf zu achten, dass der M. tensor fasciae latae erhalten
bleibt, da eine Devitalisierung dieses Muskels zu der Aus-
bildung ausgedehnter heterotroper Ossifikation führen
kann.
Operative Behandlung 575

21
a b

c d

e f

Abb. 21.12 32-jähriger Patient nach Verkehrsunfall mit einer c Bei dem Patienten wurde eine Trochanterosteotomie nach
Luxationsfraktur der linken Hüfte und gering dislozierter Schen- Ganz durchgeführt, um eine komplette Exposition von Azeta-
kelhalsfraktur rechts (Fall von Philip J. Kregor, MD). bulum und Femurkopf zu erreichen. Auf der Abbildung ist die
a Übersichtsaufnahmen des Beckens. Planung für die Hautinzision zu erkennen. Der Patient wird in
b Beckenübersichtsaufnahme nach offener Reposition und Os- Seitenlage auf einem Vakuumkissen gelagert.
teosynthese der rechten Schenkelhalsfraktur. Der Gelenkspalt d Dieses intraoperative Bild zeigt die „Luxationshöhle“ mit
des linken Hüftgelenks ist erweitert und am kranialen Pfannen- deutlichen Anzeichen einer Devitalisierung der unteren Anteile
rand lässt sich eine knöcherne Verletzung erkennen. Das untere des M. gluteus minimus und einem Abriss des posterioren
Drittel des Femurkopfs weist deutliche Unregelmäßigkeiten Labrums.
auf. e Darstellung der hinteren oberen Pfannenwandfraktur.
f Durchführung der Trochanterosteotomie. Die an dem 1,5 cm
großen osteotomierten Fragment (Pfeil) inserierenden Mm.
gluteus medius und minimus werden nicht abgelöst.

Fortsetzung ▶
576 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21
g h

Abb. 21.12 (Fortsetzung) h Fixation des Femurkopfs. Es wurde versucht die anatomische
g Der traumatische Kapseldefekt wird erweitert. Über Adduk- Geometrie des Kopfes zu erhalten.
tion, Flexion und Außenrotation in der Hüfte kann der kom- i Fixation der hinteren Azetabulumwand.
plette Hüftkopf dargestellt werden. Wie dieser Fall zeigt, ist der j Postoperative Röntgenkontrolle nach einem Monat. Ent-
tatsächliche osteochondrale Schaden häufig ausgedehnter als gegen der schlechten Langzeitprognose konnte der Patient
die Röntgenbilder vermuten lassen. Es sind zahlreiche osteo- nach einem Jahr eine 160 km lange Fahrradtour unternehmen.
chondrale Defekte zu erkennen, die eine Rekonstruktion nicht
zulassen.

Verläufe und Komplikationen den posttraumatisch erfolgt war. Wurde die Hüfte erst
nach 6 Stunden oder später reponiert, wiesen nur noch
Die Langzeitergebnisse nach einfacher traumatischer 42 % der Patienten gute bis exzellente Langzeitergebnisse
Hüftluxation sind auch bei zeitiger und regelrechter Re- auf (7). Upadhyay u. Moulton beurteilten in einer pro-
position nur unbefriedigend. Dreinhofer et al. dokumen- spektiven Studie mit einem Follow-up von durchschnitt-
tierten über einen durchschnittlichen Zeitraum von 8 lich 12 Jahren die radiologischen und klinischen Befunde
Jahren die Verläufe von 50 Patienten nach Hüftluxation von Patienten mit einer hinteren Hüftluxation. Hierbei
(25). Beim Vorliegen einer hinteren Luxation fanden sich haben sie bei 24 % der Patienten einen komplikations-
in 53 % der Fälle mäßige bis schlechte Ergebnisse; bei behafteten Verlauf beobachtet (26). Die klinischen Studi-
vorderer Luxation dagegen in 25 % der Fälle. Ursachen en zur Hüftluxation unterstreichen den hohen Schwere-
für diese unbefriedigenden Resultate waren unter ande- grad der Verletzung und verdeutlichen die Wichtigkeit
rem das Auftreten avaskulärer Nekrosen, Arthrose und einer ausführlichen Aufklärung des Patienten über seine
heterotroper Ossifikationen. Hougaard u. Thomsen be- Prognose.
richten dagegen nach einer Nachuntersuchung von 100 Es gibt wenige Arbeiten über die Langzeitergebnisse
luxierten Hüften über ein mittleres Intervall von 14 Jah- nach Hüftluxation mit begleitender Femurkopffraktur.
ren, von guten bis exzellenten Ergebnissen in 88 % ihrer Dreinhofer et al. dokumentierten 26 Fälle über einen
Fälle, wenn die Reposition innerhalb der ersten 6 Stun- mittleren Zeitraum von 5 Jahren und berichten bei 15
Verläufe und Komplikationen 577

21
a b

Abb. 21.13 57-jährige weibliche Patientin nach einem Ver- d Bei der Patientin wurde eine Trochanterosteotomie nach
kehrsunfall mit einer Luxationsfraktur der rechten Hüfte (Fall Ganz durchgeführt, um die gesamte Verletzung darstellen zu
von Philip J. Kregor, MD). können. Die intraoperativen Bilder zeigen die Platte, die peri-
a Die Beckenübersichtsaufnahme zeigt ein relativ großes Frag- pher zur Stabilisierung der hinteren Pfannenwandfraktur ange-
ment des Hüftkopfs in der Gelenkpfanne (Pfeil). bracht wurde, sowie drei 2,7-mm-Zugschrauben, mit denen
b Die Hüfte wurde unter Analgosedierung im Schockraum ge- von ventral die Femurkopffraktur fixiert wurde. Zwei Schrau-
schlossen reponiert. Die Beckenübersichtsaufnahme nach Re- ben wurden zur Refixation der Trochanterosteotomie verwen-
position weist eine Unregelmäßigkeit an der femoralen Gelenk- det.
fläche auf. Zusätzlich ist eine Fraktur der oberen-hinteren Aze- e A.–p. und Obturator-Aufnahme der rechten Hüfte 1 Jahr
tabulumwand zu erkennen. postoperativ. Die Aufnahmen zeigen regelrechte Stellungsver-
c Becken-CT nach Reposition. An der hinteren Azetabulum- hältnisse des Hüftgelenks, allerdings muss die kurze Follow-up-
wand ist eine kleine Abscherung festzustellen. Die Femurkopf- Periode von nur einem Jahr berücksichtigt werden.
fraktur ist um 3 – 4 mm disloziert.
578 21 Hüftluxation und Femurkopffraktur

21
a b

Abb. 21.14 27-jähriger männlicher Patient nach einem Ver-


kehrsunfall mit einer irreponiblen Pipkin-IV-Fraktur der linken
Hüfte (Fall von Philip J. Kregor, MD).
a Beckenübersichtsaufnahme der Verletzung. Die Hüfte ließ
sich unter Analgosedierung nicht reponieren.
b Das Becken-CT zeigt, dass sich der Femurkopf supraazetabu-
lar verhakt hat.
c Bei dem Patienten wurden etwa 12 Stunden nach dem Trau-
maereignis sowohl die Femurkopf- als auch die Azetabulum-
fraktur osteosynthetisch versorgt.
d A.–p. und Obturator-Aufnahme 18 Monate nach Trauma. Zu
diesem Zeitpunkt weist der Patient einen regelrechten Befund
der linken Hüfte auf.
e 2 Jahre nach dem Trauma bekam der Patient starke Schmer-
zen in der linken Hüfte. Bei Osteonekrose des Femurkopfs er-
e hielt der Patient eine Totalendoprothese des linken Hüftge-
lenks.

Patienten von mäßigen bis schlechten Ergebnissen (27). des M. tensor fasciae latae in Betracht (23). Stannard et al.
Swiontkowski et al. untersuchten 24 Patienten über 2 fanden eine 3,2-fach höhere Inzidenz avaskulärer Nekro-
Jahre nach. 12 Patienten wurden über einen vorderen sen, wenn die Patienten über einen Kocher-Langenbeck-
Zugang operiert, die anderen 12 Patienten über einen Zugang statt über einen Smith-Petersen Zugang versorgt
hinteren. Das funktionelle Ergebnis in beiden Gruppen wurden (Abb. 21.14; 28).
war ähnlich. Avaskuläre Nekrosen wurden nicht beob-
achtet. Allerdings konnte bei den Patienten, die über
den vorderen Zugang operiert wurden, eine erhöhte In-
zidenz heterotroper Ossifikationen beobachtet werden.
Als Ursache kommt eine intraoperative Traumatisierung
Literatur 579

Merke

■ Bei der hinteren Hüftluxation ist das Bein in dem betrof- ■ Über den Kocher-Langenbeck-Zugang kann die anterome-
fenen Gelenk gebeugt, adduziert und nach innen rotiert. diale Frakturregion nicht komplett dargestellt werden. Fer-
Bei vorderer Luxation findet man das Bein in der Hüfte in ner ist über diesen Zugang keine adäquate Verschraubung
Extensions-, Neutral- oder leichter Abduktionsstellung vor. des Femurkopffragments möglich. Aus diesem Grund ist
■ Am häufigsten tritt die hintere Luxation auf, mit einer für die Rekonstruktion und Fixation von Femurkopffraktu-
Inzidenz von 90 % aller Hüftluxationen. ren der Smith-Petersen-Zugang von Vorteil.
■ Femurkopffrakturen können nur dann konservativ behan- ■ Die bigastrische Trochanterosteotomie nach Ganz bietet
delt werden, wenn das Kalottenfragment klein ist, kaudal einen alternativen Zugang, welcher die Darstellung, Repo-
der Fovea centralis liegt (außerhalb der Belastungszone), sition und Fixation einer kombinierten Verletzung von
weniger als 1 mm disloziert ist und keine weiteren intraar- Femurkopf und hinterer Azetabulumwand im Rahmen
tikulären Fragmente vorliegen. Aufgrund der schweren einer Pipkin-IV-Verletzung ermöglicht.
21
Beeinträchtigung durch die Verletzung und deren hohen ■ Hougaard u. Thomsen berichten über eine Nachunter-
Komplikationsrate, ist die konservative Therapie nur in suchung von 100 luxierten Hüften (mittleres Intervall
Ausnahmefällen indiziert. von 14 Jahren) mit 88 % guter bis exzellenter Ergebnisse,
wenn die Reposition innerhalb der ersten 6 Stunden post-
traumatisch erfolgte. Wurde die Hüfte erst nach 6 Stun-
den reponiert, wiesen nur noch 42 % der Patienten ähnlich
gute Langzeitergebnisse auf (7).

Inhalt der DVDs

Video 21-1 (DVD 3) ORIF einer kaudal der Fovea centralis Video 21-2 (DVD 3) ORIF einer Pipkin-II-Verletzung über den
gelegenen Femurkopffraktur. Dieses Video zeigt die Tech- Smith-Petersen-Zugang. Dieses Video zeigt die offene Re-
nik der offenen Reposition und Zugschraubenosteosynthese position und innere Fixation einer Pipkin-II-Verletzung über
einer Pipkin-I-Verletzung. den Smith-Petersen-Zugang. Es wird im Detail auf den Zu-
gang eingegangen.

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Literatur 581

22 Mediale Schenkelhalsfraktur
G. J. Haidukewych
Übersetzer: H. Vester, M. Lucke, U. Stöckle

Die mediale Schenkelhalsfraktur ist eine der häufigsten Typischerweise treten diese Frakturen bei alten Patien-
Verletzungen und ist mit einer nicht unerheblichen Kom- ten mit schlechter Knochenqualität nach Bagatellstürzen
plikationsrate behaftet. Angesichts der hohen mecha- auf. Bei jungen Patienten sind sie meist Folge von Hoch-
nischen Belastung und der besonderen Blutversorgung rasanztraumen. Bislang herrscht über das ideale Versor-
des Femurkopfes, sind Pseudarthrosen und Osteonekro- gungskonzept der Schenkelhalsfraktur keine Einigkeit.
sen typische Komplikationen. Da der Anteil älterer Per- Für den älteren Patienten mit schlechter Knochenqualität
sonen an der Bevölkerung steigt, nimmt auch die Inzi- wird in der Regel die prothetische Versorgung empfohlen.
denz der Schenkelhalsfrakturen in bedeutendem Maße Zahlreiche Studien konnten eine ausreichend lange
zu. In den USA erleiden jedes Jahr etwa 220 000 Patienten Standzeit der Prothesen, rasche Schmerzreduktion und, 22
eine Schenkelhalsfraktur. Diese verursachen im Gesund- für die alten Patienten von vielleicht größter Bedeutung,
heitssystem geschätzte Kosten von ca. 9 Milliarden Dollar eine niedrige Revisionsrate zeigen (2,3). Bei den jüngeren
(1). Patienten wird eine kopferhaltende Therapie mittels ana-
tomischer Reposition und Osteosynthese angestrebt.

Abb. 22.1 Beispielhaft dargestellt


eine übersehene Schenkelhalsfrak-
tur bei einem Patienten mit Femur-
schaftfraktur.
a Das a.–p. Röntgenbild zeigt die
Femurschaftfraktur. Das Bein ist
außenrotiert, und der Schenkelhals
erscheint unauffällig. Es wurde eine
CT-Untersuchung durchgeführt,
und der Radiologe legte sich fest,
dass keine Frakturen im Bereich
des Beckens und des proximalen
Femurs vorlagen.
b Die intraoperative Röntgenkon-
trolle zeigt schließlich die Schen-
kelhalsfraktur.
c Bei erneuter Betrachtung der CT-
Bilder ließ sich feststellen, dass die
Fraktur auch im Weichteilfenster
a b (links) schwierig zu erkennen war,
sie jedoch im Knochenfenster
(rechts) gut dargestellt werden
konnte.

c
582 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

Dieses Kapitel beschreibt die operativen Behandlungs- tungsfraktur gedacht werden. Diese können durch ein
möglichkeiten von Schenkelhalsfrakturen nach Einschät- CT der Region und bei besonderer Fragestellung gelegent-
zung des physiologischen Alters der Patienten. Hierbei ist lich auch durch ein MRT abgeklärt werden. Hierbei er-
das physiologische Alter selbstverständlich nur ein rela- möglicht das MRT eine schnelle Diagnosesicherung ohne
tiver Begriff, und die Behandlung sollte dem Patienten Strahlenbelastung, kann andere potenzielle Ursachen für
individuell angepasst werden. Im Folgenden wird der äl- die Leistenschmerzen ausschließen und liefert zusätzlich
tere Patient zunächst als Patient mit einem Alter von > 65 noch genauere Informationen über die Morphologie und
Jahren definiert. anatomische Lage der Fraktur (Schenkelhals oder inter-
Bei Patienten über 65 Jahre kommt es meist schon nach trochantärer Frakturverlauf; 5–8).
einem Bagatelltrauma zu einer Schenkelhalsfraktur. Die
Patienten haben Schmerzen in der betroffenen Hüfte,
die typischerweise in der Leiste lokalisiert sind. Das Klassifikationen
Bein kann verkürzt und außenrotiert sein. An eine zu-
sätzliche Schenkelhalsfraktur sollte aber auch gedacht Es gibt eine Vielzahl an Klassifikationen für die Einteilung
werden, wenn bei einem Patienten nach einem Hoch- der Schenkelhalsfraktur (9). Die am häufigsten verwen-
22 rasanztrauma eine Femurschaftfraktur vorliegt. Zur Stan- dete dürfte jedoch die Einteilung nach Garden sein
darddiagnostik gehören Röntgenbilder, die eine a.–p. und (Abb. 22.2; 10,11). Obschon diese Einteilung 4 Untergrup-
eine axiale Aufnahme des betroffenen Schenkelhalses pen beinhaltet, ziehen die meisten Chirurgen für die
darstellen. In der Regel werden diese „Trauma-AP“-Auf- praktische Anwendung eine Vereinfachung dieser Eintei-
nahmen bei außenrotiertem Bein angefertigt, sodass der lung vor, welche zwischen nichtdislozierten (Garden I
Schenkelhals nur eingeschränkt beurteilt werden kann. und Garden II) und dislozierten Frakturen (Garden III
Durch Innenrotation des Beines oder mit einer Obtura- und IV) unterscheidet. Der Dislokationsgrad der Fraktur
tor-Aufnahme des Beckens nach Judet lässt sich der entscheidet letztlich über Prognose und Behandlungsver-
Schenkelhals jedoch meist ausreichend gut beurteilen. fahren. Die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Os-
Bei polytraumatisierten Patienten erfolgt in der Regel teosynthesefragen / Orthopaedic Trauma Association (AO/
eine computertomografische Untersuchung von Thorax, OTA) wird ebenfalls angewendet, ist jedoch für die Klinik
Abdomen und Becken, die das proximale Femur miterfas- wenig praktikabel. Diese Klassifikation beinhaltet neben
sen sollte. Das Knochenfenster erlaubt somit eine zusätz- dem Grad der Dislokation noch weitere wichtige Aspekte
liche und sichere Beurteilung der Schenkelhälse wie die horizontale Abkippung der Fraktur und deren
(Abb. 22.1; 4). Vor einer operativen Versorgung ist jedoch genaue Lokalisation im Schenkelhals (Abb. 22.3; 12). Sie
besonders bei alten, multimorbiden und multipel vor- unterscheidet zwischen subkapitalen, transzervikalen
erkrankten Patienten die Optimierung des Allgemein- und basozervikalen Frakturen. Schließlich gibt es noch
zustands zu empfehlen. Nach erfolgter internistischer die Klassifikation nach Pauwels, welche die Frakturen
Stabilisierung sollte der Patient so zeitnah wie möglich hinsichtlich des Frakturverlaufs einteilt. Ein Frakturver-
operiert werden. lauf, der flacher als 30° zur Horizontalen verläuft, wird
Es gibt auch Fälle, in denen Patienten Leistenschmer- als Pauwels I bezeichnet. Verläuft die Frakturlinie in
zen ohne ein adäquates Trauma bei unauffälliger Rönt- einem Winkel zwischen 30° und 50° entspricht dies
gendiagnostik angeben. In diesen Fällen sollte an eine einem Frakturtyp Pauwels II. Ist der Frakturverlauf steiler
nichtdislozierte Schenkelhalsfraktur oder eine Überlas- als 50°, wird diese als Pauwels III gewertet (Abb. 22.4; 13).

Abb. 22.2 Garden-Einteilung der Schenkelhalsfraktur (von onsfraktur. Garden III: Adduktionsfraktur mit starker Dislokati-
links nach rechts). Garden I: eine nicht dislozierte, valgisch on, keine Unterbrechung der Gefäßversorgung an der dorsalen
impaktierte Fraktur. Garden II: axial leichte Einstauchungen, Kortikalis. Garden IV: Adduktionsfraktur mit kompletter Dis-
keine echte Dislokation. Die Fraktur entspricht einer Abdukti- lokation des Kopfes und Gefäßdurchtrennung.
Konservative Therapie 583

Abb. 22.3 Die Klassifikation der Arbeits-


gemeinschaft für Osteosynthesefragen /
Orthopaedic Trauma Association (AO/OTA).
In dieser alphanumerischen Einteilung ent-
spricht die Schenkelhalsfraktur einer 31-B-
Fraktur.
a Frakturtyp 31-B1 (eine subkapitale,
minimal dislozierte Schenkelhalsfraktur):
B1.1: > 15° valgisch abgekippt; B1.2: < 15°
valgisch abgekippt; B1.3: nicht disloziert.
b Transzervikale Fraktur 31-B2; B2.1: basis-
zervikale Schenkelhalsfraktur; B2.2: Fraktur
a im mittleren Schenkelhalsbereich; B2.3:
Scherfraktur im mittleren Schenkelhals-
bereich.
c Frakturen vom Typ 31-B3 (dislozierte sub-
kapitale Fraktur): B3.1: Fraktur mit mäßiger
Dislokation in Varusfehlstellung und Außen- 22
rotation; B3.2: Fraktur mit mäßiger Dislokati-
on im Sinne einer vertikalen Translation und
Außenrotation; B3.3: komplette Dislokation
der Frakturenden.

Abb. 22.4 Pauwels-Klassifikation (von links


nach rechts) Pauwels I: Frakturverlauf < 30° in
Bezug zur Horizontalen; Pauwels II: Winkel
30°– 50°; Pauwels III: Winkel zwischen der
Frakturlinie und der Horizontalen > 50°.

Der Grad der Frakturabkippung gegenüber der Horizonta- Konservative Therapie


len wird hierbei als ausschlaggebend sowohl für die Wahl
des initialen Osteosyntheseverfahrens als auch für die In der Literatur herrscht keine Einigkeit darüber, welche
Wahl des Revisionsverfahrens bei Versagen der primären Frakturtypen als nichtdisloziert und welche als minimal
Versorgung betrachtet. Auf diesen Punkt wird an anderer disloziert gelten. In früheren Arbeiten wurden oftmals die
Stelle nochmals näher eingegangen. valgisch eingestauchten Frakturen als nichtdisloziert be-
schrieben. Im Folgenden werden Frakturen, die einer Re-
position bedürfen als disloziert betrachtet, wohingegen
Frakturen, die valgisch eingestaucht oder unverschoben
sind, als nichtdisloziert gelten. Schenkelhalsfrakturen wer-
584 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

den heutzutage in der Regel operativ behandelt. Ausnah-


men betreffen schwerstkranke, nicht mehr gehfähige Pa- Indikationen für die operative
tienten, die multiple Begleiterkrankungen aufweisen und Versorgung
eine nichtdislozierte bzw. stabile, valgisch impaktierte
Fraktur aufweisen. Für die dislozierte Schenkelhalsfraktur Dislozierte Schenkelhalsfrakturen bei jüngeren Patienten
des alten Patienten wird ein konservatives Vorgehen nur (< 65 Jahre) werden normalerweise offen oder geschlos-
in Ausnahmefällen empfohlen. Die operative Versorgung sen reponiert und osteosynthetisch stabilisiert. Bei älte-
(mittels Osteosynthese oder prothetischem Gelenkersatz) ren Patienten wird eher ein endoprothetischer Gelenk-
dient primär der Schmerzreduktion und ermöglicht eine ersatz gewählt. Bei der Wahl des adäquaten operativen
Mobilisierung der Patienten. Eine konservative Behand- Verfahrens müssen aber auch Kriterien wie der Aktivi-
lung führt bei diesen Patienten wegen vieler Komplika- tätsanspruch des Patienten, Begleiterkrankungen und
tionen meist zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen. die Knochenqualität Berücksichtigung finden. Das kalen-
Zu den Komplikationen zählen Pneumonien, Druckulze- darische Alter allein sollte nie das einzige ausschlag-
ra, Thromboembolien etc. Darüber hinaus bedeutet die gebende Argument für die Entscheidungsfindung sein,
konservative Therapie häufig den Verlust der Selbststän- da dieses häufig nicht mit dem biologischen Alter des
22 digkeit des älteren Patienten. Aufgrund dessen sollte eine Patienten korreliert (5). Nichtdislozierte oder valgisch
konservative Behandlung nur dann durchgeführt werden, eingestauchte Schenkelhalsfrakturen werden, mit Aus-
wenn aufgrund des Gesundheitszustands des Patienten nahmen der bereits beschriebenen Fälle, ungeachtet des
die Narkose ein nicht akzeptables, lebensbedrohliches Ri- Patientenalters mit einer Schraubenosteosynthese ver-
siko darstellt. In allen anderen Fällen sollte die dislozierte sorgt. Die nichtdislozierte Schenkelhalsfraktur des jünge-
Schenkelhalsfraktur operativ versorgt werden. ren Patienten ist jedoch eine Seltenheit.
Dennoch kann die konservative Therapie der nichtdis-
lozierten oder valgisch impaktierten (Garden I oder II) Wahl des Osteosyntheseverfahrens bei
Schenkelhalsfraktur zu guten Ausheilungsergebnissen
Patienten unter 65 Jahren
führen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die konsequente
Teilbelastung des Beines. Hierzu muss der Patient sowohl Es gibt eine Vielzahl an Osteosyntheseverfahren und Im-
physisch als auch kognitiv in der Lage sein. Eine eng- plantaten für die Stabilisierung der Schenkelhalsfraktur.
maschige radiologische Kontrolle der Fraktur im Verlauf Obschon die Knochenqualität des Schenkelhalses für eine
ist dabei obligat. Die Pseudarthrosenrate nach konser- erfolgreiche Osteosynthese des älteren Patienten oftmals
vativer Behandlung der valgisch-impaktierten oder nicht- entscheidend ist, weisen jüngere Patienten normalerwei-
dislozierten Schenkelhalsfraktur liegt jedoch bei knapp se eine gute Knochenqualität auf. Hier bestimmt die Frak-
40 % (14). Hinzu kommt, dass sich im Falle einer sekun- turmorphologie die Wahl des geeigneten Implantats.
dären Dislokation die Reposition der Fraktur oftmals Der Grad des Frakturverlaufs gegenüber der Horizon-
schwierig gestaltet und nur noch der prothetische Ge- talen (Scherwinkel) ist maßgeblich für die potenzielle In-
lenkersatz als letzte Therapieoption infrage kommt. Da- stabilität der Fraktur, da mit Zunahme des Winkels auch
rüber hinaus können Osteonekrosen oder Pseudarthro- die einwirkenden Scherkräfte zunehmen (13). Frakturen
sen infolge der Frakturdislokation auftreten. Aufgrund mit nur geringem Scherwinkel gelten eher als stabil, da
dessen sollten auch nichtdislozierte Schenkelhalsfraktu- sie unter Belastung eine gewisse Abstützung erfahren.
ren ungeachtet des Patientenalters eher operativ behan- Diese Brüche werden in der Regel mittels Schraubenos-
delt werden. Wie bereits erwähnt, stellen Patienten mit teosynthese versorgt. Frakturen mit steilem Scherwinkel,
schwerwiegenden Begleiterkrankungen und damit ver- wie beispielsweise Pauwels-III-Frakturen (s. Abb. 22.4,
bundenem hohen operativen Risiko eine Ausnahme dar. Abb. 22.5), weisen entsprechend größere Scherkräfte im
Für den jüngeren Patienten (< 65 Jahre) sollten klare Schenkelhals auf, die von den verwendeten Implantaten
Kontraindikationen für eine osteosynthetische Versor- neutralisiert werden müssen. Eine Osteosynthese mittels
gung vorliegen, um eine konservative Therapie zu recht- durchbohrten Schrauben alleine verleiht dieser Fraktur in
fertigen. Diese können z. B. bei einem polytraumatisier- der Regel nicht die notwendige Stabilität (15–21). Der
ten Patienten oder anderen, lebensbedrohlichen Erkran- Knochen im metaphysären Anteil des Schenkelhalses,
kungen bestehen. Mitunter kann jedoch die konservative insbesondere bei Patienten mit schlechter Knochenquali-
Therapie der valgisch eingestauchten Schenkelhalsfraktu- tät, liefert den Schraubenschäften keine ausreichende Ab-
ren des jüngeren Patienten auch zu guten Ergebnissen stützmöglichkeit, um eine Dislokation des proximalen
führen. Fragments nach inferior und posterior zu verhindern
(Abb. 22.5). Daher wurde der Einsatz einer weiteren
Schraube postuliert, welche dem Calcar femoris aufliegt
und senkrecht zum Frakturspalt eingebracht wird
(Abb. 22.6; 22). Im Falle eines vertikalen Frakturverlaufs
kann ebenfalls ein winkelstabiles Implantat verwendet
werden, um den Bruch zu stabilisieren. Die dynamische
Indikationen für die operative Versorgung 585

senkrecht zum Frakturspalt verläuft. Dies entspricht im


Grundsatz dem Prinzip einer Zugschraube. Allerdings
haben beide Implantate (DHS und DCS) den Nachteil,
dass bei ihrer Platzierung im Knochen große knöcherne
Defekte in Schenkelhals und Femurkopf entstehen. Ferner
besteht durch Rotationsbewegungen beim Einbringen die
Gefahr der rotatorischen Dislokation des Kopffragments.
Einige Autoren berichten über sehr gute Ergebnissen
bei der Versorgung mit Winkelplatten bei instabilen Frak-
turen mit großen Scherwinkeln (20).
Wie bereits erwähnt, neigen Frakturen mit steilem Ver-
lauf zu weiterer Dislokation unter Belastung. In diesem
Fall ist die alleinige osteosynthetische Versorgung mittels
parallel eingebrachter, durchbohrter Schrauben nicht
ausreichend. Diese Frakturen sind jedoch eher selten,
und die Mehrzahl der Schenkelhalsfrakturen kann mittels 22
dreier gut positionierter, parallel liegender Spongiosa-
schrauben erfolgreich versorgt werden. Die Verwendung
Abb. 22.5 Bei einer Fraktur des Typs Pauwels II ist eine allei- von mehr als 3 Schrauben scheint keinen zusätzlichen
nige Versorgung durch Schraubenosteosynthese nicht ausrei- mechanischen Nutzen zu bringen (23). Eine Ausnahme
chend. Der einwirkende Kraftvektor (Pfeil) verläuft nahezu pa- stellt die Schenkelhalsfraktur mit ausgedehnter posterio-
rallel zur Frakturlinie, sodass die Schrauben bei Belastung nicht rer Trümmerzone dar. Hier sehen einige Autoren einen
ausreichend durch den Knochen gestützt werden können.
zusätzlichen biomechanischen Nutzen durch größere Sta-
bilität (24). Eine Metaanalyse der unterschiedlichen Os-
teosyntheseverfahren kann klar die Überlegenheit von
Hüftschraube vermag aufgrund des festgelegten Winkels, Schrauben gegenüber Pins zeigen. Kein deutlicher Vorteil
in dem die Schraube in den Schenkelhals eingebracht zeigte sich bei der Verwendung von Platten als Implantat
wird, die auf die Fraktur wirkenden Scherkräfte zu ver- (25).
ringern. Bei sehr steilem Frakturverlauf wurde die Ver- Bei valgisch eingestauchten, subkapitalen und transzer-
wendung einer dynamischen, 95°-Kondylenschraube vikalen Frakturen mit flachem Frakturwinkel wird die
(DCS) empfohlen, da bei diesem Implantat die Schraube Versorgung mittels dreier parallel eingebrachter, durch-
sehr flach eingebracht wird (5° zur Horizontalen) und bohrter Spongiosaschrauben empfohlen. Transzervikal

a b

Abb. 22.6 Exemplarisch dargestellt eine Pauwels-III-Schenkel- b Röntgenbild 2 Jahre postoperativ. Es wurde eine horizontale
halsfraktur einer 53 Jahre alten Frau, die bei einem Autounfall Schraube eingebracht, um den Scherkräften dieser horizontal
schwer verletzt wurde (Fall von Dr. Philip J. Kregor). abgekippten Fraktur entgegenzuwirken. Diese Patientin hatte
a Das inititale Röntgenbild der Schenkelhalsfraktur. eine altersentsprechend unauffällige Hüfte.
586 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

22
a b c

Abb. 22.7 Eine horizontal abgekippte Schenkelhalsfraktur mit a Schematische Darstellung der Osteosynthese mittels dyna-
steilem Abscherwinkel kann mit einer dynamischen Hüft- mischer Hüftschraube.
schraube (DHS) und einer Antirotationsschraube in 125 – 130° b Fallbeispiel einer Pauwels-III-Schenkelhalsfraktur.
versorgt werden. c Versorgung durch DHS und Antirotationsschraube.

verlaufende Frakturen mit steilem Frakturverlauf, und die sichtlich funktioneller Ergebnisse häufig überlegen ist
sogenannten basiszervikalen Frakturen werden besser und mit einer niedrigeren Revisionsrate einhergeht (2,
mit einer dynamischen Hüftschraube in Kombination 3). Die Revisionsrate nach gescheitertem Versuch des
mit einer Antirotationsschraube behandelt (Abb. 22.7). Kopferhalts mittels Osteosynthese liegt bei diesen Patien-
Bislang gibt es keine ausreichend dimensionierten, pro- ten trotz moderner Operationsverfahren und verbesser-
spektiv randomisierten klinischen und biomechanischen ten Implantaten immer noch bei 40 % (26).
Studien zum Vergleich der unterschiedlichen Therapie- So ist die Versorgung der dislozierten Schenkelhalsfrak-
optionen bei der dislozierten Schenkelhalsfraktur. Um tur des älteren Patienten mittels endoprothetischem Ge-
letztlich das am besten geeignete Osteosyntheseverfah- lenkersatz meist die Therapie der Wahl, da die sichere
ren für Schenkelhalsfrakturen mit steilem Frakturverlauf Fixierung des proximalen Fragments bei schlechter Kno-
zu ermitteln, bedarf es sicherlich weiterer Studien. Win- chenqualität schwierig und die Revisionsrate aufgrund
kelstabile Implantate sind jedoch insbesondere im osteo- sekundärer Dislokation enorm hoch ist (2, 3). Das Thera-
porotischen Knochen wesentlich stabiler als die alleinige pieverfahren ist also von der individuellen Lebenssituati-
Verwendung durchbohrter Schrauben. on abhängig. Auch hier sind weitere Studien nötig, um zu
klären, welche Versorgungsmethode letztlich die erfolg-
Möglichkeiten der operativen Versorgung versprechendste ist.
Ist die Entscheidung zum endoprothetischen Gelenk-
des Patienten über 65 Jahre
ersatz einmal gefallen, bedarf es weiterer Überlegungen
Dislozierte Frakturen beim physiologisch alten hinsichtlich des Prothesentyps (bipolar, Totalendoprothe-
Patienten: allgemeine Therapieprinzipien se) und der Fixierung im Knochen (zementiert oder
nichtzementiert). Die Entscheidung muss unter Würdi-
Welches die optimale Versorgung dislozierter Schenkel- gung des Aktivitätsanspruchs des Patienten, der voraus-
halsfrakturen beim älteren Patienten ist, wird derzeit sichtlichen Lebenserwartung und der zu erwartenden
kontrovers diskutiert. Es sollte versucht werden, den Knochenqualität gefällt werden. Hierauf wird gezielt in
Schenkelhals und das Hüftgelenk des Patienten zu erhal- den folgenden Kapiteln eingegangen.
ten, sofern dies mit einem vertretbaren Risiko hinsicht-
lich avaskulärer Nekrosen oder Pseudarthrosenbildung Nichtzementierter endoprothetischer
möglich ist. So können Patienten > 65 Jahre, die aktiv Teilgelenkersatz
und gesund sind und eine gute Knochenqualität aufwei-
sen, durchaus von dem Versuch der kopferhaltenden The- Die unzementierte, monopolare Teilprothese (Austin-
rapie mittels Osteosynthese profitieren. Aktuelle Daten Moore-Prothese) der ersten Generation war für den bett-
legen jedoch nahe, dass auch bei diesen Patienten der lägerigen Patienten mit dislozierter Schenkelhalsfraktur
endoprothetische Gelenkersatz der Osteosynthese hin- vorgesehen (3, 5, 27). Bei aktiven, gehfähigen Patienten
Indikationen für die operative Versorgung 587

führt die Implantation dieses Prothesentyps häufig zur stützt dabei das Einwachsen von Knochen, was der Pro-
sekundären Luxation, Oberschenkelschmerzen und aze- these eine Langzeitstabilität verleiht.
tabulärem Abrieb (27–29). Aufgrund dessen sind diese
Implantate nur für die Versorgung der dislozierten Zementierter endoprothetischer
Schenkelhalsfraktur bei schwerstkranken, letztlich gering Teilgelenkersatz
mobilisierbaren oder bettlägerigen Patienten, insbeson-
dere bei Demenz oder schweren kardiopulmonalen Be- Eine Metaanalyse der Literatur konnte zeigen, dass bei
gleiterkrankungen, zu erwägen. Die Prothese dient im der Implantation zementierter Duokopfprothesen bei dis-
Grunde nur als Platzhalter zur Stabilisation der Hüfte. lozierten Schenkelhalsfrakturen bessere klinische Ergeb-
Eine uneingeschränkte, schmerzfreie Bewegung ist nisse erzielt werden können als bei nichtzementierten
durch dieses Implantat nicht zu erwarten. Ein Hauptpro- (3). Dies ist kaum verwunderlich, da der Zement umge-
blem wird durch die erheblichen Scherwirkungen auf den hend eine stabile Verankerung in dem oftmals rarefizier-
azetabulären Knochen und Knorpel ausgelöst. Dies führt ten Knochengewebe erlaubt und eine sofortige Vollbelas-
häufig zu einer Protrusion des Prothesenkopfes durch das tung ermöglicht. Das Einbringen des Zements führt je-
Azetabulum in das Becken. Aus diesem Grund ist die mo- doch regelmäßig zur Einschwemmung kleiner Fettemboli
nopolare Prothese aus dem deutschen Sprachraum fast und Zementmonomeren in den Kreislauf. Dies kann er- 22
verschwunden und wird im Grunde nicht mehr einge- hebliche kardiovaskuläre Risiken mit sich bringen. Die
setzt, obgleich dieses Implantat im angloamerikanischen älteren Patienten haben ein verfettetes Knochenmark
Sprachraum noch Anwendung findet. und nur geringe pulmonale Reserven, wodurch das Risiko
Die nichtzementierten Duokopfprothesen der zweiten für schwere embolische Ereignisse erhöht ist. Parvizi et
Generation gibt es mit unterschiedlichen Schaftgrößen al. haben in einer Arbeit die Risikofaktoren für die Ent-
und verbesserter Passform, um eine ausreichende Stabi- wicklung einer Lungenembolie nach zementierter Teil-
lität im proximalen Femur zu gewährleisten. Darüber hi- endoprothese ausgewertet (30). Die Gesamtinzidenz der
naus bieten manche Hersteller auch modulare Aufsteck- tödlich verlaufenden Lungenembolie nach zementiertem
hülsen an, die ein weichteilschonendes Operieren und Gelenkersatz bei Schenkelhalsfraktur liegt demnach bei
eine Wiederherstellung der exakten Beinlänge und der 1:500.
femoralen Achse ermöglichen. Knochendefekte im pro- Diese hohe Mortalitätsrate ist unter anderem auch
ximalen Femur sollten mit Spongiosa aus dem entnom- darin begründet, dass die akute Schenkelhalsfraktur zeit-
menen Hüftkopf ausgefüllt werden, um so eine stabilere nah operativ versorgt werden sollte. Eine sorgfältige Säu-
Fixierung der Prothese zu erzielen (Abb. 22.8). Die neue- berung und Trocknung des femoralen Prothesenbetts mit
ren Implantate sind in ihrer Form verändert worden, so- einer Jet-Lavage wird empfohlen, um Fettmark als Ursa-
dass sie sich besser in die proximale Metaphyse einpas- che möglicher Emboli zu entfernen. Insbesondere bei kar-
sen lassen. Eine angerauhte Prothesenoberfläche unter- diovaskulär gefährdeten Patienten sollte der Zement nur
sehr vorsichtig und ohne allzu hohen Druck eingebracht
werden. Dadurch scheint sich die intraoperative Emboli-
sationsrate senken zu lassen (30, 31). Insgesamt führen
zementierte Prothesen bei der Mehrzahl der Patienten zu
einem besseren Ergebnis. Wie bereits erwähnt, sollte die
Zementeinbringung bei schwer kranken Patienten mit
höchster Vorsicht erfolgen. Die Vorteile einer Durchlüf-
tung durch Einbringen eines Entlüftungskanals oder
-schlauchs in den Femurschaft sind fraglich.

Bipolare vs. unipolare Teilendoprothese


Besteht die Indikation zur Implantation einer Teilendo-
prothese, bedarf es noch der Entscheidung zwischen
einer bipolaren und einer unipolaren Kopfprothese. Die
bipolare Kopfprothese ist so konstruiert, dass sie die auf
den Gelenkknorpel einwirkenden Kräfte auf den künst-
a b lichen, aus Metall und Polyethylen bestehenden Gelenk-
flächenersatz weiterleiten soll (32). Obschon die Übertra-
Abb. 22.8 Darstellung einer dislozierten Schenkelhalsfraktur
gung der Bewegung an dem bipolaren Gelenkflächen-
eines Patienten aus dem Pflegeheim mit multiplen kardiopul-
monalen Begleiterkrankungen. ersatz seit Jahren diskutiert wird, ist unklar, ob über-
a Initiales a.–p. Röntgenbild. haupt eine Art von Rotationsbewegung in der sagittalen
b Versorgung mittels unzementiertem endoprothetischem Ebene an der bipolaren Oberfläche stattfindet.
Teilgelenkersatz.
588 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

es innerhalb eines kurz- und mittelfristigen Beobach-


tungszeitraums keine Unterschiede hinsichtlich Mortali-
tät, Morbidität, Funktion und anderen Komplikationen zu
geben. Auf lange Sicht jedoch scheint die bipolare Pro-
these einige Vorteile wie niedrigere Revisionsraten und
eine nur sehr geringe Rate an symptomatischem Gelenk-
flächenabrieb aufzuweisen (3). Dies ist nicht über-
raschend, wenn man beachtet, dass Patienten, die länger
leben meist auch aktiver sind und somit ihren noch ver-
bliebenen Gelenkknorpel mehr belasten. Weitere Studien
sind erforderlich, um die Überlegenheit eines Verfahrens
gegenüber dem anderen klar zu belegen. Der Autor ver-
sucht die Versorgung den Anforderungen des Patienten
anzupassen und verwendet einen zementierten Schaft
und eine bipolare Prothese für alle aktiven, gehfähigen
22 a b
Patienten und eine unipolare Prothese für alle bettlägeri-
gen, im Pflegeheim lebenden Patienten (Abb. 22.9).

Bedeutung der Totalendoprothese


Früher wurde eine Hüftgelenkstotalendoprothese für Pa-
tienten gewählt, die neben einer dislozierten Schenkel-
halsfraktur auch symptomatische, degenerative Verände-
rungen am Hüftgelenk aufwiesen (38). Das gemeinsame
c Auftreten dieser Pathologien ist jedoch selten. Die meis-
ten Patienten mit einer fortgeschrittenen Arthrose wei-
Abb. 22.9 Darstellung einer dislozierten Schenkelhalsfraktur sen eine verdickte, verhärtete Gelenkkapsel auf, sodass
eines 70-jährigen rüstigen Patienten. Frakturen eher im intertrochantären Bereich (extrakap-
a Röntgenbild im a.–p. Strahlengang. sulär) auftreten als im Femurhals. In jüngster Zeit geht
b Postoperative Röntgenkontrolle nach Implantation einer ze-
der Trend dahin, bei der dislozierten Schenkelhalsfraktur
mentierten Duokopfprothese.
c Axiale Aufnahme des postoperativen Röntgenbilds. auch bei Patienten ohne degenerative Veränderungen am
Hüftgelenk eine Totalendoprothese zu verwenden. Hier-
bei konnten sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Bei-
spielsweise sofortige Schmerzreduktion, sehr gute Bewe-
Eine Studie konnte hervorragende Langzeitüberlebens- gungsausmaße und lange Prothesenstandzeiten. Eine
raten für den bipolaren Teilgelenkersatz beim alten Pa- schwerwiegende Komplikation nach Implantation einer
tienten mit dislozierter Schenkelhalsfraktur bei einer ge- Totalendoprothese verbleibt jedoch die Luxation (26).
ringen Revisionsrate aufgrund von Gelenkflächenabrieb Selbst bei erfahrenen Operateuren liegt die Luxationsrate
nachweisen (28). Die Hauptursache für eine Revision bei bis zu 10 % (38). Es gibt verschiedene Erklärungsansät-
war hierbei die Auslockerung des Prothesenschafts und ze für diese relativ hohen Luxationsraten. Eine Möglich-
nicht der Gelenkflächenabrieb. Die verfügbare Literatur keit könnte sein, dass Patienten ohne degenerative Vor-
belegt, dass die bipolare Prothese im Vergleich zur uni- schädigungen keine für Arthrosepatienten typischen
polaren bei mobilen Patienten in einem langen Nach- Muskel- und Kapselkontrakturen aufweisen und dadurch
beobachtungszeitraum weniger Gelenkflächenabrieb auf- eventuell schneller die Belastung und das Bewegungsaus-
weist (3). Dieser Vorteil muss klar abgewogen werden maß steigern. Dies kann Ursache für ein Impingement
gegenüber den erhöhten Kosten bei der Implantation oder eine Luxation sein. Des Weiteren gibt es individuelle
einer bipolaren Prothese und dem erhöhten Risiko von Kriterien wie Demenz, Adduktions- und Flexionskontrak-
Polyethylenabrieb. Der bipolare Gelenkflächenersatz bie- turen, zunehmende Weichteillaxizität mit zunehmendem
tet weitere unterschiedliche Arten des Oberflächenersat- Alter und die Unfähigkeit, postoperativ den Anweisungen
zes an, wie beispielsweise Verschlussringe, die beim ak- zur Luxationsprophylaxe zu folgen. Trotz dieser Proble-
tiveren Patienten möglicherweise zu einem erhöhten Po- matik konnte in einer großen prospektiv randomisierten
lyethylenabrieb und zu Osteolysen führen können. Studie von Keating et al. ein klarer Vorteil der Totalendo-
Es gibt zahlreiche prospektiv randomisierte sowie auch prothese hinsichtlich der funktionellen Ergebnisse im
nichtrandomisierte Studien, welche die Ergebnisse von Vergleich zur Osteosynthese oder auch der zementierten
bipolaren und uniploaren Hemiendoprothesen bei der Duokopfprothese herausgestellt werden (26). Außerdem
Versorgung der dislozierten Schenkelhalsfraktur mit- scheint die Implantation einer Totalendoprothese im Ver-
einander vergleichen (3, 29, 33–37). In der Regel scheint
Operative Versorgung 589

gleich zur Duokopfprothese keinen Einfluss auf Mortali-


tät, Morbidität oder Kostenaufwendung zu haben.
Die Entscheidung für eine Totalendoprothese oder eine
Duokopfprothese sollte vom Aktivitätsgrad des Patienten,
dem biologischen Alter, der voraussichtlichen Lebens-
erwartung und dem Zustand des Gelenks abhängig ge-
macht werden. Der aktuellen Literatur ist zu entnehmen,
dass die Mehrheit der alten, gehfähigen Patienten, die mit
einer zementierten Duokopfprothese versorgt wurden,
eine ausreichende Funktion, geringe Schmerzen, eine
sehr geringe Revisionsrate und eine Luxationsrate von
ca. 2 % aufweisen (28). Das bessere funktionelle Ergebnis
einer Totalendoprothese wird mit einer höheren Luxati-
onsrate erkauft. Diese Tatsachen sollten bei der Wahl
a b
einer Prothese berücksichtigt werden.
Für die Implantation der Hüftprothese sind unter- 22
schiedliche Zugangswege möglich. Der anterolaterale Zu-
gang weist dabei die geringeren Luxationsraten auf (39).
Insbesondere bei Patienten mit Schenkelhalsfraktur sind
aufgrund der genannten Probleme (geringere passive Sta-
bilisierung der Prothese) ein perfekter Sitz der Prothese
mit möglichst großem Prothesenkopf (32 mm oder
36 mm) und eine präzise Pfannenpositionierung wichtig.
Die Hauptursache für unzufriedenstellende Ergebnisse c
und Revisionsoperationen nach Implantation von Total-
endoprothesen ist nicht die aseptische Prothesenlocke- Abb. 22.10 Schenkelhalsfraktur eines Patienten mit schwerer
rung aufgrund von Polyethylenabrieb. Weitaus häufiger vorbestehender Koxarthrose.
a Röntgenbild im a.–p. Strahlengang.
müssen Prothesen wegen rezidivierender Luxationen re-
b Postoperative Röntgenkontrolle nach Implantation einer To-
vidiert werden. Bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen talendoprothese.
verwendet der Autor in der Regel Köpfe mit einem c Axiale Röntgenaufnahme nach Implantation einer Totalendo-
Durchmesser von 32 mm (sofern die Größe der Pfannen prothese.
dies erlaubt) und wählen den anterolateralen oder den
transglutealen Zugang (Abb. 22.10).
Aufgrund der heute verwendeten ultrahochvernetzten
Operative Versorgung
Polyethylene (UHMWPE) ist der Abrieb auch bei großen
Köpfen (36 mm) so gering, dass er ein minimales Problem
Anatomische Grundlagen
darstellt. Aufgrund des günstigeren Verhältnisses von
Prothesenhals zu Kopfdurchmesser (dieser sollte mindes- Knöcherne Anatomie
tens 2:1 betragen) kommt es bei der Wahl großer Köpfe
zu geringeren Luxationsraten. Dies liegt daran, dass ein Der durchschnittliche CCD-Winkel des Erwachsenen liegt
großer Prothesenkopf ein größeres Bewegungsausmaß etwa bei 130° (± 7°), während der Schenkelhals eine An-
erlaubt, bevor der Hals am Pfannenrand anstößt und teversion von 10° (± 7°) aufweist. Diese Winkel sind in-
den Kopf aus der Pfanne hebeln kann. Es liegen jedoch dividuell variabel. Es ist daher sinnvoll, die präoperative
keine validierten Studiendaten vor, die belegen, dass sich Prothesenplanung (Offset, Prothesengröße, Beinlänge) an
ein größerer Durchmesser des Prothesenkopfs in diesem der kontralateralen Seite durchzuführen und die Beurtei-
Patientenkollektiv positiv auf die Luxationsrate auswirkt. lung einer Frakturreposition vor Fixierung mittels Osteo-
Die Totalendoprothese spielt als Versorgungsform v. a. bei synthese mit der gegenüberliegenden Seite zu verglei-
aktiven älteren Patienten eine zunehmende Rolle, auch chen.
wenn das Hüftgelenk an sich keine oder nur geringe Ar-
throsezeichen aufweist. In gleichem Maße verliert die Blutversorgung des Femurkopfs
Duokopfprothese an Bedeutung. Allerdings fehlen noch
qualitativ hochwertige Studien, die dieses Vorgehen ein- Die genaue Kenntnis der Blutversorgung des Femurkopfs
deutig rechtfertigen. ist von größter Wichtigkeit bei der Frakturbehandlung
(43). Gautier et al. konnten die für die chirurgische The-
rapie bedeutende Gefäßversorgung des Femurkopfs mit-
tels Latexinjektionen untersuchen und so die Durchblu-
tung des Femurkopfs darstellen (Abb. 22.11; 44). Die
590 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

Abb. 22.11 Darstellung der Gefäßversorgung


des Femurkopfs. Die gezeigten Strukturen sind
ein Ast der A. circumflexa femoris profunda
media (MFCA, 3), deren Endäste, welche unter-
halb der Synovia verlaufen (MFCA, 4), die An-
sätze des M. gluteus medius (5) und des M.
piriformis (6), der Trochanter minor mit den
versorgenden Gefäßen (7), der den Trochanter
major versorgende Gefäßast (8), der Ast der
ersten A. perforans (9) und die kleinen Äste,
welche zum Trochanter verlaufen (Gautier E,
Ganz K, Krugel N et al. Anatomy of the medial
femoral circumflex artery and its surgical
implications. J Bone Joint Surg Br 2000; 82;
679 – 683).

22

Hauptversorgung des Femurkopfs erfolgt durch einen von Verhinderung von Osteonekrosen begründet (4, 28, 43,
posterior aufsteigenden medialen Ast der A. circumflexa. 52–56). Die meisten Traumatologen empfehlen deshalb
Dieser Ast verläuft hinter dem M. obturator externus und bei jüngeren Patienten zur Vermeidung einer Hüftkopf-
vor den Mm. obturator internus und piriformis. Er kreuzt nekrose die umgehende offene (oder geschlossene) Repo-
den Gelenkspalt zwischen M. gluteus minimus und M. sition und osteosynthetische Versorgung. Bei diesem Ein-
piriformis und verläuft anschließend intrakapsulär poste- griff sollte eine Kapsulotomie standardmäßig erfolgen.
rosuperior des Schenkelhalses. Er teilt sich schließlich in Die Kapsulotomie ist ein relativ einfaches Verfahren, das
2 – 4 kleinere Gefäße auf, die den größten Teil des Fe- kaum zusätzliche OP-Zeit in Anspruch nimmt und für den
murkopfs mit Blut versorgen (44). Außerdem erhält der Patienten kein weiteres OP-Risiko darstellt. Vom Autor
Femurkopf eine Versorgung aus der Arterie des Lig. teres wird dieses Vorgehen für jüngere Patienten empfohlen.
und der inferioren metaphysealen Arterie (45–50). Die Bislang liegen jedoch keine Daten vor, die den Nutzen der
Gefäße des Lig. teres versorgen den kleinen Bereich um Kapsulotomie oder der Hämatomausräumung für die
die Insertionsstelle des Bandes. Die Endäste der A. cir- postoperativen Ergebnisse nach Schenkelhalsfraktur dar-
cumflexa femoris profunda bilden eine Anastomose mit legen. Möglicherweise ist es so, dass bei den meisten
der Arterie des Lig. teres. Sevitt et al. konnten zeigen, dass Patienten die Erhaltungsmöglichkeit des Femurkopfs be-
diese Anastomose für die Blutversorgung des Femurkopfs reits durch die initiale Verletzung festgelegt wird. Wel-
nach Schenkelhalsfraktur von Bedeutung sein kann (51). cher Patient von einer Kapsulotomie profitiert, kann bis-
Die inferiore metaphysäre Arterie steigt von der A. cir- lang allerdings noch nicht vorhergesagt werden.
cumflexa femoris lateralis auf und versorgt ein kleines Die Hüftgelenkkapsel weist die geringste Spannung in
Areal des Femurkopfs, das inferior gelegen ist (45–50). leicht flektierter und außenrotierter Haltung auf. Die Pa-
Die Blutversorgung des Femurkopfs kann durch eine tienten empfinden in dieser Position die geringsten
Fraktur, Luxation oder ein intrakapsuläres Hämatom un- Schmerzen. Versuche, vor der Operation Längszug und
terbrochen werden. Es ist auch möglich, dass eine sekun- Innenrotation am Bein auszuüben, können den intrakap-
däre Frakturdislokation im Verlauf zu einer Zerreißung sulären Druck aufgrund eines Hämatoms erhöhen und so
von Gefäßen führt, auch wenn diese durch das initiale die Perfusion des Femurkopfs gefährden. In einer Studie
Trauma nicht geschädigt wurden. Dies bedeutet, dass wurde gezeigt, dass durch einen vorsichtigen Zug am
durch eine notfallmäßige Reposition und Kapsulotomie Bein in Flexion und Außenrotation der intrakapsuläre
die Durchblutung des Femurkopfs ggf.verbessert werden Druck gesenkt wird (57). Ein Kissen unter dem Knie ist
kann (52). Des Weiteren verbessert sich die Durchblutung deshalb für den Patienten zur Schmerzreduktion ange-
durch Reposition und anschließende osteosynthetische nehm.
Fixierung. Claffey et al. konnten zeigen, dass die Blutge-
fäße bei einer Frakturdislokation um weniger als eine
Schaftbreite noch intakt sein können (49). Aufgrund des-
sen sollten Schenkelhalsfrakturen bei jüngeren Patienten
umgehend reponiert und stabilisiert werden. Dies wird
durch die Dringlichkeit einer zeitnahen Kapsulotomie zur
Operative Versorgung 591

onstisch die Bildgebung, ermöglicht axiale Crosstabel-


Operative Zugänge
Aufnahmen und fixiert das Bein rotationsstabil. Wird
Zugang nach Watson-Jones ein röntgenstrahlendurchlässiger Tisch benutzt, sollte
(Video 22-1, DVD 3) ein Kissen unter das Gesäß des Patienten gelegt werden.
Die Hautinzision erfolgt kurvenförmig anterior des Tro-
Der Patient wird entweder auf einem röntgendurchlässi- chanter major und beginnt ca. 3 – 4 cm hinter der Spina
gen Tisch oder einem Extensionstisch in Rückenlage ge- iliaca anterior superior (Abb. 22.12 a). Nach Faszienspal-
lagert. Zwar vereinfacht die Lagerung auf dem Extensi- tung wird das avaskuläre Areal zwischen M. tensor fas-

22

c d

Abb. 22.12 Der Zugangsweg nach Watson-Jones zur Versor-


gung einer Schenkelhalsfraktur des jüngeren Patienten (Fall
von Dr. Philip J. Kregor).
a Der Hautschnitt erfolgt über dem vorderen Anteil des Tro-
chanter major, ca. 3 – 4 cm hinter der Spina iliaca anterior su-
perior (ASIS) in kurvenförmiger Schnittführung. Es wird das
intermuskuläre Intervall zwischen dem M. tensor fasciae latae
(TF) und dem M. gluteus medius (GM) dargestellt.
b Anhand des Fettstreifens, der zwischen TF und GM verläuft,
kann die Muskellücke identifiziert werden (Pfeil).
c Der TFL wird nach vorne und der GM nach hinten mobilisiert.
Der Ursprung des M. vastus lateralis (VL) verdeckt oftmals den
vorderen Anteil der Gelenkkapsel. Er wird ebenfalls zur Seite
gehalten, um den vorderen Anteil der Gelenkkapsel darzustel-
e len (die Pfeile zeigen in welche Richtungen die Muskulatur zur
Seite gehalten wird).
d T-förmige Eröffnung der Gelenkkapsel (Pfeil).
e Nach erfolgter Kapsulotomie (weiße Pfeile), kann die Schen-
kelhalsfraktur dargestellt werden (graue Pfeile).
592 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

ciae latae und M. gluteus medius aufgesucht, welches Modifizierter Zugang nach Smith-Petersen
durch einen weißlich erscheinenden Fettstreifen, der (modifiziert nach Hueter)
beide Muskelbäuche voneinander trennt, gekennzeichnet
ist (Abb. 22.12 b). Jüngere Patienten können einen stark Der modifizierte Zugang nach Smith-Petersen eignet sich
ausgeprägten Muskelbauch des M. vastus lateralis auf- gut für die Reposition und Osteosynthese der subkapita-
weisen, der die Kapsel in der intertrochantären Region len Schenkelhalsfraktur oder auch um eine Duokopfpro-
bedeckt. Weiter distal teilt sich dieser und legt die aus- these oder Totalendoprothese mit einem einzigen Schnitt
geprägte, anteriore Gelenkkapsel frei (Abb. 22.12 c, auf einem speziellen Extensionstisch zu implantieren
Abb. 22.12 d). Es wird eine T-förmige Kapsulotomie (59). Wird dieser Zugang für eine Osteosynthese gewählt,
durchgeführt. Um sicherzustellen, dass die Mitte dieses muss ein weiterer Hautschnitt lateral am Femur für das
T-Schnittes exakt entlang der Schenkelhalsachse verläuft, Einbringen der Schrauben durchgeführt werden. Der Pa-
kann eine Röntgenkontrolle mittels Bildwandler durch- tient wird in Rückenlagerung entweder auf einem rönt-
geführt werden. Der mediale obere Schnitt der Kapsulo- gendurchlässigen Tisch mit einer Polsterung unter dem
tomie reicht bis auf Höhe des Labrums. Hierbei kann ein Gesäß oder auf einem Extensionstisch gelagert. Eine
Hohmann-Haken entlang des vorderen Azetabulums ein- Hautinzision von ca. 10 – 12 cm Länge wird auf Höhe
22 gesetzt werden, um eine gute Sicht auf den Schenkelhals des M. tensor fasciae latae durchgeführt (Abb. 22.14 a).
zu gewährleisten (Abb. 22.12 e). Durch diese Inzision wird einer Verletzung des N. cuta-
neus femoris lateralis vorgebeugt. Dennoch können hier-
bei kleine Seitenäste in Mitleidenschaft gezogen werden.
Zugang nach Harding Der Hautschnitt beginnt ca. 2 cm hinter und 1 cm unter-
halb der Spina iliaca anterior superior und wird in leicht
Ein praktikablerer und bekannterer Zugangsweg als der- lateraler Richtung fortgeführt. Die Fascia lata wird über
jenige nach Watson-Jones ist der laterale Zugang nach dem M. tensor fasciae latae inzidiert, und das Areal zwi-
Harding (58). Hierbei wird nicht zwischen M. gluteus schen M. sartorius und M. tensor fasciae latae wird dar-
medius und M. tensor fasciae latae eingegangen. Bei die- gestellt (Abb. 22.14 b). Es werden nun Haken eingesetzt,
sem Zugang erfolgt die Ablösung der Adduktoren en bloc um den lateralen Anteil des Tensors und den medialen
mit dem vorderen Anteil des M. vastus lateralis Anteil des M. sartorius darzustellen. An dieser Stelle kann
(Abb. 22.13). Der Autor bevorzugt diesen Zugang, ins- der Kopf des M. rectus femoris mit seinem Ursprung an
besondere bei muskulösen Patienten. Die Gelenkkapsel der Spina iliaca anterior inferior eingesehen werden. Die-
wird aufgesucht und, falls diese nicht bereits verletzt ist, ser liegt oberhalb des seitlichen Kapselrands. Bei der Os-
mittels umgedrehtem T-Schnitt eröffnet. Für die Reposi- teosynthese wird er hier abgesetzt, wobei ein Muskel-
tion ist es hilfreich, Haltenähte an der Kapsel anzubrin- stumpf an der Spina für den späteren Verschluss belassen
gen. Das Hämatom wird entfernt. Durch das Einsetzen wird. Wie auch beim Zugang nach Watson-Jones kann an
von Hohman-Haken entlang des Calcar femoris oder am dieser Stelle die T-Kapsulotomie erfolgen (Abb. 22.14 c,
vorderen Rand des Azetabulums wird das Weichgewebe Abb. 22.14 d).
zur Seite gehalten, und die Fragmente können besser dar-
gestellt werden. Bei Patienten mit ausgeprägterem Operative Zugänge für den Gelenkersatz
Weichteilmantel kann eine Stirnlampe die Sicht noch
weiter verbessern. Die operativen Zugangswege (posterior und anterolate-
ral) für den endoprothetischen Gelenkersatz sind unter
den entsprechenden Kapiteln weiter unten beschrieben.

Operative Techniken

Bedeutung der Kapsulotomie bei der offenen


Reposition und Osteosynthese der
Schenkelhalsfraktur
Es wird kontrovers diskutiert, ob die Kapsulotomie zur
Verhinderung einer Hüftkopfnekrose beiträgt, und ob sie
bei der Osteosynthese durchgeführt werden soll. Zahlrei-
che klinische Studien konnten belegen, dass es nach Os-
Abb. 22.13 Der Zugangsweg nach Harding. Das vordere Drit- teosynthese ohne Kapsulotomie und Hämatomentlastung
tel des M. gluteus medius wird zusammen mit dem M. vastus beim älteren Patienten nur in wenigen Fällen zu avasku-
lateralis abgelöst. lären Nekrosen oder Pseudarthrosenentwicklung kommt
(15, 60–62). Beim jüngeren Patienten ist die Kapsel je-
doch noch stabiler und flexibler und wird deshalb durch
Operative Versorgung 593

a b

22

c d

Abb. 22.14 c Die Äste der A. circumflexa femoris lateralis werden verödet.
a Beim modifizierten Zugang nach Hueter wird der Fettstrei- d Dann wird eine Kapsulotomie durchgeführt. Für den endo-
fen zwischen dem M. sartorius und dem M. tensor fasciae latae prothetischen Totalgelenkersatz werden Haken an den oberen
dargestellt (Pfeil) (Fall von Dr. Philip J. Kregor). und unteren Teil des Schenkelhalses eingesetzt, wie von Matta
b Dann wird die Faszie des M. tensor fasciae latae eröffnet. et al. beschrieben (50).
Durch Rotation der Faszie und Beiseitehalten des M. tensor
fasciae latae wird die der Kapsel aufliegende Fettschicht freige-
legt. Ferner kann der Muskelbauch des M. rectus femoris gese-
hen werden.

das Trauma nur selten verletzt, sodass diese Patienten Osteosynthetische Versorgung bei
von einer Kapsulotomie und Hämatomentlastung eher nichtdislozierten oder valgisch eingestauchten
profitieren könnten. Ebenfalls von Vorteil ist die Entlas- Schenkelhalsfrakturen (Video 22-2, DVD 3)
tung bei der dislozierten Schenkelhalsfraktur. Bislang gibt
es jedoch keine Vergleichsstudien, um diese Überlegun- Der Patient wird in Rückenlagerung auf einem Extensi-
gen mit Daten zu untermauern. Bei 2 klinischen Studien onstisch gelagert. Das gesunde Bein wird behutsam in
jüngerer Patienten mit der niedrigsten Rate an avaskulä- Abduktion und Flexion gelagert. Vor dem sterilen Abwa-
ren Nekrosen und Pseudarthrosen wurde standardmäßig schen und Abdecken des OP-Gebiets erfolgt eine Über-
eine Kapsulotomie durchgeführt (63, 64). Aktuell wird die prüfung der Lagerung dahingehend, ob seitliche und
Kapsulotomie bei jüngeren Patienten mit einer frischen, a.–p. Röntgenkontrollen der Hüfte mittels Bildwandler
traumatischen, nichtdislozierten Schenkelhalsfraktur und möglich sind. Danach erfolgt das sterile Abwaschen und
bei allen anderen Patienten mit einer dislozierten Schen- Abdecken sowie eine intravenöse Antibiotikaprophylaxe
kelhalsfraktur, die geschlossen reponiert wird, empfoh- mit einem Cephalosporin der ersten oder zweiten Gene-
len. Die Kapsulotomie sollte nicht bei Überlastungsfrak- ration. Die Hautinzision kann als kleiner Schnitt oder
turen oder bei älteren Patienten mit nichtdislozierten auch als Stichinzision erfolgen. Dies wird entsprechend
Frakturen durchgeführt werden, die mittels Schrauben- der Präferenz des Operateurs und des Weichteilmantels
osteosynthese versorgt werden. Hier liegen noch keine des Patienten entschieden. Die Lokalisation für die Inzisi-
Daten über den Nutzen der Kapsulotomie vor. on kann am einfachsten abgeschätzt werden, indem ein
594 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

a b
22
Abb. 22.16 Darstellung der optimalen Schraubenlage. Hierbei
sollte insbesondere darauf geachtet werden, den Schrauben-
schaft möglichst nahe der Kortikalis des Schenkelhalses zu plat-
zieren.
Abb. 22.15 Das Einbringen von Schrauben kann zu einer a A.–p. Ansicht.
iatrogenen subtrochantären Femurfraktur führen. Deshalb soll- b Axiale Ansicht.
te das Einbringen mehrerer Schrauben vermieden werden.

superior
Führungsdraht oder ein anderes metallenes Instrument
an den vorderen Femur in Position der Schrauben gehal-
ten wird, und dessen Lage mittels Bildwandlerkontrolle
im a.–p. Röntgenstrahl überprüft wird. Die Inzision er-
folgt an der Kreuzungsstelle mit der lateralen Femurseite.
Der Eintrittspunkt für alle Schrauben sollte hierbei ober-
halb des Trochanter minor liegen, um iatrogene pertro-
chantäre Femurfrakturen zu vermeiden (Abb. 22.15). Un-
terhalb dieser Region ist das Femur insbesondere bei Be-
lastung hohen Zug- und Druckkräften ausgesetzt. Auf-
grund dessen sind mehrfache Positionierungsversuche
des Führungsdrahts oder der Schrauben nach Möglichkeit
zu vermeiden. Des Weiteren wird davon abgeraten, die
Schrauben in Anordnung eines Vs mit 2 Schrauben infe-
rior und einer superior anzubringen, da es hierbei zu
Überlastungsfrakturen zwischen den beiden großen
Schraubenköpfen in der Belastungszone des Femurs kom-
men kann.
Die korrekte Lage der Schrauben in Femurkopf und inferior
-hals ist elementar für die stabile Fixierung (65–72). Die Abb. 22.17 Schematischer Querschnitt durch den Schenkel-
erste Schraube wird tief, entlang des Calcar femoris ein- hals. Eingezeichnet ist die korrekte Lage der 3 parallel verlau-
gebracht. Diese stützt den Schraubenschaft und reduziert fenden Schrauben im Schenkelhals.
die Gefahr einer Fragmentdislokation nach kaudal.
(Abb. 22.16 a). Eine Fragmentverkippung nach dorsal
wird durch Positionierung der zweiten Schraube entlang Schrauben die entsprechende Verankerung zu ermögli-
der posterioren Kortikalis des Schenkelhalses verhindert chen. Der Abstand der Schrauben zueinander sollte
(Abb. 22.16 b). Die dritte Schraube wird in der Regel so größtmöglich gewählt werden, sodass sie an der äußers-
eingebracht, dass sie ein Dreieck mit den anderen ten femoralen Kortikalis eine Abstützung finden
Schrauben bildet und analog der zweiten Schraube an (Abb. 22.17).
der ventralen Kortikalis des Schenkelhalses verläuft Bei mehrfragmentären Frakturen wird manchmal die
(Abb. 22.17). Dies ist insbesondere in osteoporotischem Implantation einer vierten Schraube in einer rautenför-
Knochen von größter Bedeutung, da hier der Femurkopf migen Anordnung empfohlen. Der Nutzen dieser zusätz-
nicht ausreichend stabile Spongiosa aufweist, um den
Operative Versorgung 595

a 22
c

Abb. 22.18 Darstellung einer valgisch impaktierten Schenkel- b Postoperative Röntgenaufnahmen in a.–p. und axialer An-
halsfraktur einer 72-jährigen Patientin. sicht.
a Initiale Röntgenbilder im a.–p. und axialen Strahlengang. c Das Röntgenbild 2 Jahre postoperativ zeigt eine gute Aus-
heilung.

lichen Schraube konnte bislang jedoch nicht nachgewie- che des Femurkopfs zu verletzen. Die meisten durchbohr-
sen werden (16, 23, 24). ten Schrauben und Schraubensysteme sind mit kurzen
Bei den valgisch impaktierten Frakturen ist die physio- und langen Gewinden erhältlich. In der Regel werden
logische Anatomie des proximalen Femurs verändert. Der kurze Gewinde verwendet, da diese besonders gut Zug
Femurkopf ist in der Regel valgisch eingestaucht und in auf den Frakturspalt ausüben. Unterlegscheiben werden
Rotation zum Schenkelhals nach dorsal verkippt. In die- im osteopenen Knochen verwendet, um ein Einsintern
sem Fall sollte sich die Schraubenplatzierung am Schen- der Schraubenköpfe im Knochen zu verhindern (73).
kelhals orientieren. Die Schrauben sollten in der a.–p.
Ansicht im unteren Abschnitt des Femurkopfs platziert Offene Reposition und Osteosynthese bei der
sein und in der seitlichen Ansicht im vorderen Abschnitt dislozierten medialen Schenkelhalsfraktur
(Abb. 22.18).
Sobald die korrekte Lage der Führungsdrähte überprüft Der Patient wird auf einem Extensionstisch gelagert so-
wurde, erfolgen die Längenmessung und das Einbringen fern keine Begleitverletzungen vorliegen, die diese Lage-
der Schrauben. Diese werden so parallel wie möglich rung nicht erlauben. Alternativ kann der Patient auch auf
platziert und abwechselnd festgezogen, um so eine einem röntgenstrahlendurchlässigen Operationstisch ge-
gleichmäßige Kompression im Bereich des Frakturspalts lagert werden. Die Verwendung eines Extensionstisches
zu gewährleisten. Es gibt zahlreiche Zielgeräte auf dem wird empfohlen, da hier die Darstellung der Fraktur mit-
Markt, die das parallele Einbringen der Führungsdrähte tels Bildwandler wesentlich einfacher ist als mit einem
erleichtern. Ferner ist es von größter Wichtigkeit, die normalen röntgenstrahlendurchlässigen OP-Tisch. Des
Lage der Schrauben mittels Bildwandler sowohl in der Weiteren ermöglicht diese Lagerung eine sehr präzise
a.–p. Ansicht als auch in der axialen Darstellung zu über- und schonende Reposition der Fraktur sowie eine zuver-
prüfen. Es muss darauf geachtet werden, dass alle lässige Fixierung des Repositionsergebnisses. Die ge-
Schrauben eine solide Verankerung im Femurkopf finden schlossene Reposition erfolgt unter kontrolliertem Längs-
und eine angemessene Länge haben, ohne die Gelenkflä- zug und behutsamer Innenrotation des Beines. Mittels
596 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

Bildwandlerkontrolle in der a.–p. und der axialen Projek- Weichteile werden durch den Cobb-Haken schonend zur
tion wird die Reposition, überprüft. Gelingt auf diese Seite gehalten.
Weise die anatomische Reposition, erfolgt die Osteosyn- Falls eine geschlossene Reposition misslingt, muss
these entsprechend des Frakturtyps (Näheres hierzu im diese offen durchgeführt werden (5, 52, 55). Mehrere ge-
Abschnitt über die verschiedenen Implantate). Da die schlossene Repositionsmanöver sollten unbedingt ver-
Qualität der Reposition über das Ergebnis entscheidet, mieden werden, da die Gefäßversorgung des Schenkel-
sollte man sich für diesen Schritt ausreichend Zeit neh- halses hierdurch gefährdet werden kann. Es ist unklar
men und die Röntgenbilder kritisch beurteilen. Diese wie viel Achsabweichung oder verbleibender Versatz
sollten mit besonderem Augenmerk auf folgende Fak- der Fragmente akzeptiert werden können. Einige Autoren
toren analysiert werden: empfehlen eine eher valgische Stellung, da diese durch
■ Wiederherstellung der anatomischen Schenkelhalslän- Kompression unter Belastung eine höhere Stabilität ge-
ge, währleistet. Eine varische Neigung sollte jedoch auf
■ Wiederherstellung des anatomischen Winkels zwi- jeden Fall vermieden werden (5, 52, 55).
schen Kopf und Schaft, Jeder der in dem Abschnitt „Chirurgische Zugangs-
■ Wiederherstellung der Shenton-Line und der Ante-/Re- wege“ beschriebene Zugangsweg kann für die offene Re-
22 troversion im axialen Strahlengang. position gewählt werden. Der gebräuchlichste ist jedoch
der Zugang nach Watson-Jones. Bei subkapitalen Fraktu-
Bereits kleine Fehlstellungen können eine Instabilität mit ren kann der Zugang nach Smith-Petersen von Vorteil
konsekutivem Implantatversagen verursachen. Diese sind sein. Bei muskulösen Patienten wird eher der Zugangs-
mittels Bildwandler unter Umständen jedoch nur schwer weg nach Hording gewählt. Häufig ist der Femurkopf
zu erkennen. Die beste Aufnahme zur ausreichenden Be- nach dorsal verkippt. In diesem Fall wird die Reposition
urteilung der Reposition ist die a.–p. Aufnahme des nach vereinfacht, wenn man zunächst das distale Fragment
innen rotierten Beines in Kombination mit einer streng mittels eines großen Knochenhakens oder einer Schanz-
axialen Projektion. Schraube nach vorne bringt. Diese wird in der Region
Die Kapsulotomie wird im Regelfall nach der Osteosyn- oberhalb des Trochanter minor eingebracht (Abb. 22.19).
these durchgeführt. Hierzu wird der Zugang nach pro- So wird die in Fehlstellung eingestauchte Fraktur behut-
ximal erweitert, da die meisten Implantate von weiter sam distrahiert. Die freie Positionierung der Frakturen-
distal eingebracht werden. Der Autor empfiehlt, einen den mithilfe eines Kirschner-Drahtes oder einer Schanz-
Cobb-Haken entlang des anterioren Kapselanteils zu plat- Schraube, die als Repositionshilfe in den Femurkopf ein-
zieren, um so mittels Bildwandler die Lage der Kapsel zu gebracht sind, wird ermöglicht. Somit können die Fraku-
verifizieren. Sodann wird mit einem 15er-Skalpell die renden wieder behutsam reponiert werden. Die Überprü-
Kapsel entlang ihres anterioren Anteils eröffnet. Die fung des Repositionsergebnisses erfolgt visuell, palpato-

Abb. 22.19 Repositionstechnik einer Schenkelhalsfraktur b In diesem Fall wurde eine Schanz-Schraube zur besseren Ro-
eines jüngeren Patienten über den Watson-Jones Zugang. tationskontrolle in den Schenkelhals eingebracht. Der Fraktur-
a Skizzierung des Situs nachdem die Schenkelhalsfraktur frei- spalt wird mit einer Repositionszange komprimiert. Der lange
präpariert und dargestellt wurde. Nach T-förmiger Eröffnung Pfeil zeigt auf die Fraktur. Der Doppelpfeil zeigt das Intervall
der Kapsel kann die Schenkelhalsfraktur gut dargestellt wer- zwischen M. tensor fasciae latae und M. gluteus medius.
den.
Operative Versorgung 597

risch sowie auch mittels Bildwandlerkontrolle. Die Beur- lichkeiten bestehen hierbei aus offener Reposition und
teilung der korrekten Reposition von mehrfragmentären Osteosynthese (ORIF; durch Schrauben, die in den vor-
Brüchen ist durchaus schwierig, insbesondere die Ab- deren und hinteren Teil des Femurkopfs eingebracht wer-
schätzung der korrekten Rotationsstellung. Eine Analyse den) und anschließender antegrader Marknagelung, ze-
des Abstands zwischen den beiden Kortizes mittels Bild- phalomedullärer Nagelung (z. B. mittels Russel-Taylor-Re-
wandler kann hierbei hilfreich sein. Ein Röntgenbild der konstruktionsfemurnagel), ORIF des Schenkelhalses ge-
Gegenseite ist ebenfalls nützlich, um den individuell ana- folgt von retrograder Marknagelung des Femurs oder
tomisch passenden Hals-/Schaft- und Anteversionswinkel ORIF des Schenkelhalses und Plattenosteosynthese der
zu bestimmen. Sobald eine zufriedenstellende Reposition Femurschaftfraktur. Die ersten beiden Optionen haben
erreicht ist, erfolgt die provisorische Fixierung mittels den Nachteil, dass Reposition und Osteosynthese der
mehrerer Kirschner-Drähte, um ein sekundäres Abrut- Schenkelhalsfraktur durch das Einbringen des Nagels ge-
schen des Kopfes bei der Osteosynthese zu verhindern fährdet werden könnten. Es konnten jedoch gute Ergeb-
(Abb. 22.19 b). Die Wahl des Implantats richtet sich so- nisse mit beiden Verfahren erzielt werden. Wu u. Shi bei-
wohl nach dem Frakturtyp als auch nach den Vorlieben spielsweise haben 22 Patienten mittels antegrader Nage-
des Operateurs und wurde bereits im vorangehenden Ab- lung und darauffolgender Schraubenosteosynthese ver-
schnitt dargelegt. Nach der Osteosynthese wird die Kap- sorgt (77). Bei einem Follow-up von 26 Monaten wurden 22
sulotomie normalerweise offen belassen oder allenfalls weder Osteonekrosen noch Pseudarthrosen beobachtet.
durch ein paar lockere Haltenähte adaptiert, um so eine Wiss et al. berichten über 33 Patienten mit ipsilateraler
ausreichende Druckentlastung zu gewährleisten. Die Ein- Femurschaft- und Schenkelhalsfraktur in einem Zeitraum
lage einer tiefen Drainage wird empfohlen. Falls die Ad- von 3 Jahren (80). Mit Ausnahme eines Patienten wiesen
duktorenmuskulatur für den Zugang partiell abgelöst alle Patienten eine Pauwels-III-Fraktur (vertikale Ab-
wurde, erfolgen nun die Rekonstruktion mit einem star- scherfraktur) auf, wovon 67 % basisnah und 33 % trans-
ken, nichtresorbierbaren Faden sowie der schichtweise zervikal lokalisiert waren. Bei diesen Patienten erfolgten
Hautverschluss. standardmäßig zunächst die Reposition und Osteosyn-
these der Schenkelhalsfraktur und im Anschluss die
Sonderfall: ipsilaterale Fraktur von Marknagelung der Femurschaftfraktur. In 9 Fällen erfolg-
Schenkelhals und Femurschaft des jüngeren te vor dem Einbringen des Nagels die provisorische Sta-
Patienten (Video 22-3, DVD 3) bilisierung der Schenkelhalsfraktur mittels Kirschner-
Drähten. Initial wurden standardmäßig Implantate der
2 – 6 % der Patienten mit Femurschaftfraktur weisen eine ersten Generation verwendet. Unter Verwendung dieser
begleitende Schenkelhalsfraktur auf (74–78). Hierbei Implantate (n = 19) entwickelten 5 Patienten eine vari-
wird die Schenkelhalsfraktur initial in einem Drittel der sche Pseudarthrose. Bei 2 dieser 5 Patienten kam es zu-
Fälle übersehen (76). Dies mag daran liegen, dass das sätzlich noch zur Ausbildung einer Femurkopfnekrose.
proximale Femur bei einer Femurschaftfraktur oftmals Die Autoren schlussfolgerten, dass die antegrade Nage-
nach außen rotiert steht (s. Abb. 22.1). Ein nach Markna- lung und zusätzliche Osteosynthese der Schenkelhals-
gelung intraoperativ durchgeführtes Röntgenbild im a.–p. fraktur mittels Sponigosaschrauben nicht in allen Fällen
Strahlengang, bei dem das Bein nach innen rotiert wird zum gewünschten Ergebnis führt.
(mit Fokus auf den Femurhals), verringert das Risiko, eine Die Arbeitsgruppe um Randelli berichtete über 27 Pa-
Fraktur in diesem Bereich zu übersehen (79). Die beste tienten mit ipsilateralen Frakturen von Schenkelhals und
Darstellung des Schenkelhalses erfolgt in 15° Innenrota- Femurschaft, die mittels Russel-Taylor-Nagel versorgt
tion. Da der Schenkelhals bei einer Fraktur häufig außen- wurden (81). 52 % dieser Patienten wiesen dislozierte
rotiert steht, ist dieser in einer Beckenübersicht bei Pa- Frakturen (Typ Garden III oder IV) auf. Die Schenkelhals-
tienten mit Femurschaftfraktur nicht ausreichend gut be- frakturen wurden zunächst mittels Kirschner-Drähten
urteilbar. Sollte der Verdacht auf eine Schenkelhlasfraktur geschlossen fixiert. Danach wurde ein Russel-Taylor-
schon vor der operativen Versorgung der Femurschaft- Nagel eingebracht, und mithilfe der proximalen Verriege-
fraktur bestehen, so empfiehlt es sich, eine Obturator- lungsbolzen erfolgte anschließend die simultane Stabili-
Aufnahme der Hüfte nach Judet anzufertigen, da hier sierung beider Frakturen. In dieser Studie kam es in
der Schenkelhals gut dargestellt wird. Des Weiteren einem Fall zu einer Femurkopfnekrose, in einem weiteren
kann eine Schenkelhalsfraktur auch in einer seitlichen zu einer varischen Fehlstellung des Femurschaftes. In 4
Cross-table-Röntgenaufnahme erkannt werden. Die bei Fällen wurden heterotope Ossifikationen an der Hüfte
mehrfach verletzten Patienten oftmals durchgeführten beobachtet.
CT-Aufnahmen von Abdomen und Becken erlauben den Statt den Schenkelhals mithilfe eines antegrad einge-
sicheren Ausschluss auch minimal dislozierter Schenkel- brachten Nagels zu fixieren, besteht die Möglichkeit der
halsfrakturen (s. Abb. 22.1). offenen Reposition und Fixation des Schenkelhalses mit
Wenn die Schenkelhalsfraktur vor der operativen Ver- anschließender retrograder Nagelung des Femurschafts
sorgung der Femurschaftfraktur erkannt wird, sollte oder Versorgung durch Plattenosteosynthese. Swiont-
diese zunächst behandelt werden. Die Behandlungsmög- kowski et al. berichten über 15 Patienten nach offener
598 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

Reposition und Schraubenosteosynthese des Schenkel-


halses sowie anschließend durchgeführter retrograder
Osteosynthese oder Verplattung des Femurschafts (76).
Obschon alle Frakturen heilten, entwickelten 2 ihrer Pa-
tienten im Verlauf eine Femurkopfnekrose.
Für die Versorgung der dislozierten Schenkelhalsfrak-
tur, die in Kombination mit Femurschaftfrakturen auf-
tritt, gibt es demnach keinen eindeutigen Behandlungs-
standard. Ausschlaggebend für ein gutes Ergebnis ist je-
doch auf jeden Fall die anatomische Rekonstruktion der
Schenkelhalsfraktur.
In manchen Fällen wird die Schenkelhalsfraktur jedoch
erst während oder nach der operativen Versorgung der
Femurschaftfraktur entdeckt. Dies kann folgende Gründe
haben:
22 ■ Die Schenkelhalsfraktur wurde in den initialen Rönt-

genbildern übersehen, da der proximale Anteil des Fe-


murs in Außenrotation stand oder eine ungenügende a b
Bildqualität vorlag.
■ Eine okkulte, nichtdislozierte Schenkelhalsfraktur Abb. 22.20 Die grafische Darstellung möglicher Probleme bei
der Präparation des Schenkelhalses über den Zugang nach
wurde zunächst nicht erkannt oder erst während der
Hardinge.
Marknagelung apparent. a Eine zu varische Präparation des Femurschafts aufgrund
■ Durch das Einbringen des Nagels wurde eine Schenkel-
eines zu großen trochantären Überstands sowie der Abdukto-
halsfraktur iatrogen induziert. renmuskulatur.
b Die flektierte Femurschaftpräparation sollte vermieden wer-
Über die letzte Möglichkeit wurde von Simonian et al. den.
berichtet. Bei der Versorgung von 315 Frakturen mittels
Marknagelung kam es in 4 Fällen zu einer eindeutig
iatrogen induzierten Schenkelhalsfraktur (82). In diesen (Abb. 22.20). Empfehlenswerter scheint es, zu Beginn die
Fällen sollte die Schenkelhalsfraktur reponiert und umge- Abduktoren partiell abzusetzen und diese am Ende der
hend verschraubt werden, ohne den Nagel zu entfernen. Operation wieder sorgfältig zu vernähen, als die Musku-
Hierbei gelten die gleichen Behandlungsprinzipien wie latur während der Markraumpräparation mit der Fräse
bei der Versorgung der Schenkelhalsfraktur des jungen oder dem Pfriem zu beschädigen. Durch präoperatives
Patienten (siehe vorangehender Abschnitt). In seltenen Ausmessen der Röntgenbilder kann bereits abgeschätzt
Fällen kann es jedoch erforderlich werden, den Nagel zu werden, bis zu welcher Prothesengröße das proximale
entfernen, wenn dieser ein Repositionshindernis dar- Femur aufgeraspelt werden muss, um eine varische Aus-
stellt. richtung des Implantats zu vermeiden. Da es beim poste-
rioren Zugangsweg einfacher ist, die Abduktoren beiseite
zu halten, und so eine bessere Sicht auf den posterolate-
Gelenkersatz bei dislozierten ralen Anteil des Schenkelhalses gewährleistet wird, stel-
Schenkelhalsfrakturen (Video 22-4, DVD 3) len diese Fehlausrichtungen eher ein untergeordnetes
Problem dar. Der Femurschaft sollte so weit aufgeraspelt
Präparation des femoralen Markraums: allgemeine
werden, bis die Femurschaftprothese proximal eine gute
Prinzipien
Passform hat und eine gute rotationsstabile Verankerung
Ziel der Markraumaufbereitung, ungeachtet des verwen- vorliegt. Das Einbringen der Schaftprothese sollte auf-
deten Systems, ist es, das Implantat in beiden Ebenen grund der Gefahr einer Schaftsprengung höchst behut-
möglichst zentral in den Markraum einzubringen. Ebenso sam durchgeführt werden.
wichtig ist es, eine rotationsstabile Verankerung des Im-
plantats zu erreichen. Die adäquate Anteversion des Im-
Anterolateraler Zugangsweg für endoprothetischen
plantats wird entsprechend den anatomischen Gegeben-
Gelenkersatz
heiten der gesunden Hüfte eingestellt. Bei besonderen
anatomischen Verhältnissen ist hierbei die Wahl eines Der Patient wird stabil in Seitlage gelagert. Das Becken ist
entsprechend geeigneten OP-Zugangs hilfreich. Beim an- korrekt ausgerichtet, wenn die Glutealfalte einen hori-
terolateralen Zugang kommt es oftmals zu einer zu flek- zontalen Verlauf aufweist. Ferner sollte das untere Knie
tierten und zu varischen Ausrichtung, da der Operateur seitlich gut ausgepolstert werden, um eine Affektion des
versucht, die noch vorhandene Abduktorenmuskulatur N. peroneus zu vermeiden. Danach erfolgen steriles Ab-
bei der Präparation des Markraums zu erhalten waschen und Abdecken sowie eine Antibiotikaprophyla-
Operative Versorgung 599

xe, meist ein Cephalosporin der ersten oder zweiten Ge- kulatur zu schonen, erfolgt das Aufraspeln des Femur-
neration. Die Inzision wird über dem Trochanter major in schafts oftmals in varischer und flektierter Ausrichtung.
leicht gebogener Form nach posterior verlaufend durch- Bei osteoporotischem, weichem Knochen sollte der Mark-
geführt. Der Tractus iliotibialis wird gespalten, und die raum besonders behutsam von Hand aufgeraspelt wer-
Bursa trochanterica am lateralen Teil des Trochanters re- den. Sobald der Markraum ausreichend präpariert ist,
seziert. Nun wird die ungefähre Größe der Abduktoren- wird eine Probereposition nach Insertion des Prothesen-
muskulatur abgeschätzt, und ca. 40 % der anterior inse- schafts durchgeführt. Bei vielen Prothesensystemen kann
rierenden Muskulatur wird knochennah abgesetzt. Dieser zwischen verschiedenen CCD-Winkeln gewählt werden.
Schritt erfolgt, indem die Sehnen der Abduktorenmusku- Der geeignete CCD-Winkel kann anhand der gesunden
latur in Verbindung mit einem Teil des M. vastus lateralis Gegenseite präoperativ ermittelt werden.
verbleiben. Wurde die Kapsel nicht ausreichend eröffnet und wäh-
Manche Autoren empfehlen die knöcherne Resektion rend der Reposition genügend retrahiert, kann die Repo-
im vorderern Anteil des Trochanter major, um so die sition durch eine Interposition von Weichteilen er-
spätere Readaption und Anheilung gewährleisten zu kön- schwert werden. Heftige Repositionsversuche können
nen (58). Nun wird die Kapsel dargestellt. Bei der Duo- zur Rotation der Probeprothese im proximalen Femur
kopfprothese ist es von Vorteil, die Kapsel und das La- oder zu einer iatrogenen Fraktur des proximalen Femurs 22
brum stehen zu lassen. Dies verleiht der Prothese mehr führen. Bei erschwerter Reposition sollte zunächst die
Stabilität und beugt späteren Luxationen vor. Die Kapsel Höhe der Schenkelhalsresektion überprüft und die Kapsel
wird mit einem T-förmigen Schnitt eröffnet. An die ggf. weiter eröffnet werden. In der Regel liegt das Rotati-
Schnittränder werden Haltenähte angebracht. Danach onszentrum des Femurkopfs auf einer Ebene mit der Spit-
wird die Hüfte luxiert und das Bein ausgelagert. Nun ze des Trochanter major. Nach Reposition müssen die
kann die Spitze des Trochanter minor getastet werden. Beinlänge und das Bewegungsaumaß überprüft werden.
Entsprechend der präoperativen Planung wird der Schen- Hierbei sollte die Hüfte idealerweise in Neutralstellung
kelhals osteotomiert. Dabei dient der Trochanter minor bei über 90° Flexion und in vollständiger Innenrotation
als Orientierungshilfe. Nach Durchtrennung des Schen- rotationsstabil sein. Wurde der vordere Zugang gewählt,
kelhalses kann der Femurkopf meist problemlos aus sollte die Stabilität in voller Extension und Außenrotation
dem Azetabulum entfernt werden. Die Bergung des Fe- überprüft werden. Ferner ist es beim anterioren Zugang
murkopfs gelingt entweder mit einem Extraktor, der zen- empfehlenswert, die anatomische Anteversion des
tral in den Kopf eingedreht wird, oder mithilfe einer Kno- Schenkelhalses bei der Präparation des Femurschafts zu
chenzange. Wenn möglich, sollte der Fermurkopf in toto beachten. Eine zu große Anteversion kann zu einem dor-
entfernt werden, da anhand des Kopfes der Prothesen- salen Impingement führen und damit eine vordere Insta-
durchmesser abgeschätzt werden kann. bilität verursachen.
Nun wird das Azetabulums inspiziert und der Knorpel Vor dem Einbringen des Zementstoppers sollte der Fe-
beurteilt. Einzelne freie Fragmente müssen sorgfältig ent- murschaft ausgiebig gespült (idealerweise mit einer Jet-
fernt werden. Diese finden sich oftmals hinter dem Lavage) und getrocknet werden. Der Zementstopper wird
Schenkelhals oder in der Fossa acetabuli. Bei der Duo- bis ca. 2 cm distal der Prothesenspitze eingebracht. Dann
kopfprothese wird der Durchmesser des zu implantieren- wird der Markraum nochmals gespült und getrocknet.
den Duokopfs mit einer Messlehre am entfernten Fe- Sofern keine Kontraindikationen vorliegen, wird der Ze-
murkopf ausgemessen. Des Weiteren können Probeköpfe ment unter Druck in den Markraum eingebracht. Der
in das Azetabulum eingebracht werden, um die geeignete Autor betrachtet alle älteren Patienten generell als Hoch-
Größe zu ermitteln. Im Idealfall passt der Implantatkopf risikopatienten für eine mögliche Infektion, sodass sie
fast wie bei einer Press-fit-Verankerung nahtlos in die ggf. die Zugabe eines Antibiotikums (Gentamycin) zu
Gelenkpfanne. Die Probeköpfe weisen oftmals Einkerbun- dem eingebrachten Zement empfehlen. Während der Ze-
gen auf, die eine optische Beurteilung der richtigen Pass- ment aushärtet, wird die Prothese in der angestrebten
form erlauben. Der Kopf sollte nicht zu groß gewählt Ausrichtung gehalten. Während des Aushärtungsprozes-
werden, da dies zu einer exzentrischen und peripheren ses tritt zwischen Prothese und Kortikalis Zement hervor,
Überbelastung des Azetabulums führt. Andererseits darf der noch vor Aushärtung mit einem scharfen Löffel ent-
der Kopf nicht zu klein gewählt werden, da hierdurch fernt werden sollte.
eine mediale Abnutzung und konsekutive Instabilität her- Nun wird die Gelenkpfanne ausgespült und von Kno-
vorgerufen werden können. Typischerweise benötigt man chen- oder Zementresten gesäubert. Wenn mit der Pro-
eine Kopfprothese, die genauso groß oder etwa 1 mm beprothese eine ausreichende Stabilität erreicht wurde,
größer ist als der eigentliche Femurkopf. Seltener weisen wird der passende Duokopf zusammengesetzt und die
kleinere Durchmesser eine geeignete Passform auf. So- Hüfte reponiert. Es ist von größter Wichtigkeit sowohl
bald die richtige Größe festgelegt ist, erfolgt die Präpara- Beinlänge als auch die Stabilität der Hüfte mehrfach in-
tion des proximalen Femurs. Hierbei sollte insbesondere traoperativ zu testen. Die Kapsel wird mit einem kräfti-
auf eine Schonung der noch intakten Ansätze der Glute- gen resorbierbaren Faden vernäht. Falls die Glutealmus-
almuskulatur geachtet werden. In der Absicht, die Mus- kulatur am Ansatz abgelöst wurde, wird diese wieder
600 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

sorgfältig mit einem kräftigen, nichtresorbierbaren Faden mit einer Schenkelhalsfraktur, im Vergleich zu Patienten
transossär readaptiert. Vor Verschluss der Faszie mit re- mit einer degenerativen Arthrose, meist eine normale
sorbierbaren Fäden wird eine Drainage in die Nähe des Knochenqualität aufweist, sodass man hier nicht auf
Gelenks eingelegt. Zum Ende erfolgen der schichtgerech- eine harte, sklerosierte Spongiosa trifft. Ferner fehlen
te Wundverschluss und die Anlage eines Hüftverbands. die typischen osteophytären Anbauten, wodurch der
Hüftmittelpunkt nicht lateralisiert ist. Daher sollte das
Auffräsen mit Bedacht erfolgen, um eine Verletzung der
Posterolateraler Zugangsweg bei Teilendoprothese
medialen Wand oder einer der azetabulären Säulen zu
Der Patient wird in Seitlage gelagert. Etwa 20 Minuten vermeiden. Oftmals wird der Knochen deshalb mit der
vor dem Hautschnitt wird eine intravenöse Antibiotika- Fräse impaktiert und nicht zusätzliches Material entnom-
prophylaxe durchgeführt. Die Inzision beginnt über dem men. Die passende Größe der Gelenkpfannenprothese
Trochanter major in leicht gebogener Form und wird im sollte unbedingt bei der präoperativen Planung ermittelt
Vergleich zum anterioren Zugangsweg weiter nach pos- werden und kann mit der Fräse oder einer Probepfanne
terior geführt. Nach Durchtrennung der Faszie wird die intraoperativ verifiziert werden.
Bursa vom hinteren Anteil des Trochanters exzidiert und Die Pfanne kann zementiert oder unzementiert ver-
22 die Muskulatur des M. gluteus maximus im Faserverlauf ankert werden. Dies hängt vorrangig von der Knochen-
abgesetzt. Nun wird das Bein innenrotiert, sodass die qualität ab. Der Autor zieht ein unzementiertes Implantat
dorsal gelegenen Strukturen unter Zug geraten. So kann vor. Für die Totalendoprothesen sind sowohl die Poly-
die Sehne des M. piriformis mittels stumpfer Präparation ethylenschalen als auch die Köpfe in verschiedenen Grö-
gut dargestellt werden. Unter Belassung eines Sehnen- ßen erhältlich, sodass durch die geeignete Kombination
stumpfs für die Readaption werden der M. piriformis, der Komponenten intraoperativ die bestmögliche Stabili-
die kurzen Außenrotatoren und die Kapsel abgesetzt. Da- tät erreicht werden kann. Das ist insbesondere für Patien-
durch wird die spätere Readaptation deutlich erleichtert. ten mit Schenkelhalsfrakturen von Vorteil, da diese in
Außerdem wird durch eine genaue anatomische Rekon- besonderem Maße luxationsgefährdet sind. Der Größen-
struktion der Muskel-Kapsel-Schicht das Risiko einer se- unterschied zwischen dem Durchmesser der letzten Aze-
kundären Luxation verringert. Um den Schenkelhals zu tabulumfräse und dem der Gelenkpfannenprothese sollte
durchtrennen, wird das Bein noch weiter nach innen ro- unter 2 mm liegen, um das Risiko einer iatrogenen Aze-
tiert. Der Schenkelhals wird nun entsprechend der prä- tabulumfraktur zu mindern. Die unzementierte Gelenk-
operativen Planung unter Schutz durch Hohmann-Hebel pfannenprothese wird in der gewünschten Anteversion
osteotomiert. Der Femurkopf wird in gleicher Technik und Inklination eingebracht. Wird der anterolaterale Zu-
wie beim anterolateralen Zugang entfernt. Danach wird gang gewählt, sollte darauf geachtet werden, nicht ver-
die passende Größe der Gelenkpfanne ermittelt und das sehentlich zu viel Anteversion einzustellen. Probleme
proximale Femur präpariert. Beim posterioren Zugangs- kann eine vordere Instabilität durch ein dorsales Impin-
weg ist es von größter Wichtigkeit die Flexions- und In- gement des Prothesenhalses am hinteren Rand der Pfan-
nenrotationsstabilität der Prothese zu überprüfen, damit ne verursachen. Bei osteopenen Patienten kann die Pfan-
die Hüfte nicht im Sitzen oder in der Seitlage mit ange- ne zusätzlich mittels Schrauben fixiert werden. Wird eine
winkelten Beinen im Schlaf luxiert. Die anatomische Re- zementierte Pfanne verwendet, kann der Zement durch
adaption des Muskel-Kapsel-Lappens erfolgt durch intra- Löcher im Os illium, Os ischiadicum und Os pubis einge-
ossäre Bohrlöcher mit einem starken, nichtresorbier- bracht werden und eine bessere Verankerung im Kno-
baren Faden. Unterhalb der Faszie werden tiefe Drainagen chen gewährleisten. Die Prothese wird dann auf dem Ze-
eingebracht. Der schichtweise Wundverschluss erfolgt in mentbett fest angedrückt. Um einen Zementaustritt am
üblicher Weise. Unterrand des Azetabulums zu vermeiden, wird zunächst
die Pfannenprothese eingebracht und dann in die ge-
wünschte Abduktion und Anteversion geneigt. Dies
Totalendoprothese: operative Vorgehensweise bei der
führt dazu, dass der überschüssige Zement nach oben
Präparation der Gelenkpfanne
austritt, wodurch dessen Entfernung vereinfacht wird.
Bei der Totalendoprothese wird das Azetabulum behut- Die Pfanne muss während des Aushärtungsprozesses in
sam komplett dargestellt. Üblicherweise werden Kapsel der angestrebten Endposition gehalten werden. Probe-
und Labrum entfernt. Erst wenn die gesamte Gelenkpfan- reposition und Hautverschluss werden auf zuvor be-
ne einsehbar ist, sollte mit dem Ausfräsen der Pfanne schriebene Art und Weise durchgeführt.
begonnen werden. Bei Patienten mit schlechter Knochen-
qualität sollten die Hohman-Haken nur sehr vorsichtig
am Außenrand des Azetabulums platziert werden, um
ein Einbrechen zu vermeiden. Nun wird die Gelenkpfan-
ne behutsam ausgefräst, bis Blutungen aus der zentralen
Spongiosa erkennbar werden. Hierbei sollte beachtet
werden, dass der azetabuläre Knochen des Patienten
Operative Versorgung 601

Tipps und Tricks Neue Techniken


■ Bei der offenen Reposition und Osteosynthese der
Verbesserte Stabilisierungsmöglichkeiten im
Schenkelhalsfraktur können Schanz-Schrauben
osteoporotischen Knochen
(Durchmesser 4,0 mm oder 5,0 mm) im Femurkopf
oder im proximalen Femur (auf Höhe des Trochan- Die Stabilität der Osteosynthese wird in erster Linie durch
ter minor) bei der Reposition helfen. die Knochenqualität bestimmt. Neue Techniken und Im-
■ Durch eine visuelle Kontrolle der reponierten Schen- plantate zielen deshalb insbesondere auf eine verbesserte
kelhalsfraktur lässt sich am zuverlässigsten die Repo- Verankerung der Schrauben im Knochen ab. Möglicher-
sition kontrollieren. Durch eine alleinige Bildwandler- weise können bioaktive Beschichtungen den Halt der
kontrolle kann eine Fehlstellung leicht übersehen Schrauben im Knochen verbessern und den Heilungs-
werden. ablauf beschleunigen. Ferner könnte das Einbringen von
■ Eine typische Fehlstellung ist eine varisch-flektierte Zement, Kalziumphosphat oder ähnlichen Materialien
Verkippung. Die Wiederherstellung der Mennard-
durch Löcher in durchbohrten Schrauben deren Veranke-
Shenton-Linie dient als radiologischer Indikator für
rung zusätzlich verbessern (86, 87). Solche Neuerungen
einen regelhaften Hals-Schaft-Winkel. Ferner kann
könnten zu einer Zunahme an osteosynthetisch versorg- 22
die Wiederherstellung der anatomischen Antever-
ten Frakturen bei gleichzeitiger Reduktion von Implantat-
sion des Schenkelhalses anhand einer Cross-Table-
versagen führen. Der Nutzen einer Stabilisierung der kon-
Aufnahme abgeschätzt werden.
tralateralen Hüfte mittels Injektion von synthetisch her-
■ Ein typisches Problem bei osteoporotischem Kno-
gestelltem Knochenzement oder anderen biologischen
chen ist das Ausbrechen des Extraktors aus dem
Knochenmaterialien wird untersucht. Die Gefahr einer
Femurkopf während des Versuchs diesen zu entfer-
Schenkelhalsfraktur auf der Gegenseite ist deutlich er-
nen. Durch Fixierung des Femurkopfs mit dem Dau-
höht.
men beim Eindrehen des Extraktors kann das Risiko
des Ausbrechens verringert werden. Der Extraktor
sollte auf jeden Fall zentral in den Femurkopf einge- Anterolateraler Zugangsweg für eine
bracht werden. Hüftgelenksendoprothese mit nur einer
■ Die Duokopfprothese bei älteren Patienten sollte Inzision auf einem orthopädischen
sorgfältig präoperativ geplant werden. Häufig liegen Operationstisch (Video 22-5, DVD 3)
aufgrund der Fraktur jedoch nur unzureichend ro-
tierte Röntgenbilder vor, welche die Planung er- Matta et al. haben eine Modifikation des Zugangs nach
schweren. Wird der Schenkelhals generell 1 cm Hueter unter Nutzung eines speziellen orthopädischen
oberhalb des Trochanter minor osteotomiert, führt Extensionstisches beschrieben (59). Dieser Zugang
dies bei Patienten mit einer Varus- oder Valgus-Kon- wurde erstmalig von Judet u. Judet im Jahre 1947 be-
figuration entsprechend zu einer Beinlängendiffe- schrieben (88, 89). Durch die Lagerung des Patienten in
renz. Es sollte also eine qualitativ hochwertige Be- Rückenlage auf einem Extensionstisch kann die Pfannen-
ckenübersichtsaufnahme vorliegen. Hierbei werden prothese über einen ca. 10 cm großen, nach Hueter mo-
die Beine leicht nach innen rotiert, das verletzte Bein difizierten, Zugang eingebracht werden. Der Tisch ermög-
wird unter leichten Zug genommen und das Becken licht eine Adduktion, Hyperextension und Außenrotation
möglichst flach auf die Unterlage aufgelegt. des Beines. Dadurch kann das proximale Femur durch
den Zugangsweg nach Hueter sehr gut dargestellt wer-
den. Eine Röntgenkontrolle der eingebrachten Prothesen-
Nachbehandlung
elemente mittels Bildwandler ist ebenfalls möglich. Matta
Einer der größten Vorteile bei der operativen Versorgung et al. berichten von 494 auf diese Art operierte Hüftge-
der Schenkelhalsfraktur ist die sofortige Belastbarkeit des lenksendoprothesen (59). Die Mehrzahl dieser Prothesen
Beines. In der Regel können die Patienten nach protheti- war unzementiert (42), die übrigen in Hybridtechnik ein-
scher Versorgung umgehend schmerzadaptiert vollbelas- gebracht. 96 % der Azetabulumpfannen konnten mit einer
ten. Die richtigen Bewegungen zur Vermeidung einer Lu- Inklination von 35 – 50° eingebracht werden; 93 % der
xation sollten unter physiotherapeutischer Anleitung ver- Azetabulumpfannen konnten im angestrebten Antever-
mittelt werden. Bei der Osteosynthese entscheiden die sionswinkel von 10 – 25° positioniert werden. Die Bein-
Knochenqualität, der Frakturtyp und das Osteosynthese- längendifferenz betrug im Mittel 3 mm (0 – 26 mm). Bei 3
verfahren über die postoperative Belastbarkeit. Meistens Patienten kam es zu einer Luxation, die Gesamtluxations-
regulieren die Patienten das Ausmaß der Belastung rate betrug 0,61 %. Insgesamt wurden 17 operative Kom-
selbstständig in Abhängigkeit vom Schmerz, sodass eine plikationen beobachtet, wobei es sich in 3 Fällen um
schmerzadaptierte Belastung erlaubt werden kann, was Frakturen des Trochanter major und in 3 Fällen um
eine funktionelle Genesung begünstigt (83–85). Sprunggelenksfrakturen handelte. Diese Frakturen resul-
tieren aus Manipulationen am Bein unter Einsatz des Ex-
tensionstisches beim Einstellen des proximalen Femurs
602 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

a b
22

c d

Abb. 22.21 Darstellung der Schenkelhalsfraktur einer 72-jäh- Schenkelhalsosteotomie 19 mm oberhalb der Trochanter-mi-
rigen, noch sehr aktiven Patientin, die mit einer Totalendopro- nor-Spitze geplant.
these versorgt wurde. Als operativer Zugangsweg wurde der c Die Patientin wird in Rückenlagerung auf den Extensionstisch
anteriore Zugang modifiziert nach Hueter verwendet, wie von gelagert. Der Zugangsweg nach Smith-Petersen wird auf der
Matta et al. beschrieben (59) (Fall von Dr. Philip J. Kregor). Haut eingezeichnet.
a Das Beckenübersichtsröntgenbild im a.–p. Strahlengang d Durch Zug, Außenrotation und Adduktion des Beines wird
zeigt die Schenkelhalsfraktur links. das proximale Femur dargestellt und die Aufbereitung des pro-
b Das Beckenübersichtsröntgenbild zur Planung der Prothe- ximalen Femurs kann durchgeführt werden. In diesem Fall wird
sengröße. Anhand dieses Bildes werden ein 13er-Femurschaft die Raspel für den Patientenschaft eingebracht, bevor die ver-
und eine 52- oder 54-mm-Pfanne geplant. Ferner wird die schiedenen Kopfgrößen ausprobiert werden.

für die Präparation des Femurschafts zum Einbringen der können in dieser Technik implantiert werden
Femurschaftprothese. Dieses Operationsverfahren hat je- (Abb. 22.21).
doch auch gewisse Vorteile. Dazu zählen beim älteren
Patienten:
■ Rückenlagerung des Patienten,
Ergebnisse
■ vollständige Erhaltung der Glutealmuskulatur,

■ sehr niedrige Luxationsrate,


Osteosynthetische Versorgung der
■ sehr genaue intraoperative Einschätzung der Prothe-
Schenkelhalsfraktur beim jüngeren Patienten
senlage und der Beinlänge.
Die Osteonekroserate bei dislozierten Schenkelhalsfrak-
Dieses Operationsverfahren wurde bislang nicht für die turen des jüngeren Patienten beträgt bis zu 86 %. In bis
Versorgung der Schenkelhalsfraktur beschrieben, aber so- zu 59 % der Fälle kommt es zur Ausbildung einer Pseudar-
wohl Duokopfprothesen als auch Totalendoprothesen throse. In Anbetracht dieser Ergebnisse haben Swiont-
Ergebnisse 603

Abb. 22.21 (Fortsetzung)


e Intraoperative Bildwandlerkontrolle beider
Hüften. Achsabweichungen und Beinlängen-
differenz können mit der Gegenseite vergli-
chen werden.
f Postoperatives Röntgenbild im a.–p.
Strahlengang.

22

kowski u. Gerber ein Schema entwickelt, das eine sofor- beobachtet. Bei isolierter Betrachtung der dislozierten
tige notfallmäßige offene Reposition und osteosyntheti- Frakturen zeigt sich eine Pseudarthrosenrate von 10 %
sche Versorgung mittels Spongiosaschrauben vorsieht und eine Osteonekroserate von 27 %. Immerhin war in
(52, 63). Hierzu empfehlen sie die offene Reposition der 82 % der Fälle der Femurkopf nach 6,6 Jahren noch erhal-
Fraktur durch einen Zugangsweg nach Watson-Jones. ten.
Swiontkowski berichtete von einer Pseudarthrosenrate
von 0 % und beobachtete nur in 20 % der Fälle eine Osteo-
Schenkelhalsfrakturen des älteren Patienten
nekrose (64). Gerber et al. haben 54 Patienten untersucht
und beschreiben eine Osteonekrosenrate von 10 %. In 17 % Die Ergebnisse nach Schenkelhalsfraktur des älteren Pa-
der Fälle wurde eine verzögerte Knochenheilung oder tienten (> 65 Jahre) sollten nicht nur hinsichtlich mögli-
Pseudarthrosenbildung beobachtet (63). In einer retro- cher Frakturkomplikationen ausgewertet werden, son-
spektiven Studie der Mayo-Klinik wurden 73 Schenkel- dern ebenfalls unter Berücksichtigung der Mortalitäts-
halsfrakturen der letzten 25 Jahre (51 disloziert, 22 nicht- raten und der funktionellen Ergebnisse. Eine kürzlich
disloziert) bei Patienten zwischen 15 und 50 Jahren ent- durchgeführte Metaanalyse von Bhandari et al. gibt
weder bis zur Ausheilung, bis zur Revision mittels Hüft- einen guten Überblick über die wichtigsten Ergebnisse
gelenksendoprothese oder für mindestens 2 Jahre nach- nach Totalendoprothesenimplantation bei Patienten
untersucht (55). 52 der Frakturen wurden mit durchbohr- über 65 Jahre (2). Die Metaanalyse beruht auf 14 Publi-
ten Schrauben und 17 mit einer dynamischen Hüft- kationen, die im Zeitraum zwischen 1969 und 2002 ver-
schraube versorgt. 37 der insgesamt 51 dislozierten öffentlicht wurden. Es konnten valide, vergleichbare
Schenkelhalsfrakturen wurden geschlossen reponiert Daten über die Versorgung mittels Osteosynthese vs. En-
und osteosynthetisch versorgt, während 14 offen repo- doprothese publiziert werden. Die Gesamtpatienten-
niert werden mussten. Insgesamt kam es in 73 % der anzahl aus allen Publikationen betrug 1901. Im Folgen-
Fälle zur primären Ausheilung. Während des 2-jährigen den sind die Hauptergebnisse der Metaanalyse auf-
Nachbeobachtungszeitraums wurde bei 23 % der Patien- geführt:
ten eine Osteonekrose und bei 8 % eine Pseudarthrose
604 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

■ Die Versorgung mit einer Gelenkendoprothese (sowohl den sollte. Das Hinzuziehen eines Internisten zur Opti-
Hemi- als auch Totalendoprothese) reduziert die Revi- mierung der medikamentösen Therapie kann die Kompli-
sionsrate ganz erheblich. Die Revisionsrate liegt bei kationsrate senken und den Krankenhausaufenthalt ver-
0 – 24 %, während bei osteoynthetischer Versorgung kürzen. Auch eine frühe Mobilisierung und regelmäßige
eine Revisionsrate zwischen 10 und 49 % beschrieben Atemgymnastik tragen dazu bei, die peri- und postope-
wird. Dadurch führt die Versorgung mittels Endopro- rative Komplikationsrate zu senken. Ältere Patienten mit
these gegenüber der Osteosynthese zu einer Reduktion Schenkelhalsfraktur weisen, im Vergleich zu der gesun-
des relativen Revisionsrisikos um 77 %. Dies bedeutet, den Kontrollgruppe gleichen Alters, eine signifikant hö-
dass bei jedem 6. Patient, der mittels Endoprothese here Mortalitätsrate auf (5, 35, 83, 90–93). Aufgrund des-
und nicht mittels Osteosynthese versorgt wird, eine sen wird empfohlen, den alten Patienten eine Osteoporo-
Revisionsoperation vermieden werden kann. So weist setherapie zukommen zu lassen, um so das Risiko wei-
die Schraubenosteosynthese gegenüber der Versor- terer Frakturen zu senken (94).
gung mit DHS ein erhöhtes Revisionsrisiko auf.
■ Die endoprothetische Versorgung bringt ein höheres Pseudarthrosenbildung
Infektionsrisiko, einen größeren Blutverlust und länge-
22 re Operationszeiten mit sich. Beim jüngeren Patienten werden nach Schenkelhalsfrak-
■ Die 1-Jahres-Mortalitätsrate nach Versorgung mittels tur verhältnismäßig selten Pseudarthrosen beobachtet (5,
Endoprothese ist im Vergleich zur Osteosynthese hö- 52, 55, 95, 96). Bei dieser Patientengruppe steht der Fe-
her. Während Patienten, die mittels endoprotheti- murkopferhalt im Vordergrund (97). Es gibt prinzipiell
schem Gelenkersatz versorgt wurden nach einem Jahr 2 Möglichkeiten, die fehlende Durchbauung der Schenkel-
eine Mortalitätsrate von 23 % (226/981) aufweisen, halsfraktur beim jüngeren Patienten zu behandeln. Die
liegt diese bei denjenigen Patienten mit Osteosynthese eine Behandlungsmethode besteht in der Korrekturosteo-
bei 20 % (160/783). tomie. In der Regel ist dies eine valgisierende intertro-
■ Bei der osteosynthetischen Versorgung wurde eine chantäre Umstellungsosteotomie. Durch diese werden
Pseudarthrosenrate von 18,5 % beobachtet, in 9,7 % der die vertikal auf die Fraktur wirkenden Scherkräfte zu
Fälle kam es zu einer Femurkopfnekrose. Kräften umgewandelt, welche die Frakturlinie in horizon-
■ Die Gesamtrate an Luxationen, ungeachtet der Art der taler Ebene komprimieren (Abb. 22.22). Zahlreiche Studi-
Versorgung, lag bei 0,82 %. Betrachtet man jedoch nur en konnten den Nutzen dieser Operation belegen, da es
die mit Totalendoprothese versorgten Fälle, zeigt sich hierbei trotz vereinzelter, nekrotischer Areale zu einer
eine Luxationsrate von 6,9 %. Es konnten keine statisti- Knochenheilung kommen kann (98–102). Die funktionel-
schen Unterschiede hinsichtlich der Luxationsrate in len Ergebnisse waren hierbei gut aber nicht überragend.
Bezug auf die unterschiedlichen Zugangswege (antero- Dies liegt wohl am ehesten daran, dass sich durch eine
lateral vs. posterior) gefunden werden. (Dies steht im valgisierende Operation das Offset verringert, und die
Gegensatz zu der von Lu-Yao et al. veröffentlichten Glutealmuskulatur dadurch einen kürzeren Hebelarm
Metaanalyse, in der eine höhere Luxationsrate beim zur Verfügung hat. Daraus resultiert eine Schwäche der
hinteren Zugangsweg im Vergleich zum anterolatera- Glutealmuskulatur (103). Interessanterweise entwickeln
len beschrieben wurde (3).) sich die meisten Pseudarthrosen aus Frakturen, die nahe-
■ Die Schlussfolgerung aus der Metaanalyse liest sich wie zu senkrecht verlaufen, varisch verkippt sind und eine
folgt: Verkürzung des Schenkelhalses aufweisen. Früher wur-
Bei der Versorgung von 100 Patienten mittels endopro- den diese Frakturen oft mit durchbohrten Schrauben ver-
thetischem Gelenkersatz anstelle einer Osteosynthese sorgt (Abb. 22.22). Bei jüngeren Patienten mit einer
können 17 Revisionsoperationen vermieden werden. Schenkelhalsfraktur und geringem Abscherwinkel ist
Dafür müssen 4 weitere Wundinfektionen, 4 zusätzli- eine Pseudarthrosenbildung untypisch. Eine weitere
che Todesfälle und eine weitere Hüftgelenksluxation in Möglichkeit der Pseudarthrosenbehandlung beinhaltet
Kauf genommen werden. das Einbringen von autogenem oder allogenem Knochen-
material. Dies umfasst neovaskularisierte Knochentrans-
plantate (mit oder ohne Muskellappen) oder auch freie,
vaskularisierte Knochentransplantate. Das gestielte M.-
Komplikationen
quadratus-Transplantat nach Meyer ist hierbei am besten
untersucht (104, 105).
Medizinische Komplikationen
Die genauen Indikationen zur Verwendung dieser un-
Während jüngere Patienten meist weitere Begleitverlet- terschiedlichen Knochentransplantate wurden bislang je-
zungen aufweisen, erleiden die älteren Patienten häufi- doch nur unzureichend untersucht. Eine Zusammenfas-
ger postoperative Komplikationen. Alle Patienten mit sung der klinischen Ergebnisse dieser unterschiedlichen
Schenkelhalsfraktur haben ein erhöhtes Thromboserisiko, Knochenimplantatversorgungen ist in Tab. 22.1 dar-
sodass unbedingt eine Thromboseprophylaxe, sowohl gestellt (104–111).
mechanisch als auch pharmakologisch durchgeführt wer-
Komplikationen 605

Abb. 22.22 Pseudarthrose nach einer Schenkelhals-


fraktur eines jungen Patienten, der mit vier durch-
bohrten Schrauben versorgt wurde.
a Man beachte die Varusdislokation und die Absche-
rung des proximalen Fragments nach inferior.
b Der CT-Scan bestätigt die Pseudarthrosenbildung.
c Röntgenbild nach erfolgter Revision mittels valgi-
scher, intertrochantärer Osteotomie. Danach kam es
zu einem komplikationslosen Ausheilen der Fraktur.

22
a c

In der Regel wird die Pseudarthrose des älteren Patien- 25 % der Fälle zu einer Femurkopfnekrose (5, 114). Eine
ten endoprothetisch versorgt. Das Versagen erfolgt vor- Beschreibung aller Therapieoptionen für die Behandlung
nehmlich aufgrund der schlechten Knochenqualität, die der avaskulären Nekrose des jüngeren Patienten nach
eine Reosteosynthese nicht sinnvoll erscheinen lässt. Stu- Schenkelhalsfraktur würde den Rahmen dieses Kapitels
dien haben beim älteren Patienten Pseudarthrosenraten überschreiten. In der Regel wird bei Patienten mit einer
von bis zu 40 % beschrieben (5, 112). Die Ergebnisse der symptomatischen avaskulären Nekrose eine femurkopfer-
endoprothetischen Versorgung bei der Revision aufgrund haltende Revisionsoperation durchgeführt. Hierbei wur-
einer Pseudarthrose wurden von mehreren Autoren do- den zahlreiche Operationsmethoden mit unterschiedli-
kumentiert (97, 113–116). Die Versorgung kann sowohl chen Ergebnissen beschrieben, um den künstlichen Ge-
mit einer Teilendoprothese als auch mit einer Totalendo- lenkersatz möglichst zu verhindern oder zumindest hi-
prothese erfolgen. Die Wahl der Methode hängt von der nauszuzögern. Unter anderem wurde die Verwendung
Knorpelqualität des Patienten und der Erfahrung des von Knochentransplantaten, sowohl von vaskularisierten
Operateurs ab. Eine zuverlässigere Schmerzreduktion als auch von nichtvaskularisierten, beschrieben. Alterna-
scheint eher durch die Implantation einer TEP erreicht tiv kann eine proximale, femorale Umstellungsosteoto-
zu werden. Diese Revisionsoperationen sind anspruchs- mie durchgeführt werden, welche das nekrotische Areal
voll. Nicht selten resultiert eine postoperative Instabilität aus der Belastungszone nimmt (117). Die Prognose ist
der Hüfte. Eine Schmerzreduktion und gute Funktion des von Größe und Lokalisation der Nekrosezone abhängig.
Beines können jedoch meist gewährleistet werden. Bei fortgeschrittener avaskulärer Nekrose mit Entrun-
dung des Femurkopfs kommt als Therapieoption jedoch
nur noch die Totalendoprothese infrage (119). Ältere Pa-
Osteonekrose
tienten mit einer symptomatischen, avaskulären Kno-
Eine Femurkopfnekrose nach Schenkelhalsfraktur kann chennekrose werden in der Regel mit endoprothetischem
asymptomatisch verlaufen (4, 52, 55, 95, 117, 118). Bei Hüftgelenksersatz versorgt.
der dislozierten Schenkelhalsfraktur kommt es in bis zu
22
Tab. 22.1 Zusammenfassung der Ergebnisse verschiedener Studien zur Therapie der Pseudarthrose nach Schenkelhalsfraktur durch Knochentransfer.
606

Studie Anzahl Mittlere Nach- Durch- Avaskuläre Nekrosen Art des Knochentrans- Heilungsrate Anteil der Patien- Revisionen durch To-
Patienten beobachtungszeit schnittsalter präoperativ (%) plantats (%) ten mit progres- talendoprothese (%)
siven Osteo-
nekrosen (%)
LeCroy et 22 85 Monate 29 100 % freies gestieltes Fibula- 20/22 (91 %) 13/22 (59 %) 2/22 (9 %)
al. (106) 16/22 Stadium I und II transplantat
6/22 III und höhere
Nagi et al. 40 übersehe- 68 Monate 35 8/40 (20 %) Autograft Fibula, nicht 37/40 (93 %) 7/40 (18 %) 3/40 (8 %)
(107) ne Frakturen vaskularisiert
Hou et al. 5 übersehe- 2 Jahre 24 keine gestieltes Crista-Iliaca- 5/5 (100 %) 0 0
(108) ne Frakturen Transplantat (A. circum-
flexa profunda)
Leung et al. 15 3,5 Monate 38 keine gestieltes Crista-Iliaca- 15/15 (100 %) 1/15 (7 %) 1/15 (7 %)
22 Mediale Schenkelhalsfraktur

(109) Transplantat (A. circum-


flexa profunda)
Nagi et al. 26 29 Monate 39 4/26 (15 %) nichtvaskularisiertes Fi- 23/26 (96 %) 0 keine
(110) bulatransplantat
Baksi (105) 56 35 Monate 42 34/56 alle Stadien I und II gestielter M.-quadratus- 42/56 (75 %) 2/34 (6 %) keine Angaben
(61 %) femoris-Lappen
Meyers et 32 14 16 – 79 keine Angaben gestielter M.-quadratus- 23/32 (72 %) keine Angaben keine Angaben
al. (104) femoris-Lappen
Henderson 77 69 bis zur Fraktur- 46 keine Angaben Autograft Fibula oder Ti- 46/49 (69 %) keine Angaben keine Angaben
(111) heilung bia, nicht vaskularisiert
Komplikationen 607

Merke

■ Die Hauptblutversorgung des Femurkopfs erfolgt durch ■ Für die Osteosynthese einer Schenkelhalsfraktur sind in
den lateralen Seitenast der A. circumflexa femoris profun- der Regel 3 Schrauben ausreichend (23). Hierbei sind die
da (44). korrekte Platzierung und Ausrichtung der Schrauben maß-
■ Früher wurden bei dislozierten Schenkelhalsfrakturen des geblich für den Operationserfolg. Eine Schraube sollte in-
jüngeren Patienten in 86 % der Fälle Femurkopfnekrosen ferior entlang des Calcar femoris eingebracht werden.
beobachtet. In 59 % der Fälle wurde die Ausbildung von Eine weitere Schraube liegt kranial der dorsalen Kortikalis
Pseudarthrosen des Schenkelhalses beobachtet (119). an. Bei ausgeprägter Osteoporose oder Trümmerzone im
■ Grundsätze der modernen Versorgung der Schenkelhals- hinteren Schenkelhalsanteil kann eine vierte Schraube
fraktur des jüngeren Patienten beinhalten unter Umständen zusätzliche Stabilität verleihen (24).
– die umgehende Reposition und osteosynthetische Sta- ■ In 2 – 6 % aller Femurschaftfrakturen werden diese in Kom-
bilisierung, bination mit einer Schenkelhalsfraktur beobachtet (74–
– die offene Darstellung der Fraktur, 78). Meist liegen transversale Frakturen im oberen Drittel
– die stabile Versorgung mittels Spongiosaschrauben. des proximalen Femurschafts vor. Wichtig ist eine qualita-
■ Bislang gibt es keine randomisierte, prospektive Studie zur tiv hochwertige Bildgebung des gesamten Femurs. Die 22
Untersuchung des besten Operationszeitpunkts oder des Versorgung der Schenkelhalsfraktur hat dabei erste Priori-
Einflusses der Kapsulotomie auf das Ergebnis bei der tät. Die Osteonekrosenrate ist bei dieser kombinierten
Schenkelhalsfraktur des jüngeren Patienten. Zwei Studien Verletzung niedriger als bei isolierten Schenkelhalsfraktu-
zeigten jedoch, dass nach Kapsulotomie, zeitnaher Repo- ren (120).
sition und osteosynthetischer Stabilisierung die Inzidenz ■ Die Pseudarthroserate konservativ behandelter, nichtdis-
an Osteonekrosen und Pseudarthrosen in diesem Patien- lozierter oder valgisch impaktierter Schenkelhalsfrakturen
tengut gering ist (63, 64). liegt bei knapp 40 % (14).
■ Die Pseudarthrosenrate bei jungen Patienten mit dislozier- ■ Eine Metaanalyse von Studien zum Vergleich von Endopro-
ter Schenkelhalsfraktur beträgt bis zu 17 %. Das gleiche these vs. Osteosynthese bei der Schenkelhalsfraktur älte-
Kollektiv weist eine Nekroserate von 10 – 23 % auf (54, rer Patienten zeigt, dass die Endoprothese im Vergleich
63, 64). zur osteosynthetischen Versorgung zwar mit einer nied-
■ Die posttraumatische avaskuläre Knochennekrose des rigeren Revisionsrate, dafür aber mit einer höheren Wund-
Femurkopfs muss nicht zwangsläufig symptomatisch sein infektionsrate, einer höheren 1-Jahres-Mortalitätsrate und
(100). einer erhöhten Luxationsrate einhergeht. Die 1-Jahres-
■ Die beiden Therapieoptionen bei der Pseudarthrosenaus- Mortalitätsrate beträgt in der Gruppe der endoprothetisch
bildung nach Schenkelhalsfraktur des jüngeren Patienten versorgten Patienten 23 % und bei den osteosynthetisch
sind die valgisierende intertrochantäre Umstellungsosteo- versorgten Patienten 20 % (2).
tomie oder die Kürettage und Plombage mit Becken-
kammspongiosa oder einem vaskularisierten Fibulaspan
(100, 106).
608 22 Mediale Schenkelhalsfraktur

Inhalt der DVDs

Video 22-1 (DVD 3) Operativer Zugangsweg nach Watson- Video 22-4 (DVD 3) Teilgelenksendoprothese bei einer dis-
Jones für die offene Reposition und Osteosynthese der lozierten Schenkelhalsfraktur. Dieses Video zeigt die Hüft-
Schenkelhalsfraktur. Hier werden die einzelnen Schritte gelenksteilendoprothese durch den operativen Zugangsweg
des Watson-Jones-Zugangswegs zum optimalen Darstellung nach Kocher-Langenbeck. Es werden die einzelnen Schritte
der Fraktur gezeigt. Dieser Zugangsweg erlaubt das Einbrin- dieses Zugangs erörtert.
gen von Repositionszangen und Repositionshilfen, um so die Video 22-5 (DVD 3) Teilgelenksendoprothese bei einer dis-
Wiederherstellung anatomischer Verhältnisse zu ermögli- lozierten Schenkelhalsfraktur über den vorderen Zugangs-
chen. weg. Ein spezieller Extensionstisch ermöglicht diese Opera-
Video 22-2 (DVD 3) Geschlossene Reposition und tion durch einen 10 cm langen, nach Hueter modifizierten
Schraubenosteosynthese der Schenkelhalsfraktur. In die- Zugang. Vorteile dieser Operationsmethode umfassen die
sem Video wird die Versorgung der Schenkelhalsfraktur Rückenlagerung des Patienten, Erhaltung der Adduktoren-
durch 7,3 mm durchbohrte Schrauben gezeigt. Auf die rich- muskulatur und die Möglichkeit der intraoperativen Rönt-
22 tige Platzierung dieser Schrauben wird besonders hingewie- genkontrolle mittels Bildwandler.
sen.
Video 22-3 (DVD 3) Offene Reposition und Osteosynthese
einer Schenkelhalsfraktur in Kombination mit einer ipsila-
teralen subtrochantären Femurschaftfraktur mit einer LCP
proximales Femur. Dieses Video zeigt die offene Reposition
und Osteosynthese einer komplexen Schenkelhalsfraktur mit
begleitender subtrochantärer Femurfraktur über den Wat-
son-Jones-Zugang. Hier wird schrittweise das Vorgehen zur
Reposition und Osteosynthese dieser anspruchsvollen Verlet-
zung mit einer anatomisch vorgeformten winkelstabilen Plat-
te erklärt.

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612 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

23 Pertrochantäre Femurfrakturen
G. Tennant, J. Alonso
Übersetzer: K. F. Braun, M. Neumaier, U. Stöckle

In Deutschland haben pertrochantäre Femurfrakturen Klassifikation


bereits heute eine Inzidenz von annährend 70 000/Jahr.
Aufgrund der steigenden Lebenserwartung wird diese Unter den vielen Klassifikationen pertrochantärer Femur-
weiter zunehmen. Der klassische Patient mit pertrochan- frakturen hat keine eine breite klinische Anwendung er-
tärer Femurfraktur ist älter und weist eine stärkere Os- langt. Dies liegt daran, dass in den vergangenen Jahr-
teoporose gegenüber Patienten mit medialer Schenkel- zehnten pertrochantäre Femurfrakturen fast ausschließ-
halsfraktur auf (1). Pertrochantäre Femurfrakturen wer- lich mittels dynamischer Hüftschraube versorgt wurden
den aus zwei Gründen operativ versorgt: und somit eine detailliertere Frakturklassifikation nicht
■ Zur raschen Remobilisierung, um die häufigen Kompli- notwendig wurde. Diese Tatsache hat sich jedoch in
kationen, die durch eine lange Immobilisationszeit ent- Bezug auf spezifische Frakturverläufe und -muster, wel-
stehen, bei diesen gebrechlichen Patienten zu reduzie- che zu instabil für eine Versorgung mittels dynamischer
23 ren. Hüftschraube sind, gewandelt.
■ Weil eine konservative Therapie eine Varusfehlstellung Es hat sich als sinnvoll erwiesen pertrochantäre Femur-
nach sich zieht, sodass diese Patienten eine Beinverkür- frakturen in stabile und instabile Frakturen zu untertei-
zung und Abduktorenschwäche aufweisen. len. Sowohl Evans (3) als auch Kyle et al. (2) haben ein-
fache Frakturklassifikationen anhand der Frakturstabilität
Deshalb werden fast alle pertrochantären Femurfraktu- nach Reposition vorgestellt. In den meisten pertrochan-
ren operativ versorgt. Die Rolle des Unfallchirurgen um- tären Femurfrakturen verläuft die primäre Frakturlinie
fasst diesbezüglich nicht allein die operative sondern von proximal-lateral nach inferomedial parallel der
auch die postoperative Versorgung und Remobilisierung. Linea intertrochanterica (Abb. 23.1). Der bedeutendste
Der Operationszeitpunkt und die Operationsmethode Unterschied zwischen einer stabilen und einer instabilen
müssen dem Gesundheitszustand des Patienten, dem Fraktur ist das Vorhandensein eines dislozierten Frag-
Frakturmuster und dem postoperativen Ziel mit den zu ments im Bereich des Trochanter minor (Abb. 23.2). Ge-
erwartenden Risiken Rechnung tragen. genläufige Schrägfrakturen (intertrochantäre Frakturen)
Komplikationen bei der osteosynthetischen Versor- sind seltener und weisen teilweise eine subtrochantäre
gung von pertrochantären Femurfrakturen sind aufgrund Komponente auf. Dieser Frakturverlauf beginnt inferola-
der Kombination von schlechter Knochenqualität und
starker mechanischer Belastung in dieser Region sehr
häufig. Ältere und starre Osteosyntheseverfahren zeigten
ein häufiges Ausschneiden der Schraube aus dem Hüft-
kopf, Abrutschen der Platte vom Femurschaft und Mate-
rialbruch. Nach Einführung der dynamischen Hüftschrau-
be zeigten sich diese Komplikationen jedoch rückläufig
(2). Nach Übertragung des dynamischen Prinzips auf die
bestehenden Osteosyntheseverfahren wurde die dyna-
mische Osteosynthese (DHS, PFN) bei fast allen pertro-
chantären Femurfrakturen zum Mittel der Wahl. Die Un-
terscheidung verschiedener Fraktursubtypen hat un-
längst zu einer differenzierten Auswahl spezifischer Os-
teosyntheseverfahren geführt. Dieses Kapitel befasst sich
mit dem Versorgungsspektrum und der operativen Tech-
nik von dynamischer Hüftschraube und Marknagelver-
sorgung bei pertrochantären Femurfrakturen.

Abb. 23.1 Stabile pertrochantäre Zweipartfraktur mit Verlauf


der Bruchlinie entlang der Linea intertrochanterica.
Konservative Therapie 613

Abb. 23.3 Gegenläufige Schrägfraktur


(intertrochantäre Fraktur).
23
Abb. 23.2 Instabile pertrochantäre Fraktur mit
Verlust des posteromedialen Pfeilers.

teral nach proximal-medial parallel zur Schenkelhalsach-


se (Abb. 23.3). Evans sieht in einer medialen kortikalen
Beteiligung und/oder Fragmentierung mit einer unmögli-
chen medialen kortikalen Rekonstruktion sowie in einer
gegenläufigen Schrägfraktur die Hauptgründe für eine
fehlende postoperative Frakturstabilität (3). Kyle et al.
haben über 600 pertrochantäre Frakturen analysiert
und gezeigt, dass das Versagen der dynamischen Hüft-
schraube mit steigendem Instabilitätsgrad des postero-
medialen Pfeilers zusammenhängt (2). In einer aktuel-
leren Veröffentlichung beschreiben Kyle et al., dass eine
basisnahe Fraktur des Schenkelhalses, die mit starker
Fragmentierung der Trochanterregion assoziiert ist, das
Abb. 23.4 Mehrfragmentäre pertrochantäre Femurfraktur
höchste Risiko eines Implantatversagens aufweist
mit Beteiligung des Hüftkopfs. Dieses Frakturmuster ist äußerst
(Abb. 23.4; 4). Haidukewych et al. berichten über eine instabil und komplikationsreich.
Reihe gegenläufiger Schrägfrakturen (intertrochantärer
Frakturen) und zeigt eine hohe Versagerrate der dyna-
mischen Hüftschraube in dieser Fraktursituation auf (5).
Daher ist es aus praktischen Gründen entscheidend 3 major und A3-Frakturen beschreiben die gegenläufigen
Frakturtypen der pertrochantären Femurfraktur zu un- Schrägbrüche (intertrochantär).
terscheiden:
■ stabile Frakturen mit intaktem oder reponiblem poste-

romedialem Pfeiler, Konservative Therapie


■ Frakturen mit dem Verlust des posteromedialen Pfei-

lers, Obwohl einige Autoren ein konservatives Therapiekon-


■ die gegenläufigen Schrägfrakturen (intertrochantären zept bei der pertrochantären Femurfraktur ambulanter
Frakturen). Patienten beschrieben haben, ist dieses Vorgehen nur in
Ausnahmefällen sinnvoll. Zu diesen wenigen Indikatio-
Die Fraktureinteilung der Arbeitsgemeinschaft für Osteo- nen gehören konventionell röntgenologisch nicht sicht-
synthesefragen/Orthopedic Trauma Association (AO/OTA) bare Frakturen (sofern eine sichere Mobilisierung des Pa-
verwendet das bekannte alphanummerische System (6). tienten mit Entlastung/Teilbelastung möglich ist) und
AO 31-A1-Frakturen sind einfach, A2-Frakturen sind mul- bettlägrige Patienten deren Gesundheitszustand eine
tifragmentär mit Beteiligung des Trochanter minor oder Operation nicht zulässt (Abb. 23.5). Sofern diese Patienten
614 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Abb. 23.5 Okkulte pertrochantäre Femurfrak-


tur.
a Ein normal erscheinendes Röntgenbild eines
älteren Patienten nach Sturz mit Hüftschmer-
zen.
b T-1 gewichtete (links) und T-2 gewichtete
(rechts) MRT-Bilder desselben Patienten, welche
ein Knochenmarksödem und eine Frakturlinie
der pertrochantären Region zeigen. Der Patient
wurde konservativ behandelt.

23

komfortabel sitzen und zur Körperhygiene mobilisiert vorkommen (9, 10). Die MRT-Untersuchung hat sich als
werden können ist ein konservatives Vorgehen vertret- genauer und effektiver in der rechtzeitigen Erkennung
bar. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese Patien- dieser okkulten Frakturen gegenüber der Computertomo-
ten wahrscheinlich nicht lange überleben werden. Lyon u. grafie (CT) und Szintigrafie erwiesen (11).
Nevins haben über konservatives Therapievorgehen bei Operativ zu versorgende Frakturen finden sich in der
Patienten in Pflegeheimen geschrieben (8). Sie empfehlen Regel bei Patienten über 70 Jahren (10). Nach Diagnose-
eine frühe Mobilisation in den Stuhl sowie ein ausrei- stellung hängt die Frakturversorgung vom Schmerzaus-
chendes Schmerzmanagement. Die konservative Therapie maß, dem Gesundheitszustand und den Begleiterkran-
nimmt die typischen Komplikationen wie Varusfehlstel- kungen des Patienten, sowie den funktionellen Zielen
lung, Außenrotation und Beinverkürzung des proximalen ab. Bei stationären Patienten, die komfortabel in den
Femurs in Kauf. Stuhl mobilisiert werden können, ist ein konservatives
Okkulte pertrochantäre Frakturen, welche definitions- Therapievorgehen möglich, solange keine sekundäre
gemäß nicht disloziert und auf klassischen Röntgenauf- Frakturdislokation erfolgt. Die meisten Patienten mit ok-
nahmen schwer zu sehen sind, können mittels Magnetre- kulten Frakturen sollten jedoch mittels dynamischer
sonanztomografie (MRT) gut dargestellt werden Hüftschraube operativ versorgt werden. Diese einfache
(Abb. 23.5). Die MRT ermöglicht ein schnelles und ver- Operation ermöglicht es dem Patienten schmerzfreier
lässliches Diagnoseverfahren dieser nichtdislozierten und ohne Risiko einer sekundären Frakturdislokation zu
oder inkompletten Frakturen, welche häufig bei älteren gehen.
Patienten nach minimalem Trauma mit Hüftschmerzen
Operative Versorgung 615

Operationsindikation schehen, um diese variablen und statischen Faktoren zu


optimieren und somit eine stabile Osteosynthese zu er-
Mit Ausnahme inoperabler Patienten sollten alle pertro- reichen.
chantären Frakturen operativ versorgt werden. Für die
Wiedererlangung der Funktionalität auf Präfrakturniveau
Chirurgische Anatomie
stellt nach der chirurgischen Stabilisierung die frühe Re-
mobilisierung und Rehabilitation das ideale Mittel dar. Die knöcherne Anatomie des proximalen Femurs besteht
Der Operationszeitpunkt ist hierbei ein entscheidender aus 4 Anteilen:
Faktor. Obwohl Kenzora et al. einen Mortalitätsanstieg ■ Hüftkopf und Schenkelhals,

durch die operative Versorgung am Aufnahmetag be- ■ Trochanter major,

schrieben haben (12), warnen andere Autoren vor einer ■ Trochanter minor,

Operationsverzögerung. Ring betont den geringen medi- ■ die subtrochantäre Region bzw. der Femurschaft.

zinischen Vorteil einer verzögerten operativen Therapie


bei chronisch kranken Patienten und rät daher zu einer Jede einzelne dieser Regionen kann im Rahmen einer
raschen Versorgung (13). Hierzu zeigt McNeil, dass eine pertrochantären Femurfraktur beteiligt sein. Weiterhin
Verzögerung aus nichtmedizinischen Gründen von mehr besteht für jeden Anteil eine eigene Dislokationskraft,
als 48 Stunden nach Aufnahme eine zehnfache Mortali- welche hinsichtlich einer zufriedenstellenden Fraktur-
tätssteigerung nach sich zieht (14). Auch wenn pertro- reposition verstanden werden muss.
chantäre Femurfrakturen nicht als ein absoluter Notfall 23
anzusehen sind, sollte dennoch eine unnötige zeitliche
Verzögerungen vermieden werden. Die chirurgische Ver-
sorgung hat in einer dringlichen Art und Weise, wenn M. gluteus
möglich innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme, zu minimus
erfolgen. (Hüftabduktor)

Operative Versorgung
Basiskonzept
Kaufer macht die Stabilität der Osteosynthese bei pertro-
chantären Femurfrakturen nach Reposition von 5 Fak-
toren abhängig:
■ Knochenqualität,

■ Frakturgeometrie,

■ Frakturreposition,

■ Implantatdesign,
M. iliopsoas
■ Implantatpositionierung (15).

Weder die Knochenqualität noch die Frakturgeometrie


können vom Chirurgen beeinflusst werden. Daher lassen
sich diese als statische Variablen bezeichnen. Fraktur-
reposition, Implantatdesign und Implantatpositionierung
sind jedoch vom Chirurgen beeinflussbar. Diese Faktoren
bezeichnet man als variabel, weil der Chirurg die Qualität
der Frakturreposition, das zu verwendende Implantat
und die Implantatposition kontrollieren kann. Verschie-
dene Studien haben gezeigt, dass die Implantatlage im
Hüftkopf einen entscheidenden Einfluss auf das Resultat Abb. 23.6 Dislozierende Kräfte auf die pertrochantäre Frak-
hat (2, 16, 17). Im et al. haben Einflussfaktoren einer tur. Die Hüftabduktoren setzen am Trochanter major an und
sekundären Frakturdislokation bei 66 älteren Patienten dislozieren diesen nach proximal; der M. gluteus minimus und
mit scheinbar stabilen pertrochantären Femurfrakturen die kurzen Außenrotatoren führen zu einer Außenrotation des
proximalen Femurschafts gegenüber dem Schenkelhals. Die
ermittelt und aufgezeigt, dass eine iatrogene intraopera-
Hüftadduktoren üben ebenfalls eine dislozierende Kraft auf
tive Fragmentierung des lateralen Kortex statistisch sig- das Femur aus. Das Fragment des Trochanter minor wird auf-
nifikant mit einer gesteigerten Dislokation assoziiert ist grund des M. iliopsoas adduziert. Die ischiokrurale Muskulatur
(18). Deshalb muss die offene Fraktureposition und inne- und der M. quadriceps femoris üben eine verkürzende Kraft auf
re Stabilisierung auf eine geeignete Art und Weise ge- die Fraktur aus.
616 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Generell ist der intrakapsuläre Anteil von Hüftkopf und


Schenkelhals bei pertrochantären Frakturen nicht betrof-
fen, während die extrakapsulären Anteile Bestandteil der
pertrochantären Femurfraktur sein können. Die Hüft-
abduktoren üben einen deformierenden Zug durch ihren
Ansatz am Trochanter major aus. Der M. gluteus minimus
zusammen mit den kurzen Außenrotatoren rotiert den
Femurschaft gegenüber dem Hüftkopf und Schenkelhals-
fragment nach außen (Abb. 23.6). Die Hüftadduktoren
üben ebenfalls über ihren medioproximalen Ansatz
einen stark dislozierenden Zug auf den Femurschaft aus.
Das Fragment, welches den Trochanter minor beinhaltet,
hat aufgrund des Zuges durch den M. iliopsoas die Ten-
denz gedreht und adduziert zu werden. Die ischiokrurale
Muskulatur und der M. quadriceps femoris üben zudem
einen verkürzenden axialen Zug auf die Fraktur aus. Ein- a
fache Frakturen sind aufgrund ihres berechenbareren
Dislokationsmusters besser zu reponieren, wohingegen
23 komplexere Frakturen aufgrund mehrerer Fragmente
und Dislokationskräfte schwieriger zu reponieren sind.

Operationstechnik

Frakturreposition
Die Frakturreposition der pertrochantären Femurfraktur
ist der Schlüssel für eine gelungene Operation. Dies er-
reicht man am besten durch eine Extensionstischlage-
rung. Die Möglichkeit, das Frakturmuster so indirekt
dreidimensional zu beurteilen und die einzelnen Fraktur- b
fragmente durch unterschiedlichen Zug einzustellen ist
entscheidend. Nach Extensionstischlagerung sollten Frak-
turmuster und -dislokation anhand dreier Bildwandler-
einstellungen beurteilt werden (Abb. 23.7):
■ a.–p. Aufnahme der Hüfte,

■ laterale Aufnahme,

■ laterale 20°-Schenkelhalsaufnahme.

Die 20°-Schenkelhalsaufnahme berücksichtigt die Ante-


torsion des proximalen Femurs und erleichtert die Frak-
turreposition, Schrauben- oder Pinpositionierung.
c
Um die Fraktur zu reponieren, sollte zuerst ein leichter
axialer Zug des Beines (über Fuß oder Traktionspin) aus- Abb. 23.7 Die drei gebräuchlichen Bildwandlereinstellungen.
geübt werden. Anschließend können Rotationsfehler des a A.–p. Ansicht des Hüftgelenks.
distalen Femurfragments gegenüber dem Schenkelhals- b Laterale Ansicht.
fragment korrigiert und achsgerecht eingestellt werden. c 20°-Schenkelhalsaufnahme.
Das betroffene Bein sollte hierbei mit der Patella so ein-
gestellt werden, dass diese gerade nach oben zeigt. Nach-
dem diese erste provisorische Reposition mit akzeptablen werden. Schlussendlich, nach Korrektur aller 3 Fraktur-
Rotations- und Beinlängenverhältnissen in der a.–p. Auf- ebenen, sollte die 20°-Schenkelhalsaufnahme durch-
nahme erfolgt ist, sollte der C-Bogen für die lateralen geführt werden.
Aufnahmen eingestellt werden. Mittels der lateralen Auf- Gelegentlich lässt sich keine ausreichende Fraktur-
nahme kann eine weitere Feinjustierung der Reposition reposition durch den Extensionstisch allein erreichen.
erfolgen. Dies geschieht unter Berücksichtigung von Fle- Oft kommt es hier zu einem posterioren Abkippen des
xion und Extension des distalen Fragments durch Anhe- Schaftfragments, was nur in der lateralen Aufnahme zu
bung oder Absenkung des Fußes, während die bereits erkennen ist. Ist dies der Fall, muss das posteriore Abkip-
vorher erfolgten Repositionseinstellungen beibehalten pen korrigiert und die Reposition manuell gehalten wer-
Operative Versorgung 617

erfolgen. Im weiteren Verlauf sollte eine offene Repositi-


on mit traditionellen Instrumenten wie Repositionszange
und Kirschner-Drähten durchgeführt werden. Hilfreich
ist das Einsetzen der Repositionszange vom medialen
Kalkar zum lateralen Schaft, um die Frakturreposition
während der Osteosynthese zu halten (Abb. 23.9). Von
entscheidender Bedeutung ist es, die exakte Reposition
vor der Osteosynthese durchzuführen und zu halten, da
die verwendeten Implantate weder eine fehlerhafte Frak-
turreposition korrigieren können, noch eine weitere Frag-
mentadaptation nach Implantation ermöglichen.

Chirurgische Retention

Implantatwahl
Abb. 23.8 Laterale Aufnahme, in der das Anheben des poste-
rior abgesunkenen Schaftfragments durch ein Elevatorium Es gibt im wesentlichen 3 Implantatarten für pertrochan-
(weißer Pfeil) gezeigt wird. Dies ist während der gesamten täre Femurfrakturen:
Osteosynthese beizubehalten. ■ dynamische Hüftschraube (DHS),
23
■ Marknagel mit Gelenkkomponente (PFN oder Gamma-

Nagel),
den (Abb. 23.8). In komplizierten Fällen kann es notwen- ■ Winkelplatte.

dig werden, erst die Frakturfragmente zu entstauchen,


bevor sie reponiert werden können. Bei Hochrasanztrau- Seit kurzem steht der Vergleich von DHS gegenüber
men können inkarzerierte Muskelanteile und eine starke Marknagel hinsichtlich der Vor- und Nachteile im Fokus.
Frakturdislokation eine gute Reposition verhindern. In Die DHS ist das bevorzugte Osteosyntheseverfahren bei
solchen Fällen sollte zuerst eine provisorische Achs-, Ro- stabilen pertrochantären Femurfrakturen (Abb. 23.10).
tations- und Beinlängenkorrektur mittels Extensionstisch Der Marknagel bietet eine erhöhte Stabilität, insbesonde-

Abb. 23.9 Ein Beispiel für das Einsetzen der Frakturzange, um bei
instabilen Frakturen die Reposition zu halten.
618 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

23

b Abb. 23.11 Eine instabile gegenläufige Schrägfraktur, welche


mit einem Marknagel behandelt wurde.
Abb. 23.10 Eine typische pertrochantäre Femurfraktur, wel- a A.–p. und laterale Ansicht der Hüfte, welche die instabile
che mit DHS versorgt wurde. gegenläufige Schrägfraktur zeigen.
a A.–p. Ansicht mit gering disloziertem Fragment des Trochan- b Nach geschlossener Reposition mit einem kurzen Trochanter-
ter minor. nagel.
b Laterales Bild der DHS.

re bei instabilen Frakturmustern und gegenläufigen ■ Ermöglicht ein geführtes Sintern der Fraktur für höhere
Schrägfrakturen (Abb. 23.11; 19). Die DHS kann im Ge- Stabilität.
gensatz zum Marknagel die gegenläufige Schrägfraktur ■ Reduziert den auf das proximale Fragment wirkenden
(intertrochantäre Fraktur) nicht ausreichend stabilisieren, Hebelarm gegenüber den Plattensystemen durch die
was zu einem häufigen Implantatversagen bei diesem intramedulläre Lage.
Frakturmuster führt (20). Zu beachten ist, dass der Mark- ■ Intramedulläres Aufbohren liefert Spongiosaknochen,
nagel, obwohl er mit einem geringeren initialen Blutver- der als Knochentransplantat verwendet werden kann.
lust assoziiert ist, eine erhöhte periprothetische Fraktur- ■ Ermöglicht eine hervorragende Achs- und Rotations-
rate im Vergleich zur DHS zeigt (21). kontrolle.
Der Gammanagel ist das am besten untersuchte Im- ■ Ermöglicht eine frühe Gewichtsbelastung.
plantat unter den Marknägeln. Lindsey et al. (22) und ■ Erfordert eine minimale Präparation für die Implantie-
Davis et al. (23) beschreiben die Vorteile der intramedul- rung.
lären Stabilisierung am Beispiel des Gammanagels wie ■ Funktioniert als gewichtverteilendes Implantat.
folgt:
■ Stabile Osteosynthese von Hüftkopf/Schenkelhals und Die traditionelle Winkelplatte mit 120° und 130° findet
Femurschaft. nur noch selten bei pertrochantären Femurfrakturen Ver-
Operative Versorgung 619

Abb. 23.12 Eine instabile gegenläufige Schräg-


fraktur, welche mit einer starren 95°-Kondylen-
schraube versorgt wurde.
a A.–p. und laterale Hüftaufnahme welche die in-
stabile gegenläufige Schrägfraktur zeigen.
b Aufname nach offener Reposition und Fixation
mit der 95° dynamischen Kondylenschraube.
c Aufnahme nach abgeschlossener Frakturheilung,
welche keine Impaktierung der Fraktur zeigen, wie
sie bei der DHS zu erwarten wäre.

23

b c

wendung. Laros u. Moore (24) zusammen mit Esser et al. Allgemein sollte bei der Verwendung der DHS immer
(25) haben eine höhere Komplikationsrate bei den Win- der größtmögliche Plattenwinkel, welcher die Positionie-
kelplatten gefunden. Es zeigen sich höhere Pseudarthro- rung der Schraube im Hüftkopfzentrum ermöglicht (bei
seraten, Frakturkollaps mit Gelenkbeteiligung und sekun- stabilen pertrochantären Femurfrakturen) verwendet
däre Frakturen. werden (s. Abb. 23.10; 26). Intramedulläre Implantate
Im Gegensatz hierzu hat die 95°-Winkelplatte weiter- sollten für instabile Frakturen, insbesondere gegenläufige
hin eine Bedeutung für die Osteosynthese instabiler per- Schrägfrakturen, verwendet werden, da die mechanische
trochantärer Frakturen. Es kann die 95°-Klingenplatte Stabilität wichtig für dieses Frakturmuster ist
oder die 95° dynamische Kondylenschraube (DCS) ver- (s. Abb. 23.11; 27). Zusätzlich haben diese minimalinvasi-
wendet werden (Abb. 23.12). Instabile pertrochantäre Fe- ven Implantate den Vorteil, nicht zur Auflösung des Frak-
murfrakturen, inklusive der intertrochantären Fraktur, turhämatoms zu führen und weitere Periostverletzungen
können mit diesen Implantaten stabilisiert werden. Die zu produzieren. Allerdings bestehen aufgrund des vor-
Implantation erfordert jedoch ein hohes Maß an Können gegebenen Schenkelhalswinkels der Marknägel (in der
und Erfahrung, da das Implantat einen geringen Spiel- Regel 130°) vermehrt Schwierigkeiten, die Schenkelhals-
raum für Fehler aufweist. Die 95°-Klingenplatte bietet schraube zentral im Hüftkopf zu positionieren (28). Dies
eine ausgezeichnete proximale Frakturstabilisierung und trifft insbesondere für Patienten mit einem Schenkelhals-
ermöglicht gegebenenfalls das zusätzliche Einbringen winkel kleiner als 125° zu, bei denen die DHS eine bes-
einer Ankerschraube. sere Position im Hüftkopf erreichen würde (28).
620 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

nach der Hauptbelastungsachse ausgerichtet. Hierdurch


DHS (Video 23-1, DVD 3)
wirkt ein perpendikular verlaufender Komponentenvek-
Die DHS ist hervorragend für Frakturen mit intaktem tor auf das Hülsengewinde, und somit kann es zu einem
medialen kortikalen Pfeiler und nur minimaler Dislokati- Verklemmen der Schraube kommen. Diesbezüglich sind
on im Frakturgebiet geeignet. Entscheidend für eine er- die Kräfte, welche ein optimales Gleiten der Hüftschrau-
folgreiche Osteosynthese sind die gründliche präoperati- be ermöglichen, ideal, wenn eine Valgusreduktion durch-
ve Planung, das Verständnis des Frakturmusters und der geführt wurde.
dadurch zu erwartenden Stabilität sowie ein ausreichen- Nachdem der Patient auf dem Extensionstisch gelagert
des Verständnis der Biomechanik. Das Gleitvermögen der und eine aktzeptable Frakturreposition unter Bildwand-
DHS ermöglicht die Kompression der Fraktur unter Belas- lerkontrolle erreicht und überprüft wurde, sollte noch
tung, ohne dabei die Stabilität zu verlieren (Abb. 23.13). einmal die perioperative Antibiotikagabe kontrolliert
Die präoperative Planung mit Vergleich der Gegenseite ist werden. Nachdem der Patient nun gelagert, steril abge-
für eine gute Osteosynthese entscheidend. Daher müssen waschen und abgedeckt wurde, sollte überprüft werden,
gute Röntgenbilder vor Operationsbeginn vorhanden ob ein problemloses Manövrieren des Bildwandlers mög-
sein. Diese Aufnahmen sollten eine a.–p. und laterale Auf- lich ist.
nahme der betroffenen Hüfte sowie eine Aufnahme des Vor dem Hautschnitt sollte die Schnittführung mit
tiefen Beckens mit Innenrotation der Oberschenkel bein- einem Marker vom Trochanter major zum Femurschaft
halten. Die Innenrotationsaufnahme ist die beste Aufnah- eingezeichnet werden. Der Schnitt sollte lateral entlang
23 me zur Bestimmung des Implantatwinkels, da sie den der Hüfte ca. 10 cm unterhalb der Spitze des Trochanter
Schenkelhalswinkel und die genaue Frakturanatomie dar- major beginnen und ca. 1 cm posterior zur Mittellinie auf
stellt (Abb. 23.14). Implantatwinkel und die zu erwarten- ca. 15 cm Länge in p.–a. Richtung entlang des proximalen
de Schraubenlänge können anhand der Gegenseite ge- Femurschafts verlaufen (Abb. 23.16). Nun erfolgt die Prä-
plant werden, sodass sich Chirurg und Operationsteam paration auf den Tractus iliotibialis. Nach Darstellung des
ausreichend vorbereiten können. Traktus erfolgt dessen Spaltung im Verlauf des Haut-
Kyle et al. haben die Gleitkräfte charakterisiert, welche schnitts, um eine freie Sicht auf den M. vastus lateralis
die dynamische Hüftschraube beeinflussen (26). Das zu erhalten. Um einen direkten Frakturzugang zu erlan-
Gleitvermögen ist optimal, wenn die Achse von Hülse gen, kann an diesem Punkt der M. vastus lateralis entwe-
und Schraube nahe dem Winkel der größten Gelenkkraft der stumpf in Verlaufsrichtung des Femurs geteilt oder
(159°) verläuft (Abb. 23.15). Dies erfordert eine soge- vom lateralen intramuskulären Septum abgehoben wer-
nannte Großwinkelschraube. Hüftschrauben mit geringe- den. Erfolgt ein Vastus-Split-Zugang, sollte dieser pro-
rem Schenkelhalswinkel (z. B. 135°) sind nicht so gut ximal und distal entlang der Muskelfasern durchgeführt

a b c

Abb. 23.13 Ein Beispiel für die Kompression entlang der DHS- b Aufnahme nach 1 Monat: Es zeigt sich ein vermehrter
Achse nach Operation. Schraubenüberstand am Plattenlager und eine Verkürzung
a Postoperative Aufnahme, in der sich eine Schraubenlänge der Schraubenlänge auf 4,8 cm.
von 5,7 cm zeigt, ohne großen Überstand am Plattenlager. c Aufnahme nach 3 Monaten: Es zeigt sich eine weitere Ver-
kürzung der Schraube auf 4,6 cm und ein weiterer Überstand
im Bereich des Plattenlagers.
Operative Versorgung 621

Abb. 23.14 Ein Beispiel für die Bedeutung von Traktionsaufnahmen.


a Links im Bild sieht man eine schwer zu beurteilende Fraktur und rechts die
Aufnahme unter Zug, wobei sich hier deutlich die gegenläufige Schrägfraktur
zeigt.
b Dadurch ändert sich ggf. die Operationsplanung auf ein festes Winkelsystem.
23
b

Abb. 23.15 Die Kräfte, die auf die


DHS wirken. Die gemeinsame Kraft ist
anhand des dicken Pfeiles sichtbar. Mit
einem hoch eingebrachten Implantat
verläuft die Schraube nahezu parallel
zur gemeinsamen Kraftachse und zeigt
so eine geringe Verklemmungsten-
denz. Wenn ein tiefer eingebrachtes
Implantat verwendet wird, reduziert
sich die gemeinsame Kraftachse unter
Steigerung der korrespondierenden
Verklemmungskraft. Somit wird das
Gleiten erschwert, und das Implantat
zeigt eher eine rigide Komponente.

werden. Wenn der M. vastus lateralis vom lateralen in- DHS. Mittels des Hohmann-Hakens lässt sich der M. vas-
tramuskulären Septum bis zur Linea alba des Femurs ab- tus lateralis hervorragend während der Osteosynthese
gehoben wurde, erfolgt die schonende Mobilisierung des beiseite halten.
Muskels vom Femurschaft. Beide Optionen ermöglichen Nach Schaffung eines ausreichenden Zugangswegs er-
einen adäquaten Zugangsweg für die Verwendung der folgt die Lokalisation des idealen Eintrittspunkts für den
622 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Abb. 23.16 Lateraler Zugang für die Implan-


tation der DHS.

23

Abb. 23.17 Der Bildwandler wird für den optimalen Eintritts- b Diese Bildserie zeigt die Drahtpositionierung im lateralen
punkt des Zieldrahts verwendet. Bild: Im linken Bild wurde der Draht zu weit anterior positio-
a Es werden nacheinander die Schritte der Drahtposition von niert und anschließend korrigiert von posterior nach anterior
links nach rechts gezeigt: Einbringung des Drahts, leichte Fehl- eingebracht, um die Antetorsion des Schenkelhalses zu berück-
lage des Drahts (zu superior) und Lage im Hüftkopfzentrum sichtigen.
nach Korrektur.

DHS-Zieldraht unter Bildwandlerkontrolle (Abb. 23.17). Zielgeräts wird der Draht durch den posterolateralen Kor-
Dieser Eintrittspunkt variiert je nach präoperativ ermit- tex Richtung Hüftkopfzentrum, unter Berücksichtigung
teltem Implantatwinkel. Für Winkelimplantate mit grö- der Antetorsion des Schenkelhalses, in leicht anteriorem
ßerem Winkel (mehr Valgus) liegt der Eintrittspunkt am Verlauf eingebracht. Dies ist der ideale Zeitpunkt, um
Femur distaler. Unter Verwendung des entsprechenden Implantatwinkel, Eintrittspunkt und Drahtverlauf anhand
Operative Versorgung 623

a b

Abb. 23.18 Die Tip-Apex-Distanz (TAD) wird für die Ermitt- b In diesem Beispiel beträgt die TAD 35 mm und liegt somit 23
lung der richtigen Position des Zieldrahts im Hüftkopf ge- über 1 cm über der gewünschten Distanz. Glücklicherweise
braucht. zeigte sich eine gute Frakturheilung.
a Ein Beispiel für eine ideale Schraubenpositionierung mit
einem Abstand der Schraubenspitze vom Apex von jeweils
≤ 1 cm in beiden Aufnahmen – in diesem Fall beträgt die
TAD 16 mm.

gewählt wird, was man dann in der lateralen und 20°-


Schenkelhalsaufnahme sehen kann. Wenn einer dieser
beiden Fehler auftritt, ist es unmöglich die Spitze des
Zieldrahts im Apex des Femurkopfs zu platzieren
(Abb. 23.17). Um eine zufriedenstellende Schraubenposi-
tion in den lateralen Aufnahmen zu erreichen, sollte das
Zielinstrument in einer posterolateralen Richtung gehal-
ten werden. Dies kompensiert die 20°-Antetorsion zwi-
schen Femurschaft und Schenkelhals. Der Zieldraht wird
dann zentral durch den Schenkelhals entgegen dem Apex
des Hüftkopfs geschoben. Ein proximaler Eintrittspunkt
würde die Schraube zu weit kranial positionieren und
somit ein mögliches Implantatversagen durch Ausschnei-
den der Schraube ermöglichen. Eine Winkeldiskrepanz
im Schaft-Hals-Bereich würde ebenfalls in einer schlech-
ten Zieldrahtposition enden. Weiterhin ist darauf zu ach-
Abb. 23.19 Der Bohrer wird über den Zieldraht bis zur vor- ten, dass das Zielinstrument flach auf dem Femurschaft
eingestellten Tiefe vorgebohrt. aufliegt, denn tut es dies nicht, so resultiert ein Spalt
zwischen lateralem Kortex und Platte.
Ein wichtiges Konzept, um die ideale Positionierung
aller 3 Bildwandleraufnahmen zu kontrollieren, bevor des Zieldrahts im Hüftkopf zu verstehen, ist die Tip-
mit der Operation fortgefahren wird (Abb. 23.17). Es müs- Apex-Distanz (TAD), welche von Baumgaertner et al. be-
sen häufig Änderungen am Zieldraht durchgeführt wer- schrieben wurde (16, 17). Die TAD ist ein Maß für den
den, inklusive der Wahl eines neuen Eintrittspunkts oder Abstand vom Apex des Femurkopfs zur Spitze des einge-
-winkels, bis dieser in allen 3 Bildansichten zentral im brachten Drahtes sowohl in der a.–p. als auch in der la-
Schenkelhals Richtung Hüftkopf verläuft. Nachdem die teralen Aufnahme. Die TAD ist die Summe des Abstands
korrekte Lage des Zieldrahts in allen 3 Bildebenen verifi- in Millimetern aus den gemessenen Abständen in der
ziert wurde, erfolgt das Vorschieben bis in den subchon- a.–p. Aufnahme und aus der lateralen Aufnahme
dralen Knochen zum Apex des Femurkopfs. (Abb. 23.18). Das Risiko eines Ausschneidens der Schrau-
Ein häufiger Fehler ist, dass der Eintrittspunkt des Ziel- be erhöht sich drastisch ab einer TAD > 25 mm (16, 17).
drahts zu weit anterior oder zu weit proximal am Femur
624 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Nachdem der Zieldraht richtig positioniert wurde, er- sehen, ob der Zieldraht in das Hüftgelenk vorstößt. All-
folgt die Messung der Bohrtiefe mit Bestimmung der gemein gilt, dass es nicht notwendig ist, bis zum Ende
Schraubenlänge. Die meisten Systeme berücksichtigen des Drahtes aufzubohren, sondern es sollte 5 mm vor
nicht die letzten 10 mm des Zieldrahts, sodass es sich Drahtende gestoppt werden. Nachdem der Bohrer die
als sinnvoll erwiesen hat, 5 mm zum gemessenen Wert vorgegebene Tiefe erreicht hat, muss man, um tiefer zu
zu addieren. An dieser Stelle sollte nun der Bohrer auf die bohren, die oben genannten Schritte in 5- bis 10-mm-
gemessene Länge eingestellt werden und langsam über Intervallen wiederholen. Der Zieldraht muss vor Einbrin-
den Zieldraht vorgeschoben werden (Abb. 23.19). Dies gung der Schraube in der richtigen Position im Hüftkopf
sollte vorsichtig unter Bildwandlerkontrolle erfolgen, da sein. Daher sollte dieser, sofern er im Aufbohrprozess
ein Durchstoßen des Zieldrahts in das Becken schwere herausgezogen wurde, erneut eingebracht werden.
Komplikationen hervorrufen kann (29). Bildwandlerkon- Der Gewindesschneider wird nun von Hand über den
trollen ermöglichen es dem Operateur Anpassungen der Zieldraht bis zur vorgegebenen Tiefe geführt. Dieser
Bohrtiefe während des Aufbohrens vorzunehmen und zu Schritt ist bei Patienten mit schlechter Knochenqualität

23

a b

c d

Abb. 23.20 Ein Beispiel für einen Plattenausbruch bei inadä- c A.–p. und laterale Aufnahme nach Revisionsoperation mit
quater Stabilisierung. einer längeren Platte.
a A.–p. und laterale Aufnahme nach Versorgung der pertro- d Finales Bild nach Frakturheilung.
chantären Fraktur mit einer 4-Loch-DHS.
b Eine Aufnahme nur 10 Tage nach Operation nach einem
leichten Sturz mit komplettem Plattenausbruch und Fraktur
des Femurschafts.
Operative Versorgung 625

nicht notwendig. Die durchbohrte Schraube mit der end- fache, als auch komplexe pertrochantäre Frakturen, sowie
gültigen Länge wird nun von Hand über den Zieldraht auch die intertrochantären Schrägfrakturen zu stabilisie-
vorgedreht, bis sie im subchondralen Knochen fest sitzt. ren (s. Abb. 23.11). Die intramedulläre Position dieser Im-
An diesem Punkt kann der Zieldraht entfernt werden, plantate erzielt einen mechanischen Vorteil gegenüber
und der Operateur kann mit der Platteneinbringung be- der DHS, da hier ein geringer Hebelarm zwischen Femur-
ginnen. kopf und gewichtstragender Achse des Implantats wirkt.
Die Platte wird über die eingebrachte Schraube geführt Die distale Verriegelung ist nicht schraubenabhängig, da
und auf den Knochen gedrückt, sodass sie entlang des der Nagel von intaktem kortikalen Knochen umgeben ist.
Femurschafts verläuft. Manche Systeme sind formschlüs- Die distal eingebrachte Schraube sichert die Rotationssta-
sig und benötigen daher eine korrekte Rotationsorientie- bilität des Implantats. Kompression wird auf die gleiche
rung der Schraube während der Einbringung, um eine Art und Weise wie bei der DHS erreicht. Wie bei der DHS
achsgerechte Lage der Platte am Knochen zu gewährleis- ermöglichen manche Marknägel die intraoperative Kom-
ten. Veränderungen an der Schraubenrotation können pression mittels Kompressionsvorrichtung.
anschließend gemacht werden, um eine gute Plattenlage Patientenlagerung und Frakturreposition erfolgen mit-
zu erreichen. Nach Andrücken der Platte wird diese mit tels Extensionstisch auf die bereits beschriebene Art und
dem proximalen Femurschaft mit 2 bikortikalen Schrau- Weise. Der Hautschnitt für die Implantation des Markna-
ben in regulärer Technik fixiert. 2 Schrauben sind für die gels erfolgt ca. 3 – 5 cm oberhalb des Trochanter major
meisten Frakturen ausreichend. In osteoporotischem mit 2 – 4 cm Länge. Er verläuft leicht von posterior nach
Knochen können allerdings mehrere Schrauben notwen- anterior in distaler Richtung, um achsgerecht mit dem 23
dig werden, um ein Ausreißen aus dem Femur zu verhin- leicht gebogenen Femurschaft zu verlaufen (Abb. 23.21).
dern (Abb. 23.20). Bei fettleibigen Patienten kann der Hautschnitt je nach
Man muss darauf achten, dass der Schaft der Hüft- Weichteilverhältnissen variieren. Es erfolgt das stumpfe
schraube genug Verbindung mit dem Gleitloch der Platte Präparieren auf die Faszie des M. gluteus medius. Diese
hat, um eine Impaktierung und Kompression zu ermögli- Faszie wird nun mit dem Skalpell scharf durchtrennt, und
chen. Wenn die Schraube zu kurz ist, besteht das Risiko, der Schnitt bis auf den Trochanter major fortgeführt, um
dass sich die Schraube von der Platte löst oder diese sich so einen adäquaten Instrumentenzugang über den Tro-
verklemmt und so zu schweren Komplikationen führen chanter zu ermöglichen. Anschließend wird der Füh-
kann. Alles in allem weist die DHS exzellente Ergebnisse rungsdraht über den Trochanter major eingebracht.
in der Versorgung von stabilen pertrochantären Femur- Der richtige Eintrittspunkt ist entscheidend für die Na-
frakturen auf. gelosteosynthese. Der Nagel muss sich am Trochanter im
anterioren Drittel (Kontrolle in der lateralen und 20°-
Schenkelhalsaufnahme), sowie im mittleren Apexanteil
Marknagel (Video 23-2, DVD 3)
in der a.–p. Aufnahme befinden (Abb. 23.22).
Allgemein gilt, dass antegrade Femurnägel für einen Ein- Nachdem der richtige Eintrittspunkt gefunden und
tritt in der Fossa piriformis oder an der Trochanter-ma- kontrolliert wurde, erfolgt das Einbringen des Führungs-
jor-Spitze entworfen wurden. Für dieses Kapitel werden drahts in die pertrochantäre Region ca. 3 cm tief. Dies
die letztgenannten als Trochanternägel bezeichnet. Tro- sollte entlang des Femurschafts in der lateralen Ansicht
chanternägel haben typischerweise eine leicht proximale und Richtung Trochanter minor im a.–p. Bild erfolgen.
Winkelbildung, um ihren exzentrisch liegenden Eintritts- Sofern ein Zieldraht verwendet wurde, muss dieser für
punkt zu erreichen. Außerdem haben sie einen dickeren
Durchmesser als Nägel, die für einen Eintritt in der Fossa
piriformis gemacht sind. Da bei pertrochantären Fraktu-
ren typischerweise die Region der Fossa piriformis mit-
betroffen ist, erfolgt meist die Verwendung von Trochan-
ternägeln für eine intramedulläre Osteosynthese. Außer-
dem ist der Eintrittspunkt am Trochanter major bei fett-
leibigen Patienten einfacher aufzufinden, als der in der
Fossa piriformis. Es gibt viele verschiedene Trochanterna-
gelvariationen: manche haben eine dicke Schenkelhals-
schraube (Gamma-Nagel) oder -Klinge (PFN-A), andere,
meist ältere Implantate, weisen 2 kleinere Schrauben
auf (PFN). Die meisten sind sowohl in kurz, als auch in
lang verfügbar. Diese Implantate erfordern dieselben Re-
positionsmechanismen wie bei der DHS, können jedoch
perkutan eingebracht werden, sofern eine gute Repositi-
on mit dem Extensionstisch erreicht werden kann. Tro-
chanternägel sind exzellente Implantate, um sowohl ein- Abb. 23.21 Inzision für den Trochanternagel.
626 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Abb. 23.22 A.–p. und laterale


Aufnahme während der Suche
nach dem Eintrittspunkt des
Trochanternagels. Der Zieldraht
wird im medialen Anteil des
Trochanters im a.–p. Bild und im
anterioren Drittel im lateralen
Bild eingebracht.

23

Abb. 23.23 Das proximale Femur wird vorsichtig überbohrt. Abb. 23.24 Der Zieldraht wird über die Fraktur in das distale
Femur eingebracht.

die spätere Nageleinbringung überbohrt werden, damit achten ist, dass der Zieldraht währenddessen nicht ver-
die Öffnung groß genug ist (Abb. 23.23). rutscht. Das Zieldrahtende sollte daher beim Entfernen
Der Zieldraht wird nun nach intramedullär weiter ge- des Bohrers mit einer Kocher-Klemme festgehalten wer-
schoben. Er sollte über den Isthmus des Femurs kommen, den. Bei Verdacht auf eine Dislokation des Zieldrahts soll-
um einen richtigen Sitz zu erreichen und zu vermeiden, ten erneut Bildwandlerkontrollen zur Überprüfung des
dass der Draht während des Aufbohrens zurück wandert. richtigen Sitzes durchgeführt werden. Eine weitere Mög-
Die Position des Drahtes sollte vor dem Aufbohren so- lichkeit ist die Platzierung eines Hakens lateral des Ein-
wohl in der a.–p. als auch lateralen Aufnahme kontrolliert trittspunkts des Bohrers. Durch Ausübung eines medialen
werden (Abb. 23.24). Widerstands über den Haken, ist es einfacher eine Late-
Nachdem die Lage des Zieldrahts überprüft wurde, ralisation des Eintrittspunkts sowie den Verlust von late-
müssen die pertrochantäre Region und der Markraum ralem Kortex am Trochanter major zu verhindern. Das
für die Nageleinbringung vorbereitet werden. Die meis- proximale Femur ist nun bereit für das Einbringen des
ten Nagelsysteme empfehlen einen proximalen und dis- Nagels.
talen Standardbohrdurchmesser für die spätere Nagelein- Der Marknagel wird nun mit dem Zielbügel versehen
bringung. Nachdem der distale Bohrdurchmesser erreicht und von Hand über den Zieldraht bis zum proximalen
wurde, sollte der Operateur für dem empfohlenen pro- Femur geführt (Abb. 23.26). Es ist darauf zu achten, kei-
ximalen Durchmesser nur noch die pertrochantäre Regi- nen Valgus- oder Varusstress bei Einbringen des Nagels
on mit dem breiteren Bohrteil bearbeiten (Abb. 23.25). auszuüben. Dies könnte zum Verlust der Frakturrepositi-
Der gesamte Aufbohrprozess sollte über einen flexiblen on, einer Ausweitung der Fraktur auf den Trochanter ma-
Bohrer entlang des Zieldrahts erfolgen, wobei darauf zu jor, Schenkelhals oder sogar auf den subtrochantären Be-
Operative Versorgung 627

Abb. 23.26 Der zusammengesetzte Nagel mit dem Zielinstru-


ment zur proximalen Verriegelung.

Abb. 23.25 Ein großer Bohrer (17 mm Durchmesser), der die


Trochanterregion zur Platzierung des Nagels aufbohrt.
23

Abb. 23.27 Die femorale Verriegelungs-


schraube bzw. Schenkelhalsschraube wird
unter Bildwandlerkontrolle eingebracht.
Der Zieldraht zeigt sich im Hüftkopfzen-
trum in beiden Aufnahmen.

reich nach sich ziehen. Der Nagel wird langsam über den dem entsprechenden Winkel verwendet werden. Sollte
Zieldraht geschoben, indem man eine a.–p. Rotationskraft der Zieldraht zu hoch oder zu tief im Schenkelhals sein,
über den Zielbügel ausübt. Die Eindringtiefe wird anhand empfiehlt es sich, ihn zu entfernen und die Nageltiefe zu
er a.–p. Aufnahme überprüft. Nach Erreichen der not- korrigieren.
wendigen Tiefe erfolgt das Einstellen des Zielbügels in Nachdem die richtige Tiefe und der richtige Winkel des
20° Antetorsion mit dem Femurkopf als Ziel. Die passen- Nagels bestimmt wurden, sollte der Zieldraht in der late-
de Tiefe des Nagels führt dazu, dass die Schenkelhals- ralen und 20°-Schenkelhalsaufnahme kontrolliert wer-
schraube im Zentrum des Hüftkopfs oder aber leicht in- den. Sollten Korrekturen notwendig sein, muss der Ziel-
ferior in der a.–p. Aufnahme liegt. draht vollständig entfernt werden, um die Antetorsion
Der Zieldraht für die Schenkelhalsschraube erfordert des Nagels korrigieren zu können. Der Zieldraht sollte
die Koordination mittels a.–p., lateraler und 20°-Schen- weiter unter Bildwandlerkontrolle vorgetrieben werden,
kelhalsaufnahme (Abb. 23.27). Sofern der Zieldraht richtig bis seine korrekte Position gefunden ist. Unter der latera-
platziert wurde, wird dieser im subchondralen Knochen len Ansicht wird der Zieldraht nun in den subchondralen
des Hüftkopfzentrums in allen 3 Aufnahmen zu sehen Knochen des Hüftkopfs geschoben. Die Lage des Drahtes
sein. Man sollte hierzu in der a.–p. Ansicht beginnen im Hüftkopfzentrum muss zusätzlich in der a.–p. Aufnah-
und den Zieldraht über das Zielinstrument zur Hälfte me überprüft werden, bevor die Schenkelhalsschraube
bis in den Schenkelhals unter Bildwandlerkontrolle vor- eingebracht wird. Es sollte versucht werden, die Schraube
bohren. Wenn der Verlauf des Zieldrahts nicht zum so nahe am Hüftkopfapex zu positionieren wie möglich.
Schenkelhalswinkel passt, sollte ein anderer Nagel mit Hierzu ist die Verwendung der TAD wie zuvor beschrie-
628 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

eine schmerzadaptierte Belastung auf die Osteosynthese-


versagerrate keinen Einfluss hat (31).
Eine erfolgreiche Rehabilitation hängt weniger von Ge-
schlecht, Frakturmuster oder Operationsverfahren ab,
sondern mehr vom Alter des Patienten und der Funktio-
nalität vor der Fraktur (32). Eine standardisierte Rehabi-
litation mit Physiotherapie und Betreuung durch einen
Sozialdienst hat keinen verbesserten Effekt auf die Rekon-
valeszenz im 3- und 6-Monatsintervall gezeigt (33).

Neue Techniken
Seit kurzem erfolgt die Evaluation der externen Stabili-
sierung als definitive Behandlungsoption bei pertrochan-
tären Frakturen. Moroni et al. haben in einer Serie von 40
Frakturen gezeigt, dass die externe Stabilisierung mit
einem Fixateur externe unter Verwendung von hydroxyl-
apatitbeschichteten Pins gegenüber der 135°-DHS in der
Abb. 23.28 Die DHS wird über den Zieldraht eingebracht.
23 Behandlung pertrochantärer Frakturen keinen Unter-
schied aufweist (34). Diese Technik erfordert eine gerin-
gere Operationszeit, reduziert den Blutverlust und zeigte
ben sinnvoll (S. 623 und Abb. 23.18). Nachdem die opti- ein geringeres postoperatives Schmerzlevel bei den Pa-
male Zieldrahtlage im Femurkopf gefunden ist, muss die tienten. Weiterhin zeigte sich eine erhaltene Fraktur-
Länge der Schenkelhalsschraube ermittelt werden. Das reposition über einen Zeitraum von 6 Monaten. Die ex-
Überbohren des Zieldrahts wird empfohlen, und hiernach terne Frakturstabilisierung wird weiterhin untersucht.
wird die Schenkelhalsschraube über den Draht in die Aufgrund der Tatsache, dass die meisten pertrochantä-
richtige Tiefe und Position im Hüftkopf eingebracht ren Frakturen in Zusammenhang mit Osteoporose stehen,
(Abb. 23.28). Der systemspezifische Gleitmechanismus ist die Verwendung von Knochenzement von wachsen-
sollte gespannt werden, damit eine Frakturkompression dem Interesse. Traditionell wird Knochenzement (PMMA)
erreicht wird. Eine distale Verriegelung des Nagels wird in Bereichen schwerer Trümmerzonen verwendet (35).
für instabile Frakturen mit Rotationsinstabilität empfoh- Aufgrund der Tatsache, dass PMMA nicht resorbierbar
len. ist und die Knochenheilung stören kann, steigt das Inte-
resse an resorbierbaren Zementen. Aktuell stehen eine
Reihe von Kalziumphosphatzementen zur Verfügung,
Winkelstabile Implantate (95°)
welche es dem Operateur ermöglichen, stark zertrüm-
Winkelstabile Implantate, wie die Klingenplatte oder die merte Areale oder osteoporotischen Knochen aufzufül-
dynamische Kondylenschraube haben nur einen beding- len, um die Stabilität der Osteosynthese zu erhöhen und
ten Nutzen bei pertrochantären Frakturen. Ihre Verwen- einen Frakturkollaps zu vermeiden. In einem biomecha-
dung beschränkt sich auf instabile Frakturen wie die ge- nischen Modell haben Elder et al. gezeigt, dass die aug-
genläufige Schrägfraktur. Die Indikationen und Techniken mentierte Stabilisierung mit Norian SRS eine erhöhte Fes-
dieser Implantate werden ausführlich in Kap. 24 bespro- tigkeit der Fraktur und nur ein geringes Sintern der DHS
chen. zeigt (36). Diese Autorengruppe hat ebenfalls hervor-
gehoben, dass die mediale Oberflächenbeanspruchung
der Platte bei der Augmentation sogar niedriger ist als
Rehabilitation
die laterale Oberflächenbeanspruchung. Allerdings zeigte
Die allgemein durchgeführte postoperative Nachbehand- sich kein signifikanter Unterschied der Versagerrate zwi-
lung bei pertrochantären Frakturen erfordert eine Anti- schen norianaugmentierten und Kontrollfällen (36). Die
biotikagabe innerhalb der ersten 24 h sowie eine Throm- Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass eine augmen-
boseprophylaxe. Hierzu wird ein Cephalosporin der ers- tierte Versorgung instabiler pertrochantärer Femurfrak-
ten oder zweiten Generation verwendet. Sowohl eine ak- turen die Frakturstabilität erhöht, die Gewichtsverteilung
tive als auch eine passive Thromboseprophylaxe wird verbessert, zu einer reduzierten Fraktursinterung führt
empfohlen. Patienten dürfen schmerzadaptiert belasten, und den mechanischen Stress auf die DHS reduziert
da sie in der Regel ihr operiertes Bein entsprechend dem (36). In einer anderen Studie wiesen norianaugmentierte
Schmerzausmaß schützen (30). Koval et al. haben gezeigt, Osteosynthesen eine geringere Verkürzung (1 mm vs.
dass Patienten mit instabilen Frakturen ihr Bein stärker 17 mm) und die doppelte Steifigkeit gegenüber den Kon-
schonen als Patienten mit stabilen Frakturen (30). In trollen auf (37).
einer weiteren Studie haben Koval et al. gezeigt, dass
Resultate 629

Wie auch in anderen Feldern der Unfallchirurgie steigt Technik mit der Einführung der perkutanen Kompressi-
das Interesse an minimalinvasiven Operationsmethoden. onsplatte bei pertrochantären Femurfrakturen erwähnen
Di Paola et al. haben eine minimalinvasive Technik für die (39). Dieses Implantat hatte eine geringe Komplikations-
Implantation der DHS präsentiert (38). Auch muss man rate in einer unabhängigen Studie mit 130 Patienten (40).
Gotfried für die Fortschritte in der minimalinvasiven

Tipps und Tricks


■ Die 20°-Schenkelhalsansicht mit dem Bildwandler er- ■ Gewindeschneiden ist bei vielen älteren, osteoporoti-
möglicht die beste Darstellung zur präoperativen Pla- schen Patienten nicht notwendig.
nung, da sie die Frakturanatomie und den wahren ■ Es ist sicherzustellen, dass bei der DHS die Hüftschraube
Schenkelhalswinkel zeigt. im Plattenlager ausreichend gleiten kann, um so Kom-
■ Die Frakturreposition muss vor der eigentlichen Osteo- pression und Impaktion zu ermöglichen. Sollte die
synthese erfolgen, da nach Implantierung eine Korrektur Schraube zu kurz sein, besteht das Risiko, dass sie sich
nicht mehr möglich ist. im Gleitlager verklemmt und ausbricht.
■ Vorsicht ist hinsichtlich eines posterioren Abrutschens ■ Die Einbringung des Nagels erfolgt im anterioren Drittel
des distalen Fragments geboten; es empfiehlt sich die- des Trochanter major in der lateralen und 20°-Schenkel-
ses manuell während der Osteosynthese zu verhindern. halsaufnahme, sowie im medialen Drittel der Trochanter-
■ Das Verwenden einer Repositionszange vom medialen spitze in der a.–p. Aufnahme. 23
Kalkar zum lateralen Femurschaft erleichtert das Halten ■ Es ist hilfreich, während des Bohrens einen Haken am
der Frakturreposition (s. Abb. 23.9). lateralen Eintrittspunkt zu platzieren. Durch die so mög-
■ Ein allgemeiner Fehler bei der Einbringung des DHS-Ziel- liche mediale Kraftausübung können eine Lateralisation
drahts ist eine zu weit anteriore oder proximale Position oder ein Kortexverlust des Trochanter major verhindert
am Femurschaft, wie im 20°-Schenkelhalsbild zu sehen werden.
ist. Wenn einer dieser beiden Fehler passiert, ist es un- ■ Immer den Nagel nach dem Aufbohren per Hand einfüh-
möglich den Zieldraht im Hüftkopfzentrum zu platzie- ren, um eine Frakturierung des Femurschafts zu verhin-
ren. Um einen korrekten Sitz des Zieldrahts zu ermögli- dern.
chen, sollte dieser unter lateraler Bildwandlerkontrolle ■ Generell sind lange Femurnägel besser, da sie seltener
von posterolateral eingebracht werden. Dies berücksich- Perimplantatfrakturen am distalen Implantatende her-
tigt die 20°-Antetorsion des Schenkelhalses. vorrufen und eine geringere sekundäre Frakturdislokati-
■ Nach dem Messen der Schenkelhalsschraube ist zu be- on aufweisen. Es ist auf die Krümmung (Antekurvatur)
achten, dass die meisten Systeme die 10 mm des Ziel- des Femurs gegenüber dem Nagel zu achten, um eine
drahtendes nicht mitberechnen; deshalb empfiehlt es anteriore distale Perforation zu verhindern.
sich 5 mm zu addieren. ■ In schwer osteoporotischen Patienten kann eine aug-
■ Allgemein sollte nicht bis zur Spitze des Zieldrahts auf- mentierte Frakturversorgung hilfreich sein. Unter diesen
gebohrt werden. Es empfiehlt sich ca. 5 mm vorher zu Umständen sollte mit Zement (PMMA) augmentiert wer-
stoppen. den.

Resultate denden Faktoren für das Ergebnis die Funktionalität vor


der Fraktur ist (41). Von allen proximalen Femurfraktu-
Die Ergebnisse bei pertrochantären Femurfrakturen sind ren haben die Patienten mit instabilen pertrochantären
bisher nicht ausreichend beschrieben. In der Vergangen- Frakturen das schlechteste funktionelle Ergebnis, wobei
heit galten ein Überleben des Patienten und die Fraktur- in dieser Gruppe zu berücksichtigen ist, dass es sich in
heilung als erfolgreich. Funktionelle Messungen wurden der Regel um ein funktionseingeschränktes Kollektiv vor
bisher nicht detailliert durchgeführt. Hinsichtlich der Frakturereignis handelt (41).
Frakturheilung stellen Osteoporose, Frakturgeometrie Operateure, welche pertrochantäre Frakturen behan-
und Operationstechnik wichtige Prognoseparameter für deln, können aus 2 Therapieoptionen wählen: DHS oder
das Resultat dar. Insbesondere zur Optimierung des Er- Marknagel. Die DHS stellt sicherlich den Goldstandard für
gebnisses muss der Operateur die Fraktur anatomisch re- stabile Frakturen dar, jedoch führt der Mechanismus des
ponieren, das ideale Implantat wählen und dieses korrekt Gleitens nicht nur zu einer gesteigerten Frakturstabilität,
einbringen. Diese Maßnahmen wurden bereits ausführ- sondern auch zu einem Verlust des femoralen Offsets
lich in den vorangegangenen Ausführungen diskutiert. sowie der Beinlänge. Marknägel ermöglichen durch ihre
Mittlerweile ist die Ergebnisanalyse dank neuerer Test- größere Stabilität und intramedulläre Lage eine Fraktur-
verfahren und Hüftfunktions-Scores einfacher. Interes- heilung mit geringerer Deformität und eine bessere Funk-
santerweise zeigen diese Scores, dass einer der entschei- tion der Abduktoren (7, 42). Eine kürzlich veröffentlichte
630 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Studie zeigt einen deutlichen Vorteil in der Versorgung turreposition und Reoperationsrate. Die Überlebensrate
instabiler Frakturen mit dem Gammanagel hinsichtlich ist gut, und die meisten Patienten können zu ihrem Le-
der Gehfähigkeit (27). Viele vergleichende Studien wur- bensstandard zurückkehren (44).
den bereits hierzu veröffentlicht, weisen jedoch häufig
methodische Limitierungen auf, was einen genaueren
Vergleich erschwert. Diesbezüglich haben Parker u. Komplikationen
Handoll eine zusammenhängende Metaanalyse im Rah-
men der Cochrane Library of systemic Reviews durch- Komplikationen nach pertrochantären Femurfrakturen
geführt (43). In ihrem letzten halbjährlich erscheinenden können in systemische und lokale Komplikationen einge-
Bericht wurden 32 randomisierte klinische Untersuchun- teilt werden. Systemische Komplikationen beinhalten vor
gen analysiert. 20 von diesen, mit insgesamt 3646 Patien- allem Mortalität, Herzinfarkt, Thromboembolie und
ten, stellten den Gammanagel der DHS gegenüber. Pa- Druckulzera. Da pertrochantäre Frakturen vor allem bei
tienten, welche mit einem Gammanagel versorgt wurden, multimorbiden Patienten auftreten, ist die Mortalität er-
wiesen ein erhöhtes Risiko für eine intra- und postope- höht. White et al. haben berechnet, dass die Standard-
rative Fraktur, sowie eine erhöhte Reoperationsrate auf. mortalität bei Patienten mit proximaler Femurfraktur
Die Anzahl an Wundinfekten, Mortalität und medizi- sechsmal höher ist als die der altersentsprechenden All-
nischen Komplikationen war in beiden Gruppen gleich. gemeinbevölkerung (45). Die Mortalität ist bei nierenin-
Eine weitere Analyse war nicht möglich. suffizienten Patienten (63 %; 46), Malnutrition (70 %; 47)
23 5 andere Studien mit einer Gesamtgröße von 623 Pa- und Diabetes (80 %; 48) dramatisch erhöht. Weitere Fak-
tienten verglichen eine intramedulläre Hüftschraube mit toren, welche mit einer erhöhten Mortalität einhergehen,
der DHS. Wiederum zeigte sich eine erhöhte Frakturkom- sind Verzögerung der Operation für mehr als 24 Stunden,
plikationsrate bei der intramedullären Schraube. Genauer Demenz, postoperative Pneumonie, Malignome, fort-
genommen zeigten sich intraoperative Frakturen nur in geschrittenes Alter und eine tiefe Wundinfektion (49).
der mit Nagel versorgten Gruppe. Ähnlich den Resultaten Patienten mit Hüftfrakturen gehören zu der höchsten Ri-
des Gammanagels und der DHS zeigte sich auch hier kein sikogruppe für ein thromboembolisches Ereignis und
Unterschied bei Mortalität, postoperativen Komplikatio- sollten daher alle eine medikamentöse Prophylaxe erhal-
nen oder funktionellem Ergebnis. Ein paar wenige Studi- ten. Kompressionsstrümpfe oder mechanische Kompres-
en haben sich mit neueren Implantaten wie z. B. dem sionspumpen haben ebenso einen deutlichen Effekt hin-
proximalen Femurnagel oder der Medoff Sliding Plate sichtlich der Reduktion von tiefen Beinvenenthrombosen
befasst, konnten jedoch keinen ausreichenden Beweis gezeigt (50). Eine relativ neue Substanz, Fondaparinux, ist
für ein besseres Ergebnis zeigen. 2 Studien mit einer An- ein synthetischer Faktor-Xa-Inhibitor, welcher die einzig
zahl von 65 Patienten, welche eine gegenläufige Schräg- zugelassene orale Substanz zur Prävention von TVT bei
fraktur auf Höhe des Trochanter minor aufwiesen, zeig- Hüftfrakturen ist. In einer großen, randomisierten kli-
ten, dass Marknägel (Gammanagel oder proximaler Fe- nischen Studie wurde Fondaparinux mit Lovenox vergli-
murnagel) ein besseres intraoperatives Resultat mit ge- chen und wies hinsichtlich venöser Thromboembolien
ringeren Frakturrepositionskomplikationen gegenüber eine Inzidenz an Tag 11 von 8,3 % (52 von 626 Patienten)
extramedullären Implantaten aufwiesen (DHS oder 95°- gegenüber 19,1 % (119 von 624 Patienten) in der Enoxa-
Platte). Zusammenfassend kann man anhand der Coch- paringruppe auf (p < 0,001; 51). Die Risikoreduktion
rane-Analyse sagen, dass die DHS für die meisten pertro- unter Fondaparinux lag bei 56,4 % (95 % KI, 39,0 – 70,3 %).
chantären Frakturen das geeignete Mittel ist. Marknägel Entscheidend ist, dass es keine Unterschiede hinsichtlich
zeigen jedoch für instabile Frakturtypen, wie die gegen- schwerer Blutungskomplikationen oder Todesfälle in bei-
läufige Schrägfraktur und subtrochantäre Frakturen den Gruppen gab (51). Für Patienten, welche sich einer
einen Vorteil (43). Hüftoperation unterziehen, werden Fondaparinux, nie-
Eine detailliertere Studie zum Ergebnis pertrochantä- dermolare Heparine, Warfarin (INR 2,5; 2,0 – 3,0) oder
rer Femurfrakturen wurde kürzlich von Chirodian et al. unfraktioniertes Heparin empfohlen. Diese Richtlinien
mit 1024 konsekutiven Patienten, welche mittels DHS empfehlen die Gabe dieser Prophylaxe für mindestens
versorgt wurden, veröffentlicht (44). Das Durchschnitts- 10 Tage (52).
alter betrug 82 Jahre, und 78 % der Patienten waren Frau- Lokale Komplikationen beinhalten Wundinfektionen,
en. 75 % der Frakturen wurden als instabil eingestuft. Im Frakturheilungsstörungen, Frakturdislokation und Im-
1-Jahres-Follow-up waren 69 % der Patienten noch am plantatdislokation. Wundinfektionen sind bei den multi-
Leben. Die Mehrheit (95 %) hatte keine oder nur geringe morbiden Patienten häufig. Patienten, die sich einer Hüft-
Schmerzen, 85 % fanden zurück in ihren Lebensstandard operation unterziehen, benötigen eine intravenöse Anti-
und 50 % erreichten wieder ihr Mobilitätsniveau wie vor biotikaprophylaxe. Southwell-Keely et al. haben kürzlich
der Fraktur. 4 % wiesen Komplikationen hinsichtlich der das Ergebnis einer Metaanalyse veröffentlicht und 15
Frakturreposition auf, und 3 % mussten einer Revisions- randomisierte klinische Studien zu diesem Thema gefun-
operation unterzogen werden. Diese Daten belegen eine den. Es konnte gezeigt werden, dass eine Antibiotikapro-
geringe Komplikationsrate der DHS hinsichtlich der Frak- phylaxe im Vergleich zum Placebo die Wundinfektions-
Komplikationen 631

Abb. 23.29 Beispiel eines Z-Effekts. In der linken Aufnahme ternagels mit 2 langen Verriegelungsschrauben. Im rechten
zeigt sich eine 3-teilige pertrochantäre Femurfraktur mit Varus- Bild zeigt sich das entgegengesetzte Auswandern der langen
angulation sowie einem dislozierten posterioren Pfeiler. In der Schrauben (Fall von William Ricci, MD). 23
Mitte sieht man die Versorgung mittels eines kurzen Trochan-

rate reduziert und gleichermaßen effektiv hinsichtlich einem Sturz 6 Wochen postoperativ wegen Implantatlo-
oberflächlicher und tiefer Infektionen ist (53). Eine ein- ckerung erfolgreich revidiert werden. Die durchschnitt-
malige Dosierung zeigte sich ebenso effektiv wie multiple liche Beinverlängerung nach Osteotomie betrug 2 cm (Be-
Dosierungen. Weiterhin zeigte sich eine Reduktion von reich 1 – 5 cm). Alle Patienten erreichten eine Hüftbeu-
Harnwegsinfekten, jedoch keine Beeinflussung der Mor- gung von mehr als 90°, was den Hüftscore von Harris
talität (53). von 73 auf 92 Punkte erhöhte. Eine sekundäre Arthrose
Eine sekundäre Frakturdislokation ist eine häufige oder eine avaskuläre Hüftkopfnekrose traten in keinem
Komplikation und zeigt sich vor allem bei Osteoporose Fall auf, sodass gesagt werden kann, dass die Valgisierung
und starker Fragmentierung. Zahlreiche Studien haben pertrochantärer Femurfrakturen bei Mal- oder Nonunion
gezeigt, dass die Knochenqualität, Frakturstabilität, Frak- eine effektive Behandlungsmöglichkeit darstellt (54).
turreposition, Implantatwahl und die Implantatpositio- Wenn die Implantatlockerung mit einem Auswandern
nierung das Ergebnis beeinflussen (2, 4, 16). Die richtige oder einer Protrusion der Schraube im Hüftkopf assozi-
Lage des Implantats im Hüftkopf, wie durch die TAD er- iert ist, wird eine prothetische Versorgung notwendig.
mittelt, ist Voraussetzung, um eine stabile Osteosynthese Haidukewych u. Berry haben über die Erfahrung der
zu erhalten (16). Unabhängig von der Qualität der Frak- Mayo Clinic mit 60 Patienten berichtet, welche eine En-
turreposition und -stabilisierung zeigt die DHS in insta- doprothese bei Revisionen von pertrochantären Fraktu-
bilen Frakturen ein erhöhtes Maß an Stabilitätsverlust. ren erhielten (55). Hüfttotalendoprothesen wurden bei
Marknägel zeigen demgegenüber ein besseres Ergebnis 32 Patienten implantiert; ¾ hatten eine zementierte
(5). Allerdings hat sich ein eigentümlicher Effekt, bekannt Pfanne, 27 erhielten eine Duokopfprothese und einer
als Z-Effekt, bei der Versorgung instabiler Frakturen mit eine unipolare Femurprothese. Von 44 nachuntersuchten
einem kurzen Trochanternagel mit 2 Verriegelungs- Patienten über einen Zeitraum von 5 Jahren wiesen 39
schrauben gezeigt. Aufgrund der unterschiedlichen Belas- keine oder nur leichte Schmerzen und 5 mittlere Schmer-
tungsformen der Schrauben (eine unter Spannung, eine zen auf. Unter den Patienten mit mittleren Schmerzen lag
unter Kompression) versagt diese Osteosynthese: wäh- die Hauptschmerzregion im Bereich des Trochanter ma-
rend eine Schraube sich lockert, wandert die andere in jor. 40 Patienten konnten gehen, 26 mittels einer Unter-
den Hüftkopf (Abb. 23.29). armgehstütze oder ohne Hilfsmittel. 12 Patienten hatten
Wenn eine Pseudarthrose entsteht, gibt es 2 Möglich- insgesamt 13 postoperative Komplikationen. Die Über-
keiten: Prothesenversorgung mit einem langen Schaft lebensrate bezogen auf ein Implantatversagen zeigte
oder eine erneute Frakturreposition und Stabilisierung sich bei 100 % nach 7 und bei 87,5 % nach 10 Jahren. Die
in Verbindung mit einer Valgusosteotomie. Bartonicek et Autoren heben hervor, dass die Implantation einer Hüft-
al. berichten über 15 Patienten, die eine Varusfehlstellung prothese eine gute Option bei Versagen nach osteosyn-
bzw. eine Pseudarthrose nach pertrochantärer Femur- thetisch versorgten pertrochantären Frakturen darstellt,
fraktur aufwiesen, welche anschließend mittels einer Val- weisen jedoch darauf hin, dass hier meist eine Lang-
gusosteotomie behandelt wurden (54). 14 Patienten schaftprothese bzw. ein sich distal verankernder Schaft
(93 %) heilten komplikationslos. Ein Patient musste nach benötigt wird (55).
632 23 Pertrochantäre Femurfrakturen

Merke

■ Eine instabile Fraktur wird von einer stabilen Fraktur durch ■ Die DHS bietet eine sehr gute Versorgung stabiler pertro-
das Vorhandensein eines oder mehrer Fragmente im Be- chantärer Frakturen. Bei instabilen Frakturen zeigt die Ver-
reich des Trochanter minor unterschieden. wendung eines Marknagels Vorteile, vor allem bei inter-
■ MRT-Diagnostik ist ein geeigentes Mittel okkulte pertro- trochantären Frakturen (19).
chantäre Frakturen frühzeitig zu erkennen, insbesondere ■ Der wichtigste biomechanische Vorteil intramedullärer Im-
gegenüber der CT und Szintigrafie (11). plantate gegenüber externen ist der geringere Hebelarm.

Inhalt der DVDs

Video 23-1 (DVD 3) Offene Reposition und Osteosynthese Video 23-2 (DVD 3) Marknagelung einer instabilen pertro-
einer pertrochantären Fraktur mit DHS. Dieses Video zeigt chantären Fraktur. Dieses Video zeigt die Verwendung von
die offene Reposition und Osteosynthese einer pertrochan- Marknägeln zur Behandlung von pertrochantären Frakturen.
tären Fraktur nach Hochrasanztrauma durch Skiunfall eines Es werden der korrekte Ansatzpunkt und Indikationen für
45 Jahre alten Mannes. Wir zeigen die korrekte Platzierung eine Marknagelung diskutiert.
23 der Schrauben im Femurkopf und Schenkelhals um ein Aus-
schneiden zu vermeiden, sowie die Tip-Apex-Distanz.

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634 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

24 Subtrochantäre Femurfrakturen
S. H. Sims
Übersetzer: C. Horn, M. Neumaier, U. Stöckle

Subtrochantäre Frakturen des proximalen Femurs kön- chanterica, wodurch eine intramedulläre Fixation in die-
nen besonders herausfordernd sein und verlangen beson- sem Bereich wegen der Gefahr einer nicht ausreichend
dere Überlegungen, um dauerhaft zufriedenstellende Er- stabilen Fixierung des Nagels und dem dadurch erhöhten
gebnisse zu erreichen. Die subtrochantäre Region be- Risiko von Pseudarthrosenbildung unvorteilhaft er-
schreibt ein Areal, welches sich ab dem Unterrand des scheint. Marknägel füllen den weiten proximalen Mark-
Trochanter minor bis 5 cm nach distal erstreckt, oder an- raum nicht aus. Wenn der Nagel über die Frakturzone
ders gesagt am Übergang zwischen mittlerem und pro- getrieben wird, führt dies daher nicht immer zu einer
ximalem Drittel des Femurschafts liegt (Abb. 24.1). Lang- Reposition der Fragmente, wie dies bei Frakturen im
streckige Frakturen, die ihre größte Dislokation in diesem mittleren Schaftbereich beobachtet werden kann. Wenn
Bereich aufweisen, werden als subtrochantäre Frakturen die Fraktur beim Einbringen des Nagels nicht in korrekter
bezeichnet, auch wenn manche Frakturen weiter nach axialer Ausrichtung steht, wird sie in dieser fehlerhaften
proximal in die Trochanterregion oder weiter nach distal Ausrichtung verbleiben; daher muss die Fraktur in repo-
in den Femurschaft hineinreichen. Subtrochantäre Frak- nierter Stellung gehalten werden, während die intrame-
turen haben eine zweigipfelige Altersverteilung (1–5). dulläre Fixierung vorgenommen wird.
Frakturen, die bei jungen Patienten auftreten, sind meist In der subtrochantären Region müssen unter Umstän-
24
Folgen von Hochrasanztraumen und zeigen daher oft eine den spezielle Repositionstechniken angewandt werden,
ausgeprägte Trümmerzone, während bei älteren Patien- da auf den Frakturbereich starke Kräfte wirken, die der
ten die Frakturen eher durch einfache Stürze verursacht Reposition entgegenstehen. Biomechanisch kommt es im
werden. subtrochantären Bereich zu einer hohen Spannungskon-
Charakteristische Merkmale von subtrochantären Frak- zentration, die nicht selten zu einem Implantatversagen
turen, die deren Behandlung erschweren, ergeben sich führt (6).
aus besonderen anatomischen und biomechanischen Ge- Am proximalen Femur setzen starke Muskeln an, die
gebenheiten. Die subtrochantäre Region des Femurs be- auf den Frakturbereich wirken und eine Reposition er-
steht hauptsächlich aus kortikalem Knochen, der zu schweren. Die Mm. glutei medius und minimus inserie-
Trümmerfrakturen neigt und eher langsam heilt. Der fe- ren am Trochanter major und wirken als starke Abdukto-
morale Markraum erweitert sich in der Regio intertro- ren. Die Mm. piriformis, gemellus inferior und gemellus
superior inserieren ebenfalls in diesem Gebiet und wir-
ken als Außenrotator der Hüfte. Der M. iliopsoas setzt am
Trochanter minor an und wirkt als Flexor und Außenro-
tator der Hüfte. Diese Muskeln führen zu der für diese
Fraktur typischen Dislokationsstellung der Fragmente
(Abb. 24.2). Das proximale Fragment ist flektiert, abdu-
ziert und außenrotiert. Das distale Fragment ist adduziert
und durch die Wirkung der ischiokruralen Muskulatur
und der Adduktoren verkürzt. Anders als bei vielen an-
deren Frakturen, bei denen die Reposition dadurch er-
reicht wird, dass das distale Fragment in achsgerechte
Stellung zum feststehenden, proximalen Fragment ge-
bracht wird, müssen bei dieser Frakturform beide Frag-
mente manipuliert und gegeneinander reponiert werden.
Es ist nicht möglich durch Reposition nur des unteren
Fragments eine achsengerechte Reposition zu erreichen.
Dieses Verständnis ist unerlässlich, um eine zufrieden-
stellende Reposition zu erreichen, gleich welche Form
der Osteosynthese gewählt wird.
Die hohen mechanischen Spannungen in diesem Be-
reich ergeben sich aus dem Körpergewicht, welches axia-
le Kompression aufbaut und den Zugkräften, die durch
Abb. 24.1 Darstellung der subtrochantären Region am die Muskeln, die im Frakturbereich ansetzten, erzeugt
Femur. werden. Diese Kräfte wurden in zahlreichen Studien un-
Klassifikation 635

M. iliopsoas

M. gluteus
medius

M. gluteus
minimus

IA IB

Adduktoren-
muskeln
24

Abb. 24.2 Die Muskelansätze am proximalen Femur sind für II A IIB


die typische Fehlstellung von subtrochantären Frakturen ver-
antwortlich. Abb. 24.3 Die Russell-Taylor-Klassifikation für subtrochantäre
Frakturen.

tersucht. Die Kompressionskräfte sind etwa 2,5 – 7,5 cm vom Typ IA betreffen weder den Trochanter minor noch
distal des Trochanter minor an der medialen Kortikalis die posteromediale Säule; die Fraktur verläuft unterhalb
am größten und können mehr als 800 Newton pro cm2 des Trochanter minor, weshalb für solche Frakturen nor-
erreichen (6). Dieses Gebiet ist der am stärksten belastete male Verriegelungsnägel mit einer Standardverriegelung
Knochenabschnitt im Körper. An der lateralen Kortikalis verwendet werden können. Bei Frakturen vom Typ IB ist
werden die größten Zugkräfte, die etwa 25 % geringer der Trochanter minor vom proximalen Fragment abge-
sind, etwas weiter proximal erreicht (6). rissen. Diese Frakturen können daher nicht mit normalen
Verriegelungsnägeln versehen werden, sondern benöti-
gen einen Nagel, der eine proximale Verriegelung im
Klassifikation Schenkelhals erlaubt. Frakturen der Gruppe II reichen
bis in die Fossa piriformis und/oder das Trochantermassiv
Für subtrochantäre Frakturen wurden zahlreiche Klassi- und eignen sich daher nicht für eine intramedulläre Fi-
fikationen vorgeschlagen. Die meisten dieser Klassifika- xierung, die auf einen Eintrittspunkt in der Fossa pirifor-
tionen sind gegenwärtig nicht nützlich und werden zu- mis angewiesen ist. Diese Frakturen werden am besten
gunsten der klinisch relevanten Klassifikationen nicht mit einer 95°-Winkelplatte oder einem Trochanternagel
weiter diskutiert. wie etwa dem Gamma-Nagel oder dem proximalen Fe-
Die Russell-Taylor-Klassifikation richtet sich danach, ob murnagel (PFN) mit Eintrittspunkt über dem Trochanter
der Trochanter minor und die posteromediale Säule vom major versorgt. Frakturen der Gruppe IIA beziehen den
proximalen Hauptfragment gelöst sind und ob die Fraktur Trochanter minor nicht ein und haben daher eine intakte
in den Trochanter major und die Fossa piriformis hinein- posteromediale Säule. Frakturen der Gruppe IIB zeigen
reicht (Abb. 24.3; 2). Diese Klassifikation ist besonders einen Abriss des Trochanter minor und eine mehrfach
hilfreich, um ein biomechanisch passendes Implantat für frakturierte Fossa piriformis und daher keine intakte pos-
die definitive Versorgung zu wählen. Frakturen der Grup- teromediale Säule. Dies hat Auswirkungen auf die Be-
pe I zeigen keine Frakturausläufer in die Fossa piriformis handlung und erhöht das Risiko für ein Implantatver-
und/oder den Trochanter major und eignen sich daher sagen.
hervorragend für eine Versorgung mittels eines Markna- Die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteo-
gels, welcher an der Fossa piriformis eintritt. Frakturen synthesefragen / Orthopedic Trauma Association (AO/
636 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

OTA) betrachtet subtrochantäre Frakturen als diaphysäre plantate. Marknägel werden typischerweise minimalin-
Frakturen (7). Der Femurschaft wird dabei durch die Zah- vasiv eingebracht. Bei stark dislozierten Frakturen oder
lenkombination 32 klassifiziert (Femur: 3, Diaphysenseg- instabilen Frakturen muss aber eventuell eine offene Re-
ment: 2). Die proximale Grenze des diaphysären Seg- position durchgeführt werden, bevor der Nagel einge-
ments ist eine horizontale Linie, die durch die untere bracht werden kann. Demgegenüber müssen plattenos-
Begrenzung des Trochanter minor reicht. Obwohl diese teosynthetische Versorgungen von Femurfrakturen fast
Klassifikation bei der klinischen Versorgung dieser Frak- immer offen durchgeführt werden. Allerdings gibt es
turen selten angewandt wird, ist sie doch nützlich, wenn mittlerweile auch minimalinvasive Techniken der indi-
die Fraktur genau beschrieben werden soll oder Daten im rekten Frakturreposition und dementsprechend auch
Rahmen von Nachuntersuchungen erhoben werden. vorgeformte winkelstabile Implantate (11–16).
Intramedulläre Implantate umfassen den antegraden
Femurnagel mit proximaler Standardverriegelung durch
Konservative Behandlung Verriegelungsbolzen im Schaftbereich, solche mit Schrau-
benverriegelung im Kopf-Hals-Bereich des Femurs und
Die konservative Behandlung spielt beim erwachsenen die am häufigsten verwendeten Nägel mit Eintrittspunkt
Patienten keine Rolle. Sie benötigt eine lange Phase der am Trochanter major und großer Schenkelhalsschraube
Immobilisierung mit einer deutlichen Erhöhung der Mor- wie den Gamma-Nagel oder den PFN. An Platten stehen
bidität und Mortalität. Ebenso zeigt die nichtoperative die 95°-Winkelplatten, die 95° dynamische Kondylen-
Behandlung ein hohes Maß an Komplikationen wie schraube (DCS), die dynamische Hüftschraube (DHS),
Pseudarthrosen, Fehlstellungen und Weichteilprobleme. und seit einigen Jahren auch winkelstabile Implantate
Die konservative Behandlung ist – wenn überhaupt – wie die LCP (Locking Compression Plate) proximales
dem seltenen Fall des immobilen Patienten mit einem Femur zur Verfügung. Starre, nichtdynamische Winkel-
24
Niedrigenergietrauma und nur geringen Schmerzen vor- platten werden zur Versorgung subtrochantärer Fraktu-
behalten, wenn eine Operation für den Patienten als zu ren bislang bevorzugt, da dynamische Implantate (dyna-
risikoreich erachtet wird oder keine Aussicht auf Erfolg mische Kondylenschraube und dynamische Hüftschrau-
besteht. be) mit einer höheren Komplikationsrate behaftet sind.
Dies gilt besonders dann, wenn die Hauptfragmente
eine nach medial ansteigende Frakturlinie aufweisen
Indikationen für operative Behandlung (Abb. 24.4; 18–20). Die Indikation für die unterschiedli-
chen Implantate mit ihren Vor- und Nachteilen sowie
Die Behandlung subtrochantärer Frakturen ist bei er- die einzelnen OP-Techniken werden im Folgenden be-
wachsenen Patienten primär operativ. Die operativen schrieben.
Möglichkeiten umfassen Platten oder intramedulläre Im-

a b

Abb. 24.4 Beispiel für eine umgekehrte Schrägfraktur. b Röntgenbilder in 2 Ebenen nach offener Reposition und Plat-
a Das a.–p. Röntgenbild des proximalen Femurs zeigt eine tenosteosynthese mit Winkelplatte.
umgekehrte Schrägfraktur.
Indikationen für operative Behandlung 637

Frakturen benötigt man proximale Femurnägel wie z. B.


Marknägel
den Gamma-Nagel oder den PFN. Diese Nägel eignen sich
Verriegelungsnägel wie der antegrade Femurnagel mit sehr gut für komplexe Frakturen mit proximaler Fraktur-
einer proximalen Standardverriegelung (quer zur Schaft- ausdehnung in die Trochanterregion. Sie werden über
achse verlaufende Verriegelungsbolzen) sind den meisten den Trochanter major eingebracht (daher auch mitunter
Unfallchirurgen gut vertraut, bieten die biomechanisch als Trochanternägel bezeichnet) und sind mit einer gro-
bekannten Vorteile intramedullärer Implantate, können ßen Klinge oder Schraube ausgestattet, die in den Schen-
über kleine Zugänge eingebracht werden und zeigen kelhals eingebacht wird (Abb. 24.7; Video 24-2, DVD 3).
sehr gute postoperative Ergebnisse. Diese Implantate bieten alle bisher genannten Vorteile
Nägel mit proximaler Standardverriegelung eignen sich intramedullärer Systeme. Allerdings haben diese Tro-
nur für subtrochantäre Frakturen, die vollständig distal chanternägel den Nachteil, dass beim Einbringen in das
des Trochanter minor liegen (Abb. 24.5; Video 24-1, Femur eine erhebliche Menge an Knochensubstanz am
DVD 3). Antegrade Femurnägel mit einer Verriegelung proximalen Femur entfernt wird und verlorengeht. Um
im Kopf-Hals-Bereich bieten dieselben Vorteile intrame- die große Schenkelhalsschraube aufzunehmen und bio-
dullärer Verankerung, sind aber technisch anspruchsvol- mechanische Stabilität zu gewährleisten, muss der pro-
ler zu implantieren, da die proximalen Verriegelungs- ximale Anteil des Nagels ausreichend groß dimensioniert
schrauben eine exakte Positionierung im Schenkelhals sein. Er weist je nach Implantat und Hersteller einen
verlangen. Diese Implantate eigenen sich aber auch für Durchmesser zwischen 15 und 17 mm auf. Dies zwingt
Frakturen, die über den Trochanter minor nach proximal den Operateur, den Trochanter major an der Spitze aus-
hinausreichen, aber noch nicht in die Fossa piriformis reichend groß zu eröffnen und erhebliche Knochenantei-
oder den Trochanter major ziehen (Abb. 24.6). Für diese le zu entfernen. Dadurch geht aber auch ein Teil der An-
24

a c d

Abb. 24.5 Beispiel für eine Fraktur Typ IA nach Russel-


Taylor die mit einem antegraden Femurnagel mit Stan-
dardverriegelung versorgt wurde.
a A.–p. Röntgenbild der Fraktur.
b Laterales Röntgenbild der Fraktur.
c Beispiel der sogenannten Obturator-Outlet-Ansicht, die
durch die senkrechte Ausrichtung des Bildwandlers zum
flektierten und außenrotierten proximalen Fragment ent-
steht und daher dessen exaktere Darstellung erlaubt.
d Postoperatives Bild in 2 Ebenen nach Marknagelversor-
gung über die Fossa piriformis.

b
638 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

b
a

Abb. 24.6 Beispiel einer Fraktur Typ IB nach Russel-Taylor, die b Postoperatives Bild in 2 Ebenen nach Marknagelversorgung
mit einem Femurnagel mit Verriegelung im Schenkelhals be- mit einem Verriegelungsnagel der zweiten Generation mit
24 handelt wurde. Verriegelung im Schenkelhals und Eintritt über der Fossa piri-
a Ansicht der Fraktur in 2 Ebenen. Beachten Sie die umge- formis.
kehrte Schrägfraktur der Hauptfraktur und den Abriss des Tro-
chanter minor.

a b

Abb. 24.7 Beispiel einer Fraktur der Gruppe II nach Russel- turlinie in sich gebrochen scheint. Obwohl in der Seitenansicht
Taylor, die mit einem Trochanternagel versorgt wurde. kaum zu erkennen, ziehen weitere Frakturlinien in die Fossa
a Ansicht der Fraktur in 2 Ebenen. Die a.–p. Ansicht zeigt eine piriformis.
umgekehrte Schrägfraktur, wobei das proximale Fragment b Postoperatives Bild nach Versorgung mittels eines Trochan-
nochmals durch eine in der Koronarebene verlaufenden Frak- ternagels.

satzfläche der Hüftabduktoren verloren, was zu einer auftreten und eine spätere Revisionsoperation oder
Schwäche der Glutealmuskulatur führen kann. Das Ein- etwa eine endoprothetische Versorgung erschwert wer-
bringen der Verriegelungsschrauben in den Schenkelhals den.
führt neben einem Verlust an Knochensubstanz in Schen- Ein anderer Nachteil der intramedullären Systeme
kelhals und Hüftkopf auch zu einem großen Defekt in der stellt die schwierige Reposition der Fragmente dar. Die
lateralen Kortikalis des Femurs. Dadurch können Schmer- Fraktur muss vor dem Einbringen des Führungsdrahts
zen an den Eintrittsstellen der Implantatkomponenten reponiert sein und so lange in Reposition gehalten wer-
Operative Versorgung 639

den, bis der Nagel vollständig eingebracht und proximal ■ der antegrade Femurnagel mit Eintrittspunkt über der
verriegelt ist (Abb. 24.8). Die erfordert meist eine Mani- Fossa piriformis und proximaler Verriegelung im
pulation sowohl des proximalen als auch des distalen Schenkelhals,
Fragments. Aus den bereits dargestellten Gründen ist ■ der Trochanternagel (PFN oder Gamma-Nagel) mit Ein-
der Marknagel zur Reposition der Fragmente wenig hilf- trittspunkt über dem Trochanter major,
reich, eine indirekte Reposition über das Implantat ist ■ die Osteosynthese mit einer 95°-Kondylenplatte.
nicht möglich. Zusätzlich kann der richtige Eintrittspunkt
aufgrund der Abduktion des proximalen Fragments sehr
OP-Technik
schwierig zu finden sein.
Lagerung
Platten
Die Lagerung des Patienten ist für alle 3 OP-Methoden
95°-Winkelplatten (Kondylenplatten, Klingenplatten) dieselbe: Abhängig von den Vorlieben des Operateurs,
können für alle subtrochantären Frakturen verwendet von weiteren Verletzungen und des Körperbaus des Pa-
werden. Sie sind aber besonders bei Frakturen mit inter- tienten eigenen sich sowohl die Rückenlagerung als auch
trochantärer Ausdehnung indiziert, bei denen ein Nagel- die Seitenlagerung. Die Seitenlagerung erleichtert den
system, welches über die Fossa piriformis eingebracht Zugang zum proximalen Femur und reduziert das Risiko,
wird, nicht möglich ist (Abb. 24.9 und Abb. 24.16; Video dass der Oberschenkel nach dorsal durchhängt, wie dies
24-3, DVD 3). Die Kondylenplatte bietet einen einzigarti- bei der Rückenlagerung vorkommen kann. Der Autor la-
gen Vorteil: Bei ihrer Platzierung geht nur wenig Kno- gert den Patienten bevorzugt in einer Halbseitenlage-
chensubstanz verloren, außerdem ist eine indirekte Re- rung: Hierzu werden ausreichend Polstermaterialien
position der Fragmente über die Platte möglich, wenn die unter die ipsilaterale Schulter und die betroffene Hüfte
24
Plattenklinge korrekt und sicher im Hüftkopf platziert ist. gebracht, um den Patienten, der auf einem röntgendurch-
Ihr Hauptnachteil ist biomechanischer Natur: Die extra- lässigen Tisch liegt, so zu lagern, dass das Becken um
medulläre Position an der lateralen Femurkortikalis führt etwa 30°– 50° gekippt ist (Abb. 24.10). Dabei muss darauf
zu erhöhter Zugspannung sowohl im Implantat als auch geachtet werden, dass der Patient soweit in die Halbsei-
am Übergang vom Knochen zum Implantat. Ein weiterer tenlagerung gekippt wird, dass eine überlagerungsfreie
Nachteil ist, dass viele Chirurgen mit dem Implantat nicht Aufnahme der Hüfte (v. a. in der seitlichen Ansicht) mög-
hinreichend vertraut sind. Es wird ein hohes Maß an lich ist. Wenn der Weichteilmantel der kontralateralen
Erfahrung benötigt, um die exakte Positionierung der Hüfte das Bild überlagert, muss der Patient weiter in
Klinge zu erreichen, was für die indirekte Reposition ent- Richtung Seitenlagerung gedreht werden, um die verletz-
scheidend ist. te Seite weiter anzuheben. Da das proximale Fragment
Die Vorgehensweise des Autors bei der Behandlung durch den Zug der kurzen Außenrotatoren in Außenrota-
subtrochantärer Femurfrakturen stellt sich folgenderma- tion steht, lässt sich in dieser Lagerung nun eine reelle
ßen dar: Für Frakturen, die mindestens 2 cm distal des seitliche Projektion der Hüfte erreichen, wenn der Bild-
Trochanter minor liegen, werden antegrade Femurnägel wandler durchgeschwenkt wird und der Röntgenstrahl
mit Eintrittspunkt in der Fossa piriformis verwendet. parallel zum Boden verläuft. Vor der Lagerung und dem
Subtrochantäre Frakturen, die proximal in den Trochan- Abdecken sollten jedoch am nichtbetroffenen Bein die
ter major oder die Fossa piriformis reichen, werden, so- exakte Länge der Extremität und das Ausmaß der Innen-
fern der Patient eine ausreichend gute Knochenqualität und Außenrotation ermittelt werden. Das Rotationsaus-
aufweist, mittels einer 95°-Kondylenplatte behandelt. Ein maß kann klinisch durch Innen- und Außenrotation der
proximaler Femurnagel (PFN, Gamma-Nagel) wird bei äl- Hüfte bestimmt werden, während die Länge mittels eines
teren Patienten mit schlechter Knochenqualität benutzt. röntgendichten Lineals festgestellt wird, um diese später
Diejenigen Frakturen, die in den Bereich des Trochanter mit der betroffenen Seite zu vergleichen.
minor reichen, aber die Fossa piriformis und den Tro-
chanter major auslassen, werden entweder mittels einer Antegrader Femurnagel mit proximaler
95°-Kondylenplatte oder mit einem Marknagel mit Ver- Verriegelung im Schenkelhals (Video 24-1,
riegelung im Schenkelhals versorgt. Bei dieser Fraktur- DVD 3)
form hängt die Wahl des Implantats von anderen Fak-
toren ab. Um eine Versorgung mit einem antegraden Femurnagel
durchführen zu können, muss die Fraktur zunächst repo-
niert werden. Das proximale Fragment ist durch den
Operative Versorgung Muskelzug flektiert, außenrotiert und abduziert. Die Re-
position wird durch Manipulation sowohl des proximalen
Im Folgenden werden 3 verbreitete Osteosyntheseverfah- als auch des distalen Fragmentes erreicht. Die Reposition
ren zur Versorgung subtrochantärer Femurfrakturen wird durch einen Kugelspieß, der über eine Stichinzision
näher besprochen: knapp oberhalb des distalen Endes des proximalen Frag-
640 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

Abb. 24.8 Beispiel für eine Repositionstechnik.


a Die Ansichten in beiden Ebenen zeigen eine subtro-
chantäre Femurfraktur mit ihrer typischen Fehlstel-
lung. Beachten Sie das Ausmaß der Fehlstellung des
proximalen Fragments in der seitlichen Ansicht.
24 b Intraoperative Darstellung eines Einzinkerhakens
und eines Kugelspießes und ihrer entsprechenden Ein-
trittsstellen.
c Intraoperative Bildwandleraufnahmen zeigen in bei-
den Ebenen, wie die Instrumente zur Frakturreposition
eingesetzt werden.

ments von anterior eingebracht wird, erleichtert. tenten unter Zug gehalten werden. Daher bietet sich eine
(s. Abb. 24.8). Mit diesem Instrument wird das Fragment Lagerung auf dem Extensionstisch an. Der Eintrittspunkt
deflektiert. Ein zweiter Kugelspieß, der auf gleicher Höhe für den Nagel in der Fossa piriformis wird nun viel leich-
am Fragment von lateral eingebracht wird, kann die Ab- ter aufzufinden sein, als wenn das proximale Fragment in
duktion beheben. Manchmal genügt es, einen einzigen seiner flektierten und abduzierten Stellung steht.
Kugelspieß von anterolateral einzubringen, um das pro- Bei einfachen, wenig dislozierten Frakturen kann unter
ximale Fragment aus seiner flektierten und abduzierten Umständen eine Repositionsstange verwendet werden
Stellung zu reponieren. Das distale Fragment steht ge- (s. Abb. 24.8 d). Dieses kanülierte Spezialinstrument liegt
wöhnlich adduziert und kann durch einen Einzinkerha- den meisten Nagelsystemen bei. Um es zu benutzen, wird
ken, der durch eine Stichinzision am proximalen Ende der Eintrittspunkt zunächst beim nichtreponierten Frag-
des distalen Fragments eingebracht wird, durch Zug ment aufgesucht. Das proximale Fragment wird nun auf-
nach lateral in achsengerechte Stellung zum proximalen gebohrt (gewöhnlich auf 11 mm), um die Repositions-
Fragment gebracht werden. Während des Repositions- stange einbringen zu können. Diese wird nun in das pro-
manövers muss das Bein kontinuierlich durch den Assis- ximale Fragment eingeführt und bis zur Fraktur vor-
Operative Versorgung 641

d e

Abb. 24.8 (Fortsetzung) ment in Position zum distalen Fragment zu bringen. Zusätzlich
d Intraoperative Darstellung des Instrumenteneinsatzes. wird ein Kugelspieß eingesetzt, um die Flexion des proximalen
e Intraoperative Darstellung eines anderen Falles, bei dem ein Fragments zu korrigieren.
Repositionsnagel eingesetzt wurde, um das proximale Frag- 24

Abb. 24.9 Beispiel einer Fraktur


Typ IIB nach Russel-Taylor, die
nicht mit einem Nagel versorgt
werden konnte und mit einer
Platte fixiert wurde.
a Die a.–p. Ansicht zeigt eine
hoch gelegene subtrochantäre
Femurfraktur mit Beteiligung der
Fossa piriformis.
b Seitliche Ansicht der Fraktur.
c Postoperative Kontrollen 3 Mo-
nate nach der Versorgung.

a c

b
642 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

Abb. 24.10 Die vom Autor bevorzugte Lagerung des


Patienten.
a Der Patient liegt auf einem röntgendurchlässigen Tisch
mit einem Polster unter der betroffenen Hüfte. Dieses
kippt das Becken um 30°– 50°.
b Die a.–p. Projektion. Da das Becken gekippt ist, ergibt
24 dies in der Regel eine exzellente Darstellung des Schen-
kelhalsprofils.
c Stellung des Bildwandlers für die seitliche Ansicht.

geschoben. Nun kann über den Griff der Repositionsstan-


ge das proximale Fragment zum distalen Fragment repo-
niert werden. Sobald die Reposition zufriedenstellend ist,
wird ein Führungsdraht über die Repositionsstange in
den Femurschaft eingebracht und der Schaft aufgebohrt.
Wenn die Repositionsstange entfernt wird, muss die
Fraktur durch andere Hilfsmittel, wie etwa Repositions-
zangen oder Repositionshaken, die perkutan eingebracht
werden, gehalten werden. Diese Methode eignet sich
daher am besten für subtrochantäre Frakturen vom Typ
IA nach der Russel-Taylor-Klassifikation (einfache subtro-
chantäre Femurfrakturen unterhalb des Trochanter mi-
nor).
Der Nagel kann nun über verhältnismäßig kleine Zu-
Abb. 24.11 Aufsuchen des Eintrittspunkts nachdem der Pa-
gänge eingebracht und verriegelt werden. Die optimale tient abgewaschen und abgedeckt wurde. Beachten Sie, dass
Position für den Hautschnitt und die Nagelinsertion sucht die knöchernen Landmarken eingezeichnet wurden und der
man mithilfe eines Führungsdrahts und dem Bildwand- Eintrittspunkt sowohl in der sagittalen, als auch in der korona-
ler: Der Führungsdraht wird ventral auf dem Oberschen- ren Ebene in Verlängerung des Markraums liegt.
kel in Projektion auf das Femur gehalten (Abb. 24.11). Mit
dem Bildwandler wird die korrekte Lage über dem Mark-
raum und der Fossa piriformis überprüft. Der Hautschnitt chanter major und verlängert diese Achse nach proximal
liegt meist deutlich proximal des Trochanter major. Ein bis an die zuvor gezeichnete Linie. So ergibt sich die op-
weiterer Führungsdraht wird nun so gelegt, dass er so- timale Lage für den Hautschnitt, der etwa 2 cm lang sein
wohl den ersten Draht überlappt, als auch weit über die sollte. Der Führungsdraht wird über die Fossa piriformis
Fossa piriformis hinausragt. Die Stelle, an der der Draht in den Markraum vorgetrieben. Die Lage des Drahtes
das laterale Hautniveau in der a.–p. Ansicht kreuzt, wird muss mit dem Bildwandler in beiden Ebenen überprüft
mit einer senkrecht zum Femur verlaufenden Linie mar- werden (Abb. 24.12). Verriegelungsnägel der ersten Gene-
kiert. Nun palpiert man die Schaftachse sowie den Tro- ration werden direkt in Verlängerung des Markraums
Operative Versorgung 643

Abb. 24.12 Aufsuchen des Eintrittspunkts für


einen Femurnagel.
a Wenn der Führungsdraht richtig positioniert
ist, projiziert sich seine Spitze in der a.–p.
Ansicht in die Fossa piriformis.
b Wenn der Draht über dem Schenkelhals
steht, ist er zu weit ventral.
c Korrekte Lage in der lateralen Ansicht.

a b

24

über die Fossa piriformis eingebracht. Aufgrund der An- ment vorgeschoben. In beiden Ebenen muss die exakt
tetorsion des Schenkelhalses muss der Nagel für die pro- mittige Lage des Führungsdrahts im Femur kontrolliert
ximale Verriegelung etwas weiter ventral eingebracht werden.
werden, um die Verriegelungsschrauben zentral im Anschließend wird der Markraum schrittweise auf-
Schenkelhals platzieren zu können. Solange der Füh- gebohrt, um einen Nagel zu implantieren, welcher den
rungsdraht eingebracht wird, muss die Fraktur reponiert Markraum ausfüllt (aufgebohrter Marknagel). Der Kanal
gehalten werden, um sicherzustellen, dass der Führungs- sollte etwa 1,5 mm weiter aufgebohrt werden als der
draht exakt mittig durch das proximale Fragment läuft. In Durchmesser des gewählten Nagels. Die Nagellänge
der a.–p. Ansicht muss er absolut parallel zum Femur wurde entweder vor der Operation am gesunden Bein
verlaufen. Wenn die Reposition verlorengeht und das ermittelt oder kann bei manchen Implantatherstellern
proximale Fragment zurück in seine flektierte, abduzierte mit einem Längenmessgerät am Führungsdraht abge-
Ausgangsstellung fällt, wird der Draht von proximal late- lesen werden. Es ist von großer Wichtigkeit, dass die
ral nach distal medial abweichen. Dies führt später zu Fraktur auch während des Aufbohrens stabil in Repositi-
einer varischen Fehlstellung. In der seitlichen Ansicht on gehalten wird, da der über den Führungsdraht einge-
verläuft der Draht dann von proximal ventral nach distal brachte Nagel dem im proximalen Femur aufgebohrten
dorsal. Dies führt zwangsläufig zu einer Fehlstellung in Kanal folgen wird. Eventuell muss das proximale Frag-
Flexion. Sobald der Draht sicher im proximalen Fragment ment anschließend noch weiter aufgebohrt werden, da
platziert ist, wird dieses über den Draht aufgebohrt. Der viele Nägel an ihrem proximalen Ende einen größeren
Führungsdraht und der Bohrer werden entfernt und ein Durchmesser (15 – 17 mm) aufweisen. Während die Re-
langer Führungsdraht mit Olive in das proximale Frag- position weiter gehalten wird, wird der Nagel über den
ment eingebracht, während dieses weiterhin mit Kugel- Führungsdraht vorgebracht. Dabei ist es wichtig, anhand
spieß, Einzinkerhaken oder Repositionszangen gehalten des Zielbügels die genaue Rotation des Nagels zu verfol-
wird. Nun wird der Führungsdraht in das distale Frag- gen. Um sicherzustellen, dass die Verriegelungsschraube
644 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

a b

24

c d

Abb. 24.13 Beispiel einer Fehlrotation nach


Nagelversorgung einer offenen subtrochantä-
ren Femurfraktur.
a Die Röntgenaufnahmen zeigen eine Azeta-
bulumfraktur mit Beteiligung beider Pfeiler
und eine subtrochantäre Femurfraktur.
b Postoperative Bilder nach Versorgung mit
einem aufgebohrten Femurnagel in Seiten-
lagerung. Beachten Sie die Antibiotikumket-
ten in der Wunde.
c Bilder nach Konsolidierung der Fraktur. Die
Patientin klagte darüber, dass ihre Füße in
unterschiedliche Richtungen stehen.
d Eine CT-Rotationsanalyse mit Schnitten
durch den Schenkelhals und die Kondylen
beider Beine. Der relative Unterschied in der
Antetorsion zwischen beiden Beinen betrug
48°.
e Unterhalb der Frakturlinie wurde eine per-
kutane Derotationsosteotomie durchgeführt.
f Aufnahmen der Abschlussuntersuchung.
e f
Operative Versorgung 645

exakt mittig im Schenkelhals liegt, muss die Nagelrotati- möglich ist, die beiden Hauptfragmente aufeinander zu
on eventuell über den Zielbügel korrigiert werden. Bevor stellen. In den Fällen, in denen eine Trümmerzone keine
der Nagel ganz eingeschlagen ist, sollte mit dem Bild- Längenrekonstruktion erlaubt, muss die verletzte Extre-
wandler eine genaue seitliche Ansicht des Schenkelhalses mität der Gegenseite angeglichen werden. Die Länge des
und des Hüftkopfs eingestellt werden. In dieser Aufnah- Femurs der Gegenseite kann präoperativ unter Umstän-
me zeigt sich nun die Lage des Zielgerätes für die pro- den am CT abgelesen werden. Entweder verwendet man
ximale Verriegelung. Durch Rotation des Nagels kann das hierzu den Scout oder man bittet den Radiologen aus
Zielgerät parallel zur Achse von Schenkelhals und Hüft- dem Rohdatensatz auch das gesunde Femur zu rekon-
kopf ausgerichtet werden. Ist die Rotation eingestellt, struieren. Da das unverletzte Bein bei einer CT-Unter-
wird der Nagel endgültig so weit eingeschlagen, bis die suchung ebenfalls im Strahlengang liegt, wird auch dieses
Zielhilfe in der a.–p. Ansicht auf die Mitte des Hüftkopfs Bein gescannt, aber aus den Rohdaten nicht rekonstru-
weist. Ein Führungsdraht wird nun über den Zielbügel in iert. Meist werden die Rohdaten allerdings nach 48 Stun-
den Schenkelhals und den Hüftkopf platziert und dessen den gelöscht. Sieht man auf dem Röntgenbild der gesun-
Lage erneut mit dem Bildwandler überprüft. In der seit- den Seite noch die distale Epiphysennarbe (quer verlau-
lichen Projektion kann die exakte Positionierung des fende, röntgendichtere Linie im Bereich der ehemaligen
Drahtes in der Mitte des Hüftkopfs durch Drehung des Epipyhsenfuge), ergibt sich die Nagellänge aus der Stre-
Zielbügels nach ventral oder dorsal eingestellt werden. cke zwischen der Fossa piriformis und dieser Linie. Auch
Nun wird der Nagel proximal im Schenkelhals gemäß im OP-Saal lässt sich die Länge des Femurs noch bestim-
der Anleitung des Herstellers verriegelt. Zum Schluss men, da den meisten Nagelsystemen sterile, ausreichend
wird der Nagel distal in Freihandtechnik verriegelt. lange röntgendichte Lineale beigelegt sind.
Bevor der Nagel jedoch proximal verriegelt wird, muss Am Ende der OP wird ein steriler Verband angelegt, die
mit dem Bildwandler am distalen Femur kontrolliert wer- Abdeckung entfernt und der Patient flach auf dem OP-
24
den, ob er weiterhin genau in der Mitte des Markraums Tisch gelagert. Alle Instrumente sollten jetzt noch steril
liegt. Da die Antekurvation des Nagels geringer ist als die am OP-Tisch bereit gehalten werden, falls aufgrund einer
natürliche Antekurvation des Femurs, kann es passieren, fehlerhaften Reposition Änderungen vorgenommen wer-
dass die Nagelspitze die ventrale Kortikalis perforiert. Die den müssen. Sowohl die Länge als auch die Rotation müs-
axiale Ausrichtung des Femurs ist dann wieder her- sen durch Vergleich mit der Gegenseite kontrolliert wer-
gestellt, wenn die Reposition während des gesamten Vor- den. Ist diese nicht symmetrisch, ist es zu diesem Zeit-
gangs gehalten werden konnte. Das Alignment des Fe- punkt noch einfach und nur mit geringem Aufwand ver-
murs kann relativ einfach mit dem Bildwandler in 2 Ebe- bunden, die distalen Verriegelungsbolzen zu entfernen,
nen überprüft werden. Demgegenüber ist die richtige die notwendige Korrektur vorzunehmen und den Nagel
Rotation der Fragmente zueinander schwieriger zu beur- erneut distal zu verriegeln.
teilen. Es besteht meist die Tendenz, das Femur zu sehr in
die Außenrotation zu zwingen (Abb. 24.13). Wenn eine Trochanternägel (Video 24-2, DVD 3)
laterale Aufnahme des proximalen Femurs bei exakt ho-
rizontalem Strahlengang eine wahre laterale Ansicht der Die OP-Technik für eine Osteosynthese mittels eines Tro-
Hüfte zeigt, sollte das Kniegelenk als Hinweis dafür, dass chanternagels (PFN oder Gamma-Nagel) erfordert diesel-
die Antetorsion der Gegenseite angepasst wurde, in In- be Lagerung und die gleichen Repositionsmanöver wie
nenrotation (meist 10°– 15°) liegen. Die Rotation sollte sie bereits für den antegraden Femurnagel (mit Eintritt
vor, während und nach der Platzierung des Nagels ge- über der Fossa piriformis) beschrieben wurde. Auch hier
prüft werden, sowie vor und nach dessen distaler Verrie- muss die Reposition während des Aufsuchens des Ein-
gelung. trittspunkts, Einsetzen des Führungsdrahts, Aufbohren
Es gibt eine einfache Methode, um die Rotation verläss- des Markraums, Einschlagen des Nagels und dessen Ver-
lich festzustellen zu können: Zunächst wird mit dem riegelung sicher gehalten werden. Die Position des Haut-
Bildwandler eine absolut genaue seitliche Ansicht des schnitts wird wieder mittels eines Führungsdrahts fest-
Kniegelenks eingestellt. Hierzu muss der C-Bogen meist gelegt, der im richtigen Winkel über die Hüfte und den
vollständig durchgeschwenkt werden. Am C-Bogen wird Trochanter major gelegt wird. Der Führungsdraht zum
nun die Gradzahl abgelesen, um die der Bogen ge- Aufbohren wird über einen etwa 2 – 3 cm langen Haut-
schwenkt wurde (z. B. 90°). Nun wird der C-Bogen nach schnitt eingebracht, der meist 2 – 4 cm proximal des Tro-
proximal gefahren und solange in 5°-Schritten zurück- chanter major liegt. Der Führungsdraht muss genau in
geschwenkt, bis man eine exakt seitliche Ansicht des der Verlängerung des Markraums und auf der Spitze des
Hüftgelenks sieht. Auch diese Einstellung wird notiert Trochanters platziert werden, eventuell muss die Position
(z. B. 75°). Die Differenz beider Einstellungen ergibt nun mit dem Bildwandler kontrolliert werden (Abb. 24.14).
die Antetorsion des Femurs, in diesem Beispiel 15°. Der Führungsdraht wird in den Trochanter major einge-
Um die Länge zu rekonstruieren kann man sich einiger bracht, während das proximale Fragment in reponierter
Tricks bedienen. Oft kann die exakte Länge durch Repo- Stellung gehalten wird. Die exakte Positionierung des
sition der Fragmente rekonstruiert werden, wenn es Drahtes ist für die weiteren Schritte der Operation essen-
646 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

24

c d

Abb. 24.14 Intraoperative C-Bogen-Bilder des richtigen Ein- c Intraoperatives Bild während der proximalen Verriegelung.
trittspunkts für Trochanternägel. d Abschlussröntgen in 2 Ebenen.
a, b Intraoperative Durchleuchtungsbilder des proximalen Fe-
murs zeigen die ideale Position des Führungsdrahts.

ziell und muss überprüft werden, bevor der Markraum rung der großen Schrauben oder Klingen im Schenkelhals
mit dem Markraumeröffner (Durchmesser 17 mm) auf- und der dafür notwendigen Bildwandlerkontrollen an
gebohrt wird. Der Eintrittspunkt muss in Verlängerung den bereits für die antegraden Femurnägel beschriebe-
des Markraums liegen und sich in der seitlichen Ansicht nen Arbeitsschritten orientiert (Abb. 24.14). Die distale
auf die Mitte des Schenkelhalses projizieren. In der a.–p. Verriegelung sowie die intra- und postoperativen radio-
Ansicht muss der Draht über der Spitze des Trochanters logischen und klinischen Kontrollen der Reposition wer-
liegen. Wenn die Abduktionsstellung des proximalen den ebenfalls wie bereits oben beschrieben durchgeführt.
Fragments nicht korrigiert wurde, kann der Eintritts-
punkt zu weit lateral liegen und zu einer varischen Fehl- 95°-Kondylenplatte (Video 24-3, DVD 3)
stellung führen.
Es werden lange und kurze Nägel angeboten, für per- Die offene Reposition und Fixierung subtrochantärer
trochantäre Frakturen können sowohl die langen als auch Frakturen mit einer 95°-Kondylenplatte bietet den Vor-
die kurzen Nägel verwendet werden. Bei subtrochantären teil, dass nur sehr wenig Knochensubstanz verlorengeht,
Frakturen kommen immer lange Nägel zum Einsatz. Die die Platte vorgespannt werden kann und die Fraktur in-
proximale Verriegelung wird gemäß der Anleitung des direkt über die Platte reponiert werden kann. Der Nach-
Herstellers durchgeführt, wobei man sich für die Platzie- teil ist, dass viele Operateure mit diesem Implantat nicht
Operative Versorgung 647

genügend vertraut sind. Daher wird das Implantat eher


als technisch anspruchsvoll erachtet und erfordert für
gewöhnlich ein diffiziles offenes Vorgehen. Der Patient
wird wie für die Nagelosteosynthese gelagert und der C-
Bogen auf der Gegenseite positioniert. Falls notwendig,
kann der Patient auch auf einem Extensionstisch gelagert
werden. Wie bei der Nagelosteosynthese erleichtert die
Seitenlage sowohl den Zugang wie auch die sichere Im-
plantatplatzierung. Alternativ kann ein Universaldistrak-
tor benutzt werden, um bei stark verkürzten Frakturen
oder bei Trümmerfrakturen die anatomische Länge wie-
der herzustellen. Vor dem Abwaschen muss sich der Ope-
rateur vergewissern, dass mit dem Bildwandler sowohl in
a.–p. Ansicht als auch in der seitlichen Projektion ein-
wandfreie Bilder der Hüfte und des Femurs erstellt wer-
den können. Ein Problem bei seitlichen Aufnahmen des Abb. 24.15 Intraoperative C-Bogen-Bilder zeigen, wie sich die
Schenkelhalses ist die scheinbare Verkürzung, da der Darstellung des Schenkelhalses durch Verkippung des C-Bogens
Schenkelhals gegenüber dem Femurschaft um etwa 40° in Richtung des Patientenkopfs verbessern lässt. Dadurch wird
verkippt ist (Abb. 24.15). dem CCD-Winkel Rechnung getragen und es ergibt sich eine
Wenn der Patient in kompletter Seitenlagerung liegt, reale Projektion der Schenkelhalslänge. Das linke Bild zeigt die
tatsächliche, laterale Ansicht des Hüftgelenks mit dem Bild-
kann der obere Teil des vertikal ausgerichteten C-Arms
wandler. Das rechte Bild zeigt die verbesserte, modifizierte Ein-
um dessen horizontale Achse etwa 20°– 30° in Richtung stellung, bei der der C-Bogen um 20° in Richtung des Patienten- 24
des Patientenkopfs gekippt werden, um eine reelle late- kopfs gekippt wurde. Dies wäre auch die Einstellung für eine
rale Projektion des Schenkelhalses zu bekommen Obturator-Aufnahme. Beachten Sie, dass sich der Schenkelhals
(Abb. 24.15). Aus diesem Grund und dadurch, dass das hier besser einsehen lässt.
proximale Fragment flektiert, abduziert und außenrotiert
steht, werden vor dem Abwaschen und Abdecken des
Patienten für gewöhnlich einige Probeaufnahmen not-
wendig werden, um einwandfreie Bilder zu bekommen. Bein von den Zehen bis über den Beckenkamm abge-
Abhängig vom Ausmaß der Dislokation kann entweder waschen, und der Patient entsprechend abgedeckt. Zu-
das proximale Fragment, so wie bereits bei der antegra- nächst wird mit einer kleinen Inzision begonnen, die
den Nagelung beschrieben, reponiert werden, oder, was nur das proximale Femur freilegt und die Einführung
häufiger der Fall sein wird, in seiner Position belassen des Klingenmeißels ermöglicht. Diese Inzision wird spä-
werden. Dann muss der C-Bogen entsprechend positio- ter nach distal erweitert, um die Platte einzubringen. Der
niert werden, um optimale Röntgenbilder zu ermögli- Blutverlust lässt sich aber reduzieren, wenn der Haut-
chen: Wie bereits beschrieben kippt ein ausreichend gro- schnitt nach distal erst verlängert wird, nachdem der
ßes Lagerungskissen unter Schulter und Hüfte den Pa- Klingenmeißel sicher platziert wurde. Die Schnittlänge
tienten um etwa 30°– 50° zur Seite und nähert ihn da- sollte zunächst 10 cm betragen. Der Schnitt beginnt
durch der Seitenlagerung an. Diese Position korrigiert die 2 – 3 cm oberhalb des Trochanter major und erstreckt
Außenrotation der Hüfte, sodass der Strahlengang des sich an der Hinterkante des Femurs nach distal. Dabei
Bildwandlers senkrecht zum Boden gerichtet werden sollte der Schnitt knapp distal des proximalen Fragments
kann, um eine fehlerfreie a.–p. Ansicht zu ermöglichen. enden. Da das proximale Fragment nach außen rotiert ist,
Falls das proximale Fragment stark flektiert ist, behilft wird man dadurch nicht von den umgebenden Weich-
man sich, indem man den C-Bogen etwas nach kranial teilen behindert, wenn man später den Kirschner-Draht
neigt, um den vertikalen Strahlengang genau senkrecht und den Meißel im Femurkopf und Schenkelhals ausrich-
zum Fragment auszurichten. Dies führt im Grunde zu tet und platziert (Abb. 24.16). Der Tractus iliotibialis wird
einer Obturator-Outlet-Aufnahme des Beckens, liefert nun längs gespalten. Nach Durchtrennung der Faszie des
aber eine reelle a.–p. Projektion des noch nicht reponier- M. gluteus maximus lassen sich der Trochanter major
ten, aber in Flexion und Außenrotation stehenden Frag- und der Ursprung des M. vastus lateralis problemlos dar-
ments (s. Abb. 24.5). stellen. Nun wird der M. vastus lateralis von dorsal her
Für die wahre seitliche Ansicht der Hüfte und des pro- etwa zur Hälfte vom Femur abgelöst. Nach distal wird die
ximalen Fragments muss der Bildwandler, um der Ab- Ablösung vervollständigt, sobald der Schnitt nach distal
duktion des Fragments Rechnung zu tragen, schräg zur verlängert wird, um die Platte einzubringen.
Körperlängsachse ausgerichtet werden. Dabei verläuft Ein Kirschner-Draht der Stärke 2,7 mm wird nun durch
der Strahlengang von proximal außen nach distal innen. die laterale Kortikalis in Richtung des Hüftkopfmittel-
Sobald man sich vergewissert hat, dass hinreichend aus- punkts eingebohrt. In der seitlichen Ansicht soll der
sagekräftige Bilder angefertig werden können, wird das Draht genau in der Mitte des Schenkelhalses liegen, wäh-
648 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

a
24

e f

Abb. 24.16 Intraoperative Bilder zeigen die richtige Platzie- c Einschlagen des Meißels knapp unterhalb des Drahtes.
rung des Führungsdrahts bevor der Klingenmeißel eingesetzt d Nach Einbringen der Platte wird die Fraktur mir dem Platten-
wird. In diesem Fall wurde eine spezielle kanülierte Klingenplat- spanner unter Kompression gesetzt.
te eingesetzt. e Intraoperative Bildwandleraufnahmen des Konstrukts.
a A.–p. Aufnahmen des proximalen linken Femurs zeigen eine f Postoperative Kontrollaufnahmen in beiden Ebenen.
hohe subtrochantäre Femurfraktur.
b Intraoperative a.–p. und Seitansicht, die die Platzierung des
Führungsdrahts für den Klingenmeißel zeigen.
Operative Versorgung 649

rend er in der a.–p. Ansicht in einem Winkel von 95° um eine Perforation des Hüftkopfs zu vermeiden. Nun
gegenüber der Femurschaftachse aufsteigen muss. Es ist wird der Hautschnitt nach distal vervollständigt, um die
unabdingbar, dass der Operateur vor der Operation die gewählte Platte einzusetzen. Die Fascia lata wird weiter
exakte Positionierung des Drahtes anhand einer Röntgen- gespalten und der M. vastus lateralis nach ventral mobi-
aufnahme der gesunden Gegenseite plant. Der Draht lisiert. Große Vorsicht ist geboten, um die Vitalität der
wird knapp oberhalb des Eintrittspunkts des Meißels ein- Fragmente in der Frakturzone zu erhalten. Daher sollte
gebracht, sodass er als Führungshilfe für den nichtkanü- den Fragmenten anhaftendes Gewebe nicht entfernt wer-
lierten Meißel dienen kann. Der Eintrittspunkt an der den. Die Verwendung von Wundspreizern und Cercla-
lateralen Kortikalis liegt knapp oberhalb des Vastus-An- gedrähten sowie eine Freilegung des Femurs von medial
satzes am Trochanter major und endet im unteren Drittel müssen vermieden werden. Nur die laterale Kortikalis
des Hüftkopfs im subchondralen Knochen. Der Kirschner- sollte eventuell freigelegt werden. Bei manchen Fraktu-
Draht wird noch in dislozierter Stellung des Hüftkopfs ren kann die Muskulatur über der Frakturzone sogar be-
eingebracht, weshalb die vorherige exakte Einstellung lassen werden; die Platte wird dann unter dem Muskel-
des Bildwandlers so wichtig ist. Nur dadurch kann in mantel über die Frakturzone hinweg vorgeschoben. Der
den jeweiligen Sichtebenen die jeweils reelle Abbildung Klingenmeißel wird entfernt und die Klinge der 95°-Plat-
des proximalen Fragments gesichert werden. Die exakte te entlang des im Schenkelhals geschaffenen Pfades ein-
Angulation des Kirschner-Drahts kann mithilfe eines ent- geschlagen. Ein Plattenhalter hilft dabei, die korrekte Po-
sprechenden Zielgeräts erreicht werden. Sobald der sitionierung und Orientierung zu bewahren. Die endgül-
Kirschner-Draht platziert wurde, kann der Meißel knapp tige Lage wird mit einem Einschläger erreicht, nachdem
unterhalb des Drahtes eingebracht werden. Durch exakt der Plattenhalter entfernt wurde. In Bezug zum distalen
parallele Ausrichtung des Meißels entlang des Kirschner- Femur wird sich die Platte nun in Flexion befinden und
Drahts in beiden Ebenen wird der Meißel in der seitli- vor dem Femurschaft liegen. Die Fraktur wird nun indi-
24
chen Projektion genau in der Mitte des Schenkelhalses rekt reponiert, indem man die Platte als Joystick verwen-
und des Hüftkopfs platziert und steigt dabei in der a.–p. det. Man dreht nun das proximale Fragment (über die
Ansicht in einem Winkel von 95° an. Manche Plattensys- Platte) aus der Flexion heraus und richtet es am Femur-
teme bieten einen kanülierten Meißel an. Dann wird der schaft aus. Die Platte wird jetzt mit einer Repositionszan-
Meißel entsprechend über den Draht platziert. Falls der ge (vorzugsweise nach Verbrugge) am distalen Fragment
kanülierte Meißel dies erfordert, muss dazu noch ein befestigt. Dies ist ein Beispiel dafür, wie die Platte als
zweiter Führungsdraht platziert werden. Um eine sagit- indirekte Repositionshilfe für die Fraktur verwendet wer-
tale Dislokation zu korrigieren, muss der Klingenmeißel den kann. Die Antetorsion des Schenkelhalses sollte nun
in der seitlichen Ansicht genau senkrecht zur Achse des klinisch über die Rotation des Beines und mithilfe des
proximalen Fragments platziert werden. Bildwandlers durch Vergleich von seitlichen Aufnahmen
Das Klingenzielgerät, das über den Meißel geschoben von Knie und Hüfte beider Seiten kontrolliert werden.
wird, muss proximal parallel zum Kopf und Schenkelhals Die Beinlänge muss ebenfalls klinisch oder durch Ver-
liegen sowie distal des Kopfes in der seitlichen Bildwand- wendung eines röntgendichten Lineals verglichen wer-
lerprojektion parallel am Femur anliegen. Da das pro- den. In manchen Fällen, besonders dann, wenn die Bein-
ximale Fragment flektiert ist, steht das Zielinstrument länge schwierig zu rekonstruieren ist, kann ein Universal-
so, als ob die Platte später ventral des distalen Fragments distraktor zum Einsatz kommen. Hierzu werden eine
liegt. Dies muss bei der Bildwandlerkontrolle entspre- Schanz-Schraube durch das proximale Plattenloch und
chend beachtet werden. Die exakte Platzierung des Mei- eine weitere Schanz-Schraube distal der Platte in das
ßels ist von höchster Bedeutung, da hierdurch das Femur eingebracht. Nun kann eine Distraktion vor-
Alignment des Femurs vorgegeben wird. Die laterale Kor- genommen werden. Sobald die Knochenfragmente Kon-
tikalis wird mit 2 oder 3 sich überlappenden, 4,5 mm takt gefunden haben und eine stabile Reposition vorhan-
messenden Bohrlöchern eröffnet. Dabei müssen die Lö- den ist, kann das Konstrukt umgekehrt verwendet wer-
cher nebeneinander liegen, um den Meißeleintritt zu er- den, und über den Distraktor kann eine Kompression er-
möglichen. Nun kann der Meißel eingeschlagen werden. zeugt werden. Falls der Universaldistraktor nicht benutzt
Dabei sollte er regelmäßig (etwa nach jedem Zentimeter) wird, solle die Osteosynthese mittels eines herkömm-
kurz zurückgezogen werden, damit er sich nicht im Kno- lichen Plattenspanners unter Kompression gesetzt wer-
chen verklemmt und so nicht mehr geborgen werden den, wenn sich eine stabile Reposition erreichen lässt
kann. Dies ist umso wichtiger je tiefer der Meißel ein- (s. Abb. 24.16). Wenn der Muskelmantel über der Fraktur-
dringt, da der Knochen im Bereich der subchondralen zone intakt gelassen werden konnte, muss das Bein zur
Zone des Hüftkopfs fester wird. Der Meißel sollte bis korrekten Platzierung der Platte abduziert werden, wäh-
kurz vor den subchondralen Knochen eingebracht wer- rend die Hüfte mithilfe des vorher eingebrachten Kirsch-
den. Dies erfordert für gewöhnlich bei Erwachsenen ner-Drahts adduziert wird. 1 oder 2 Schrauben können
eine Klingenlänge von 70 bis 80 mm. Falls die Klingen- nun für eine zusätzliche Fixierung in das proximale Frag-
länge, die am Meißel abgelesen wird, zwischen zwei Grö- ment eingebracht werden. Das distale Fragment wird an-
ßen liegt, entscheidet man sich für die kürzere Klinge,
650 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

schließend durch sukzessives Besetzen der restlichen Beinlänge und die Rotation korrekt rekonstruiert wurden.
Schraubenlöcher gegen die Platte fixiert. Falls hier ein Fehler sichtbar wird, muss der Patient er-
Wie bei den Marknägeln sollten alle Instrumente und neut abgewaschen und abgedeckt werden. Die im dis-
Implantate solange steril gehalten werden, bis nach An- talen Fragment sitzenden Schrauben müssen entfernt,
lage des Verbands und Entfernung der Abdecktücher bei das Problem entsprechend korrigiert und sodann die dis-
dem Patienten in Rückenlage überprüft wurde, ob die talen Schrauben erneut gesetzt werden.

Tipps und Tricks


■ Die Reposition von subtrochantären Frakturen verlangt ■ Wenn ein aufgebohrter Marknagel mit proximaler Ver-
die Mobilisation sowohl des distalen als auch des pro- riegelung im Schenkelhals vorgesehen ist, sollte der Na-
ximalen Fragments, da eine zufriedenstellende Repositi- geldurchmesser etwa 1,5 mm kleiner sein als der Bohrer-
on allein über eine Manipulation des distalen Fragments durchmesser. Dies ermöglicht es, den Nagel im Mark-
unmöglich ist. Dies liegt daran, dass das proximale Frag- raum zu rotieren, um die Schenkelhalsschrauben exakt
ment flektiert, abduziert und außenrotiert steht. Das in der Mitte des Schenkelhalses und des Hüftkopfs zu
Verständnis hierfür ist essenziell, um eine akzeptable platzieren.
Reposition der Fraktur zu erreichen, unabhängig vom ■ Für fast alle Trochanternägel muss nach der Markraum-
gewählten Implantat. eröffnung der Trochanterbereich weiter aufgebohrt wer-
■ Unabhängig von der gewählten Osteosynthesetechnik den, um den Nagel platzieren zu können, da viele dieser
erlaubt die Seitenlage des Patienten einen sehr guten Nägel am proximalen Ende einen größeren Durchmesser
Zugang zum proximalen Femur und verhindert gleich- aufweisen (15 – 17 mm) als im Rest des Nagels. Bei man-
24 zeitig, dass das Bein nach dorsal durchhängt, wie dies in chen Nägeln gibt es hierfür separate, geführte Trochan-
Rückenlage der Fall sein kann. tereröffner.
■ Wenn eine subtrochantäre Fraktur mittels Nagelosteo- ■ Da die Antekurvation der Nägel geringer ist als die na-
synthese versorgt wird, kann der Nagel alleine nicht türliche Antekurvation des Femurs, kann der Nagel wäh-
immer eine ausreichende Reposition garantieren. Statt- rend er eingebracht wird, die anteriore Kortikalis im dis-
dessen muss die Fraktur vor Einbringen des Führungs- talen Femur perforieren.
drahts und dem Aufbohren reponiert sein und die Re- ■ Eine postoperative Fehlstellung in Außenrotation ist
position bis zum Einbringen des Nagels sicher gehalten häufig.
werden.
■ Da der Schenkelhals gegenüber dem Femurschaft etwas
nach ventral verlagert ist, sollten Nägel, bei denen eine
Verriegelung mittels Schraube im Schenkelhals geplant
ist, in der Fossa piriformis eher etwas weiter anterior
eingebracht werden, um in der seitlichen Bildwandler-
ansicht eine exakt mittige Platzierung der Schraube im
Schenkelhals zu ermöglichen.

und mit einer vollen Wiederherstellung der Funktion erst


Rehabilitation
nach 12 – 18 Monaten gerechnet werden kann.
Postoperativ werden die Patienten sobald wie möglich Eine Ausnahme gibt es für Patienten, bei denen eine
mobilisiert. Ab dem ersten postoperativen Tag soll das einfache Fraktur mit einem Marknagel versorgt wurde.
Bein mit Sohlenkontakt belastet werden. Optimal ist es, Erweist sich die Fraktur als axial stabil ohne Ausläufer
das Bein nur mit seinem Eigengewicht zu belasten, da in den Trochanterbereich, kann bei einem guten Kno-
sich dann die auf das Gelenk wirkenden Kräfte (Eigenge- chenlager im Frakturbereich rasch zur schmerzadaptier-
wicht des Beines und Muskelkräfte) neutralisieren. Die ten Vollbelastung übergegangen werden.
Teilbelastung wird für 10 – 12 Wochen beibehalten, es
sei denn, es zeigen sich vorher eindeutige radiologische
Neue Techniken
Zeichen der voranschreitenden Konsolidierung. Ab dem
ersten postoperativen Tag wird die Beweglichkeit von Um diese anspruchsvollen Frakturen optimal zu versor-
Hüft-, Knie- und Sprunggelenk beübt. Ebenso können iso- gen, wurden neue Techniken entwickelt. Die 95°-Kon-
metrische Kräftigungsübungen durchgeführt werden. Die dylenplatte ist ein nützliches Implantat zur Versorgung
Patienten sollten darauf hingewiesen werden, dass eine von subtrochantären Frakturen. Es eignet sich ebenso
Muskelschwäche für bis zu 6 Monate persistieren kann zur Revision bei Komplikationen wie Fehlstellung oder
Pseudoarthrosen. Allerdings weist es neben der Operati-
Operative Versorgung 651

onstechnik (besonders, wenn der Operateur das Implan- Schablonen anhand der gegenseitigen Hüfte erfolgen. Au-
tat nicht regelmäßig anwendet) weitere Nachteile auf: Es ßerdem kann die Platte dank ihrer anatomischen Form
ist nahezu unmöglich die Klinge, den Meißel oder die und der Möglichkeit, nichtwinkelstabile Schrauben zu
Platte mehrmals neu zu positionieren. Außerdem wird verwenden, als Hilfsmittel zur indirekten Frakturrepo-
zur sicheren Platzierung ein langer Hautschnitt benötigt. sition eingesetzt werden. Konventionelle Schrauben kön-
In dem Gebiet, in dem die Platte eingebracht wird, nen dabei zuerst im proximalen Teil der Platte einge-
kommt es besonders bei Revisionsoperationen zu einem bracht werden, um etwaige sagittale Frakturspalten
ausgedehnten Knochenverlust. Um diese Platte weiter zu unter Kompression zu setzen.
verbessern, wurde eine Verriegelungsklingenplatte mit Eine aktuelle Studie zeigt die Ergebnisse dieser Platte
durchbohrten Schrauben entwickelt. Die Klinge weist bei 31 Patienten mit pertrochantären Femurfrakturen.
einen Schlitz auf, durch den eine lange, angewinkelte Dabei wurde die Platte über einen minimalinvasiven Zu-
Schraube platziert wird (Abb. 24.17). Dieses Konstrukt gang eingebracht (21). Bei einer Konsolidierungsrate von
„verriegelt“ das Implantat um ein dreieckiges Knochen- 97 % wurde nur eine Pseudarthrose beobachtet. Es wur-
volumen herum und erweist sich dadurch als äußerst den keine Infektionen registriert. Bis auf einen Fall konn-
stabil. te der CD-Winkel auf der verletzten Seite immer mit
Eine weitere Neuentwicklung ist eine anatomisch vor- einer Abweichung von höchstens 5° im Vergleich zur Ge-
geformte, winkelstabile Platte (LCP proximales Femur). genseite rekonstruiert werden. In einem Fall kam es zu
Ihr Prinzip beruht darauf, mehrere winkelstabile Schrau- einer varischen Fehlstellung, und in einem weiteren Fall
ben in den Femurkopf einzubringen (Abb. 24.18; Videos sogar zum kompletten Repositionsverlust und varischen
24-4, 24-5, DVD 3). Sie wurde mit dem Anspruch entwor- Kollaps der Fraktur. Beide Fälle betrafen Patienten mit
fen, besonders einfach in der Handhabung zu sein. In den Schussverletzungen, bei denen neben einer massiven
Hüftkopf werden nach Platzierung der Platte am Knochen Trümmerzone auch ein ausgedehnter Knochenverlust
24
Führungsdrähte über winkelstabile Bohrbuchsen einge- vorlag. Bei beiden Patienten kam es dennoch zum Aus-
bracht. Über diese Drähte werden anschließend winkel- heilen der Fraktur.
stabile kanülierte Schrauben platziert. Ein weiterer Vor- Für die minimalinvasive Technik wird der Patient auf
teil dieses Implantats ist die Möglichkeit, die Platte mini- dem Extensionstisch in Rückenlage gelagert. Bei älteren
malinvasiv an den Knochen anzulagern. Dabei werden die Patienten mit Niedrigenergietraumen wird eine Extensi-
umliegenden Weichteile nur minimal von der Frakturzo- on angelegt. Bei jüngeren Patienten mit Hochrasanztrau-
ne abgelöst. Dennoch wird das Implantat über aufgrund men kann alternativ eine Pin-Extension über das distale
der meist nötigen offenen Reposition oft einen mehr oder Femur angelegt werden.
minder komplett offenen Zugang eingebracht. Wenn die Für den minimalinvasiven Zugang wird über dem Tro-
Platte über einen konventionellen Zugang eingebracht chanter major ein etwa 8 – 10 cm langer Hautschnitt ge-
wird, muss zuvor eine genaue präoperative Planung mit setzt. Am Ursprung des M. vastus lateralis wird die Mus-

a b

Abb. 24.17 Eine Verriegelungsklingenplatte der Firma Zim- b Röntgenkontrolle nach offener Reposition und Fixierung mit-
mer. tels Verrieglungsklingenplatte und Knochenaufbau.
a Röntgenbild eines 16-Jährigen mit einer pathologischen Frak-
tur bei einer Knochenzyste.
652 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

verschlossen wird, müssen die proximalen, nichtwinkel-


stabilen Schrauben gegen winkelstabile Schrauben ge-
tauscht werden, es sei denn, die nichtwinkelstabilen
Schrauben haben exzellenten und festen Halt im Kno-
chen gefunden (Abb. 24.19).
Die LCP proximales Femur hat bei subtrochantären
Trümmerfrakturen gegenüber den herkömmlichen Im-
plantaten signifikante Vorteile. Sie kann bei allen pertro-
chantären Femurfrakturen eingesetzt werden, unabhän-
gig davon, ob der Schenkelhals oder der Trochanter major
betroffen sind. Die 95°-Kondylenplatte oder Marknägel
bergen die Gefahr, nichtdislozierte Frakturen oder Frak-
turen mit sagittal verlaufendem Frakturspalt zu dislozie-
ren. Ebenso können sie das nichtfrakturierte Trochanter-
massiv sogar sprengen. Dagegen erweist sich die Platzie-
rung sowohl herkömmlicher als auch winkelstabiler
Schrauben im proximalen Femur bei der LCP als sehr
schonend für den Knochen. Das resultierende winkelsta-
bile und biegesteife Konstrukt verhindert eine Verkür-
Abb. 24.18 Die LCP proximales Femur der Firma Synthes. Pro- zung des Schenkelhalses oder einen varischen Zusam-
ximal hat die Platte zwei 7,3-mm-Schrauben sowie eine dritte menbruch der Fraktur wie dies bei herkömmlichen Im-
Schraube mit 5 mm, die als „Träger“ für die erste Schraube plantaten beobachtet werden kann.
24 dient. Nichtwinkelstabile Schrauben können zuerst in die bei-
den proximalen Löcher eingebracht werden. Dies kann hilfreich
sein, um eine zusätzliche mediale Schenkelhalsfraktur oder
eine in sagittaler Richtung verlaufende Fraktur im Trochanter Ergebnisse
major zu versorgen. Die distalen Schrauben sind entweder
winkelstabil oder nichtwinkelstabil. Wie bereits in diesem Kapitel erwähnt, stellt die erfolg-
reiche Versorgung subtrochantärer Femurfrakturen auf-
grund der anatomischen und biomechanischen Eigenhei-
ten dieses Areals eine besondere Herausforderung dar.
kelfaszie L-förmig eingeschnitten. Nun werden im Sinne Die Verwendung biomechanisch verbesserter Implantate
eines Subvastus-Zugangs 4 – 5 cm des Muskels vom Kno- und der Weg hin zu schonenden Operationstechniken,
chen gelöst. Die Platte wird nun über diesen Zugang die dank minimalinvasiver Zugänge und indirekter Frak-
unter Bildwandlerkontrolle submuskulär über die laterale turreposition die Blutversorgung der Fragmente intakt
Seite des Femurs eingeschoben. Durch Spiel mit der Ex- lassen, führen zu immer besseren Operationsergebnissen.
tension und unter Zuhilfenahme der Platte kann nun die Im Vergleich zu älteren Berichten, bei denen oft von
Fraktur indirekt reponiert werden. Hierzu kann eine Pseudarthrosen oder Implantatversagen die Rede war,
Schanz-Schraube in den Trochanter major eingesetzt wer- zeigen Studien und Untersuchungen aus jüngerer Zeit
den, um das proximale Fragment aus der Varus- und Ab- durchweg positiver Ergebnisse. Distal gelegene subtro-
duktionsstellung zu führen. Durch Verwendung eines chantäre Femurfrakturen, die bis in die Diaphyse reichen
Elevatoriums oder Rasparatoriums kann die Flexionsstel- und sehr gut mit Marknagel über die Fossa piriformis und
lung ausgeglichen werden. Nun werden die Führungs- Standardverriegelung (Nagel der ersten Generation) ver-
drähte unter Bildwandlerkontrolle in der seitlichen und sorgt werden können, zeigen in Bezug auf Konsolidierung
a.–p. Projektion positioniert. Über dem distalen Platten- und Funktion ein ähnlich gutes Ergebnis wie rein diaphy-
ende wird nun ein kleiner Hautschnitt gelegt. Über die- säre, mit antegradem Femurnagel versorgte Femurschaft-
sen kann die korrekte Lage der Platte über der lateralen frakturen (22–26).
Kortikalis überprüft werden und die Platte mittels eines Die Verwendung von antegraden Verriegelungsnägeln
Kirschner-Drahts fixiert werden. Falls eine in sagittaler mit Eintrittspunkt über der Fossa piriformis und Verrie-
Richtung verlaufende Fraktur komprimiert werden gelung im Kopf-Hals-Segment (sog. Nägel der zweiten
muss, werden nichtwinkelstabile Schrauben im proxima- Generation) bieten verbesserte biomechanische Eigen-
len Teil der Platte verwendet. Mit diesen Schrauben kann schaften gegenüber herkömmlichen proximal verriegel-
die Platte auch nahe an den Knochen herangezogen wer- ten Nägel (Standardverriegelung mit 2 queren Bolzen).
den. Nun werden zwei 7,3 mm und eine 5,0 mm winkel- Daher sind diese Nägel für Frakturen, die zwar den Tro-
stabile Schrauben in das proximale Femur eingedreht. Die chanter minor mit einbeziehen, aber nicht nach proximal
distale Fixierung wird anschließend über den zuvor ge- in die Fossa piriformis oder den Trochanter major rei-
setzten Hautschnitt vorgenommen, weitere Schrauben chen, das Implantat der Wahl (27–30). Neben hohen Kon-
werden nach Bedarf perkutan gesetzt. Bevor die Wunde solidierungsraten wurden bei diesen Implantaten gute
Ergebnisse 653

a b

24

c d

e f

Abb. 24.19 Die LCP proximales Femur. d Intraoperatives Foto nach Platzierung des proximalen Füh-
a Die Beckenübersicht zeigt links eine subtrochantäre Femur- rungsdrahts.
fraktur sowie eine Fraktur des Sakrums in der Zone II. Obwohl e Eine nichtwinkelstabile Schraube wird verwendet, um die
die Femurfraktur für eine Nagelostesynthese geeignet ist, Platte ohne Repositionszangen an das Femur zu drücken. Sie
könnte solch ein Verfahren wegen der instabilen Sakrumfraktur wird später durch eine winkelstabile Schraube ersetzt.
zu einer Verletzung des Plexus sacralis führen. Daher wurde f Postoperative Röntgenaufnahme 5 Monate nach der OP. Be-
eine Plattenosteosynthese gewählt. achten Sie die Reposition des Femurs an der Platte. Dies wurde
b Während das distale Fragment distrahiert wird, wird am pro- durch die 4,5 mm, nichtwinkelstabilen Schrauben erreicht. Au-
ximalen Fragment mittels einer Schanz-Schraube die Varus- ßerdem wurde die Beckenringverletzung versorgt.
und Außenrotationsfehlstellung korrigiert.
c Die LCP proximales Femur wird submuskulär unter den M.
vastus lateralis geschoben.
654 24 Subtrochantäre Femurfrakturen

Ergebnisse bezüglich der Längenrekonstruktion und der Implantate ein großes Eintrittsloch am Trochanter (in der
korrekten Wiederherstellung der Rotation berichtet (2, Regel 17 mm) und die Entfernung großer Knochenmen-
31–35). Eine knöcherne Konsolidierung wird im Schnitt gen für ihre Fixierung im Kopf. Dies könnte zu Problemen
nach 10 – 12 Wochen erreicht: Dabei zeigen sich geringe bei nachfolgenden Operationen (z. B. Implantation einer
Komplikationsraten und eine geringe Inzidenz zur Revi- Endoprothese) oder bei einer später notwendigen Im-
sion (35). Die Wiederherstellung der klinischen Funktion plantatentfernung führen.
hingegen hängt eher vom Patientenalter und der Funk- Die 95°-Winkelplatte kann bei allen Frakturen, auch
tion vor der Verletzung ab. Jüngere Patienten erreichen bei Frakturen, die den großen oder kleinen Trochanter
dabei regelmäßig ihr Aktivitäts- und Mobilitätslevel wie- oder die Fossa piriformis betreffen, angewandt werden.
der, welches sie vor der Verletzung innehatten, während Frühe Untersuchungen zeigten jedoch Pseudarthrosera-
ältere Patienten über 60 Jahre eher ein schlechteres funk- ten zwischen 16 und 20 % und Infektionen in bis zu 20 %
tionelles Ergebnis zeigten (33). der Fälle (3, 5 13). Prophylaktische, präoperative Antibio-
Nägel mit Verriegelungsmöglichkeit im Kopf-Hals-Be- tikagaben und die Einführung neuer chirurgischer Tech-
reich, die über den Trochanter major eingebracht werden niken, wie der indirekten Reposition, dem Erhalt der Vi-
(z. B. Gamma-Nagel oder proximaler Femurnagel), haben talität der Frakturzone sowie der Vorspannung des Plat-
das Indikationsspektrum von Marknägeln erweitert. Nun tenkonstrukts, haben die Pseudarthroseraten auf 0 – 7 %
können auch Frakturen, die in die Fossa piriformis hi- bei insgesamt sehr geringen Infektionsraten gesenkt (4,
neinreichen, mittels Nagelosteosynthese versorgt wer- 11, 12, 14–16, 18, 39).
den. Deren Verwendung wird dank ihrer einfachen Inser-
tion und verbesserten Biomechanik für alle komplexen
proximalen Femurfrakturen propagiert. Hohe Konsolidie- Komplikationen
rungsraten bei geringen Komplikationsraten wurden in
24
mehreren großen Studien nachgewiesen (1, 4, 17, 36– Die Behandlung subtrochantärer Femurfrakturen hat sich
38). Konsolidierungsraten zwischen 96 und 98 % wurden über die letzten Jahre hinweg zunehmend weiterent-
bei 1-Jahres-Nachuntersuchungen berichtet, wobei zwi- wickelt. Die Komplikationsraten wurden dank verbesser-
schen 8 und 12 % der Patienten einen Revisionseingriff ter Operationstechniken und biomechanisch verbesserter
benötigten, um eine Konsolidierung herbeizuführen Implantate auf ein akzeptables Niveau gesenkt. Die in der
oder Komplikationen zu behandeln. Eine große Fallserie Literatur berichteten Komplikationsraten variieren sehr
untersuchte speziell Niedrigenergietraumata bei älteren stark, da meist unterschiedliche OP-Techniken ange-
Patienten (medianes Alter bei 78,5 Jahren), die mittels wandt werden, unterschiedliche Frakturformen unter-
eines langen Nagels, der über den Trochanter major ein- sucht werden oder weitere Verletzungen vorliegen, die
gebracht wurde, versorgt wurden. Bei 211 Patienten das Ergebnis beeinflussen. Häufige Komplikationen sind
konnte das funktionelle Ergebnis bei der 1-Jahres-Unter- verzögerte Frakturheilung oder Ausbildung einer Pseud-
suchung erfasst werden (38). Bei 98 % zeigte sich eine arthrose mit konsekutivem Versagen des Implantats. Da-
komplette Knochenheilung, 9,8 % benötigten einen Revi- neben zeigen sich häufig Ausheilung in Fehlstellung, In-
sionseingriff. Daneben zeigte sich jedoch eine hohe Mor- fektion, chronischer Schmerz und Funktionsverlust oder
talitätsrate im ersten Jahr (24 %) und ein Trend hin zu -einbußen (1, 3–5, 10–16, 19, 20, 33–38, 40–47). Alle diese
vermehrter Abhängigkeit von sozialen Diensten. Nur Komplikationen wurden bereits in diesem Kapitel ange-
51 % derjenigen Patienten, die vor der Fraktur zu Hause sprochen. Schonende OP-Techniken und die Vertrautheit
lebten, konnten wieder in ihrem alten Umfeld wohnen. mit mehreren OP-Techniken zur Behandlung dieser Frak-
Außerdem wurde eine erhöhte Inzidenz von Patienten, turen senken die Inzidenz dieser Komplikationen. Die
die nicht mehr gehen konnten oder auf Gehhilfen ange- meisten postoperativen Fehlstellungen sind Folge von in-
wiesen waren, registriert, nur 44,9 % der Patienten, die suffizienter intraoperativer Reposition und nicht Aus-
vor dem Unfall ohne Gehilfen gehfähig waren, konnten druck eines postoperativen Repositionsverlusts. Es ist un-
1 Jahr nach dem Unfall ohne Hilfsmittel gehen. erlässlich, die Ausrichtung und korrekte Reposition der
Speziell bei Nägeln, die über den Trochanter major ein- operierten Extremität mit der unverletzten Extremität
gebracht werden und im Kopf-Hals-Bereich verankert zu vergleichen, bevor man den OP-Saal verlässt. Falls die
werden, bestehen Bedenken wegen des Eintrittspunkts Ausrichtung (Länge und Rotation) nicht symmetrisch
und der doch relativ großen Menge an Knochensubstanz sind, sollte die Revision sofort durchgeführt werden. Die
die am proximalen Femur verloren geht. Die Entfernung häufigste Fehlstellung ist eine Kombination aus Varus-,
großer Knochenmassen vom Trochanter major am Ein- Flexions- und Außenrotationsfehlstellung des proximalen
trittspunkt wirft Fragen bezüglich der Kraft der Abdukto- Fragments. Eine Verkürzung des Beines kann ebenso auf-
ren und des Gangbilds auf. Zusätzlich könnte es zu einer treten. Pseudarthrosen können erfolgreich durch eine
erhöhten Inzidenz von Schmerzen im Eintrittsbereich des operative Revision der Osteosynthese gegebenenfalls zu-
Implantats kommen. Allerdings gibt es momentan keine sammen mit einer Spongiosaplastik behandelt werden.
Untersuchungen, die diese Bedenken stützen. Wegen
ihres großen proximalen Durchmessers benötigen diese
Literatur 655

Merke

■ Bei subtrochantären Frakturen ist das proximale Fragment ■ Anders als bei pertrochantären Frakturen werden bei sub-
flektiert, außenrotiert und abduziert, während das distale trochantären Frakturen keine dynamischen Implantate
Fragment adduziert steht und durch den Zug der ischio- verwendete, da hierbei eine höhere Rate an Pseudarthro-
kruralen Muskulatur und der Adduktoren verkürzt ist. sen festgestellt wurde.
■ Berechnungen zeigen, dass die größten Kompressionskräf- ■ Die Außenrotation des proximalen Segments stellt bei
te am Femur an der medialen Kortikalis etwa 2,5 – 7,5 cm subtrochantären Frakturen ein häufiges Problem dar. Das
unterhalb des Trochanter minor auftreten und Werte von Bewegungsausmaß beider Hüftgelenke sollte überprüft
über 800 N/cm2 erreichen. werden, bevor die Operation beendet wird.

Inhalt der DVDs

Video 24-1 (DVD 3) Unaufgebohrter Femurnagel (UFN) zur Video 24-4 (DVD 3) LCP proximales Femur bei einer osteo-
Versorgung von bilateralen Femurfrakturen bei einem porotischen subtrochantären Femurfraktur. Die Vorteile
mehrfach verletzten Patienten. Dieses Video zeigt einen einer minimalinvasiv eingebrachten winkelstabilen Platte
mehrfach verletzten Patienten mit beidseitiger Femurfrak- sind: Vermeidung der Fragmentdevitalisierung, Möglichkeit
tur. Der UFN wurde benutzt, um pulmonale Nebenwirkun- zur indirekten Reposition und sichere Befestigung im osteo-
gen durch das Aufbohren (Fettembolie) zu minimieren. porotischen Knochen. Techniken zur indirekten, geschlosse- 24
Video 24-2 (DVD 3) Trochanternagel für eine subtrochantä- nen Reposition und zur minimalinvasiven Fixierung der Platte
re Schrägfraktur. Dieses Video zeigt die Stabilisierung einer werden gezeigt.
Schrägfraktur des proximalen Femurs mit einem Trochanter- Video 24-5 (entspricht Video 22-3, DVD 3) ORIF einer kom-
nagel (ITST). Details wie die Seitenlagerung, Aufsuchen des binierten Schenkelhalsfraktur und subtrochantären Femur-
Eintrittspunkts, Frakturreposition und Einbringen des Nagels fraktur mit einer LCP proximales Femur. Dieses Video zeigt
werden genau dargestellt. die offene Osteosynthese einer kombinierten Schenkelhals-
Video 24-3 (DVD 3) Klingenplattenosteosynthese einer sub- und subtrochantären Fraktur über einen Watson-Jones-Zu-
trochantären Femurfraktur Typ IA nach Russel-Taylor. Eine gang. Das Video zeigt den systematischen Ablauf der Repo-
95°-Winkelplatte wird in der richtigen Position in das pro- nierung und Befestigung dieser Fraktur. Dabei wird eine ana-
ximale Femur eingebracht. Anschließend wird die Fraktur tomisch vorgeformte LCP proximales Femur verwendet.
indirekt über die Platte reponiert. Die Arbeitsschritte zum
Platzieren der Platte und zur Verwendung eines Plattenspan-
ners werden gezeigt.

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Literatur 657

25 Femurschaftfrakturen
B. L. Norris, P. J. Nowotarski
Übersetzer: C. Michalski, T. Freude, U. Stöckle

Frakturen der Diaphyse des Femurs sind eine Folge von Jahr. Die Altersverteilung weist einen Häufigkeitsgipfel
Traumata mit hoher Energie. Das Femur ist der stärkste bei 25 Jahren und einen zweiten bei ca. 65 Jahren auf.
und längste Knochen in unserem Körper. Die häufigsten Bei jüngeren Patienten treten Femurschaftfrakturen ge-
Ursachen für eine Femurschaftfraktur sind Autounfälle, wöhnlich als Ergebnis eines Hochenergietraumas auf,
daneben vor allem Unfälle, bei denen Fußgänger von wohingegen Femurschaftfrakturen bei älteren Patienten
Autos angefahren werden, bei denen Personen aus großer auch bei weniger ausgeprägten Traumata auftreten kön-
Höhe stürzen, sowie Schussverletzungen (1). Obwohl Fe- nen, wenn gleichzeitig eine Osteoporose besteht.
murschaftfrakturen nicht mehr mit der früheren hohen Bei Femurschaftfrakturen treten häufig gleichzeitig
Mortalität behaftet sind, kann die Sterblichkeit nach weitere Verletzungen auf, die in zwei Kategorien unter-
beidseitigen Femurschaftfrakturen immer noch bis zu teilt werden können:
30 % betragen (2, 3). Dies hängt teilweise damit zusam- ■ zusätzliche systemische Verletzung (Kopfverletzungen,

men, dass infolge einer Femurschaftfraktur ein hoher Thorax-, Abdomen- oder andere muskuloskeletale Ver-
Blutverlust auftreten kann, der die hämodynamische Sta- letzungen),
bilität substanziell beeinträchtigt. Dies kann auch bei jun- ■ regionale Verletzungen (Verletzungen des Knochen-

gen Patienten ein Problem sein (3). Das hauptsächliche skeletts an der gleichen Extremität).
Sterberisiko bei diesen Frakturen liegt jedoch in den häu-
fig vorhandenen schweren Begleitverletzungen im Rah- Häufige systemische Verletzungen sind erhebliche Kopf-
men eines Hochrasanztraumas. oder Thoraxverletzungen. Abdominelle Verletzungen
Der Femurschaft oder die Diaphyse des Femurs be- sind seltener und hauptsächlich mit Beckenringfrakturen 25
schreibt die Region etwa 5 cm distal des Trochanter assoziiert. Wenn bei Femurschaftfrakturen gleichzeitig
minor bis 9 cm oberhalb des Kniegelenks. Die Region pro- Kopf- oder Thoraxverletzungen auftreten, kann das Be-
ximal des Femurschafts wird als subtrochantäres Femur handlungsmanagement schwierig werden, insbesondere
bezeichnet. Der Bereich distal des Femurschafts ist der wenn es um die Entscheidung geht, wann die Reposition
suprakondyläre Anteil. Die Integrität des Femurschafts und Osteosysnthese erfolgen soll (7, 8). Die sofortige Sta-
ist für die mechanische Stabilität beim normalen Gehen bilisierung von Femurschaftfrakturen ist immer wün-
essenziell. Der Femurschaft muss signifikante axiale schenswert, kann jedoch gelegentlich aufgrund der zu-
Dreh- und Querkräfte aushalten können, die bei einem sätzlich vorliegenden Verletzungen schwierig sein. Es
normalen Gangbild auftreten. Darüber hinaus ist das wird kontrovers diskutiert, wann die beste Zeit für eine
Femur von einer großen Muskelmasse im Bereich der Definitivbehandlung solcher Frakturen ist, insbesondere
Diaphyse ummantelt. Diese Hüft- und Oberschenkelmus- wenn schwere Verletzungen vorliegen, die das Gehirn
keln erlauben es aufgrund eines fein abgestimmten Zu- oder die Lunge betreffen (9, 10). Dieses Phänomen wird
sammenspiels überhaupt erst zu gehen, und Vorausset- als „Second Hit“ bezeichnet und ist Zentrum einer Debat-
zung hierfür ist eine korrekt ausgerichteten Femurschaft- te über den optimalen Zeitpunkt für eine Osteosynthese
achse. Bedingt durch die unterschiedlichsten Angriffs- von Femurfrakturen bei polytraumatisierten Patienten
punkte, hauptsächlich der Hüftbeugemuskulatur, am (10). Diese Kontroverse wird in Kap. 35 weiter diskutiert.
Femur sind Frakturen des Femurschafts sehr häufig dis- Ein selteneres Problem, das bei der Behandlung dieser
loziert und benötigen eine erhebliche Anstrengung bei Frakturen auftreten kann, ist die bereits erwähnte Fett-
der Reposition, um wieder eine anatomische Ausrichtung embolie. Hierbei haben Gurd et al. Haupt- und Neben-
zu erreichen. kriterien definiert, die dabei helfen diese Entität besser
Im fettigen Knochenmarkt des Femurschafts befinden zu definieren, u. a. Merkmale wie Fieber, Hypoxie, Psy-
sich viele hämatopoetische Zellen. Dieses Knochenmark chostatus und pathognomonische Hautpetechien (11,
kann bei Frakturen in das Venen- und Lymphsystem 12). Glücklicherweise ist die Inzidenz von Fettembolien
übergehen und weiter in das Gefäßsystem am Ober- sehr niedrig; wenn jedoch eine solche auftritt, kann dies
schenkel verbracht werden, wenn diese Frakturen osteo- zu einer signifikanten Herabsetzung der Lungenfunktion
synthetisch versorgt werden (4, 5). Aus diesen Annahmen führen und somit die Morbidität erhöhen. Wenn nicht
hat sich die Hypothese entwickelt, dass die Entstehung sofort ein differenziertes Beatmungsmanagement erfolgt,
einer solchen Fettembolie möglicherweise einen sog. kann dies zum Tod des Patienten führen.
schwerwiegenden „Second Hit“ darstellen kann (6). Eine häufig auftretende Zweitverletzung bei Femur-
Die Inzidenz von Femurschaftfrakturen in den USA be- schaftfrakturen ist eine Fraktur des proximalen Femurs,
trägt etwa 1 – 1,3 Frakturen pro 10 000 Einwohner pro insbesondere die Femurhalsfraktur (13). Diese Entität
658 25 Femurschaftfrakturen

wird gelegentlich übersehen oder kann klinisch stumm Klassifikationen


bleiben. Man sollte jedoch grundsätzlich an dieses relativ
häufige Problem denken, welches 2 – 6 % aller Femur- Die Klassifikation von Femurschaftfrakturen ist relativ
schaftfrakturen betrifft. Hierbei ist vor allem eine Pau- einfach. Es gibt hierfür verschiedene Systeme, wobei die
wels-C-Fraktur (vertikale Scherfraktur) des Femurhalses deskriptive Klassifikation wahrscheinlich am nützlichsten
eine häufige Variante, die mit Femurschaftfrakturen asso- ist. Sie wird normalerweise verwendet, wenn der Patient
ziiert ist. Wenn eine solche Fraktur vorliegt, sollte vor der im Schockraum eintrifft und umfasst eine Beschreibung
Osteosynthese des Femurschafts die Stabilisierung des der Frakturlokalisierung, des Frakturmusters, ob die Frak-
Femurhalses erfolgen oder eine kombinierte Versorgung tur offen oder geschlossen ist, sowie assoziierte Verlet-
mittels Marknagel mit Schenkelhalskomponente z. B. lan- zungen. Mit dieser Information können Zeitpunkt und
ger PFN erfolgen. Andere Hüftpathologien, die mit dieser Dringlichkeit der weiteren Behandlung sowie die Not-
Fraktur assoziiert sind, sind hintere Hüftgelenksluxatio- wendigkeit weiterer konsiliarischer Untersuchungen
nen, Azetabulumfrakturen und (sehr selten) ipsilaterale und Behandlungen festgelegt werden. Andere Klassifika-
trochantäre, subtrochantäre und/oder suprakondyläre tionssysteme werden hauptsächlich im Rahmen von wis-
Frakturen (14). senschaftlichen Protokollen und zur Evaluierung chirur-
Klinisch signifikante Bandverletzungen am Knie wer- gischer Ergebnisse verwendet. Zusätzlich zur anatomi-
den bei etwa 20 – 30 % der Patienten mit Femurschaft- schen Klassifikation sind die zwei am häufigsten genutz-
frakturen beschrieben (15). Darüber hinaus beschreiben ten Klassifikationssysteme die Windquist-Klassifikation
Patienten häufig ein Schmerzsyndrom im anterioren und die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteo-
Kniebereich. Patellofemorale Verletzungen (bei Anprall synthesefragen (AO).
ans Armaturenbrett) oder sogar okkulte Meniskusrisse Windquist u. Hanssen haben die Frakturen in Abhän-
können diesem Schmerzsyndrom zugrunde liegen. Die gigkeit vom Grad der diaphysären Abweichung, je weiter
Inzidenz später Meniskuspathologien beträgt etwa 20 % die Frakturenden von einander entfernt sind, je größer
und betrifft meistens die lateralen Gelenkanteile (15). der Knochen- und Weichteilschaden ist und je höher die
Ipsilaterale Verletzungen der unteren Extremität, die bei Wahrscheinlichkeit für Probleme im Heilungsprozess ist
25 Femurschaftfrakturen auftreten, sind Tibiaschaftfraktu- in die Grade I–IV eingeteilt (17).
ren, Sprunggelenksfrakturen/-luxationen und schwere ■ Grad-I-Frakturen sind Quer- oder kurze Schrägfraktu-

Fußverletzungen. Diese Verletzungen werden hauptsäch- ren mit weniger als 25 % Abweichung.
lich bei Patienten beobachtet, die in Hochrasanzautoun- ■ Bei Grad-II-Frakturen beträgt die Abweichung 25 – 50 %

fälle verwickelt waren. Weiter entfernte Knochenverlet- der Schaftbreite.


zungen sind Frakturen der Klavikula, sowie der Knochen ■ Bei Grad-III-Frakturen beträgt die Abweichung mehr

der oberen Extremitäten, die wiederum die Fähigkeit des als 50 % aber weniger als 100 %.
Patienten zu einer Frühmobilisation deutlich einschrän- ■ Bei Grad-IV-Frakturen besteht eine segmentale Abwei-

ken. chung.
Mit Femurschaftfrakturen assoziierte neurologische
oder Gefäßverletzungen sind selten. Die große Muskel- Das AO-Klassifikationssystem wird hauptsächlich für
masse um den Femur schützt die dort gelegenen Gefäß- wissenschaftliche Zwecke und für den Vergleich von Ver-
und Nervenstrukturen. Wenn eine Gefäßverletzung auf- letzungsmustern in Publikationen verwendet (18). Das
tritt, ist eine sofortige Behandlung von höchster Wichtig- Femur wird mit der Ziffer 3 und der diaphysäre Teil mit
keit, da normalerweise eine die Hauptstrombahn der Ex- der Ziffer 2 bezeichnet. Die Frakturen sind dann weiter
tremitäten betreffende Verletzung vorliegt, die mit dem unterteilt in Typ-A-, -B- oder -C-Frakturen.
Verlust derselbigen enden kann. Die Gefäßintegrität muss ■ Typ-A-Frakturen sind einfache Frakturen wie Spiral-

zwingend evaluiert werden, wenn bei der klinischen Un- frakturen, kurze Quer- oder Schrägfrakturen.
tersuchung kein peripherer Puls oder nur eine geringe ■ Typ-B-Frakturen sind Frakturen mit einem Biegungs-

Pulsaktivität, mit einem Knöchel-Arm-Index < 0,9, beob- keilfragment.


achtet wird (16). Sollten hierbei Gefäßverletzungen ge- ■ Typ-C-Frakturen sind segmental abweichende und
funden werden, bedürfen diese einer sofortigen Interven- mehrfragmentäre Verletzungen (Abb. 25.1).
tion. Eine definitive Behandlung sollte simultan mit der
Osteosynthese der Femurschaftfraktur durchgeführt wer- Dieses Klassifikationssystem wurde entwickelt, um eine
den. einheitliche, internationale Sprache bezüglich der Art der
Fraktur, die Zeit des Heilungsprozesses und mögliche
Komplikationen, die mit der Behandlung dieser Verlet-
zung assoziiert sind, zu sprechen.
Wie bereits erwähnt, ist das deskriptive Klassifikati-
onssystem für Femurschaftfrakturen am hilfreichsten.
Die einfache Beschreibung der Frakturlokalisierung ent-
weder im oberen, mittleren oder unteren Drittel des
Klassifikationen 659

Abb. 25.1 Die AO-Klassifika-


tion für Femurschaftfrakturen.

A1

> 30°
< 30°
A2
A3

A1: Spiralbruch
A2: schräg
A3: quer

B3
B1 B2

Stückbruch

B1: Spiralbruch
B2: Biegbruch
B3: fragmentiert
25

komplexe
Fraktur

C1
C2 C3

C1: Spiralbruch
C2: segmental
C3: irregulär

Schaftes und die Frakturart (Spiral-, kurze, verschobene Eine Extrapolierung der Gustilo-Anderson-Klassifikati-
oder offene, Quer- oder Schrägfraktur) sind extrem wich- on für Tibiafrakturen auf das Femur wird der großen
tig. Darüber hinaus ist natürlich das genaue Wissen um Bandbreite an Weichteilverletzungen bei Femurschaft-
den Grad der Weichteilverletzung und anderer assoziier- frakturen nicht gerecht. Die Tibia ist ein subkutan gele-
ter Verletzungen – seien sie systemisch oder regional – gener Knochen, bei dem offene Wunden bereits bei Un-
wichtig, um dem Chirurgen im präoperativen Entschei- fällen mit relativ niedriger Energie beobachtet werden
dungsprozess zu helfen. können. Dieses ist bei Femurschaftfrakturen sehr selten,
660 25 Femurschaftfrakturen

da dieses von einem großen Muskelpaket umgeben ist Operative Therapie


und eine bereits kleine Wunde am anterolateralen Ober-
schenkel auf eine Hochenergiefraktur hindeutet. Darüber Die chirurgische Behandlung von Femurschaftfrakturen
hinaus zeigt ein solches Verletzungsmuster an, dass sehr kann sehr unterschiedlich durchgeführt werden, was
wahrscheinlich ein stark verletzter Muskel unterhalb des vor allem von den chirurgischen Fähigkeiten des Opera-
Hautniveaus vorliegt. Daher müssen alle offenen Femur- teurs und der klinischen Situation abhängt. Die Art und
schaftfrakturen als Hochenergiefrakturen behandelt und der Zeitpunkt der Osteosynthese hängen hauptsächlich
als Typ 3 nach der Gustilo-Andersen-Klassifikation be- von der Art der Fraktur selbst ab. Die Begleitverletzungen
wertet werden. sind ebenso wichtig wie die Frakturart und die Lokalisie-
rung. Andere Frakturen, die die chirurgische Entschei-
dung beeinflussen können, beinhalten die Art der beglei-
Konservative Therapie tenden Weichteilverletzungen und ob die Fraktur ge-
schlossen oder offen ist. Verschiedene Arten der chirur-
Die nichtoperative Behandlung einer Femurschaftfraktur gischen Behandlung schließen die externe Fixierung, die
beim Erwachsenen ist heute obsolet, da mit einer solchen Plattenosteosynthese einschließlich der Kompressions-
Behandlung eine außergewöhnlich hohe Morbidität und plattenosteosynthese, der Überbrückungsplattenosteo-
Mortalität assoziiert ist. Die chirurgische Osteosynthese synthese und der perkutanen Überbrückungsplattenos-
stellt die Hauptbehandlungsmodalität dar. Die konser- teosynthese sowie die Marknagelung ein. Die Marknage-
vative Behandlung bestand früher aus dem Versuch der lung ist die Standardbehandlung, an der sich andere Be-
geschlossenen Reposition unter Haut- oder Skelettzug. handlungsoptionen messen lassen müssen. Obwohl sie
Das Ausmaß der Zugkräfte wurde im Verlauf erhöht, um die Standard- und häufigste Behandlungsform ist, gibt
ein grobes Alignement des Oberschenkels zu erreichen. es noch einige kontroverse Punkte bzw. wichtige Varia-
Hierbei war eine Bettruhe von üblicherweise 8 – 10 Wo- blen, die bedacht werden müssen, wie
chen vor der ersten Mobilisation notwendig. Sowohl Pin- ■ die Einschlagrichtung des Nagels (entweder ante- oder

als auch Gipstechniken während oder nach der Traktion retrograd),


25 erbrachten grundsätzlich schlechte Ergebnisse (19). ■ die Implantierungsart des Nagels (aufgebohrt oder

Glücklicherweise wurde 1940 von Gerhard Künscher die nicht aufgebohrt),


Marknagelung des Femurschafts eingeführt. Diese Pio- ■ die Fixierung des Nagels (Standard-, zephalomedulläre,

niertat begünstigte den Trend für das operative Manage- statische oder dynamische Fixierung),
ment als Standardtherapie dieser Frakturform. ■ die Position des Patienten während der Osteosynthese

(Rückenlage versus Seitenlagerung),


■ die Nutzung eines Frakturtischs im Vergleich zur freien

Indikation für die operative Therapie Positionierung des Patienten auf einem röntgendurch-
lässigen Tisch.
Femurschaftfrakturen bei Erwachsenen sind üblicherwei-
se eine Indikation für eine chirurgische Osteosynthese. Außerdem gibt es verschiedene spezielle Situationen, die
Die Art und der Zeitpunkt der Intervention sind im Ent- die Behandlung von Femurschaftfrakturen beeinflussen
scheidungsprozess äußerst wichtig. Es gibt nur wenige wie
Gründe, warum eine chirurgische Stabilisierung des Fe- ■ die damit assoziierte Femurhalsfraktur,

murschafts nicht erfolgen sollte. Darunter fallen heut- ■ die Weichteilverletzungen,

zutage vor allem solche Patienten, die weitere lebens- ■ offene Verletzungen mit segmentalem Knochenverlust,

bedrohliche Verletzungen haben oder grundsätzlich eine ■ Gefäßverletzungen, polytraumatisierte Patienten,

Narkose nicht überstehen würden; möglicherweise auch ■ Patienten mit einer signifikanten Thoraxverletzung,

Patienten, die den Zeugen Jehovas angehören und bei ■ Patienten mit assoziierten Kopfverletzungen.

denen ein Fremdblutersatz nicht infrage kommt. Alle an-


dere Patienten sollten chirurgisch behandelt werden, um Alle diese Szenarien werden in diesem Kapitel noch de-
die Femurschaftfraktur zu reponieren und die Fraktur tailliert diskutiert, werden aber bereits hier erwähnt, um
mittels Osteosynthese nach Stabilisation in anatomischer die verschiedenen Patienten und Verletzungsmuster auf-
Position zu halten. Dabei kann diese Operation den mit zuzeigen, die den Entscheidungsprozess beeinflussen.
der Fraktur assoziierten Schmerz deutlich lindern und
soviel Funktion wie möglich zurückgeben.
Chirurgische Anatomie
Die Details der Anatomie des Oberschenkels werden im
folgenden Kapitel zusammen mit den chirurgischen Tech-
niken aufgezeigt. Die Quadrizepsmuskulatur befindet
sich an der anterioren Fläche des Oberschenkels, die Ad-
duktoren medial und die ischiokrurale Muskulatur auf
Operative Therapie 661

der posterioren Seite. Der beste Zugangsweg zur Platten-


osteosynthese des Femurs befindet sich direkt anterior
des lateralen intramuskulären Septums. Hierbei ist es
wichtig, daran zu denken, dass die Perforansgefäße das
Septum durchdringen und dass diese während des Zu-
gangs ligiert werden müssen.
Bei einem intramedullären Vorgehen ist es besonders
wichtig, die Anatomie der Hüfte und des Knies vor Augen
zu haben, um dieses erfolgreich durchführen zu können.
Die Details hierüber werden in den Kapiteln zur antegra-
den und retrograden Nagelung beschrieben.

Chirurgische Techniken

Externe Fixierung
Die externe Fixierung von Femurschaftfrakturen wurde
während mehrer Jahrzehnte als Standardverfahren ver- a b
wendet. Die beste Indikation für eine externe Fixierung
Abb. 25.2
bei solchen Frakturen sind polytraumatisierte Patienten, a Röntgenbild einer Femurschaftfraktur in einem Traktions-
Patienten mit signifikanten Kopfverletzungen oder Pa- gips.
tienten mit kontaminierten Weichteilverletzungen mit b Fixateur externe mit 2 Pins nahe der Fraktur und 2 Pins weit
assoziierten chemischen Gefäßverletzungen oder mit an- von der Fraktur entfernt.
deren chirurgischen Verletzungen, die verschiedene Ope-
rationsteams notwendig machen (20, 21). Einer der wich-
tigsten Einflussfaktoren bei der externen Fixierung ist die auf der Ebene des Trochanter minor zu liegen kommt. 25
Geschwindigkeit, in der diese durchgeführt wird. Es sollte Der nächste Pin ist knapp oberhalb des proximalen Frak-
nicht mehr als 15 – 20 Minuten dauern, einen 4-Pin-Fixa- turfragments, der dritte Pin knapp unterhalb der Fraktur
teur extern an den Femurschaft anzubringen, um genug und der letzte etwa 2 Finger breit oberhalb des lateralen
Stabilität für die Kontrolle der kompletten Extremität zu Epikondylus zu positionieren. Die Pingröße ist üblicher-
erlangen. Dabei ist es besonders wichtig, die relevante weise 200 × 5 mm, um einen doppelten Rahmen lateral
Anatomie der Hüfte, des Oberschenkels und des Knies anbringen zu können. Größere Pins (250 – 300 × 5 mm)
zu verstehen und präoperativ Röntgenaufnahmen des ge- können bei adipösen Patienten notwendig werden. Die
samten Femurs zur Verfügung zu haben, um die Operati- Pins werden direkt lateral bis leicht anterolateral durch
on adäquat durchführen zu können. Röntgenaufnahmen perkutane Stichinzisionen platziert. Die Faszie wird
des Femurhalses (am besten in Innenrotation), des ge- scharf inzidiert und dann stumpf bis auf den Femur prä-
samten Femurschafts und des Kniegelenks sind beson- pariert, bis man diesen palpieren kann. Am Femur wird
ders wichtig, um assoziierte skelettale Verletzungen aus- mit einem 3,5-mm-Bohrer vorgebohrt. Die Pins werden
zuschließen. Die Frakturebenen sollten identifiziert und dann bikortikal platziert. Die Reposition wird unter lon-
im Vergleich zu wichtigen Landmarken des Femurs ver- gitudinaler Traktion erreicht und mittels eines dritten
messen werden (z. B. dem lateralen Epikondylus und der Stabes fixiert, wobei die Reposition natürlich unter
Spitze des Trochanters). Diese präoperative Vermessung Durchleuchtung durchgeführt wird. Nun wird die Ge-
hilft dem Chirurgen die Fraktur intraoperativ durch ein- samtkonstruktion durch eine zweite Reihe fixiert. Sollte
fache Palpation der Landmarken zu identifizieren. Dies ist die Rahmenkonstruktion nur für eine zeitweilige Stabili-
extrem wichtig und erleichtert die Anbringung eines Fi- sierung gebraucht werden, kann ein Single Stack Frame
xateur externe, wenn kein C-Arm verfügbar ist, wie z. B. ausreichen, der weit weniger teuer wäre.
auf der Intensivstation. Gleichermaßen sollten Karbon- oder Stahlstangen mit
Der Patient sollte auf einem röntgendurchlässigen einem Durchmesser von weniger als 11 mm unbedingt
Tisch platziert werden. Die gesamte Extremität, ein- doppelt angebracht werden. Die Pin-Eintrittsstellen soll-
schließlich des Hüftgelenks und des lateralen Anteils ten scharf vergrößert werden, wenn dort Hautspannun-
des Os ilium, sollte gewaschen und desinfiziert und in gen auftreten, und müssen dann steril verbunden wer-
üblicher Weise steril abgedeckt werden. Die Pins sollten den, um einen guten Abfluss von Blut und Wundsekret
unabhängig voneinander platziert werden, wobei 2 Pins zu erlauben. Sehr wenige Femurschaftfrakturen werden
relativ nah an der Fraktur und 2 weiter entfernt von der bis zur Heilung mit einem Fixateur externe behandelt,
Fraktur angebracht werden sollten (Abb. 25.2). Der erste jedoch sollte die postoperative Pin-Pflege so früh wie
Pin kann üblicherweise 4 Finger breit unterhalb der Spit- möglich begonnen werden. Die Pin-Eintrittsstellen soll-
ze des Trochanters plaziert werden, wobei dieser damit ten hierbei dreimal am Tag mit in Wasserstoffperoxid/
662 25 Femurschaftfrakturen

Ringerlösung getränkten Kompressen gereinigt und frisch reich der Muskeln zu vermeiden, kann die Verwendung
verbunden werden, um das Risiko von Pin-Infektionen zu der Traumawunde als Zugangsweg dieses evtl. erleich-
reduzieren. Die Beweglichkeit in der Hüfte und im Knie tern. Die Reposition der Fraktur wird dann direkt mit
ist durch den Fixateur externe normalerweise deutlich Repositionszangen durchgeführt. Die sorgfältige Fixie-
eingeschränkt. Der Patient sollte jedoch unterstützt wer- rung der Platte mit einer Zange ist besonders wichtig,
den, diese Gelenke trotzdem zu bewegen. Bewegungsein- um weitere Knochen- und Gefäßverletzungen zu vermei-
schränkungen sind dadurch einer der signifikantesten den. Bei einem einfachen Frakturmuster können proviso-
Nachteile des Managements von Femurschaftfrakturen rische Zugschrauben verwendet werden, um die Fraktur
mit einem Fixateur externe. in der Reposition zu halten. Eine 4,5 mm große Platte, die
lateral platziert wird, kann dabei als Neutralisierungs-
Plattenosteosynthese platte verwendet werden.

Es gibt zwei Techniken der Plattenosteosynthese von Fe-


Überbrückungsosteosynthese
murschaftfrakturen. Zum einen die Kompressionsosteo-
synthese, zum anderen die Brückenosteosynthese. Die Bei dislozierten Frakturen, bei denen eine Zugschrauben-
Kompressionsosteosynthese ist gut geeignet für einfache fixierung nicht möglich ist, muss über eine Überbrü-
Frakturarten wie Spiralfrakturen, kurze Schrägfrakturen ckungsosteosynthese nachgedacht werden. Die Platte
und Querfrakturen. Je größer die Abweichung der Fraktur sollte lang genug sein, um die Fraktur zu überbrücken.
ist, umso schwieriger ist es, das Femur mit einer Kom- Dabei sollten mindestens 4 bikortikale Schrauben pro-
pressionsosteosynthese zu versorgen. Um eine stark dis- ximal und distal gesetzt werden können. Die Platte wird
lozierte Fraktur zu verplatten, ist die Brückenosteosyn- zuerst auf das proximale Fragment aufgesetzt, dann pa-
these die hilfreichste Technik. Die Indikation für eine rallel zum Knochen ausgerichtet und mit zwei 4,5-mm-
Plattenosteosynthese beinhaltet große assoziierte offene Schrauben fixiert. Die Reposition der Fraktur wird übli-
Wunden sowie eine Präferenz des Chirurgen für ein sol- cherweise indirekt geschlossen durchgeführt. Bei offenen
ches Verfahren. Zudem könnte es bei Patienten mit sig- Frakturen können die Frakturfragmente direkt reponiert
25 nifikanten Kopf- bzw. Thoraxverletzungen theoretisch zu werden. Dies sollte jedoch so wenig wie möglich durch-
weiteren Verletzungen durch die Marknagelung kommen geführt werden, um weitere Verletzungen der Knochen-
(21). Komplexe kombinierte Femurhals- und Femur- gefäßversorgung zu vermeiden. Die Länge, die Axial- und
schaftfrakturen oder Femurschaft- und distale intrakon- die Rotationsausrichtung sind dabei am wichtigsten. Ver-
dyläre Femurfrakturen sind ebenso relative Indikationen gleiche mit Röntgenaufnahmen der kontralateralen Ex-
für eine Plattenosteosynthese (23). tremität sind gelegentlich notwendig, um eine akzeptable
Die Plattenosteosynthese wird idealerweise an der an- Reposition zu bestätigen, ganz besonders in Bezug auf die
terioren und lateralen Femurseite platziert, um die Scher- Länge der Extremität. Weitere Details zur Ausrichtung
kräfte zu reduzieren. Jedoch hat die Plattenosteosynthese der Extremität nach Reposition finden sich in Kap. 4 (s.
signifikante mechanische Nachteile gegenüber der Mark- Abb. 4.19 – 4.22). Wenn die Extremität und die dislozierte
nagelung, da sie sich jenseits der mechanischen Haupt- Fraktur gut ausgerichtet sind, wird die Platte am distalen
belastungszone befindet. Daher müssen bei Plattenosteo- Fragment mit einer Plattenzange fixiert. Eine dritte
synthesen bei Femurschaftfrakturen mindestens 8 Bohr- Schraube wird nun durch das distale Fragment nahe an
löcher ober- und unterhalb der Fraktur verschraubt wer- der Fraktur eingebracht. Hierbei muss besonders darauf
den. Ferner muss eine 4,5 mm breite Platte verwendet geachtet werden, dass die Platte weit genug posterior
werden. liegt, um der anterioren longitudinalen Femurschaftbie-
gung Rechnung zu tragen. Nach erneuter Untersuchung
der Ausrichtung hinsichtlich Länge und Rotation wird
Kompressionsosteosynthese
schließlich das distale Fragment mit einer vierten
Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgendurch- Schraube in der suprakondylären Region fixiert. Sollte
lässigen Tisch platziert. Die gesamte Extremität wird des- die Fraktur weiterhin verkürzt bleiben, müssen die dis-
infiziert und so abgedeckt, dass die Hüfte und das Os talen Schrauben entfernt und das distale Fragment mit
ilium eingeschlossen sind. Eine lange laterale Inzision einer Plattenzange fixiert werden. Eine Zugdruckschrau-
wird genau oberhalb der Fraktur durchgeführt be mit einem Kompressor/Distraktor wird benutzt, um
(Abb. 25.3). Die Fascia lata wird etwas posterior longitu- eine adäquate Längenausrichtung zu erzielen. Hierbei
dinal inzidiert. Nun wird der gesamte M. vastus lateralis sollte die Durchleuchtung großzügig verwendet werden,
dissoziiert, um diesen vom lateralen intermuskulären um die adäquate Ausrichtung der Fraktur zu bestätigen.
Septum abheben zu können (Abb. 25.4). Blutungen aus Die Nutzung eines Frakturtischs würde die Ausrichtung
Perforansgefäßen sind häufig und müssen kontrolliert erschweren, daher ziehen die Autoren die Operations-
bzw. ligiert werden. Ein alternativer Zugang könnte technik vor, bei der das Bein frei auf einem röntgen-
durch die Traumawunde erfolgen. Da besondere Sorgfalt durchlässigen Tisch unter adäquater Relaxierung operiert
gewährleistet sein muss, um weitere Verletzungen im Be- wird. Einige der verbleibenden Schraubenlöcher werden
Operative Therapie 663

A. profunda
femoris
A. femoralis
M. tensor
fasciae
lata M. sartorius 1 M. adductor
M. gluteus magnus
maximus
perforierende
Gefäßabgänge 2
M. rectus femoris

Fraktur
3
Tractus iliotibialis
(über dem M. vastus medialis)
4

M. vastus lateralis Adduktorenkanal


25
a A. poplitea

Abb. 25.3 b Gefäßanatomie des Femurs, insbesondere mit der Lokalisie-


a Hautschnitt und Oberflächenanatomie für den lateralen Zu- rung der Perforansgefäße, die im Rahmen des lateralen Zu-
gangsweg zum Femur. gangswegs erreicht werden.

dann mit bikortikalen 4,5-mm-Schrauben versehen, um muss fortgeführt werden, bis im Röntgenbild eine Kallus-
insgesamt wenigstens 8 Schrauben proximal und distal bildung gesehen werden kann. Üblicherweise wird eine
zu erreichen. Das Weichgewebe wird dann über der Plat- Teilbelastung dafür daher für 12 – 14 Wochen postopera-
te verschlossen, und eine Drainage tief bis auf die Fascia tiv notwendig sein. Danach kann die Gewichtsaufnahme
lata gelegt. langsam erhöht und nach etwa 16 Wochen die Vollbelas-
Knochenmaterial kann transplantiert werden, wenn tung erreicht werden.
die Frakturhülle chirurgisch geöffnet wurde oder mediale
Defekte gefunden werden. Bei offenen Frakturen können
Perkutane Überbrückungsosteosynthese
antibiotikabeschichtete resorbierbare Kalziumsulfatkris-
talle verwendet werden, um die Knochenbildung zu sti- Die Extremität wird abgewaschen, desinfiziert und auf
mulieren und mögliche Infektherde zu therapieren. einem Frakturtisch steril abgedeckt, um die Kontrolle
Die postoperative Rehabilitation sollte früh mit passi- der gesamten Extremität vom Becken bis zum Fuß zu
ven Hüft- und Kniebewegungen beginnen. Hierbei kann erlauben. Die Hüfte wird leicht erhöht gelagert, sodass
eine CPM-Maschine – falls notwendig – verwendet wer- der Trochanter ebenfalls erhöht ist. Hierbei ist es wichtig,
den. Die Extremität wird passiv gelagert, wobei die iso- während der Operation diese veränderte Lagerung zu
metrische Kontraktion der Quadrizepsmuskulatur dem bedenken, wenn die Fraktur reponiert und die Rotation
Patienten erlaubt werden sollte. Die Kontrolle der Extre- der unteren Extremität angepasst wird. Frakturen, die
mität wird die Rückkehr der muskulären Funktion eben- mit dieser Technik behandelt werden können, sind
falls beschleunigen, und es kann ab diesem Zeitpunkt die hauptsächlich diaphyseal dislozierte Frakturen bei Pa-
Thromboseprophylaxe abgesetzt werden (üblicherweise tienten, bei denen keine Marknagelfixierung möglich ist.
zwischen 3 – 6 Wochen postoperativ). Die Teilbelastung Bei dieser Technik sollte immer ein Vergleich mit der
664 25 Femurschaftfrakturen

M. rectus femoris

M. vastus lateralis
intermedius und
medialis
M. tensor
fasciae latae

unterbundene (ligierte)
Gefäßabgänge
lateraler Rand
der Linea aspera

M. vastus Femur, lateraler Aspekt


lateralis
laterales
inter-
25 muskuläres
Septum

A. profunda
Septum femoris
intermusculare
A. femoralis
laterale

Abb. 25.4 Tiefe Anatomie beim lateralen Zugangsweg zum Femur.

kontralateralen Extremität durchgeführt werden, um die gentlich unter Nutzung perkutaner Schanz-Schrauben
Länge zwischen dem Trochanter und der epikondylären (Joystick) reponiert werden. Wenn das proximale Frag-
Region zu vergleichen. Diese Länge sollte dann mit einer ment mit der Platte ausgerichtet ist, wird eine zweite
4,5 mm breiten Platte angepasst werden, die leicht vor- Schraube perkutan unter Durchleuchtung angebracht,
gebogen ist, um der Biegung am lateralen Femur, vom am besten nahe an der Fraktur. Nun ist die Platte mit 2
Vastus bis zum Epikondylus, Rechnung zu tragen. Schrauben am proximalen Fragment fixiert; das distale
Zwei kleine Inzisionen werden dann durch die Fascia Fragment wird dann reponiert (Abb. 25.5 b). Hierbei soll-
lata im Bereich des Epicondylus lateralis sowie oberhalb te unbedingt die adäquate Rotation und Länge beachtet
des Vastus durchgeführt (Abb. 25.5 a). Die Platte wird werden. Eine dritte bikortikale Schraube wird perkutan
dann submuskulär retrograd eingebracht bis sie am pro- durch die Platte angebracht, wobei diese den Knochen an
ximalen Anteil der Wunde austritt. Anschließend wird der Platte fixiert. Eine vierte Schraube wird durch die
eine bikortikale Schraube am Trochanter minor einge- Platte in der epikondylären Region angebracht
bracht, um die Plattenlage zu sichern. Nun kann die Frak- (Abb. 25.5 c). Länge und Rotation werden nun erneut
tur indirekt unter Zug, unter direktem Druck oder gele- überprüft, und weitere 3 – 4 Schrauben proximal und dis-
Operative Therapie 665

submuskulär platzierte proximales Fragment an


Platte die Platte angepasst

1 Schanz-Schraube

zweite Schraube
nahe der
Fraktur platziert

a b 25

Abb. 25.5 Submuskuläre Überbrückungsplattenosteo-


synthese des Femurs.
Anpassen des distalen a Platzierung der Platte und der ersten proximalen
Fragments Schraube.
b Benutzung einer Schanz-Schraube, um die Fraktur zu
reponieren, bevor eine zweite proximale Schraube in der
Nähe der Hauptfrakturlinie platziert wird.
c Reposition des distalen Fragments und Platzierung der
1
distalen Schrauben.

c
666 25 Femurschaftfrakturen

tal zur endgültigen Fixierung der Platte angebracht. Da-


nach werden die Wunden gespült und verschlossen und
die Hüft- und Kniebeweglichkeit überprüft. Es sollten
hierbei erneut die Rotation und Länge überprüft werden.
Im postoperativen Verlauf muss hierbei ebenfalls eine
Teilbelastung und Thromboseprophylaxe durchgeführt
werden, bis eine zunehmende Knochenkonsolidierung
gesehen wird. Mittels dieser Methode kommt es häufig
zu einer guten Kallusbildung, da die Umgebungsmusku-
latur unverletzt bleibt und somit zur periostalen Kallus-
bildung beiträgt. Die Teilbelastung muss etwas 12 – 14
Wochen postoperativ eingehalten werden, um eine gute
Kallusbildung sowie Knochenorganisation und -reifung
zu erreichen. Die passive und aktive Bewegung in Hüfte
und Knie ebenso wie leichte Kräftigungsübungen können
bereits in der frühen postoperativen Zeit durchgeführt
werden.
Abb. 25.6 Patient auf dem Frakturtisch mit den Beinen in
Scherenposition und unter Zug.
Antegrade Marknagelung
(Videos 25-1 bis 25-4, DVD 3)
Die Marknagelung ist zur Zeit die beste Methode zur Fi-
xation von Femurschaftfrakturen. Obwohl einzelne As-
pekte der Marknagelung weiterhin kontrovers diskutiert
werden, sind die klinischen Ergebnisse nach einer sol-
25 chen Nagelung exzellent und die Komplikationen nur mi-
nimal.

Antegrad, Piriformis, aufgebohrt, Rückenlagerung,


Frakturtisch
Der Patient wird in Rückenlagerung auf einem modernen
Frakturtisch gelagert, mit dem das Bein bis einschließlich
Hüfte unter Zug gesetzt und abduziert werden kann. Am
verletzten Bein kann ein proximaler Tibia-Zugpin im Be- Abb. 25.7 Die relative Adduktion des verletzen Beines wird
reich des Tuberculum tibiae oder knapp unterhalb ge- primär durch die Positionierung des Rumpfes und Kopfes des
setzt. Ein schlecht gesetzter tibialer Traktionspin macht Patienten erreicht, wobei die Adduktion des Beines selbst nur
die Reposition der Fraktur sehr schwer und sollte daher einen kleinen Beitrag hierzu leistet.
unbedingt ersetzt werden. Ein Kirschner-Draht oder ein
größerer Pin können ebenfalls gesetzt werden. Ein Pin
mit einem Gewinde ist nicht unbedingt notwendig, Die Patienten werden häufig in einer V-Position gela-
wobei diesem der Vorzug gegeben werden sollte, wenn gert, um den Trochanter major besser erreichen zu kön-
dickere Pins verwendet werden. Der Patient wird dann nen. Diese Position wird hauptsächlich dadurch erreicht,
auf dem Frakturtisch in Rückenlagerung gelagert, der dass Kopf und Rumpf des Patienten bewegt werden.
Großteil der verletzten Extremität desinfiziert und vom Durch die Adduktion des frakturierten Beines kann
Becken bis zum Pin steril abgedeckt. Die Positionierung diese Position weniger gut erreicht werden (Abb. 25.7).
des Patienten ist sehr wichtig, um die Instrumentierung Die Repositionsmanöver bei proximalen Frakturen sollten
des proximalen Femurs zu erlauben. Die zirkumferente so durchgeführt werden, dass sich die Hüfte in einer flek-
Desinfektion der Extremität ist ideal, jedoch nicht unbe- tierteren Position befindet, um die distalen Fragmente
dingt notwendig. Es sollten mindestens 270° des latera- besser an die proximalen anlagern zu können. Eine Zwille
len Femurs exponiert sein. Es ist nicht unbedingt not- mit einer Instrumententischabdeckung („Mayo stand
wendig, den medialsten Anteil des Femurs abzudecken. cover“) oder einem sterilen Tuch kann benutzt werden,
Die Durchleuchtung erfolgt von der gegenüberliegenden um das distale Fragment nach ventral zu drücken und
Seite. Das Bein wird dann in einer abduzierten und nach damit die korrekte Positionierung des posterioren Teils
unten extendierten Position gelagert (nicht jedoch in des distalen Fragments zu erreichen. Hierbei ist eine aus-
Steinschnittlagerung; Abb. 25.6). reichende Adduktion notwendig, um die Scherkräfte zu
überwinden und den Bohrpunkt am proximalen Femur
Operative Therapie 667

mit der Fossa piriformis medial des Trochanters einge-


führt. Ein medialer oder anteriorer Startpunkt würde
den Femurhals beeinträchtigen und möglicherweise
(weitere) Femurschaftfrakturen und eine Verletzung der
Femurkopfgefäßversorgung induzieren. Etwa die halbe
Wegstrecke Richtung Fossa piriformis ist ideal und sollte
im lateralen Röntgenstrahl mit dem Femurschaft über-
einstimmen. Der Pin wird dann durch die Fossa pirifor-
mis knapp unterhalb des Trochanter major eingebracht.
A.–p. und seitliche Durchleuchtung sollte erfolgen, um zu
bestätigen, dass der Pin zentral im Knochmarkskanal ein-
gebracht wurde. Ein durchbohrter 13-mm-Bohrer wird
dann über den Führungsdraht eingebracht und der pro-
ximale Femur auf der Höhe des Trochanter major auf-
gebohrt.
Bei größeren Patienten kann es sehr schwierig sein,
einen Eintrittspunkt zu finden, insbesondere wenn die
Abb. 25.8 Durchleuchtung des proximalen Femurs, wobei die Hüfte abduziert ist. Ein hilfreicher Tipp ist, das Becken
gestrichelte Linie die Fossa piriformis markiert. des Patienten etwas weiter lateral auf dem Frakturtisch
zu positionieren, das Bein zu adduzieren und einen per-
kutanen Kugelspieß oder eine 5 mm messende unikorti-
zu visualisieren. Die Rotationsausrichtung sollte nun kale Schanz-Schraube am proximalen Fragment anzu-
überprüft werden und der laterale Anteil der Patella in bringen, um dieses Fragment weiter zu adduzieren
einer Linie mit der Spina illiaca superior anterior sein. (Abb. 25.9).
Stimmen diese Landmarken überein, wird das proximale Wenn die erste Bohrung erreicht wurde, wird ein wei-
Femur unter Durchleuchtung visualisiert. Am proximalen terer Führungsdraht mit einem stumpfen Ende durch das 25
Femur sollten nun die Umrisse des Femurhalses und der proximale Fragment gebracht und zur Fraktur vorgescho-
Fossa piriformis sichtbar sein (Abb. 25.8). Vor Desinfekti- ben. Hierbei ist es sehr häufig notwendig, die Fraktur
on, steriler Abdeckung und Inzision sollte unter Durch- chirurgisch zu reponieren, um den Draht vorschieben zu
leuchtung die adäquate geschlossene Reposition der Fe- können. Dabei gibt es spezielle Techniken, um die Fraktur
murschaftfraktur überprüft worden sein. in der Reposition zu halten. Ein intramedulläres Fraktur-
Nach sterilem Abwaschen und Abdecken wird der reponierungsinstrument, das durchbohrt ist und eine ge-
Hautschnitt etwa 10 – 12 cm oberhalb des Trochanters bogene Spitze hat, ist normalerweise groß genug, um
durchgeführt. Die tiefe Faszie wird eröffnet und ein 3- eine Reposition von der Innenseite des Knochenmark-
mm-Führungs-Pin durch die Muskulatur in einer Linie kanals erreichen zu können (Abb. 25.10). Der stumpfe

a b

Abb. 25.9 Nutzung einer Schanz-Schraube, um das proximale a A.–p. Aufnahme.


Fragment optimal so zu platzieren, dass der Führungsdraht b Seitliche Aufnahme.
eingebracht werden kann.
668 25 Femurschaftfrakturen

rungsdraht nicht zu weit anterior liegt und somit die


Bohrung exzentrisch aus dem anterioren Kortex erfolgen
würde.
Nun wird das Femur sequenziell aufgebohrt. Der Nagel-
durchmesser sollte – in Abhängigkeit von der präopera-
tiven Ausmessung des Knochenmarkkanals – erfolgen.
Die intraoperative Größenauswahl wird üblicherweise
so durchgeführt, dass ein Nagel gewählt wird, der 1 mm
größer als der erste Bohrer ist, der ein endostales Ge-
a
räusch produziert. Der Nagel sollte so dick sein, dass die
Verriegelungsbolzen während der Frühmobilisierung
eine Gewichtsübernahme ohne Osteosyntheseversagen
aufnehmen können (rostfreier Stahl 6,4 mm, Titan
5 mm). Nach dem Aufbohren wird der stumpfe Führungs-
draht über ein Wechselrohr durch einen weichen Füh-
rungsdraht ersetzt. Dieser Schritt ist bei manchen Mark-
nagelungssystemen nicht notwendig, wenn der stumpfe
Führungsdraht durch den Nagel selbst hindurchpasst. Die
Vermessung der Nagellänge wird mit einem röntgen-
durchlässigen Lineal oder durch die Subtraktionsmetho-
de durchgeführt. Bei der Subtraktionsmethode werden
zwei Führungsdrähte derselben Länge von der Spitze
des Trochanters aus gemessen. Der Teil des einen Füh-
b rungsdrahts, der im Femurkanal eingebracht wird, wird
dann mit dem Teil des Führungsdrahts außerhalb des
25 Abb. 25.10 Beines verglichen (Abb. 25.11).
a Intramedulläres Repositionswerkzeug vor dem Einbringen in Findet sich hier eine segmentale Dislozierung und
den Femur herrscht Unklarheit, ob die Länge passend ist, muss das
b Durchleuchtung während der Nutzung des intramedullären
kontralaterale Femur von der Spitze des Trochanters bis
Repositionswerkzeugs, um den stumpfen Führungsdraht über
die Fraktur vorschieben zu können zum medialen Epikondylus ausgemessen werden. Wenn
beide Frakturen disloziert sind, muss der ausgewählte
Nagel an den Landmarken beider Femurknochen ange-
setzt und ausgemessen werden. Darüber hinaus gibt es
Führungsdraht kann dann über die Fraktur vorgeschoben von manchen Herstellern Messinstrumente, die eine
werden, sobald diese reponiert ist. Wenn ein „Finger“- Messung direkt am Führungsdraht ermöglichen. Wenn
Reponierungsinstrument nicht vorhanden ist, kann das Länge und Durchmesser des Nagels ausgewählt wurden,
distale Fragment mit einer Schanz-Schraube fixiert und wird der Marknagel über den weichen Führungsdraht
diese dann verwendet werden, um das Fragment extra- eingebracht und mit Verriegelungsbolzen gesichert. Hier-
medullär zu reponieren. bei ist besonders wichtig darauf zu achten, dass zu die-
Die am wenigsten invasive Technik beinhaltet die Nut- sem Zeitpunkt eine vollständige Reponierung der Fraktur
zung einer Zwille, die posterior zwischen den Abdeck- vor Einbringen des Nagels erreicht wurde. Die Verriege-
tüchern positioniert wird, um die flektierte Position des lungsbolzen sollten statisch eingebracht werden, solange
distalen Fragments aufzuheben. Zusätzlich kann das pro- es keine guten Argumente für eine dynamische Verriege-
ximale oder distale Fragment manuell von der anterome- lung gibt. Dies bedeutet normalerweise zwei Schrauben
dialen oder lateralen Seite reponiert werden, um die Ex- oberhalb und zwei unterhalb der Fraktur etwa 5 cm oder
tremität insgesamt auszurichten. Wenn der stumpfe Füh- mehr von der Fraktur entfernt. Frakturen, die dynamisch
rungsdraht in das distale Fragment vorgeschoben wurde, verriegelt werden sollten, sind Windquist-I- und manche
wird die Lagekontrolle unter Durchleuchtung auf der Windquist-II-Frakturen. Diese befinden sich häufig auf
Ebene des Knies durchgeführt und der Führungsdraht Höhe des Isthmus, an dem der Nagel den kompletten
zentral bis auf die Höhe der Blumensaat-Linie vorgescho- Knochenmarkkanal ausfüllt und nur wenig Bewegung
ben. Es ist sehr wichtig, dass der Führungsdraht sowohl der Fraktur zulässt. Unterhalb des Isthmus gelegene Frak-
in a.–p. als auch seitlichem Strahlengang zentral im dis- turen müssen mit zwei Verriegelungsbolzen distal fixiert
talen Femur zu liegen kommt. Dieses erleichtert die zen- werden, die sich soweit wie möglich von der Fraktur ent-
trale Einbringung des Nagels und verhindert eine Fehl- fernt befinden sollten.
ausrichtung dislozierter Frakturen, besonders im distalen Die Bohrlehren für die Femurnagelung haben proxima-
Drittel. Die Bilder im seitlichen Strahlengang werden le Verriegelungsvorrichtungen. Diese sind normalerweise
ebenfalls dazu benutzt, um zu bestätigen, dass der Füh- sehr gut ausgerichtet. Gelegentlich trifft man mit diesen
Operative Therapie 669

Abb. 25.11 Substrakti-


onsmethode, um die kor-
rekte Nagelgröße mit zwei
Führungsdrähten zu er-
rechnen. Es ist wichtig,
dass beide Führungsdräh-
Draht 1 te die gleiche Länge auf-
weisen und die Fraktur
korrekt reponiert ist,
wenn die Messung vor-
Draht 2 genommen wird.
Kugel
Draht 2

gleiche Länge
des Drahtes
im Femur

Klemme

25

Draht 1
2
1

Inzision in
der Fossa
piriformis

Fraktur

Kugel
Spitze 1

jedoch nicht das Verriegelungsloch und muss den Verrie- dann oberhalb dieses Kreises durch die Faszie gemacht
gelungsbolzen unter Durchleuchtungskontrolle einbrin- werden. Dies wird von einer stumpfen Präparation bis
gen. Eine distale Freihandverriegelung wird bei der ante- auf den Knochen gefolgt, und es wird ein scharfer Bohrer
graden Nagelung immer notwendig sein. Die Freihand- zentral platziert (Abb. 25.13). Wenn dieser beim Einbrin-
technik ist stark von der Durchleuchtungsqualität abhän- gen rechtwinklig zum Schaft exzentrisch platziert wird,
gig. Von den Verriegelungslöchern sollte ein „perfekter wird das Bohrloch verfehlt oder die Schraube exzentrisch
Kreis“ sichtbar sein und sie sollten genau zentral im C- platziert. Sobald die Bohrhülse eingebracht wurde, sollte
Arm positioniert werden (). Eine kleine Inzision muss die adäquate Tiefe ausgemessen sowie unter Durchleuch-
670 25 Femurschaftfrakturen

Abb. 25.12 Der perfekte Kreis, um den Femurnagel mittels Abb. 25.13 Platzierung des Bohrers im Zentrum des Kreises.
Freihandtechnik zu verblocken.

tung das Verriegelungsloch (im seitlichen Strahlengang) Startpunkt verwendet wird, mit der Ausnahme, dass der
und die adäquate Länge (im a.–p. Strahlengang) bestätigt Startpunkt des Nagels mehr lateral liegt, um die Platzie-
werden. Die Wunden werden dann gespült und ver- rung des Nagels in adipöseren Patienten zu erleichtern. Es
schlossen. Danach folgt die Anbringung von Drainagen, kann gelegentlich sehr schwierig sein, einen Startpunkt
25 falls notwendig. Nun wird der Femurhals unter Durch- in der Fossa piriformis bei dicken Patienten zu finden,
leuchtung untersucht, um Femurhalsfrakturen aus- ganz besonders wenn proximale Frakturen vorliegen. Im
zuschließen. Prinzip wird dieselbe Lagerung und C-Arm-Ausrichtung –
Der Patient wird dann vom Frakturtisch genommen wie bereits beschrieben – verwendet, um das proximale
und der Zug-Pin aus dem Unterschenkel entfernt. Das Fragment zu visualisieren, einschließlich der trochantä-
Knie wird auf ligamentäre Verletzungen untersucht und ren Erhöhung der Fossa piriformis des Femurkopfs und
Femurlänge und -rotation erneut bestätigt. -halses. Der Führungsdraht wird nicht mehr als einige
Postoperativ kann der Patient sofort mit isometrischen Millimeter seitlich der Spitze des Trochanters inseriert
Übungen der Quadrizepsmuskulatur beginnen. Früher und zentral in den Knochenmarkkanal vorgeschoben. Es
wurde bei dislozierten Frakturen eine Teilbelastung an- ist wichtig, dass der Startpunkt an der Spitze des Tro-
gewendet. Es wurde jedoch durch bessere Biomaterialien chanters und nicht zu weit lateral oder anterior liegt
erreicht, dass man sehr früh zur Vollbelastung übergehen (Abb. 25.14).
kann. Die meisten Patienten werden natürlich von sich Im a.–p. Strahlengang wird nun der Führungsdraht in
aus initial eine Teilbelastung einhalten, bis eine gewisse Richtung des inferioren Teils des Trochanter minor vor-
Heilung eingetreten ist. Die Thromboseprophylaxe muss geschoben. Der durchbohrte Bohrer wird dann bis zur
solange fortgeführt werden, bis der Patient mobil ist und Basis des Trochanter minor vorgebohrt. Hierbei muss
wieder eine ausreichende muskuläre Kontrolle über sein eine Verletzung des medialen Kortex unbedingt vermie-
Bein gewonnen hat. den werden. Es wird nun eine ähnliche Technik verwen-
det, um den Führungsdraht vorzuschieben, den Nagel
auszumessen und einzubringen. Der Eintrittspunkt des
Antegrad, Fossa, trochantär, aufgebohrt,
trochantären Nagels ist etwas gefährlicher durchzufüh-
Rückenlagerung
ren, da dieser zu einer Einbringrichtung des Nagel in
Die antegrade Marknagelung durch einen trochantären Richtung Trochanter minor führt. Hierbei ist es sehr
Startpunkt in Rückenlagerung auf einem Frakturtisch wichtig darzustellen, dass der stumpfe Nagel vorsichtig
mit einem gebohrten Nagel ist eine relativ neue Technik, durch diese gefährdete Femurregion vorgeschoben wird.
um Femurschaftfrakturen zu versorgen. In dieser Technik Eine Vergrößerung der Fraktur oder sogar ein Bersten des
muss ein neuer Nagel mit einer proximal-lateralen Bie- proximalen Femurs kann hierbei auftreten, wenn der me-
gung von etwa 5°– 8° verwendet werden. diale Kortex verletzt wird. Nun wird mit 12 mm über-
Die Nagelung durch diesen Startpunkt mit einem gera- bohrt und der Nagel mit der anterioren Biegung nach
den Nagel führt häufig zu einer Fehlausrichtung des Bei- lateral eingebracht (Abb. 25.15). Dann wird der Nagel
nes. Die chirurgische Anatomie ist vergleichbar zu derje- während des Vorschiebens um 90° gedreht, um das Vor-
nigen, die verwendet wird, wenn die Fossa piriformis als schieben durch die subtrochantäre Region zu verein-
Operative Therapie 671

Variationen der antegraden Nagelung


Signifikante Veränderungen zur vorbeschriebenen Tech-
nik treten auf, wenn der Patient seitlich positioniert wird.
Ein Vorteil der Seitenlagerung ist die bessere Darstellung
der Fossa piriformis, da das Fettgewebe weg vom Chirur-
gen nach unten sackt. Andererseits ist die Visualisierung
des Eintrittspunkts in den lateralen Strahlengang schwie-
rig, kann jedoch durch eine Flexion des Beines verbessert
werden. Eines der größten Probleme bei der Nagelung in
Seitenlagerung ist eine Tendenz zur Rotationsfehlstel-
lung. Dies geschieht vor allem präoperativ, wenn nicht
auf eine perfekte Ausrichtung der Extremität geachtet
wurde oder intraoperativ, während der Verriegelung des
Nagels (24).
Eine weitere Variation ist die Frakturnagelung ohne
Frakturtisch in Rückenlagerung. Hierbei gibt es verschie-
dene Indikationen, einen röntgendurchlässigen Tisch
Abb. 25.14 Eintrittspunkt für den Trochanternagel. Der Ein- statt eines Frakturtischs zu benutzen:
■ Ipsilaterale Frakturen der unteren Extremität mit gro-
trittspunkt sollte sich an der Spitze des Trochanters befinden,
nicht weiter lateral. ßen offenen Wunden, die ein extensives Débridement
erfordern (besonders am medialen Teil des Beines),
■ begleitende Gefäßverletzungen,

■ Patienten mit anderen Verletzungen, die gleichzeitige

Operationen durch andere chirurgische Teams not-


wendig machen (25). 25

Die Reposition auf dem Frakturtisch kann am einfachsten


durch präoperative Lagerungskissen unterhalb der Hüfte
und der Fraktur erreicht werden. Die Verwendung per-
kutaner Schanz-Schrauben kann ebenfalls dazu beitragen,
die Fraktur korrekt auszurichten. Ferner müssen während
der gesamten Operation die Länge und die Rotationsaus-
richtung überprüft werden. Der Patient sollte vollständig
relaxiert sein, um eine adäquate Längenausrichtung zu
erreichen, ohne dass großer Muskelzug zu einer Beinver-
Abb. 25.15 Einbringen eines Trochanternagels mit dem Ziel- kürzung führt und dadurch die vollständige Längenaus-
instrumentarium nach oben erleichtert die Einführung des richtung verhindert.
Nagels in das proximale Femur. Eine weitere Variation ist die Wahl eines nichtauf-
gebohrten Nagelungssystems. Die Indikation für ein sol-
ches System liegt üblicherweise nur bei Patienten, die
fachen. Frakturen im proximalen Teil des Femurs können extrem instabil sind oder eine signifikante Thoraxverlet-
mit dieser Technik leicht in einer Varusfehlstellung fixiert zung haben vor. Hierbei konnte gezeigt werden, dass
werden. Es sollte daher die richtige Valgus-Varus-Positio- durch nichtaufgebohrte Nägel weitere Lungenverletzun-
nierung überprüft werden. Dies gelingt am leichtesten, gen durch Embolien, die wiederum durch Aufbohren des
wenn ein Frakturtisch verwendet wird und eine ge- Knochenmarkskanals induziert werden, vermieden wer-
schlossene Reposition präoperativ erreicht und während den können. Mehrere Studien aus den USA haben jedoch
der Operation aufrechterhalten werden kann. Femur- gezeigt, dass nichtaufgebohrte Nägel zur Versorgung von
schaftfrakturen richten sich häufig selbst aus, wenn ein Femurschaftfrakturen weniger effektiv beim Erreichen
markraumbreiter Nagel eingebracht wird. Die postopera- einer Frakturheilung sind (26, 27). Daher sollten nichtauf-
tive Rehabilitation ist vergleichbar mit älteren Markna- gebohrte Nägel nur dann verwendet werden, wenn wirk-
geltechniken. liche Kontraindikationen zur Verwendung von auf-
gebohrten Nagelsystemen bestehen.
672 25 Femurschaftfrakturen

Retrograde Marknagelung Retrograd aufgebohrt


(Videos 25-5 und 25-6)
Der Patient wird auf einem Durchleuchtungstisch mit
Chirurgisch anatomische Strukturen bei der retrograden Darstellung der Hüfte gelagert. Hierbei kann ein kleines
Femurnagelung sind vor allem das Kniegelenk und das Kissen unter der Hüfte notwendig sein, um den Trochan-
proximale Femur. Der Nagel wird durch einen intrakon- ter anzuheben und diese Region steril abwaschen und
dylären Eintrittspunkt am Kniegelenk knapp oberhalb vom Becken über das gesamte Bein in der vollständigen
der Notch (Blumensaat-Linie) im seitlichen Strahlengang Zirkumferenz abdecken zu können. Röntgendurchlässige
und den Fasern des hinteren Kreuzbands eingebracht. Die Dreiecke sind bei der retrograden Nagelung hilfreich, da
Indikationen zur Nutzung eines retrograden Nagelsys- sie das Knie etwa 30° beugen, was einen leichteren Zu-
tems sind übergewichtige Patienten, ipsilaterale Femur- gang zum Eintrittspunkt für die retrograde Nagelung er-
hals- und Azetabulumfrakturen, ipsilaterale Frakturen lauben, und die Patella zur Seite schieben (Abb. 25.16).
der unteren Extremität, schwangere Frauen und beidsei- Wenn das Bein abgewaschen und abgedeckt ist, wird
tige Verletzungen (28). eine Inzision perkutan zentral über dem Lig. patellae
durchgeführt. Das Ligament wird längs gespalten oder
nach lateral weggehalten und eine mediale peripatellare
Inzision durchgeführt. Der erste Führungspin wird per-
kutan in die Notch knapp unterhalb der Blumensaat-
Linie eingebracht (Abb. 25.17 a). Dieser sollte gerade an-
terior des hinteren Kreuzbands und tief in der Notch zu
liegen kommen, um patellofemurale Berührungen zu ver-
meiden. Der Eintrittspunkt ist knapp lateral der Mittel-
linie, um eine Platzierung zentral im Knochenmarks-
kanals zu erreichen (Abb. 25.17 b).
Der Führungspin wird dann weiter in den Knochen-
25 markskanal vorgebracht in einer Zentrums-Zentrums-Po-
sition, die im a.–p. und seitlichen Strahlengang bestätigt
wird. Das seitliche Bild sollte die Platzierung des Pins
7 – 8 mm anterior der Blumensaat-Linie bestätigen, um
zu vermeiden, dass durch den posterioren Kortex gebohrt
wird. Der Eröffnungsbohrer wird dann durch das Knie
mit einem Gewebeschutz eingebracht, um eine Verlet-
zung des Lig. patellae oder des anterioren Tibiaplateaus
und des darunter liegenden Fett-Pads zu vermeiden
Abb. 25.16 Röntgendurchlässige Dreicksunterlagen erleich-
(Abb. 25.18). Der Bohrer wird dann 5 – 7 cm in das distale
tern die Positionierung des Knies in 30° Flexion zur retrograden
Nagelung. Femur vorgebohrt. Während der Bohrung wird kontinu-

a b

Abb. 25.17 b A.–p. Ansicht. Der Startpunkt ist etwas lateral der Mittellinie,
a Seitlicher Strahlengang. Der Startpunkt für die retrograde sodass der Nagel sich im Kanal zentralisieren kann.
Nagelung befindet sich oberhalb der Blumensaat-Linie.
Operative Therapie 673

reichen. Wenn eine adäquate Ausrichtung erreicht wur-


de, werden die Wunden gespült und verschlossen. Die
Stabilität des Kniegelenks wird geprüft.
Die postoperative Rehabilitation ist vergleichbar der
antegraden Nagelung. Es sollten regelmäßige Röntgen-
kontrollen bei distalen Frakturen durchgeführt werden,
um eine im Verlauf der Rehabilitation aufgetretene Fehl-
ausrichtung frühzeitig erkennen zu können. Thrombose-
prophylaxe, frühe Mobilisierung und isometrische Stär-
kungsübungen für den Quadrizeps müssen früh postope-
rativ durchgeführt werden.

Spezielle Hinweise (Video 25-7, DVD 3)


Femurschaftfrakturen, die mit Femurhalsfrakturen ver-
gesellschaftet sind, sind eine anspruchsvolle Verletzungs-
Abb. 25.18 Gewebeschutz. Der Einsatz eines Gewebeschut- kombination (13, 23). Die meisten Unfallchirurgen erken-
zes minimiert das Weichgewebstrauma während des Bohrens. nen zunächst die Femurhalsfraktur und wenden ihre Auf-
merksamkeit richtigerweise dieser zu, um eine exakte
Reposition zunächst der Femurhalsfraktur vor der Be-
ierlich gespült, um eine Kontamination des Fett-Pads und handlung der Femurschaftfraktur vornehmen zu können.
des Gelenks selbst zu vermeiden. Der stumpfe Führungs- Die Nutzung eines Implantats, um beide Frakturen zu
draht wird dann durch den Knochenmarkskanal über die behandeln, kann vorgenommen werden, wenn eine ana-
Fraktur bis auf die Höhe der Fossa piriformis im proxima- tomische Reposition des Femurhalses und eine provisori-
len Femur vorgeschoben. Der Reposition wird durch ma- sche Stabilisierung erreicht werden kann. Patienten mit
nuelle Manipulation des distalen Fragments oder durch einer solchen Verletzung können entweder mittels einer 25
die Nutzung von Schanz-Schrauben im proximalen Frag- zephalomedullären Marknagelung nach provisorischer
ment erreicht. Das Femur wird dann sequenziell von 9 bis Schraubenfixierung des Halses oder mit einer separaten
maximal 13 mm aufgebohrt. Die Frakturreposition sollte Fixationstechnik für beide Frakturen wie z. B. durchbohr-
während der Bohrung vollständig eingehalten werden. ten Schrauben oder einer Hüftschraube mit fixiertem
Große Bohrer können die patellofemurale Artikulations- Winkel für den Femurhals und einem retrograden Femur-
fläche verletzen und sollten daher vermieden werden. nagel für die Femurschaftfraktur versorgt werden. Unab-
Ein maximal 12 mm im Durchmesser betragender Nagel hängig vom Implantat muss zuerst eine anatomische Re-
wird dann eingebracht, wobei dieser mindestens position des Femurhalses durchgeführt werden, die un-
3 – 5 mm tief in der Gelenkfläche distal mit der Spitze bedingt vor der Versorgung der Femurschaftfraktur statt-
proximal oberhalb des Trochanter minor eingebracht finden muss (13, 23).
werden muss. Die Nageltiefe im distalen Fragment kann Schussverletzungen sind heute zunehmend häufiger.
am besten im seitlichen Strahlengang bestimmt werden. Die Behandlung einer Femurschaftfraktur aufgrund
Diese muss sich oberhalb der Blumensaat-Linie befinden. einer ballistischen Verletzung sollte vergleichbar zur ge-
Der Nagel wird dann proximal mit zwei Verriegelungs- schlossenen Fraktur vorgenommen werden (1). Extensive
bolzen in anterioposteriorer Richtung und distal mit zwei Wunddébridements sind nicht mehr unbedingt notwen-
Verriegelungsbolzen lateromedial verriegelt. Die pro- dig. Die Standardnagelung kann sicher bei niedrigen In-
ximale Verriegelung kann am sichersten im a.–p. Strah- fektionsraten durchgeführt werden. Es sollte jedoch eine
lengang durchgeführt werden, wenn die Verriegelungs- perioperative Antibiose während der ersten 24 h durch-
schrauben proximal des Trochanter minor platziert wer- geführt werden. Eine Schussverletzung, die durch Ge-
den, um das Risiko einer Verletzung der femuralen neu- wehre oder halbautomatische Waffen entstanden ist, ist
rovaskulären Strukturen zu minimieren (29). Gelegent- unterschiedlich zu behandeln, da hierbei deutlich schnel-
lich wird eine posterior platzierte Blockierungsschraube lere Eintrittsgeschwindigkeiten vorliegen. Diese Wunden
(Pollerschraube) im distalen Fragment notwendig sein, sollten aggressiv débridiert werden. Ferner müssen diese
um die Reposition der Fraktur zu vereinfachen und eine Verletzungen initial durch einen Fixateur externe behan-
Fehlausrichtung mit einer posterioren Verkippung zu ver- delt werden. Sobald die Wunde sauber ist, kann die de-
meiden. Diese Schraube wird den Nagel nach weiter an- finitive Versorgung entweder mit einer Platte oder mit
terior im distalen Segment führen und diesen in einer einem Marknagel durchgeführt werden.
anatomischeren Reposition im seitlichen Strahlengang fi- Die Versorgung offener Frakturen aufgrund eines
xieren. Laterale Blockierungsschrauben sind gelegentlich stumpfen Traumas kann sehr schwierig sein. Hierbei ent-
notwendig, um den Nagel in einer medialen Position zu stehen häufig verschiedenen Komplikationen wie Infek-
halten und eine bessere Varus-Valgus-Ausrichtung zu er- tionen, teilweise Verlust des Knochenmaterials sowie ver-
674 25 Femurschaftfrakturen

spätete Heilung und die Entstehung von Pseudarthrosen. Shunt können alle drei Techniken zur Femurschaftfrak-
Die aggressive Versorgung der Weichteilverletzung ist ex- turstabilisierung durchgeführt werden, einschließlich
trem wichtig, wenn die Wiederkehr der maximalen Funk- der externen Fixierung, einer Platte oder einer Markna-
tion erwünscht ist. Devitalisiertes Muskelgewebe sollte gelung.
débridiert werden, jedoch in solch einer Art und Weise, Bei großen offenen Wunden kann eine Plattenosteo-
dass ein extensiver Verlust von Muskel vermieden wer- synthese Vorteile haben, weil sie direkt visualisiert wer-
den kann. Zusätzliche Behandlungsoptionen schließen den kann. Wenn die Frakturen weiter auseinanderstehen,
den vakuumassistierten Wundverschluss (VAC) und/oder ist eine Marknagelung zu bevorzugen, da sie bei der Ein-
hyperbare Sauerstoffbehandlung für die ischämische stellung von Rotation und Länge hilft. In einigen Situatio-
Wunde ein, um evtl. mehr Muskelgewebe in der Verlet- nen, wenn weitere Débridements notwendig sind,
zungszone retten zu können (30). Sequenzielle Débride- scheint die externe Fixierung die beste Option zu sein.
ments sind bei Hochrasanztraumata häufig notwendig Sobald die chirurgische Erstbehandlung abgeschlossen
(30, 31). Verletzungsmechanismen aufgrund eines Nied- ist, sollte die direkte Reparatur der arteriellen Verletzung
rigenergietraumas, einschließlich Wunden, in denen klei- entweder durch direkte Gefäßnaht (selten) oder eine um-
nere Hautverletzungen aufgetreten sind, können mit ag- gekehrte Veneninterposition (häufiger) versorgt werden.
gressivem frühen Débridement und Verschluss der Darüber hinaus sollten die venösen Strukturen wieder
Wunde behandelt werden. Wenn sich ein segmentaler hergestellt werden, in der Hoffnung, dadurch den Blut-
Knochenverlust zeigt und devitalisierte Fragmente in fluss aus der Extremität heraus zu verbessern. Faszioto-
der Wunde befinden, sollten diese entfernt werden, da mien des Beines sind notwendig, wenn die Ischämiezeit
sie das Infektionsrisiko erhöhen. Wenn ein segmentaler 4 – 6 h beträgt. Dies ist eine prophylaktische Maßnahme,
Knochenverlust aufgetreten ist, kann die Platzierung um Reperfusionsschäden an der unteren Extremität zu
eines Antibiotikumspacers notwendig sein, um den Län- vermeiden. Wenn nach der gefäßchirurgischen Behand-
genverlust zu verhindern und die Applikation eines Kno- lung ein Fixateur externe angelegt wird, sollte dies natür-
chentransplantats zu erlauben (31). Die Autoren verwen- lich extrem vorsichtig geschehen, um durch das Einbrin-
den hierfür z. Z. Kalziumsulfatpellets, die mit Antibiotika gen der Pins eine Verletzung der Gefäße zu vermeiden.
25 imprägniert sind (Vancomycin 1 g + Tobramycin 1,2 g) Im weiteren Verlauf ist insbesondere ein sogenannter
oder nichtresorbierbare Polymethylacrylat(PMMA)-Ku- Second Hit sehr gefürchtet, der häufig bei polytraumati-
geln (Vancomycin 1 g + Tobramycin 3,6 g). Die PMMA- sierten Patienten nach chirurgischer Behandlung der Fe-
Kugeln werden entfernt, wenn das Knochentransplantat murschaftfraktur auftritt, besonders bei Marknagelung
eingebracht wird. Häufig erleichtert der Weichgewebs- (6). Der Patient hat hierbei bereits eine systemische in-
mantel den Heilungsprozess und kann auch größere Kno- flammatorische Antwort, die durch das initiale Trauma
chendefekte mit guter Kallusproduktion überbrücken. verursacht wurde. Ein zweiter Stimulus, z. B. eine Embo-
Daher ist häufig keine Knochentransplantation notwen- lisation von Fettbestandteilen aus dem Knochenmark,
dig. Dennoch sollten sequenzielle Röntgenaufnahmen 6 kann nun ausreichen, um weiteren Endorganschaden zu
und 10 Wochen nach dem Unfall angefertigt werden, verursachen, insbesondere in der Lunge und im Gehirn
um zu entscheiden, ob ein Knochenersatz notwendig ist. (10). Bei diesen Patienten ist es besonders wichtig, die
Wenn die Lücke groß ist und die Knochenentwicklung Chirurgie auf die am schwersten verletzten Organsyste-
diese nicht schließen kann, müssen die Spacer-Kugeln me bzw. Extremitäten zu limitieren und mit einem wenig
entfernt und ein Knochenersatz durchgeführt werden aggressiven initialen chirurgischen Verfahren für die
(31). Zum Zeitpunkt der Reoperation sollte überprüft temporäre Stabilisierung zu beginnen, das dann später
werden, ob das eingebrachte Metall ausreichend ist, um von der definitiven Fixation ersetzt wird. Hierbei sollte
einen Lückenverschluss herbeizuführen. Sollte das Metall großzügig von der externen Fixation Gebrauch gemacht
lose sein, muss dieses revidiert werden, um eine stabile werden. Sobald die systemische inflammatorische Ant-
Konstruktion zu erreichen. Darüber hinaus sollten unbe- wort abgeklungen ist, haben die Marknagelung und die
dingt tiefe Abstriche genommen werden, um eine Früh- Entfernung der externen Fixation eine sehr niedrige
infektion auszuschließen (31). Komplikationsrate (20). Ein solches Protokoll erlaubt
Arterielle Verletzungen, die bei Femurschaftfrakturen dem Patienten sich zuerst zu erholen und sekundäre
auftreten, bedrohen die Extremität. Die arterielle Versor- Schäden an anderen wichtigen Organen zu vermeiden.
gung sollte sofort wieder hergestellt werden, am besten Hierfür wurde der Ausdruck „Damage-control“-Chirurgie
innerhalb von 6 h. Eine Ischämie über 6 h führt sehr häu- geprägt. Die definitive chirurgische Behandlung wird
fig zum Muskelzelltod und einer dysfunktionellen fibro- dann durchgeführt, wenn der Patient außerhalb des sys-
tischen Extremität. Die Versorgung dieser schwierigen temischen inflammatorischen Syndroms ist (Kap. 34).
Verletzung wird weiterhin kontrovers diskutiert. Es ist Die beste Zeit für die Fixation von Femurschaftfraktu-
jedoch ausreichend zu sagen, dass der arterielle Blutfluss ren bei gleichzeitigen Kopfverletzungen wird weiterhin
zuerst wiederhergestellt werden muss. Dies kann in der kontrovers diskutiert (7, 8). Verfechter einer frühen Sta-
Form eines temporären Shunts geschehen, sodass die dis- bilisierung gehen davon aus, dass die frühere Mobilisie-
talen Gewebe gut perfundiert werden. Mit einem solchen rung und die höhere Kopf- bzw. Thoraxposition vorteil-
Ergebnisse 675

haft sind. Gegner dieser Strategie führen als Argument gie notwendig, um den Patienten prä-, intra- und post-
ins Feld, dass sich erhöhte intrakranielle Drücke durch operativ engmaschig zu überwachen und Druck und Vo-
die Volumenexpansion auf den Gesamtverlauf auswirken lumen entsprechend anzugleichen.
können. Die Autoren führen bei solchen Verletzungen Der optimale Zeitpunkt der intramedullären Stabilisie-
üblicherweise eine intrakranielle Druckmessung, und rung von Femurfrakturen bei polytraumatisierten Patien-
sollte diese im Normbereich liegen, eine frühe Markna- ten und die Frage, welche Patienten Damage-control-Chi-
gelung durch, wobei hierbei unbedingt eine intraoperati- rurgie benötigen, werden weiterhin sehr kontrovers dis-
ve Hypotension vermieden werden muss. Hierbei ist eine kutiert (4).
enge Zusammenarbeit mit den Kollegen der Neurochirur-

Tipps und Tricks


■ Externe Fixation: – Bei großen Patienten kann es schwierig sein, die Fossa
– Der erste Pin sollte 4 Fingerbreit unterhalb des Tro- piriformis als Eintrittspunkt zu finden. Daher sollte das
chanter major platziert werden (auf der Höhe des Becken des Patienten weiter lateral auf dem Fraktur-
Trochanter minor). tisch positioniert werden, um das Femur zu adduzie-
– Der letzte Pin wird mindestens 2 Fingerbreit oberhalb ren, indem der Pfosten als ein Hypomochleon verwen-
des lateralen Epikondylus platziert. det wird. Es sollte dann perkutan Druck auf das pro-
■ Plattenosteosynthese: ximale Fragment ausgeübt werden, um dieses weiter
– Wenn die Fraktur verkürzt bleibt, müssen die distalen zu adduzieren.
Schrauben entfernt und eine Zugschraube mit einem – Die intraoperative Größenbestimmung kann durch-
Kompressions-/Distraktionswerkzeug verwendet wer- geführt werden, indem ein Nagel verwendet wird,
den, um die Länge wieder herzustellen. der 1 mm kleiner ist als der Durchmesser, bei dem
– Ein Kissen sollte unter der Hüfte platziert werden, um es beim Bohren zu einem signifikanten endostalen
den Trochanter zu erhöhen. Geräusch kommt.
■ Perkutane Plattenosteosynthese: – Nach der Nagelosteosynthese muss unbedingt der
– Nach provisorischer Fixation müssen Länge und Rota- Schenkelhals in Innenrotation unter Durchleuchtung 25
tionsstellung neu untersucht werden. Zusätzlich sollte kontrolliert werden.
eine Schraubenfixierung perkutan mit einem Mini- ■ Trochantäre Nagelosteosynthese:
mum von 4 Kortizes proximal und distal durchgeführt – Der Führungsdraht sollte direkt an der Spitze oder
werden. einige Millimeter lateral des Trochanter major einge-
■ Marknagelosteosynthese: führt werden.
– Die Reposition proximaler Frakturen kann schwierig – Der Nagel sollte 90° rotiert eingeführt werden, wobei
sein. Die Hüfte wird flektiert, und der distale Anteil die Biegung nach lateral geführt werden sollte, um
wird an das proximale Fragment reponiert. Eine sterile den Nagel proximal leichter einbringen zu können.
Zwille kann verwendet werden, um das posteriore ■ Retrograde Nagelung:
Durchhängen des distalen Knochens zu vermeiden. – Die Verwendung von strahlendurchlässigen Dreiecks-
kissen, um das Knie 30°– 40° zu beugen, erleichtert
den Zugang zum Eintrittspunkt.

Zurzeit werden besondere wissenschaftliche Anstrengun-


Neue Techniken
gen unternommen, das Aspirat weiter zu untersuchen.
Reamer-Irrigator-Aspirator (RIA) Dieses Material scheint reich an bioaktiven Substanzen
zu sein. Einige Zentren untersuchen, ob dieses Material
Der Reamer-Irrigator-Aspirator (RIA) ist eine neue Ent- verwendet werden kann, um die Knochenheilung zu be-
wicklung, die das Aufbohren des Knochenmarkskanals schleunigen (Abb. 25.20).
und ein gleichzeitiges Absaugen desselben in einer Ar-
beitssitzung erlaubt. Dies führt zu einer geringeren Ex-
travasation von Fettbestandteilen in das Gefäßsystem Ergebnisse
(Abb. 25.19). Frühe Daten aus Tierversuchen haben ge-
zeigt, dass die RIA-Methode die Ausschwemmung von Es gibt einige publizierte Studien, die die Ergebnisse nach
Fett in die Lunge deutlich reduziert (32). Die initialen Femurschaftfrakturbehandlungen beschreiben (33, 34).
klinischen Studien sind vielversprechend und zeigen, Patienten mit isolierten Femurschaftfrakturen erholen
dass mittels dieser Methode die gleiche Geschwindigkeit sich meist vollständig von dieser Verletzung. Funktions-
einer normalen einfachen Bohrung erreicht werden kann. einschränkungen ergeben sich meist bei größeren Weich-
676 25 Femurschaftfrakturen

Auftreten einer Verkürzung oder Fehlstellung von weni-


ger als 5 – 10 % (23, 33).
Signifikante Nerven- und arterielle Verletzungen sind
sehr selten. Die publizierten Studien zur Plattenosteosyn-
these sind insgesamt weniger erfolgreich und haben hö-
here Raten der Pseudarthrosenentstehung. Die Heilungs-
raten hier sind jedoch mit insgesamt 90 – 95 % noch rela-
tiv hoch. Die Kompressionsplattenosteosynthese kann in
den Händen des erfahrenen Operateurs zu einer Hei-
lungsrate von 92 – 93 % bei einer Infektionsrate von
1 – 2 % führen (22). Beim Versagen der Osteosynthese ent-
steht entweder eine verzögerte Knochenheilung oder
eine Pseudarthrosenbildung mit einer Häufigkeit von
etwa 3 – 5 %. Es gibt nur wenige Berichte über die Benut-
zung einer externen Fixation als definitive Behandlungs-
option bei Femurschaftfrakturen, sodass hier die Hei-
lungsraten nur schlecht bestimmt werden können. Nach
externer Fixation kommt es zu einer hohen Rate von Pro-
blemen an den Eintrittsstellen, Pseudarthrosenbildung,
Fehlstellungen und Kniesteifigkeit. Daher wurde diese
Behandlungsart verlassen und wird häufig nur noch für
Abb. 25.19 Reamer-Irrigator-Aspirator (RIA). Das Kombinati- die provisorische Stabilisierung verwendet. Die Serien,
onsinstrument zum Bohren und Spülen erlaubt es, in einem die sich mit Femurschaftfrakturen bei polytraumatisier-
Arbeitsgang zu bohren, was wiederum die Lungen vor Fett- ten Patienten und Patienten mit Kopfverletzungen befas-
embolien schützt. sen, zeigen ebenfalls hohe Heilungsraten. Nur bei hoch-
25 gradig offenen Frakturen oder Frakturen mit segmenta-
lem Knochenverlust erhöhen sich die Pseudarthrosen.
Das Infektionsrisiko erhöht sich mit dem Ausmaß der
Weichgewebsverletzungen und erreicht 7 – 10 % bei
hochgradig offenen Verletzungen (Typ IIIb oder höher;
35). Darauf folgender Knochenersatz ist gelegentlich not-
wendig, insbesondere dann, wenn eine offene Fraktur
oder ein segmentaler Knochenverlust vorlagen. Der Kno-
chenersatz sollte früh durchgeführt werden (innerhalb
von 8 Wochen), wenn sich klinisch im Röntgenbild der
Verdacht auf eine verzögerte Knochenheilung ergibt. Soll-
te eine Marknagelung durchgeführt worden sein, kann
etwas länger gewartet werden, bevor die Entscheidung
für eine Knochenersatzmethode gefällt werden muss.

Komplikationen
Es gibt viele verschiedene Komplikationen bei der Be-
handlung von Femurschaftfrakturen, die aggressiv be-
Abb. 25.20 Aspirat des RIA nach Aufbohren des Femurs, wel- handelt werden sollten. Das Management hängt häufig
ches als Knochenersatzmaterial verwendet werden kann.
davon ab, welche Art der Fixation gewählt wurde. Eine,
selten vorkommende, Infektion nach Marknagelung kann
schwierig zu diagnostizieren und zu eradizieren sein. Bei
gewebeverletzungen und korrelieren nicht unbedingt mit dem Verdacht auf eine Infektion sollten labordiagnosti-
der Frakturart. Es ist unbedingt notwendig, Komplikatio- sche Maßnahmen, einschließlich eines vollständigen
nen wie Verkürzung, Rotations- oder Stellungsfehler, Ner- Blutbilds, Bestimmung der Blutsenkungsrate und des C-
venverletzungen und arterielle Verletzungen zu vermei- reaktiven Proteins (CRP) erfolgen. Diese Parameter, die
den. In verschiedenen Serien ergaben sich bei Femur- auf eine Entzündung hindeuten, können dann während
schaftfrakturen, die mittels Marknagelung versorgt wor- der Behandlung überwacht werden, um ein Ansprechen
den waren, Heilungsraten von 98 – 99 %, Infektionsraten nachzuweisen. Darüber hinaus können nuklearmedizi-
von < 1 %, eine Inzidenz von weniger als 5 – 10 % und ein nische Untersuchungen wie technetium- und indium-
Komplikationen 677

markierte Leukozyten-Scans verwendet werden. Die de- dylen provisorisch mit interfragmentären Schrauben vor
finitive Diagnose kann jedoch nur mit positiven Gewebe- der Marknagelung zu stabilieren (39).
kulturen erreicht werden. Wenn eine Infektion auftritt, Ebenfalls kann es zu Frakturen um die Nägel oder Plat-
ist das Débridement der infizierten Weichgewebe unbe- ten herum kommen. Frakturen, die auftreten während
dingt notwendig. Gelegentlich können auch die Entfer- der Marknagel in situ ist, treten üblicherweise am pro-
nung des Implantats und ein Débridement des intrame- ximalen Teil des Femurs um die intertrochantäre subtro-
dullären Kanals und des lokalen Knochensegments not- chantäre Region herum auf oder am distalen Teil im Be-
wendig werden. Häufig ist eine provisorische Stabilisie- reich der suprakondylären interkondylären Region. Frak-
rung mit einem Fixateur externe notwendig. Alternativ turen um Plattenosteosynthesen herum treten meist
kann sofort ein Wechsel des Nagels durchgeführt und ober- oder unterhalb der Platte auf, da dies der Bereich
mit einer i. v. Antibiose kombiniert werden (36, 37). der Kraftübertragung ist. Refrakturen werden meist
Die Behandlung einer intramedullären Infektion kann durch die Notwendigkeit eines neuen Implantats kompli-
sehr schwierig sein, obwohl kürzlich veröffentlichte Stu- ziert. Daher muss meist die vorhandene Osteosynthese
dien gezeigt haben, dass antibiotikaimprägnierte Mark- vor der definitiven Stabilisierung entfernt werden. Die
nägel dazu verwendet werden können, um eine intrame- Routineentfernung von Implantaten kann ebenfalls zu
dulläre Infektion zu eradizieren (38). Das Ziel der Be- Frakturen führen, weshalb Marknägel für etwa 12 – 18
handlung ist, eine Knochenheilung zu erreichen und – Monate in situ bleiben und die Plattenosteosynthese
falls die Infektion weiter besteht – das Metall zu entfer- wahrscheinlich nicht entfernt werden sollte (insbesonde-
nen, sobald die Heilung des Knochens erreicht wurde. re distale Femurplatten). Nach der Osteosynthese emp-
Wenn eine Plattenosteosynthese oder eine externe Fixa- fehlen wir eine Einschränkung der Belastung für einige
tion verwendet wurden, müssen diese entfernt werden, Wochen und ein Verbot von Kontaktsportarten für min-
sobald sie locker sind. destens 2 Monate.
Eine parenterale Antibiose, die von einer Marknage- Eine verzögerte Knochenheilung oder eine Pseudar-
lung und einem Knochenersatz gefolgt wird, kann eben- throsenbildung nach Marknagelung kann gelegentlich
falls eine effektive Maßnahme sein, um eine Knochenhei- dadurch behandelt werden, dass die Kraftübernahme
lung zu erreichen. Schwierigkeiten bestehen hauptsäch- über den statisch verriegelten Nagel auf einen dynamisch 25
lich dann, wenn eine retrograde Marknagelung durch- verriegelten Nagel umgewechselt wird (Video 25-8,
geführt wurde und die Infektion weiter besteht. Hierbei DVD 3). Die Entfernung der statischen Verriegelungs-
kann die Infektion in das Knie fortgeleitet werden, was schraube ist eine einfache Operation und trägt dazu bei,
wiederum unbedingt aggressiv behandelt werden muss. den mechanischen Stress auf die Fraktur selbst zu über-
Glücklicherweise tritt diese Komplikation selten auf. tragen, wodurch die Knochenheilung unterstützt werden
In 3 – 7 % aller Fälle kommt es zu übersehenen Fraktu- kann. Sollte die Pseudarthrose persistieren, kann der
ren nach der Behandlung einer Femurschaftfraktur. Ob Wechsel des Nagelsystems zu einer Heilung von etwa
diese Verletzungen zur selben Zeit wie die Femurschaft- 50 – 90 % der Fälle beitragen (36, 37). Wenn alle diese
fraktur oder okkult auftreten, ist unklar. Die gefürchtetste Optionen nicht erfolgreich sind, muss ein Knochenersatz-
übersehene Fraktur ist eine Femurhalsfraktur. Daher verfahren gewählt und auf eine offene Kompressionsplat-
empfehlen die Autoren eine radiologische Kontrolle des tenosteosynthese gewechselt werden, wobei auch ein of-
Femurhalses in Innenrotation nach allen intramedullären fener Knochenersatz und ein Wechsel des Nagelsystems
Osteosynthesen, um zu bestätigen, dass keine okkulte möglich sind. Glücklicherweise ist die Pseudarthrosenbil-
Fraktur vorliegt. dung mit weniger als 2 % aller Fälle bei geschlossenen
Bei Durchführung des Trauma-Spiral-CTs sollte im Frakturen selten. Eine höhere Inzidenz besteht bei offe-
Knochenfenster des Femurhalses ebenfalls das Augen- nen Frakturen, wobei hier unbedingt eine Infektion als
merk auf diesen Bereich gelegt werden, um solche Frak- Grund für die Pseudarthrosenbildung oder verzögerte
turen nicht zu übersehen. Sollte eine solche identifiziert Knochenheilung ausgeschlossen werden muss. Wenn die
werden, muss unbedingt eine aggressive Behandlung di- verzögerte Knochenheilung durch eine Infektion kompli-
rekt nach der Behandlung der Femurschaftfraktur erfol- ziert wird, können viele Operationen notwendig sein, um
gen, indem die Femurhalsfraktur reponiert und stabili- eine komplette Heilung zu erreichen. Sollte eine Pseudar-
siert wird. Der Nagel im Femurschaft muss nicht entfernt throsenbildung bei einer Plattenosteosynthese auftreten,
werden, außer wenn eine weite Dislokation vorliegt und besteht üblicherweise auch ein Osteosyntheseversagen.
eine Reposition nicht möglich ist. Andere übersehene Daher müssen plattenosteosynthetisch versorgte Fraktu-
Frakturen oder iatrogene Verletzungen beinhalten die Er- ren, die schlecht heilen, früh und aggressiv mit einem
weiterung einfacher Frakturmuster zu einer segmentalen Knochenersatz behandelt werden, um kein Osteosynthe-
Fraktur, was durch statische blockierte Nägel behandelt seversagen zu riskieren. Wenn dies nicht möglich ist,
werden kann. Wenn distale Frakturen genagelt werden, muss das Metall entfernt werden und evtl. ein Wechsel
sollte unbedingt darauf geachtet werden, okkulte Spiral- zu einem Marknagelungsverfahren mit oder ohne Kno-
frakturen, die bis in die Kondylen reichen, nicht zu über- chenersatz erfolgen. Wie bei jeder Pseudarthrosenbil-
sehen. Wenn dieses auftritt, ist es notwendig, die Kon- dung oder verzögerten Knochenheilung müssen unbe-
678 25 Femurschaftfrakturen

dingt Infektionsparameter bestimmt und tiefe Gewebe- re Halterung tief genug einzuführen, um dies zu verhin-
kulturen genommen werden, um eine okkulte tiefe Infek- dern. Die meisten dieser Probleme können konservativ
tion als Grund für die verzögerte bzw. Nichtheilung aus- beherrscht werden, bis die vollständige Knochenheilung
zuschließen. stattgefunden hat. Nachdem dies der Fall ist, können die
Fehlheilungen nach Marknagelung sind leider häufiger symptomatischen Schrauben selektiv entfernt werden.
als zuvor publiziert oder vermutet und treten mit einer Marknägel sollten 12 – 18 Monate in situ verbleiben,
Inzidenz von 5 – 10 % auf, in Abhängigkeit von der Frak- wobei die Entfernung bei sehr symptomatischen Patien-
turlokalisation und der Nagelrichtung (antegrad vs. retro- ten auch früher erfolgen kann.
grad; 24). Überstehende Plattenosteosynthesen sind glücklicher-
Die häufigste Fehlstellung nach Marknagelung ist ein weise sehr selten. Wenn die Platte jedoch bis an die dis-
Rotationsfehler, der durch eine Verkürzung verursacht talen oder proximalen Regionen des Femurs heran-
wird. Je weiter proximal oder distal die Fraktur liegt geführt wird, können Symptome auftreten. Diese müssen
desto höher ist die Inzidenz von Varus- und Valgusfehl- gelegentlich behandelt werden, jedoch sollte, falls mög-
stellungen. Eine Heilung in Fehlstellung im mittleren lich, nur der symptomatische Teil der Platte entfernt wer-
Drittel des Femurs ist selten, wenn ein knochenmarks- den.
kanalfüllender Nagel verwendet wird. Wenn Extensions- Das Kompartmentsyndrom am Oberschenkel nach Fe-
tische verwendet werden, ist eine Verkürzung seltener, murschaftfrakturen ist selten. Man sollte jedoch in gewis-
jedoch können Rotationsfehler weiterhin auftreten. sen Situationen darauf gefasst sein. Risikofaktoren für die
Daher muss auf die Rotation unbedingt geachtet werden, Ausbildung eines Kompartmentsyndroms beinhalten Ge-
wenn die Verriegelungsschrauben positioniert werden. fäßverletzungen, extensive Koagulopathien, prolongierte
Eine Nagelung in Seitenlagerung erhöht ebenfalls das Ri- externe Kompression z. B. bei stumpfem Trauma, persis-
siko eines Rotationsfehlers. Rotationsfehler von klinisch tierende Hypertonie oder die Benutzung von pneumati-
mehr als 20° müssen radiologisch mittels eines Rotati- schen Antischockhosen. Wenn ein Kompartmentsyn-
ons-CTs des Femurhalses und der Kondylen untersucht drom erwartet wird, muss eine frühe Fasziotomie durch-
werden. Wenn eine Rotationsfehlstellung von mehr als geführt werden, da beim Auftreten eines Kompartment-
25 20° festgestellt wird, muss eine Derotations-OP durch- syndroms am Oberschenkel ein exzessiver Muskelverlust
geführt werden. Hierbei muss festgestellt werden, dass auftreten kann und massiv Myoglobin freigesetzt wird,
eine äußere Rotationsdeformität und auch ein Rotations- welches wiederum fatal für den Patienten sein kann,
fehler nach lateral häufiger sind, jedoch auch besser to- wenn es nicht früh im Verlauf der Behandlung erkannt
leriert werden als ein Rotationsfehler, der nach medial wird. Die verspätete Diagnose eines Oberschenkelkom-
auftritt. Die Derotation kann sofort durchgeführt werden, partmentsyndroms führt ebenfalls zu einer signifikanten
wenn sie direkt postoperativ erkannt wird. Wenn diese Morbidität.
erst nach Beginn des Heilungsprozesses festgestellt wird, Neurologische Verletzungen sind selten und hängen
kann eine Derotationsosteotomie notwendig werden. Die von der Osteosynthesetechnik ab. Bei der Marknagelos-
geschlossene Osteotomie kann mit einer intramedullären teosynthese wurden Verletzungen des N. ischiadicus und
Säge geführt werden, mittels welcher eine Korrektur der pudendus gezeigt (39). Verletzungen des N. pudendus
Deformität einschließlich der Länge eines möglichen Va- führen zum Verlust der Sensibilität an den Labien oder
rus-/Valgusfehlers und einer Rotationsfehlstellung durch- am Skrotum und möglicherweise zur Impotenz. Eine Stu-
geführt werden kann. die hat eine Inzidenz von 10 % für diese Verletzungen
Die Femurmarknagelung – entweder ante- oder retro- gezeigt, wenn antegrad auf einem Frakturtisch die Nagel-
grad – kann am Eintrittspunkt zu einem Überstehen des osteosynthese durchgeführt wurde (40). Die Extension,
Implantats führen. Im Falle des antegraden Nagels zeigt die verwendet wird, um eine korrekte Reposition zu er-
sich das überstehende Metall üblicherweise durch eine reichen, sollte dann entlastet werden, sobald die Reposi-
Abduktorenirritation und ein Trendlenburg-Hinken. Eine tion erreicht wurde und eine Osteosynthese durch-
Bursitis im Bereich der Trochanterregion tritt auf, wenn geführt werden konnte. Einige Studien haben gezeigt,
ein Eintrittspunkt oberhalb des Trochanters gewählt dass sowohl die Zeit als auch das Ausmaß der Traktion
wurde oder überstehende Schrauben in dieser Region für Nervenschäden verantwortlich sind (39). Obwohl sol-
auftreten, die entweder transvers oder schräg intertro- che Nervenverletzungen bei Plattenosteosynthesen selten
chantär eingeführt wurden. Die distalen Verriegelungs- auftreten, können Gefäßverletzungen etwas häufiger auf-
bolzen können – insbesondere bei retrograd eingebrach- treten. Dies ist deswegen der Fall, weil eine Manipulation
ten Nägeln – eine Bursitis verursachen, die die medialen direkt an der Fraktur die umliegenden Gefäßstrukturen
oder lateralen Gewebe um das Knie herum betreffen. Re- einem höheren Verletzungsrisiko aussetzt.
trograde Nägel, die nicht proximal der Blumensaat-Linie Heterotope Ossifikationen können im Bereich der Hüft-
im lateralen Strahlengang positioniert wurden, können abduktoren nach antegraden Marknagelosteosynthesen
im Bereich der Notch prominent sein und die patellofe- auftreten. Faktoren, die das Auftreten dieser heterotopen
murale Gelenkfläche beschädigen. Es sollte daher sehr Ossifikation begünstigen, sind das Ausmaß der Muskel-
viel Sorgfalt darauf verwendet werden, die intramedullä- verletzungen, das Gewebe, das nach dem Aufbohren des
Neue Entwicklungen 679

Knochenmarks in situ verbleibt und andere Faktoren. An- rotope Ossifikationen können auch im Bereich von offe-
dere Faktoren, die zur heterotopen Ossifikation beitragen nen Frakturwunden und verletztem Muskelgewebe auf-
können, sind vor allem signifikante Kopfverletzungen treten. Wenn dieses der Fall ist, wird meist die Stärke des
und Verbrennungen, die aus unbekannten Gründen die Quadrizeps beeinträchtigt und vor allem die Kniebeweg-
Ausbildung von heterotopen Ossifikationen stimulieren. lichkeit. Dies kann bis zum Auftreten von Kniekontraktu-
Diese können die Hüftfunktion verschlechtern, signifi- ren führen. Daher ist es wichtig, ein intensives Débride-
kante Schmerzen verursachen und ein Hinken induzie- ment des verletzten Muskelgewebes durchzuführen. Es
ren. Solche Patienten müssen mit sequenziellen Röntgen- sollten ebenfalls Saugdrainagen eingeführt werden, um
aufnahmen und CT-Bildern untersucht werden, um das eine Hämatomausbildung zu verhindern. Eine Routine-
Ausmaß bzw. die Lokalisation der heterotopen Ossifikati- prophylaxe für heterotope Ossifikationen ist in diesem
on zu bestimmen. Bei Patienten mit signifikanten Ossifi- Fall nicht empfehlenswert. Sollten sie jedoch trotzdem
kationen kann eine Metallentfernung und Exzision der auftreten, wird sehr wahrscheinlich eine chirurgische Ex-
Ossifikation notwendig werden. Wenn die Ossifikationen zision notwendig, um die Kniefunktion zu erhalten bzw.
vor ihrer vollständigen Ausbildung entfernt werden, wieder herzustellen.
empfiehlt sich eine postoperative Strahlentherapie. Hete-

Merke

■ Assoziierte regionale Verletzungen schließen ipsilaterale ■ Die Indikation zur retrograden Nagelosteosynthese be-
Femurschenkelhalsfrakturen, suprakondyläre Extensions- steht bei übergewichtigen oder schwangeren Patienten,
und Tibiaschaft- oder Fuß- und Sprunggelenksfrakturen ipsilateralen Schenkelhalsfrakturen und Azetabulumfraktu-
ein. ren, sowie bilateralen Frakturen.
■ Die Mortalität nach bilateralen Femurschaftfrakturen kann ■ Bei isolierten Femurfrakturen werden Heilungsraten von
bis zu 30 % betragen. 98 – 99 % erreicht; Infektionsraten von weniger als 1 % 25
■ Die Inzidenz von Femurfrakturen beträgt 1 – 1,3 pro und Verkürzung oder Fehlrotation bei 5 – 10 %.
10 000 pro Jahr. ■ Überbrückungsplattenosteosynthesen erzielen Heilungs-
■ Femurhalsfrakturen treten in 5 % aller Femurfrakturen auf. raten von 90 – 95 %, jedoch sind Fehlstellungen ein Pro-
■ Kniebinnenverletzungen treten in 20 – 30 % der Femur- blem.
frakturen auf, wobei Meniskusverletzungen in 20 % auftre- ■ Kompressionsplattenosteosynthesen führen zu 92 % Hei-
ten und auf der lateralen Seite häufiger sind. lungsraten, bei 2 % Infektionsraten und 3 – 5 % Osteosyn-
■ Es sollten mindestens 8 Schraubenlöcher ober- und unter- theseversagen.
halb der Fraktur vorhanden sein, wenn eine Plattenosteo- ■ Infektionen treten bei 7 – 10 % aller hochgradigen (Typ-
synthese durchgeführt wird. IIIb-offenen) Frakturen auf.
■ Übersehene Fakturen treten bei 3 – 7 % nach Behandlung
von Femurfrakturen auf.

Neue Entwicklungen der Femurschaftfrakturen verwendet werden, sondern


auch zur Gewinnung einer Spongiosaplastik. Das int-
Neue Entwicklungen in der Behandlung von Femur- ramedulläre Material, das mit dieser Technik gewonnen
schaftfrakturen ergeben sich zumeist in Bezug auf die wird, beinhaltet viele adulte Stammzellen sowie Wachs-
Marknagelosteosynthese. Diese ist mit einer hohen Strah- tumsfaktoren. Diese neuen Technologien werden in ver-
lenbelastung assoziiert. Insbesondere ist zum Auffinden schiedenen Institutionen in klinischen Studien getestet
des Eintrittspunkts und zur Durchführung der distalen und könnten in einiger Zeit eine zusätzliche Option in
Verblockung eine signifikante Menge an Strahlung zur der Behandlung von Femurschaftfrakturen darstellen.
Darstellung notwendig. Neue Techniken wie die navigier-
te Chirurgie könnten die Strahlenexposition der Chirur-
gen verringern. Hierzu gibt es verschiedene Geräte auf
dem Markt, die es erlauben können, die Instrumentie-
rungs- und Führungswerkzeuge anhand eines einzelnen
Röntgenbilds zu platzieren. Darüber hinaus haben ver-
schiedene Hersteller strahlendurchgängige Bohrer ent-
wickelt, die einige der Freihandprobleme beim Einbrin-
gen der Verblockungsschrauben verhindern. Die „Reamer
Irrigator Aspirator“ können nicht nur für die Behandlung
680 25 Femurschaftfrakturen

Inhalt der DVDs

Video 25-1 (DVD 3) Tipps und Tricks für die Femurnagelos- Video 25-5 (DVD 3) retrograde Marknagelung bei einer
teosynthese. Tipps und Tricks, die ein erfolgreiches antegra- Typ-A-syprakondylären Femurfraktur. Ein 2,5 cm medialer
des Aufbohren des Femurs erlauben, werden gezeigt. Die parapatellarer Zugang wird hier zur Stabilisierung einer Typ-
Positionierung des Patienten, die Lokalisation der Fossa piri- A-suprakondylären Femurfraktur verwendet. Besonders wird
formis und die Nagelung auf einem konventionellen Tisch auf den korrekten Eintrittspunkt und die Frakturreposition
werden dargestellt. hingewiesen.
Video 25-2 (DVD 3) Perkutane antegrade Femurnagelosteo- Video 25-6 (DVD 3) Retrograde Marknagelung des Femurs.
synthese. Dieses Video zeigt eine einzigartige perkutane Dieses Video zeigt die Techniken und Prinzipien der retro-
Technik für die antegrade Femurnagelung, bei der die graden Nagelosteosynthese einer suprakondylären Femur-
Fossa piriformis als Eintrittspunkt verwendet wird. Die Ana- fraktur mittels eines Patellarsehen-Split-Zugangs. Es wird ins-
tomie der Trochanterregion und die Technik, um den opti- besondere auf den korrekten Eintrittspunkt hingewiesen.
malen Zugang zu finden, werden aufgezeigt. Video 25-7 (DVD 3) Offene Reposition und innere Fixation
Video 25-3 (DVD 3) Trochantäre antegrade Nagelosteosyn- einer Schenkelhals- und Femurschaftfarktur. Hier wird ein
these des Femurs. Hier wird eine Marknagelung des Femurs Watson-Jones-Zugang verwendet, um eine offene Reposition
mit einem trochantären Eintrittspunkt gezeigt. Insbesondere und innere Fixation des Schenkelhalses durchzuführen. Die
werden der korrekte Entrittspunkt und die Repositionstech- Femurschaftfraktur wird mit einem Marknagel stabilisiert.
niken hervorgehoben. Video 25-8 (entspricht Video 5-2, DVD 2) Kompressionsplat-
Video 25-4 (DVD 3) Flexible elastische Nagelung bei Kinder- tenosteosynthese einer Femurpseudarthrose. Dieses Video
femurfrakturen. Obwohl im Text nicht diskutiert, zeigt die- zeigt die Kompressionsplattenosteosynthese einer Femur-
ses Video die Verwendung von elastischen Titannägeln, um pseudarthrose mit einer breiten Titanium-LCDCP. Der laterale
eine transverse Femurschaftfraktur beim 8-jährigen Kind zu Zugang zum Femur sowie die Wichtigkeit des Débridements
stabilisieren. Zwei Nägel werden retrograd inseriert, jeweils der Pseudarthrose und Kompression der Knochenfragmente
25 einer vom medialen und lateralen Femurkondylus. werden besonders betont.

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682 26 Distale Femurfrakturen

26 Distale Femurfrakturen
P. J. Kregor, M. Zlowodzki
Übersetzer: F. Martetschläger, T. Freude, U. Stöckle

Die operative Versorgung der suprakondylären distalen ■ die Schonung der umgebenden Weichteile und der Ge-
Femurfraktur mit oder ohne intraartikuläre Beteiligung fäßversorgung der kortikalen Knochenfragmente,
(AO/OTA-Typen 33A und 33C) ist nach wie vor schwierig. ■ die anatomische Wiederherstellung der Gelenkfläche,
Die Ursachen, die solche Frakturen zu besonders schwie- ■ die anatomische Wiederherstellung der korrekten
rigen Frakturen machen, umfassen eine begleitende Os- Länge und Rotation sowie der korrekten Stellung der
teoporose, eine ausgedehnte Verletzung der Gelenkflä- metaphysären/diaphysären Region mittels indirekter
che, einen sehr kurzen distalen Femurblock, den es zu Verfahren ohne Anspruch auf eine exakte anatomische
berücksichtigen gilt, offene Wunden sowie mögliche Be- Reposition.
gleitverletzungen durch Hyperextension oder Scherkräf-
te. Zu den schweren Komplikationen der Verletzungen Bolhofner et al. zeigten 1996 die Effektivität der biologi-
gehören Infektionen, eine Einsteifung des Kniegelenks, schen Plattenosteosynthese bei suprakondylären Femur-
eine Fehlverheilung sowie die Entstehung einer Pseudar- frakturen (12). Im Vergleich zu den ersten Erfahrungen
throse mit der Notwendigkeit der Knochentransplantati- mit der inneren Fixation führt nun die Schonung der die
on (1 – 3). In den letzten 4 Jahrzehnten hat die Behand- Fraktur umgebenden Weichteile zu einer Frakturhei-
lung der distalen Femurfraktur einen bedeutenden Wan- lungsrate von 100 %. Seither haben mehrere Studien die
del erfahren. In den 60er- und 70er-Jahren wurde der Vorteile der indirekten Repositionsverfahren zur Thera-
Großteil der distalen Femurfrakturen konservativ behan- pie suprakondylärer Femurfrakturen bestätigt (13 – 19).
delt. Auch wenn die Frakturen unter konservativer The- Basierend auf den Erfahrungen mit der biologischen
rapie meist ohne wesentliche Probleme ausheilten, resul- Plattenosteosynthese suchten die Chirurgen nach Wegen,
tierte doch häufig eine signifikante Fehlstellung oder Ein- um die Exposition der metaphysären/diaphysären Frak-
steifung des Gelenks (4, 5). turkomponenten weiter zu verringern. Dies konnte mit
26 Aufgrund dieser Erfahrungen wurden Techniken der einer der beiden OP-Techniken erreicht werden, die in
offenen Reposition und stabilen inneren Fixation ent- den 90er-Jahren etabliert wurden. Die erste war der An-
wickelt und verwendet, die zuerst von der Arbeits- satz der retrograden Marknagelosteosynthese (20 – 27).
gemeinschaft für Osteosynthesefragen Mitte der 70er- Die Vorteile der Marknagelosteosynthese im Bereich lan-
Jahre beschrieben wurden. Zu dieser Zeit begannen ger Röhrenknochen sind wohl bekannt. Vor allem zeigten
Schatzker et al. gemeinsam mit anderen Chirurgen die sich bei der retrograden Marknagelosteosynthese gerin-
95°-Klingenplatte, die Kondylenplatte oder die dyna- gere Infektionsraten. Der zweite große Fortschritt zur
mische Kondylenschraube (DCS) zur stabilen Fixation Schonung der die distale Femurfraktur umgebenden
von suprakondylären oder suprakondylär-interkondylä- Weichteile war der Ansatz der submuskulär eingeschobe-
ren Femurfrakturen zu implantieren (6 – 9). Diese Verfah- nen Plattenosteosynthese (28 – 30). Bei diesem Verfahren
ren lieferten eine hinreichende Primärstabilität und er- kann die Gelenkfläche des distalen Femur optimal einge-
laubten somit eine frühzeitige Mobilisation des Kniege- sehen und fixiert werden, wobei die Platte entlang des
lenks, woraus eine verminderte Anzahl von Gelenksein- Femurschachts submuskulär eingeschoben und über
steifungen und damit eine bessere Mobilität resultierte. einen zweiten kleinen Zugang distal verriegelt werden
Diese anfänglichen operativen Verfahren waren jedoch kann. Wie bei der retrograden Nagelosteosynthese des
mit einem hohen Risiko für eine Infektion oder die Ent- Femurs zeigten sich für dieses Verfahren niedrige Pseu-
stehung einer Pseudarthrose mit notwendiger Knochen- darthrosen- und Infektionsraten (13 – 19, 31). Wie bei
transplantation behaftet. Diese Komplikationen wurden einem Verfahren zu erwarten, bei dem die Fraktur nicht
der ausgedehnten chirurgischen Exposition zugeschrie- direkt dargestellt wird, kann eine ungenügende Repositi-
ben, die im Rahmen der ersten Erfahrungen mit offener on der Fraktur problematisch sein (Videos 26-1 bis 26-3;
Reposition und innerer Fixation durchgeführt wurden. 14, 32).
Für die Häufigkeit einer notwendigen Knochentransplan- Ein neueres Konzept in der Entwicklung der Behand-
tation nach offener Reposition und innerer Fixation wer- lungsarten bei distalen Femurfrakturen stellt die Verwen-
den in der Literatur Werte zwischen 0 und 87 % angege- dung winkelstabiler Implantate dar. Zuvor stellte die suf-
ben (1). Das Prinzip der biologischen Plattenosteosynthe- fiziente Fixation des reponierten distalen Femurblocks
se wurde von Mast, Jakob und Ganz entwickelt (10, 11). ein ernsthaftes Problem dar, vor allem bei begleitender
Zu den Prinzipien der biologischen Plattenosteosynthese Osteoporose oder sehr kurzem distalem Fragment. Die
zählen: winkelstabilen Implantate wurden aus ersten Erfahrun-
gen mit „Schulis“ bei der Behandlung von Patienten mit
Konservative Therapie 683

schwerer Osteoporose oder bei Revisionseingriffen (33) men, seitliche Aufnahmen und Schrägaufnahmen unter
sowie den Erfahrungen mit PCfix bei Unterarmfrakturen Zug hilfreich sein. Eine Computertomografie (mit korona-
entwickelt (34). Eine biomechanische Kadaverstudie zeig- ren und sagittalen Rekonstruktionen) können zur Beur-
te eine höhere axiale Versagenslast bei geringer Anzahl teilung einer Gelenkbeteiligung herangezogen werden.
an Versagen der distalen Verankerung für winkelstabile Wichtige Fragen bei der Beurteilung der Röntgenbilder
Implantate im Vergleich zur Klingenplatte oder dem re- sind:
trograden Marknagel besonders in osteoporotischen Kno- 1. Existiert ein intrakondylärer Spaltbruch?
chen (35). In der klinischen Anwendung haben sich die 2. Wenn ja, ist dieser einfach oder komplex?
winkelstabilen Implantate am distalen Femur besonders 3. Liegen im Bereich der intrakondylären Notch des intra-
bei komplexen intraartikulären Frakturen, osteoporoti- kondylären Spaltbruchs freie osteochondrale Fragmen-
schen Frakturen, Frakturen mit kurzem distalem Seg- te?
ment und Frakturen oberhalb einer liegenden Endopro- 4. Existiert eine zusätzliche Hoffa-Fraktur (Fraktur in der
these als hilfreich erwiesen (13 – 19, 31, 32, 36, 37). Die Frontalebene)? Diese kann im seitlichen Röntgenbild
Ziele bei der Behandlung suprakondylärer/intrakondylä- des distalen Femur am besten diagnostiziert werden.
rer Femurfrakturen sind:
■ die Wiederherstellung der anatomischen Gelenkfläche, Die Antwort auf die erste Frage entscheidet zwischen
■ die Wiederherstellung der korrekten Achsstellung der einer Typ-A- und -C-Fraktur. Die Antwort auf die zweite
Extremität, Frage unterscheidet zwischen einer C1/2- und einer C3-
■ eine freie oder nahezu freie, schmerzlose Beweglich- Fraktur. Zum Schluss erlauben die Antworten auf die Fra-
keit, gen 3 und 4 dem Operateur zu entscheiden, ob ein aus-
■ eine problemlose Heilung der Fraktur ohne notwendi- gedehnter (lateraler parapatellarer) oder ein weniger aus-
ge Knochentransplantation, gedehnter (anterolateraler) Zugang notwendig ist. Die
■ das Wiedererlangen der vormaligen Aktivität sowie ein vierte Frage ist wichtig, weil Nork et al. gezeigt haben,
gutes funktionelles Ergebnis, das mittels moderner dass Typ-C-Frakturen zu 38 % mit Hoffa-Frakturen ver-
Scores bestimmt werden kann. gesellschaftet sind (39).
Bei der AO/OTA-Klassifikation gibt die Differenzierung
Eingedenk dieser Ziele sollte der Chirurg in der Lage sein, zwischen A1-, A2- und A3-Frakturen lediglich das Aus-
die Fraktur zu klassifizieren, zwischen operativer und maß der Zertrümmerung im metaphysären Bereich an.
konservativer Therapie zu entscheiden, zwischen den Folglich gibt diese Differenzierung dem Operateur wenig 26
operativen Therapieverfahren das geeignete auszuwählen zusätzliche Information im Hinblick auf den operativen
und das Ergebnis nach operativer Therapie einschätzen Zugang oder die zu erwartende Prognose. Beispielsweise
zu können. Dieses Kapitel erläutert jeden dieser Aspekte würde eine Fraktur mit diskreter metaphysärer Trüm-
bei der Behandlung dieser schweren Frakturen im Detail. merzone einer ähnlichen operativen Therapie zugeführt
werden wie eine einfache Fraktur (A1-Fraktur), wobei
kein schlechteres Ergebnis zu erwarten wäre. Allerdings
Klassifikation könnte die Klassifizierung in A1-, A2- und A3-Frakturen
Einfluss auf die Art des angewandten Repositions-
Nach Müller et al. erlaubt eine gute Klassifikation, den manövers haben (direkte versus indirekte Reposition).
operativen Zugang sowie das operative Verfahren und Die Klassifikation einer Typ-B-Fraktur muss mit der
die Prognose für eine bestimmte Behandlung festzulegen. exakten Beschreibung der Kondylenfraktur einhergehen
In diesem Zusammenhang ist die AO/OTA-Klassifikation (mediale, laterale Kondyle, Fraktur in der Frontalebene),
für distale Femurfrakturen äußerst hilfreich (Abb. 26.1). da diese entscheidenden Einfluss auf die Wahl des ope-
Sie hilft dabei, den operativen Zugang, das richtige Im- rativen Zugangs und des Implantats hat.
plantat und das geeignete Nachbehandlungsschema aus-
zuwählen und das wahrscheinliche Ergebnis abzuschät-
zen. Konservative Therapie
■ Typ-A-Frakturen beschreiben extraartikuläre Fraktu-

ren, „No category fracture at this level seemed well suited for
■ Typ-B-Frakturen beschreiben partiell intraartikuläre internal fixation“ erklärten Neer et al. 1967 in einer Dis-
Frakturen, kussion über suprakondyläre Femurfrakturen (4). Sie un-
■ Typ-C-Frakturen beschreiben komplett intraartikuläre tersuchten 110 Patienten mit suprakondylären Femur-
Frakturen mit Abtrennung von der Diaphyse. frakturen, die zwischen 1942 und 1966 behandelt wur-
den. Von den Patienten, die mittels innerer Fixation be-
Für die korrekte Klassifizierung sind Röntgenbilder im handelt worden waren, hatten 52 % ein zufriedenstellen-
a.–p. und seitlichen Strahlengang von guter Qualität not- des Ergebnis, wohingegen 90 % der Patienten, die konser-
wendig. Sollte zur Charakterisierung der Verletzung eine vativ therapiert worden waren, ein zufriedenstellendes
weitere Abklärung notwendig sein, können a.–p. Aufnah- Ergebnis zeigten. Jedoch bemerkten die Autoren eine sig-
684 26 Distale Femurfrakturen

A1 A2 A3

26 B1 B2 B3

C1 C2 C3

Abb. 26.1 Klassifikation distaler Femurfrakturen der Arbeits- des medialen Kondylus in der Sagittalebene. B3: teilweise in-
gemeinschaft für Osteosynthesefragen / Orthopaedic Trauma traartikuläre Fraktur in der Frontalebene (Hoffa-Fraktur). C1:
Association (AO/OTA). Von links oben: A1: extraartikuläre Frak- suprakondyläre/interkondyläre Femurfraktur mit einfacher me-
tur mit einer einfachen metaphysären Komponente. A2: ex- taphysärer Beteiligung und einfachem intraartikulären Spalt-
traartikuläre Fraktur mit einer metaphysären Keilfraktur. A3: bruch. C2: suprakondyläre/interkondyläre Femurfraktur mit
extraartikuläre Fraktur mit komplexer metaphysärer Betei- komplexer metaphysärer Beteiligung und einfachem intraarti-
ligung. B1: teilweise intraartikuläre Fraktur des lateralen Kon- kulären Spaltbruch. C3: suprakondyläre/interkondyläre Femur-
dylus in der Sagittalebene. B2: teilweise intraartikuläre Fraktur fraktur mit komplexer intraartikulärer Beteiligung.
Operative Therapie 685

nifikante Varus-/Innenrotationsdeformität, die für ge- such, solche Frakturen in einem Cast, Gips oder mit Ex-
wöhnlich mit der konservativen Therapie im Gips, im tension zu behandeln, in Konflikt mit den zuvor auf-
Cast oder unter Traktionstherapie einherging. 1966 be- gestellten Therapiezielen. Eine undislozierte suprakon-
richteten Stuart et al. über die Behandlung von 250 su- dyläre Femurfraktur kann bei sofortigem Beginn der
prakondylären Femurfrakturen und kamen zu einem frühfunktionellen Therapie in einer Bewegungsschiene
ähnlichen Schluss. Auch sie bemerkten, dass 67 % der Pa- ausbehandelt werden. Sollte die Fraktur im Rahmen der
tienten, die konservativ therapiert worden waren, aber frühfunktionellen Therapie dislozieren, besteht die Indi-
lediglich 54 % der Patienten nach operativer Therapie kation für ein operatives Vorgehen. Außerdem erfordern
mit innerer Fixation gute oder sehr gute Ergebnisse zeig- die Grundsätze der Gelenkrekonstruktion das operative
ten. 20 der 69 Patienten nach operativer Therapie zeigten Vorgehen jeder dislozierten intraartikulären Fraktur ge-
eine verspätete Knochenheilung oder sogar die Entwick- rade des jungen Patienten, auch wenn die Langzeitergeb-
lung einer Pseudarthrose. nisse nach Inkongruenz der Gelenkfläche und suprakon-
Diese Beobachtungen müssen natürlich mit etwas Ab- dylären Frakturen noch fehlen.
stand betrachtet werden. Selbstverständlich haben sich Diese Vorgehensweise gilt auch für den älteren Patien-
die klinischen Ergebnisse nach operativer Therapie ten mit begleitender Osteoporose. Auch wenn die beglei-
durch geeignete Osteosyntheseverfahren gebessert (12, tenden Nebenerkrankungen oder die funktionellen An-
13, 27, 40, 41). Außerdem waren die Erwartungen eines forderungen eine konservative Behandlung nahelegen,
Patienten, der in den 60er-Jahren eine suprakondyläre ist dies in manchen Fällen nahezu unmöglich. Massive
Femurfraktur erlitten hatte, relativ niedrig, was man von Schmerzen, die eine Narkose nötig machen, die Unmög-
einem Patienten heute sicherlich nicht behaupten kann. lichkeit den Patienten zu mobilisieren, drohender Ge-
Um einen zufriedenstellenden Neer-Score zu erreichen, websuntergang oder die Dislokation der Fraktur gelten
konnte der Patient beispielsweise persistierende Schmer- als Indikationen für das operative Vorgehen.
zen mit Ermüdbarkeit oder eine eingeschränkte Funktion
beklagen (z. B. die Notwendigkeit des seitlichen Treppen-
steigens), oder eine eingeschränkte Kniegelenksbeweg-
Operative Therapie
lichkeit von lediglich 100°, eine Achsfehlstellung bis zu
5° oder 0,5 cm Beinlängendifferenz aufweisen.
Anatomie
Aufgrund moderner Operationsverfahren sind Fälle, in
denen die konservative Therapie als bevorzugte Behand- Die Kenntnis der knöchernen Anatomie des distalen Fe- 26
lungsmethode angesehen wird, selten geworden. Diese murs ist eine grundlegende Voraussetzung für das Ver-
seltenen Fälle beinhalten komplett immobile Patienten, ständnis der distalen Femurfrakturen und deren operati-
Patienten mit schweren Begleiterkrankungen (z. B. kürz- ve Therapie. Die normale anatomische Achse des distalen
lich gehabter Myokardinfarkt) oder auch moribunde Pa- Femur beträgt 6°– 7° Valgus bei Männern und 8°– 9° Val-
tienten. Bei alten, gebrechlichen Patienten mit begleiten- gus bei Frauen (z. B. eine Linie, die durch den Markraum
der Osteoporose ist es ziemlich anspruchsvoll, den dis- des Femurs gelegt wird, schneidet eine Linie, die durch
talen Femurblock / die suprakondyläre Fraktur im Gips die Gelenkfläche des Femurs gelegt wird, im Winkel von
zu kontrollieren, selbst wenn der Chirurg eine damit ein- 83°– 84° bei Männern und 81°– 82° bei Frauen). Bei fron-
hergehende Einsteifung des Gelenks in Kauf nimmt. Die taler Betrachtung des distalen Femurs neigen sich der
Dislokation der Frakturenden könnte dabei zur Entste- laterale Kortex um ca. 10° und der mediale Kortex um
hung von Hautdrucknekrosen führen. ca. 25° (Abb. 26.2). Sowohl der mediale als auch der late-
Gelegentlich kommt es zu undislozierten suprakon- rale Femurkondylus sind konvex und artikulieren mit
dylären Femurfakturen ohne intraartikuläre Beteiligung. dem korrespondieren medialen und lateralen Tibiapla-
Diese Frakturen können in einer Bewegungsschiene aus- teau und dem dazwischen liegenden medialen und late-
behandelt werden, die eine frühfunktionelle Therapie zu- ralen Miniskus. Die interkondyläre Notch trennt die pos-
lässt. Bei einem ansonsten gesunden Patienten würde die terioren ⅔ der medialen Femurkondyle von der lateralen
Immobilisation im Cast/Gips über mehrere Wochen mit Kondyle. Die mediale und laterale Epikondyle finden sich
hoher Wahrscheinlich zu einer inakzeptablen Einsteifung im posterioren Bereich des medialen und lateralen Fe-
des Gelenks führen. In einem solchen Fall bedeutet die murkortex. Der Knorpel, der die mediale und laterale
sekundäre Dislokation der Fraktur in der Bewegungs- Femurkondyle überzieht, ist 3 – 4 mm dick. Die Patella
schiene die Indikation zur operativen Therapie. artikuliert mit der Trochlea femoris im anterodistalen
Bereich der Femurkondyle.
Die für den Chirurgen entscheidenden Punkte der ope-
Indikationen für die operative Therapie rativen Anatomie umfassen die Neigung der medialen
und lateralen Kondyle sowie den korrekten Eintritts-
Wie bereits erwähnt, sollten nahezu alle suprakondylä- punkt eines Marknagels, der durch die distale Gelenkflä-
ren/intrakondylären Femurfrakturen operativ behandelt che eingebracht wird. Der laterale Femurkortex neigt sich
werden. Gerade beim jungen Menschen gerät jeder Ver- um 10°, was bedeutet, dass eine Platte ebenfalls 10° nach
686 26 Distale Femurfrakturen

könnte beim Einbringen einer Schraube von lateral nach


̴ 10° ̴ 25°
medial die Schraube die mediale Kortikalis perforieren,
im a.–p. Röntgenbild jedoch als im Knochen befindlich
erscheinen. Ähnlich verhält es sich beim Einbringen
̴ 10°
einer Platte oder dynamischen Kondylenschraube. Hier
sollte der Chirurg die Länge des einzubringenden Implan-
tats im vorderen Bereich des vorgebohrten Lochs aus-
messen, um zu vermeiden, dass die Schraube oder Platte
die mediale Kortikalis penetriert. Wird dies nicht berück-
lateral medial sichtigt, können die im Bereich des medialen Femur
überstehenden Implantate dem Patienten Beschwerden
bereiten.

Operative Zugänge
Bei der operativen Versorgung der distalen Femurfraktu-
ren gibt es 4 Standardzugänge. Wie bereits erwähnt, ist
die Klassifikation bei der Entscheidungsfindung für den
geeigneten operativen Zugang hilfreich (Tab. 26.1).
Abb. 26.2 Sicht auf die distalen Femurkondylen. Die anteriore
Ebene der Femurkondylen ist von lateral nach medial ca. 10°
geneigt. Die laterale Femurkondyle ist ca. 10°, die mediale ca. Medialer parapatellarer Zugang – retrograde
25° von posterior nach anterior geneigt. Marknagelosteosynthese der distalen
Femurfraktur ohne intraartikuläre Beteiligung
(Videos 26-2, 26-3, 26-4, DVD 3)
anterior rotiert sein muss, wenn sie auf den lateralen
Kortex des distalen Femurs aufgebracht werden soll. Es Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgendurch-
ist ein bekanntes Problem bei der Operation, wenn der lässigen Tisch gelagert, wobei ein Kissen oder Keil unter
posteriore Bereich der Platte (z. B. einer 95°-Klingenplat- die Hüfte der betroffenen Seite gelegt wird, um das Be-
26 te) bereits fest mit dem posterioren Bereich des lateralen cken 10°– 15° anzuheben. Das Kniegelenk wird unter Zu-
Femurkortex verankert ist, bevor die Platte gänzlich mit hilfenahme eines Beinhalters 80°– 90° gebeugt. Im Falle
dem Knochen bündig ist. einer extraartikulären Fraktur (Typ A) wird parallel zum
Außerdem muss der Chirurg die 25°-Neigung des me- medialen Anteil der Patellasehne unterhalb der Patella
dialen Femurkortex beachten, wenn eine Klingenplatte, eine ca. 2 – 2,5 cm lange Hautinzision gesetzt. Dabei
dynamische Kondylenschraube oder eine herkömmliche wird nicht versucht, die Gelenkfläche des distalen
Schraube von lateral nach medial eingebracht wird. So Femur direkt einzusehen (Abb. 26.3).

Tab. 26.1 Operative Zugangswege bei distalen Femurfrakturen.


Frakturtyp Zugangswege
A-Frakturen medialer parapatellarer Zugang (bei perkutaner Marknagelung)
anterolateraler Zugang ohne Darstellung der Gelenkfläche (bei Plattenosteosynthese)
B-Frakturen anteromedialer Zugang mit Darstellung der Gelenkfläche (bei isolierten Frakturen der medialen
Femurkondyle)
anterolateraler Zugang mit Darstellung der Gelenkfläche (bei isolierten Frakturen der lateralen
Femurkondyle)
posteriorer Zugang zum Kniegelenk (bei medialen und/oder lateralen Frakturen der Femurkondyle, die
zu weit dorsal gelegen sind, um sie von anteromedial oder anterolateral adäquat einsehen zu können
C 1/C 2-Frakturen medialer parapatellarer Zugang ohne Darstellung der Gelenkfläche (bei retrograder Marknagelung des
distalen Femur nach erfolgter Reposition und innerer Fixation der Gelenkfläche)
anterolateraler Zugang mit Darstellung der Gelenkfläche (bei Plattenosteosynthese des distalen Femur
nach erfolgter Reposition und innerer Fixation der Gelenkfläche)
C 3-Fraktur lateraler parapatellarer Zugang mit kompletter Luxation/Eversion der Patella zur genauen Darstellung
der Gelenkfläche (bei Plattenosteosynthese des distalen Femur nach erfolgter Reposition und innerer
Fixation der Gelenkfläche)
Operative Therapie 687

Abb. 26.3 Medialer parapatellarer Zu-


gang zur retrograden Marknagelung des
distalen Femurs ohne Darstellung der
Gelenkfläche.
a Das Knie ist auf einem Lagerungskeil in
Flexion gelagert.
b Medial der Patellarsehne wird eine
2 cm lange Inzision gesetzt.
c Der Führungsdraht sowie der Nagel
werden unter radiologischer Kontrolle
eingebracht.

a b

26

Medialer parapatellarer Zugang – retrograde wendig, um eine einfache intraartikuläre Spaltfraktur


Marknagelosteosynthese distaler einsehen zu können. Die Reposition und Fixation der Ge-
Femurfrakturen mir intraartikulärer lenkfläche, die später noch beschrieben wird, kann nun
Beteiligung durchgeführt werden. Im Anschluss erfolgt die Markna-
gelosteosynthese wie bereits beschrieben. Der Streck-
Bei der Behandlung von C1/C2-Frakturen sollte die Ge- apparat medial der Patella wird schließlich mit nicht-
lenkfläche eingesehen werden, um diese unter Sicht ana- resorbierbarem Nahmaterial der Stärke 5 rekonstruiert.
tomisch rekonstruieren zu können. Dafür wird der me-
diale parapatellare Zugang um 2 – 8 cm nach kranial er- Anterolateraler Zugang zum distalen Femur –
weitert, abhängig davon, wie weit die Gelenkfläche des Plattenosteosynthese von Frakturen ohne oder
distalen Femurs eingesehen werden muss. Die Inzision, mit einfacher Gelenkbeteiligung (Video 26-5,
die zuvor für den kleinen medial parapatellaren Zugang DVD 3)
beschrieben wurde, wird dabei proximal durch Haut und
Subkutangewebe sowie das mediale Retinakulum aus- Der anterolaterale Zugang zum distalen Femur wird so-
gedehnt. Es erfolgt die Durchtrennung der Extensoren- wohl bei der Plattenosteosynthese von Typ-A-Frakturen
gruppe im Faserverlauf 8 – 10 mm medial der Patella. als auch Typ-C1/2-Frakturen verwendet. Bei Typ-A-Frak-
Normalerweise ist eine Luxation der Patella nicht not- turen wird nicht versucht, die distale Gelenkfläche des
688 26 Distale Femurfrakturen

Femurs dazustellen. Bei Typ-C1- und -C2-Frakturen ist


diese Darstellung der Gelenkfläche zwingend notwendig.
Der distale Anteil des anterolateralen Zugangs kann für
submuskuläre Techniken verwendet werden, wohin-
gegen ein traditioneller transmuskulärer anterolateraler
Zugang bei der biologischen Plattenosteosynthese ver-
wendet werden kann.
Die Hautinzision für einen anterolateralen Zugang zum
distalen Femur beginnt im Bereich der Tuberositas tibiae,
zieht über das anteriore Drittel der distalen Femurkon-
dyle und dann lateral über der Mitte des Femurschafts a
nach proximal (Abb. 26.4). Der distale Anteil der Inzision
wird nur dann notwendig, wenn die Gelenkfläche einge-
sehen werden muss. Es erfolgt die schichtweise scharfe
Präparation durch Haut und Subkutangewebe bis auf den
Tractus iliotibialis. Der Tractus iliotibialis wird sodann im
Faserverlauf gespalten. Die Fasern des Tractus iliotibialis
ziehen anteromedial zur Tuberositas tibiae. Nachdem der
Tractus iliotibialis gespalten wurde, kann nun die Gelenk-
kapsel dargestellt werden. Oftmals ist diese auch bei
schwer dislozierten Frakturen intakt. Die Gelenkkapsel
muss bei Typ-A-Frakturen nicht unbedingt eröffnet wer-
den, auch wenn ein solches Vorgehen die korrekte Posi-
tionierung der Platte im Bereich des lateralen distalen
Femur evtl. vereinfacht. Für submuskuläre Plattenosteo-
synthestechniken bei C1- und C2-Frakturen wird eine
Hautinzision von 10 – 12 cm Länge benötigt, wohingegen b
bei Typ-A-Frakturen 8 – 10 cm Länge zumeist ausreichen.
26 Der Operateur kann sich natürlich für ein traditionell Abb. 26.4 Anterolateraler Zugang zum distalen Femur mit
Darstellung der Gelenkfläche.
offenes Verfahren entscheiden anstatt eine submuskuläre
a Eine kurvenförmige Inzision wird von der Tuberositas tibiae
Technik anzuwenden. Für eine gewöhnliche offene biolo- bis zum lateralen Drittel des distalen Femur geführt.
gische Plattenosteosynthese wird der anterolaterale Zu- b Ein Hohman-Haken kann nach erfolgter Kapsulotomie (Pfeil)
gang, wie zuvor für die submuskuläre Technik beschrie- hinter die mediale Femurkondyle eingesetzt werden, um die
ben, über der Mitte des lateralen Femurschafts nach pro- Gelenkfläche gut darzustellen.
ximal erweitert (Abb. 26.4). Erneut erfolgt die scharfe
Präparation durch das Subkutangewebe und die Spaltung
des Tractus iliotibialis. Die Faszie des M. vastus lateralis
wird ungefähr im Bereich zwischen den vorderen ⅔ und damit die Hohman-Haken den Muskelbauch nicht vom
dem hinteren ⅓ der M.-vastus-lateralis-Faszie gespalten. anterioren Anteil des Femurs ablösen.
Der Muskelbauch kann sodann mit geeigneten Haken Die Exposition der Gelenkfläche erfolgt unter Spaltung
nach anterior gehalten werden, während die Muskelfa- der Gelenkkapsel vom metaphysären Bereich nach distal
sern vom posterioren Anteil der Faszie des M. vastus la- bis zum lateralen Meniskus. Ein Hohman-Haken kann
teralis und dem posterioren intramuskulären Septum, vorsichtig über den medialen Anteil der Femurkondyle
welche beide von distal nach proximal ziehen, mit eingesetzt werden, um eine direkte Sicht auf die Gelenk-
einem Elevatorium abgeschoben werden. Dabei trifft fläche zu gewährleisten (Abb. 26.4 b).
man auf mehrere Perforansgefäße, die entweder ligiert
oder koaguliert werden müssen. Es wird nicht der Ver- Lateraler parapatellarer Zugang –
such unternommen, das Periost vom lateralen Anteil des Plattenosteosynthese komplexer Frakturen mit
Femurs komplett abzulösen und ebensowenig wird ver- intraartikulärer Beteiligung (Video 26-6, DVD 3)
sucht, jeden Teil der Fraktur genau darzustellen oder den
anteromedialen Anteil der metaphysär/diaphysären Der laterale parapatellare Zugang zum distalen Femur
Komponente der Fraktur einzusehen. Stattdessen bleiben wurde durch Krettek et al. (42) bekannt und basiert auf
die Muskelfasern im anterioren Bereich des Femur- der Erkenntnis, dass ein medialer parapatellarer Zugang
schachts intakt. Hohman-Haken können im Bereich des (wie er in der Knieendoprothetik Verwendung findet)
M. quadriceps mit einem Abstand von ungefähr 1 cm von eine exzellente Darstellung der Gelenkfläche des Femurs
der anterioren Kortikalis des Femurs angesetzt werden, erlaubt, ohne dabei die metaphysären und diaphysären
Komponenten des distalen Femur zu schwächen
Operative Therapie 689

(Abb. 26.5). Dieser Zugang wird generell bei der Osteo-


synthese mit submuskulär eingeschobener Platte ver-
wendet. Der Grund, warum der Hautschnitt eher lateral
als medial gesetzt wird, ist der, dass die Platte relativ
einfach über den gleichen Hautschnitt eingeschoben wer-
den kann.
Der Patient wird auch hier in Rückenlage gelagert, auch
hier wird ein Keil oder Lagerungskissen unter das Gesäß
der verletzten Seite eingebracht, um das Becken ca. 15°
anzuheben. Auf Wunsch des Operateurs kann eine Blut-
sperre angelegt werden. Außerdem wird die suprakon-
dyläre Region des distalen Femurs auf Kissen gelagert,
was die Hyperextensionsstellung des distalen Femur aus- a
gleicht, die durch den Zug des M. gastrocnemius ver-
ursacht wird. Der Hautschnitt (ca. 15 cm) erfolgt etwas
lateral der Mittellinie und verläuft über den lateralen An-
teil der Kniescheibe (Abb. 26.5 b). Die Präparation wird
scharf bis auf das Retinaculum extensorum fortgesetzt.
Das Retinaculum extensorum wird gespalten und später
rekonstruiert. Die Quadrizepssehne wird sodann bis auf
den Obererand der Patella gespalten, wobei die lateralen
40 % von den medialen 60 % getrennt werden. Die Arthro-
tomie wird mit einem Umschneiden der lateralen Knie-
scheibe fortgesetzt, wobei ein ca. 8 – 10 cm dicker Anteil
des Streckapparats an der Patella belassen wird
(Abb. 26.5 c). Die Inzision wird um den distalen Patellapol
fortgeführt und verläuft letztlich parallel zur Patellasehne.
In Hyperextension des Kniegelenks kann die Kniescheibe
evertiert werden. Gerade beim osteoporotischen Patien- 26
ten ist darauf zu achten, dass eine übermäßige Kraftein- b
wirkung auf die Patellasehne vermieden wird. Ein häufig
gemachter Fehler ist, dass die Quadrizepssehne nicht aus-
reichend inzidiert wird, was eine spannungsfreie Eversion
der Patella unmöglich macht und somit eine übermäßige
Zugbelastung auf die Patellasehne bewirkt.
Bei variierender Beugung und Streckung des Kniege-
lenks, meist zwischen 70° und 90° Beugung kann bei
evertierter Kniescheibe eine hervorragende Darstellung
der Gelenkfläche erreicht werden. Die Reposition und
Fixation der komplexen intraartikulären Fraktur, die in
der Folge noch beschrieben wird, kann nun erfolgen.
Der Verschluss des Streckapparats erfolgt mit nichtresor-
bierbarem Nahtmaterial der Stärke 5.
Außer bei der Versorgung einer C3-Fraktur des distalen
Femurs kann der laterale parapatellare Zugang bei kom-
plexen oder sehr weit dorsal gelegenen Frakturen der
lateralen Femurkondyle verwendet werden. c

Abb. 26.5 Der laterale parapatellare Zugang bei distalen Fe-


Medialer parapatellarer Zugang – murfrakturen.
Plattenosteosynthese der medialen a Patientenlagerung. Unter das linke Gesäß wird ein Lage-
Kondylenfraktur mit komplexer rungskissen eingebracht, die linke Hüfte sowie die restliche
intraartikulärer Beteiligung untere Extremität sind steril abgedeckt, eine Lagerungsrolle
ist suprakondylär unter das Bein gelagert.
Der mediale parapatellare Zugang erfolgt identisch zum b Die Hautinzision verläuft über der lateralen Hälfte der Patel-
eben beschriebenen lateralen parapatellaren Zugang und la.
bei gleicher Lagerung des Patienten. Dieser Zugang ist c Die Quadrizepssehne wird proximal gespalten, wobei ca.
8 – 10 mm des Sehnengewebes an der lateralen Begrenzung
den meisten orthopädischen Chirurgen wohl bekannt,
der Patella belassen werden (Pfeil).
690 26 Distale Femurfrakturen

c
a

26
b d

Abb. 26.6 Eine Fraktur der medialen Femurkondyle bei einem c Um die Gelenkfläche einsehen zu können, wurde ein media-
32-jährigen Patienten verdeutlicht die Notwendigkeit der ge- ler peripatellarer Zugang gewählt. Hier zeigt sich die mehrfrag-
eigneten präoperativen Bildgebung für die folgende komplexe mentäre Verletzung der Gelenkfläche.
Rekonstruktion der Gelenkfläche. d Um die mediale Femurkondyle nahe der interkondylären
a Die a.–p. und seitliche Röntgenaufnahme zeigen eine ver- Notch zu rekonstruieren, wurde eine provisorische Kirschner-
meintlich „einfache“ isolierte Fraktur der medialen Femurkon- Draht-Fixation durchgeführt. Die Pfeile zeigen auf die mehreren
dyle. Frakturen in der Frontalebene (Hoffa-Frakturen).
b Die CT zeigt eine mehrfragmentäre intraartikuläre Verlet-
zung der medialen Femurkondyle.

da es sich um den Standardzugang für die Implantation Mediale/laterale hintere Zugänge –


einer Kniegelenksprothese handelt. Zum eben beschrie- Plattenosteosynthese von komplexen
benen Zugang besteht kein wesentlicher Unterschied, intraartikulären medialen/lateralen
außer dass der Hautschnitt medialseitig der Patella ver- Kondylenfrakturen (die über einen anterioren
läuft. Wie auch beim lateralen parapatellaren Zugang Zugang nicht ausreichend versorgt werden
wird dieser hauptsächlich bei der Versorgung von kom- können)
plexen Frakturen der medialen Femurkondyle verwendet
(Abb. 26.6). Bei relativ einfachen Frakturen der medialen Gelegentlich liegen mediale und/oder laterale Kondylen-
Femurkondyle kann allerdings auch ein standardisierter frakturen der Frontalebene (Hoffa-Frakturen) so weit
anteromedialer Zugang genutzt werden. posterior, dass sie über einen anterior gelegenen Zugang
nur unzureichend dargestellt werden können. In solchen
Fällen ist ein posterior gelegener Zugang indiziert. Der
Patient wird dabei in Bauchlage gelagert, die Blutsperre
hochproximal am Oberschenkel angebracht und die kon-
tralaterale untere Extremität sowie die beiden oberen
Operative Therapie 691

e f

Abb. 26.6 (Fortsetzung)


e Rekonstruktion der medialen Kondylenfraktur mit den multiplen
intraartikulären Fragmenten. Normalerweise ist es nicht üblich,
Schrauben direkt durch die Gelenkfläche zu platzieren, jedoch wurde
es im vorliegenden Fall als „ultima ratio“ angesehen.
f Verwendung einer medialen Antigleitplatte zur zusätzlichen Stabili-
sierung der Rekonstruktion.
g A.–p.und seitliche Röntgenaufnahme des Kniegelenks 1 Jahr nach
Verletzung. Die Kniegelenksbeweglichkeit des Patienten beträgt zu
diesem Zeitpunkt zwischen 0 und 100 Grad.

26

Extremitäten gut gepolstert. Ein kurvenförmiger Haut- Tab. 26.2 Mögliche Implantate bei distaler Femurfraktur ent-
schnitt erfolgt von der Mittellinie über den hinteren An- sprechend der Frakturklassifikation nach AO/OTA.
teil der Fossa poplitea. Die weitere Präparation erfolgt Frakturtyp Implantat
scharf bis auf die Muskelfaszie. Der N. ischiaticus und Typ-A- oder dynamische Kondylenschraube
seine Aufteilung sowie die Poplitealgefäße werden iden- C1/C2-Frakturen (40, 43 – 48)
tifiziert. Mit stumpfer Präparation wird nun der mediale
95°-Klingenplatte (3, 12, 48–53)
Anteil des M. gastrocnemius vom lateralen Anteil ge-
trennt und somit die Femurkondyle dargestellt. Die Kap- antegrader Femurmarknagel (41, 65–67)
sulotomie erfolgt dann bei direkter Sicht auf die Gelenk- retrograder Femurmarknagel
komponente der Fraktur. Wird dieser Zugang auch selten (16, 20–27 ,68–74)
gebraucht, hat er bei der zuvor genannten Indikation winkelstabiles Implantat (LISS, laterale
dennoch seinen Stellenwert. Kondylenabstützplatte mit winkelstabilen
distalen Schrauben; 13–19, 31, 32, 36, 37)
Operative Techniken Typ-B-Frakturen Schraubenosteosynthese

Wie auch bei den operativen Zugängen legt die Klassifi- Schrauben- und Plattenosteosynthese
kation der Fraktur die Wahl des geeigneten Implantats Typ-C3-Frak- herkömmliche Kondylenabstützplatte
sowie der geeigneten operativen Technik bei distalen Fe- turen (nichtwinkelstabile Schrauben; 3, 12, 40,
murfrakturen fest (Tab. 26.2). 51, 77, 78)
winkelstabiles Implantat (LISS, laterale
Kondylenabstützplatte mit winkelstabilen
distalen Schrauben; 13–19, 31, 32, 36, 37)
AO/OTA = Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen/Orthopaedic
Trauma Association; LISS = Less Invasive Stabilization System
692 26 Distale Femurfrakturen

Initiale Stabilisierung
Noch bevor die Verletzung klassifiziert wird sollte der
Operateur eine präoperative Analyse der Verletzung und
des Patienten durchführen. Auch wenn eine distale Fe-
murfraktur in der Akutphase (in den ersten 24 h nach
erfolgtem Trauma) versorgt werden kann, sollte dies nur
bei einem stabilen Patienten außer Lebensgefahr erfol-
gen. Weitere Voraussetzungen für die Akutversorgung
sind eine ausreichende Kenntnis des Operateurs in der
Versorgung von Gelenkverletzungen sowie in der Durch-
führung eines korrekten chirurgischen Débridements bei
offenen Verletzungen, und ein geeignetes OP-Team. Sollte
eines dieser Kriterien nicht erfüllt werden können, sollte
ein gelenkübergreifender Fixateur externe angebracht
werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die
Pins am Femur relativ weit proximal und im Bereich der
Tibia relativ weit distal angebracht werden, damit diese
nicht in der Nähe des Zugangswegs für die definitive Ver-
sorgung liegen. Die seitliche Stabilisierung des Kniege-
lenks mit Schiene erhöht die Stabilität in diesem Bereich
und kann die Situation für den Patienten somit erträgli-
cher machen.

Reposition und Fixation von Gelenkfrakturen


(Videos 26-5 und 26-6, DVD 3)
Stark vereinfacht kann die Behandlung von suprakon-
26 dylären/intrakondylären Femurfrakturen in 2 Schritte
eingeteilt werden:
Abb. 26.7 Intraoperative Fotos einer fehlerhaften Reposition
1. Darstellung, Reposition und Fixation der Gelenkfrak-
der Gelenkfläche (Pfeile). Wenngleich die metaphysäre Kom-
tur; ponente der Fraktur mittels 95°-Klingenplatte gut reponiert
2. Verbindung des rekonstruierten distalen Femurgelenk- wurde, resultierte bei diesem einfachen Gelenkspaltbruch
blocks an das proximale Femur, was mittels Platte oder eine Gelenkstufe von 2 – 3 mm. Dies darf nicht akzeptiert wer-
retrogradem Nagel geschieht. den.

Dabei darf der Operateur den ersten Schritt nicht zuguns- ■ Schanz-Schrauben, die als Repositionshilfen im Bereich
ten des zweiten Schrittes vernachlässigen. Ein häufiger der medialen und lateralen Femurkondyle eingebracht
und durchaus kritischer Fehler wäre, einen retrograden werden können, um die Reposition einer interkondylä-
Nagel oder eine submuskulär eingeschobene Platte über ren Fraktur zu unterstützen.
einen limitierten Zugang einzubringen, ohne die Gelenk- ■ Große spitze Repositionszangen (Weber-Zange) oder
fraktur zuvor ausreichend dargestellt und fixiert zu ha- große Beckenrepositionszangen, die eingesetzt wer-
ben. Auch wenn Pseudarthrosen und Fehlverheilungen den, um die laterale und mediale Femurkondyle unter
im suprakondylären Bereich nach Möglichkeit zu vermei- Kompression zu setzen.
den sind, können diese in der Realität relativ einfach be- ■ Provisorische Kirschner-Drähte, die zur temporären Fi-
handelt werden. Eine schlechte bzw. ungenügende Re- xation des Gelenkblocks eingebracht werden, bis die
position der Gelenkfläche hingegen stellt ein immenses definitive Schraubenversorung erfolgt ist.
Problem dar, das sich nicht so einfach lösen lässt ■ Zahnarzthaken, die bei der Feinmanipulation der ein-
(s. Abb. 26.6, Abb. 26.7). Deshalb sollte der Operateur die zelnen Gelenkssegmente hilfreich sind.
Gelenkverletzung sorgfältig beurteilen und sicherstellen,
dass der operative Zugang eine ausreichende Visualisie-
rung der Gelenkverletzung ermöglicht. Wenn die Gelenk- Nach Abschluss der Reposition werden zur Fixation von
verletzung einmal dargestellt ist, gibt es mehrere Reposi- interkondylären Frakturen mehrere 3,5-mm-Kortikalis-
tionshilfen und -techniken, die hilfreich sein können. Re- schrauben von lateral nach medial oder zur Fixation von
positionshilfen, die für die Gelenkfläche hilfreich sein Hoffa-Frakturen von anterior nach posterior angebracht.
können, beinhalten (Abb. 26.8): Generell werden 3 Schrauben von lateral nach medial
eingebracht. Sodann können die Schrauben auch von an-
Operative Therapie 693

a b

Abb. 26.8 b Intraoperativer Befund einer ähnlichen Gelenkreposition. Der


a Mehrere Repositionsinstrumente werden bei der Gelenkre- Patient hatte eine begleitende Ruptur der Patellarsehne.
konstruktion verwendet. Eine große Weber-Klemme wird ver- Schanz-Schrauben wurden als Repositionshilfen in die mediale
wendet, um die mediale gegen die laterale Kondyle zu fixieren. (schwarzer Pfeil) und laterale (weißer Pfeil) Femurkondyle ein-
Eine Schanz-Schraube wurde als Repositionshilfe in die laterale gebracht.
Femurkondyle eingebracht. Eine mittlere Weber-Klemme ist
durch Pilotlöcher in der medialen Femurkondyle platziert, um 26
die Hoffa-Fraktur zu reponieren.

b
a

Abb. 26.9 Zeichnungen der Verwendung multipler Osteosyn- einer Hoffa-Fraktur eingebracht werden. Schließlich kann eine
theseschrauben bei der Versorgung einer Typ-C3-Fraktur des Schraube von anterolateral nach posteromedial eingebracht
distalen Femur. werden.
a Kriechschrauben können, wie hier gezeigt, von der lateralen b Seitansicht einer ähnlichen Schraubenosteosynthese der Ge-
in die mediale Kondyle eingebracht werden. Kriechschrauben lenkfläche. Die gestrichelte Linie markiert den Bereich, der für
von anterior nach posterior können bei der Verschraubung die Plattenosteosynthese verwendet werden kann.
694 26 Distale Femurfrakturen

terior nach posterior eingebracht werden. Eine diagonale ist, dass der Operateur die korrekte Lage der Platte im
Schraube, die von anterolateral nach posteromedial läuft, distalen Femur sicherstellen muss. Wenn dies korrekt
kann bei komplexen, dreidimensionalen Frakturen hilf- erfolgt ist, ist ein gutes Alignement in der Frontalebene
reich sein, um die komplette Gelenkfläche des distalen (Varus/Valgus) und Sagittalebene (Flexion/Hyperexten-
Femur einzuschließen (Abb. 26.9). 2,5-mm-Minifrag- sion) gewährleistet.
mentschrauben können gerade bei der Fixation kleiner ■ Es kann als erster „Locked Fixator“ für das distale
osteochondraler Fragmente in der interkondylären Femur angesehen werden. Die Klingenkomponente
Notch eingesetzt werden. Bei außerordentlich kleinen sorgt für eine exzellente Kontrolle des distalen Femur-
Fragmenten müssen Schrauben bisweilen durch den Ge- blocks in der Frontal- und Sagittalebene.
lenkknorpel eingebracht werden. Dieses sollte jedoch –
wenn möglich – vermieden werden (s. Abb. 26.6 e). Bei Bei der Versorgung mittels Klingenplatte ist es zu jedem
der Versorgung komplexer Gelenkverletzungen sind Zeitpunkt der Operation entscheidend zu wissen, in wel-
peinliche Genauigkeit und Geduld gefordert. Bei Vorlie- cher Ebene bereits eine korrekte Reposition erreicht wer-
gen einer mehrfragmentären Verletzung ist vor der defi- den konnte.
nitiven Versorgung eine provisorische, temporäre Fixa- ■ Der korrekte Varus-/Valguswinkel des distalen Femurs

tion der kompletten Gelenkfläche zu empfehlen wird über den korrekten Eintrittswinkel der Klinge in
(s. Abb. 26.6 d). Die Überprüfung der Reposition der Ge- Bezug auf die Gelenklinie in der Koronarebene einge-
lenkfläche erfolgt mittels Inspektion und digitaler Palpa- stellt.
tion. Ein häufiger Repositionsfehler, der bei der Versor- ■ Die Länge und Rotation des Femurs ist bereits fest-

gung von C1/C2-Verletzungen auftreten kann, ist die gelegt, wenn die erste proximale Schraube platziert ist.
Fehlrotation einer Kondyle gegen die andere. Diese kann ■ Die Flexion/Extension (das Alignement in der Sagittal-

durch sorgfältige Inspektion des superioren Anteils der ebene) des distalen Femursegments wird über den
interkondylären Fraktur und der interkondylären Notch Grad der Flexion oder Extension bestimmt, mit wel-
um die Fraktur erkannt und vermieden werden. Diese cher die Klinge in das distale Segment eingebracht
Fehlrotation wird hingegen nicht auffallen, wenn das dis- wird, und ist fest fixiert, wenn eine zweite Schraube
tale Femur lediglich von der Gelenkfläche her betrachtet in das proximale Femurfragment eingebracht wird.
wird. Nachdem die Gelenkfläche korrekt reponiert und fi-
Die Behandlung von Frakturen bei begleitender schwe- xiert wurde, wird die Klinge platziert.
26 rer Osteoporose bleibt eine chirurgische Herausforde-
rung, da Repositionszangen oder Schanzschrauben häufig Die einzelnen Schritte beim Einbringen der Klingenplatte
in den Knochen ein- oder aus dem Knochen ausbrechen. sind wie folgt:
In dieser Situation kann die direkte Manipulation der 1. Die Einstellung des korrekten Varus-/Valguswinkels
Fragmente mit Fingerdruck des Operateurs hilfreich sein. des distalen Femurblocks. Es erfolgt die Bildwandler-
kontrolle der Reposition im a.–p. Strahlengang. Mit
Osteosynthese des distalen Femurs mittels dem 4,5-mm-Bohrer wird an einem Punkt 1,5 cm
Klingenplatte kranial der Gelenkfläche und zwischen dem vorderen
und mittleren Drittel der Femurkondylen (von der
Die 95°-Klingenplatte ist kein gewöhnlich eingesetztes Seite betrachtet; Abb. 26.10) ein Bohrloch gesetzt.
Implantat, da der Umgang mit ihr als technisch schwierig Dieses Bohrloch und alle folgenden Bohrlöcher
erachtet wird. Sie wird für Typ-A- und für C1/C2-Fraktu- sowie die Klingen sollten parallel zur lateralen Korti-
ren verwendet. Ihr Einsatz bei Typ-3-Frakturen ist be- kalis des distalen Femur eingebracht werden.
grenzt, da man befürchten muss, die Fixation der Gelenk- 2. Ein zweites und drittes 4,5-mm-Bohrloch wird mit-
fläche beim Einbringen der Platte wieder zu zerstören. Im hilfe der Dreilochbohrhülse, die einen parallelen Ver-
alltäglichen Gebrauch wurde sie von winkelstabilen dis- lauf der Bohrlöcher vorgibt, in das distale Femur ge-
talen Femurplatten und retrograden Nägeln verdrängt. bohrt. Die Position des zweiten und dritten Bohrlochs
Warum dieses Implantat dennoch aufgeführt werden in Bezug auf das erste Bohrloch im distalen Femur
soll, hat 4 Gründe: entscheidet über die Flexions-/Extensionsachse, die
■ Zusammen mit der dynamischen Kondylenschraube die Klinge im distalen Femur beschreiben wird. Zu
(mit der sie signifikante Ähnlichkeiten aufweist) wur- diesem Zeitpunkt der Operation wird das vorderste
den zahlreiche Studien über sie veröffentlicht (3, 12, 40, Bohrloch ausgemessen, das die maximale Länge der
43 – 53). Klinge bestimmt. Wird die Platte länger als der ge-
■ Die bei ihrem Einsatz angewandten Konzepte sind eine messene Abstand gewählt, steht der vordere Anteil
wesentliche Grundlage für alle operativen Techniken, der Klinge im Bereich der medialen Kortikalis über.
die in der Folge beschrieben werden. 3. Eine Kopfraumfräse wird verwendet, um die Bohr-
■ Es ist ein Implantat, das das Konzept der indirekten löcher im Bereich der Kortikalis zu vergrößern.
Reposition der metaphysären/diaphysären Fraktur- 4. Ein Meißel wird parallel zu den Bohrlöchern einge-
komponenten gut demonstriert. Der Schlüssel dabei führt. Dabei dient die Eintrittsttiefe des Meißels als
Operative Therapie 695

Abb. 26.10 Bereich für die Platzierung einer 95° Klingenplatte b Die Klingenplatte wird senkrecht zur lateralen Kortikalis des
im distalen Femur. Beachte, dass drei Kriechschrauben von Femur eingebracht. Beachte, dass der vordere Anteil der Platte
lateral nach medial eingebracht wurden. (A) (B) nur knapp an die mediale Kortikalis heranreicht und diese nicht
a Seitansicht. Der Ausgangspunkt befindet sich im Zentrum perforiert.
zwischen dem anterioren Drittel und den posterioren zwei Drit-
tel der Femurkondylen und liegt ~ 1,5 cm von der distalen
Femurgelenkfläche entfernt.

weitere Bestimmungsgröße bei der Wahl der korrek- 10. Generell werden bei der biologischen Plattenosteo-
ten Klingenlänge. Beim Einbringen des Meißels in den synthese 3 – 4 proximale Schrauben eingebracht,
distalen Femurblock ist darauf zu achten, dass sich wobei in der Platte doppelt so viele Schrauben unter-
die Klinge des Meißels nicht im Knochen verhakt. gebracht werden könnten (Abb. 26.11).
Dies kann vor allem beim jungen Patienten mit
guter Knochenqualität problematisch sein. Um dies 26
möglichst zu vermeiden, wird der Meißel nach
Osteosynthese mittels dynamischer
10 – 15 mm, die er in den distalen Femurblock einge-
Kondylenschraube bei einer distalen
schlagen wird, wieder zurückgeschlagen.
Femurfraktur
5. Der Meißel wird nun durch die Klingenplatte ersetzt. Die Indikationen für den Einsatz der dynamischen Kon-
Dabei sollte kein größerer Kraftaufwand notwendig dylenschraube (DCS) bei der Versorgung der distalen Fe-
sein, um die Klingenplatte zumindest bis zur Hälfte murfraktur sind denen für die 95°-Winkelplatte iden-
der Klingenlänge in den distalen Femurblock ein- tisch. Der Vorteil der DCS ist, dass eine exakte Einstellung
zubringen, da die Klinge entlang des vorgefertigten der Fraktur in der Sagittalebene (Flexion/Extension) beim
Weges in den Knochen eintreten sollte. Einbringen der DCS in das distale Fragment nicht not-
6. Die Klingenplatte wird dann mittels Einschläger in wendig ist. Anders ausgedrückt kann die DCS in den dis-
den Knochen eingeschlagen. talen Femurblock eingebracht werden, wobei die Seiten-
7. Die Klingenplatte wird sodann mit zusätzlichen platte auf der DCS noch rotiert werden kann, um deren
Schrauben im distalen Bereich fixiert. korrekte Lage im mittleren lateralen Bereich weiter pro-
8. Länge und Rotation des distalen Femurs werden ein- ximal des Femurs sicher zu stellen. Die Nachteile des
gestellt. Hierbei kann die Verwendung eines externen Implantats sind die relativ große Knochenmenge, die bei
Fixateurs oder eines Femurdistraktors hilfreich ein. der DCS-Implantation entfernt werden muss, und die Ro-
Nun wird die Platte gegen das proximale Fragment tationsinstabilität in der Sagittalebene, sofern nicht zu-
fixiert. Bereits die erste Schraube, die in das proxiale sätzliche Schrauben in den distalen Femurblock einge-
Femur eingebracht wird, sichert Länge und Rotation. bracht werden. Der Eintrittspunkt für die DCS entspricht
9. Nun wird ein seitliches Röntgenbild angefertigt, um exakt dem der 95°-Winkelplatte, außer dass diese bei
die Flexion/Extension im Bereich der Fraktur zu kon- 2,5 cm (nicht 1,5 cm) Entfernung zur Gelenkfläche einge-
trollieren. Eine häufige Fehlstellung ist die Hyper- bracht wird.
extension des distalen Segments. Diese kann durch
Lagerungskissen, die im superkondylären Bereich
unter den Oberschenkel gelegt werden, minimiert
werden. Die zusätzlichen Schrauben können in das
proximale Segment eingebracht werden, wenn die
Reposition korrekt ist.
696 26 Distale Femurfrakturen

a b c

Abb. 26.11 Verwendung einer 95°-Klingenplatte bei einer distalen Femurfrak-


tur.
a Initiale Röntgenbilder der Verletzung.
b Der Patient wurde mit einer 4,5 mm breiten Platte versorgt. Diese Versor-
gung missglückte sekundär aufgrund einer Infektion und Abszessformation.
c Die Platte wurde entfernt und die Infektion zur Ausheilung gebracht.
d Eine 95°-Klingenplatte wurde in das distale Femur eingebracht und die Frak-
tur unter Kompression gebracht. Das Bild zeigt die Ausheilung nach 4 Monaten.
26

Retrograde Marknagelung des distalen Femurs legt, um der gewöhnlichen Hyperextension (Apex Poste-
(Videos 26-2 bis 26-4, DVD 3) rior Deformity) des distalen Segments – entstanden
durch einen Gastroknemiuszug – entgegenzuwirken.
Generell ist die retrograde Marknagelung im Bereich des Bei Typ-A-Frakturen wird ein minimaler (2 – 3 cm) me-
distalen Femur extraartikulären oder einfach artikulären dialer parapatellarer Zugang verwendet, wie er bereits
Frakturen vorbehalten. Eine ausreichende Verankerung zuvor beschrieben wurde. Unter radiologischer Kontrolle
des Nagels im distalen Femurblock muss dabei gewähr- wird sodann ein Zieldraht eingebracht. Der Zieldraht soll-
leistet sein; dafür sollte an mindestens zwei distalen te sich in der a.–p. Aufnahme in einer Linie mit dem
Punkten eine Fixation mittels Verriegelungsschrauben er- Markraum des Femurs befinden. In der seitlichen Auf-
zielt werden. Typischerweise wird ein relativ großer nahme sollte der Zieldraht im vorderen Bereich der Blu-
Marknagel (12 – 15 mm) verwendet. mensaat-Linie zu liegen kommen. Der Zieldraht wird
Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgen- dann 8 – 10 cm in das distale Femur eingebracht. Mit
durchlässigen Tisch gelagert. Lagerungskissen oder -drei- einem kanülierten Bohrer von 12 – 14 mm Durchmesser
ecke werden suprakondylär unter den Oberschenkel ge- wird das distale Femur eröffnet. Nachdem dieses anfäng-
Operative Therapie 697

Abb. 26.12 Behandlung einer extraartikulä-


ren distalen Femurfraktur mittels retrograden
Marknagels.
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung.
Der Mechanismus war eine Schussverletzung.
b Radiologische Heilung bereits nach 3 Mo-
naten. Der Patient durfte sofort nach der
Operation voll belasten.

a b

liche Bohrloch gesetzt wurde, wird ein langer Führungs-


draht in das distale Femur eingebracht und bis zur Frak-
tur vorgeschoben. Es folgt die Reposition des distalen
Femur in der anteroposterioren und in der seitlichen
Ebene. Wie bei jeder Marknagelosteosynthese muss die
Fraktur vor dem Aufbohren reponiert sein. Die Schanz-
Schraube eines Fixateur externe (mit 5 mm Durchmesser 26
bei jungen und 6 mm Durchmesser bei älteren Knochen)
kann, falls notwendig, von lateral nach medial angebracht
werden, um die Varus-/Valgusfehlstellung zu kontrollie-
ren oder von anterior nach posterior, um eine Hyper-
extensionsfehlstellung besser reponieren zu können. Der
Führungsdraht wird in das proximale Femur hochgescho-
ben, je nachdem welche Länge benötigt wird. Generell
a
sollte der retrograde Marknagel so lang gewählt werden,
dass er die komplette Länge des Femurs ausfüllt. Das pro-
ximale Ende des Nagels sollte oberhalb des Trochanter
minor zu liegen kommen. Ein zweiter Führungsdraht
wird verwendet, um die Länge des Femurnagels indirekt
auszumessen (wie bei der normalen Marknagelung des
Femurs). Die präoperative Bestimmung der Weite des fe-
muralen Markraums hilft einem, ebenso wie das intra-
operative Geräusch beim Aufbohren selbst, den Grad
der Aufbohrung festzulegen. Im Allgemeinen wünscht
man sich einen Nagel von mindestens 12 mm Durchmes-
b ser, während bei einem osteoporotischen und älteren
Patienten mit weitem Markraum Nägel von 14 – 15 mm
Abb. 26.13 Verwendung eines retrograden Marknagels bei Durchmesser verwendet werden. Der Markraum wird
einer C1/C2-Fraktur. normalerweise 1 mm über dem gewünschten Durchmes-
a Aufsicht auf das distale Femur. Der Eintrittspunkt eines re- ser des Nagels aufgebohrt. Der Zieldraht bleibt vor Ort,
trograden Nagels liegt vor dem Ursprung des hinteren Kreuz-
während die Reposition im anteroposterioren und latera-
bands. Er liegt gewöhnlich genau in der Mitte der interkondylä-
ren Notch. len Strahlengang kontrolliert wird. Der Nagel wird nun
b In der Seitenansicht liegt die Eintrittsebene in einer Ebene mit dem aufmontierten Verriegelungszielbügel in das dis-
mit der Femurachse. tale Femur eingebracht und über die Fraktur hinaus vor-
geschoben, während die Reposition gehalten wird. Der
698 26 Distale Femurfrakturen

a b

26

c d

Abb. 26.14 Versorgung einer C1-Fraktur des distalen Femurs b Röntgenbild des Beckens, das eine linksseitige Azetabulum-
mit begleitender Femurschaftfraktur. Da der Patient außerdem fraktur sowie eine komplexe Beckenringverletzung zeigt.
eine ipsilaterale Hüftgelenksluxationsfraktur hatte, fiel die Ent- c Bei dem Patienten wurde eine Schraubenosteosynthese der
scheidung für die retrograde anstelle der anterograden Mark- Gelenkfläche durchgeführt und im Anschluss ein retrograder
nagelung, um einen weiteren Zugang im Bereich der Hüfte zu Nagel eingebracht. Follow-up-Röntgenaufnahme nach 3 Jahren.
vermeiden. d Follow-up-Röntgenaufnahme des proximalen Femur nach 3
a Die initialen Röntgenbilder des Femurs zeigen einen ein- Jahren. Der Patient entwickelte heterotope Ossfikationen im
fachen distalen Spaltbruch der Gelenkfläche. Bereich der Azetabulumfraktur und unterzog sich nach ca. 2
Jahren einer Plattenentfernung und Abtragung der heteroto-
pen Ossifikationen.

Nagel sollte mindestens 1 cm unter die Gelenkfläche ver- weise werden diese Schrauben von anterior nach poste-
senkt werden. Dieser Schritt muss visuell und radio- rior und in Freihandtechnik eingebracht, wie sie bereits
logisch kontrolliert werden. für die routinemäßige adäquate Marknagelosteosynthese
Bei den meisten Nagelsystemen werden 2 distale Ver- des Femurs in Kap. 25 beschrieben wurde (Abb. 26.12).
riegelungsschrauben verwendet. Bei manchen Nagelsys- Bei C1/C2-Frakturen wird der ausgedehntere mediale
temen kann eine spezielle distale Kappe verwendet wer- parapatellare Zugang verwendet. Dieser erlaubt die Re-
den, die eine winkelstabile Verankerung der distalen position und Fixation der Gelenkfläche wie bereits detail-
Schraube ermöglicht. Dies kann beim osteoporotischen liert beschrieben. Dabei muss bei der Plazierung von
Knochen von Vorteil sein. Im Anschluss werden 2 pro- Schrauben der spätere Weg des retrograden Nagels be-
ximale Verriegelungsschrauben eingebracht. Normaler- dacht werden (Abb. 26.13 und Abb. 26.14). Die Schrauben
Operative Therapie 699

können sowohl anterior als auch posterior des Nagels Antegrade Marknagelung des distalen Femurs
eingebracht werden, um die laterale Kondyle an die me-
diale zu fixieren. Es ist zwar möglich, eine C3-Fraktur, Die antegrade Marknagelung von distalen Femurfraktu-
nach Reposition und Fixation der Gelenkfläche, mit ren ist prinzipiell möglich und kann bei begleitenden
einem retrograden Nagel zu versorgen. Zu empfehlen ist proximalen Femurfrakturen erstrebenswert sein. Diese
es jedoch eher nicht – dafür stehen andere Optionen zur Position der Gelenkfläche einer C1- oder C2-Fraktur
Verfügung. Außerdem wäre es möglich, dass die zuvor wird dabei wie bereits beschrieben durchgeführt. Die an-
reponierte und fixierte Gelenkfläche beim Einbringen tegrade Marknagelung des Femurs erfolgt wie in Kap. 25
des retrograden Nagels wieder auseinander bricht. erwähnt. In den meisten Fällen ist es ratsam, 2 Verriege-
lungsschrauben distal der Fraktur zu platzieren
(Abb. 26.15).

26

a b

Abb. 26.15 Behandlung einer nichtdislozierten suprakondylären Femurfraktur


mit begleitender Femurschaftfraktur mittels antegradem Marknagel.
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung. Man beachte die nichtdislozierte
suprakondyläre Fraktur (Pfeil).
b Follow-up-Röntgenaufnahme nach 2 Monaten.
c Follow-up-Röntgenaufnahme nach 6 Monaten. In den meisten Fällen werden
zwei distale Verriegelungsschrauben verwendet.

c
700 26 Distale Femurfrakturen

Winkelstabile Plattenosteosynthese des LISS-Platte in mehreren Fallbeispielen in diesem Ab-


distalen Femurs (Videos 26-5 und 26-6, DVD 3) schnitt verwendet wird, ist dennoch das Konzept, bei
dem eine winkelstabile Platte submuskulär eingeschoben
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von winkelstabilen wird, wichtiger als die Besonderheiten des Implantats
Plattensystemen auf den Markt gekommen. Allen ge- selbst. Die OP-Technik, die in der Folge detailliert be-
meinsam ist dabei das Merkmal, dass sie mit zahlreichen schrieben wird, ist auf jede eingeschobene Plattenosteo-
winkelstabilen Schrauben besetzt werden können, die für synthese des distalen Femurs anwendbar. Außerdem
eine bessere Fixation des distalen Femurblocks sorgen. kann jedes der Implantate nach eigenem Gutdünken ver-
Besonders wichtig wird das, wenn der Femurblock sehr wendet werden, wie es zu Beginn des Kapitels detailliert
klein ist, die Gelenkfläche in mehreren Ebenen fraktu- für den Einsatz der 95°-Winkelplatte beschrieben wurde.
riert oder die Knochenqualität durch Osteoporose herab- Die Beinlänge und das Rotationsprofil der kontralateralen
gesetzt ist. Diese winkelstabilen Systeme waren die Nach- Extremität werden, wenn möglich, präoperativ unter-
folger der Kondylenabstützplatte. Historisch gesehen sucht, um das korrekte Rotationsprofil des distalen
wurden vor Einführung der retrograden Marknägel und Femur zu ermitteln. Bei der OP-Lagerung wird ein Lage-
winkelstabilen Plattensysteme für das distale Femur für rungskissen unter das Gesäß der zu versorgenden Seite
einfache A- und C1/2-Frakturen die 95°-Kondylenplatte gelegt, um der normalen Außenrotation der unteren Ex-
oder die DCS verwendet und die Kondylenplatte für tremität entgegenzuwirken. Wenn das Becken auf der
schwere C3-Trümmerfrakturen. Das vordringliche Pro- verletzten Seite 15° schräg gelagert ist und das Rotations-
blem mit der Kondylenabstützplatte im klinischen Alltag profil des verletzen Femur korrekt wieder hergestellt
war die Schraubenlockerung und ein Ausbruch der Platte wurde, befindet sich der Fuß normalerweise in 5°– 10°
mit Varusfehlstellung (77). Außenrotation. Dies ist eine hilfreiche Kontrolle, um
Alle winkelstabilen Plattensysteme bieten den bereits ernsthafte Rotationsfehler zu vermeiden. Die Operation
erwähnten mechanischen Vorteil. Zusätzlich können sie, wird am besten auf einem komplett röntgendurchlässi-
wenn vom Operateur gewünscht submuskulär eingesetzt gen OP-Tisch durchgeführt, der eine Bildgebung über die
werden. Das Less Invasive Stabilisation System (LISS) ist komplette untere Extremität erlaubt. Die gesunde Extre-
eine winkelstabile Platte, die als erstes auf dem Markt mität wird hinreichend unterpolstert und gesichert. Die
erhältlich war und über deren Einsatz mehrere Studien Abdeckung mit sterilen Tüchern sollte eine ungestörte
publiziert wurden (13 – 19, 31, 32, 36, 37). Auch wenn die Aufnahme des proximalen Femur sowie der Hüftregion
26

a b

Abb. 26.16 Intraoperative Patientenlagerung für die winkel-


stabile Plattenosteosynthese des distalen Femurs.
a Der Patient wird mit einem Lagerungskeil unter dem Gesäß
auf einem röntgendurchlässigen OP-Tisch gelagert. Die linke
Hüfte sowie der Unterschenkel sind im OP-Gebiet komplett
abgedeckt. Unter die rechte untere Extremität werden ausrei-
chend Polster gelegt.
b Ein Lagerungskeil wird suprakondylär unter das linke Kniege-
lenk gelegt.
c Submuskuläres Einbringen des Implantats mit dem Füh-
rungs- und Zielinstrumentarium.

c
Operative Therapie 701

erlauben, besonders dann, wenn ein Fixateur verwendet


wird (Abb. 26.16).
Das Ziel bei der eingeschobenen Plattenosteosynthese
des distalen Femurs ist, die Weichteile im metaphysären/
diaphysären Bereich der Fraktur zu schonen. Dies kann
mit Techniken der geschlossenen Reposition erreicht
werden.
Eine Vielzahl von Hilfsmitteln kann die geschlossene
Reposition erleichtern:
■ Frühzeitige Intervention: Wie bereits erwähnt, sollten

Frakturen so früh wie möglich versorgt werden. Wenn


Trümmerfrakturen nach Hochrasanztraumen nicht in
den ersten 24 h definitiv versorgt werden, wird ein
gelenkübergreifender Fixateur angebracht, um die
Länge der frakturierten Extremität zu erhalten.
■ Medikamentöse Narkotisierung: Eine komplette medi-

kamentöse Narkotisierung und Relaxierung des Patien- Abb. 26.17 Intraoperativ wird manueller Zug aufgewendet,
ten ist notwendig. der Lagerungskeil wird als Hypomochlion verwendet.
■ Suprakondyläre Lagerungskissen: Lagerungskissen
bzw. -rollen, die aus 10,12 oder 15 zusammengerollten
OP-Tüchern hergestellt und mittels elastischem Tape
zusammengeklebt werden, werden suprakondylär
unter den Oberschenkel gelegt. Die Lagerungsrollen
unterstützen die normale Hyperextension des distalen
Femurfragments (Abb. 26.16 b, Abb. 26.17). Zusätzlich
dient die Lagerungsrolle als Drehpunkt des Kraftvek-
tors beim manuellen Zug am Bein. Relativ kleine Än-
derungen der Größe und Platzierung der Lagerungsrol-
len können große Unterschiede in der sagittalen Kor- 26
rekturebene der Fraktur bewirken.
■ Manueller Längszug (Abb. 26.17): Ein kontinuierlicher,

kräftiger, manueller Längszug hilft, die Länge und Ro-


tation wiederherzustellen und kann die Varus-/Valgus-
korrektur vereinfachen. Der Längszug wird mit einem
Kraftvektor, der nach posterior zeigt, im Bereich des
Sprunggelenks eingeleitet. Dabei dient die Lagerungs-
rolle als Drehpunkt. Der Längszug erleichtert die Repo-
sition der Hyperextensionsfehlstellung der distalen
Femurkondylen.
■ Schanz-Schrauben im Bereich der distalen Femurkon-
Abb. 26.18 Nach Reposition der Gelenkfläche wird eine
dyle: Vor allem bei sehr kurzen distalen Femufragmen- Schanz-Schraube von anterior nach posterior in den distalen
ten kann die Korrektur der Hyperextensionsfehlstel- Femurblock eingebracht. Diese kann zur Korrektur einer Hyper-
lung schwierig sein. Hierbei kann eine von anterior extensionsfehlstellung des distalen Femur verwendet werden.
nach posterior angebrachte Schanz-Schraube hilfreich
sein, über die sich das distale Fragment in die richtige
Position bringen lässt (Abb. 26.18). wendet werden, um größere Fehlstellungen zu kor-
■ Repositionsschrauben: Mehrere der winkelstabilen rigieren. Eine weitere Repositionsschraube ist der so-
Plattensysteme bieten die Möglichkeit, im proximalen genannte Whirly Bird, der im Wesentlichen eine
Fragment, neben winkelstabilen Schrauben, auch her- Schanz-Schraube ist, die sich in den Knochen bohrt.
kömmliche, nichtwinkelstabile Kortikalisschrauben zu Zum Instrumentarium der LISS gehört ein Zielgerät
verwenden. Diese Schrauben können als Repositions- zum Einbringen der Schrauben. Eine Schraube des
hilfen verwendet werden, gerade wenn der Schaft me- Whirly-Bird-Instrumentariums kann nun gegenüber
dialisiert steht und nach lateral gebracht werden muss. dem LISS-Zielinstrumentarium verstellt werden. Auf
Dabei sollte erwähnt werden, dass diese Schrauben als diese Weise können kleine Korrekturen in der Frontal-
„Feintuning“ der Reposition verwendet werden sollten, ebene oder kleinere Varus-/Valgusfehlstellungen kor-
bei dem es lediglich um die Korrektur von einigen Mil- rigiert werden. Die Verwendung des Whirly-Bird-In-
limetern geht. Hingegen sollte eine Schraube nicht ver- strumentariums kann dabei wie eine große Repositi-
702 26 Distale Femurfrakturen

murschafts oder eine Valgusfehlstellung der distalen


Femurkondyle feststellen. Daraufhin können Korrekturen
in Position und Größe der suprakondylären Lagerungs-
rolle, Korrekturen der Richtung des Kraftvektors beim
manuellen Zug sowie Korrekturen von Fehlstellungen
unter Zuhilfenahme des großen Holzhammers durch-
geführt werden.

Einbringen der Platte. Die winkelstabile Platte wird ent-


weder über einen anterolateralen oder lateralen parapa-
tellaren Zugang eingebracht. Die meisten Platten sind
präformiert, um der Antekurvatur des Femurs Rechnung
zu tragen. Dieser Schritt kann unter kurzer Durchleuch-
tung durchgeführt werden, wobei es hilfreich ist, das pro-
ximale Ende der Platte auf der lateralen Kortikalis entlang
zu schieben und die Richtung dabei an die normale An-
Abb. 26.19 Mit einem Holzhammer kann direkter Druck auf tekurvatur des Femurs anzupassen. Häufig besteht die
den distalen Anteil des proximalen Fragments ausgeübt wer- Tendenz, die Platte zu weit posterior einzubringen.
den, um eine suprakondyläre Femurfraktur zu reponieren.
Einstellung der richtigen Plattenlage auf der distalen Fe-
murkondyle. Mehrere Hinweise sind hilfereich, um eine
onszange verstanden werden, die den Knochen stabili-
korrekte distale Plattenlage auf der lateralen Femurkon-
siert, während selbstschneidende, selbstfurchende
dyle zu erreichen:
winkelstabile Schrauben in den Knochen eingebracht ■ Aufgrund der Neigung des lateralen Kortex um ca 10°,
werden. Anderenfalls würden die Schrauben den Kno-
ist es notwendig, die Platte zu kippen, damit sie der
chen wegschieben.
lateralen Kortikalis anliegt (Abb. 26.20 a).
■ Femurdistraktor oder Fixateur externe: Der Femurdis- ■ Die Normalposition der verwendeten Platte sollte be-
traktor oder Fixateur externe kann verwendet werden,
kannt sein. Die LISS-Platte sollte z. B. 1 – 1,5 cm hinter
um die metaphysäre/diaphysäre Reposition zu erzielen
26 der vorderen Begrenzung der distalen Femurkondyle
und aufrecht zu erhalten.
und 1 – 2 cm proximal der unteren Begrenzung der
■ Manueller Druck: Manueller Druck, der über einen gro-
Femurkondyle platziert werden (Abb. 26.20 b).
ßen Holzhammer ausgeübt wird, ist gelegentlich not-
wendig, um ein medialisiertes oder flektiertes pro-
Nachdem die Platte korrekt auf den distalen Femurblock
ximales Fragment zu reponieren. Außerdem kann er
aufgebracht wurde, wird sie an den Femurblock fixiert.
eingesetzt werden, um überschüssigen Valgus im dis-
Dies kann mittels Kirschner-Drähten oder 1 – 2 Schrau-
talen Fragment zu korrigieren (Abb. 26.19).
ben erfolgen.

Kontrolle der Reposition/Rotation und Länge mit Anbrin-


Operatives Vorgehen bei der submuskulär
gen eines proximalen Führungsdrahts. An diesem Punkt
eingeschobenen Osteosynthese (Videos 26-1, 26-5,
angelangt wird in a.–p. Ebene eine Bildwandlerkontrolle
26-6, 26-7, DVD 3)
durchgeführt, um sicherzustellen, dass die korrekte Länge
Wie bei jedem anderen Implantat zur Versorgung distaler der verletzten Extremität wieder hergestellt ist. Außer-
Femurfrakuren gibt es auch für die minimalinvasive, win- dem wird das Rotationsprofil der Extremität mittels 3
kelstabile Plattenosteosynthese eine klar definierte, verschiedener Methoden beurteilt: erstens das Wissen,
schrittweise Vorgehensweise. Auch wenn es Unterschie- dass der Fuß in Normalstellung 10°– 15° außenrotiert
dene in den einzelnen Schritten geben kann, ist es den- sein sollte, zweitens die Beurteilung des Femurs im a.–p.
noch hilfreich, jeden einzelnen Schritt des OP-Ablaufs Strahlengang und drittens die Beurteilung der Hautspan-
durchzuführen. Dieser Ablauf beginnt nach Reposition nungslinien im Bereich des distalen Femur.
und Fixation der Gelenkfraktur. Sind Länge und Rotation korrekt eingestellt, wird das
proximale Ende der Platte je nach verwendetem System
Provisorische Reposition der Fraktur („Kennenlernen der mittels Schraube oder Kirschner-Draht am Knochen fi-
Fraktur“). Bevor die Platte eingebracht wird, wird manu- xiert. Um sicherzustellen, dass die Platte dem Knochen
eller Längszug angelegt, eine Lagerungsrolle im supra- lateralseitig, mittig aufliegt und die korrekte Rotation
kondylären Bereich unter den Oberschenkel gelegt und ausweist, kann eine proximale Hautinzision erfolgen. Zu-
die Reposition der Fraktur im anteroposterioren und la- sätzlich kann eine Röntgenkontrolle im seitlichen Strah-
teralen Strahlengang beurteilt. Der Operateur kann dabei lengang erfolgen, um die Plattenlage am lateralen Femur
Sachverhalte wie eine Überextension der distalen Fe- zu kontrollieren, was jedoch aufgrund des kontralatera-
murkondyle, Flexion oder Adduktion des proximalen Fe- len Beines schwierig sein kann. Zu diesem Zeitpunkt der
Operative Therapie 703

Abb. 26.20 Korrekte Platzierung der LISS-Platte. b Das LISS-Implantat wird in einem Bereich ca. 1,5 cm von der
a Bei der Verwendung des LISS-Implantats für das distale distalen und ca. 1 cm von der anterioren Gelenkfläche entfernt
Femur wird das Führungsinstrumentarium ca. 10° angehoben, positioniert. Man beachte, dass Kriechschrauben von anterior
damit es korrekt auf die laterale Kortikalis passt. nach posterior und von lateral nach medial eingebracht wur-
den, um die Fraktur in der Koronarebene (Hoffa) und den
intraartikulären Spaltbruch zu fixieren.

Kontrolle der Reposition und Stabilität. Das Kniegelenk


Operation sind Achskorrekturen in der Sagittalebene
wird im kompletten Bewegungsumfang durchbewegt,
noch möglich, wie später dargelegt wird. Zuletzt werden
um eine adäquate Fixation der Fraktur sicherzustellen.
kleinere Korrekturen der Adduktion des proximalen 26
Fragments oder der Varus-/Valgusachse der distalen Fe-
Wundspülung und Verschluss. Um diesen Operations-
murkondylen durchgeführt.
ablauf zu veranschaulichen, wurden Fallbeispiele heran-
gezogen (Abb. 26.21, Abb. 26.22, Abb. 26.23).
Die Verankerung von Schrauben im distalen Femurblock.
Häufig auftretende Fehlstellungen sind eine Hyper-
extension, ein Valgus oder beides. Die Hyperextensions-
stellung wird korrigiert, indem die suprakondylär einge-
brachten Lagerungsrollen neu positioniert werden, die
Richtung des manuellen Zuges geändert wird, manueller
Druck aufgebracht oder der distale Femurblock mittels
Schanz-Schrauben kontrolliert und eingestellt wird.
Nachdem die korrekte Lage des Implantats im Bereich
des distalen Femurblocks sichergestellt ist und notwen-
dige Korrekturen von Fehlstellungen erfolgt sind, können
mehrere Schrauben distal eingebracht werden.

Korrekte Reposition des proximalen Femurschafts und Fi-


xation mit zusätzlichen Schrauben. Nun sind alle Fehl-
stellungen der Frontalebene (Varus/Valgus) und der Sa-
gittalebene (Hyperextension/Hyperflexion) korrigiert, so-
dass zusätzliche Schrauben in das proximale Fragment
eingebracht werden können.
704 26 Distale Femurfrakturen

26

c d

Abb. 26.21 LISS-Osteosynthese einer C3-Fraktur mit bei einer 67-jährigen


Frau mit vorbestehender Arthrose und insulinpflichtigem Diabetes mellitus.
a Initiale Röntgenaufnahme der Verletzung.
b Intraoperativer Blick auf die Gelenkfläche.
c Die Patientin hatte eine begleitende Patellarsehnenruptur. Ein modifi-
zierter lateraler peripatellärer Zugang ermöglichte eine ausgezeichnete
Sicht auf die Gelenkfläche. Hier ist die Gelenkfläche bereits reponiert und
mit mehreren Kriechschrauben refixiert.
d, e Postoperatives Ergebnis.

e
Operative Therapie 705

a b

26

c d

Abb. 26.22 Typ-III-A offene C1-Fraktur des distalen Femur. c Ein modifizierter lateraler parapatellarer Zugang unter Ver-
a Initiale Röntgenaufnahme der Verletzung. Der weiße und wendung der offenen Wunde wurde durchgeführt. Die Sicht
der schwarze Pfeil zeigen den intraartikuläre Spaltbruch. auf die Gelenkfläche ist hier dargestellt.
b Der Patient hatte eine minimal dislozierte Patellafraktur. Die d Es erfolgte die Fixation der Gelenkfläche, und im Anschluss
CT zeigt ebenfalls den intraartikulären Spaltbruch. die submuskuläre LISS-Plattenosteosynthese. Man beachte die
Schonung der metaphysären Weichteile um die Fraktur.

(Fortsetzung) ▶
706 26 Distale Femurfrakturen

ten Fragen, die man sich stellen muss sind:


■ Wie ist die Valgus-/Varusstellung?
■ Besteht eine Hyperextensionsstellung der distalen
Femurkondylen?
■ Zeigt die Diaphyse eine Fehlstellung in der Sagittalstel-

lung?
■ Wie ist die Plattenlage auf dem lateralen Femur?

Die Rotation sollte durch Begutachtung der Ruheposition


des Fußes, des Rotationsumfangs der Hüfte und durch
eine radiologische Kontrolle des proximalen Femur im
Vergleich zum distalen Femur/Kniegelenk überprüft wer-
den (54).

Sonderfall: Osteosynthese einer


suprakondylären Femurfraktur nach
ipsilateraler Kniegelenkendoprothese (Video
26-7, DVD 3)
e
Bei Vorliegen einer Fraktur oberhalb der Femurkom-
Abb. 26.22 (Fortsetzung) ponente einer Kniegelenksendoprothese muss sich der
e Komplette Konsolidierung der Fraktur nach einem Jahr. Der Chirurg zunächst vergewissern, dass keine Lockerung
Patient konnte die Extremität nach 10 Wochen wieder voll der Endoprothese vorliegt (Abb. 26.24, Abb. 26.25).
belasten. Die letztendliche Kniegelenksbeweglichkeit betrug
Wenngleich die Koinzidenz der Prothesenlockerung und
0°– 130°, identisch zur Gegenseite.
der distalen Femurfraktur selten ist, muss in diesem Fall
die Revision der Endoprothese erwogen werden. Voraus-
Beurteilung der Reposition nach Osteosynthese gesetzt, eine derartige Lockerung liegt nicht vor, kann der
einer distalen Femurfraktur Typ A oder C Operateur die Fraktur mittels retrograder Marknagelung
26 oder lateraler Plattenosteosynthese versorgen (37,
Nach Osteosynthese einer distalen Femurfraktur ist es 55 – 59). Die retrograde Marknagelung kann nicht bei
wichtig, die Qualität der Reposition im Hinblick auf Achs- allen erhältlichen Endoprothesendesigns verwendet wer-
stellung, Rotation und Länge zu überprüfen. Die konkre- den und riskiert zudem eine Verletzung der Patellakom-

a b

Abb. 26.23 Offene Plattenosteosynthese einer C1-Fraktur des b Es erfolgte die Spülung sowie ein Débridement der offenen
distalen Femurs mit erheblichem Knochendefekt und einer Wunde gefolgt von einem lateralen Zugang zum distalen Fe-
10 cm offenen Wunde (mit freundlicher Genehmigung von mur. Man beachte die Schonung der im Bereich der Fraktur
Dr. med. William Ricci). liegenden Weichteile trotz des offenen Zugangs.
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung.
Operative Therapie 707

c d

Abb. 26.23 (Fortsetzung) d Vollständige radiologische Ausheilung nach 4 Monaten.


c 10 Wochen nach der Verletzung wurde bei dem Patienten (Fall von Dr. med. William Ricci).
eine Knochentransplantation durchgeführt.

26

a b

Abb. 26.24 Minimal dislozierte suprakondyläre Femurfraktur b Follow-up-Röntgenaufnahme 3 Jahre nach Trauma. Die Ope-
zwischen der Spitze eines einliegenden anterograden Markna- rationstechnik war die Platzierung des winkelstabilen Implan-
gels und einer Kniegelenksendoprothese. tats hinter den einliegenden Marknagel, um eine stabile pro-
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung. ximale Fixation zu erreichen.

ponente (falls vorhanden) sowie die Ablagerung von os- wurden in der letzten Zeit winkelstabile Platten verwen-
sären Partikeln im Gelenk. Die Verwendung von her- det und zwar mit ermutigenden Erfolgen (37, 56, 60).
kömmlichen Plattensystemen wie der nichtwinkelstabi- Althausen et al. berichteten von niedrigen Infektions-
len Kondylenabstützplatte oder der 95°-Winkelplatte raten, fehlender Notwendigkeit einer primären Knochen-
hat sich bei der Versorgung dieser Frakturen als effektiv transplantation und einer stabilen Fixation, die, nach Im-
erwiesen. Die periprothetische distale Femurfraktur ist plantation einer LISS-Platte bei periprothetischen Fraktu-
häufig gekennzeichnet durch ein kurzes distales Frag- ren oberhalb des Kniegelenks, eine sofortige postoperati-
ment in osteoporotischem Knochen. Aus diesem Grund ve Mobilisation erlauben (56).
708 26 Distale Femurfrakturen

a b

26

Abb. 26.25 Die Verwendung eines submuskulär eingeschobe- wird submuskulär eingeschoben. Mehrere Schrauben sind in
nen winkelstabilen Implantats zur Behandlung einer suprakon- das distale Femur eingebracht. Der Führungsdraht liegt parallel
dylären Femurfraktur oberhalb einer einliegenden Kniegelenks- zur Femurkomponente (Pfeil).
endoprothese. c Intraoperative Durchleuchtungsbilder.
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung. d Die Durchleuchtungsbilder zeigen die zentrale Lage der Plat-
b Intraoperative Durchleuchtungsbilder. Ein kleiner 8-mm- te auf dem Femurschaft.
Hautschnitt erfolgt über dem distalen Femur. Das Implantat

Auch Gregor et al. berichteten bereits von einer Fall- re Zugang wird verwendet, um die Femurkomponente
serie mit 13 Frakturen, die ebenfalls mittels LISS versorgt der Kniegelenksendoprothese darzustellen. Bei der Ver-
wurden. Sie fanden ebenfalls keine Infektionen, keinen riegelung des Nagels ist es wichtig, dass 2 distale Verrie-
knöchernen Zusammenbruch mit resultierender Varus- gelungsbolzen eingebracht werden, um eine ausreichen-
fehlstellung, keine notwendige Knochentransplantation, de Verankerung im distalen Femurblock zu erreichen.
wobei ein Kniegelenk aufgrund einer Lockerung der Fe- Präoperativ gilt es bereits zu klären, ob die vorhandene
murkomponente revidiert werden musste (37). Kniegelenksendoprothese für eine retrograde Marknagel-
Das Vorgehen bei der retrograden Marknagelung versorgung geeignet ist. Sollte dies nicht möglich sein,
wurde bereits beschrieben. Der alte mediale, parapatella- sollte eine Plattenosteosysnthese durchgeführt werden.
Operative Therapie 709

Dabei entspricht die OP-Technik der für das distale Femur nutzt. Für komplexere Frakturen kann ein medialer oder
bereits beschriebenen submuskulär eingeschobenen, lateraler parapatellarer Zugang verwendet werden. Die
winkelstabilen Plattenosteosynthese. Um die geeignete Fixation der Gelenkfläche erfolgt wie zuvor bereits er-
Lage der Platte und der Schrauben bereits präoperativ wähnt. In den meisten Fällen wird eine Antigleitplatte
planen zu können, ist ein gutes Röntgenbild im seitlichen in Abhängigkeit von der Lokalisation der Fraktur medial
Strahlengang hilfreich. oder lateral angebracht. Routinemäßig wird dafür eine
4,5 mm schmale Platte verwendet, die geringfügig unter-
Reposition und Fixation von medialen und/oder dimensioniert ist. Die Schraube, die dabei proximal der
lateralen Kondylenfrakturen Fraktur eingebracht wird, schützt die Kondylenfraktur
vor Scherkräften, die bei einer alleinigen Schraubenfixa-
In Abhängigkeit von der Fraktur erfolgt der operative Zu- tion auftreten könnten (Abb. 26.26).
gang medial oder lateral. Bei einfachen Gelenkfrakturen
wird ein anterolateraler oder anteromedialer Zugang be-

Tipps und Tricks


■ Bei suprakondylären Femurfrakturen kann es im Falle ■ Zeigt die a.–p. Aufnahme einen Blick in die Notch des
erheblicher Fragmentdislokation zu einer ähnlichen Frak- distalen Femur, handelt es sich um eine Hyperextensi-
turverschiebung kommen, wie man es von Hochenergie- onsfehlstellung des distalen Femur.
frakturen wie Tibiaplateaufrakturen oder Kniegelenks- ■ Schrauben, die mit scheinbar geeigneter Länge anterior
luxationen kennt. Daher sollte im Zusammenhang mit in den distalen Femurblock eingebracht wurden, könn-
einer dislozierten suprakondylären Femurfraktur, die ten aufgrund der natürlichen Neigung der medialen
durch hohe Gewalteinwirkung entstanden ist, immer Femurkondyle zu lang sein. Die alleinige Durchleuch-
auf begleitende Gefäßverletzungen geachtet werden. tung des distalen Femur ermöglicht dem Operateur
In solchen Fällen ist es sinnvoll, den Knöchel-Arm-Index evtl. keine gute Einschätzung der kompletten Femurach-
(Ankle-Brachial-Index, ABI) zu bestimmen (61 – 63). se. Eine von proximal nach distal über das gesamte
■ Die korrekte Einschätzung einer Gelenksbeteiligung ist Femur durchgeführte Bildwandleruntersuchung ermög-
entscheidend. Wenn der Operateur eine suprakondyläre licht dem Operateur, bestehende Varus- oder Valgusfehl- 26
Femurfraktur vermutet, muss er sich die Frage stellen, stellungen besser zu erfassen.
ob es sich um eine Gelenkfraktur handeln könnte. Wenn ■ Bei der Reposition einer komplexen C3-Gelenkfraktur
feststeht, dass es sich um eine Gelenkfraktur handelt, des distalen Femur mit Hoffa-Fraktur ist vor einer defini-
ergeben sich folgende Fragestellungen: tiven Fixation die temporäre Fixation der kompletten
– Handelt es sich um Frakturen in der Frontalebene/ Gelenkfläche ratsam. Wie bei jeder komplexen Gelenk-
Hoffa-Frakturen? verletzung kann die korrekte Positionierung einzelner
– Handelt es sich um eine komplexe Gelenkfraktur mit osteochondraler Fragmente bis zur vollständigen Rekon-
mehreren Frakturebenen? struktion der Gelenkfläche schwierig sein.
– Gibt es einzelne osteochondrale Fragmente? ■ Eine 5,0- oder 6,0-mm-Schanz-Schraube kann über eine
■ Diese Fragen lassen sich am besten entweder mittels ge- kleine Hautinzision von medial nach lateral in die mediale
haltenen a.–p./seitlichen/schrägen Röntgenaufnahmen Femurkondyle eingebracht werden. In der Folge kann
des distalen Femur oder mittels CT-Untersuchung mit sa- diese zur Reposition der interkondylären Fraktur verwen-
gittalen oder frontalen Rekonstruktionen beantworten. det werden. Die Spitze der Schraube sollte nicht in den
■ Bei Verletzungen mit medialer Hoffa-Fraktur sollte der Frakturspalt ragen, was eine korrekte Reposition verhin-
Operateur einen anterolateralen Zugang möglichst ver- dern würde.
meiden. Über diesen Zugang könnte die Reposition und ■ Eine Schanz-Schraube, die von anterior nach posterior in
Fixation der medialen Hoffa-Fraktur schwierig werden. den distalen Femurblock eingebracht wird, ist bei der
Falls notwendig, kann jedoch ein zusätzlicher medialer Korrektur einer Hyperextensionsfehlstellung hilfreich.
parapatellarer Zugang verwendet werden, um die me- ■ Die Osteosynthese einer C-Fraktur (supra-/interkondylär)
diale Femurkondyle dazustellen und zu fixieren. Häufige des distalen Femur sollte in 2 Schritten erfolgen:
Fehlstellungen nach Osteosynthese einer suprakondylä- 1. Reposition und Fixation des Gelenkblocks,
ren/interkondylären Femurfraktur sind eine Hyperexten- 2. Reposition und Fixation der meta-/diaphysären Frak-
sion, ein vermehrter Valgus und eine vermehrte Rotati- turkomponente.
on. Daher sollte der Operateur die nötige Kenntnis ha- ■ Die Reposition des Gelenkblocks erfolgt fast immer
ben, um diese Fehlstellungen zu korrigieren. durch direkte Reposition (z. B. unter Verwendung von
Repositionszangen). In den meisten Fällen (außer bei
einfachen Frakturen) wird die meta-/diaphysäre Frak-
turkomponente durch indirekte Reposition versorgt.
710 26 Distale Femurfrakturen

a b

Abb. 26.26 Fraktur der medialen Femurkondyle. b Es erfolgte die direkte Darstellung der Gelenkfläche, die
a Initiale Röntgenaufnahmen der Verletzung. Schraubenosteosynthese der Gelenkfläche und die Anlage
einer medialen Antigleitplatte.

Butt et al. die operative Versorgung dislozierter distaler


Nachbehandlung
Femurfrakturen bei erwachsenen Patienten, die mittels
Typ-A-Frakturen: Bei distalen Femurfrakturen ohne Ge- DCS versorgt wurden, mit der konservativen Therapie
lenkbeteiligung wird der Patient normalerweise unter (46). Die Ergebnisse sprachen in großer Mehrheit für die
Teilbelastung mobilisiert. Sofort postoperativ wird mit operative Therapie. Nach den Kriterien von Schatzker et
aggressiven Bewegungsübungen und Kräftigungsübun- al. (8) wurden bei 53 % der operativ behandelten Patien-
gen für den M. quadriceps femoris begonnen. Nach 4 – 6 ten exzellente und gute Ergebnisse erzielt, wohingegen
26 Wochen kann eine sukzessive Belastungssteigerung erfol- solche nur bei 31 % der konservativ behandelten Patien-
gen. Das Nachbehandlungsschema bei Patientinnen mit ten erreicht werden konnten. Im Durchschnitt zeigte die
Osteoporose kann davon abweichen. operative Gruppe weniger Komplikationen und hatte
Typ-B- und -C-Frakturen: Bei Patienten mit intraartiku- zudem einen kürzeren durchschnittlichen Krankenhaus-
lären Verletzungen wird eine konsequente Teilbelastung aufenthalt. Es darf zudem angenommen werden, dass
für 12 Wochen durchgeführt. Dabei werden keine Schie- sich diese Ergebnisse mit heutigen Behandlungsmetho-
nen benutzt. den weiter zugunsten der operativen Therapie verschie-
ben.
Die definitive Versorgung und Implantatauswahl bei
Neue Techniken
der Versorgung suprakondylärer/intrakondylärer Femur-
In den letzten 5 Jahren hat sich die Philosophie bei der frakturen umfasst Platten (Klingenplatte, DCS, Kondylen-
Versorgung der distalen Femurfrakturen nicht wesentlich abstützplatte), antegrade und retrograde Marknägel, ex-
verändert. Allerdings hat sich ein besseres Verständnis terne Fixation und winkelstabile Implantate (LISS, win-
für den Einsatz von winkelstabilen Implantaten und mi- kelstabile Kondylenstützplatte).
nimalinvasiven Techniken entwickelt. Als Neuerung, die Bei den ersten Erfahrungen von Schatzker et al., die er
auf dem Markt bereits erhältlich ist, sind multiaxial win- in den frühen 70er-Jahren mit Platten machte (haupt-
kelstabile Plattensysteme zu nennen, bei denen sich die sächlich Klingenplatten), zeigte sich ein deutlich verbes-
Schrauben winkelstabil verankern lassen, nachdem sie in sertes Ergebnis gegenüber der konservativen Therapie.
einem beliebigen Winkel in die Platte eingebracht wur- Bei 75 % der Patienten, bei denen eine stabile Fixation
den. erreicht werden konnte, zeigten sich gut oder exzellente
Ergebnisse verglichen mit lediglich 32 % bei den Patienten
mit konservativer Therapie (8). Bei 18 von 35 Patienten
Ergebnisse konnte jedoch keine stabile Fixation erreicht werden. Bei
diesen Patienten hatten lediglich 21 % gute oder exzellen-
In der Literatur besteht Uneinigkeit bei der Frage, ob ein te Ergebnisse. Wie man aus der Studie von Schatzker et
bestimmtes Operationsverfahren auf lange Sicht klare al. und anderen darauf folgenden Studien sehen konnte,
Vorteile aufweist; klar ist hingegen, dass die operative verbesserte sich das funktionelle Ergebnis bei stabiler Fi-
Therapie gegenüber der konservativen beachtliche Vor- xation, zeigte jedoch keineswegs ausschließlich gute Er-
teile mit sich bringt. In einer Studie von 1996 verglichen gebnisse (3, 8).
Komplikationen 711

Nach Entwicklung neuer OP-Techniken und Einführung nicht periprothetischer, distaler Femurfrakturen berich-
neuer Implantattechnologien verbesserten sich die Er- ten (64). Die durchschnittliche Pseudarthrosenrate betrug
gebnisse außerordentlich. Durch biologische indirekte 6 %, die Rate tiefer Infektionen 2,7 % und die durchschnitt-
Repositionstechniken (10) und die retrograde Marknagel- liche operative Revisionsrate 16,8 % (Tab. 26.3).
osteosynthese verringerte sich der Bedarf an Knochen- Vergleicht man die Technik der Kompressionsplatten-
transplantationen drastisch, welche in früheren Studien osteosynthese (Klingenplatte, DCS, nichtwinkelstabile
in bis zu 87 % notwendig wurden, wie der systematische Kondylenabstützplatte und andere) mit einem winkelsta-
Review von Miclau et al. zeigt. In ihren Studien mit 57 bilen Implantat (LISS), so zeigt sich ein statistisch nicht
Frakturen (8 × A2-, 14 × A3-, 10 × C1-, 16 × C2- und 9 × signifikanter Trend (p = 0,056) mit weniger tiefen Infek-
C3-Frakturen; Gustilo Typ-3B oder 3C offene Frakturen tionen bei Einsatz der winkelstabilen Implantate (2,1 %)
ausgeschlossen), die mittels Klingenplatte oder Kon- verglichen mit den herkömmlichen Platten (4,8 %). Dieser
dylenabstützplatte und indirekter Repositionstechnik Umstand ist umso erwähnenswerter, da sich in der Grup-
ohne Knochentransplantation versorgt wurden, fanden pe der winkelstabilen Implantate eine signifikant höhere
Bollhover et al. keine Pseudarthrosen und gute oder ex- Anzahl von offenen Frakturen befand (36 % versus 25 %;
zellente Ergebnisse in 84 % der Fälle (12). 64).
Die Entwicklung und der Einsatz der retrograden
Marknagelung führten ebenfalls zu einem verbesserten
Ergebnis und einer Verringerung der Infektionsraten Komplikationen
(20 – 27). Der Einsatz der retrograden Marknagelung ist
jedoch in den meisten Fällen auf extraartikuläre Fraktu- Die hauptsächlichen Komplikationen bei der Behandlung
ren und einfache intraartikuläre Frakturen beschränkt. von distalen Femurfrakturen umfassen Pseudarthrosen,
Die Entwicklung der winkelstabilen Implantate war ein Infektionen, Fehlstellungen und Gelenkseinsteifungen.
weiterer Schritt, das klinische Ergebnis auf konstanter Ein ausgedehntes Weichteiltrauma während der operati-
Ebene zu verbessern. Besonders durch eine Verbesserung ven Versorgung zerstört die Blutversorgung um die Frak-
der distalen Fixation in osteoporotischen Knochen und tur (29, 30) und beeinträchtigt die Fähigkeit des Körpers,
die Möglichkeit minimalinvasiver, subkutan eingeschobe- die Fraktur zu heilen und von evtl. Pathogenen zu befrei-
ner Plattenosteosynthesen führten sie zu einer Vermin- en. Dieser Umstand kann zu höheren Raten an Pseudar-
derung der distalen Implantat-„Cutout“-Raten und ver- throsen und Infektionen führen.
ringerten die Infektionsraten besonders bei offenen Frak- Die Behandlungsmöglichkeiten bei Vorliegen einer 26
turen (13 – 19, 31, 32, 36, 37). Pseudrathrose hängen von der Primärversorgung ab und
Insgesamt identifizierten wir in einem evidenzbasier- umfassen das Ausräumen des Pseudarthrosenspalts ge-
ten, systematischen Review 47 Artikel mit der Gesamt- folgt von einer Spongiosaplastik mit oder ohne Implan-
zahl von 1670 Frakturen zwischen 1989 und 2005, die tatwechsel. Wurde als Primärversorgung eine Markna-
über das Ergebnis nach operativer Behandlung akuter, gelosteosynthese gewählt, besteht die Möglichkeit, den

Tab. 26.3 Ergebnisse verschiedener Osteosynthesetechniken bei distaler Femurfraktur, 1989 – 2005.
Implantat/ Anzahl der Gesamt n Gelenk- Pseudarthrosen Tiefe Wund- Revisions-
Technik Studien beteiligung*** (%) infektionen (%) OPs (%)
AIMN 4 108 22,2 % (n = 108) 8,3 0,9 23,1
RIMN 15 472 37,1 % (n = 361) 5,3 0,4 24,2
Fixateur interne 8 327 56,9 % (n = 327) 5,5 2,1 16,2
(LISS)
Kompressions- 16 694 73,0 % (n = 677) 6,3 4,8 12,7
platte (BP, DCS,
CBP, andere)**
Fixateur externe 5 69 85,5 % (n = 69) 7,2 4,3 30,6
Gesamt 48* 1670 58,1 % (n = 1542) 6,0 2,7 16,8
Quelle: Daten von Zlowodzki M, Bhandari M, Marek DJ, Cole PA, Kregor PJ. Operative treatment of acute distal femur fractures: systematic review of two
comparative studies nd 45 case series (1989 – 2005). J Orthop Trauma 2006: 366 – 371.
AIMN = antegrader Marknagel, BP = Klingenplatte, CBP = Kondylenabstützplatte, DCS = dynamische Kondylenschraube, LISS = Less Invasive Stbilization
System, RIMN = retrograder Marknagel. Bei allen Verfahren wurden zusätzliche Schrauben und/oder Platten verwendet, um die Gelenkfläche zu fixieren.
* 45 Fallstudien, ein operativer Arm einer randomisierten Kontrollstudie (RKS) und eine vergleichende Studie mit einem LISS- und einem RIMN-Arm.
** Primäres Implantat: BP 41 %, DCS 33 %, CBP 23 %, andere 3 %.
*** Manche Autoren äußerten sich nicht zu einer Gelenkbeteiligung. Die Anzahl der Patienten, bei denen über eine Gelenkbeteiligung berichtet wurde, steht in
Klammern und weicht deshalb gelegentlich von Gesamt n ab.
712 26 Distale Femurfrakturen

Nagel zu wechseln und den Markraum anstelle einer minimalinvasive Techniken die Blutversorgung und das
Spongiosaplastik oder zusätzlich zu dieser aufzubohren. Frakturhämatom schonen und somit einen positiven Ef-
Eine weitere Behandlungsstrategie wäre der System- fekt auf Frakturheilung und Infektionsraten haben. Je-
wechsel; z. B. kann von einer Marknagelung auf eine Plat- doch sind die minimalinvasiven Techniken technisch an-
tenosteosysnthese oder umgekehrt gewechselt werden, spruchsvoll, erschweren die Wiederherstellung der kor-
um die Biomechanik im Frakturbereich zu verändern rekten Achsstellung und können die Wahrscheinlichkeit
und somit das biologische Heilungspotenzial der Zellen für Fehlstellungen/Fehlverheilungen potenziell steigern.
im Frakturbereich zu stimulieren. Infektionen können mit Plattenosteosynthesen waren generell verbunden mit
einer einzelnen oder wenn nötig mehreren Wundspülun- Fehlrepositionen. In einer Studie mit 57 Frakturen be-
gen einschließlich Débridement sowie begleitender intra- richteten Zehnnter et al. eine Fehlstellung von > 5° für
venöser Antibiotikumtherapie behandelt werden. Gele- Varus/Valgus bei 26 %, eine Hyperextension/Hyperflexion
gentlich führt eine Plattenosteosynthese zu lokalen bei 22 % und Rotationsfehlstellungen bei 17 % der Fälle
Weichteilirritationen, die Schmerzen verursachen kön- 53). Die funktionellen Ergebnisse schienen allerdings zu-
nen. In diesen Fällen kann das Osteosynthesematerial friedenstellend, sofern sich die Fehlstellung jeder Ebene
nach Ausheilung der Fraktur entfernt werden. innerhalb der 5 %-Grenze bewegte. Im Allgemeinen er-
Ein ausgedehntes intraoperatives Weichteiltrauma und laubt eine stabile Fixation zusammen mit einem weich-
postoperative Einschränkungen bei der Rehabilitation re- teilschonenden OP-Verfahren ein aggressiveres Nach-
sultieren aus einer ungenügenden Fixation und können behandlungsschema und kann somit die Gelenkbeweg-
gerade bei intraartikulären Frakturen zu vermehrter Ein- lichkeit wiederherstellen.
steifung des Kniegelenks führen. Andererseits können

Merke

■ Laut AO/OTA-Klassifikation der distalen Femurfrakturen ■ Bei suprakondylären C-Frakturen besteht eine 38 %ige Inzi-
sind A-Frakturen extraartikulär, B-Frakturen partiell intraar- denz für das Auftreten einer Fraktur in der Frontalebene
tikulär und C-Frakturen komplett intraartikuläre Frakturen (Hoffa-Fraktur; 39).
26 mit Trennung von der Diaphyse. ■ Die häufigsten Fehlstellungen nach Osteosynthese einer
■ Bei der genaueren Unterteilung der C-Frakturen zeigen die suprakondylären/interkondylären Femurfraktur beinhalten
C1/C2-Frakturen einen einfachen intraartikulären Spalt- Hyperextension, Valgus- und Rotationsfehlstellungen.
bruch und die C3-Frakturen eine komplexe intraartikuläre ■ Laut einem kürzlich veröffentlichen systematischen Re-
Beteiligung. view (64) beträgt die Pseudarthrosenrate 6 %, die Rate
■ Die möglichen Therapieoptionen bei A-Frakturen oder C1/ tiefer Wundinfektionen 2,7 % und die Rate der notwendi-
C2-Frakturen beinhalten die antegrade Marknagelung, die gen Revisionseingriffe 16,8 %.
retrograde Marknagelung, die Plattenosteosynthese mit ■ Historisch gesehen reicht die Rate notwendiger Knochen-
einer 95°-Winkelplatte (Klingenplatte oder DCS) oder die transplantationen bei distalen Femurfrakturen von
Plattenosteosynthese mit einem inneren Fixateur. Eine C3- 0 – 87 % (1).
Fraktur sollte generell mit einem winkelstabilen Implantat
versorgt werden, um die Verankerung mehrerer Schrau-
ben im distalen Femurblock zu ermöglichen und eine se-
kundäre Varusfehlstellung zu vermeiden.
Literatur 713

Inhalt der DVDs

Video 26-1 (entspricht Video 4-2, DVD 1) Minimalinvasive Video 26-5 (entspricht Video 4-4, DVD 1) ORIF einer C2-
perkutane Plattenosteosynthese des distalen Femurs. Bei Fraktur des distalen Femurs mit submuskulärer winkelsta-
dem Patienten in diesem Video wird mittels DCS-Platte eine biler Platte. Bei einem 34-jährigen Mann wird nach Schuss-
minimalinvasive perkutane Osteosynthese in Bridge-Technik verletzung und C2-Fraktur des distalen Femurs eine submus-
durchgeführt. Der Operateur zeigt darin Tricks für eine er- kuläre winkelstabile Plattenosteosynthese durchgeführt. Die
folgversprechende minimalinvasive perkutane Platten- Rekonstruktion erfolgt sekundär nach Anlage eines gelenk-
osteosynthese, so z. B. bei der Beurteilung der Länge der übergreifenden Fixateur externe, welcher wiederum nach
Rotation. Versorgung einer Gefäßverletzung angelegt wurde.
Video 26-2 (entspricht Video 25-5, DVD 3) Retrograde Video 26-6 (DVD 3) Submuskuläre winkelstabile Plattenos-
Marknagelosteosynthese bei einer suprakondylären A- teosynthese einer kombinierten C3-Fraktur des distalen Fe-
Fraktur des Femurs. Zur Stabilisierung einer suprakondylä- murs mit C3-Fraktur der proximalen Tibia. Zur direkten
ren A-Fraktur des Femurs wird ein 2,5 cm langer medialer Darstellung der komplexen Gelenkverletzung sowohl des Ti-
parapatellarer Zugang gewählt. Der Schwerpunkt liegt dabei biaplateaus als auch des distalen Femurs wird ein modifizier-
auf dem korrekten Eintrittspunkt und der Frakturreposition. ter lateraler parapatellarer Zugang verwendet. Im Vorder-
Video 26-3 (entspricht Video 25-6, DVD 3) Retrograde grund stehen die einzelnen Schritte der submuskulären win-
Marknagelosteosynthese des distalen Femurs. Dieses kelstabilen Plattenosteosynthese.
Video zeigt die Technik und Prinzipien bei der retrograden Video 26-7 (entspricht Video 4-3, DVD 1) ORIF einer peri-
Marknagelung einer suprakondylären Femurfraktur bei prothetischen distalen Femurfraktur mit submuskulärer
einem Zugang mit Längsspaltung der Patellasehne. Hierbei winkelstabiler Platte. Bei einer osteoporotischen distalen
wird die Wichtigkeit des korrekten Eintrittspunkts hervor- Femurfraktur oberhalb einer vorhandenen Kniegelenksendo-
gehoben. prothese wird mittels LISS eine winkelstabile Plattenosteo-
Video 26-4 (DVD 3) Arthroskopisch assistierte Entfernung synthese des distalen Femur durchgeführt. Im Vordergrund
eines retrograden Marknagels. Die Entfernung eines retro- stehen die geringe Darstellung der Fraktur und die Tech-
graden Marknagels lässt sich mit Verwendung der arthrosko- niken der geschlossenen Reposition.
pisch assistierten Technik deutlich vereinfachen. Dabei wer-
den der Einsatz der Arthroskopie und die Methode der Ent- 26
fernung gezeigt.

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716 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

27 Patellafrakturen und Verletzungen des


Kniegelenkstreckapparats
G. V. Russell, R. K. Mehrle
Übersetzer: C. Wagner

Patellafrakturen für Verletzungen durch sowohl direkte als auch indirekte


Mechanismen. Patellafrakturen treten mit einer Inzidenz
Die Kniescheibe, Patella, ist ein Sesambein und verbindet von 1 % aller Skelettverletzungen auf (3). Direkte Verlet-
die Quadrizepssehne und das Lig. patellae. Insofern ist die zungen entstehen durch anteriore Gewalteinwirkung
Patella ein wesentlicher Bestandteil des Kniestreckappa- gegen das Knie, wie beispielsweise beim Sturz auf das
rats. Während die Fasern der Quadrizepssehne kontinu- Knie oder beim Verkehrsunfall mit Knieanpralltrauma
ierlich über die Vorderfläche der Patella ziehen und in die am Armaturenbrett. Indirekte Ausrissverletzungen der
Patellarsehne einstrahlen, bilden die medialen und late- Patella durch übermäßige Zugbeanspruchung im Bereich
ralen Ausläufer die longitudinalen Retinacula patellae (1). der Muskelansatzstellen sind dagegen seltener. Unabhän-
Eine vollständige Aufhebung des Streckapparats erfordert gig vom Verletzungsmechanismus führt die resultierende
eine Kontinuitätsunterbrechung sowohl der Patella als Fraktur und die begleitende Verletzung der Retinakula zu
auch der Retinakula (Abb. 27.1); diese Kombinationsver- einer partiellen oder kompletten Kontinuitätsunterbre-
letzung ist aufgrund der starken Zugbelastungen über chung des Kniestreckapparats (Abb. 27.1).
dem Kniegelenk jedoch typisch. Eine Ausnahme stellt Die Diagnose der Patellafraktur wird in der Regel an-
die Patellafraktur durch direkten Schlag bei gestrecktem hand der körperlichen Untersuchungsbefunde (Schmerz,
Knie dar; bei diesen Verletzungen können die medialen Krepitation, Kniegelenkerguss, Aufhebung der aktiven
und lateralen Retinakula intakt und die Funktion des Kniestreckung) und konventioneller Röntgenaufnahmen
Kniestreckapparats erhalten bleiben. des Kniegelenks im a.–p., seitlichen und tangentialen
Biomechanisch erhöht die Patella durch die Verlage- Strahlengang gestellt. Wird eine konservative Therapie
rung der Streckachse vor das Rotationszentrum des Knie- in Erwägung gezogen, kann eine Magnetresonanztomo-
gelenks den Hebelarm und damit die Streckkraft des M. grafie (MRT) hilfreich sein, um mögliche Begleitverlet-
quadriceps um ca. 50 % (2). Bei Kniebewegungen ist die zungen der Retinakula oder okkulte osteochondrale Ver-
27 Patella jedoch hohen Zugbelastungen ausgesetzt. Auf- letzungen zu erkennen.
grund ihrer oberflächlichen Lage und ihrer hohen me-
chanischen Beanspruchung besteht eine Prädisposition
Klassifikation
Die Einteilung der Patellafrakturen erfolgt üblicherweise
anhand des Verlaufs der Frakturlinie(n) in den konven-
tionellen Röntgenaufnahmen. Am häufigsten treten
Querfrakturen auf; sie resultieren aus direkten oder indi-
rekten Mechanismen mit Überschreiten der Zug-
beanspruchung (Abb. 27.2). Längs- oder Mehrfragment-
frakturen sind in der Regel durch ein direktes Trauma
verursacht; bei diesen Verletzungen befindet sich die pri-
märe Fraktur etwa in der Längsachse der Patella
(Abb. 27.3). Eine detailliertere Einteilung wird durch die
AO-Klassifikation (46) und die Klassifikationen nach
Rogge et al. (47) sowie nach Speck u. Regazzoni (48) er-
möglicht. Längsfrakturen führen nicht zu einer Kontinui-
tätsunterbrechung des Streckapparats; sie können die
Hauptmasse oder nur die Peripherie der Patella betreffen.
Des Weiteren muss zwischen einfachen Frakturen mit 2
Hauptfragmenten und Trümmerfrakturen mit mehreren
Frakturfragmenten unterschieden werden (Abb. 27.4);
diese Einteilung kann die Wahl der Operationstechnik
beeinflussen. Osteochondrale Fragmente sind am besten
Abb. 27.1 Röntgenseitaufnahme einer Patellafraktur mit Dis- in der Tangentialaufnahme der Patella erkennbar. Eine
lokation des kaudalen Pols. Patella bipartita tritt in 1 – 2 % der Bevölkerung auf und
Patellafrakturen 717

Abb. 27.2 Patellaquerfraktur. In der a.–p. Auf-


nahme ist trotz Überlagerung der Patella durch
das Femur eine Querfraktur der Patella erkenn-
bar. Das besser sichtbare proximale Fragment
ist im Vergleich weiter proximal lokalisiert; dies
ist der wichtigste Hinweis, falls das distale Frag-
ment durch die Überlagerung mit den Femur-
kondylen nicht zu erkennen ist. In der Seitauf-
nahme ist die Diagnose eindeutig.
a A.–p. Röntgenbild.
b Seitliches Röntgenbild.

a b

Abb. 27.3 Längsfraktur der Patella.


a Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen
des Kniegelenks zeigen eine Längsfraktur der
Patella (weißer Pfeil). In der a.–p. Aufnahme
(linke Abbildung) ist trotz Überlagerung eine
nichtdislozierte Längsfraktur der Patella sowie
eine Tibiakopffraktur erkennbar. Im Gegensatz
zu einer Querfraktur ist die Fraktur aufgrund der
Frakturebene in der Seitaufnahme (rechte Ab-
bildung) nicht sichtbar. Die laterale Aufnahme
ist dennoch hilfreich, da sie einen Gelenkerguss
oder, wie in diesem Fall, Begleitverletzungen
zeigen kann.
b Postoperative Röntgenbilder nach offener
Reposition und innerer Fixierung der Tibiakopf-
sowie der Patellafraktur.

27
a

b
718 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Abb. 27.4 Sternförmige Patellafraktur.


a A.–p. und seitliches Röntgenbild des Kniegelenks zeigen eine
suprakondyläre Femurfraktur und eine schlecht abgrenzbare,
minimal dislozierte Trümmerfraktur der Patella. Zusätzlich be-
steht ein Zustand nach vorausgegangener Kreuzbandrekon-
struktion mit Interferenzschrauben.
b Die Computertomografie zeigt ein sternförmiges Fraktur-
muster ohne signifikante Fragmentdislokation.
c Röntgenverlaufskontrollen. Die Therapie der Patellafraktur
erfolgte konservativ. Der Patient konnte das Knie aktiv stre-
cken; bezüglich der Patellafraktur bestanden keine Probleme. c

kann mit einer Fraktur verwechselt werden (49). Aller-


dings zeigt die Patella bipartita ein typisches Erschei-
27 nungsbild: Sie ist im oberen, lateralen Quadranten der
Patella lokalisiert, ist abgerundet und besitzt einen glat-
ten, sklerotischen Rand (Abb. 27.5).

Konservative Therapie

Indikationen zur konservativen Therapie


Nichtdislozierte Patellafrakturen mit intaktem Knie-
streckapparat können konservativ therapiert werden
(3); dies sollte möglichst als funktionelle Behandlung er-
folgen (50). Bei Erwägung einer konservativen Therapie
ist die erhaltene Streckfähigkeit zu überprüfen, z. B.
durch das Halten des Kniegelenks in Streckung gegen
die Schwerkraft; dies kann schmerzbedingt erschwert
sein. Zu beachten ist, dass Querfrakturen im Allgemeinen
mit einer begleitenden Verletzung der Retinakula einher-
Abb. 27.5 Beispiel einer Patella tripartita. Die Röntgenaufnah-
gehen. Dagegen können minimal dislozierte Längsfraktu- me des Kniegelenks zeigt zwei sklerotische, abgerundete Frag-
ren der Patella sehr gut und sicherer konservativ behan- mente im oberen lateralen Quadranten der Patella. Dies ist das
delt werden, da die Retinakula in der Regel erhalten sind. typische Bild einer Patella tripartita mit zwei sekundären, über
Diese Frakturen betreffen häufig den lateralen Anteil der eine Synchondrose mit dem Hauptfragment der Patella verbun-
Patella mit einer geringen Gelenkbeteiligung; typischer- denen, Ossifikationszentren.
weise besteht keine Kontinuitätsunterbrechung des Knie-
streckapparats. Daher ist hier die Indikation zur konser-
vativen Therapie großzügiger zu stellen. Extraartikuläre
Frakturen mit intaktem Streckapparat können frühfunk-
Patellafrakturen 719

tionell mit einem unlimitierten Bewegungsausmaß sehr Femurfrakturen) besteht ebenfalls eine Operationsindika-
gut konservativ behandelt werden. Dagegen wird bei dis- tion, um eine frühfunktionelle Übungsbehandlung zu er-
lozierten intraartikulären Frakturen oder bestehendem möglichen (Abb. 27.3). Trotz erhaltener Kontinuität ist
Streckdefizit ein operatives Vorgehen empfohlen. Weitere auch bei chondralen oder osteochondralen Frakturen
Indikationen zur konservativen Therapie umfassen die eine operative Versorgung indiziert (50).
traumatische Separation einer Patella bipartita sowie Ziele der operativen Therapie umfassen die Kontinui-
Stressfrakturen der Patella (50). tätswiederherstellung des funktionellen Streckapparats,
die stufenfreie Reposition der Gelenkfläche sowie eine
Rehabilitation möglichst stabile Fixierung zur frühfunktionellen Nach-
behandlung zum Erhalt der Gelenkfunktion (51). Grund-
Das Kniegelenk wird in einer Orthese in seinem Bewe- sätzlich stehen 3 verschiedene Operationsverfahren zur
gungsausmaß limitiert und für 6 Wochen an Unterarm- Auswahl: die offene Reposition und innere Fixierung,
gehstützen mit 15 kg teilbelastet. In den ersten 3 Wochen die partielle Patellektomie mit Rekonstruktion der Seh-
wird das Bewegungsausmaß für die Extension/Flexion nenkontinuität und die Patellektomie. Primäre Patellekto-
auf 0 – 0 – 30° begrenzt, in den nächsten 3 Wochen auf mien sind nur selten indiziert, da meist zumindest ein
0 – 0 – 60°. Danach erfolgt die Freigabe des vollständigen Teil der Patella erhalten werden kann. Bei Zertrümme-
Bewegungsausmaßes und die schrittweise Belastungs- rung des größtenteils extraartikulären distalen Pols wird
steigerung bis zum vollen Körpergewicht. Zur zeitnahen im Allgemeinen eine Teilpatellektomie mit transossärer
Erkennung sekundärer Dislokationen sind regelmäßige Refixation der Patellarsehne durchgeführt. Hierdurch
röntgenologische Verlaufskontrollen erforderlich (50). kann in diesen Fällen eine im Vergleich zu einer Fraktur-
Mehrfragmentfrakturen der Patella stellen grundsätz- stabilisierung sicherere Rekonstruktion und eine schnel-
lich eine Operationsindikation dar, allerdings kann bei lere Rehabilitation erreicht werden. Gelegentlich werden
ausgeprägten Trümmerzonen die konservative Therapie beide Verfahren kombiniert und eine einfachere Fraktur
vorteilhafter sein (Abb. 27.4; 3). Solche Frakturen sind der proximalen Patella fixiert, während die Trümmer-
meist durch ein direktes Hochenergietrauma verursacht, fragmente des distalen Pols entfernt werden.
bei dem der Streckapparat erhalten bleibt. Nach einer Im Allgemeinen wird eine operative Therapie inner-
kurzen Immobilisierung können sie zügig mit schrittwei- halb der 6-Stunden-Grenze angestrebt; ist diese nicht
se steigendem Bewegungsausmaß funktionell behandelt möglich, erfolgt eine sekundäre Versorgung nach Kon-
werden. ditionierung der Weichteile (52). Bei offenen Frakturen
Fehlende Gehfähigkeit, ein deutlich erhöhtes Operati- besteht eine Notfallindikation.
onsrisiko oder die Ablehnung der Operation sind weitere
mögliche Indikationen zur konservativen Therapie, die 27
Operative Therapie
nach kurzer Immobilisierung zur Schmerzkontrolle als
symptomadaptierte Übungsbehandlung erfolgt. Bei kon- Anatomie
servativer Therapie kann eine suboptimale Kniefunktion
resultieren (4). In solchen Situationen kann eine abnehm- Die Patella besitzt eine annähernd dreieckige Form mit
bare und arretierbare Orthese, die das Kniegelenk bei einer nach kaudal ausgerichteten Spitze. Drei Viertel der
Bedarf in Streckung sichern kann, hilfreich sein. Bei ste- proximalen Gelenkfläche der Patella sind mit Gelenk-
hendem Patienten wird durch Arretierung der Orthese knorpel bedeckt; der distale Pol liegt dagegen extraarti-
das Gehen ermöglicht. Zum Sitzen werden zwei stufen- kulär. Ein prominenter längsverlaufender Grat am Über-
flexible Sperren am Scharnier gelöst und damit eine nor- gang vom medialen zum mittleren Drittel der Patella un-
male Sitzposition ermöglicht. terteilt die Gelenkfläche in eine mediale und laterale Fa-
cette, die jeweils in einen oberen, mittleren und unteren
Anteil eingeteilt werden. Ein zweiter, kleinerer Grat über
Indikationen zur operativen Therapie
der medialen Patella begrenzt die sogenannte Odd-Facet-
Aufgrund der Größe ihrer Knorpelfläche erfolgt die Be- te. Verschiedene morphologische Variationen der Patella
handlung dislozierter Patellafrakturen analog der Thera- sind beschrieben und klassifiziert (5); diesbezüglich wird
pie dislozierter Gelenkfrakturen anderer Lokalisation. auf die entsprechende Literatur verwiesen.
Frakturen mit einer Inkongruenz der Gelenkfläche Die Patella besitzt eine komplexe Blutversorgung über
> 2 mm sollten operativ reponiert und stabilisiert wer- ein zirkuläres arterielles Gefäßnetz, sodass die Blutver-
den. Allerdings kann es schwierig sein, Gelenkstufen sorgung der knöchernen Fragmente selbst bei Trümmer-
von 2 mm im Röntgenbild zu erkennen. Auch Patellafrak- frakturen erhalten bleibt. Am Rete articulare genus sind
turen mit einer Kontinuitätsunterbrechung des Knie- die Aa. superiores und inferiores aus der A. poplitea, die
streckapparats erfordern, unabhängig vom Ausmaß der A. genus descendens der A. femoralis sowie die Aa. recur-
Dislokation, eine operative Therapie zur Wiederherstel- rentes der A. tibialis anterior und der A. tibialis posterior
lung der Kniestreckung. Beim Vorliegen knienaher Be- beteiligt.
gleitfrakturen (z. B. Tibiakopffrakturen, suprakondyläre
720 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

a b

Abb. 27.6 b Darstellung des Kniestreckapparats.


a Zur Operation vorbereitetes Bein eines Patienten: Die Fraktur
der Patella, die Quadrizeps- und die Patellarsehne, sowie die
beabsichtige mediane Schnittführung sind angezeichnet.

Operationstechniken geometrie und den Weichteilverhältnissen. Eine Stabili-


sierung mittels Zuggurtungsosteosynthese ist nur bei
Der Patient wird in Rückenlage bei 20°-Beugung des Querfrakturen und einer stabilen Reposition erfolgreich.
Kniegelenks auf einem strahlendurchlässigen Operations- Bei ausgeprägter Trümmerfraktur ist dagegen eine Zug-
tisch gelagert; durch Unterlagerung der ipsilateralen gurtungsosteosynthese nicht möglich; hier müssen die
Hüfte mit einem kleinen Kissen wird die Patella nach Trümmerfragmente entweder entfernt oder mittels
ventral ausgerichtet. Nach optionaler Anlage einer Blut- Äquatorialcerclage fixiert werden.
sperre am proximalen Oberschenkel erfolgt die Desinfek- Nach Ausräumung des Hämatoms erfolgt zunächst die
tion und sterile Abdeckung der unteren Extremität. Der Identifizierung der Fragmente, die zur Inspektion der in-
Zugang erfolgt über eine mediane, circa 6 cm proximal traartikulären Oberfläche vorsichtig unter Erhalt des
27 der Patella nach distal bis zur Tuberositas tibiae reichen- Weichteilverbunds disloziert und distrahiert werden;
de Längsinzision (Abb. 27.6 a). Durch diese Schnittfüh- hierzu wird üblicherweise das größte Fragment um 90°
rung wird eine gute Übersicht über die Patella sowie die rotiert (Abb. 27.7). Dies erlaubt die Inspektion des Knie-
Retinakula ermöglicht und eine spätere Implantation binnenraums, wie beispielsweise das Erkennen und die
einer Endoprothese nicht beeinträchtigt. Alternativ kann Therapie begleitender artikulärer Impaktionsverletzun-
eine Querinzision über der Patella bzw. ein lateraler pa- gen des distalen Femur. Ebenso ist auf das Vorliegen os-
rapatellarer Hautschnitt gewählt werden (50). Bei offenen teochondraler Fragmente zu achten; die häufig frei auf-
Frakturen erfolgt der Zugang unter Einbeziehung der Ver- tretenden Knochen-Knorpel-Fragmente müssen refixiert
letzungswunde; bei ggf. erforderlichen Schnitterweite- oder entfernt werden.
rungen nach proximal und distal sind spitzwinklig zulau- Nach Spülung sowie Identifizierung und Reinigung der
fende Winkel mit dünnem Hautlappen zu vermeiden. Das Frakturfragmente erfolgt die Rekonstruktion und Stabili-
Subkutangewebe wird proximal bis zur Quadrizepssehne sierung der Gelenkfläche. Während sehr kleine Knochen-
und distal bis zur Patellarsehne gespalten. Das Ausmaß fragmente verworfen werden können, sollten größere os-
der Darstellung der medialen und lateralen Retinakula ist teochondrale Fragmente erhalten werden. Sollte eine
abhängig vom Vorliegen einer Ruptur (Abb. 27.6 b). Nach weitere Darstellung der retropatellaren Gelenkfläche er-
Darstellung der Fraktur ist über das weitere Vorgehen zu forderlich sein, kann die Patella durch eine laterale Ar-
entscheiden: innere Fixierung, partielle oder totale Pa- throtomie mit Längsinzision im Bereich des lateralen Re-
tellektomie. tinakulums um 90° evertiert werden (6). Zur Darstellung
von Trümmerfrakturen der Patella wurde von Berg alter-
nativ eine Osteotomie der Tuberositas tibiae beschrieben
Offene Reposition und innere Fixation
(7), die mit einer oszillierenden Säge durchgeführt wird.
(Video 27-1, DVD 3)
Das osteotomierte Fragment ist üblicherweise 2 cm breit,
Die operative Stabilisierung der Patellafrakturen erfolgt 4 cm lang und 1,5 cm dick und kann zur Eversion der
in der Regel durch eine Kombination aus Zuggurtung, Patella medial abgeklappt werden. Nach Exploration er-
Cerclagedrähten und/oder interfragmentären Schrauben. folgt die Refixation der Tuberositas mit einer 6,5-mm-
Die Wahl des Verfahrens ist abhängig von der Fraktur-
Patellafrakturen 721

a, b
d

Abb. 27.7 Stabiles osteochondrales Fragment. c Entsprechend der Frakturgeometrie anatomiegerechte Repo- 27
a Inzision zur Darstellung des Kniestreckapparats. sition des Fragments.
b Eversion der Frakturfragmente zur Inspektion der Gelenkflä- d Stabilisierung durch Kompression zwischen den beiden
che. Hierbei Identifizierung eines einzelnen Knorpel-Knochen- Hauptfragmenten. Die Platzierung der Kirschner-Drähte erfolgt
Fragments. möglichst nah der Oberfläche (anteriore Patella).

Spongiosazugschraube oder einer 4,5 mm bikortikalen ten hierbei Schrauben mit durchgehendem Gewinde ein-
Schraube mit durchgehendem Gewinde (7). gesetzt werden (Abb. 27.8). Obwohl auch bioresorbier-
Ist das osteochondrale Fragment nach Reposition stabil bare Schrauben verwendet werden können, werden von
im Verbund eingepasst, ist keine Fixierung erforderlich, den Autoren Metallschrauben aufgrund der höheren Prä-
da die Stabilisierung durch Kompression der Hauptfrak- zision beim Einbringen präferiert. Die Fixierung koronar
turfragmente erfolgt (Abb. 27.7). Bei nur instabil repo- dislozierter Fragmente erfolgt durch rechtwinklig zur Ge-
niertem Knochen-Knorpel-Fragment muss dagegen eine lenkfläche platzierte Schrauben; hierbei ist auf ein aus-
Schraubenfixierung erwogen werden. Dazu werden die reichendes Versenken der Schrauben unter Knorpel-
instabilen Fragmente zunächst an das Hauptfragment re- niveau zu achten, um eine Schädigung der Gelenkfläche
poniert und ggf. mit dünnen Kirschner-Drähten temporär zu vermeiden. Sagittal verlaufende osteochondrale Frak-
fixiert (Abb. 27.8). Zur Vermeidung einer postoperativen turen werden ebenfalls mit Schrauben stabilisiert; die
Dislokation müssen die Fragmente durch Schrauben mit Platzierung der Schraube erfolgt hier jedoch parallel zur
kleinem Durchmesser rigide fixiert werden. Hierzu wer- Gelenkfläche im spongiösen Knochen.
den durchbohrte 3,0-mm-Kleinfragmentschrauben über Zur Rekonstruktion einer Mehrfragmentfraktur wird
die Kirschner-Drähte eingebracht. Zur Fixierung sehr diese durch schrittweises Fixieren der Hauptfragmente
kleiner Fragmente können 2,0-mm-Minifragmentschrau- zunächst in das Muster einer einfachen Querfraktur über-
ben verwendet werden. Die Fixierung durch direkt in das führt. Dazu werden kleinere Frakturfragmente schritt-
freie Knochen-Knorpel-Fragment eingebrachte Schrau- weise an größere Fragmente reponiert und fixiert, bis
ben besitzt die größte Stabilität; statt Zugschrauben soll- sich das Muster einer Querfraktur mit zwei Fragmenten
722 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Abb. 27.8 Instabiles osteochondra-


les Fragment.
a Temporäre Fixation mit einem
Kirschner-Draht.
osteochondrale Fragmente b Stabilisierung durch eine Schrau-
fixiert be mit durchgehendem Gewinde.
Patellarückfläche
c Stabilisierung der Querfraktur
mittels Zuggurtungsosteosynthese.

a
b

27

Abb. 27.10 Zuggurtungsosteosynthese bei Querfraktur der


Patella: Retention der Reposition mit spitzen Repositionszan-
gen während des Einbringens zweier Kirschner-Drähte von dis-
Abb. 27.9 Intraoperatives Röntgenbild bei operativer Versor- tal nach proximal.
gung einer Patellaquerfraktur: Einbringen von zwei Kirschner-
Drähten unter Retention der korrekten Frakturreposition mit
einer Repositionszange.

ergibt, die dann mittels Zuggurtungsosteosynthese stabi- umgewandelt, weshalb die Stabilität der rekonstruierten
lisiert wird; dies ist bei der Platzierung der Schrauben zu Fragmente diesen Kompressionskräften standhalten kön-
berücksichtigen. Durch die Zuggurtung werden die Zug- nen muss. Ist eine solch stabile Rekonstruktion nicht
kräfte des Streckapparats bei Beugung in Druckkräfte möglich, sollte auf eine Zuggurtung verzichtet und eine
Patellafrakturen 723

Stabilisierung der Mehrfragmentfraktur mittels Äquato- gen von Nähten durch die Patella wurde von Ong und
rialcerclage erwogen werden. Sherman die Verwendung eines vorderen Kreuzbandziel-
Zur abschließenden Stabilisierung der Querfragmente geräts beschrieben (8).
mittels Zuggurtungsosteosynthese werden das proximale Die Kirschner-Draht-Enden werden mit einem achter-
und das distale Patellafragment aneinander reponiert tourig geführten 1,0- bis 1,2-mm-Cerclagedraht um-
und mit einer spitzen Repositionszange retiniert schlungen (Abb. 27.12). Der Draht ist hierbei unmittelbar
(Abb. 27.9). Gelegentlich sind zum sicheren Halten der am Knochen einzubringen, um ein Durchschneiden der
Frakturreposition zwei Repositionszangen erforderlich. Sehnen und eine Verminderung des Zuggurtungseffekts
Eine Repositionskontrolle anhand der Patellavorderfläche durch Nachgeben des Drahtes zu vermeiden (53). Das
kann irreführend sein, da trotz anatomischer Reposition Einbringen des Drahtes durch die Quadrizepssehne wird
der Vorderfläche ein Gelenkspalt verbleiben kann. Das durch eine Hohlnadel erleichtert, die knapp oberhalb des
Repositionsergebnis ist daher durch Inspektion und digi- oberen Patellapols unter den Kirschner-Draht-Enden quer
tale Palpation der retropatellaren Gelenkfläche zu über- durch die Quadrizepssehne geführt wird; statt der Hohl-
prüfen und unter Bildwandlerkontrolle zu dokumentie- nadel kann alternativ auch ein Angiografiekatheter ver-
ren. Nach stufenfreier Reposition wird ein 2,0-mm- wendet werden. Nach Legen einer Achtertour über die
Kirschner-Draht vom distalen Pol her in das laterale Drit- Patellavorderfläche wird ein Ende des Drahtes am kau-
tel der Patella eingebracht und proximal durch den kra- dalen Pol knochennah um die distalen Kirschner-Draht-
nialen Pol ausgeleitet (Abb. 27.10). Nach Freilegen der Enden geführt und anschließend die Enden schrittweise
Austrittsstelle durch lokale Längsinzision der Quadrizeps- gespannt. Im Vergleich zu einem einseitigen Spannen
sehne über dem Kirschner-Draht wird dieser ca. 5 cm wird bei Anlage zweier gegenüberliegender Drahtzwirbel
weiter vorgebracht und anschließend in analoger Weise (Abb. 27.13) eine höhere Kompressionskraft und Stabilität
ein zweiter, parallel verlaufender Kirschner-Draht in das erreicht (54); gleichzeitig ist jedoch das Risiko einer
mediale Drittel der Patella platziert (Abb. 27.11). Aus bio- Weichteilirritation erhöht. Beim Spannen ist darauf zu
mechanischen Gründen sollten die Kirschner-Drähte zur achten, dass sich beide Drahtenden umeinander wickeln;
Verstärkung der Zuggurtungseffekte möglichst nah an die exakte Anlage des Drahtzwirbels wird durch ein
der Oberfläche (anteriore Patella) liegen (Abb. 27.11; gleichmäßiges Hochziehen mit gleichzeitigem Verzwir-
53); abhängig von der Frakturgeometrie ist dies jedoch beln erleichtert. Nach Kürzen auf etwa 1 cm Länge erfolgt
nicht immer möglich. Bei Mehrfragmentfrakturen müs- das Umbiegen der Drahtzwirbel und die Impaktierung in
sen sie dagegen zur Vermeidung einer sekundären Frag- die Weichteile. Zur Limitierung einer Cerclagewanderung
mentdislokation möglichst gelenknah eingebracht wer- sollten auch die Kirschner-Draht-Enden umgebogen und
den, obwohl dadurch der Zuggurtungseffekt geschwächt versenkt werden (55). Dazu werden die Kirschner-Draht-
wird (50, 53). Obwohl ein Zielgerät zur Verfügung steht, Enden in analoger Weise gekürzt, mit einer Flachzange 27
erfolgt das Vorbohren der Kirschner-Drähte oft in Frei- umgebogen und nach dorsal gedreht, sodass sich die um-
handtechnik. Zur Anlage von Bohrkanälen und Einbrin- gebogenen Enden über dem Zuggurtungsdraht befinden

Abb. 27.12 Anlage des achtertourig geführten Zuggurtungs-


drahts: Nach knochennahem Umschlingen der distalen Kirsch-
ner-Draht-Enden und Legen einer Achtertour wird der Cercla-
gedraht mithilfe eines quer durch die Quadrizepssehne einge-
Abb. 27.11 Intraoperatives Röntgenbild zur Lagekontrolle der
brachten Angiografiekatheters unter den proximalen Kirschner-
eingebrachten Kirschner-Drähte.
Draht-Enden herumgeführt.
724 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

a b

Abb. 27.13 Anlegen und Spannen der beiden gegenüberlie- a Schematische Darstellung.
genden Drahtzwirbel. b Intraoperatives Röntgenbild.

27 a b

Abb. 27.14 Gekürzte, umgebogene, gedrehte und impaktier- a Schematische Darstellung


te Kirschner-Draht-Enden. b Intraoperatives Röntgenbild.

und diesen nach Impaktierung im Knochen in der Tiefe von Weichteilen. Bei Belastung des Cerclagedrahts wäh-
fixieren (Abb. 27.14). Die Stabilität der Osteosynthese rend der Kniebeugung führt dies zu einer Spaltbildung,
wird durch vorsichtiges Beugen des Kniegelenks bis 90° da der Draht entlang der Kirschner-Drähte gleiten kann,
geprüft; bei ausreichender Stabilität und korrekter Im- bis er am Knochen anstößt (9, 10). Bei Knieflexion zwi-
plantatlage kommt es nicht zur Dislokation. Nach Adap- schen 30° und 60° lastet die größte Spannung auf diesem
tation rupturierter Retinakula durch nichtresorbierbare Osteosyntheseverfahren; daher ist in diesem Bereich die
Einzelknopfnähte, Blutstillung, Spülung und Einlage Gefahr einer Frakturdislokation am größten (11). Zur Cer-
einer Redondrainage erfolgt der schichtweise Wundver- clage wird überwiegend Edelstahldraht verwendet; der
schluss. Einsatz geflochtener Drähte (Kabelsysteme) bietet jedoch
Die beschriebene modifizierte Zuggurtungsosteosyn- deutliche Vorteile, wie u. a. gleichmäßigere Spannung,
these ist die am weitesten verbreitete Technik und gilt geringere Dislokationsrate und bessere Handhabung (50,
als „Methode der Wahl“ zur Behandlung der dislozierten 57).
Patellafraktur (Abb. 27.15; 50, 52, 56). Ihre Effektivität ist Einfache Patellaquerfrakturen können alternativ auch
in biomechanischen und klinischen Studien belegt, die durch eine modifizierte Zuggurtungsosteosynthese mit
Durchführung ist jedoch technisch anspruchsvoll. Der durchbohrten Kleinfragmentschrauben stabilisiert wer-
häufigste Fehler ist die falsche Platzierung des Cercla- den (Abb. 27.16). Aufgrund der im Vergleich zur alleini-
gedrahts. Wird dieser an den Patellapolen nicht knochen- gen Zuggurtung größeren biomechanischen Stabilität ist
nah und nicht posterior der Quadrizeps- bzw. der Patel- diese Kombination inzwischen das Verfahren der Wahl
larsehne eingebracht, kommt es zu einer Interposition bei dieser Frakturform (11, 50), jedoch technisch an-
Patellafrakturen 725

Abb. 27.15 Zuggurtungsosteosynthese bei Patella-


querfraktur.
a Die a.–p. und seitlichen Röntgenaufnahmen des
Kniegelenks zeigen eine Patellaquerfraktur. Trotz nur
geringer Spaltbildung war ein aktives Anheben des
Beines nicht möglich; des Weiteren bestand eine
Stufenbildung der Gelenkfläche.
b Röntgenverlaufskontrollen nach innerer Fixierung
mittels herkömmlicher Achtertour-Zuggurtungsosteo-
synthese.

27

spruchsvoller (53). Nach Reposition der Querfraktur ana- versagen mit sekundärer Frakturdislokation zu vermei-
log der oben beschriebenen Technik werden zwei 1,25- den.
mm-Führungsdrähte unter Durchleuchtungskontrolle pa- Nach sicherer Positionierung der Schrauben wird ein
rallel in Längsrichtung eingebracht. Knapp vor Austritt ausreichend langer 1,2-mm-Cerclagedraht von distal zu-
aus dem proximalen Patellapol erfolgt die Längenmes- nächst durch die erste und anschließend durch die zweite
sung mithilfe des aufsetzbaren Längenmessgeräts. Durch Schraube in Richtung Oberpol geführt. Danach erfolgt das
eine um einige Millimeter kürzere Schraubenlänge wird Spannen der achtertourigen Cerclage durch die oben be-
ein Überstehen der Schraubenspitze vermieden. schriebene Anlage zweier Drahtzwirbel, die in diesem
Nach Vorbringen der Führungsdrähte durch den pro- Fall jedoch distal und proximal lokalisiert sind. Alternativ
ximalen Patellapol und Längsinzision der Quadrizepsseh- zum Cerclagedraht kann auch eine dicke, nichtresorbier-
ne über den Drahtenden erfolgt das Überbohren der Füh- bare Kordel verwendet werden. Werden nichtdurchbohr-
rungsdrähte mit dem durchbohrten Bohrer. Nach Län- te Schrauben eingesetzt, wird der Cerclagedraht proximal
genmessung werden 4 – 6 mm kürzere durchbohrte dorsal der Schrauben quer durch einen transossären
Kleinfragmentschrauben mit Teilgewinde über die Füh- Kanal geführt; distal kann das Herumführen um die ver-
rungsdrähte eingebracht; sie ermöglichen eine interfrag- senkten Schraubenköpfe erschwert sein (50, 54).
mentäre Kompression. Hierbei ist darauf zu achten, dass Diese Technik hat sich insbesondere bei Patienten mit
die Schrauben den proximalen Patellapol nicht über- guter Knochenqualität und damit sicherem Halt der
ragen, um eine Durchtrennung des Cerclagedrahts durch Schrauben bewährt. Mehrere biomechanische Studien
das scharfe Schraubengewinde und damit ein Implantat- konnten zeigen, dass die Kombination mit Schrauben
die Stabilität und Festigkeit, vor allem am Ende der Stre-
726 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Abb. 27.16 Modifizierte Zuggurtungsosteosynthese


mit durchbohrten Schrauben (Fall von Dr. med.
Steven Benirschke).
a Seitliche Röntgenaufnahme des Kniegelenks mit
Nachweis einer dislozierten Querfraktur der Patella.
b Postoperative Aufnahmen nach offener Reposition
und innerer Fixierung mittels modifizierter Zuggur-
tungsosteosynthese mit zwei durchbohrten Schrau-
ben.

27

a
b
Abb. 27.17 Plattenosteosynthese bei Patellatrümmerfraktur
(Fall von Dr. med. Steven Benirschke).
a Röntgenaufnahmen des Kniegelenks im a.–p. und seitlichen
Strahlengang mit Nachweis einer Trümmerfraktur der Patella
sowie einer Femurschaft- und Tibiakopffraktur.
b Röntgenkontrolle nach innerer Fixierung der Frakturen: Die
Stabilisierung der Patellatrümmerfraktur erfolgte durch eine
Kombination aus zwei rechtwinklig zur primären Frakturlinie
eingebrachten durchbohrten Schrauben, einer Achtertour-
Drahtcerclage und einer am medialen Rand angelegten Platte.
Die Minifragment-Halbrohr-Platte wurde gekürzt, an den Enden
umgebogen und in die Patella impaktiert. Zur Rekonstruktion
der Gelenkfläche wurden mehrere querverlaufende 2,0-mm-
Schrauben in die Patella eingebracht.
c Merchant-Aufnahme der rekonstruierten Patella. c
Patellafrakturen 727

a b

Abb. 27.18 Operative Versorgung einer Trümmerfraktur am a Röntgenaufnahmen des Kniegelenks im a.–p. und seitlichen
distalen Patellapol durch Exzision der Fragmente und Rekon- Strahlengang mit dislozierter Fraktur des distalen Patellapols.
struktion der Sehne. b Röntgenaufnahmen nach Resektion des kaudalen Pols und
Sehnenrekonstruktion.

ckung, erhöht (9, 11). Dies ermöglicht bei jüngeren Pa- der verbleibenden Restpatella und dem klinischen Resul-
tienten mit guter Knochenqualität eine frühere Freigabe tat keine Korrelation zu bestehen scheint (14), sollte
der Beweglichkeit. Bei älteren Patienten und Trümmer- möglichst viel Patella erhalten werden (52); seitens der
frakturen ist dagegen eher die modifizierte Zuggurtungs- Autoren wird daher immer der Erhalt zumindest eines
technik geeignet (12, 13). großen Patellafragments angestrebt. Bei einer Polresekti-
Ist bei Trümmerfraktur eine Rekonstruktion von zwei on werden die Polfragmente aus der Sehne präpariert
großen, stabilen Fragmenten nicht möglich oder liegt und entfernt; hierbei ist möglichst viel Sehnengewebe
eine zusätzliche Trümmerzone in der Randzone der Pa- zu erhalten. Zur Reinsertion der verbleibenden Sehne
tella vor, kann die Stabilität durch eine zusätzliche Äqua- werden in dieser zunächst Nähte in Sehnennahttechnik
torialcerclage oder -platte erhöht werden (Abb. 27.17). nach Krakow verankert (S. 732); diese werden dann
Bei Frakturen des distalen Patellapols ist eine Augmenta- durch 4 in Längsachse der Restpatella mit einem 2,0- 27
tion der Osteosynthese durch eine temporäre patelloti- mm-Bohrer transossär angelegte Bohrlöcher geführt
biale Cerclage (McLaughlin-Cerclage) als effektive Thera- und über der Patella geknotet. Hierbei ist auf eine korrek-
pie beschrieben (58). te Länge der Patellarsehne entsprechend den Insall-Sal-
Dislozierte Längsfrakturen erfordern keine Zuggur- vati-Kriterien zu achten (14, 15).
tungsosteosynthese, da sie im Gegensatz zu Querfraktu- Alternativ können auch nur der Gelenkknorpel entfernt
ren bei Knieflexion keinen Zugkräften ausgesetzt sind. und die kortikalen Fragmente im Sehnenverbund belas-
Bei den seltenen, isolierten Längsfrakturen ist die alleini- sen werden. Der Vorteil dieser Technik ist die durch eine
ge Zugschraubenosteosynthese ausreichend. Nach Längs- knöcherne Heilung erreichte erhöhte Stabilität mit ver-
zugang über der Patella mit Darstellung der Fraktur und ringerter Gefahr einer sekundären Dislokation. Begleiten-
Ausräumung des Hämatoms werden zunächst vorliegen- de Verletzungen der Retinakula müssen operativ rekon-
de osteochondrale Fragmente in oben beschriebener struiert werden; die Rekonstruktion kann durch eine
Weise fixiert; danach die Hauptfragmente mit Repositi- temporäre patellotibiale Rahmencerclage durch Patella
onszangen reponiert und mit Zug- oder Stellschrauben und Tuberositas tibiae (McLaughlin-Cerclage) augmen-
stabilisiert. tiert werden (50). Letztlich kann die Kniestreckung auch
durch eine Anlagerung des M. vastus medialis obliquus
an die Patellarsehne verbessert werden (16).
Partielle Patellektomie mit Sehnenrekonstruktion
Ist eine Rekonstruktion und Stabilisierung bei massiver
Bei ausgeprägten Trümmerfrakturen der Patella ist eine Zertrümmerung der Patella nicht möglich, besteht die
partielle Patellektomie zu erwägen (50). Abhängig von Indikation zur totalen Patellektomie. Nach Ausschälen
der Frakturgeometrie kann eine Resektion des proxima- der Patella wird der Streckapparat durch Naht der Qua-
len oder des distalen Patellapols erforderlich sein; am drizeps- und der Patellarsehne (50) bzw. durch eine
häufigsten ist der kaudale Pol betroffen (Abb. 27.18). Bei Dopplung der präpatellaren Faserzüge rekonstruiert;
zentraler Trümmerzone kann diese reseziert und die Pol- durch den verringerten Hebelarm resultiert jedoch ein
fragmente unter Verkürzung der Patella ostesynthetisch signifikantes Streckdefizit und eine Kraftminderung des
rekonstruiert werden (52). Obwohl zwischen der Größe M. quadrizeps (17). Zur Wiederherstellung einer adäqua-
728 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

ten Spannung des Streckapparats ist eine plastische Re- eine übungsstabile Beugungsfähigkeit von 60°– 90° er-
konstruktion erforderlich; hierzu zählt u. a. die Augmen- laubt werden. Eine intraoperative Funktionsprüfung
tation durch die Umkippplastik der Quadrizepssehne nach Fixation kann hierbei helfen, das initial postoperativ
nach Miyakawa (17, 27). Neben der Spannung des Streck- erlaubte Bewegungsausmaß festzulegen. Das Kniegelenk
apparats bei gestrecktem Kniegelenk sollte die Rekon- wird in einer Orthese in seinem Bewegungsausmaß limi-
struktion auch eine spannungsfreie Beugefähigkeit bis tiert und für 6 Wochen an 2 Unterarmgehstützen mit
90° erlauben. Aufgrund der im Verlauf auftretenden de- 15 kg teilbelastet. In den ersten 3 Wochen wird das Be-
generativen Veränderungen des retropatellaren Gleit- wegungsausmaß für die Extension/Flexion in der Regel
lagers erreicht die Frühpatellektomie im Vergleich zur auf 0 – 0 – 60° begrenzt, in den nächsten 3 Wochen auf
Spätpatellektomie bessere Ergebnisse (50, 59). 0 – 0 – 90°. In Abhängigkeit vom knöchernen Konsolidie-
rungsgrad erfolgt danach die Freigabe des vollständigen
Rehabilitation Bewegungsausmaßes und die schrittweise Belastungs-
steigerung bis zum vollen Körpergewicht. Zur Erkennung
Ziel sowohl der Osteosyntheseverfahren als auch der Re- sekundärer Dislokationen und zur Beurteilung der zeit-
konstruktionen nach partieller oder totaler Patellektomie gerechten Frakturheilung sind regelmäßige röntgenologi-
ist die frühfunktionelle Nachbehandlung. Schmerz- und sche Verlaufskontrollen erforderlich.
wundadaptiert wird das Kniegelenk bereits ab dem ers- Bei Frakturen mit ausgeprägter Zertrümmerung, Insta-
ten postoperativen Tag auf einer CPM-Motorschiene bilität oder kritischen Weichteilen sollte das postoperati-
(CPM = Continuous Passive Motion) bewegt. Abhängig ve Protokoll modifiziert und angepasst werden.
von der Stabilität und den Wundverhältnissen sollte

Tipps und Tricks


■ Nichtdislozierte Patellafrakturen mit intaktem Knie- ■ Im Vergleich zu einem einseitigen Spannen des Cercla-
streckapparat können konservativ-funktionell therapiert gedrahts wird durch die Anlage zweier gegenüberliegen-
werden; die erhaltene Streckfähigkeit ist zu überprüfen. der Drahtzwirbel eine höhere Kompressionskraft und
■ Bei offenen Frakturen erfolgt der Zugang unter Einbezie- Stabilität erreicht.
hung der Verletzungswunde; bei ggf. erforderlichen ■ Bei einer Trümmerfraktur des distalen Patellapols wird
Schnitterweiterungen nach proximal und distal sind im Allgemeinen eine partielle Patellektomie durch-
spitzwinklig zulaufende Winkel mit dünnem Hautlappen geführt. In diesen Fällen lässt sich durch die Refixation
27 zu vermeiden. der Patellarsehne an das proximale Patellafragment eine
■ Ist zur Refixation osteochondraler Fragmente eine wei- im Vergleich zur Osteosynthese stabilere Rekonstruktion
tere Darstellung der retropatellaren Gelenkfläche erfor- erreichen.
derlich, kann die Patella durch eine laterale Arthrotomie ■ Das Einbringen des Cerclagedrahts durch die Quadri-
mit Längsinzision im Bereich des lateralen Retinakulums zepssehne wird durch eine Hohlnadel erleichtert, die
um 90° evertiert werden. knapp oberhalb des oberen Patellapols unter den Kirsch-
■ Zur Vermeidung einer postoperativen Dislokation müs- ner-Draht-Enden quer durch die Quadrizepssehne ge-
sen osteochondrale Fragmente durch Schrauben mit führt wird. Statt der Hohlnadel kann alternativ auch ein
kleinem Durchmesser stabil fixiert werden; hierzu wer- Angiografiekatheter verwendet werden.
den durchbohrte 3,0-mm-Kleinfragmentschrauben über ■ Bei Verwendung einer modifizierten Zuggurtungsosteo-
die Kirschner-Drähte eingebracht. Zur Fixierung sehr klei- synthese mit durchbohrten Schrauben ist darauf zu ach-
ner Fragmente können 2,0-mm-Minifragmentschrauben ten, dass die Schrauben den proximalen Patellapol nicht
verwendet werden. überragen, um eine Durchtrennung des Cerclagedrahts
■ Eine Stabilisierung mittels Zuggurtungsosteosynthese ist durch das scharfe Schraubengewinde und damit ein Im-
nur bei Querfrakturen und einer stabilen Reposition er- plantatversagen mit sekundärer Frakturdislokation zu
folgreich. Durch die Zuggurtung werden die Zugkräfte vermeiden.
des Streckapparats bei Beugung in Druckkräfte umge- ■ Zur Vermeidung eines Streckdefizits ist nach Patellekto-
wandelt. Die Stabilität der rekonstruierten Fragmente mie die Wiederherstellung einer adäquaten Spannung
muss daher diesen Kompressionskräften standhalten des Streckapparats unerlässlich; dies erfordert eine plas-
können. tische Rekonstruktion.
Patellafrakturen 729

Neue Techniken Ergebnisse


Eine Osteotomie der Tuberositas tibiae bei 6 Patienten Bei Patellafrakturen mit minimaler Dislokation und intak-
mit massiver Trümmerfraktur und Beteiligung der Ge- tem Streckapparat werden nach konservativer Therapie
lenkfläche wurde von Berg beschrieben (7). Postoperativ sehr gute Ergebnisse berichtet (50). In einer Nachunter-
war allen Patienten eine sofortige kontinuierliche Knie- suchung von Bostrom an 282 Patienten mit einer Patella-
bewegung von 0°– 40° Beugung erlaubt. Beim Gehen war fraktur und einer Dislokation < 4 mm und/oder einer Ge-
für 4 Wochen eine Knieorthese in Streckstellung ange- lenkstufe < 3 mm zeigten 99 % der Patienten nach konser-
legt; während dieser Zeit war die Beugung auf maximal vativer Therapie ein gutes bis sehr gutes Ergebnis (3).
70° limitiert. Nach 4 Wochen war eine Zunahme des Be- Nach operativer Stabilisierung dislozierter Patellafrak-
wegungsumfangs und der Belastung erlaubt. Bei allen 6 turen werden in der Regel zufriedenstellende Ergebnisse
Patienten zeigte sich die Osteotomie der Tuberositas ti- berichtet (3, 9, 19 – 22); in einer neueren Nachunter-
biae 8 Wochen postoperativ ohne Implantatkomplikatio- suchung nach Zuggurtungsosteosynthese zeigte die
nen knöchern konsolidiert (7). Mehrzahl der Patienten dagegen sehr gute bis gute Ergeb-
In einer Nachuntersuchung von Veselko u. Kastelec bei nisse (62). Aufgrund nur kleiner Serien, nur einge-
Patienten mit einer Abrissverletzung des distalen Patella- schränkt vergleichbarer Patientenkollektive und unter-
pols wurden die Ergebnisse nach innerer Fixierung des schiedlicher Begriffsdefinitionen sind die Ergebnisse ein-
distalen Fragments mittels einer neuartigen Korbplatte zelner Studien zusammenfassend jedoch nur bedingt ver-
mit denen nach distaler Polresektion und Rekonstruktion allgemeinbar (50). Obwohl die Mehrzahl der Patienten
der Patellarsehne verglichen (18). Ihrer Hypothese nach den vollen Bewegungsumfang des Kniegelenks wieder-
würden der Erhalt und die sichere Fixation des kaudalen erlangen, wurde für Patellatrümmerfrakturen in mehre-
Pols eine frühe Bewegung erlauben, Probleme mit einer ren Studien eine Verschlechterung der Funktion mit Ver-
Patella baja vermeiden und zu besseren Ergebnisse füh- lust der vollen Knieextension und -flexion beschrieben
ren. Nach innerer Fixierung zeigten 10 von 11 Patienten (21 – 24). Anatomische Reposition und rigide innere Fi-
in der Langzeitbeobachtung einen regelrechten Patella- xierung sind mit besseren Ergebnisse assoziiert (19, 25),
stand; nach Rekonstruktion der Sehne nur 3 von 13 Pa- Frakturen mit Dislokation und/oder suboptimaler Fixati-
tienten. Eine Patella baja war signifikant mit einer on mit schlechteren. Zur Vermeidung eines frühen Im-
schlechten Funktion assoziiert (18). Obwohl diese Ergeb- plantatversagens ist eine rigide Fixierung durch eine op-
nisse auf einen Vorteil bei innerer Fixierung hinweisen, timale Operationstechnik entscheidend. Die stabile Re-
kann das Nachbehandlungsprotokoll zu einer Verzerrung konstruktion ermöglicht eine frühfunktionelle Therapie
der Ergebnisse mit schlechterem Ergebnis nach Rekon- mit verbesserter Kniebeweglichkeit und Quadrizepskraft.
struktion der Sehne geführt haben, da diese Patienten Eine verbleibende Schwäche der Quadrizepsmuskulatur 27
postoperativ immobilisiert waren; daher sind diesbezüg- kann zu Schmerzen im anterioren Kniebereich beitragen;
lich weitere Untersuchungen erforderlich. daher sollte die Rehabilitation des M. quadrizeps einen
Nach herkömmlicher Zuggurtungsosteosynthese der Schwerpunkt der Nachsorge darstellen. Zusammenfas-
Patella wurde ein Implantatversagen in 22 % der Fälle be- send ist die postoperative Physiotherapie individuell auf
obachtet (10). In einer kürzlich erschienenen biomecha- den Patienten, das Verletzungsmuster und die Stabilität
nischen Studie konnte gezeigt werden, dass eine horizon- der Fixation abzustimmen. Ein Therapieversagen nach
tal angeordnete Achtertourcerclage im Vergleich zur her- operativer Versorgung kann auch durch eine übermäßig
kömmlichen vertikalen Konstruktion mit einer größeren aggressive Rehabilitation, wie beispielsweise aktiver
Stabilität verbunden und die Häufigkeit einer Frakturdis- Kniestreckung in der frühen postoperativen Phase oder
lokation bei zyklischer Beanspruchung um 50 % reduziert fehlende Compliance des Patienten verursacht werden.
war (nichtpublizierte Daten, G.A. Brown, M.D., Ph.D.); Bei fehlender Compliance ist eine temporäre Gipsimmo-
eine klinische Bestätigung dieser Ergebnisse steht jedoch bilisation zum Schutz der Rekonstruktion zu erwägen;
noch aus. eine hiermit verbundene Gefährdung der funktionellen
In einer klinischen Studie von Friedl mit 49 Patienten Ergebnisse muss dabei akzeptiert werden.
wurden Patellafrakturen mittels eines Zuggurtungsnagel Bei nichtanatomischer Reposition resultiert eine Stö-
(XS-Nagel) osteosynthetisch stabilisiert. 69 % wiesen ein rung des patellofemoralen Alignments sowie eine Erhö-
exzellentes und 20,7 % ein gutes Ergebnis auf; nur bei 3 hung der Gelenkkontaktkräfte und damit letztendlich
Patienten kam es durch Drahtwanderungen zu einer eine posttraumatische Arthrose; für ein bestmögliches
Komplikation (60, 61). Ergebnis ist daher intraoperativ die anatomische Reposi-
tion mit rigider Fixation anzustreben. Zu beachten ist,
dass eine traumabedingte primäre Zerstörung des Ge-
lenkknorpels trotz anatomiegerechter Reposition und
idealer Stabilisierung ebenfalls eine posttraumatische Ar-
throse mit schlechtem Ergebnis verursachen kann. Im
730 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Vergleich zu geschlossenen sind offene Patellafrakturen die Gefahr eines freiliegenden Implantats; des Weiteren
mit eingeschränkten Ergebnissen assoziiert (23, 24 ). kann eine Wundinfektion zu einem Kniegelenksinfekt
In früheren Studien wurde über günstige Ergebnisse fortschreiten. Jede Wundkomplikation ist daher sorgfältig
nach Patellektomie berichtet und die Patellektomie als und engmaschig zu beobachten und bei Zunahme von
praktikable Therapie bei ausgeprägten Trümmerfraktu- Schmerz, Rötung oder Sekretion umgehend zu revidieren.
ren angesehen (1, 26, 27); diese Ergebnisse konnten al- Aufgrund der Gefahr einer begleitenden Kniegelenks-
lerdings in neueren Studien nicht reproduziert werden. infektion sollte gleichzeitig eine Inspektion und Spülung
Die unbefriedigenden Ergebnisse nach Patellektomie sind des Kniegelenks durchgeführt werden; dies erfolgt vor-
auf früharthrotische Veränderungen und auf die, in kli- zugsweise über eine laterale oder mediale Arthrotomie.
nischen Studien nachgewiesene, um ein Drittel vermin- Bei stabiler Osteosynthese wird ein Implantaterhalt bis
derte Kraft des M. quadrizeps zurückzuführen (17, 28); zur knöchernen Heilung angestrebt; bei instabiler Fixati-
die Reduktion der Muskelmasse weist hierbei auf irrever- on muss das Implantat entfernt werden. Nach radikalem
sible Veränderungen hin (17). Die Patellektomie wird Débridement, eventuellem Einbringen lokaler Antibioti-
daher heute von vielen nur als Rettungsoperation bei katräger (antibiotikaimprägnierte Vliese, Kugeln oder
massivster Zerstörung der Patella betrachtet. Ketten) und Einlage von Saugdrainagen erfolgt der
Die partielle Patellektomie ist dagegen ein praktikables schichtweise Verschluss der Wunde. Additiv wird mit
Therapieverfahren bei selektionierten Patienten mit einer empirischen intravenösen Antibiotikatherapie be-
Trümmerfrakturen des distalen Patellapols. In einer Stu- gonnen, die nach Erhalt des mikrobiologischen Keimbe-
die von Salzman et al. wurde eine im Vergleich zur ge- funds und der Resistenzbestimmung ggf. testgerecht
sunden Seite 85 %ige Kraft des M. quadrizeps berichtet; adaptiert werden muss; die Dauer der systemischen An-
77 % der Patienten zeigten gute bis sehr gute Ergebnisse tibiose wird sehr kontrovers diskutiert (s. Kap. 2). Physio-
(14). Durch transossäre Fixierung der Sehne am erhalte- therapie und Bewegungsübungen des Kniegelenks sind
nen proximalen Fragment wird das patellare Alignment bis zur Konsolidierung der Weichteilverhältnisse zu redu-
verbessert und die posteriore Verkippung des Fragments zieren oder auszusetzen.
verringert; dies soll abnorme Kontaktkräfte und langfris- Eine Lockerung des Implantats bei mangelnder Stabili-
tig degenerative Veränderungen reduzieren (21). Rerup- tät tritt nach einer neueren Studie in 22 % der Fälle auf
turen können das Ergebnis verschlechtern; zur Prophyla- (10). Das Implantatversagen ist damit die häufigste Kom-
xe ist eine sorgfältige Operationstechnik mit stabiler Re- plikation nach offener Reposition und innerer Fixation.
konstruktion erforderlich. Weitere mögliche Ursachen sind fehlende Patientencom-
pliance bzw. eine übermäßig aggressive Übungsbehand-
lung des Kniegelenks. Bei Redislokation der Fraktur bzw.
Komplikationen
27 Reruptur des Kniestreckapparats ist eine operative Revi-
Trotz zum Teil sehr guter bis guter Ergebnisse ist die sion mit erneuter offener Reposition und innerer Fixation
Komplikationsrate nach operativer Versorgung von Patel- erforderlich. Hierbei kommen die zuvor beschriebenen
lafrakturen hoch; in einer neueren Nachuntersuchung Verfahren und Prinzipien erneut zur Anwendung; die
von 50 Patienten mit Zuggurtungsosteosynthese wurden Frakturfixation kann jedoch weniger stabil sein und
Minor-Komplikationen in 50 % und Major-Komplikatio- eine verlängerte postoperative Immobilisation erfordern.
nen in 30 % berichtet (62). Als Frühkomplikationen treten Knieschmerzen sind nach einer Patellafraktur häufig
vor allem Wundinfektionen und Implantatlockerungen auftretende Beschwerden. Diese sind zum Teil auf eine
auf. Die Spätkomplikationen umfassen Pseudarthrosen, Schwäche des M. quadrizeps bei inadäquater Rehabilita-
Implantatversagen, Fehlheilungen, patellofemorale tion zurückzuführen. Zusätzlich können begleitend auf-
Schmerzen, Kniesteife mit ggf. begleitendenen Arthrose- tretende Anspannungen der Kniebeugemuskulatur den
zeichen oder die Weichteilirritation bei Auftragen der patellofemoralen Schmerz weiter verstärken. Die Stär-
Implantate. kung der Quadrizepsmuskulatur und die Dehnung der
Ein Bewegungsdefizit tritt in der Regel bei endgradiger Kniebeugemuskulatur besitzen daher in der postoperati-
Kniebeugung auf und ist meist asymptomatisch. Wird ven Rehabilitation einen hohen Stellenwert. Eine Patella
innerhalb von 3 Monaten postoperativ keine adäquate baja tritt nur selten auf; zur Wiederherstellung der kor-
Flexion erreicht, kann in seltenen Fällen eine Knieunter- rekten Position kann eine Osteotomie der Tuberositas ti-
suchung in Narkose oder ein arthroskopisches Débride- biae erforderlich werden (29).
ment erwogen werden. Die frühfunktionelle Übungs- Trotz anatomiegerechter Reposition kann die Knorpel-
behandlung des Kniegelenks bei sorgfältiger und eng- schädigung zu einer isolierten posttraumatischen patel-
maschiger postoperativer Nachkontrolle ist die wichtigste lofemoralen Arthrose führen. Diesbezüglich werden kon-
Prophylaxemaßnahme zur Vermeidung dieser Komplika- tinuierliche Kraft- und Dehnungsübungen unter Vermei-
tion. dung von Extrembelastungen empfohlen. Fahrradfahren
Die postoperative Infektion stellt einer der schwerwie- mit geringem Widerstand und gleichem Rhythmus stärkt
gendsten Komplikationen dar. Aufgrund der dünnen den M. quadrizeps und verringert den patellofemoralen
Weichteilbedeckung besteht bei einer Wunddehiszenz Schmerz. Additiv sind nichtsteroidale antiinflammatori-
Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats 731

sche Medikamente zur Reduktion der Schmerzsympto-


matik einzusetzen. Bei extremen, therapieresistenten
Dauerschmerzen ist eine Patellektomie zu erwägen. Eine
patellofemorale Arthroplastie wird dagegen überwiegend
als experimentell gewertet. Bei älteren Patienten ist ein
endoprothetischer Kniegelenksersatz zu diskutieren.

Verletzungen des
Kniegelenkstreckapparats
Verletzungen des Kniestreckapparats treten als Rupturen
der Quadrizepssehne oder der Patellarsehne auf; sie sind
wesentlich seltener als Frakturen der Patella. Patienten
mit Patellarsehnenruptur sind in der Regel jünger, Patien-
ten mit Quadrizepssehnenruptur im Mittel älter als 40
Jahre (30), und Männer sind deutlich häufiger betroffen
(63). Die Rupturen können durch direkte Traumata ver-
ursacht werden, indirekte Verletzungsmechanismen sind Abb. 27.19 Röntgenaufnahmen mit Nachweis einer Patella
jedoch wesentlich häufiger. Bei letzteren steht die plötz- alta bei einem Patienten mit akuter Patellarsehnenruptur.
liche exzentrische Überlastung des Streckapparats im
Vordergrund; gelegentlich liegt ein knöcherner Ausriss
der Sehne vor. Rupturen der Quadrizepssehne erfolgen
typischerweise bei maximaler Anspannung des M. qua-
drizeps gegen Widerstand, wie beispielsweise Sturz auf
das gebeugte Knie. Sie sind meist 2 – 3 cm proximal des
kranialen Patellapols im distalen Sehnenanteil lokalisiert
und werden durch degenerative Veränderungen der
Sehne (Tendinopathie) begünstigt. Bei indirekten Trau-
mata ist das Ausmaß der degenerativen Vorschäden ent-
scheidend, was durch eine Vielzahl lokaler und systemi-
scher Faktoren begünstigt wird (64), sodass eine Ruptur 27
bereits bei relativ niedrigenergetischer exzentrischer
Kontraktion auftreten kann. Rupturen der Patellarsehne
ereignen sich typischerweise als Folge einer abrupten ex-
zentrischen Kontraktion im Rahmen sportlicher Betäti-
gungen. Im Vergleich zur Quadrizepssehnenruptur
scheint hierbei der Einfluss degenerativer Veränderungen
geringer zu sein (65). Die Ruptur ist am häufigsten im
Abb. 27.20 MRT-Sagittalschicht des Kniegelenks bei Patellar-
Bereich ihrer Insertionsstelle am distalen Patellapol loka- sehnenruptur.
lisiert; intraligamentäre Rupturen sind wesentlich selte-
ner.
Anamnestisch besteht häufig eine Prodromalphase mit sall-Salvati-Index hilfreich sein (66). Dieser gibt das Ver-
intermittierenden Schmerzen oder eine Tendinitis an der hältnis zwischen dem größten diagonalen Längsdurch-
Insertionsstelle der Quadrizeps- oder Patellarsehne (31). messer der Patella und der Länge der Patellarsehne an
Bilaterale Rupturen manifestieren sich ausschließlich bei (15), wobei die normale Relation 1,02 beträgt. Bei einer
Patienten mit systemischen Vorerkrankungen, wie bei- Patellarsehnenruptur kann die Patella bis zu 5 cm nach
spielsweise Lupus erythematodes oder rheumatoider Ar- proximal dislozieren. Jede Proximalverlagerung erhöht
thritis (63). die Distanz zwischen distalem Patellapol und Tuberositas
Die Diagnose einer Patellarsehnenruptur erfolgt an- tibiae und erniedrigt damit den Index. In unklaren Fällen
hand der klinischen Trias aus tastbarer Delle, einge- ohne Patella alta ist bei Vorliegen einer Patellarsehnen-
schränkter aktiver Kniestreckung und einem Patellahoch- ruptur im seitlichen Röntgenbild oftmals eine Unterbre-
stand (Patella alta), der aus dem Halteverlust an der Tu- chung der Kontur des infrapatellaren Fettpolsters erkenn-
berositas tibiae und dem ungehinderten Zug des Quadri- bar. Die Diagnose einer Quadrizepssehnenruptur beruht
zepsmuskels resultiert (Abb. 27.19). Die radiologische Di- auf einer, aufgrund der zunehmenden Hämatombildung
agnostik dient dem Ausschluss knöcherner Verletzungen; jedoch nur im Frühstadium, palpablen Delle proximal der
in den Röntgenseitaufnahmen kann die Analyse des In- Patella, einer Minderung der aktiven Kniestreckung und
732 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

einem Patellatiefstand, der sich jedoch nicht bei jeder Die Patellarsehne ist im Durchschnitt 4,5 cm lang (63),
Ruptur findet (64). die Mehrzahl der Fasern stammt aus der Endsehne des M.
Die Verdachtsdiagnose einer Sehnenruptur lässt sich rectus femoris (65). Die Sehne inseriert an der Tuberosi-
durch Sonografie oder Magnetresonanztomografie bestä- tas tibiae; hierbei strahlen einige Fasern in die Insertion
tigen (Abb. 27.20). Letztere kann vor allem bei Partialrup- des Tractus iliotibialis ein. Eine Ruptur der Patellarsehne
turen und chronischen Läsionen hilfreich sein (63). ist am häufigsten im Bereich ihrer Insertion am kaudalen
Patellapol lokalisiert.
Konservative Therapie
Operationstechniken
Indikationen zur konservativen Therapie
Patellarsehnenruptur
Komplette Rupturen der Quadrizeps- bzw. der Patellar-
sehne stellen eine absolute Operationsindikation dar; un- Das Operationsprinzip besteht in der Wiederherstellung
behandelt führen sie durch eine Retraktion des proxima- der Streckfunktion durch anatomiegerechte Adaptation
len Sehnenstumpfs mit Streckdefizit zu einer erheblichen der Sehne und der Retinakula sowie Verstärkung (Aug-
funktionellen Einschränkung und Invalidität (63, 64, 65). mentation) der Naht durch eine temporäre patellotibiale
Bei kompletten Sehnenrupturen beschränkt sich daher Fixierung.
die konservative Therapie nur auf gehunfähige, nichtope- Der Patient wird in Rückenlage auf einem strahlen-
rationsfähige oder vital bedrohte Patienten, wobei bei durchlässigen Operationstisch gelagert. Durch Unterlage-
letzteren nach entsprechender Stabilisierung eine opera- rung der ipsilateralen Hüfte mit einem kleinen Kissen
tive Versorgung empfohlen wird (65). Bei Partialrupturen wird die Patella nach ventral ausgerichtet. Nach optiona-
der Sehne ohne Kontinuitätsunterbrechung des Haupt- ler Anlage einer Blutsperre am proximalen Oberschenkel
anteils mit nachweisbarem Funktionserhalt sowie bei erfolgt die Desinfektion und sterile Abdeckung der unte-
veralteten, jedoch gut muskulär kompensierten Rupturen ren Extremität. Der Zugang erfolgt über eine mediane
kann dagegen eine konservativ-funktionelle Therapie er- Längsinzision vom distalen Patellapol bis zur Tuberositas
folgen (63). tibiae. Nach schrittweiser Präparation erfolgt die Darstel-
lung der Patellarsehnenruptur; bei Exploration der Reti-
Rehabilitation nakula ist auf begleitende Rupturen derselben zu achten.
Nach sparsamem Débridement nekrotischer Sehnen-
Die konservativ-funktionelle Therapie bei Partialrupturen anteile mit ggf. Probenentnahme zur histologischen Un-
erfolgt in einer Orthese unter Teilbelastung der betroffe- tersuchung erfolgt die Refixation. Eine direkte Naht der
27 nen Extremität mit 15 kg für 6 Wochen. Die maximale Sehne wird aufgrund der hohen Gefahr einer Reruptur
Beugung im Kniegelenk wird schmerzadaptiert schritt- nicht empfohlen, stattdessen erfolgt die Adaptation auf-
weise gesteigert (63). grund der fast ausschließlich patellanahen Rupturlokali-
sation vorzugsweise durch eine transossäre Refixierung
am Knochen mittels Durchzugsnahttechnik. Nach ausgie-
Indikationen zur operativen Therapie
bigem Débridement des distalen Patellapols mit dem
Da eine funktionelle Restitutio ohne operative Therapie scharfen Löffel bis auf den blutenden spongiösen Kno-
nicht möglich ist, besteht bei kompletten Rupturen bzw. chen werden zunächst zwei Sehnennähte in Krackow-
inkompletten Rupturen mit aufgehobener Streckfähigkeit Technik im distalen Sehnenstumpf verankert; hierzu
eine absolute Operationsindikation; die besten klinischen wird kräftiges nichtresorbierbares Nahtmaterial (z. B.
Ergebnisse sind nach einer frühen Versorgung zu erwar- PDS der Stärken 0 und 2) verwendet (Abb. 27.21). Die
ten (63, 64). Nähte verlaufen parallel, und jede fasst hierbei etwa die
Hälfte des Sehnendurchmessers, sodass letztendlich 4
Nahtfäden aus dem distalen Sehnenstumpf hervortreten.
Operative Therapie
Alternativ kann die Verankerung in der Sehnennahttech-
Anatomie nik nach Kirchmayr-Kessler durchgeführt werden. Für die
Durchzugsnaht erfolgt dann die Anlage der transossären
Grundlagen zur Anatomie des Kniestreckapparats sind zu Bohrlöcher, die alternativ auch vom distalen zum pro-
Beginn des Kapitels ausgeführt (S. 719). Die Quadrizeps- ximalen Patellapol in Längsrichtung parallel verlaufend
sehne setzt sich aus den Sehnenfasern des M. rectus fe- durch die gesamte Patella gebohrt werden können
moris und der Mm. vastus medialis, lateralis und inter- (Abb. 27.22). Durch Bohren in der mittleren Sagittalebene
medius zusammen; der freie Verlauf ist kurz (63). Die wird einem Durchschneiden (Cutting Out) vorgebeugt.
Sehne ist in Schichten strukturiert, wobei die oberfläch- Die Fadenenden des distalen Sehnenstumpfs werden
lichste Schicht von den Fasern des M. rectus femoris ge- dann paarweise durch die Bohrlöcher geführt. Bei in
bildet wird. Längsrichtung durchbohrter Patella kann hierbei ein von
proximal unter schrittweisem Zurückziehen des Bohrers
Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats 733

a b

Abb. 27.21 Rekonstruktion der Patellarsehne. Beispiel wird jeweils ein Faden der beiden getrennten Nähte
a Nach Verankerung in der Patellarsehne mittels gesicherter durch den mittleren Bohrkanal gezogen.
Fadenknoten werden mehrere langsam resorbierbare Naht- b Darstellung der Durchzugsnaht nach Verknoten der Fäden. 27
fäden durch Bohrlöcher in der Patella geführt. Im dargestellten Rupturen der Retinakula sind ebenfalls zu rekonstruieren.

vorgeschobener Fadenführer verwendet werden der proximale Anteil nach distal gezogen und durch quer-
(Abb. 27.23). verlaufende Bohrlöcher der Tuberositas tibiae fixiert
Nach Streckung des Kniegelenks wird der Sehnen- wird. Die Rekonstruktion wird abschließend durch Seit-
stumpf an die distale Patella angenähert und die Faden- zu-Seit-Nähte der beiden Sehnenstümpfe komplettiert.
enden paarweise verknotet (Abb. 27.21 und Abb. 27.24). Zur Augmentation der Sehnennaht wird anschließend
Hierbei wird das Knie in der Regel in 90° flektiert, um eine temporäre patellofemorale Fixierung durchgeführt,
eine ausreichende Stabilität der Refixation sicherzustel- die bevorzugt durch eine Rahmendrahtcerclage nach
len. Sollte bei minimaler Flexion eine Dehiszenz zwi- McLaughlin erfolgt, die durch quere Bohrkanäle durch
schen Patella und Patellarsehne auftreten, ist die Durch- die Patella und die Tuberositas geführt wird (58, 63, 65).
zugsnaht zu revidieren und zu erneuern. Bei stabiler Fi- Alternativ kann eine Fixation durch eine achterförmige
xation werden die Fadenknoten zur Vermeidung von Drahtcerclage oder durch eine 2,0-PDS-Kordel (PDS = Po-
Weichteilirritationen ggf. versenkt. Alternativ kann die lydioxanone Suture) anstelle eines Drahtes erfolgen. Trotz
Refixierung der Patellarsehne auch durch in die Patella zunehmender Anwendung zeigt letztere jedoch vermehrt
eingebrachte Fadenanker (z. B. Mitek-Anker) durch- Fremdkörperreaktionen (65) und ist weniger stabil (67).
geführt werden. Nach Rekonstruktion der Retinakula Die Drahtcerclage wird in der Regel nach 6 – 8 Wochen
durch Nahtadaptation, Spülung und Einlage einer Saug- entfernt, bei Verwendung der PDS-Kordel entfällt dieser
drainage erfolgt der Wundverschluss. zweite Eingriff (63). Intraoperativ ist auf eine korrekte
Selten auftretende intraligamentäre Rupturen werden Höheneinstellung zu achten; zur besseren Beurteilbarkeit
ebenfalls durch transossäre Refixation rekonstruiert. wird die patellotibiale Fixation beim 90° gebeugten Knie
Hierzu werden zunächst die distalen Sehenanteile in fixiert (65).
oben beschriebener Weise an der Patella fixiert, während
734 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Abb. 27.22 Intraoperative Aufnahme


mit Darstellung der Anlage des ersten
Bohrlochs durch die Patella. Insgesamt
werden drei parallel verlaufende Bohr-
löcher von distal nach proximal gebohrt.

Abb. 27.23 Intraoperative Aufnahme


mit Darstellung des zum Durchführen der
Fäden verwendeten Fadenführers
(schwarzer Pfeil).

27

Abb. 27.24 Intraoperative Aufnahme mit


Darstellung der durch die Patella geführten Fäden
zur Refixation der Patellarsehne.
Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats 735

Sekundäre Rekonstruktionen bei veralteten Rupturen Technik können Fadenanker verwendet werden, die
oder Rerupturen zeigen schlechtere Ergebnisse und erfor- eine hohe Stabilität zeigen (33, 64).
dern ggf. den Einsatz autogener Transplantate (63, 65). Nach Wiederherstellung der Sehnenkontinuität erfolgt
die Augmentation durch eine Rahmennaht aus kräftigem
langsam resorbierbarem Nahtmaterial (1,0- oder 2,0-
Quadrizepssehnenruptur
PDS-Kordel). Nach Durchflechtung der Quadrizepssehne
Im Gegensatz zu Patellarsehnenrupturen können frische proximal der Ruptur wird diese über eine Querbohrung
intraligamentäre Quadrizepssehnenrupturen häufig durch die Patella geführt und als Rahmennaht geknotet
durch eine direkte Naht erfolgreich rekonstruiert werden (63).
(30, 31, 63). Da eine Blutsperre die Adaptation der Seh- Ist bei älteren Rupturen eine End-zu-End-Naht noch
nenstümpfe durch eine proximale Fixierung des M. qua- möglich, kann eine Rekonstruktion in der Technik nach
drizeps erschweren kann, sollte auf sie verzichtet werden Scuderi durchgeführt werden (34). Nach Direktnaht der
(63); wird sie dennoch verwendet, ist sie so weit pro- Sehne erfolgt hier die Augmentation durch eine Um-
ximal wie möglich anzulegen, um eine eventuell erfor- kippplastik. Dazu wird ein dreischenkeliger Lappen (Ba-
derliche Schnitterweiterung zu ermöglichen (64). Der Zu- sisbreite 5 cm, Länge 7,5 cm) aus dem vorderen Blatt des
gang erfolgt am häufigsten über eine mediane Längsinzi- proximalen Sehnenanteils nach distal gestielt präpariert,
sion vom proximalen Patellapol nach proximal (63, 64). umgeklappt und an der Patella fixiert. Bei nicht mehr
Als Alternative ist ein querverlaufender Hautschnitt mög- durchführbarer Direktnaht oder bestehender Defektsitua-
lich (63). Nach Darstellung der Quadrizepssehnenruptur tion sind zur Wiederherstellung der Kontinuität aufwen-
und eventueller Begleitverletzungen der Retinakula er- digere Rekonstruktionen und ggf. Sehnenersatzplastiken
folgt ein sparsames Débridement nekrotischer Sehnen- mittels autogener oder allogener Transplantate erforder-
anteile. Ein exzessives Débridement kann hierbei zu lich (31, 63).
einer Verkürzung der Sehne mit resultierender Patella
alta oder Unfähigkeit zur Adaptation der Rupturenden
Tipps und Tricks
führen und ist daher zu vermeiden. Die Rekonstruktion
der Quadrizepssehne erfolgt durch eine Sehnennaht mit- ■ Bei klinischem Verdacht lässt sich die Diagnose einer
tels langsam resorbierbarem Nahtmaterial (z. B. PDS). Um Sehnenruptur mittels Sonografie oder Magnetreso-
ein Durchschneiden zu verhindern, sollte die Sehnen- nanztomografie bestätigen.
nahtstichtechnik nach Krackow oder Kirchmayr-Kessler ■ Bei Patellarsehnenruptur wird eine direkte Naht der
angewandt werden. Als Alternative ist die Technik nach Sehne aufgrund der hohen Gefahr einer Reruptur
Bunnell weit verbreitet. Die oberflächliche Schicht kann nicht empfohlen. Bei fast ausschließlich patellanaher
durch zusätzliche Nähte in Einzelnaht- oder fortlaufender Lokalisation erfolgt die Rekonstruktion vorzugsweise
27
Technik vernäht werden; in analoger Weise erfolgt die durch eine transossäre Refixierung mittels Durch-
Adaptation begleitender Rissbildungen der Retinakula. zugsnahttechnik.
Ansatznahe Quadrizepssehnenrupturen und knöcherne ■ Bei der Sehnenrekonstruktion müssen die Bohr-
Ausrisse sind nicht für eine direkte Nahttechnik geeignet, löcher in der Patella so angelegt werden, dass ein
sie erfordern eine transossäre Reinsertion (64). Nach Durchschneiden (Cutting-Out) der Nähte vermieden
sparsamem Débridement werden zunächst mehrere Seh- wird.
nennähte in Krackow-Technik im proximalen Sehnen-
■ Bei ausgedünntem Gewebe oder Vorliegen einer äl-
stumpf verankert, wobei zur erfolgreichen Rekonstrukti- teren Quadrizepssehnenruptur kann die Technik
nach Scuderi mit Umklappen eines nach distal ge-
on 3 – 4 paarige Nähte erforderlich sind. Alternativ kann
stielten Blattes der proximalen Sehne zur Augmen-
die Verankerung in der Sehnennahttechnik nach Kirch-
tation der Rekonstruktion hilfreich sein.
mayr-Kessler durchgeführt werden. Nach Débridement
des kranialen Patellapols erfolgt die Anlage der transossä-
ren Bohrlöcher, die alternativ auch vom proximalen zum Rehabilitation
distalen Patellapol in Längsrichtung parallel verlaufend
durch die gesamte Patella gebohrt werden können. Die Zur Nachbehandlung nach Rekonstruktion der Quadri-
Fadenenden des proximalen Sehnenstumpfs werden zeps- oder Patellarsehne liegen in der Literatur unter-
dann paarweise durch die Bohrlöcher geführt. Bei in schiedliche Angaben vor. Im Gegensatz zum früheren
Längsrichtung durchbohrter Patella kann hierbei ein von Standard einer 6-wöchigen Gipsimmobilisierung in
distal unter schrittweisem Zurückziehen des Bohrers vor- einem Oberschenkeltutor wird heute eine frühfunktio-
geschobener Fadenführer verwendet werden. Nach Stre- nelle Nachbehandlung zur Vermeidung extra- und in-
ckung des Kniegelenks wird der Sehnenstumpf an die traartikulärer Adhäsionen als sinnvoller und vorteilhafter
proximale Patella angenähert und die Fadenenden paar- erachtet. In einer neueren Studie, in der nach einer Re-
weise verknotet (Abb. 27.25). Hierbei wird das Knie in der konstruktion bei traumatischer Patellarsehnenruptur
Regel in 90° flektiert, um eine ausreichende Stabilität der keine Immobilisierung erfolgte, konnten sehr gute Ergeb-
Refixation sicherzustellen. Alternativ zur transossären nisse erzielt werden (35). Das frühfunktionelle Nach-
736 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

Abb. 27.25 Rekon-


struktion der Quadri-
zepssehne.
a Platzierung der Ver-
ankerungsnähte in der
Quadrizepssehne.
b Anlage parallel verlau-
fender Bohrlöcher in der
Patella.
c Durchführen der
Nähte durch die Bohr-
löcher mithilfe eines
Fadenführers.
d Verknoten der Nähte
über dem distalen Patel-
lapol.

a b

27

c d

behandlungskonzept muss jedoch individuell an den in- mittels CPM-Motorschiene, erfolgt die Mobilisierung in
traoperativen Befund, die Stabilität der Rekonstruktion einer Tutorschale/Orthese unter 15 kg Teilbelastung für
und die Compliance des Patienten angepasst werden. Ab- 6 Wochen. In dieser Zeit wird die Beugung zwischen
hängig von der Stabilität und den Wundverhältnissen 60° und 90° begrenzt. Entsprechend ist in den ersten 3
wird das Kniegelenk in seinem Bewegungsausmaß limi- Wochen ein Bewegungsausmaß (Extension/Flexion) von
tiert. Außerhalb der passiven Bewegungstherapie, z. B. 0 – 0 – 30° (bzw. 0 – 0 – 60°) erlaubt, in den darauffolgen-
Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats 737

den 3 Wochen von 0 – 0 – 60° (bzw. 0 – 0 – 90°). Danach atrophie (30). Diese führt jedoch bei den in der Regel
erfolgt die Freigabe des vollständigen Bewegungsaus- jüngeren Patienten mit Patellarsehnenruptur nicht zu
maßes und die schrittweise Belastungssteigerung bis einer Kraftminderung des M. quadrizeps; überraschen-
zum vollen Körpergewicht (63, 64, 65). derweise wird aber auch die Kniefunktion der typischer-
Nach Ruptur des Kniestreckapparats tritt häufig eine weise älteren Patienten mit Quadrizepssehnenruptur
Atrophie der umgebenden Muskulatur auf. Zur Wieder- hierdurch langfristig nicht beeinträchtigt (30). Diesbezüg-
erlangung einer regelrechten Kniefunktion ist eine Kräf- lich wurden von Mader u. Timmermann in einer Unter-
tigung derselben von großer Bedeutung. 12 Wochen nach suchung an jungen Patienten gute Ergebnisse nach pri-
der Operation wird mit einem graduierten Aufbaupro- märer Sehnenrekonstruktion und frühzeitigem Beginn
gramm begonnen. Hierbei werden Übungen zur Kniefle- eines Physiotherapieprogramms unter Anleitung berich-
xion- und -extension mit geringen Gewichten und hoher tet (40).
Wiederholungsfrequenz initiiert und mit zunehmender Nach verzögerter Rekonstruktion treten schlechtere Er-
Muskelkraft gesteigert. Im Ausdauertraining wird nach gebnisse auf. Wenzl und Mitarbeiter konnten zeigen, dass
Freigabe der Kniebeweglichkeit mit Standfahrradtraining die Ergebnisse nach Quadrizepssehnenruptur signifikant
begonnen. Mit zunehmender Kraft und Ausdauer erfolgt vom Zeitpunkt der Operation abhängig waren und Ver-
die Wiederaufnahme von Geh- und Laufübungen. sorgungen innerhalb einer 14-Tage-Frist die besten Re-
sultate erbrachten (41). Dagegen hatten die Technik der
Neue Techniken Rekonstruktion, die Ausgestaltung der postoperativen
Physiotherapie, das Patientenalter und der Body Mass
Zur Augmentation bei Sehnenrupturen wird der Einsatz Index keinen Einfluss (41). Bei veralteten Rupturen ist
von biologischem Material diskutiert. Durch Unter- die primäre Rekonstruktion durch Kontraktion und Ver-
suchungen der Rotatorenmanschette am Schafsmodell kürzung des M. quadrizeps sowie Degeneration des Seh-
konnten Schlegel et al. zeigen, dass die Augmentation nengewebes erschwert und gefährdet. In diesen Fällen
mit intestinaler Submukosa von Schweinen die Festigkeit kann eine präoperative Distraktion, eine Augmentation
der augmentierten Sehne signifikant erhöhte (36). Mit mit allogenem Gewebe bzw. eine längere postoperative
einem Achillessehnenmodell am Huhn untersuchten Immobilisation erforderlich sein (42). Nach verzögerter
Kummer u. Lesaka 4 verschiedene Transplantate aus Bio- Rekonstruktion wird daher häufig eine eingeschränkte
materialien. Sie konnten nachweisen, dass alle die Festig- Kniegelenksbeweglichkeit bei verstärkter Atrophie des
keit der Nahtfixation steigerten (37). In anderen Ver- M. quadrizeps beobachtet. Bei verzögerter Rekonstrukti-
suchsansätzen werden Tissue-Engineering-Techniken zur on von Patellarsehnenrupturen zeigen sich bessere, je-
Entwicklung von Matrices (Scaffolds) eingesetzt, die doch im Vergleich zur frühen Versorgung ebenfalls
durch Besiedlung mit geeigneten Zellen und Wachstums- schlechtere, Ergebnisse (30). Der Zeitpunkt der Rekon- 27
faktoren der Kultivierung von Sehnengewebe dienen sol- struktion ist daher als wichtigste Determinante für das
len (38). Die Techniken und der Einsatz biologischer Er- klinische Resultat anzusehen.
satzmaterialien sind weiter in Erprobung. Einige sind Der hohe Stellenwert der frühen postoperativen
zum Teil jedoch bereits klinisch verfügbar. Obwohl bisher Übungsbehandlung für das Ergebnis der Operation ist
bei Sehnenrupturen im Kniebereich nicht beschrieben, durch mehrere Studien mit Verzicht auf eine postopera-
kann der Einsatz dieser Materialien jedoch im Einzelfall tive Immobilisation belegt (40, 43, 44). In diesen Unter-
erwogen werden. Zusammenfassend sind die weitere suchungen wurde unmittelbar postoperativ unter Schutz
Entwicklung und der Fortschritt auf diesem Gebiet abzu- einer arretierbaren Knieorthese mit aktiver Flexion und
warten. passiver Extension begonnen; hierdurch wurde eine freie
Streckung bei im Seitenvergleich nur minimalem Beuge-
Ergebnisse defizit erreicht. Die verbleibende Atrophie und der Kraft-
verlust des M. quadrizeps waren nicht signifikant. Zur
Nach primärer Rekonstruktion frischer Patellar- oder Optimierung des Operationsergebnisses ist daher eine
Quadrizepssehnenrupturen werden im Allgemeinen von der Stabilität der Rekonstruktion abhängige früh-
gute bis sehr gute Ergebnisse berichtet (30, 39, 40). Die funktionelle Nachbehandlung entscheidend und deshalb
operative Versorgung zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu empfehlen.
führt hierbei zu den besten klinischen Resultaten (45,
63, 64). So zeigten in einer Studie von Siwek u. Rao 30
Komplikationen
von 30 bzw. 24 von 25 Patienten gute oder sehr gute
Ergebnisse nach unmittelbarer Rekonstruktion der Qua- Der Kniestreckapparat ist für die Funktion des Beines
drizeps- bzw. Patellarsehne. Nach primärer Wiederher- entscheidend. Er ist während der Routineaktivitäten des
stellung der Kontinuität wird in der Regel ein freies Be- täglichen Lebens großen Kräften ausgesetzt. Nach Verlet-
wegungsausmaß erlangt; bei 75 % bzw. 35 % der Patienten zungen der Patella kann eine Invalidität durch Schmer-
mit einer Rekonstruktion der Quadrizeps- bzw. Patellar- zen, Bewegungseinschränkung und Muskelschwäche re-
sehne verbleibt jedoch eine persistierende Quadrizeps- sultieren. Komplikationen nach operativer Rekonstrukti-
738 27 Patellafrakturen und Verletzungen des Kniegelenkstreckapparats

on des Kniestreckapparats sind selten; am häufigsten einer Inzidenz von < 5 % selten, am häufigsten sind
werden ein Beugedefizit und eine verminderte Kraft des davon Patienten mit zu schneller Rückkehr zu Kraftakti-
M. quadrizeps beobachtet. Auch bei persistierender Qua- vitäten betroffen (45). Auftretende Wundkomplikationen
drizepsatrophie wird in der Regel im Verlauf eine ausrei- können ein wiederholtes chirurgisches Débridement mit
chende Muskelkraft erreicht (30). Rerupturen sind mit aggressivem Wundmanagement erfordern.

Merke

■ Drei Viertel der proximalen Gelenkfläche der Patella sind ■ Bei dislozierten intraartikulären Frakturen der Patella oder
mit Gelenkknorpel bedeckt, dagegen liegt der distale Pol bestehendem Streckdefizit ist die operative Versorgung
extraartikulär. indiziert.
■ Eine Patella bipartita tritt in 1 – 2 % der Bevölkerung auf ■ Bei partieller Patellektomie scheint keine Korrelation zwi-
und kann leicht mit einer Fraktur verwechselt werden. Die schen der Größe der verbleibenden Restpatella und dem
Patella bipartita zeigt ein typisches Erscheinungsbild: Sie klinischen Resultat zu bestehen.
ist im oberen, lateralen Quadranten der Patella lokalisiert, ■ Verletzungen der Quadrizepssehne treten in der Regel bei
ist abgerundet und besitzt einen glatten, sklerotischen über 40-jährigen Patienten auf, Rupturen der Patellarseh-
Rand (s. Abb. 27.5). ne dagegen typischerweise bei unter 40-jährigen.
■ Biomechanisch erhöht die Patella durch die Verlagerung ■ Sehnenrupturen im Bereich des Kniegelenks sind mitunter
der Streckachse vor das Rotationszentrum des Kniege- durch systemische Vorerkrankungen, wie beispielsweise
lenks den Hebelarm und damit die Streckkraft des M. Lupus erythematodes oder rheumatoide Arthritis, ver-
quadrizeps um ca. 50 %. Durch diesen mechanischen Vor- ursacht.
teil wird eine größere Knieflexion ermöglicht. ■ Der Insall-Salvati-Index gibt das Verhältnis zwischen dem
■ Bei Längsfrakturen der Patella ist der Kniesteckapparat in größten diagonalen Längsdurchmesser der Patella und der
der Regel erhalten. Länge der Patellarsehne an; die normale Relation beträgt
1,02.

Inhalt der DVDs


27
Video 27-1 (DVD 3) Zuggurtungs- und Schraubenosteosyn- Video 27-2 (DVD 3) Pseudarthrose der Patella. Das Video
these einer Patellafraktur. Eine mehrfragmentäre Patella- zeigt einen älteren Patienten mit Implantatversagen der Pa-
fraktur wird durch eine Kombination aus interfragmentären tellazuggurtung nach Sturz in der postoperativen Phase. Dar-
Minifragmentzugschrauben und einer Zuggurtungsosteosyn- gestellt ist die Revision mit Débridement der Pseudarthrose
these stabilisiert. Hierbei ist insbesondere auf die Einzelhei- und erneuter Anlage einer Zuggurtungsosteosynthese.
ten bei der Anlage der Zuggurtung zu achten.

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27
Literatur 741

28 Knieluxationen und Bandverletzungen


J. P. Stannard, R. C. Schenck Jr
Übersetzer: C. Frank

Bei Knieluxationen kann es sich um verheerende ortho-


pädisch-traumatologische Verletzungen handeln. Die
Knieluxation wird oft als Sportverletzung eingestuft.
Eine Knieluxation als Folge einer Sportverletzung ist
aber sehr selten (Abb. 28.1). Beim Verletzungsmechanis-
mus handelt es sich gewöhnlich um ein hochenergeti-
sches Trauma wie z. B. einen Verkehrsunfall. Obwohl die
Inzidenz der Knieluxation in der Vergangenheit als selten
eingestuft wurde, ist ihre Häufigkeit vermutlich höher als
ursprünglich angenommen (1, 2). Erklärungen für diesen
Anstieg sucht man in der tatsächlichen Zunahme des
Hochrasanztraumas, einem besseren Verständnis „spon-
taner“ Repositionen bei Verletzungen beider Kreuzbän-
der und der Erkennung der Verletzung als solche beim
Trauma. Ungeachtet dieses Phänomens stellt das Manage-
ment der Knieluxation für den Chirurgen immer noch ein
komplexes, multifaktorielles Behandlungsdilemma dar
(3–6). Begleitverletzungen vor allem der Poplitealarterie Abb. 28.1 Knieluxation als Folge einer Hyperextension wäh-
können die Extemität gefährden und die Behandlung die- rend eines Football-Spiels.
ser Verletzungen erschweren. Es wurden viele verschie-
dene Behandlungsmethoden für Knieluxationen vor-
geschlagen (7), aber das Endergebnis kann trotz inten- Bezüglich der Bandrekonstruktion des verrenkten
sivster Behandlung enttäuschend sein. Letztendlich kön- Knies müssen mehrere Entscheidungen getroffen wer-
nen Knieluxationen zur Einsteifung, Instabilität oder Am- den. Die Notwendigkeit einer zuverlässigen Rekonstruk-
putation führen und trotz Extemitätenerhalt ist das Funk- tion des posteromedialen Komplexes (PMC) und des pos-
tionsniveau oft um 1 Grad niedriger als vor der Verlet- terolateralen Komplexes (PLC) ist für eine erfolgreiche
zung (8). Therapie der Verletzungen beider Kniekreuzbänder aus-
Bei Luxationen werden zahlreiche Behandlungsmetho- schlaggebend. Zudem beschäftigt sich die Behandlung
den, von der Ruhigstellung durch Gips oder Fixateur ex- beider Kreuzbänder auch mit der operativen Rekonstruk-
28
terne (9, 10), über Schienung (11), akute Wiederherstel- tion des hinteren Kreuzbands. Die wissenschaftliche und
lung der Ligamentstrukturen (12, 13) und mehrzeitige klinische Erfahrung mit der Rekonstruktion dieses zen-
Rekonstruktion des vorderen (ACL) und hinteren Kreuz- tralen Stabilitätspfeilers ist großen Veränderungen unter-
bands (PCL), bis hin zur verzögerten simultanen Rekon- worfen, doch durch die technischen Fortschritte werden
struktion beider Kreuzbänder vorgeschlagen (5, 14–16). unsere Behandlungsoptionen für diese Bandverletzung
Der spezifische Behandlungsplan sollte individuell ange- ständig verbessert. Zu den verschiedenen Kontroversen
passt werden. Patienten mit offenen Knieverletzungen, in der Therapie des PCL gehören die transtibiale Tunnel-
neurovaskulären Begleitverletzungen, multiplen Traumen technik im Vergleich zur Tibial-Inlay-Methode, wodurch
oder geschlossenen Schädel-Hirn-Traumen haben bei der verhindert wird, dass das Transplantat verschleißend in
Kreuzbandrekonstruktion ein höheres Komplikationsrisi- einer „Killerkurve“ über die dorsale Kante der Tibia zieht.
ko, vor allem das der heterotopen Ossifikation (HO) und Außerdem gehören zu den gegenwärtigen Behandlungs-
der Bewegungseinschränkung (17, 18). Es ist entschei- methoden sowohl die Einzelbündelrekonstruktion („sin-
dend, den Patienten als ganzes zu betrachten; die Evalua- gle-bundle“) wie auch die femoralseitige Doppelbündel-
tion muss sich deshalb sowohl auf die Bandverletzung als rekonstruktion. Der Chirurg, der einen Patienten mit
auch auf potenzielle Begleitverletzungen fokussieren. Knieluxation betreut, muss erfahren und erfolgreich in
Knieluxationen haben ein breites Spektrum, mit varia- einer dieser Behandlungsmöglichkeiten sein, um eine sta-
blen Begleitverletzungen, das sich von nieder- bis hoch- bile Knierekonstruktion zu erzielen.
energetischen Traumen erstreckt (2, 18–25). Deshalb
müssen sich die Behandlungsentscheidungen nach den
besonderen Umständen des Gesamttraumas richten.
742 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Tab. 28.1 Anatomisches System zur Klassifikation von Knielu-


Klassifikation xationen.
Knieluxationen sollten anhand der gerissenen Strukturen Klassifizierung Beschreibung
klassifiziert werden. Das Klassifikationssystem unter Be-
KDI Knieluxation mit intakten Kreuzbän-
rücksichtigung der Luxationsrichtung orientiert sich an dern
der relativen Position der Tibia zum Femur. Dieses System
KDII beide Kreuzbänder rupturiert, Kollateral-
eignet sich für Repositionszwecke, ist jedoch wegen der
bänder intakt
Häufigkeit spontaner Repositionen oft nicht anwendbar
(20, 26, 27). KDIII beide Kreuzbänder rupturiert, ein Kolla-
teralband rupturiert
Will man die richtige Behandlung festlegen, ist ein ana-
unterteilt in KDIIIM (medial) oder KDIIIL
tomisches Klassifikationssystem nützlich, dies wird spä-
(lateral)
ter ausführlich diskutiert. Schließlich ist die Unterschei-
dung in eine komplette und eine partielle Verletzung des KDIV alle vier Ligamente gerissen
zentralen Pfeilers (VKB und HKB) ein wesentlicher Ge- KDV periartikuläre Luxationsfraktur
sichtspunkt. Eine unvollständige Verletzung des zentra-
len Gelenkstabilisators zieht meist eine eher proaktive
Behandlung nach sich, in der Regel mit frühfunktioneller
Beübung und späterer Rekonstruktion des betroffenen desto schwerer ist die Knieverletzung, und – in den meis-
Bandes (2, 28). ten Fällen – desto höher war auch die einwirkende Ener-
Es ist heute allgemein akzeptiert, dass ein Knie auch gie. Zusatzbezeichnungen C und N werden für Begleitver-
ohne Ruptur beider Kreuzbänder luxieren kann. Bereits letzungen der Arterien, bzw. Nerven verwendet. Folglich
1975 erwähnten Meyers et al. die Knieluxation mit intak- impliziert KDIIILCN eine Ruptur beider Kreuzbänder mit
tem PCL (29). Shelbourne et al. und Cooper et al. präsen- gerissenem Kollateralband und Beteiligung der postero-
tierten in getrennten Berichten Patienten mit einer rönt- lateralen Ecke sowie einer Verletzung der Arteria poplitea
genologisch nachgewiesenen Knieluxation, die nach Re- und meistens des Peronealnervs. Das anatomische Sys-
position oder operativer Exploration ein intaktes PCL hat- tem ist nützlich, weil es vom Kliniker verlangt sich auf
ten (5, 14). Bei einem ähnlichen Typ einer unvollständi- die rupturierten Strukturen zu fokussieren und vor allem
gen Verletzung des zentralen Pfeilers kann eine Knielu- die Rekonstruktion des involvierten posterioren Ecks mit
xation mit intaktem ACL und in der hinteren Schublade dem entsprechenden Kollateralband anzugehen. Es er-
stehender Tibia mit komplettem Riss des PCL vorliegen. möglicht den Klinikern eine akkurate Diskussion über
Deshalb beschreibt die Bezeichnung Knieluxation bei diese Verletzungen und Vergleiche zwischen ähnlichen
einer Knieverletzung nicht was gerissen ist und liefert Verletzungen im breiten Spektrum der Knieluxationen.
nur wenig Information darüber, wie die Verletzung be- KDV ist eine mehrfache Kniebandverletzung mit einer
handelt werden muss. Auch wenn Knieluxationen his- großen kondylären Fraktur, die im Rahmen einer Luxati-
torisch nach der Luxationsrichtung klassifiziert wurden, onsfraktur des Knies auftritt.
28 ist eine Klassifikation der Luxationen nach dem, was ge- Die anatomische Klassifikation von Knieluxationen be-
rissen ist, klinisch angemessener. rücksichtigt die funktionelle Integrität der übrigen Liga-
In verschiedenen Serien von Knieluxationen waren mente und betont die Bedeutung der Narkoseunter-
20 – 50 % der Verrenkungen zum Zeitpunkt der medizi- suchung (NU). Aufgrund des Schweregrads der Verlet-
nischen Evaluation reponiert, wurden als spontan repo- zung und des damit verbundenen Schmerzes ist eine
niert bezeichnet und ließen sich somit nicht anhand der NU erforderlich, um genau zu bestimmen was gerissen
Luxationsrichtung klassifizieren. Die komplexe ligamen- ist. Lonner et al. verglichen die Genauigkeit der NU zur
täre Anatomie des Knies erlaubt viele mögliche Kombina- Erkennung von Bandrupturen mit der einer MRT (30). In
tionen von Kreuzband- und Kollateralbandrupturen infol- der MRT werden mögliche Bandverletzungen über-
ge einer Knieluxation. Daher ist es nützlich, die Knielu- schätzt, und sie war bei der Diagnose von funktionellen
xationen anhand der betroffenen Ligamente zu klassifi- Ligamentverletzungen daher nicht so spezifisch wie die
zieren, was am besten (falls toleriert) zum Zeitpunkt der NU. Die MRT hat bei der Bestimmung der Art der Liga-
Verletzung und immer während der Untersuchung in mentverletzung, zur Abklärung des Hyalinknorpelns und
Narkose geschieht (2, 6). von Meniskusverletzungen ihre Bedeutung und sie er-
Man sollte in der Lage sein, eines von mindestens gänzt den Befund der NU (Abb. 28.2; 2, 19, 31–33). Die
5 möglichen Verletzungsmustern anhand einer anatomi- MRT ist präoperativ nützlich, um eine Verletzung noch
schen Klassifikation zu identifizieren (Tab. 28.1). Dieses vor der NU und der chirurgischen Revision zu beurteilen.
Klassifikationssystem wird als anatomisches System be- Nach unserer Erfahrung ist die MRT als Zusatz für die
zeichnet, weil es auf der Funktion der jeweiligen Liga- präoperative Entscheidungsfindung wichtig, stellt jedoch
mente (bzw. der rupturierten Bänder) basiert; es ist bei keinen Ersatz für die NU dar (9, 19, 21, 34). Sowohl NU als
der Entscheidungsfindung für die Behandlung und die auch MRT sind bei der Entscheidungsfindung dieser kom-
operativen Zugänge sehr nützlich. Je größer die Zahl, plexen Verletzungen ausschlaggebend.
Konservative Behandlung 743

Abb. 28.2 Narkoseuntersuchung mit offensichtlicher Verfor-


mung des Knies bei kompletter hinterer Kreuzbandverletzung.
Abb. 28.3 Offene Knieluxation mit Heraustreten eines Gastro-
knemiuskopfs aus der Wunde

Konservative Behandlung Techniken


Die meisten Serien, die eine komplett konservative Be- Gipsruhigstellung
handlung von Knieluxationen befürworten, wurden vor
15 Jahren oder noch früher veröffentlicht (3, 31, 35). Mit dieser Technik wurden Knieluxationen vor der Ent-
Obwohl bei der konservativen Behandlung vereinzelt wicklung moderner rekonstruktiver Techniken gewöhn-
über Fälle von guter Funktion und Stabilität berichtet lich behandelt. Probleme bei der Gipsbehandlung sind
wurde, haben viele Autoren inakzeptable Raten von Ein- zahlreich und umfassen den fehlenden Zugang zu den
steifung, Schmerz und Instabilität festgestellt (1, 8, 30, Weichteilen, um Wunden oder Kompartments zu beob-
36–42). Der gelenküberbrückende Fixateur externe ohne achten, Arthrofibrose und Bewegungsverlust, Schmerz
Bandrekonstruktion (im Gegensatz zu komplett konser- und Instabilität (3, 31, 35, 38–40, 42). Wählt man diese
vativer Behandlung) kann für Patienten, die keine guten Methode, ist es äußerst wichtig, den Patienten die ersten
Kandidaten für größere Ligamentrekonstruktionen sind, 6 Wochen lang röntgenologisch zu überwachen, um si-
eine effektivere Behandlung sein (37, 38, 41, 42). Alle cher zu stellen, dass das Knie im Gips nicht sub- oder
konservativen oder nichtrekonstruktiven Behandlungen disloziert (38, 42). Ein weiteres wichtiges Prinzip ist es,
verlassen sich auf die indirekte Heilung von Ligamenten die Immobilisierung auf maximal 6 Wochen zu beschrän-
28
und Kapsel, die in Kombination mit Narbenbildung zu ken, um dann mit einer intensiven Beübung des Knies zu
einem stabilen Knie führen soll (38). In diesem Abschnitt beginnen (3, 8, 36, 37, 40, 42). Eine längere Ruhigstellung
werden wir uns mit den Optionen und Indikationen für kann zu schwerer Arthrofibrose und Schmerz führen. Die
sowohl konservative Behandlung von Patienten mit Knie- Gipsbehandlung eignet sich nur für Patienten, die für eine
luxationen als auch der chirurgischen Behandlung ohne operative Therapie nicht in Frage kommen.
Ligamentrekonstruktion befassen.
Bewegliche Gelenkorthesen mit frühzeitiger
Indikationen Bewegung
Obwohl viele Autoren sich bei Patienten mit akuten Knie- Durch die Versorgung von Knieluxationen mit Orthesen
luxationen stark für eine aggressive chirurgische Behand- und frühzeitiger Bewegung wird die Beweglichkeit ge-
lung einsetzen, müssen, wie bereits erwähnt, Indikatio- wöhnlich innerhalb weniger Wochen wieder hergestellt.
nen für konservative oder nichtrekonstruktive Behand- Infolge dieser Technik kommt es jedoch häufig zu schwe-
lungen in Betracht gezogen werden. Patienten, die für rer Bandinstabilität. Mehrere Autoren haben sogar trotz
eine weniger aggressive Behandlung infrage kommen, Bandrekonstruktion Probleme durch eine Restinstabilität
sind festgestellt (1, 3, 31, 41, 42). Die funktionelle Beeinträch-
■ Risikopatienten für die operative Therapie, tigung aufgrund der Instabilität kann dabei ziemlich
■ Patienten mit offenen Luxationen (Abb. 28.3), schwerwiegend sein.
■ Patienten mit einem schwer geschädigten geschlosse-

nen Weichteilmantel.
744 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Fixateur externe vers gesehen. Viele Autoren sind sich einig, dass eine
Immobilisierungsphase notwendig ist, wenn keine frühe
Der Fixateur externe kann vereinzelt bei Patienten mit Rekonstruktion stattfindet, wobei viele Autoren 4 – 8 Wo-
schweren Weichteilschäden zur temporären Behandlung chen vorschlagen (3, 8, 36–38, 42). Taylor et al. stellten
vor der Rekonstruktion oder als definitive Behandlung fest, dass eine länger als 6 Wochen währende Immobili-
bei Patienten, die keine guten Kandidaten für eine ope- sierung mit schwerer schmerzhafter Gelenksteife einher-
rative Rekonstruktion sind, verwendet werden. Der Fixa- geht (3). Zu Beginn der Rehabilitation sollten die Übun-
teur externe kann außerdem eine effektive Methode zur gen aus aktiv assistierten Bewegungen bestehen.
Sicherung der Reposition ohne Anwendung intraartikulä- Ca. 3 Monate nach der Verletzung kann eine Bewertung
ren Materials sein. Wichtige Indikationen für dieses Vor- von Bewegung und Bandstabilität vorgenommen werden.
gehen sind hochenergetische Knieluxationen ohne lokale Die darauffolgende Behandlung durch Knierekonstrukti-
Begleitverletzungen (wie Luxationsfrakturen), offene on, Manipulation unter Narkose, Lyse von Adhäsionen
Knieluxationen, schwere Weichteilschäden und Patienten oder kontinuierliche funktionelle Rehabilitation, wird von
mit schlechtem Rehabilitationspotenzial. Vorteile der den Ergebnissen dieser Bewertung abhängen.
Technik sind ein guter Zugang zu offenen Wunden und
die Beibehaltung einer guten Reposition. Zu den Nach-
teilen gehören potenzielle Bewegungseinschränkungen Indikationen für die chirurgische
und Narbenbildung (Quadrizepsadhäsionen). Die Details Behandlung und Behandlungsschema
dieser Technik finden Sie im Abschnitt Operationstech-
niken dieses Kapitels. Die überwiegende Mehrheit der Patienten, die Knieluxa-
tionen erlitten haben, sollten einer chirurgischen Be-
Rehabilitation handlung unterzogen werden. Mit Ausnahme von bewe-
gungsunfähigen oder schwerkranken Patienten mit einer
Die Dauer der Immobilisierung nach nichtrekonstruktiver chronischen Krankheit werden fast alle Patienten nach
Chirurgie oder konservativer Behandlung wird kontro- einer Knieluxation von einer chirurgischen Behandlung

Knieluxation

Gefäßstatus erheben
Neurologische Untersuchung
(N. tibialis, N. peroneus) nicht reponierbar
Kniereposition bei Luxation
Röntgenuntersuchung

auffälliger normaler Gefäßstatus


28 Gefäßstatus
normal
notfallmäßiges
offene Reposition
MRT zur OP-Planung offene Knieluxation gefäßchirurgisches Konsil

Débridement Exploration oder intra- Gips


und Spülung operatives Arteriogramm
oder Arteriografie Bandrekonstruktion oder
unkooperativ aktiver, kooperativer
Wundsäuberung -reparatur 2–4 Wochen
immobil Patient mit Gefäßrekonstruktion,
und -verschluss nach der Verletzung
morbide Fettsucht Rehabilitationspotenzial Bypass, ggf. Fasziotomie
geringes
Rehabilitationspotenzial
Bandrekonstruktion oder
-reparatur 2–4 Wochen Fixateur externe bei sicher Gips
Fixateur externe nach der Verletzung reponiertem Knie für 6–8 Wochen
bei sicher reponiertem
Knie für 6–8 Wochen Bandrekonstruktion oder
Fixateurentfernung -reparatur 2–4 Wochen
arthroskopische Adhäsiolyse nach der Verletzung
Fixateurentfernung
arthroskopische Adhäsiolyse
falls erforderlich verzögerte
falls erforderlich verzögerte Bandrekonstruktion
Bandrekonstruktion

Abb. 28.4 Behandlungsschema für Patienten mit Knieluxation.


Chirurgische Behandlung 745

profitieren. Dieser Abschnitt stellt ein Behandlungssche- peratur sollten notfallmäßig vom Gefäßchirurgen gese-
ma für Patienten nach Knieluxationen vor (Abb. 28.4). hen werden und eine Revaskularisierung mit Fasziotomie
Die moderne Behandlung kann in 2 Hauptkategorien wie angegeben erhalten. Patienten mit normalen Unter-
eingeteilt werden: immobilisierende Behandlungen und suchungsergebnissen und offener Luxation sollten drin-
Behandlungen, die eine frühzeitige Bewegung des Knies gend mit einer Spülung und Wundausschneidung behan-
ermöglichen (38). Wie bereits im Abschnitt Techniken delt werden. Abhängig von der Schwere der Weichteil-
dieses Kapitels beschrieben (S. 743), umfasst die primäre verletzung können Patienten mit einer offenen Luxation
Behandlungsmethode mit Immobilisation die Anlage von der Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateur ex-
eines Fixateur externe, der das Kniegelenk 6 – 8 Wochen terne profitieren. Nachdem die Weichteile abgeheilt sind,
lang überbrückt (37). kann der Patient für eine Bandrekonstruktion in Betracht
Methoden, die eine frühzeitige Bewegung des Knies kommen. Unabhängig von der Erstuntersuchung sollte
ermöglichen, erfordern diverse Bandreparaturen und -re- vor der Bandrekonstruktion zur Unterstützung der prä-
konstruktionen. Die frühzeitige Bewegung des Kniege- operativen Planung eine MRT durchgeführt werden.
lenks ist der Schlüssel all dieser Methoden. Die Definition Die meisten Patienten, die aktiv und kooperativ sind,
der frühfunktionellen Übungstherapie variiert den Be- sollten einer Wiederherstellung oder Rekonstruktion der
handlungsbeginn von 1 Tag bis hin zu ca. 4 Wochen gerissenen Kniebänder unterzogen werden. Wir empfeh-
nach der Operation. Der wichtigste theoretische Nutzen len die Bandrekonstruktion nach 2 – 4 Wochen, um eine
einer frühzeitigen Bewegung ist eine Verkleinerung des frühzeitige Bewegung des Knies zu ermöglichen. Das
intraartikulären Narbengewebes mit nachfolgender ideale Timing (falls es ein solches gibt) für Bandreparatur
Schmerzlinderung und verbesserter Beweglichkeit. Zu oder -rekonstruktion ist aus der Literatur nicht klar er-
den Risiken der frühzeitigen Bewegung zählen vermehrte sichtlich. Es gibt Widersprüche in Bezug auf einzeitige
Wundheilungsprobleme und Bandlaxizität. Wir sind der Wiederherstellung/Rekonstruktion aller Bänder im Ver-
Ansicht, dass die meisten Patienten mit einer Methode gleich zur frühsekundären Rekonstruktion des ACL nach
behandelt werden sollten, die eine frühzeitige Bewegung vorangegangener Rehabilitation einer PCL-, PLC- und
des Knies ermöglicht, um die endgültige Beweglichkeit zu PMC-Verletzung. Autoren berichten über Erfolge mit bei-
verbessern und Schmerzen und intraartikuläre Narben- den Methoden, wobei jede ihre Vorteile hat. Einer der
bildung zu reduzieren. Autoren dieses Kapitels versorgt alle Bänder beim In-
Bei Patienten mit multiligamentärer Knieverletzung dex-Eingriff, wohingegen der andere alles rekonstruiert,
sollten in der Notaufnahme ein sorgfältiger neurologi- nur das ACL 6 Wochen später.
scher und gefäßchirurgischer Status erhoben werden,
wobei der Gefäßversorgung unterhalb des Knies und
der neurologischen Funktion des N. peroneus und N. ti-
Chirurgische Behandlung
bialis besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist. Die
Weichteile des Patienten sollten sorgfältig untersucht
Anatomie
werden, um eine offene Luxation auszuschließen. Auch
sollte eine sorgfältige Untersuchung des gesamten Beines Begrifflich ist die Anatomie des Knies in 4 definierte
28
erfolgen, um jegliche Begleitverletzungen aufzudecken. Strukturen geteilt: zwei Kreuz- und zwei Seitenbänder
Ist das Knie immer noch luxiert, sollte eine Reposition (einschließlich der Ecken). Die anatomische Anordnung
durchgeführt werden. Ist das Knie nicht zu reponieren des M. popliteus und M. biceps femoris posterolateral
und die Untersuchung der Gefäße unauffällig, sollte der und des M. semimembranosus posteromedial ermöglicht
Patient zur offenen Reposition in den Operationssaal ge- muskuloskelettale Verletzungen dieser Strukturen im Zu-
bracht werden. Eine Schiene sollte angebracht und die sammenhang mit Bandverletzungen.
formale Wiederherstellung oder Rekonstruktion für ca. Zu den wichtigen anatomischen, palpablen Landmar-
2 – 4 Wochen aufgeschoben werden, um eine Genesung ken am Knie gehören der mediale und laterale femorale
der Weichteile zu ermöglichen. Ist die Gefäßunter- Epikondylus (Ursprünge der Kollateralbänder), die Tube-
suchung auffällig, sollte ein Gefäßchirurg hinzugezogen rositas tibiae (Patellarsehnenansatz) und das Gerdy-Tu-
werden und eine offene Untersuchung der Kniekehlen- berkel (Iliotibialbandansatz), die posteromediale Kante
arterie erfolgen. Die Bandrekonstruktion wird für min- der proximalen Tibia und lateral der Fibulakopf. Weil
destens 2 – 4 Wochen aufgeschoben, um eine Genesung man die posteromediale oder posterolaterale Ecke häufig
der Weichteile und Gefäße zu ermöglichen, bevor man darstellen muss, sind Kenntnisse über diese Zugänge äu-
sich auf umfassende rekonstruktive Prozeduren einlässt. ßerst wichtig. Jeder Zugang zu diesen Strukturen orien-
Die Mehrzahl der Knieluxationen ist zum Unter- tiert sich dabei an den femoralen Epikondylen, der pos-
suchungszeitpunkt spontan reponiert. In diesem Fall soll- teromedialen Tibiakante und lateral an der proximalen
te eine sorgfältige Gefäßuntersuchung durchgeführt wer- Fibula. Beim posterolateralen Zugang muss der N. pero-
den, um die gezielte Anwendung einer Angiografie neus exploriert werden, wobei die Identifikation der Ner-
(s. S. 744) zu prüfen. Patienten mit auffälliger Durchblu- ven vor jeglicher Band- oder Sehnenrekonstruktion am
tungsstörung im Hinblick auf Fußpulse, Farbe und Tem- lateralen Knie der ausschlaggebende erste Schritt ist. Me-
746 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Abb. 28.5 Axiale Ansicht der Kniegelenk-


Zwischenschicht strukturen mithilfe des Schichtensystems.
tiefe Schicht
Tractus
oberflächliches iliotibialis (I)
mediales
Kollateral- tiefe
band Gelenkkapsel (III)
fibulares
M. sartorius Kollateralband (II)
(Sehne)
(II)
M. gracilis (I)
(Sehne)
Bizepssehne
M. semitendinosus
Lig. fabellofibulare
M. semimembranosus Popliteussehne
Lig. arcuatum
M. gastrocnemius A. + V. poplitea
(med. Kopf) M. gastrocnemius,
N. tibialis
(lat. Kopf)

dial sind die Tuberositas tibiae und die Insertion des Pes Schichten gegliedert und mit den römischen Zahlen I, II
anserinus zu beachten. Diese Tastpunkte, die gemeinsam und III gekennzeichnet (Abb. 28.5). Die erste Schicht ist
mit dem medialen kollateralen Ligament (MCL) genau die oberflächlichste Faszienschicht, wobei die tieferen
unterhalb des Pes anserinus und medial entlang der dor- Schichten nachfolgend mit II und III bezeichnet sind.
salen Tibia ansetzen, sind für Zugänge von der medialen Schicht I wird anterior als bogenförmige oder Marshalls-
Seite zum Knie wichtig. Schicht, medial als Sartorius-Faszie und lateral als
Die Gefäßversorgung des Knies erfolgt aus einem kom- Tractus-iliotibialis- und Biceps-femoris-Faszie bezeichnet.
plexen Geflecht zweier getrennter Gefäßsysteme: dem Die Schicht II enthält die Patellarsehne, den oberflächli-
intrinsischen und dem extrinsischen Gefäßgeflecht. Die chen distalen Anteil des Innenbands und das Außenband.
intrinsische Versorgung besteht aus einem Anastomosen- Die Schicht III bilden alle Gelenkkapselstrukturen, ein-
ring, der aus Rami articulares, Rami musculares und den schließlich der funktionellen Kapselverdickungen des
fünf A. genus gespeist wird. Diese 5 Arterien sind die A. Ligg. poplitea obliquum und arcuatum, das tiefe mediale
genus superior mediales und A. genus superior lateralis, Kollateralband und das mittlere Drittel der seitlichen Ge-
die A. genus media sowie die Aa. genus inferior medialis lenkkapsel (verantwortlich für die Segond-Fraktur). Ver-
28 und lateralis. Das Gefäßgeflecht über Knie und Patella einfacht aber dennoch korrekt, enthält die Schicht III alle
versorgt die Haut mit reichlich Blut und erhält so die Gelenkkapselstrukturen, die in ihrer anatomischen Aus-
Blutversorgung auch bei subkutaner Präparation. Bei pa- prägung variieren und dadurch die verschiedenen Bänder
rallelen Inzisionen (wie z. B. parallele parapatellar media- am posteromedialen und posterolateralen Eck bilden.
le und laterale Inzisionen), ist die Blutversorgung des Ventral ist die Gelenkkapsel – oder Schicht III – dünn
Hautlappens abhängig von Ästen des oberen und unteren und mit dem dorsalen Teil der Patellarsehne verklebt.
extrinsischen Systems. Bei derartigen Zugängen sollte zur Posterolateral wird diese Kapselverdickung als Lig. popli-
Vermeidung von Hautbrückennekrosen ein Abstand von teum obliquum und posteromedial als Lig. popliteum ar-
mindestens 7 – 10 cm eingehalten werden. Bei sauberer cuatum bezeichnet. In der anatomischen Literatur haben
Planung sind Hautnekrosen selten, sie können aber vor- die posterolaterale Ecke und ihre Bänder eine große Va-
kommen, und zur Defektdeckung wird dann meistens ein riabilität und verwirrende Fachbezeichnungen (43). Bei
medialer Gastroknemiusschwenklappen verwendet. Ob- jeder Art von Rekonstruktion sollten sowohl das Lig. po-
wohl das intrinsische/extrinsische Gefäßsystem eine adä- pliteum arcuatum als auch das Lig. collaterale fibulare
quate Blutversorgung für die oberflächliche Präparation rekonstruiert werden.
am Knie liefert, bietet das Anastomosengeflecht bei einer
Unterbrechung des poplitealen Blutstroms keine adäqua-
Posteromedialer Zugang zum Knie
te Kollateralisierung zum Unterschenkel.
Die Anordnung der Muskel- und Bandansätze am Knie- Der posteromediale Zugang ist zur Darstellung der Ge-
gelenk ist komplex. Es wurde ein System aus Schichten fäßstrukturen in der Kniekehle sehr nützlich und ist der
beschrieben, das zum Verständnis der komplexen und praktischste Zugang zu den Gefäßen bei Knieluxationen
vielseitigen Anatomie der posterolateralen und postero- (26). Burks u. Berg verwenden Modifikationen dieses Zu-
medialen Ecke des Knies beiträgt. Dieses System ist in 3 gangs zur Darstellung des tibialen Ansatzes des PCL (16).
Chirurgische Behandlung 747

oberflächliches
mediales Band

hintere

G(
tiefes med. Band mediale

mh
Gelenk-

)
M. semimembranosus
kapsel

oberflächliches A. + V. poplitea
Insertion des M. gracilis
med. Ligament
M. semimembranosus
M. semitendinosus
tiefes mediales
Ligament Lig. popliteum
obliquum
Insertion des
oberflächliches
M. semitendinosus
med. Ligament
M. gastrocnemius
Semimembranosus-Insertion (med. Kopf)

Abb. 28.7 Posteromedialer Zugang zum Knie: tiefe Anatomie.


Abb. 28.6 Posteromedialer Zugang zum Knie: oberflächliche
Anatomie.

Bei Knieluxationen kann eine offene Rekonstruktion des löst wird (Abb. 28.7). Dieser komplexe Zugang sollte
hinteren Kreuzbands und der posteromedialen Ecke über zuvor idealerweise am Kadaver geübt oder beim ersten
diesen Zugang erreicht werden (44), genauso kann er für Mal mit einem erfahrenen Chirurgen durchgeführt wer-
die simultane Versorgung von Gefäß- und Bandverlet- den, um die anatomischen Beziehungen zu verstehen und
zungen verwendet werden (16, 26, 44). Burks u. Berg Komplikationen zu vermeiden. In 70° Beugung des Knies
haben in verschiedenen Veröffentlichungen Zugänge entspannt sich das dorsale neurovaskuläre Bündel, womit
zum hinteren Kreuzband beschrieben, die eine posteriore zusätzliche Sicherheit bei der Präparation ventral des M.
Inzision in der Beugefalte des Knies vorsehen, in der Tiefe gastrocnemius erreicht wird. Bei einer Knieluxation mit
wird aber ähnlich präpariert wie nachfolgend beschrie- MCL-Beteiligung erlaubt die normalerweise vollkom-
ben. mene Zerreißung der kapsulären Strukturen eine pro-
Der Patient liegt auf dem Rücken, und die Hautinzision blemlose Exposition des Kniegelenks. Die Darstellung
verläuft in einer Linie vom medialen Epikondylus bis zum der lateralen Seite des Knies ist bei diesem Zugang jedoch
28
Ansatzpunkt des Innenbands entlang der posteromedia- eingeschränkt.
len Tibiakante. Mit gebeugtem Knie und außenrotierter
Hüfte kann in der „Vierer-Position“ der posteromediale
Posterolateraler Zugang zum Knie
Zugang in Rückenlage durchgeführt werden und ist
damit unser bevorzugter Zugang. Die V. saphena und Dieser Zugang eignet sich für die Rekonstruktion poste-
der N. saphenus werden identifiziert und sollten ge- rolateraler Bandverletzungen, bei der Hebung des latera-
schont werden (Abb. 28.6). Die Sehnen des Pes anserinus len M. gastrocnemius zur plastischen Weichteildeckung
können distal leicht weggehalten werden. Der Ansatz- und zur Exploration und Versorgung des N. peroneus
punkt des Semimembranosus ist variabel, und die Sehne communis. Er ist oft nützlich bei Knieluxationen und äu-
muss nach unserer Erfahrung am Ansatzpunkt abgelöst ßerst wichtig bei der Rekonstruktion der posterolateralen
werden; sie wird jedoch für die spätere Rekonstruktion Ecke. Um versehentliche Verletzungen des Nervs zu ver-
mit einem Faden markiert. Dann wird der mediale Kopf meiden, wird der Peronealnerv vor der Darstellung des
des M. gastrocnemius identifiziert. Die weitere Präpara- tiefer liegenden Kniegelenks immer identifiziert. Bei Lu-
tion erfolgt anterior des M. gastrocnemius entlang der xationen mit Ruptur beider Kreuzbänder sind die Bänder
proximalen Tibiakondyle und der medialen Femurkon- häufig zirkumferent zerrissen. Bei Luxationen wird die
dyle. Man muss dabei die Gelenklinie sicher darstellen, Darstellung des Kniegelenks erleichtert, wenn man in
um auf der posteromedialen Tibia nicht zu weit nach den Schichten präpariert, die aufgrund der Verletzung
distal zu gelangen. Damit eine Verletzung der poplitealen entstanden sind.
Gefäße vermieden wird, werden bei diesem Zugang zum Der Patient liegt auf dem Rücken, mit Oberschenkel-
PCL alle Haken vor dem medialen Gastroknemiuskopf blutsperre und einem Kissen unter der gleichseitigen
eingesetzt, wobei der Muskel routinemäßig nicht abge- Glutealregion. Die Darstellung des Kniegelenks wird am
748 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Abb. 28.8 Posterolateraler Zugang zum


Knie: oberflächliche Anatomie.

Lig. collaterale fibulare

Gastroknemius-
sehne
Tractus
iliotibialis

Gelenkkapsel

Meniskus
Lig. arcuatum

Popliteussehne
Spitze
Lig. popliteum der
Fibula

Bizepssehne

N. peroneus

M. peroneus

Fibula

besten bei 90° Kniebeugung vorgenommen, weil dabei posterolateralen Knies sind die Präparationsebenen zu-
der Peronealnerv entspannt und geschützt ist. Der Chi- meist durch die Translationsbewegung während des Un-
rurg sitzt während des Eingriffs, den Zugang auf Augen- falls vorgegeben. Der Operateur sollte nicht hinter dem
28 höhe. Der Fuß des Patienten liegt auf dem OP-Tisch, das M. gastrocnemius präparieren, weil er sonst die poplitea-
Knie ist 90° gebeugt. Die Hautinzision läuft vom Fibula- len neurovaskulären Strukturen gefährdet. Sind die Au-
köpfchen nach proximal und dann nach lateral zum Ober- ßenbänder intakt, kann das hintere Kreuzband von die-
schenkel. Bei Schnitterweiterung nach proximal sollte die sem Zugang aus nicht dargestellt werden. Darüber hinaus
Inzision zwischen M. tractus iliotibialis und der Sehne verhindert ein intaktes vorderes Kreuzband auch bei
des M. biceps femoris liegen. Die Faszie wird vorsichtig komplett rupturiertem hinterem Kreuzband und poste-
mit der Schere eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt muss der rolateraler Ecke bei diesem Zugang die Freilegung medial
Peronealnerv identifiziert werden; er kann gewöhnlich der tibialen PCL-Insertion zur Formierung einer Rinne. In
subfaszial in seinem Verlauf vom M. biceps femoris zum einer solchen Situation wird ein posteromedialer Zugang
Fibulahals im perineuralen Fettgewebe getastet werden. notwendig sein, um den PCL-Ansatz darzustellen. Sind
Beim posterolateralen Zugang sollte der Peronealnerv ACL, PCL und LCL jedoch komplett gerissen, kann der
immer vor der weiteren tieferen Präparation und Bandre- tibiale Ansatzpunkt des PCL (bei der Inlay-Technik)
konstruktion dargestellt werden (Abb. 28.8). Der Nerv durch vorsichtige Dissektion freigelegt und dieser seitli-
wird am besten proximal aufgesucht und dann nach dis- che Zugang angewandt werden.
tal freigelegt, wo er um den Fibulahals zieht. Hat man ihn Die im Folgenden erläuterten Operationstechniken be-
identifiziert, wird er mit einem schmalen Vessel-Loop nutzen zum Ersatz rupturierter Strukturen ein allogenes
armiert. Anschließend ist die Darstellung der posterola- Transplantat. Diese Möglichkeit ist eine Alternative, wenn
teralen Ecke und des lateralen M. gastrocnemius relativ man auf körpereigene Strukturen verzichten muss oder
zügig möglich. möchte. Zur Bandrekonstruktion eignen sich für die vor-
Über stumpfe Präparation wird die Schicht anterior des deren Kreuzbänder ein „Bone-Tendon-Bone“-Patellarseh-
lateralen Gastroknemiuskopfs festgelegt (Abb. 28.9). Bei nendrittel vom ipsilateralen Knie oder ein Semitendino-
der Versorgung von kombinierten Bandverletzungen des sus/Grazilis-Transplantat ebenfalls am gleichseitigen Bein
Chirurgische Behandlung 749

Schicht II Schicht III Darstellen der Popliteusinsertion

Insertion der
Gelenkkapsel
Popliteussehne

tiefe
Schicht

Zurückhalten
Schicht II
Lig. collaterale
(Lig. fibulare
collaterale Lig. popliteofibulare
laterale)
b

Lig. collaterale fibulare

Lig. popliteofibulare

Abb. 28.9 Posterolateraler Zugang zum Knie. a Tiefe Ana- b Popliteussehne dargestellt durch eine Arthrotomie. Tiefe
tomie. Anatomie mit einer Inzision durch die Gelenkkapsel, um die
Insertion der Popliteussehne zu demonstrieren.

entnommen. Einige Autoren benutzen einen Teil der


28
Hintere Kreuzbandrekonstruktion
Quadrizepssehne als primäres Transplantat, in der Revi-
sionschirurgie wird diese jedoch häufiger eingesetzt. Das Ganz wie die ACL-Rekonstruktion in den 1980er-Jahren
hintere Kreuzband wird ebenfalls, je nach bevorzugtem haben sich auch die PCL-Rekonstruktionstechniken in
Verfahren mit einem Patellarsehnentransplantat mit Kno- den letzten 10 Jahren weiter entwickelt. Es gibt nun 3
chenblock (Inlay-Technik) oder einer Pes-anserinus- verschiedene Ansätze der PCL-Rekonstruktion. Bei der
Sehne ersetzt. Außerhalb der USA werden autogene transtibialen Rekonstruktion wird das PCL-Transplantat
Transplantate bevorzugt, auch wenn man dadurch eine proximal in einem femoralen Tunnel fixiert, und distal
„Donorside Morbidity“ in Kauf nimmt. Xenogene Trans- in einem proximalen Tibiatunnel. Die Tibia-Inlay-Technik
plantate haben eine Bedeutung in der schwierigen Situa- verwendet einen ähnlichen femoralen Tunnel zur pro-
tion der Revisionschirurgie und wenn körpereigenes oder ximalen Fixation, doch wird die distale Fixation durch
allogenes Material nicht zur Verfügung steht. die Befestigung eines Knochenblocks in einer Rinne, die
Prinzipiell unterscheiden sich die angewendeten Ope- sich am anatomischen Ansatzpunkt des PCL befindet, ge-
rationsmethoden aber nicht von den im weiteren be- löst. Bei der Tibia-Inlay-Technik wird der Sehnen-Kno-
schriebenen Methoden. Abgesehen von der Entnahme chen-Übergang des distalen Transplantats in Höhe oder
der Transplantate sind die weiteren präparatorischen nahe der Gelenklinie platziert. Schließlich wird aktuell
Schritte zur Transplantatverankerung gleich. Auf die Ent- die femorale Doppelbündeltechnik häufig mit einem Ti-
nahme einer Hamstringsehne wird im Abschnitt zur vor- bial-Inlay-Ansatz kombiniert.
deren Kreuzbandersatzplastik mit Hamstringsehne und Nach transtibialen PCL-Rekonstruktionen ist häufig
zur Innenbandrekonstruktion kurz eingegangen. eine Grad-I- oder -II-Laxizität verblieben. Es wird ange-
nommen, dass 2 Hauptfaktoren die späte Lockerung und
Instabilität niedrigen Grades nach der transtibialen PCL-
750 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

tibiale Inlay-Technik noch mehr vereinfacht, bleibt der


Patient während des ganzen Vorgangs auf dem Rücken
liegen und der Ursprung des medialen Kopfes des Gas-
troknemius bleibt erhalten.

Einzelbündelrekonstruktion des hinteren


Kreuzbands
Dieser Ansatz kann in verschiedene Schritte unterteilt
werden:
1. Patientenpositionierung, Narkoseuntersuchung, bilan-
zierende Arthroskopie zur Indikationsbestätigung und
Präparation der Interkondylarregion (Notch-Präparati-
on).
2. Femorale Tunnelpräparation.
3. Posteromedialer Zugang und Vorbereitung der tibialen
Abb. 28.10 Der „Killer-Turn“ des Transplantats bei transtibia- Insertionsstelle.
ler Rekonstruktion des hinteren Kreuzbands. 4. Transplatatpräparation.
5. Tibiaseitige Transplantatfxierung.
6. Femoralseitige Transplantatfixierung.
Rekonstruktion erklären könnten. Der erste Faktor ist der
spitze Winkel, den das Transplantat um die hintere Tibia- Patientenpositionierung, Arthroskopie und Notch-Präpara-
kante machen muss, wenn es aus dem transtibialen Tun- tion. Der Patient liegt auf einem herkömmlichen OP-
nel tritt. Dies wurde als „Killer-Turn“ bezeichnet, der zu Tisch auf dem Rücken, das Fußende des Tisches ist
einer Abrasion und nachträglicher Laxizität und Trans- dabei angehoben. Es wird eine sorgfältige Narkoseunter-
plantatversagen (16) führen kann (Abb. 28.10). Dieser suchung durchgeführt und die gerissenen Bänder werden
erste Hinweis wird von biomechanischen Studien an ermittelt. Die standardmäßigen anteromedialen und an-
einem Kadavermodell mittels mechanischer Testmaschi- terolateralen Arthroskopieportale werden angelegt und
ne anhand 2000 Kniebeugezyklen unterstützt, die zeigen, eine 30°-Optik in das anteromediale Portal eingeführt.
dass die Inlay-Technik keine Versager im Vergleich zu Eine diagnostische Arthroskopie wird durchgeführt und
32 % bei der transtibialen Technik hat (45). Hinzu kam, eine Ruptur des PCL bestätigt. PCL-Reste werden débri-
dass es zwischen diesen beiden Techniken wesentliche diert und der anatomische Ursprung identifiziert.
Unterschiede hinsichtlich der Transplantatausdünnung
und -elongation gab. Die Inlay-Transplantate entwickel- Femorale Tunnelpräparation. Ein Gewindedraht wird
ten innerhalb der 2000 Zyklen 13 % Ausdünnung und über das anterolaterale Portal in das Knie eingeführt
28 5,9 mm Elongation, bei der transtibialen Technik wurden und für den femoralen Tunnel verwendet. Das Knie wird
41 % Ausdünnung und 9,8 mm Elongation vermerkt. Der angewinkelt, um die optimale Platzierung des Gewinde-
zweite Faktor liegt darin, dass, obwohl das PCL funktio- drahts zu ermöglichen. Unter arthroskopischer Visualisie-
nell mindestens 2 verschiedene Bündel hat, die bei ver- rung wird die Spitze des Führungsdrahts in der Mitte des
schiedenen Graden der Kniebeugung gespannt werden anatomischen Ansatzes des anterolateralen Bündels des
(46–49), die transtibiale endoskopische Technik nur das PCL platziert (normalerweise auf der 10:30-Position der
anterolaterale Bündel wiederherstellt. Einige moderne Notch eines linken Knies und 8 mm posterior zur Gelenk-
Operationstechniken versuchen, sich mit diesen Mängeln oberfläche). Die Spitze des Führungsdrahts kommt von
der transtibialen Methode auseinanderzusetzen. Die ti- inferior und lateral, wird in den Femurkondylus gebohrt
biale Inlay-Technik löst die potenziellen Probleme mit und tritt durch die Haut über dem distalen Oberschenkel
dem „Killer-Turn“, indem am Ansatzpunkt des PCL der wieder aus. Das distale geschlitzte Ende des Führungs-
Knochenblock in einer Rinne an der hinteren Tibia ver- drahts bleibt außerhalb des anterolateralen Portals. Der
ankert wird (16, 50–52). Die femorale Doppeltunneltech- Führungsdraht wird mit einem 10-mm-Bohrer über-
nik erlaubt die Rekonstruktion des anterolateralen sowie bohrt, und ein femoraler Tunnel von 30 × 10 mm wird
posteromedialen Bündels des PCL (53, 54). im medialen femoralen Kondylus angelegt. Der Bohrer
Die tibialen Inlay-Techniken mögen auf den ersten wird entfernt, der Führungsdraht bleibt wo er ist, wird
Blick mühsam erscheinen, in den letzten Jahren wurden dann aber mit einem kräftigen Faden am geschlitzten
sie jedoch vereinfacht. Miller et al. führten eine anatomi- Ende armiert und nach oben medial ausgezogen.
sche Studie durch, die zeigte, dass die A. poplitea im
Durchschnitt 21 mm posterior der Inlay-Stelle verläuft, Posteromedialer Zugang und Vorbereitung des Tibialinlay-
wenn der mediale Kopf des Gastroknemius intakt bleibt bereichs. Alle arthroskopischen Instrumente werden ent-
(55). Bei einem Ansatz der PCL-Rekonstruktion, der die fernt und das betroffene Bein in der Vierer-Position gela-
Chirurgische Behandlung 751

gert. Der Operateur steht auf der unverletzten Seite. Ein Tibiaseitige Transplantatfixierung. In Vierer-Position
Assistent steht auf der verletzten Seite zum Hakenhalten. wird eine gebogene Kelly-Klemme durch das inferolate-
Das Bein wird ausgewickelt und die Oberschenkelblut- rale Portal eingeführt und medial am ACL vorbei mit der
sperre angelegt. Es wird ein 6 – 10 cm langer posterome- Spitze durch die hintere mittlere Kapsulotomie heraus-
dialer Hautschnitt über dem Knie gemacht. Die Inzision geführt. Die Enden der Ethibond-Fäden werden mit der
liegt über der posteromedialen Kante der Tibia und ori- Klemme ergriffen und durch das Knie und aus dem ante-
entiert sich an der hinteren Gelenklinie. Die Sartorius- rolateralen Portal gezogen. Das Transplantat wird über
Faszie wird dargestellt und entlang der posteromedialen die Fäden in das Gelenk gezogen, wodurch der patellare
Tibia eingeschnitten. Die Sehnen des Pes anserinus distal Knochenblock mit dem proximalen Ende des Knochen-
weggehalten (s. Abb. 28.7). Die Faszie zwischen dem me- Patellarsehen-Knochen-Transplantats in die Interkon-
dialen Kopf des M. gastrocnemius und dem Hinterrand dylarregion gebracht wird. Der geschlitzte Führungsdraht
des M. semimembranosus wird im Verlauf des Zugangs wird durch das anterolaterale Portal mit seiner Faden-
eröffnet. Der M. semimembranosus wird abgelöst, aber armierung zurückgezogen. Die Enden der am Transplan-
mit Faden für eine spätere Naht mittels nichtresorbier- tat befestigten Ethibond-Fäden werden dann in den
barem Material markiert. Die Dissektionsebene verläuft Schlitz im distalen Ende des Führungsdrahts eingefädelt
anterior zum Gastroknemius, bleibt jedoch direkt an der und in den femoralen Tunnel gebracht. Ein Bohrfutter für
Tibiarückseite, der Kniegelenklinie und der posterome- den Handbohrer wird am Bohrerspitzenende des Füh-
dialen Femurkondyle. Der M. popliteus wird stumpf ab- rungsdrahts befestigt und dazu verwendet, die Enden
gehoben. Ein stumpfer Hohman-Haken genau lateral zum des Führungsdrahts mitsamt Nahtmaterial in das Knie,
tibialen Ansatz des PCL platziert ermöglicht eine aus- durch den femoralen Tunnel und durch die Haut über
gezeichnete Einstellung der Tibiarückseite zur Bildung dem medialen distalen Knie zu ziehen. Die Fäden werden
der tibialen Rinne. Gelegentlich ist die mittige Positionie- angezogen und unter arthroskopischer Sicht eine arthro-
rung der Rinne in der dorsalen Tibia schwierig. Dennoch skopische Fasszange verwendet, um den Patellaknochen-
kann bei sorgfältiger Darstellung der tibialen Überbleib- block in den femoralen Tunnel zu führen. Das Tibia-Inlay-
sel des PCL, der posterolateralen Ecke, der medialen Fe- Transplantat wird dann in der hinteren tibialen Rinne
murkondyle, der Gelenkoberfläche und des lateralen Me- positioniert, mit dem Sehnen-Knochen-Übergang auf
niskus eine anatomische Platzierung vorgenommen wer- Höhe der hinteren Gelenklinie. Das Transplantat in den
den. Ein Bohrer wird zur Herstellung der Rinne für das femoralen Tunnel zu transportieren erfordert sowohl Ge-
tibiale Inlay-Transplantat verwendet. Die Knochenrinne duld als auch Sorgfalt. Sobald das Transplantat einge-
sollte ausgehend von der posterioren Gelenklinie über zogen ist, muss der Chirurg dessen Position prüfen, das
der mittleren dorsalen Tibia grob 10 mm breit, 25 mm Knie mehrere Male durchbewegen und die Korrektur der
lang und 10 mm tief sein und die Form des Knochenallo- hinteren Schublade bei 90° Beugung prüfen. Mit der
grafts nachahmen. Es ist darauf zu achten, dass die Mulde Transplantatfixierung wird solange gewartet bis der Ope-
nicht zu tief oder zu weit distal ist, was zu einem „Killer- rateur mit der Transplantatposition, -spannung und Kor-
Turn“ am Sehnen-Knochen-Übergang führt. In der mitt- rektur der hinteren Schublade zufrieden ist. Die Autoren
leren Gelenklinie wird eine hintere Kapsulotomie durch- bevorzugen es, die Fixierung zuerst auf der Tibiaseite
28
geführt und die Kapsel mit einer Klemme aufgespreizt. durchzuführen, um das Transplantat auf Höhe der tibio-
Zu diesem Zeitpunkt wird die Oberschenkelblutsperre femoralen Gelenklinie zu halten und damit die Entste-
zur Blutstillung und zur Verkürzung der Tourniquet-Zeit hung eines Tibia-Inlay-„Killer-Turns“ zu vermeiden. Die
geöffnet. Führungsdrähte für die durchbohrten 4-mm-Schrauben
werden verwendet, um das Inlay-Graft in der Rinne zu
Transplantatpräparation. Das Transplantat der Wahl sichern. Ihre Ausrichtung liegt in a.–p. Richtung parallel
eines der Autoren ist ein Patellarsehnen-Allograft, wäh- zur Gelenklinie, mit einem Abstand zueinander von min-
rend der andere ein Achillessehnen-Allograft bevorzugt. destens 1 cm. Bei multiplen Bandverletzungen können
Die Achillessehne erlaubt gegebenenfalls ein geteiltes fe- die Führungsdrähte schräg und lateral eingebracht wer-
morales Transplantat. Aus der Allograft-Patella wird ein den, damit ein Kontakt mit dem tibialen Kanal für die
standardmäßiger Knochenblock von 10 mm Breite und ACL-Rekonstruktion verhindert wird. Die Führungsdrähte
10 mm Tiefe mithilfe einer oszillierenden Säge entnom- werden dann überbohrt, und durchbohrte 4-mm-Schrau-
men. Zwei Bohrlöcher von 2,0 mm werden im patellaren ben nacheinander über das Inlay-Graft eingebracht, um
Knochenblock platziert, und zwei Nr. 5 Ethibond-Fäden eine sichere tibiale Transplantatfixierung zu erzielen
durch die Löcher gezogen, um die Transplantatpassage (Abb. 28.11).
zu erleichtern. Damit ein rechteckiges Inlay-Transplantat
von 25 × 10 × 10 mm entsteht, das die Rinnengeometrie Femurseitige Transplantatfixation. Ist die tibiale Seite des
nachahmt, wird spongiöser Knochen am tibiaseitigen Al- Allografts gesichert, wird das Knie aus der Vierer-Position
lograft entfernt. gebracht und über den Seitenrand des OP-Tisches ge-
beugt. Das Arthroskop wird erneut in das anteromediale
Portal eingeführt, um die richtige Transplantatplatzie-
752 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Abb. 28.12 Der anterolaterale und posteromediale Kanal im


medialen Femurkondylus.

Abb. 28.11 Durchbohrte Schrauben zur sicheren Fixation des


Transplantats in Inlay-Technik.

rung und -ausrichtung zu bestätigen. Auf das Transplan-


tat und den Patellaknochenblock wird über Zug an den
femoral ausgeleiteten Fäden Spannung gebracht und
durch mehrfaches Beugen die Laxizität des Transplantats
minimiert. Eine Interferenzschraube entsprechender
Größe wird posterior zum Knochenblock durch das ante-
rolaterale Portal im femoralen Kanal platziert. Die Inter-
ferenzschraube wird dann zur sicheren femurseitigen Fi-
xation bei 90° gebeugtem Knie in vorderer Schublade in Abb. 28.13 Vorbereitetes Achillessehnen-Allograft für die hin-
den femoralen Tunnel eingebracht. Im Operationssaal tere Kreuzbandrekonstruktion.
werden Röntgenbilder angefertigt, um die Transplantat-
und Schraubenplatzierung sowie die anatomische Knie-
position zu bestätigen. fernt im Ansatzbereich des PCL an der Notch eingebracht.
28 Ein zweiter Führungsdraht wird mit Abstand so unter
Doppelbündelrekonstruktion des hinteren den ersten platziert, dass nach dem Überbohren eine
Kreuzbands mit Inlay-Technik (Video 28-1, Knochenbrücke von etwa 4 mm zwischen den beiden
DVD 4) Tunneln entsteht (Abb. 28.12). Die Tunnelgröße wird
gemäß der Größe der Achillessehnen-Allografts gewählt,
Die anatomische PCL-Rekonstruktion ist eine Kombinati- wobei anterolateral ein 9-mm-Tunnel und posteromedial
on aus Tibia-Inlay-Technik (16, 50–52) und femoraler ein 7-mm-Tunnel üblich sind (Abb. 28.13). Das Arthro-
Zweibündeltechnik (53, 54). Es gibt viele Ähnlichkeiten skop wird dann entfernt und ein posterolateraler oder
mit der im vorangehenden Text beschriebenen Einzel- posteromedialer Zugang je nach begleitender Bandverlet-
bündelrekonstruktion, vor allem in Bezug auf Herstellung zung durchgeführt.
und Platzierung der tibialen Knochenrinne. Der Patient Unter Anwendung einer Kombination von Meißeln,
sollte auf dem Rücken liegen, um eine Arthroskopie des scharfen Löffeln, Küretten und gelegentlich einem Ron-
mit Kissen unterlagertem Knies am Tisch hängenden Bein geur wird an der posterioren Tibia am Ansatzpunkt des
zu ermöglichen. Ein Achillessehnen-Allograft wird in ein PCL eine Rinne hergestellt. Ein gebogener Rinnenmeißel
größeres anterolaterales und ein kleineres posteromedia- ist hierfür ideal. Entscheidend ist, dass ein stumpfer Hoh-
les Bündel geteilt. Der Knochenblock wird zugeschnitten, mann- oder ähnlicher Retraktor anterior zum M. gas-
und jedes Bündel wird mit einer nichtresorbierbaren trocnemius eingebracht wird, um die Muskeln und das
Krackow-Naht der Stärke 2 armiert, um den Einzug in neurovaskuläre Bündel nach posterior zu halten. Ein wei-
den jeweiligen femoralen Tunnel zu erleichtern. Die terer wichtiger Aspekt ist, das Knie immer gebeugt zu
Notch wird arthroskopisch débridiert und gleichzeitig halten, wenn man in der Kniekehle operiert. Die Fixation
jegliche Meniskuspathologie behandelt. Danach wird ein wird mit einer einzelnen 4,5 mm durchbohrten Zug-
Führungsdraht ca. 6 – 8 mm von der Gelenkfläche ent- schraube mit Unterlegscheibe erzielt, indem ein Loch
Chirurgische Behandlung 753

von 4,5 mm durch den Knochenblock gebohrt wird. Dabei anhaftenden Muskel gesäubert. An jedem Ende erfolgen
ist es äußerst wichtig, den Knochenblock nicht zu dünn Krakow-Nähte und die Transplantatlänge wird bestimmt.
zu machen (s. Abb. 28.13), ansonsten könnte er beim Die standardisierte arthroskopische Vorbereitung des ti-
Spannen des Transplantats brechen. Sollte dies eintreten, bialen Tunnels wird über den Entnahmezugang vor-
kann der Block mit Krampen fixiert werden. Die beiden genommen. Die femorale Fixation wird durch eine Viel-
Bündel werden dann in die Notch und in ihre entspre- falt von Techniken durchgeführt und erfordert eine akku-
chenden femoralen Tunnel vorgeschoben. Das anterolate- rate Platzierung, um eine ideale Transplantatfixation im
rale Bündel wird bei ca. 80° Flexion gespannt, das poste- Knochentunnel zu fördern. Die Vorbereitung und Boh-
romediale Bündel bei ca. 15°. Beide Bündel werden mit rung des femoralen Knochenkanals wird durch den ver-
absorbierbaren Interferenzschrauben gesichert, die ab- wendeten Fixationstyp bestimmt.
hängig von der Knochenqualität entweder dieselbe
Größe wie der Tunnel haben oder 1 mm größer sind. Modifizierte Doppelbündelrekonstruktion
Waren alle 4 Bandgruppen im Knie gerissen, kann eine der posterolateralen Ecke (Video 28-3,
Durchleuchtung notwendig werden, um zu bestätigen,
DVD 4)
dass das Knie reponiert und das Transplantat nicht zu
stark gespannt ist. Die ersten Ergebnisse bei Anwendung Die modifizierte Doppelbündeltechnik („Two-Tailed“) re-
dieser Technik sind sehr gut, wobei es mit der Zeit ent- konstruiert 3 kritische Komponenten der tiefen Schichten
weder zu gar keiner oder nur geringer Lockerung kam, der posterolateralen Ecke (PLC): den M. popliteus, das Lig.
und die Methode in nur einem einzigen unserer ersten 30 popliteofibulare und das Außenband (FCL). Bei dieser
Fälle versagte. KT-2000-Daten zeigten, dass das rekon- Technik wird ein 5 mm großes Loch von vorne nach hin-
struierte PCL mindestens so fest war wie die unverletzte ten durch die laterale Tibia gebohrt. Der Bohrkanal tritt
Seite. Die Lysholm-Knie-Scores und klinische Stabilitäts- an der Stelle aus, wo die Popliteussehne die Rückseite der
tests waren ebenfalls sehr ermutigend (56). Tibia überquert. Während des Bohrens sollte ein Retrak-
tor oder der Finger des Chirurgen zum Schutz der popli-
Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes tealen Gefäße eingesetzt werden. Für den Kanal wird ein
mittels Semitendinosus-/Grazilissehne 7 mm dicker Gewindeschneider benutzt, damit die Trans-
(Video 28-2, DVD 4) plantatfixation mit einer bioresorbierbaren Schraube er-
folgen kann. Ein Tibialis-posterior-Allograft wird auf
Diese Technik hat in letzter Zeit in der orthopädischen einen Durchmesser von ca. 5 mm zurechtgeschnitten
Sportmedizin Popularität erlangt. Kosmetische Inzisionen und von hinten nach vorne in den Tunnel eingebracht.
und eine relativ einfachere Rehabilitation machten diese Wichtig dabei ist, ein Allograft von mindestens 24 cm
Technik zu einer attraktiven Option, vor allem für den Länge zu verwenden, um alle 3 Komponenten der PLC
Freizeitsportler. Sie ist auch bei Volleyballspielern nütz- rekonstruieren zu können. Das Transplantat wird mit
lich, wo das Patellaspitzensyndrom nach Knochen-Sehne- einer bioresorbierbaren Schraube von 7 mm gesichert,
Knochen-Rekonstruktion häufig hinderlich ist. Jüngere die von vorne nach hinten eingebracht wird (Abb. 28.14).
Studien haben jedoch bei KT-1000-Tests eine bessere Durch die proximale Fibula wird ein zweites 5 mm großes
28
Langzeitstabilität mit Patellarsehnentransplantat gezeigt: Loch von anterolateral nach posteromedial gebohrt. Hier
deshalb bleibt die Knochen-Sehne-Knochen-Ersatzplastik muss kein Gewinde geschnitten werden. Dann wird der
der Goldstandard für professionelle Athleten und ambi- isometrische Punkt auf dem lateralen Femorkondylus
tionierte Freizeitsportler. Vorsicht bei der Verwendung aufgesucht. Der isometrische Punkt liegt genau über
von Kniesehnen-ACL-Autografts ist auch bei einer kom- dem Punkt, an dem sich FCL und Popliteus auf dem late-
binierten ACL/MCL-Verletzung oder bei einer Verletzung ralen Femurkondylus kreuzen. Es wird ein 3,2 mm dicker
beider Kreuzbänder geboten, wo die Sehnen für die kol- Bohrer verwendet, um ein Loch von lateral nach medial
laterale Rekonstruktion notwendig sein könnten. Im Fol- für eine lange, 4,5 mm bikortikale Schraube zu bohren. Es
genden wird die Technik zur Hamstring-Sehnenentnah- ist wichtig, sich bei einem Patienten mit einer Multi-
me und -ersatzplastik beschrieben. ligamentverletzung des Knies beim Bohren der Schraube
Die Insertion des Pes anserinus wird medial und leicht für eine PLC-Rekonstruktion den femoralen Tunnel für
distal zur Tuberositas tibiae getastet. Über dem Ansatz eine ACL-Rekonstruktion zu vergegenwärtigen. Ist die
des Pes anserinus erfolgt eine 3 cm lange Inzision. Die PLC-Schraube nicht von hinten nach vorne gewinkelt,
Sartorius-Faszie wird inzidiert und jede Sehne aufeinan- könnte sie das Bohren des femoralen Kanals für eine
derfolgend mit einer Overholdklemme eingehakt. Die ACL-Rekonstruktion blockieren. Diese Schraube wird mit
Sehnen werden distal abgelöst und separiert und jeweils Zackenkranz verwendet. Ein Osteotom erleichtert das De-
endständig mit einer Krackow-Naht bestückt. Die Ent- kortizieren des Knochens posterior und anterior um die
nahme wird durch eine kurze Relaxierung des Patienten Schraube und ermöglicht, dass das Allograft an anatomi-
erleichtert. Die Sehnen müssen vor der Entnahme an scher Stelle des fibularen kollateralen Ligaments (FCL)
ihrem Muskelbauch von ihren Faszienaufhängungen ge- bzw. des Popliteus anheilt. Das Transplantat verläuft
löst werden. Nach der Entnahme wird die Sehne vom dann von der hinteren Tibia aufwärts und um die Schrau-
754 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Abb. 28.14 Initiale Transplantateinflechtung bei der modifi- Abb. 28.16 Am Ansatz des Pes anserinus belassene Hamst-
zierten Doppelbündel-Technik für die Rekonstruktion der pos- ring-Transplantate für die Bandrekonstruktion.
terolateralen Ecke.

Rekonstruktion des posteromedialen


Komplexes (Simple Loop)
Eine posteromediale Rekonstruktion ist eine einfache
Schlinge mit Krampenbefestigung. Der Zugang verläuft
vom medialen femoralen Epikondylus nach distal, wo
das Innenband den Pes anserinus unterkreuzt. Unter
dem Retinakulum (Schicht I) wird von distal nach pro-
ximal ein Tunnel gebohrt und dann die Entnahme des
Transplantats durchgeführt (Abb. 28.16). Die Autoren be-
vorzugen es, den Semitendinosus distal nicht abzulösen,
28 aber es kann auch ein freies Semitendinosus-Transplantat
verwendet werden. Das Sehnentransplantat wird nach
Ablösung seiner faszialen Befestigungspunkte am media-
len M. gastrocnemius von seinem proximalen Muskel-
bauch abgetrennt. Die Sehne wird von verbliebenem
Muskelgewebe befreit und am freien Ende mit einer
Abb. 28.15 Endgültige Rekonstruktion der posterolateralen Krackow-Naht armiert. Unter Anwendung eines Hoch-
Ecke bei modifizierter Doppelbündel-Technik. geschwindigkeitsbohrers wird eine enge, U-förmige
Mulde um den isometrischen Teil des medialen Epikon-
dylus gefräst. Der Semitendinosus wird durch den Tunnel
be im lateralen Femurkondylus (Abb. 28.14) und wieder hochgezogen, in die Mulde gelegt und mit einer Krampe
nach unten zum fibularen Tunnel (der popliteofibulare befestigt. Das Transplantat wird nach unten durch den
Abschnitt sollte unter den Popliteus-Abschnitt des Trans- Tunnel zurückgeführt, das Knie wird mehrfach bewegt
plantats gelegt werden), durch den Tunnel und zurück und die Sehne wird dann am tibialen Ansatzpunkt des
zur Schraube mit Zackenkranzunterlegscheibe. Das medialen Kollateralbands mit einer Krampe fixiert. Das
Transplantat wird mit nach innen rotiertem Fuß und in Knie wird danach in einem gut gepolsterten Gipstutor
40°– 60° Kniebeugung gespannt. Das Transplantat rekon- für 7 – 10 Tage ruhiggestellt. Anschließend wird mit do-
struiert den Popliteus, das popliteofibulare Ligament und sierten Bewegungen in einer Gelenkorthese begonnen.
das FCL (Abb. 28.15). Eine alternative Technik, die auch das Lig. popliteum ob-
liquum rekonstruiert, verwendet ebenfalls ein Semitendi-
nosus-Autograft, das um eine Schraube mit Unterleg-
scheibe, die am isometrischen Punkt angebracht ist, und
Chirurgische Behandlung 755

Abb. 28.17 Rekonstruktion der postero-


Zurückhalten des med. Kopfes medialen Ecke.
des M. gastrocnemius
A. + V. poplitea
Lig. popliteum

mediale Kondyle

Sehne vor
der Schraube

überdehntes oder
gerissenes med.
Kollateralband

Insertion des
M. semimembranosus

Lig. semitendinosum
mit sich selbst am
Insertionspunkt vernäht

M. gracilis

dann unter den Semimembranosus zurück zur ursprüng- koseuntersuchung in Kombination mit einer arthroskopi-
lichen Anheftungsstelle des Autografts geführt wird schen Arthrolyse (25) und epiduraler Schmerzkatheter-
(Abb. 28.17; Videos 28-4, 28-5, DVD 4). therapie (48 – 72 Stunden) mit kontinuierlicher passiver
Bewegungstherapie (CPM-Schiene) eingesetzt wurde. Die
28
Fixateurruhigstellung hat ihren Stellenwert bei Patienten
Immobilisierung im Fixateur externe
mit komplexen Verletzungen, die schlechte Kandidaten
Die konservative Behandlung mit unspezifischer Immobi- für eine Rekonstruktion sind. Diese Technik umfasst die
lisierung führt zu einem bandlaxen, inkompetenten Knie Immobilisierung in einer äußeren Schienung für 6 – 8
(3). Trotz allem beschrieben Taylor et al. sehr erfolgreiche Wochen, gefolgt von einer Narkoseuntersuchung und Ar-
Ergebnisse bei der geschlossenen Behandlung des einfach throlyse wie bereits beschrieben.
luxierten Knies. Bei ihrer Studie an geschlossenen, un- Der Fixateur wird im OP-Saal routinemäßig vor der
komplizierten Knieluxationen wurde die Immobilisie- Narkoseuntersuchung entfernt, um eine vorsichtige Be-
rung über 6 – 8 Wochen mit guten funktionellen Ergeb- wegungsprüfung und arthroskopische Arthrolyse von Ad-
nissen durchgeführt. Interessanterweise stellten die Au- häsionen zu ermöglichen. Die Pineintrittstellen sollten
toren fest, dass die Kniegelenke nach weniger als 6 Wo- vor der Arthroskopie steril abgedeckt werden. Bei Pin-
chen Immobilisierung sehr mobil, jedoch relativ instabil Tract-Infektion sollte keine Arthroskopie erfolgen. Ein pe-
waren, während eine länger als 8 Wochen währende Im- rioperativer epiduraler Schmerzkatheter wird empfohlen,
mobilisierung zu einem stabilen, aber steifen Knie führte. um eine schmerzlose CPM und physiotherapeutisch as-
Somit empfahlen die Autoren eine Immobilisierungsperi- sistierte Bewegungsübungen für die ersten 72 Stunden zu
ode von 6 – 8 Wochen für optimale funktionelle Ergeb- ermöglichen. Nach der Narkoseuntersuchung sind intra-
nisse bei der einfachen Knieluxation (3). Die Schwierig- operative Röntgenbilder notwendig, um eine Fraktur
keit bei der Behandlung im Fixateur externe besteht in oder ausgedehnte mechanische Instabilitäten aus-
der Wiedergewinnung der Beweglichkeit nach der Ruhig- zuschließen. Der Patient wird zur ambulanten Physiothe-
stellung. Mehrere Autoren haben eine erfolgreiche Be- rapie und CPM-Schienen-Therapie entlassen. Die Physio-
handlung der Arthrofibrose verzeichnet, wenn eine Nar- therapie in der Klinik sollte sich auf Gangschule, passive
756 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Extension (Hängegewichte in Extension über dem Knie Belastungssteigerung kann fortschreiten. Im Zuge der
falls notwendig) und Kniebeugungsübungen fokussieren. Aufklärung vor der Rekonstruktion eines luxierten Knies
Falls nach der Entfernung des Fixateurs eine Bandinstabi- muss der Patient auf das Risiko einer Bewegungsein-
lität fortbesteht und der Patient eine adäquate Bewegung schränkung hingewiesen werden. Die Autoren klären
wiedererlangt hat, kann eine verzögerte Bandrekonstruk- die Patienten im Allgemeinen auf, dass mindestens bei 1
tion indiziert sein. Ein individuelles Nachbehandlungs- von 5 Patienten eine Narkoseuntersuchung mit Arthroly-
programm mit Frühbelastung wird abhängig von der Re- se, perioperativer Schmerzkatheter- und CPM-Schienen-
konstruktion eingeleitet. Eine frühfunktionelle Behand- Therapie nötig ist. Wir räumen dem Patienten gewöhn-
lung mit kontrollierter Belastung sollte generell nach lich 6 – 8 Wochen ein, bevor wir eine Narkoseunter-
der Rekonstruktion beider Kreuzbänder Anwendung fin- suchung empfehlen und prüfen die Flexion über 90° 4
den. Nach 6 – 8 Wochen sollte der Patient mit einer gut Wochen nach Rekonstruktion.
angepassten Orthese vollbelasten, und die funktionelle

Tipps und Tricks


■ Die Retraktoren und Instrumente müssen sich immer ■ Das Tibialis-posterior-Allograft sollte zur Rekonstruktion
vor dem Kopf (medial oder lateral) des M. gastrocnemi- des PLC bei Anwendung der modifizierten „Two-Tailed“-
us befinden, um bei Anwendung der Inlay-Technik Schä- Technik mindestens 24 cm lang sein. Mit kürzeren Trans-
den an den Gefäßstrukturen zu vermeiden. plantaten ist eine FCL-Rekonstruktion nicht möglich.
■ Bei einem posteromedialen oder lateralen Zugang soll ■ Die Richtung der bei der PLC-Rekonstruktion verwende-
das Knie auf 90° gebeugt werden, um den N. peroneus ten 4,5-mm-Schraube sollte geplant, und die Stelle der
zu entlasten; die poplitealen Gefäßen müssen beiseite für die ACL- und PCL-Rekonstruktion verwendeten Tunnel
gehalten werden. im Auge behalten werden.
■ Falls beide Kreuzbänder gerissen sind erfolgt ein media- ■ Die Allograft-Knochenblöcke für die ACL-Rekonstruktion
ler oder lateraler Zugang zur hinteren Tibia, um bei Inlay- mit bioresorbierbaren Stiften müssen zylinderförmig
Technik die Inlay-Rinne zu formen. Die Darstellung ist sein. Dies beschleunigt die Inkorporation des Transplan-
beim posteromedialen Zugang einfacher. tats und verbessert die primäre Fixation.
■ Bei der Operation einer Knieluxation sollte sich der Pa- ■ Die Länge des Knochen-Sehnen-Knochen-ACL-Allografts
tient in Rückenlage befinden. Eine Hüftrotation nach muss bestimmt, und die intraartikuläre und femorale
innen oder außen erlaubt posterolaterale und postero- Transplantatlänge ermittelt werden, um die entspre-
mediale Zugänge, einschließlich Darstellung der hin- chende Transplantlänge im tibialen Kanal zu bestimmen.
teren Tibia zur Tibial-Inlay-Technik.
■ Die Allograft-Knochenblöcke für das Inlay-Transplantat
dürfen nicht zu dünn (< 10 mm) sein. Dies schützt vor
Transplantatbrüchen und Fixationsversagen, wenn die
28 Schrauben angezogen werden.

Rehabilitation
wird, entspannen sich die dorsalen Oberschenkelmuskeln
Der Chirurg muss mit den Rehabilitationstechniken ver- und das Wohlbehagen des Patienten während dieser
traut sein, um postoperativ eine funktionelle Bewegungs- Übung zur Kapseldehnung wird gesteigert. Die Verwen-
fähigkeit zu erzielen. Für die Kniebeugung ist es sehr dung von Schmerzmitteln vor der Dehnung ist für eine
nützlich, wenn der Patient auf einem erhöhten Tisch optimale Compliance und Lösung der Beugekontraktur
sitzt und das Knie dabei mit dem kontralateralen Bein äußerst wichtig. Die Verwendung von Eis ist bei der Be-
in die angewinkelte Position bringt (Abb. 28.18). Falls vor- handlung von Weichteilschwellungen eine entscheiden-
handen, ist ein Fahrradergometer zur Verbesserung der de Komponente und sehr nützlich bei der Schmerzkon-
Beugung sehr nützlich, dabei sollte der Sitz je nach Fle- trolle. Das Eis wird 3-mal täglich je 20 min und einmal
xionszugewinn niedriger eingestellt werden. Beugekon- vor dem Schlafengehen aufgelegt. Die Verwendung von
trakturen sind häufig und werden leicht übersehen. Der Eis vor dem Schlafen lindert den Schmerz und verhilft
Patient sollte in der Bauchlage anhand der Fersenhöhen dem Patienten zu einer besseren Nachtruhe.
untersucht werden (Abb. 28.19). Jeder Zentimeter Höhen- Wie bei jeder Operation sind Angst und Compliance
unterschied entspricht ca. 1° Beugekontraktur. Bei der des Patienten kritische Größen. Patientenschulung und
Behandlung einer Beugekontraktur erleichtert es die Rü- -aufklärung hilft, Ängste zu mindern und schafft eine
ckenlage dem Patienten die hintere Kapsel aufzudehnen. Atmosphäre der Empathie, was das Operationsergebnis
Hängegewichte über dem gestreckten Knie in Rückenlage insgesamt verbessert. Für den Patienten hilfreich ist
2-mal pro Tag je 20 min sind anzuraten. Durch das Zu- eine Zeichnung der geplanten Rekonstruktion auf einem
rücklehnen des Patienten während das Knie gestreckt großen Stück Papier (Permanent-Stift hierzu und auch
Chirurgische Behandlung 757

Abb. 28.18 Patient bei der Kniebeugung mithilfe des gegen- Abb. 28.19 Untersuchung zur Feststellung einer Flexionskon-
seitigen Beines. traktur.

zur Identifikation der zu operierenden Extremität), der mensaat-Linie kreuzt (Abb. 28.20). Die Spitze des Gewin-
Rehabilitationsplan wird ausführlich besprochen. Bei der dedrahts wird am isometrischen Punkt platziert, und das
Patientenaufklärung werden 3 Konzepte betont: Ende des Drahts parallel in den Röntgenstrahl gebracht,
■ Kniedehnung („Sie müssen Ihr Knie durchgestreckt sodass es als einzelner Punkt erscheint (Abb. 28.21). Mit
halten.“). einem Hammer wird der Draht im Knochen verankert.
■ Kniebeugung (erhöhte Beugung im Sitzen und ein Fahr- Erneut wird fluoroskopisch geprüft, ob der Draht parallel
radergometer). zum Strahl verläuft und sich eher als Punkt denn als Linie
■ Normales Gehen (der Patient sollte über den Unter- abbildet. Wenn der Draht gut sitzt und parallel verläuft,
schied zwischen Hinken und Zehenspitzen-Hacke- wird er ganz durch das Knie gebohrt. Nun wird das Knie
Gang informiert werden. Bei der Gangschule gibt man in a.–p. Richtung durchleuchtet. Wurde die Technik kor-
den Patienten das verbale Stichwort „Stoßen Sie sich rekt durchgeführt, sollte der Draht parallel zur Kniege-
mit Ihren Zehen ab“, um zum normalen Gangmuster lenklinie verlaufen (Abb. 28.22). Ist der Draht nicht paral-
zurückzufinden). lel, sollte er entfernt und der Vorgang wiederholt wer-
den.
Die Patientenaufklärung ist extrem wichtig für die erfolg- Sobald der Referenzdraht zufriedenstellend platziert
reiche Behandlung von Knieluxationen. ist, wird der Gelenkanteil des externen Bewegungsfixa-
teurs über den Draht geschoben. Die femoralen Pins soll-
te beide nach Anlage der „Rancho cubes“ (identisch mit
28
Neue Techniken
denen, die bei den externen Ilizarov-Fixateuren verwen-
Platzierung eines kniegelenküberbrückenden det werden) vom proximalen ⅝-Ring nach proximal aus-
Bewegungsfixateurs (Compass Hinge External gerichtet eingebracht werden. Die Verbindungswürfel
Fixator; Video 28-6, DVD 4) sollten seitlich sowohl lateral als auch medial im hinters-
ten Loch angebracht werden. Ein Verbindungswürfel mit
Der „Compass Knee Hinge“ ist ein Bewegungsfixateur, einem Loch wird medial und einer mit 3 Löchern lateral
der die Möglichkeit einer multiplanaren Ruhigstellung verwendet. Die Pins können mithilfe eines Trokarsystems
des Kniegelenks bietet und gleichzeitig die Bewegung in eingebracht werden. Für die Inzision sollte eine 10er-
der Sagittalebene ermöglicht. Diese Kombination erlaubt Klinge verwendet werden und dann mit einer Klemme
nach Luxationen und Luxationsfrakturen eine bemer- oder einem ähnlichen Instrument stumpf bis zum Kno-
kenswerte Stabilisierung des Kniegelenks. Die Technik chen gespreizt werden. Femoral werden Pins (6 mm) ver-
ist relativ einfach. Der Patient liegt in Rückenlage, mit wendet, wobei einer posteromedial und der andere pos-
einer Rolle von sterilen Tüchern unter dem Knie. Für terolateral angebracht wird (Abb. 28.23).
eine gute laterale Röntgeneinstellung des Kniegelenks Diese Anordnung minimiert den Schmerz bei Kniebe-
wird ein C-Bogen verwendet. Am isometrischen Punkt wegungen. Die Gewindelänge des Stiftes kann vom Boh-
auf dem lateralen femoralen Kondylus wird ein Gewinde- rer abgelesen werden, während der zweite Kortex per-
draht von 2,5 mm platziert und als Referenzdraht ver- foriert wird. Drei 5-mm-Stifte werden unter Anwendung
wendet. von 3-, 4- und 5-Loch-Verbindungswürfeln auf ähnliche
Der isometrische Punkt wird röntgenologisch als der Weise in der Tibia angebracht. Die Stifte werden anterior,
Punkt identifiziert, an dem sich eine in der Verlängerung anteromedial und lateral in der Tibia platziert
des hinteren Femurkortex gezeichnete Linie mit der Blu- (Abb. 28.24). Beide ⅝-Ringe werden senkrecht zur Achse
758 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Abb. 28.20 Seitliches Röntgenbild zur Bestimmung des iso- Abb. 28.21 Einbringen des Referenzdrahts so, dass er ortho-
metrischen Punkts bei der Anlage eines kniegelenküberbrü- grad getroffen als Punkt erscheint und parallel zur Kniegelenks-
ckenden Bewegungsfixateurs. Der isometrische Punkt liegt an ebene verläuft.
der Kreuzungsstelle der Blumensaat-Linie mit der Verlängerung
der dorsalen Femurkortikalis.

28

Abb. 28.23 Einbringen des posteromedialen Pins bei Monta-


ge des „Compass Knee Hinge.“

Abb. 28.22 Der parallele Referenzdraht bei einer a.–p. Durch-


leuchtung.

des langen Röhrenknochens gehalten, während die Pins nier in voller Streckung und maximaler Beugung zu ver-
eingebohrt werden. Man sollte darauf achten, die Pinein- riegeln, den Rest des Tages dürfen sie das Knie frei bewe-
trittsstellen auch bei Kniebeugung von 90° oder mehr zu gen. Die Pflege der Pineintrittsstellen geschieht wie bei
beurteilen (Abb. 28.25). Spannt sich die Haut um die Pins, jedem anderen Fixateur externe.
sollte die Inzision vergrößert werden. Zuletzt werden alle
Verbindungen fest angezogen und der Bewegungsumfang
geprüft.
Der Compass Knee Hinge wird ca. 6 Wochen lang ge-
tragen. Die Patienten dürfen mit in Streckung verriegel-
tem Bewegungsfixateur sofort belasten. Sie werden auf-
gefordert, jeweils für mindestens 1 h täglich das Schar-
Chirurgische Behandlung 759

Abb. 28.24 „Compass Knee Hinge“ mit 3 tibialen Pins von Abb. 28.25 Prüfung der Kniebeugung nach Anlage eines
lateral betrachtet. „Compass Knee Hinge“.

Vorderer Kreuzbandersatz in Knochen- gesamten Transplantats abgezogen werden, um die ideale


Patellarsehne-Knochen-Technik mit Länge des tibialen Kanals zu erhalten. Ist das gesamte
bioresorbierbaren Stiften (Video 28-7, DVD 4) Transplantat beispielsweise 105 mm lang, sollte der Ti-
biatunnel für eine sichere Platzierung des Knochenblocks
Knochen-Sehne-Knochen ist nach wie vor der Goldstan- innerhalb des Kanals mindestens 45 mm haben, ansons-
dard für die ACL-Rekonstruktion. Aufgrund der Schwere ten könnte der Knochenblock distal aus dem Kanal he-
der Weichteilschäden ist eine Allograft-Rekonstruktion rausragen. Wird dieser Punkt nicht beachtet, wird es
nach Knieluxationen häufig von Vorteil. Wie im Abschnitt schwierig, den Knochenblock tibial sicher zu fixieren.
Ergebnisse beschrieben, ist die Versagerquote nach Knie- Der femorale RigidFix-Führungsdraht wird in den femo-
luxationen bei weitem häufiger als bei einer isolierten ralen Tunnel vorgeschoben. Zwei hohle Cross-Pin-Hülsen
ACL-Rekonstruktion. Eine relativ neue Technik ist die mit Führungstrokar werden in den lateralen Femurkon-
ACL-Rekonstruktion mit bioresorbierbaren Stiften, um dylus gebohrt und über einen Zielbügel so ausgerichtet,
die Knochenblöcke sowohl in Tibia als auch Femur zu dass sie den femoralen Tunnel kreuzen (Abb. 28.26). Der
transfixieren. Zu den Vorteilen dieser Technik gehören Zielbügel und die Trokare werden entfernt, und nur die
die quere Fixation unter Verwendung bioresorbierbarer Hülsen bleiben im Knochen. Der Tibiaführungsstab wird
Stifte, die keiner Entfernung bei der Revision bedürfen.
Der Patient liegt unter Anwendung eines Beinhalters
28
oder einer seitlichen Stütze auf dem Rücken. Es werden
standardmäßige arthroskopische Portale verwendet und
eine systematische Untersuchung des Knies durch-
geführt. Der nächste Schritt ist die tibiale und femorale
Tunnelpräparation mit Standardtechniken. Wir bevor-
zugen Knochenblöcke von 10 oder 11 mm, wobei der fe-
morale Block ca. 25 mm lang sein sollte. Es ist wichtig, die
Knochenblöcke zylindrisch zu machen, damit die best-
mögliche Einpassung in die Knochenkanäle erreicht
wird. Im proximalen Abschnitt des femoralen Knochen-
blocks wird ein kleines Loch gebohrt und ein 2er-Faden
durchgeschoben. Zwei Löcher werden in den tibialen
Knochenblock gebohrt, die anschließend ebenfalls mit
2er-Fäden armiert werden.
Ein wichtiger Schritt bei der Planung ist die Berück-
sichtigung der Länge des Allografts vor Bohren des tibia-
len Kanals. Der femorale Kanal wird 30 – 35 mm tief ge-
bohrt. Bei den meisten Patienten ist eine intraartikuläre
Transplantatlänge von ca. 25 mm für eine ACL-Rekon-
struktion erforderlich. Es sollten 60 mm (femoraler Abb. 28.26 Femoraler Zielbügel mit Hülsen und bioresorbier-
Kanal plus intraartikulärer Abschnitt) von der Länge des baren Pins (mit freundlicher Genehmigung von DePuy Mitek
Inc).
760 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

dann komplett über den tibialen Bohrkanal in den femo-


ralen Bohrkanal vorgeschoben. Dann wird anhand der
Markierung auf dem Tibiaführungsstab die intraartikuläre
Länge des Transplantats bestimmt (Abb. 28.27). Die exter-
ne tibiale Führung wird dann anhand der bestimmten
Länge eingestellt. Um eine Fixation mit 2 Cross-Pins
durch den tibialen Knochenblock zu erreichen, werden
der ermittelten Länge 6 – 8 mm hinzugefügt, um die rich-
tige Einstellung für die externe Führung zu bekommen.
Beträgt die Abmessung des tibialen Bohrkanals z. B.
55 mm, führt eine Einstellung von 61 – 63 mm zu einer
idealen Fixation des Knochenblocks. Der Führungsdraht
wird dann in das Knie gezogen, und 2 tibiale Hülsen wer-
den von anteromedial nach posterolateral gebohrt
Abb. 28.27 Messung mithilfe des Tibiaführungsstabs auf der
(Abb. 28.28). Anschließend wird über den Kirschner-
Gelenkfläche (mit freundlicher Genehmigung von DePuy Mitek
Inc.). Draht mit Öse das fadenarmierte Transplantat in den fe-
moralen Bohrkanal gezogen und der Führungsdraht mit
Öse lateral aus dem Oberschenkel ausgeführt. Nachdem
das Allograft komplett im femoralen Tunnel sitzt, wird
der Knochenblock durch die zuvor platzierten femoralen
Hülsen durchbohrt. Dann wird ein resorbierbarer RigidFix-
Stift durch die Hülse und über den Knochenblock gescho-
ben, wodurch dieser sicher verankert wird (Abb. 28.29).
Ein zweiter Stift wird auf dieselbe Weise durch die andere
femorale Hülse platziert. Danach wird Zug über die Fäden
auf den tibialen Transplantatblock gebracht und die siche-
re femorale Verankerung bestätigt. Nach diesem Schritt
wird das Knie unter gleichzeitigem Zug am Transplantat
15 – 20 mal durchbewegt, damit sich das Transplantat voll-
ständig setzt und vorgespannt wird. Während die Span-
nung beibehalten wird, wird nach Vorbohren zunächst der
proximale Cross-Pin, danach der distale Stift über die Hül-
sen durch den Knochenblock eingebracht.
Andere Operateure bevorzugen Semitendinosus-/Gra-
zilis-Transplantate, die in ähnlicher Technik oder mit In-
28 Abb. 28.28 Eingebrachte femorale Führungshülsen zur Band-
terferenzschrauben verankert werden.
rekonstruktion mittels RigidFix (mit freundlicher Genehmigung
von DePuy Mitek Inc.).
Doppelbündel-ACL-Rekonstruktion (Video 28-8,
DVD 4)
Das vordere Kreuzband besitzt 2 separate funktionelle
Bündel, das anteromediale und posterolaterale Bündel
(56a). Es wurde vorgeschlagen, dass die Rekonstruktion
beider Bündel die funktionellen Ergebnisse verbessern
könnte, vor allem im Hinblick auf die Rotationsstabilität.
Es wurden Rekonstruktionstechniken für die Doppelbün-
del-ACL-Rekonstruktion entwickelt (56b), jedoch sind
gute gut designte Peer-reviewed-Studien mit adäquatem
Follow-up notwendig, um die Vor- und Nachteile dieser
Technik zu validieren.

Abb. 28.29 Die bioresorbierbaren Pins halten den femoralen


Knochenblock in situ (mit freundlicher Genehmigung von Ergebnisse (Videos 28-8, 28-9, DVD 4)
DePuy Mitek Inc.).
Knieluxationen haben ein breites Spektrum von Verlet-
zungen, von offenen hochenergetischen KD-IV-Unfallver-
letzten mit Verletzung der A. poplitea bis hin zu einer
Ergebnisse (Videos 28-8, 28-9, DVD 4) 761

chronischen Multiligament-Verletzung mit intaktem


Bewegungsumfang
Weichteilmantel und einem normalen neurologischen
und Perfusionsstatus. Viele Veröffentlichungen zu Knielu- Es gibt zahlreiche Studien, die über die Kniebeweglichkeit
xationen sind retrospektiv und haben kleine Patienten- nach Luxationen berichten (1, 4, 5, 7, 8, 18, 19, 23–25, 28,
kollektive. Es gibt keine veröffentlichte prospektiv rando- 31, 36, 56, 58–61). Vergleicht man die vor 1994 veröffent-
misierte Studie zu Knieluxationen. In den Veröffent- lichten Artikel (4, 5, 18, 19, 24, 31) mit denen, die seitdem
lichungen zur Knieluxation werden keine vereinheitlich- veröffentlicht wurden, (1, 7, 8, 25, 28, 56, 60, 61) herrscht
ten Outcome-Scores benutzt. Deswegen kann eine Dis- ein Trend in Richtung Verbesserung des Gesamtbewe-
kussion der Ergebnisse nach Knieluxation verwirrend gungsumfangs. Die früheren Studien berichten über
sein. Dieser Abschnitt untersucht die veröffentlichte Lite- einen durchschnittlichen Bewegungsumfang von 106°
ratur zu Ergebnissen nach Knieluxationen in Bezug auf im Vergleich zu 121° in den aktuellen Studien. Viele Au-
folgende Parameter: toren haben ein Rehabilitationsprogramm befürwortet,
■ Rekonstruktion versus konservative Behandlung, das eher die sofortige Bewegung als eine temporäre Im-
■ Bewegungsumfang, mobilisation betont. Der durchschnittliche Bewegungs-
■ Schmerz, umfang, der in diesen Studien bei sofortigen Bewegung
■ Instabilität, erreicht wurde, betrug 124° (1, 7, 8, 56, 60, 61). Die Ver-
■ Wiedereinstieg ins Berufsleben, wendung von CPM ist weit verbreitet (1, 8, 56, 60, 61).
■ Wiederaufnahme von Freizeitaktivitäten oder Sport, Häufig hat es einer erneuter chirurgischen Behandlung
■ berichtete Outcome-Scores. mit Narkoseuntersuchung und arthroskopischer Adhäsio-
lyse erfordert, um die bemerkenswerten Ergebnisse sei-
Almekinders u. Dedmond haben einen ausgezeichneten tens Kniebeweglichkeit nach operativ versorgter Knielu-
Artikel über die Ergebnisse von Knieluxationen geschrie- xation zu erreichen. Berichte über die Notwendigkeit
ben (57). eines chirurgischen Eingriffs zur Verbesserung der Knie-
bewegung variierten von niedrigen 13 % (8) bis zu hohen
Rekonstruktion versus konservative 71 % (28) für akute Luxationen. Die durchschnittlich ver-
zeichnete Inzidenz von chirurgischen Eingriffen zur Ver-
Behandlung
besserung der Beweglichkeit beträgt in neun verschiede-
Mit der Verbesserung der chirurgischen Techniken geht nen Studien 38 % (1, 4, 7, 8, 28, 56, 59–61). Die Bilanz der
der Trend inzwischen weg von der konservativen Be- in diesem Abschnitt zitierten Veröffentlichungen ist, dass
handlung. Es wurden mindestens 7 Studien veröffent- bei Anwendung moderner chirurgischer Techniken be-
licht, die speziell die konservative und operative Behand- merkenswerte Verbesserungen der Bewegung erreicht
lung von Knieluxationen vergleichen (18, 19, 24, 25, 29, wurden, aber bei ca. einem Drittel der Patienten ein wei-
31, 36). Alle Studien sind retrospektive Übersichten mit terer chirurgischer Eingriff zur Verbesserung des Bewe-
einer Vielfalt von chirurgischen Techniken und Rehabili- gungsausmaßes notwendig ist.
tationsprotokollen. Betrachtet man die Studien kumula-
tiv, so wurden 136 chirurgisch behandelte Patienten mit
28
Schmerz
68 konservativ behandelten Patienten verglichen. Alle 7
Autoren bevorzugen die chirurgische Behandlung, ob- Schmerz und Bewegungseinschränkung sind nach der
wohl Roman et al. bei den chirurgisch behandelten Pa- chirurgischen Behandlung von Knieluxationen häufigere
tienten Bewegungsprobleme feststellten (31). Die ande- Probleme als die Instabilität. Der Schmerz variiert vom
ren Autoren fanden die chirurgische Behandlung sowohl gelegentlichen Schmerz mit minimaler Auswirkung auf
hinsichtlich der Beweglichkeit als auch der Stabilität die Alltagsaktivitäten, bis hin zu starken, behindernden
überlegen. Richter et al. veröffentlichten die neuste und Schmerzen. Zu den Faktoren, die zum Schmerz beitragen,
größte Serie mit 77 Patienten (36). Sie stellten fest, dass gehören Gelenkknorpelverletzungen, chronische Instabi-
chirurgisch behandelte Patienten über bessere Bewe- lität, Arthrofibrose und posttraumatische Arthrose. Star-
gungsfähigkeit und Stabilität verfügten und auch im Ge- ke Schmerzen können trotz guter Stabilität und Bewe-
gensatz zu konservativ behandelten Patienten häufiger gungsumfang zu einem funktionsuntüchtigen Knie füh-
wieder arbeiteten und sich mit Freizeitaktivitäten be- ren. Patienten mit wesentlichen Bewegungseinschrän-
schäftigten. Sie stellten auch fest, dass Patienten nach kungen erleben häufig behindernde Schmerzen.
der operativen Behandlung bessere Lysolm-Scores (78 Die Inzidenz der Schmerzen nach chirurgisch behan-
vs. 65) und International Knee Document Committee delten Knieluxationen variiert in den Studien (4, 8, 19,
(IKDC) Scores hatten (41 % in der konservativ behandel- 23, 28, 36, 58, 59). Yeh et al. (8) und Martinek et al. (59)
ten Gruppe hatten extrem abweichende Werte). Verlaufs- berichteten beide über Schmerzen bei ihren Patienten in
untersuchungen bevorzugen klar die chirurgische Be- 25 % der Fälle oder weniger. Sisto u. Warren (46 %), Ma-
handlung bei Patienten mit Knieluxationen. riani et al. (56 %), Almekinders u. Logan (66 %) und Richter
et al. (68 %) verzeichneten dagegen viel häufiger Schmerz-
probleme nach Knieluxationen (4, 19, 23, 36). Noyes u.
762 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Barber-Westin berichteten, dass alle 7 ihrer akuten Knie- gungseinschränkung herausarbeiten, ist auch die Instabi-
luxationen Schmerzen hatten, aber nur einer bei den All- lität ein großes Problem. In den neueren Studien gibt es
tagsaktivitäten. Andererseits hatten 75 % ihrer chro- einen klaren Trend in Richtung Stabilitätsverbesserung.
nischen Knieluxationspatienten, die chirurgisch behan- Ein Problem bei der Interpretation der Literatur ist die
delt wurden, Schmerzen bei ihren Alltagsaktivitäten (28). methodische Vielfalt der Kniestabilitätstests. Für diesen
Signifikante Schmerzen sind klar eine wichtige Out- Abschnitt wurde Instabilität als eine Aufklappbarkeit
come-Größe, sie werden aber häufig nicht separat aus- von 2° oder 3° auf einer Skala von 0 – 3 definiert, ebenso
gewiesen. Sie verringern die Outcome-Scores. Die Studien anteriore oder posteriore Translationen von mehr als
von Almekinders u. Logan (19) und Noyes u. Barber-Wes- 3 mm im Seitenvergleich im KT 1000 oder 2000 Ligament
tin (28) deuten beide an, dass die Ergebnisse bei Patien- Arthrometer (MEDmetric Corporation, San Diego, Kalifor-
ten, die in der Akutphase behandelt wurden, günstiger nien). Außerdem eine a.–p. Gesamttranslationsstrecke
sein können im Vergleich zu Patienten, die auf verzöger- von mehr als 5 mm oder Gruppe C oder D im IKDC-Score.
ter Basis therapiert werden. Dies kann das Ergebnis einer 5 Ergebnisstudien berichteten über Stabilitätsangaben
chronischen Instabilität und nachträglicher Gonarthrose nach konservativer Behandlung (18, 19, 24, 31, 36). In
sein. Zusätzliche Ergebnisstudien, die sich speziell mit der allen 5 Studien wird bei praktisch allen Patienten eine
Frage des Schmerzes befassen, werden benötigt, um den Instabilität beobachtet. Auch unter Anwendung der
Zusammenhang zwischen operativem Timing und chro- oben definierten Instabilitätskriterien hatten praktisch
nischem Schmerz zu sichern. Patienten mit Knieluxatio- alle konservativ behandelten Patienten letztlich eine In-
nen müssen sich auf die Möglichkeit signifikanter Lang- stabilität.
zeitschmerzen einstellen. Wir haben 15 Studien zur Bandstabilität nach operati-
ver Behandlung von Knieluxationen untersucht (1, 4, 5, 7,
8, 18, 19, 23, 24, 28, 36, 56, 59–61). Nimmt man die oben
Instabilität
genannten Kriterien, weisen alle Studien, die über Knie-
Viele Autoren glauben, dass Schmerzen und Bewegungs- luxation mit Verletzungen aller Bandstrukturen berich-
einschränkung eher als Instabilität die Hauptprobleme ten, eine Versagensrate von mindestens 18 % auf. Die In-
nach Knieluxation sind. Obwohl die veröffentlichten Stu- zidenz der Instabilität reicht von 18 – 61 %, bei einem
dien die Bedeutung des Schmerzproblems und der Bewe- Durchschnittswert von 37 %. In vielen Fällen besteht

Tab. 28.2 Instabilitätsergebnisse in Veröffentlichungen nach 1994.


Studie Klinische Instabilität (2 oder3) Ligament Arthrometer IKDC
anterior posterior medial lateral > 3 mm > 3 mm > 3 mm Gruppe C
anterior posterior a.–p. oder D
Richter et al. – – 8 von 72 14 von 72 Mittelwert Mittelwert – –
28 2002 (36) 5,1 4,0
Mariani et al. 3 von 23 10 von 23 9 von 23 7 von 23 – – – –
1999 (23)
Martinek et al. – – – – – – – 13 von 28
2000 (59)
Noyes u. Barber- 1 von 11 2 von 11 – 1 von 6 – – – –
Westin 1997
(28)
Shapiro u. – 1 von 7 – – 4 von 7 – – –
Freedman 1995
(60)
Stannard et al. – 1 von 31 – – – – 1 von 26 –
2003 (56)
Stannard et al. 8 von 32 1 von 27 – 20 von 56 – – – –
2003 (65)
Walker et al. – – – – – – 4 von 13 –
1994 (7)
Wascher et al. – 2 von 13 – 1 von 13 – – 7 von 12 –
1999 (58)
Yeh et al. 1999 – – – – 25 von 25 9 von 25 – –
(8)
Ergebnisse (Videos 28-8, 28-9, DVD 4) 763

eine multidirektionale Instabilität. Über solitäre oder aufnahmen, variierten von 0 – 97 %, mit einem Durch-
kombinierte anteriore oder posteriore Instabilitäten schnitt von 56 %. Richter et al. berichteten, dass 56 %
wird häufiger als über mediale oder laterale Instabilitäten ihrer Patienten, die chirurgisch behandelt wurden, sport-
berichtet. 2 Beiträge berichteten ausschließlich über hin- liche Aktivitäten aufnahmen, im Gegensatz zu nur 17 %
tere Kreuzbandrekonstruktionen und hatten Versager in ihrer Patienten, die konservativ behandelt wurden. Sie
0 (5) bis 3 % der Fälle (56). Einer dieser Beiträge konzen- berichteten, dass 49 % das vorige Niveau erreichten, mit
trierte sich ausschließlich auf niederenergetische Knielu- 40 % Minderung um eine Niveaustufe und 10 % Min-
xationen (5), der andere berichtete über die Ergebnisse derung um 2 Niveaustufen, wenn man den IKDC-Score
bei kombinierten Tibial-Inlay- und Doppelbündel-PCL- verwendet.
Rekonstruktion (56). Interessanterweise sind in beiden Die 7 Studien, die nur über chirurgisch behandelte Pa-
Beiträgen Rehabilitationsprotokolle mit frühfunktioneller tienten berichteten, schildern, dass 76 % ihrer Patienten
Nachbehandlung untersucht worden. Ein anderer Beitrag gewisse Freizeit- oder sportliche Aktivitäten wieder auf-
berichtete über eine Gruppe von Patienten, die mit einem nahmen. Doch nur 39 % waren in der Lage, ihr Wettbe-
externen Bewegungsfixateur behandelt wurden, wo bei werbsniveau von vor der Verletzung zu erreichen (1, 4, 5,
nur 7 % instabile Ausheilungsergebnisse für alle Ligament- 7, 28, 56, 60). Es ist klar, dass große Fortschritte statt-
gruppen bestanden (61). Tab. 28.2 fasst die Ergebnisse gefunden haben, den Patienten mit Knieluxation ihre Fä-
der seit 1994 veröffentlichten Arbeiten zusammen. higkeit zur Wiederaufnahme sportlicher oder rekreativer
Aktivitäten zurück zu geben.
Wiedereinstieg ins Berufsleben
Ergebnis-Scores
Die Knieluxation ist eine schwere Verletzung, die oft mit
anderen Verletzungen einhergeht. Demzufolge können Die wichtigsten Ergebnis-Scores nach Knieluxationen
die Patienten Probleme haben, wieder ihr ursprüngliches sind der Meyers- (29), der Lysholm- und der IKDC-Score.
Beschäftigungsniveau zu erreichen. Mehrere Autoren Kombiniert man die Ergebnisse von 3 Studien ergeben
haben damit begonnen, über ihre Ergebnisse zu berich- sich 36 % ausgezeichnete, 50 % gute, 10 % mittelmäßige
ten, wobei die meisten Patienten wieder in der Lage wa- und 5 % schlechte Ergebnisse nach der chirurgischen Be-
ren, gewisse Arbeiten aufzunehmen (1, 7, 8, 28, 36, 56, handlung gemäß den Kriterien von Meyers (1, 18, 29).
60). Viele kehren nach modernen Rekonstruktionstech- Meyers verzeichnete 0 % ausgezeichnete, 8 % gute, 15 %
niken und verlängerter Rehabilitation zu intensiv kniebe- mittelmäßige und 77 % schlechte Ergebnisse nach nicht-
lastenden Berufen zurück. Die kombinierten Ergebnisse operativer Behandlung (29).
von 7 Studien zeigen, dass 93 % der Patienten wieder ar- 8 Studien wenden den Lysholm-Knie-Score nach Knie-
beitsfähig wurden, jedoch mussten 31 % leichtere Auf- luxationen an (1, 7, 8, 23, 25, 36, 56, 60). Der durch-
gaben oder weniger anspruchsvolle Arbeiten annehmen. schnittliche Score-Wert für alle Studien betrug 82,6 mit
Richter et al. (36) berichteten, dass nur 10 von 18 Patien- einer Spanne von 75 – 89. 2 Studien verwendeten den
ten mit Rekonstruktion chronischer Luxationen wieder in Lysholm-Score, um die Ergebnisse der konservativ behan-
den Beruf einstiegen (56 %), im Vergleich zu 50 von 59 delten Knieluxationen zu bewerten (25, 36). Der durch-
28
(85 %) mit akuten Luxationen. Aus der Mehrheit der Er- schnittliche Lysholm-Score in diesen beiden Studien be-
gebnisstudien wird ersichtlich, dass ein Wiedereinstieg trug 65,5. Die mit dem Lysholm-Knie-Score ermittelten
ins Berufsleben nach der chirurgischen Behandlung von Ergebnisse favorisieren klar die chirurgische Behandlung.
Knieluxationen möglich ist, einschließlich anspruchsvol- 4 Studien verwendeten das IKDC-Scoringsystem, um
ler Arbeiten. ihre Ergebnisse zu beschreiben (1, 23, 36, 59). Im IKDC-
Scoringsystem werden normale Kniegelenke in der Grup-
Wiederaufnahme von Sport oder pe A, fast normale Kniegelenke in Gruppe B, einge-
schränkte Kniegelenke in Gruppe C und erheblich einge-
Freizeitaktivitäten
schränkte Kniegelenke in Gruppe D zusammengefasst.
Ein Problem in der Literatur sind die unterschiedlichen Kombiniert man die 4 Studien, dann sind die Ergebnisse
Definitionen der Wiederaufnahme von Aktivität. Viele wie folgt: Gruppe A: 1 %, Gruppe B: 35 %, Gruppe C: 49 %
Patienten mit Knieluxationen üben keinen Leistungssport und Gruppe D: 16 %. Richter et al. berichten mittels IKDC
sondern Freizeitaktivitäten z. B. Jagen, Angeln oder Gar- über Ergebnisse nach konservativer Therapie. Sie ver-
tenarbeit aus. Weiter unten folgt eine Literaturübersicht zeichneten für Gruppe A 0 %, Gruppe B 6 %, Gruppe
und der Versuch, die Anzahl der Patienten zu ermitteln, C 53 % und Gruppe D 41 % (36). Erneut sind die chirurgi-
die das gleiche oder ein niedrigeres Aktivitätsniveau wie schen Behandlungsergebnisse deutlich besser als die der
vor ihrer Verletzung erreichten oder nur sitzende Aktivi- konservativen Behandlung.
täten durchführten.
Es wurden 9 Ergebnisstudien untersucht, die über Frei-
zeitaktivitäten nach Knieluxationen berichten. Die ver-
meldete Anzahl von Patienten, die wieder Aktivitäten
764 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Die Inzidenz signifikanter Poplitealarterienverletzun-


Zusammenfassung
gen variiert in der Literatur sehr: sie liegt zwischen 7
Die Anzahl der veröffentlichten Arbeiten, die mittels und 40 % (12, 20, 65–70). Diese Streubreite ist das Ergeb-
Scores ihre Ergebnisse beschreiben, ist in der neueren nis unterschiedlicher Methoden zur Diagnosestellung
Literatur dramatisch angestiegen. Die Daten zeigen meh- einer Arterienverletzung, der Definition einer wesentli-
rere Trends. Die operative Behandlung unter Anwendung chen Arterienverletzung und der Nachweisverfahren von
moderner Rekonstruktionstechniken führt im Vergleich Knieluxationen. Viele Autoren empfehlen eine routine-
zu konservativen Techniken zu deutlich überlegenen Er- mäßige Arteriografie bei allen Patienten mit Knieluxation
gebnissen. Bewegung und Schmerz bleiben weiterhin die (1, 20, 71–78; Abb. 28.30). Neuere Artikel haben die rou-
Hauptprobleme, aber beide scheinen sich mit intensiven tinemäßige Arteriografie in Frage gestellt und befürwor-
Rehabilitationsprogrammen und operativer Intervention ten dagegen ausdrücklich die selektive Arteriografie in
in Form der Narkoseuntersuchung oder der arthroskopi- Abhängigkeit vom klinischen Befund (12, 64, 65, 67–70,
schen Adhäsiolyse oder beidem zu verbessern. Instabilität 79, 80). Der Begriff selektive Arteriografie verdeutlicht die
trotz Operation ist problematischer, als dies viele Autoren Bedeutung der ärztlichen Untersuchung als primäres
zugeben. Die Stabilität zum Ausüben von Alltagsaktivitä- Screening-Instrument bei Verdacht auf Gefäßverletzun-
ten wird ohne weiteres erreicht, aber ausreichende Sta- gen im Zusammenhang mit einer Knieluxation. Arterio-
bilität für Sport und intensive Rehabilitation ist viel gramme werden selektiv nur bei Patienten gemacht, die
schwieriger zu erreichen. Die meisten Autoren sind sich bei der ärztlichen Untersuchung einen auffälligen Gefäß-
einig, lieber eine verbliebene Instabilität sekundär opera- status haben (65). Tab. 28.3 liefert eine Zusammenfassung
tiv anzugehen als sich einer ruhigstellungsbedingten Ar- der Ergebnisse von 6 retrospektiven (66–68, 80–82) und 2
throfibrose annehmen zu müssen. Die Ergebnisse in prospektiven Studien (65, 83), die die selektive Arterio-
Bezug auf Wiedereinstieg ins Berufsleben und die Wie- grafie bewerten. Die 8 Studien evaluierten 449 Patienten,
deraufnahme sportlicher Aktivitäten sind ermutigend, wobei in keinem Fall mit klinischer Untersuchung eine
obwohl viele Athleten nicht das ursprüngliche Leistungs- Gefäßverletzung übersehen worden wäre.
niveau erreichen können. Die Ergebnisse mit dem Lys- Unser Behandlungsprotokoll sieht die selektive Arterio-
holm-Knie-Score sind generell gut, mit einem durch- grafie vor. Eine sorgfältige Untersuchung der A. dorsalis
schnittlichen Score von 82,6 für alle Studien mit operati- pedis und der A. tibialis posterior, ggf. mit Doppler-Sono-
ver Therapie. Die IKDC-Scores der veröffentlichten Ergeb- grafie, bildet in Kombination mit der Gesamtanalyse von
nisse waren weniger ermutigend, vielleicht aufgrund der Hautfarbe und -temperatur der betroffenen Extremität
Tatsache, dass der Teil-Score der sich mit der Kniebeweg- die primären Diagnosewerkzeuge zur Abklärung der Not-
lichkeit (Formblatt zur Untersuchung des Knies) befasst, wendigkeit einer Arteriografie. Ist die Untersuchung un-
die niedrigsten Werte aller Teilkomponenten des Ge- auffällig, werden die Gefäße des Patienten ca. 4 – 6 Stun-
samt-Scores lieferte. Andere Scores lagen im Durchschnitt den später sowie nach 24 und 48 Stunden erneut unter-
der Teilkomponenten-Scores des IKDC. sucht; es wird jedoch keine primäre Angiografie durch-
geführt. Wenn irgendeine Seitendifferenz vorliegt oder
28 der Rettungsdienst über eine auffällige Durchblutungs-
Komplikationen
veränderung berichtet, sollte man eine Arteriografie in-
Komplikationen und unerwünschte Ergebnisse sind nach dizieren. Sollten irgendwelche Zweifel an der Qualität der
Knieluxationen sehr häufig. Nach diesen Verletzungen Durchblutung bestehen, ist eine Arteriografie oder Dopp-
kommt es oft zu Schmerzen, Bewegungsverlust und
Restinstabilität. Zusätzliche Komplikationen können in 2
Hauptkategorien eingeteilt werden: verletzungsbezogen
und behandlungsbezogen. Dieser Abschnitt konzentriert
sich auf verschiedene Komplikationen in Verbindung mit
Multiligament-Knieverletzungen.
Verletzungen der Kniekehlenarterie und -vene können
als Ergebnis der Verletzung oder Behandlung auftreten,
sie sind jedoch sicherlich häufiger das Ergebnis der Ver-
letzung. Aufgrund ihrer anatomischen Lagebeziehung ist
die A. poplitea gefährdet. Sie ist sowohl proximal im Ad-
duktorenkanal (Hunter-Kanal) als auch distal am Soleus-
bogen adhärent (63). Eine Ruptur der Arterie kann zu
katastrophalen Ergebnissen und Amputation führen,
weil der Kollateralkreislauf bei den meisten Individuen
für ein Überleben der unteren Extremität inadäquat ist
(11, 63–65). Abb. 28.30 Arteriogramm mit Gefäßabbruch im Popliteaseg-
ment infolge Knieluxation.
Ergebnisse (Videos 28-8, 28-9, DVD 4) 765

Tab. 28.3 Veröffentlichte Fälle, bei denen die klinische Untersuchung zur Indikation einer Arteriografie eingesetzt wurde.
Studie Anzahl Knie- Anzahl Patienten Davon Anzahl Anzahl Patienten Davon Anzahl
luxationen mit auffälligem Patienten mit chi- mit normalem Patienten mit chi-
Gefäßstatus (%) rurgischer Interven- Gefäßstatus (%) rurgischer Interven-
tion wegen Gefäß- tion wegen Gefäß-
verletzung (%) verletzung
Abou-Sayed et al. 53 17 (32 %) 8 (47 %) 36 (68 %) 0
2002 (81)
Martinez et al. 21 9 (43 %) 2 (22 %) 12 (57 %) 0
2001 (82)
Dennis et al. 1993 38 2 (5 %) 2 (100 %) 36 (95 %) 0
(80)
Kendall et al. 37 6 (16 %) 6 (100 %) 31 (84 %) 0
1993 (67)
Kaufman 1977 19 4 (21 %) 4 (100 %) 15 (79 %) 0
(66)
Treiman 1992 115 29 (25 %) 22 (75 %) 86 (75 %) 0
(68)
Prospektive Studien
Miranda et al. 32 8 (25 %) 6 (75 %) 24 (75 %) 0
2002 (83)
Stannard 2003 134 10 (7 %) 9 (90 %) 124 (93 %) 0
(65)
Gesamt 449 85 (19 %) 59 (69 %) 364 (81 %) 0

ler-Untersuchung zur Erhebung der Knöcheldrucke im sche Optionen bei neurogenem Spitz- und Fallfuss, die
Vergleich zum systemischen Blutdruck ratsam. die Funktion bemerkenswert verbessern können.
Nervenverletzungen der peronealen oder tibialen Ner- Infektionen und Wundheilungsprobleme können ent-
ven können Folge der Verletzung oder der Behandlung weder infolge der Verletzung (offene Luxationen) oder
sein. Eine Verletzung des Wadenbeinnervs tritt den Be- der chirurgischen Behandlung auftreten. Bei offener Re-
richten nach bei 10 – 42 % der Knieluxationen auf. Ein konstruktion nach Knieluxationen beträgt die veröffent-
kompletter Nervenausfall ist mit einer schlechten Prog- lichte Infektionsrate bis zu 12,5 % (62). Bei offenen Luxa-
28
nose verbunden, wobei nur 37 – 50 % der Patienten nach tionen sollen bis zu 42 % der Patienten eine Wundinfek-
konservativer Behandlung eine funktionelle Erholung er- tion haben (63, 85). Wundheilungsprobleme können bei
reichten (63, 84, 85). Die Indikationen für Neurolyse oder verfrühter Operation und aggressiven Rehabilitationspro-
Nerventransplantation werden kontrovers gesehen. Eini- tokollen häufiger auftreten. Zur Bestimmung des opera-
ge Autoren empfehlen aggressive Behandlungsprotokolle, tiven Timings ist eine kritische Evaluation des Weichteil-
die eine Revision mit Neurolyse oder eine Nerveninter- schadens ausschlaggebend. Wenn man den Weichteilen
position oder beides vorsehen. Der Therapieerfolg hängt einige Wochen zur Erholung lässt, kann die Inzidenz der
vom Ausmaß der Nervenverletzung ab, wobei sich Wundprobleme und Infektionen verringert werden. Ein
14 – 89 % auf Kraftgrad 3 oder 4 verbessern konnten weiteres Problem, das auftauchen kann, ist die Bildung
(84). Patienten, die eine Peronealnervenverletzung von Fisteln zwischen Kniegelenk und der Haut. Dieses
haben und der Wiederherstellung oder Rekonstruktion Problem scheint auch bei der Rehabilitation mit aggres-
der posterolateralen Ecke unterzogen werden, sollten zu- siver frühfunktioneller Therapie häufiger zu sein. Haben
mindest mit einer Neurolyse behandelt werden (63, 84). sich Fisteln einmal gebildet sind sie mit einfacher Explo-
Verletzungen des N. tibialis tauchen seltener auf als Ver- ration und Revision aufgrund des Weichteilschadens
letzungen des N. peroneus, treten aber häufig in Kom- meist nicht zu beherrschen. Die Deckung mit einer Lap-
bination mit Verletzungen der A. poplitea und des N. penplastik oder ein Kapselverschluss mittels Xenotrans-
peroneus auf. Verletzungen des N. tibialis haben eine plantat können eine widerspenstige Fistel eliminieren.
noch schlechtere Prognose als Verletzungen des N. pero- Heterotope Ossifikationen (HO) entstehen häufig nach
neus (12, 63). Ein Transfer der Tibialis-posterior-Sehne hochenergetischen Knieluxationen, doch in der Literatur
und eine Verlängerung der Achillessehne sind chirurgi- finden sich hierzu nur wenige Angaben. Stannard et al.
(17) berichteten über 57 Knieluxationen nach hochener-
766 28 Knieluxationen und Bandverletzungen

Eine falsche oder verzögerte Diagnose tritt häufig nach


stumpfem Trauma auf. Die Knieluxation ist eine der am
häufigsten übersehenen Verletzungen (62, 85). Die häu-
figste Ursache übersehener Luxationen ist die spontane
Reposition. Um dies zu verhindern bedarf es bei Patien-
ten nach stumpfem Trauma eines erhöhten Problembe-
wusstseins und einer sorgfältigen Untersuchung des
Knies. Die andere Möglichkeit besteht in einer häufigeren
Anwendung von MRT, vor allem bei Patienten mit ipsila-
teralen Frakturen und einem Kniegelenkerguss. Nach
nichtdiagnostizierter Knieluxation resultieren häufig
Schmerzen, Instabilität und Bewegungseinschränkungen.
Noch wichtiger ist, dass das Übersehen einer spontan
reponierten Knieluxation zur Amputation der Extremität
führen kann, wenn eine signifikante Verletzung der Knie-
kehlenarterie nicht sofort erkannt wird.
Kniegelenkluxationen sind mit einer hohen Inzidenz
von Komplikationen verbunden, sowohl aufgrund der
Abb. 28.31 Viertgradige heterotope Ossifikation nach Knielu- Verletzung als auch der chirurgischen Therapie. Auch un-
xation. erwünschte Ergebnisse sind häufig. Die hohe Gewaltein-
wirkung, die für eine Knieluxation notwendig ist, erklärt
getischem stumpfem Trauma. Die Inzidenz einer HO lag wahrscheinlich, dass diese Verletzung immer mit einem
bei 26 %, davon in 12 % Grad 3 (mehr als 50 % des Gelenk- hohen Komplikationsrisiko einhergeht. Die Einsicht hie-
spalts) oder 4 (Versteifung des Gelenks; Abb. 28.31). Am rüber hat zu besseren Ergebnissen durch Früherkennung
häufigsten tritt die HO medial auf, am zweithäufigsten und optimierte Behandlung wie auch angepassten Be-
posterior. Wesentlich mehr Patienten mit HO als Patien- handlungsstrategien geführt.
ten ohne HO entwickelten eine Arthrofibrose. Außerdem
bestand eine signifikante Korrelation zwischen der Ent-
stehung einer HO am Knie und an anderen anatomischen Merke
Stellen. Es bestand ein klarer Trend zur HO nach offener ■ Die Ergebnisse sind nach der chirurgischen Rekonstruk-
Knieluxation oder Infektion (17). Es gibt keine klaren An- tion bei weitem günstiger als nach konservativer Be-
gaben dazu, welche Rolle (wenn überhaupt) die frühzei- handlung.
tige Bewegung oder die Operation in der Akutphase bei ■ Der Bewegungsumfang liegt bei der Anwendung mo-
der Entwicklung einer HO haben könnten. Bei Patienten, derner Operationstechniken bei einem durchschnitt-
die eine positive Anamnese für eine HO haben oder in lichen Umfang von 121°.
28 Fällen einer offenen Knieluxation, sollte eine Ossifikati- ■ 38 % Prozent der Patienten erfordern einen chirurgi-
onsprophylaxe in Betracht gezogen werden. schen Eingriff (Manipulation unter Narkose oder arthro-
Die Osteonekrose des medialen Femurkondylus ist eine skopische Lyse von Adhäsionen), um den Bewegungs-
Komplikation der chirurgischen Behandlung. Hierüber umfang nach der Bandrekonstruktion zu verbessern.
wurde nach hinterer Kreuzbandrekonstruktionen berich- ■ Praktisch alle konservativ behandelten Patienten leiden
tet (86). Patienten klagen über Schmerzen im Bereich der nach der chirurgischen Rekonstruktion an irgendeiner
medialen Femurkondyle. Radiologisch zeigt sich eine Ab- Bandinstabilität.
flachung der Gelenkfläche und eine Transparenz des ■ 93 % der Patienten beginnen wieder zu arbeiten, wobei
Kondylus. Ätiologische Faktoren sind das Bohren des fe- 31 % leichtere Aufgaben oder einen weniger anspruchs-
moralen Kanals zu nah an der Gelenkfläche und intra- vollen Beruf ausüben müssen.
operativ extensive Weichteildissektion über dem Kon-
■ Die Inzidenz wesentlicher Verletzungen der Kniekehlen-
dylus. arterie variiert in der Literatur von 7 – 40 %. Größere
Die posttraumatische Gonarthrose ist eine weitere moderne Studien befinden sich am unteren Ende dieses
Komplikation der Verletzung, über die in der Literatur Bereichs.
■ 10 – 42 % der Knieluxationen weisen Verletzungen des
zu wenig berichtet wird. Almekinders u. Logan (19)
Wadenbeinnervs auf, wobei weniger als die Hälfte der
haben bei einem Follow-up von durchschnittlich 40 Mo-
Verletzungen eine funktionelle Erholung erreichen.
naten über degenerative Veränderungen bei allen ihren
■ Bei 25 % der Knieluxationen entwickelt sich eine hetero-
Patienten berichtet. Im Gegensatz dazu stellten 3 andere
tope Ossifikation.
Arbeiten postoperativ nur minimale degenerative Ver-
änderungen fest (5, 8, 60). Die meisten Autoren sind
sich einig, dass die operative Stabilisierung die Inzidenz
und Schwere der posttraumatischen Arthrose reduziert.
Literatur 767

Inhalt der DVDs

Video 28-1 (DVD 4) Doppelbündel Inlay Rekonstruktion des Video 28-6 (DVD 4) Anlage eines Bewegungsfixateurs am
hinteren Kreuzbandes. Diese Video zeigt die „anatomische Kniegelenk (Compass Knee Hinge External Fixateur). In
hintere Kreuzbandrekonstruktion“ unter Verwendung eines diesem Video wird Schritt für Schritt die Anlage eines Bewe-
Achillessehnen-Allografts mit zwei femoralen Kanälen. Es gungsfixateurs am Kniegelenk erklärt. Die Technik zur Be-
wird auch die tibiale Inlay-Technik über einen posteromedia- stimmung des isometrischen Punktes an den Femurkon-
len Zugang gezeigt. dylen wird demonstriert.
Video 28-2 (DVD 4) Vordere Kreuzbandrekonstruktion mit- Video 28-7 (DVD 4) Bone-Tendon-Bone-Rekonstruktion des
tels Semitendinosus-/Grazilissehne. In diesem Video wird vorderen Kreuzbandes mit bioresorbierbaren Pins. Dieses
eine vordere Kreuzbandersatzplastik unter Verwendung Video beschreibt die Rekonstruktion des vorderen Kreuzban-
einer autogenen Hamstring-Sehne mit Transfixation über des unter Verwendung eines Patellarsehnendrittels mit an-
bioresorbierbare femorale Pins gezeigt. hängenden Knochenblöcken (so genannte Bone-Tendon-
Video 28-3 (DVD 4) Rekonstruktion der posterolateralen Bone-Technik) und Transplantattransfixation über bioresor-
Ecke. In diesem Video wird die Rekonstruktion der postero- bierbare Pins. Vorteile dieser Technik sind die quere Trans-
lateralen Ecke in modifizierter Doppelbündeltechnik unter fixation des Transplantats mit bioresorbierbaren Pins, was im
Verwendung entweder eines Tibialis-anterior- oder Tibialis- Bedarfsfall Revisionseingriffe erleichtert.
posterior-Autografts gezeigt. Methoden zur Bestimmung Video 28-8 (DVD 4) Anatomische Rekonstruktion des vor-
des isometrischen Punktes am lateralen Femurkondylus wer- deren Kreuzbandes in Doppelbündeltechnik. In diesem
den erläutert. Video wird das Konzept der Doppelbündeltechnik zum vor-
Video 28-4 (DVD 4) Rekonstruktion der posteromedialen deren Kreuzbandersatz inklusive der anatomischen Grund-
Ecke mittels Semitendinosussehne. Das Video demonstriert lage für deren Anwendung beschrieben. Zudem wird die
die Rekonstruktion der posteromedialen Ecke unter Verwen- Doppelbündelrekonstruktion des vorderen Kreuzbandes
dung einer Semitendinosussehne. Bei dieser Technik werden unter Verwendung eines Tibialis-anterior-Allografts mit Endo-
sowohl das tiefe mediale Kollateralband als auch das hintere button (Smith & Nephew Endoscopy, Memphis, Tennessee)
Lig. obliquum rekonstruiert. und bioresorbierbarer tibialer Interferenzschraube erläutert.
Video 28-5 (DVD 4) Rekonstruktion der posteromedialen Video 28-9 (DVD 4) Posterolaterale Bündelrekonstruktion
Ecke mittels Allograft. Diese Video zeigt die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes. Das posterolaterale Bündel des
der posteromedialen Ecke unter Verwendung eines Allo- vorderen Kreuzbandes kann bei intaktem anteromedialen
grafts der Tibialis-anterior- oder -posterior-Sehne mit Schrau- Bündel rupturiert sein. Dieses Video zeigt die isolierte Rekon-
ben und Unterlegscheibe am isometrischen Punkt der me- struktion des posterolateralen Bündels mit einem Tibialis-an-
dialen Femurkondyle und nahe der Pes anserinus Insertion terior-Allograft.
an der Tibia.

28
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770 29 Tibiakopffrakturen

29 Tibiakopffrakturen
J. P. Stannard, S. L. Martin
Übersetzer: C. Frank

Frakturen des Tibiakopfs sind komplizierte, schwierig zu Komplikationen und bessere Ergebnisse nach Tibiakopf-
behandelnde Verletzungen. Sie können bei älteren Pa- frakturen erzielt (10, 12, 15, 20–22).
tienten mit osteoporotischem Knochen die Folge von Ba- Parallel zur Akzeptanz der großen Bedeutung von
gatelltraumen sein, deren Frakturmuster und assoziierte Weichteilzusatzverletzungen bei Tibiakopffrakturen wur-
Weichteilverletzungen häufig in guten Ergebnissen resul- den zahlreiche Fortschritte im Hinblick auf Fixationssys-
tieren (1–7). Alternativ können Tibiakopffrakturen nach teme und Stabilisierungstechniken entwickelt. Diese
Stürzen aus großer Höhe in Verbindung mit schweren Fortschritte haben bei Tibiakopffrakturen die Zugangs-
Weichteilverletzungen am Knie auftreten (Abb. 29.1). Die wege, Operationstechniken, Komplikationen und Ergeb-
Prognose dieser Verletzungen ist häufig weniger günstig nisse verändert. Beispiele der modernen Entwicklung
(8–14). Die funktionellen Ergebnisse nach Tibiakopffrak- sind die Anwendung von Kleinfragment-Fundament-
turen hängen gewöhnlich von der Art der begleitenden schrauben (23, 24), limitierte Zugänge bei winkelstabiler
Weichteilverletzungen ab. Der Zustand der Weichteile ist Plattenosteosynthese (20, 25–28), die Anwendung von
der entscheidende Faktor bei der Planung eines operati- Ring-/Hybridfixateuren (21, 29–39), arthroskopische As-
ven Eingriffs (15). Zusatzverletzungen der Haut, Knie- sistenz bei Tibiakopffrakturen (15, 40), intraoperative 3D-
band- und Meniskusverletzungen, Gefäß- und Nervenlä- Bildgebung und die Anwendung von injizierbarem Kalzi-
sionen sind allesamt mindestens genauso wichtig wie die umphosphat-Knochenzement zur besseren Augmentati-
Schwere der knöchernen Verletzung, wenn es um die on von Impressionsfrakturen (41–43). Dieses Kapitel kon-
Abschätzung des möglichen funktionellen Ergebnisses zentriert sich auf chirurgische Techniken einschließlich
und der Wahrscheinlichkeit von Komplikationen geht. der oben aufgezählten Fortschritte in der Versorgung
Dabei ist das Kompartmentsyndrom eine weitere Kom- der Tibiakopffraktur.
plikation, die sich nachteilig auf das Ergebnis dieser Ver-
letzung auswirken kann (10, 13, 15, 16). Frakturen nach
hochenergetischen Traumen mit schweren Weichteilver- Klassifikation
letzungen, die mit offener Reposition und innerer Fixie-
rung (ORIF) behandelt wurden, führten gerade nach aus- Klassifikationssysteme sollten entweder Angaben zu
gedehnten Zugängen zu schlechten Ergebnissen und Schweregrad und Prognose der Verletzungen oder Ent-
einer hohen Inzidenz von Komplikationen (4, 8, 9, 14, scheidungshilfen zur erforderlichen Behandlung bieten.
17–19). Die heutigen Chirurgen, die in Bezug auf die Dabei ist es sehr hilfreich Tibiakopffrakturen nach der
Weichteile kritischer sind, haben in Kombination mit ge- einwirkenden Energie (hoch- und niederenergetische
schlossenen Repositionstechniken und begrenzten Ope- Muster) einzuteilen, was Fragen aufwirft, die sich zwi-
rationszugängen einen bemerkenswerten Rückgang von schen der anzuwendenden Fixierung bis hin zur Wahr-
29 scheinlichkeit von Komplikationen bewegen. Es gibt 2
wichtige Klassifikationssysteme, die von orthopädischen
Chirurgen häufig angewendet werden. Das erste ist das
von Schatzker (7) vorgeschlagene System, das die Tibia-
kopffrakturen in 6 verschiedene Gruppen unterteilt
(Abb. 29.2). Das zweite ist das von der Arbeitsgemein-
schaft für Osteosynthesefragen (AO) entwickelte und
von der Orthopaedic Trauma Association (OTA; 44) über-
nommene System (Tab. 29.1). Ein Schwachpunkt beider
Klassifikationssysteme ist, dass sie keinerlei Informatio-
nen bezüglich der Begleitverletzungen der Weichteile
vermitteln. Frakturdislokationen können unter Anwen-
dung eines im letzten Kapitel beschriebenen Klassifikati-
onssystems für die anatomische Kniedislokation klassifi-
ziert werden.
Das Klassifikationssystem von Schatzker ist das nütz-
lichste und am häufigsten eingesetzte System für Tibia-
Abb. 29.1 Offene Typ-IIIC-Tibiakopffraktur nach Quetschtrau- kopffrakturen (3, 10, 15). Die Frakturen der Typen I–III
ma. umfassen die lateralen Schienbeinkopfbrüche und wer-
Klassifikation 771

I II III

IV V VI

Abb. 29.2 Schatzker-Klassifikation der Tibiakopffrakturen.

Tab. 29.1 Arbeitsgemeinschaft für Ostheosynthesefragen / Orthopaedic Trauma Association (AO/OTA) Frakturklassifikation für
Tibia/Fibula.
Knochen Lokalisation Typen Gruppen
29
4 (Tibia/Fibula) 41 (proximales 41A (extraartikulär) 41A1 Ausriss
Segment) 41A2 metaphysär einfach
41A3 metaphysär, mehrfragmentär
41B (partiell artikulär) 41B1 reiner Spaltbruch
41B2 reiner Impressionsbruch
41B3 Impressions-Spaltbruch
41C (komplett artikulär) 41C 1 artikulär und metaphysär einfach
41C 2 artikulär einfach und metaphysär multifragmentär
41C 3 artikulär multifragmentär

den häufig mit niederenergetischen Verletzungen in Ver- traler Impressionsbruch des Tibiaplateaus wie ursprüng-
bindung gebracht. Typ I ist ein Spalt- oder Keilbruch, der lich beschrieben. Dieses Bruchmuster finden wir bei älte-
bei jungen Patienten auftreten kann. Meniskusrisse sind ren Patienten als Folge von Verletzungen mit niedrigerer
häufig mit diesem Frakturtyp assoziiert und können eine Gewalteinwirkung. Die Typen IV–VI sind das Resultat
Reposition der Fraktur verhindern. Typ II ist ein Spaltim- hochenergetischer Verletzungen, die oft mit Begleitver-
pressionsbruch. Dieses Muster betrifft oft Patienten im letzungen der Weichteile einhergehen. Typ IV ist eine
5. Lebensjahrzehnt oder später. Typ III ist ein reiner zen- Verletzung der medialen Kondyle des Tibiaplateaus.
772 29 Tibiakopffrakturen

Diese Verletzungen treten seltener auf als laterale Frak- Tab. 29.2 Modifizierte Einteilung der Luxationsfrakturen nach
turen und können mit vaskulären, neurologischen oder Schenck.
Bandverletzungen einschließlich Knieluxationen einher- Typ Ligamentverletzung
gehen. Typ V ist eine bikondyläre Tibiakopffraktur, die
V.1 Luxationsfraktur, entweder ACL oder PCL intakt
häufig einem umgekehrten Y ähnelt. Die Metaphyse und
Diaphyse behalten in Verletzungen des Typs V ihre Kon- V.2 Luxationsfraktur, ACL und PCL zerrissen
tinuität. Typ VI ist ein Bruch mit Trennung von Metaphy- V.3 M Luxationsfraktur, ACL, PCL und PMC zerrissen
se und Diaphyse. Diese Fraktur ist häufig die Folge hoch- V.3 L Luxationsfraktur, ACL, PCL und PLC zerrissen
energetischer Verletzungen, häufig mit ausgedehnten
Trümmerzonen und bikondylärer Beteiligung. Begleiten- V.4 Luxationsfraktur, ACL, PCL, PMC und PLC zerrissen
de ligamentäre und vaskuläre Verletzungen sind möglich ACL = vorderes Kreuzband, PCL = hinteres Kreuzband, PLC = posterolate-
(3). Bei dieser Verletzung kann die Haut stark geschädigt rale Ecke, PMC = posteromedialer Komplex

sein, was eine sorgfältige Evaluierung erfordert. Bei allen


Mustern außer dem Typ I können eingestauchte Gelenk-
fragmente auftreten, die eine Frakturaufrichtung und Zuletzt ist eine KD-V.4-Verletzung eine Tibiakopfluxati-
Knochentransplantation zur Unterfütterung erforderlich onsfraktur mit Rupturen aller 4 Hauptligamentgruppen,
machen. die das Knie stützen.
Die AO/OTA-Klassifizierung bezeichnet die Tibia mit
der Nummer 4 und den proximalen Anteil des Knochens
mit der Nummer 1. Folglich tragen alle Tibiakopffraktu- Konservative Behandlung
ren die Bezeichnung 41. Dann wird ein Buchstabe zur
Klassifizierung der Frakturen hinzugefügt. Der Buchstabe Die Entscheidung zur geschlossenen Therapie einer
A bezeichnet eine proximale Fraktur, die nicht in das Schienbeinkopffraktur anstelle chirurgischer Stabilisie-
Kniegelenk zieht. Eine Fraktur des Typs B ist eine unikon- rung ist multifaktoriell. Wichtige Faktoren sind Kniesta-
dyläre Verletzung und entspricht den Schatzker-Typen I– bilität, Zustand des Weichteilmantels, andere Skelettver-
IV. Obwohl es sich bei vielen Frakturen in der Gruppe 41B letzungen, Frakturmuster, der medizinische Zustand des
um niederenergetische Verletzungen handelt, sind Frak- Patienten und seine Ansprüche. Bevor man das ideale
turen des medialen Kondylus eine wichtige Ausnahme. Behandlungsprotokoll für einen Patienten mit Tibiakopf-
Eine 41C-Fraktur ist eine bikondyläre Verletzung und ent- fraktur bestimmt, sollte eine gründliche Untersuchung
spricht Schatzkers Verletzungstypen V und VI. Dabei han- des Knies vorgenommen und entsprechende diagnosti-
delt es sich gewöhnlich um hochenergetische Verletzun- sche Untersuchungen eingeholt werden. Der Chirurg soll-
gen. Jede der Subgruppen (41A, 41B und 41C) wird in 9 te insbesondere den neurovaskulären Zustand, den Grad
weitere Muster gegliedert. Einer der wichtigsten Vorteile der Schwellung, den Zustand der Kompartimente des Un-
der AO/OTA-Klassifizierung liegt in ihrer Präzision und terschenkels und den Zustand der Haut berücksichtigen.
Detailgenauigkeit mit 27 Subklassifizierungen. Dies ist Handelt es sich um eine geschlossene Fraktur, sollte sie
für Forschung und klinische Erfolgsstudien von enormem gemäß Tschernes System zur Einstufung geschlossener
Vorteil, denn es wird ein Vergleich identischer Fraktur- Frakturen klassifiziert werden (12). Der Zustand der
typen ermöglicht. Die Klassifizierung ist aber mühsam Weichteile ist entscheidend, und die Angewohnheit, den
29 und nur schwer anwendbar, wenn man im klinischen Zustand der Weichteile zu klassifizieren, garantiert eine
Alltag mehr als die 3 Hauptgruppen anwenden will. sorgfältige Untersuchung. Grad 0 weist auf fehlende oder
Tibiakopffrakturen, die mit schweren Begleitverletzun- unbedeutende Weichteilverletzungen hin. Grad 1 ent-
gen der Ligamente einhergehen, sind bemerkenswert an- spricht oberflächlichen Schürfungen oder Kontusionen.
dersartige Verletzungen als Frakturen mit intakten Liga- Grad 2 sind entweder tiefe kontaminierte Schürfungen/
menten. Luxationsfrakturen können unter Anwendung Kontusionen oder ein drohendes Kompartmentsyndrom.
der anatomischen Klassifikation für Knieluxationen wie Diese Verletzungen sind die Folge eines direkten Trau-
in Kap. 28 beschrieben klassifiziert werden, mit einer mas. Zu Grad 3 gehören ausgedehnte Hautkontusion
Modifikation zur Bezeichnung der spezifischen verletzten oder -quetschung mit schwerer Muskelschädigung, Haut-
Ligamente. Die Modifikation (45), die wir vorgeschlagen ablederung, Kompartmentsyndrom oder eine schwere
haben, verwendet einen Dezimalpunkt und eine Num- Blutgefäßverletzung in Verbindung mit der Fraktur.
mer zur Bezeichnung der verletzten Ligamente Schwere Weichteilschäden sollten sich erst über 1 – 3
(Tab. 29.2). Eine Fraktur des Typs 1 ist eine Luxationsfrak- Wochen erholen, bevor man extensive Hautschnitte
tur ohne Verletzung beider Kreuzbänder (KD-V.1). Eine durch die verletzten Weichteile vornimmt.
KD-V.2 ist eine Luxationsfraktur mit Verletzung beider Entsprechend sind vor der Festlegung des strategischen
Kreuzbänder, jedoch mit intakten medialen und lateralen Vorgehens bei Patienten mit Tibiakopfbrüchen bildgeben-
Ligamenten. KD-V.3 ist eine Luxationsfraktur mit Verlet- de Untersuchungen wichtig. Erste Röntgenbilder sollten
zung beider Kreuzbänder und entweder einem Riss des eine qualitativ hochwertige standardisierte a.–p. und la-
medialen oder lateralen Bandapparats, aber nicht beiden. terale Röntgenaufnahme des Knies mit proximaler Tibia
Konservative Behandlung 773

beinhalten. Reicht die Fraktur weit nach distal, sollten MRT nach Frakturen des Tibiakopfs verdeutlichen (47–
standardisierte Zweiebenenaufnahmen des Unterschen- 52). Yacoubian et al. stellten fest, dass die Ergänzung der
kels angeordnet werden. Schräge Zusatzaufnahmen und konventionellen Röntgenaufnahmen und CT durch MRT
ein um 10° kaudal eingeschwenktes Röntgenbild können bei 52 Patienten in 21 % der Fälle zu einer Änderung der
ebenfalls hilfreich sein (3, 10, 12). Denkbare gehaltene Frakturklassifizierung und in 23 % der Fälle zu Änderun-
und Zugaufnahmen werden von den Verletzten ohne An- gen im Behandlungsplan führte (52). Die MRT verbesserte
ästhesie meist nicht toleriert, können aber ebenfalls auch die Interobserver-Übereinstimmung in Bezug auf
wichtige Zusatzinformationen bieten. In vielen Fällen die- Frakturklassifizierung und Behandlungsplan. Holt et al.
ser komplexen Frakturen warten wir zunächst ab und berichteten, dass die MRT in 48 % der Fälle zu einer Än-
holen diese Aufnahmen dann unter Narkose ein, entwe- derung der Frakturklassifizierung und in 19 % ihrer Pa-
der unter Anwendung von Durchleuchtung oder konven- tienten zu einer Änderung des Behandlungsplans führte
tionellen Röntgenaufnahmen. In den meisten Unfallklini- (49). Sie meldeten auch eine Inzidenz von 48 % von zuvor
ken hat die Computertomografie (CT) mit sagittalen und unerkannten Weichteilschäden am Knie, einschließlich
koronaren Rekonstruktionen die mehrdimensionale CT zweier spontan reponierter Knieluxationen. Bennett u.
zur Evaluierung des artikulären Verletzungsausmaßes Browner bestätigten die Bedeutung der begleitenden
und der detaillierten Frakturgeometrie ersetzt (46). Die Weichteilschäden am Knie (53). Sie entdeckten eine Inzi-
CT-Diagnostik kann bei der präoperativen Planung der denz von 56 %, wobei sie eine Kombination von Arthro-
Reposition und der Frakturversorgung sehr hilfreich skopie und Untersuchung in Vollnarkose anwandten.
sein. Noch wichtiger wird sie, wenn minimalinvasive Unser Protokoll der letzten 3 Jahren für Tibiakopffraktu-
Techniken zur Frakturstabilisation vorgesehen sind. ren, die als Folge eines hochenergetischen Verletzungs-
Die Rolle der Kernspintomografie (MRT) bei Patienten mechanismus auftauchen, beinhaltet das Anfertigen von
mit Tibiakopffrakturen ist kontrovers und noch unklar (3, MRTs als Teil des diagnostischen Algorithmus des Patien-
10). In den letzten 10 Jahren wurden jedoch zahlreiche ten (Abb. 29.3). Wir haben 103 Patienten nach Tibiakopf-
Manuskripte veröffentlicht, die die Rolle und Vorteile der frakturen mit MRT evaluiert. Es wurden zahlreiche

Abb. 29.3 Bikondyläre Tibiakopffraktur.


a A.–p. Röntgenaufnahme.
b Laterale Röntgenaufnahme.
c Ruptur des vorderen Kreuzbands
(MRT-Aufnahme).
d Avulsionsverletzung des hinteren
Kreuzbands (MRT-Aufnahme).

29

a b

c d
774 29 Tibiakopffrakturen

Tab. 29.3 Weichteilschäden nach Tibiakopffrakturen, die mit MRT nachgewiesen wurden.
Autor Frakturen mediale Menis- laterale Menis- ACL PCL PMC PLC
kusläsion kusläsion
Barrow et al. (47) 31 10 17 7 0 3 3
Holt et al. (49) 21 5 1 3 3 0 4
Kode et al. (50) 22 3 9 6 1 5 0
Shepherd et al. (51) 20 11 12 2 0 6 1
Stannard et al. (27) 103 25 35 45 41 16 46
Gesamt 197 54 (27 %) 74 (38 %) 63 (32 %) 45 (23 %) 30 (15 %) 54 (27 %)
ACL = vorderes Kreuzband, PCL = hinteres Kreuzband, PLC = posterolaterale Ecke, PMC = posteromedialer Komplex

Weichteilschäden des Knies entdeckt, einschließlich 25 und anderer Faktoren wie Begleitverletzungen getroffen
mediale Meniskusrisse, 35 laterale Meniskusrisse, 45 vor- werden.
dere Kreuzbandrisse, 41 hintere Kreuzbandrisse, 16 Rup- Die Ergebnisse zum Verlauf der Behandlung im Gips
turen der posteromedialen Ecke oder Innenbandrisse oder Orthese fallen unterschiedlich aus und hängen oft
(MCL) und 46 PLC-Risse. Bei Patienten mit schweren Ti- von Muster und Stabilität der Verletzung ab (56–60). Die
biakopffrakturen kann man die meisten dieser Verletzun- wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Verlauf
gen durch eine alleinige klinische Untersuchung nur sehr ist adäquate Stabilität, um frühe Bewegung zu ermögli-
schwer zuverlässig entdecken. In Tab. 29.3 wird das Auf- chen (58, 59). Bei sowohl bikondylären als auch Spalt-
treten von Weichteilschäden am Knie aus 4 veröffentlich- frakturen wurde festgestellt, dass sie bei Behandlung
ten Studien, kombiniert mit unseren Daten, zusammen- mit geschlossener Reposition und Gips im Vergleich zu
gefasst (47, 49–51). Die veröffentlichten Daten demons- ORIF weniger günstig verlaufen (56, 60). Bei 10 – 32 %
trieren, dass zwischen 48 und 90 % der Patienten mit der Frakturen verzeichnete man schlechte Ergebnisse
Tibiakopffrakturen erhebliche Begleitverletzungen der (56, 58–60). Patienten mit erheblicher Knieinstabilität
Weichteile am Knie haben. Unsere Daten zu 103 Patien- sind keine guten Kandidaten für die Ausbehandlung im
ten sind mit einer Inzidenz von 71 % Weichteilschäden Gips. Deswegen ist bei Patienten, die eventuelle Kandida-
am Knie nach Tibiakopffraktur ähnlich. Das Einholen ten für eine definitive konservative Behandlung sind, eine
von MRT-Schichten führt oft zu einer Änderung des Be- sorgfältige klinische Untersuchung wichtig. Sollte es ir-
handlungsplans für Patienten nach Tibiakopffraktur (47– gendwelche Bedenken in Bezug auf ligamentäre Stabilität
53). Die veröffentlichten Daten unterstützen ausdrücklich geben, sollte eine MRT des Knies angefertigt werden. Bei
die Bedeutung der MRT bei Patienten nach hochenerge- Patienten, die mit Reposition und Gips anbehandelt wur-
tischen Frakturen des Tibiakopfs. den, sollte man früh mit einer funktionellen Bewegung
Die meisten Patienten mit erheblichen Weichteilschä- mit begrenzter Belastung beginnen.
den am Knie werden von einer chirurgischen Behandlung
29 ihrer Frakturen profitieren.
Die konservative Behandlung unter Anwendung von Indikationen für die chirurgische
Orthese mit Scharniergelenk eignet sich für manche Frak- Behandlung
turen des Tibiakopfs. Zu den Indikationen für ein konser-
vatives Management können folgende Frakturen gehö- Die Entscheidung zur operativen Therapie einer Tibia-
ren: kopffraktur sollte ebenfalls multifaktoriell sein und
■ nichtdisloziert oder minimal disloziert (< 3 mm; 10, 54, muss dem Patienten, dem Frakturcharakter und dem
55), Operateur gerecht werden. Zu berücksichtigende Aspekte
■ stabil gegen Varus- und Valgusstress, in Bezug auf den Patienten sind Alter, Aktivitätslevel, Be-
■ periphere submeniskale Frakturen, ruf, Begleitverletzungen und medizinische Grunderkran-
■ niederenergetische Frakturen mit minimaler Trümmer- kungen. Zu den wichtigen Aspekten in Verbindung mit
zone, der Fraktur gehören das Bruchmuster, das Ausmaß mög-
■ anspruchslose Unfallverletzte mit Kontraindikationen licher Trümmerzonen, Dislokation, Gelenkimpressionen,
für eine Operation. der Verletzungsmechanismus oder die zum Zeitpunkt
der Verletzung auf das Gewebe einwirkende Energie,
Die Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff gegen- der Zustand der die Fraktur umgebenden Weichteile,
über der konservativen Behandlung muss individuell und und die Stabilität des Knies. Auf den Chirurgen bezogene
unter Berücksichtigung der vorhergehenden Indikationen Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, sind die Er-
Operative Behandlung 775

Tibiakopffrakturen

offene Fraktur,
Kompartmentsyndrom,
Gefäßverletzung

Notfall, sofortige Operation


geschlossene Fraktur

Jetlavage und Débridement oder


niederenergetisch hochenergetisch Fasiotomie oder Gefäßrekonstruktion
bei stabilem Verletzten und je nach Weichteilen
offene Reposition und interne Osteosynthese
MRT
CT oder MRT oder Fixateur externe
bei verzögerter Osteosynthese

isolierte knöcherne
offene Reposition Bandverletzung
Verletzung
und interne
Osteosynthese mit
Schrauben oder
Abstützplatte meistens offene Einbandverletzung multiple Bandverletzungen
Reposition und interne (grob stabil)
Osteosynthese mit
winkelstabiler Platte oder frühsekundäre offene
Ring-/Hybridfixateur offene Reposition und Reposition und interne
interne Osteosynthese Osteosynthese mit
mit winkelstabiler Platte winkelstabiler Platte
oder Ring-/Hybridfixateur
mit verzögerter Band-
rekonstruktion
falls erforderlich

Abb. 29.4 Vorgehen bei Tibiakopffrakturen. S & D = Spülung und Débridement, ORIF = offene Reposition und innere Fixierung,
Ex Fix = Fixateur externe.

fahrung des Operationsteams und die apparative Ausstat- eine frühe Mobilisierung des Patienten verhindern,
tung des OP-Bereichs. wenn das Knie nicht operativ behandelt wird (2, 3, 10,
Der lokale Weichteilzustand ist der wichtigste zu be- 12, 15). Abb. 29.4 zeigt unser Vorgehen bei Tibiakopffrak- 29
rücksichtigende Faktor vor einem chirurgischen Eingriff. turen.
Schwere Schäden des Weichteilmantels sind die häufigste
Kontraindikation für die frühe chirurgische Behandlung
von Tibiakopffrakturen (15). Es ist wichtig, den Weichteil-
zustand zu klassifizieren und diesen Faktor sowohl bei
Operative Behandlung
offenen als auch geschlossenen Frakturen zu berücksich-
tigen. Das Aufschieben der definitiven chirurgischen Be-
Chirurgische Anatomie
handlung bis zum Zeitpunkt optimaler Weichteile redu-
ziert das Komplikationsrisiko (10). Das mediale Plateau ist größer und stärker als das laterale
Zu absoluten Operationsindikationen gehören offene Plateau und im Gegensatz zur konvexen lateralen Seite
Frakturen, begleitende Kompartmentsyndrome und Frak- konkav geformt. Es ist wichtig, diese Anatomie im Auge
turen in Verbindung mit Gefäßverletzungen (15). Dring- zu behalten, wenn man von lateral subchondrale oder
liche Indikationen für eine chirurgische Stabilisierung Fundamentschrauben einsetzt, damit intraartikuläre
umfassen die meisten der dislozierten bikondylären und Schraubenlagen vermieden werden. Der laterale Menis-
medialen Kondylenfrakturen, laterale Plateaufrakturen, kus bedeckt einen viel größeren Anteil der Gelenkfläche
die zu Gelenkinstabilität führen, Kondylenverbreiterun- als der mediale (44). Meniskotibiale Ligamente verbinden
gen von mehr als 5 mm, Luxationsfrakturen des Knies die Menisken mit dem seitlichen Tibiakopf und müssen
und Frakturen beim polytraumatisierten Patienten, die nach peripheren Meniskusrissen oder submeniskalen Ar-
776 29 Tibiakopffrakturen

Abb. 29.5 Mit Haltefäden armierter Meniskus zur


Versorgung einer peripheren Meniskusläsion nach
offener Reposition und innerer Stabilisierung einer
Schienbeinkopffraktur mithilfe einer submeniskalen
Arthrotomie.

Patella
Knie 90°
gebeugt

laterale
Kondyle
Lig. collaterale laterale
Gelenk-
angehobener kapsel
Meniskus

Insertion
des M. tractus
iliotibialis an
der Tibia
Frakturlinie

N. peronealis

throtomien wiederhergestellt werden. Es empfiehlt sich,


Chirurgische Zugänge
die Meniskusversorgung vor der Frakturreposition vor-
zunehmen, weil sie nach der Reposition viel schwieriger Grundsätzlich kann zur Versorgung von Frakturen des
ist (Abb. 29.5). Tibiakopfs ein medianer, lateraler und parapatellarer,
29 Wichtige Orientierungspunkte der proximalen Tibia ein Hockeyschläger- oder erweiterter Hockeyschläger-
umfassen Tuberositas tibiae, Gerdy-Tuberkel, den Pes an- sowie posteromedialer Zugang am Knie gewählt werden.
serinus und das Tibiofibulargelenk. Die Tuberositas tibiae Zusätzlich kann eine submeniskale Arthrotomie zur ver-
ist die Ansatzstelle der Patellarsehne. Es ist wichtig he- besserten Gelenkeinsicht erfolgen. Weitere beschriebene
rauszufinden, ob die Tuberositas tibiae als separates Frak- Verfahren umfassen die Ablösung des Außenmeniskus-
turfragment beteiligt ist, um über eine Stabilisierung die- vorderhorns (61) und die Osteotomie der Tuberositas ti-
ses entscheidenden Fragments eine frühe Mobilisation biae bei bikondylären Verletzungen (62). Entscheidend
des Kniegelenks zu ermöglichen. Das Gerdy-Tuberkel ist ist, später eine stabile Wiederherstellung der Strukturen
die Ansatzstelle des Tractus iliotibialis, während der Pes zu erreichen, die zur besseren Darstellung der Fraktur
anserinus die gemeinsame Ansatzstelle der Sartorius-, abgelöst oder osteotomiert wurden. Der Operateur muss
Semitendinosus- und Grazilissehne darstellt. Diese Orien- zwischen optimierter Darstellung und den Nachteilen
tierungspunkte sind bei der Planung chirurgischer Zu- von invasiveren Operationsverfahren abwägen. Wir
gänge und Stabilisierungen wichtig. Der Fibulakopf ist lösen nur selten den Meniskus ab oder osteotomieren
die Ansatzstelle für zahlreiche Ligamente und Sehnen die Tuberositas.
der posterolateralen Ecke und fungiert als Stütze für Die medianen und lateralen parapatellaren Zugänge
den proximalen lateralen Anteil des Tibiakopfs. sind sehr ähnlich, wobei der laterale parapatellare Zu-
gang einfach 1 oder 2 cm weiter seitlich gesetzt wird
(Abb. 29.6). Beide Einschnitte ermöglichen eine gute Dar-
stellung des anterioren Aspekts des Tibiakopfs. Es kann
Operative Behandlung 777

schenkelkompartment wird dann abgelöst, um eine sub-


muskuläre Plattenlage oder die Anhebung eines impri-
mierten Fragments zu ermöglichen.
Signifikante mediale Frakturen (entweder vom Typ IV
oder solche, die mit bikondylären Frakturen einhergehen)
erreicht man am besten durch eine separate posterome-
diale Inzision. Wir raten bei geplanter medialer Platten-
lage von einem Mittellinienzugang ab, weil eine unnötig
ausgedehnte Weichteilpräparation notwendig ist, um das
posteromediale Fragment anzugehen. Sollten 2 Zugänge
erforderlich werden, ermöglicht ein posteromedialer Zu-
gang eine ausreichend große Hautbrücke. Der Zugang er-
folgt in Rückenlage entlang einer gedachten Linie vom
medialen Epikondylus entlang der posteromedialen Ti-
biakante bis zum Ansatzpunkt des medialen Kollateral-
Abb. 29.6 Intraoperatives Bild eines Mittellinienzugangs zur bands (Abb. 29.8). Die Sehnen des Pes anserinus können
Stabilisierung einer Tibiakopffraktur. einfach nach distal gehalten werden. Der Ansatzpunkt
des Semimembranosus ist variabel und kann unserer Er-
eine submeniskale Arthrotomie hinzugefügt werden, um fahrung nach eine Ablösung des Sehnenansatzes erfor-
eine direkte Darstellung des lateralen Plateaus zu ermög- dern, wird jedoch zwecks späterer Wiederherstellung
lichen. Es ist größte Sorgfalt geboten, um übermäßiges mit einem Faden markiert. Dann wird der mediale Gas-
Denudieren der tieferen Gewebeschichten zu verhindern, troknemiuskopf identifiziert. Der übrige operative Zu-
was zu einer Infektion und Wundendehiszenz führen gang verläuft anterior zum M. gastrocnemius, der den
kann. Der Zugang sollte lang genug sein, um eine adä- proximalen tibialen Kondylus und den medialen femora-
quate Freilegung und Platzierung einer lateralen Platte len Kondylus umgreift. Der Operateur muss die Gelenk-
ohne übermäßige Retraktion der Weichteile zu ermögli- linie identifizieren, um sich nicht zu weit nach distal von
chen. Ein längerer Zugang ist aggressiver Weichteilretrak- der posteromedialen Tibia zu entfernen. Bei diesem Ver-
tion vorzuziehen. fahren muss man alle Wundhaken anterior zum media-
Der Hockeyschläger-Zugang erlaubt eine kürzere Inzi- len M. gastrocnemius einsetzen, um Verletzungen der
sion bei lateraler Plattenlage. Er kann zudem nach pro- poplitealen Gefäße zu vermeiden. Der mediale Gastro-
ximal erweitert werden, um bei Bedarf eine Freilegung knemiuskopf wird routinemäßig nicht abgelöst. Eine
der posterolateralen Ecke zu ermöglichen (Abb. 29.7). Kniebeugung um 70° entspannt das popliteale Gefäß-
Distal beginnt die Inzision an ähnlicher Stelle wie der Nerven-Bündel und schafft so bei einem anterior zum
laterale parapatellare Zugang. Der Hautschnitt sollte pos- M. gastrocnemius gelegenen Zugang zusätzliche Sicher-
terior gekrümmt gerade distal zum Gelenkniveau verlau- heit.
fen. Der Ursprung der Muskeln im anterioren Unter-

29

a b

Abb. 29.7 b Erweiterung des Hockeyschläger-Zugangs zur Rekonstrukti-


a Vor der eigentlichen Hautinzision aufgezeichneter Hockey- on der posterolateralen Ecke.
schläger-Zugang bei einem Patienten.
778 29 Tibiakopffrakturen

Epicondylus
medialis

A. + V. poplitea
+ N. tibialis
oberflächl. med.
med. kollaterales
Ligament Ligament

Fraktur-
linie Kapsel Haken mit vord.
M. semimembranosus M. gastrocnemius
Hautinzision mit Halte- (med. Kopf)
faden
Haltefaden

zur distalen Insertion


Insertion des M. pes
anserinus

Hautinzision
Weghalten des M. pes anserinus distal

Abb. 29.8 Der posteromediale Zugang wird zur offenen Reposition und inneren Stabilisierung von posteromedialen Fragmenten
einer Tibiakopffraktur genutzt.

Einem Chirurgen stehen zur Stabilisierung von Schien- Fixateur externe, einem Ring-/Hybridfixateur oder
beinkopfbrüchen und Frakturen der proximalen Tibia einem Bewegungsfixateur. Bikondyläre Frakturen
viele verschiedene Operationstechniken zur Verfügung. (Schatzker-Typen V und VI) und stark osteopenische Kno-
Um sich erfolgreich mit der großen Vielfalt von Frakturen chen profitieren entweder von winkelstabilen Platten
und Weichteilverletzungen zu befassen, die mit einem oder einer externen Fixation mit kleinen Drähten. Letzt-
Trauma in diesem Bereich einhergehen, sollte sich der endlich sind Luxationsfrakturen eine ideale Indikation für
Chirurg mit den meisten, wenn nicht gar allen Techniken, eine Kombination aus ORIF und gelenküberbrückendem
vertraut machen. Die Methoden zur Behandlung von Ti- Fixateur sowie Bandnaht oder Ligamentrekonstruktion.
biakopffrakturen bewegen sich von relativ einfachen Pro- Wir werden uns detailliert mit mehreren Techniken
29 zeduren, z. B. der perkutanen subchondralen Schrauben- befassen, die bei der Behandlung von Tibiakopffrakturen
osteosynthese bis hin zu komplexen winkelstabilen Plat- hilfreich sind. Die im Folgenden dargestellten Techniken
tensystemen und externen Fixateurkonstruktionen. erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sind aber
Die Hauptkriterien für die Auswahl einer Operations- unserer Meinung nach die gängigsten.
methode sind der Zustand der Weichteile, die einge-
wirkte Energie / Trümmerzonen und die Knochenquali-
Operationstechnik
tät. Niederenergetische Frakturmuster (Schatzker-Typen
I–III) können nur mit Schrauben, mit herkömmlichen Geschlossene Reposition und perkutane
Platten und Schrauben oder mit anatomischen Low-Pro- Osteosynthese von niederenergetischen
file-Platten mit oder ohne winkelstabile Verriegelungs- Frakturen
schrauben behandelt werden. Frakturen des medialen
Kondylus (Schatzker-Typ IV) haben häufig einen großen Es gibt 3 häufige Szenarien denen Chirurgen, die Patien-
Knochenblock, der auch mit konventionellen Platten und ten mit niederenergetischen Frakturen des lateralen
Schrauben stabilisiert werden kann. Bei der Auswahl der Tibiakopfs versorgen (Schatzker-Typen I–III), begegnen.
Operationstechniken dieser Frakturen werden häufig Be- Frakturen des Typs I oder Spaltbrüche können entweder
gleitschäden an Haut und neurovaskulären Strukturen mit perkutaner Schraubenosteosynthese, arthroskopisch
eine Rolle spielen. Schwere Begleitschäden an Weichtei- assistierten Techniken (von denen in diesem Kapitel spä-
len können einen Fixateur externe erfordern, und zwar ter noch die Rede sein wird), oder einer lateralen Ab-
entweder mit einem gelenkübergreifenden, gespannten stützplatte mit offenen Techniken behandelt werden.
Operative Behandlung 779

Typ I n. Schatzker
seitl. Sicht
axiale Sicht

„Rafting“-
Schrauben
PT
FT
FT PT FT PT PT
FT

Abb. 29.9 A.–p., laterale and axiale Zeichnungen einer Schraube mit kurzem Gewinde (als Zugschraube), FT = durch-
Schatzker-Typ-I-Fraktur des Schienbeinkopfs, die mit perkutan gehendes Gewinde.
eingebrachten „Fundamentschrauben“ versorgt wurde. PT =

Um eine perkutane Osteosynthese durchzuführen, sollte miert werden. Die Fraktur kann anschließend mit 2
der Patient auf dem Rücken mit einer Rolle unter dem oder 3 durchbohrten Großfragmentschrauben stabilisiert
Knie gelagert werden. Ein röntgendurchlässiger Tisch und werden. Alternativ kann die Reposition vorübergehend
hochwertige Röntgenbildverstärker sind entscheidende mit mehreren Kirschner-Drähten stabilisiert werden; da-
Bestandteile der Frakturversorgung. Präoperativ sollte raufhin werden mehrere 3,5 mm Fundamentschrauben
zur Evaluation von Meniskus- und Bandverletzungen genau unter der Gelenkfläche platziert (Abb. 29.9). Wird
sowie der Frakturmuster ein MRT durchgeführt werden. keine anatomische Reposition erzielt, sollte die perkutane
Eine Reposition wird entweder durch manuelle Traktion Technik zugunsten offener oder arthroskopischer Verfah-
in Varusrichtung oder durch den Einsatz eines lateralsei- ren verlassen werden; eine Dislokation von nur 1,5 mm
tigen femoralen Distraktors erreicht. Ist eine anatomische auf Gelenkniveau erhöht den Flächendruck auf den Knor-
Reposition erreicht, kann die Fraktur mit einer perkutan pel wesentlich (54). Bei schwerer Osteoporose wenden 29
angebrachten großen spitzen Repositionszange kompri-

a b c

Abb. 29.10 Schatzker-III-Fraktur des Schienbeinkopfs mit sig- a A.–p. Röntgenbild.


nifikanter Impaktion. b Laterales Röntgenbild.
c CT-Aufnahme.
780 29 Tibiakopffrakturen

gang, der eine Erweiterung ermöglicht, um die postero-


laterale Ecke entweder sofort oder zweizeitig zu rekon-
struieren. Eine quere Inzision der lateralen Meniskusauf-
hängung ermöglicht eine submeniskale Arthrotomie. Ein
90° gebeugtes Knie erleichtert die Darstellung der Ge-
lenkoberfläche. Zusätzliche Tricks, die die Darstellung
verbessern können, umfassen das Platzieren mehrerer
kleiner Haltenähte im Meniskus oder den Einsatz eines
großen Femurdistraktors (Abb. 29.11). In den meisten
Fällen kann die Stelle der artikulären Impaktion direkt
dargestellt werden. Eine Reposition der Gelenkfläche
Abb. 29.11 Gelenküberbrückender Distraktionsfixateur zur kann entweder durch „opening the book“ vollzogen wer-
Verbesserung der Gelenkeinsicht und als Repositionshilfe bei den, indem man das laterale Fragment wegklappt oder
Tibiakopffrakturen. durch ein laterales Kortikalisfenster in der trichterförmi-
gen Metaphyse. Endet die laterale Frakturlinie innerhalb
des operativen Zugangs, ist es einfacher, die Fraktur wie
wir diese Technik selten an, weil Schrauben in diesem beim Öffnen eines Buches aufzuklappen. Die Gelenkim-
Knochen alleine nicht ausreichen. pression wird dann unter Anwendung eines Stößels di-
rekt aufgerichtet. Es ist wichtig, die imprimierte Gelenk-
Offene Reposition und innere Fixation von fläche als Ganzes anzuheben, um zusätzliche Zertrüm-
niederenergetischen Frakturen merung und Fragmentierung zu vermeiden, und bei Be-
darf mit Knochen oder Knochenersatzmaterialen zu un-
ORIF ist bei den meisten Frakturen des Typs II und III terfüttern. Der Impaktor sollte verwendet werden, um
notwendig, die eine operative Stabilisierung erfordern das gelenktragende Fragment unter direkter Sicht über
(Abb. 29.10), sowie bei Frakturen des Typs I, die durch die submeniskale Arthrotomie sanft anatomisch hoch-
geschlossenen Techniken nicht anatomisch reponiert zustößeln. Dehnt sich die kondyläre Fraktur über den
werden können. Dabei kommen mediane, lateral parapa- chirurgisch dargestellten Bereich hinaus aus, sollte ein
tellare oder Hockeyschläger-Zugänge infrage. Allgemein Kortikalisfenster in der trichterförmigen Metaphysen-
bevorzugen wir den lateral parapatellaren Zugang. Eine kontur gemacht werden (Abb. 29.12). Man kann das Fens-
Ausnahme bildet der Fall, in dem der Patient eine erheb- ter mit einem kleinen (2 mm) Bohrer anfertigen, indem
liche Verletzung am PLC am zu stabilisierenden Knie hat. 4 Löcher in Form eines 1 cm großen Quadrats gebohrt
In diesem Fall bevorzugen wir den Hockeyschläger-Zu- werden. Danach wird ein kleiner Meißel verwendet, um

29 Knie
gebeugt

imprimiertes
Fragment

kortikales
Fenster
Impaktor zum
Anheben des
Fragments
Frakturlinie a b

Abb. 29.13 ORIF einer bikondylären Tibiakopffraktur mit dia-


physärem Frakturausläufer.
a A.–p. Röntgenbild.
b Laterales Röntgenbild.
Abb. 29.12 Reposition eines impaktierten Fragments über ein
kortikales Knochenfenster.
Operative Behandlung 781

die Punkte zu verbinden, sodass ein Fenster entsteht. Das bei ausgedehnten Trümmerzonen oder hochgradiger Os-
Fenster kann in den metaphysären Bereich impaktiert teoporose helfen.
und dazu verwendet werden, die Gelenkfläche unter An-
wendung eines Stößels wie bereits beschrieben, anzuhe- Offene Reposition und innere Fixation mit
ben. Gleich nach der Reposition sollten spitze Repositi- winkelstabiler Plattenosteosynthese
onsklemmen oder Kirschner-Drähte oder beides verwen- (Video 29-1, DVD 4)
det werden, um die Reposition aufrechtzuerhalten.
Die letzte Phase der operativen Stabilisierung unter Die winkelstabile Plattenosteosynthese, die durch Gewin-
Anwendung von offener Reposition und innerer Stabili- deschrauben und -löcher in den Platten ermöglicht wird,
sierung beinhaltet die Fixation mittels einer Platte ist eine neuere Entwicklung in der operativen Behand-
(Abb. 29.13). Mögliche Optionen sind eine standardmäßi- lung von Patienten mit Tibiakopffrakturen. Die absoluten
ge Abstützplatte, vorgeformte anatomische Platten und Indikationen für die Anwendung von winkelstabilen Plat-
Platten mit Gewindelöchern, die es ermöglichen, dass ei- ten sind noch nicht endgültig definiert. Der Hauptvorteil
nige oder alle Schrauben in der Platte verriegelt werden dieser Platten liegt darin, dass sie in Versuchen mit ver-
können. Alle diese Implantate haben Vor- und Nachteile. bliebenen Frakturspalten (wie bei schwerer Zertrümme-
Standardmäßige Abstützplatten sind billiger und haben rung und Osteoporose der Fall) ein besseres Potenzial
sich bei einfachen Frakturmustern bewährt. Bei anatomi- haben, den einwirkenden Kräften im Vergleich zu her-
schen Platten fällt das Konturieren weg, und ihr proxima- kömmlichen Platten Widerstand zu leisten. Jede Verrie-
ler Abschnitt ist dort, wo die Weichteilbedeckung häufig gelungsschraube bildet beim Verriegeln einen festen
schlecht ist, extra dünn. Dadurch können patientenseitige Winkel mit der Platte und mindert somit das Risiko
Beschwerden oder Weichteilkomplikationen minimiert eines Implantatversagens bei schlechter Knochenqualität
werden. Winkelstabile Platten können bei der Stabilisie- (20, 63–66). Viele winkelstabile Plattensysteme verfügen
rung des medialen Tibiakopfs bei den Frakturen V und VI über einige Löcher, die mit herkömmlichen Schrauben
nach Schatzker hilfreich sein, wo eine separate Inzision besetzt werden können und andere, die Verriegelungs-
nicht von medial erfolgen muss. Außerdem können sie schrauben erfordern. Der Chirurg muss den grundlegen-
den Vorteil jedes Typs kennen: herkömmliche Schrauben

mediale Abb. 29.14 Laterale, a.–p.


Fibulaköpfchen
Platte und axiale Ansicht einer von
lateral angebrachten Verrie-
gelungsplatte mit zusätzli-
lateral cher posteromedialer Platten-
osteosynthese bei einer
bikondylären Tibiakopffraktur.
LISS Platte

laterale
Fraktur 29

mediale
Platte
782 29 Tibiakopffrakturen

a a

b b

Abb. 29.15 Abb. 29.16


a Zum Lösen von „kaltverschweißten“ Schrauben kann ein a Klinisches Bild beim Einsatz des Zuginstruments über den
Hammer mit dem Extraktionsbolzen zur Metallentfernung ab- Zielbügel im Rahmen der LISS-Osteosynthese zur Reposition
gebrochener Schrauben benutzt werden. Wenn man die einer Tibiakopffraktur.
Schraube überhaupt entfernen kann, muss man hierzu meis- b Verschiedene Längen des Zuginstruments.
tens große Kraft aufwenden.
b Dabei können die Schraube oder das Instrument verbiegen
oder gar abbrechen. Es empfiehlt sich der Einsatz des T-Hand-
Abstützplatten, mit Ausnahme der Bohrung der Schrau-
griffs und ein ganz leicht schräges Aufsetzen des Schrauben-
drehers.
ben. Das Less Invasive Stabilization System (LISS), das
später in diesem Kapitel beschrieben wird, ist eine Aus-
nahme von dieser Regel, weil es ein minimalinvasives
erlauben eine Kompression und können die Fraktur an Vorgehen und winkelstabile Platten kombiniert. Nach
die Platte reponieren, während Verriegelungsschrauben der Reposition und provisorischen Fixation mit Zangen
29 mit geringerer Wahrscheinlichkeit aus dem Knochen aus- oder Kirschner-Drähten wird die winkelstabile Platte
brechen und die Fraktur beim Einbringen nicht dislozie- über der proximalen Tibia angebracht. Danach ist eine
ren werden. Die meisten niederenergetischen Frakturen, winkelstabile Bohrhülse in das Gewindeloch ein-
mit Ausnahme bei älteren Patienten mit sehr schlechter zuschrauben. Die Bohrung und Messung des Lochs sollte
Knochenqualität, erfordern keine winkelstabilen Platten. nach den Angaben des Herstellers erfolgen, und die Ver-
Außerdem profitieren die meisten Frakturen nach Eintei- riegelungsschrauben dann eingebracht werden. Die An-
lung von Schatzker I–IV nicht von winkelstabilen Platten, wendung der Bohrhülse ist wichtig, denn eine Bohrung
außer vielleicht in Fällen hochgradiger Osteoporose. Tat- mit einer Abweichung zur Senkrechten von nur 5° kann
sächlich komprimieren die Verriegelungsschrauben den zu einer „Kaltverschweißung“ der Schraubenkopfgewin-
medialen oder lateralen Tibiakopf nicht an die intakte de mit den Plattenlochgewinden oder einer suboptima-
Tibia, was einen Nachteil der winkelstabilen Platten dar- len „Verriegelung“ der Schraube in der Platte führen.
stellt. In manchen Fällen mit einem großen medialen Kommt es zu einer Kaltverschweißung, kann das Entfer-
Fragment können bikondyläre Frakturen mit einer ein- nen der Schraube extrem schwierig werden (Abb. 29.15).
zigen winkelstabilen Platte stabilisiert werden. Sollte die Herkömmliche Schrauben und Verriegelungsschrauben
lateral angebrachte Platte keine adäquate Stabilität des sollten entsprechend der individuellen Fraktur kom-
medialen Fragments liefern, muss man durch einen sepa- biniert werden. Sowohl die winkelstabilen Platten als
raten Zugang eine mediale Platte hinzufügen (Abb. 29.14). auch die Schrauben sind teurer als ihre konventionellen
Die Technik für die meisten winkelstabilen Plattensys- Gegenstücke und sollten nur dort verwendet werden, wo
teme ist identisch mit der standardmäßigen ORIF mittels sie einen klaren Vorteil liefern.
Operative Behandlung 783

Abb. 29.17 A.–p. Durchleuchtung, welche die Reposition der Abb. 29.18 Es ist wichtig, dass Verriegelungsplatten in der
Fraktur und die Lage der Gewinde-Kirschner-Drähte vor dem mittleren lateralen Ebene der Diaphyse platziert werden, so-
Einbringen weiterer Schrauben zeigt. dass die winkelstabilen Schrauben adäquaten Halt finden.

Less Invasive Stabilization System (LISS- und spart signifikant Operationszeit nach dem submus-
Plattenosteosynthese; Videos 29-2 29-3, DVD 4) kulären Einschieben des LISS. Um Länge herzustellen und
aufrechtzuerhalten und Achse und Rotation „fein abzu-
Das LISS-System kombiniert winkelstabile Platten mit stimmen“, wird häufig manuelle Traktion angewandt
einem minimalinvasiven Operationsverfahren. Haupt- Der operative Zugangsweg besteht entweder aus einer
indikationen für die Osteosynthese mittels LISS sind lateral peripatellaren oder einer Hockeyschläger-Inzision.
hochenergetische bikondyläre Frakturen. Zweitindikatio- Zur Platzierung des LISS-Systems selbst ist eine kleine
nen sind u. a. periprothetische Frakturen, offene Fraktu- Inzision erforderlich (ca. 5 – 8 cm). Die artikuläre Kom-
ren (28) und proximale Frakturen des ersten Tibiaviertels ponente der Fraktur erfordert jedoch eine Reposition
(66). Die Anwendung des LISS erfordert eine andere und Stabilisation unter Anwendung von Techniken, die
Technik als herkömmliche Plattenosteosynthesen. Dabei sich von denen mit herkömmlichen Platten in nichts un-
ist unbedingt zu beachten, dass der Knochen durch die terscheiden. Es ist wichtig, die Stelle jeglicher zur Stabi-
winkelstabilen Schrauben nicht an das Implantat repo- lisierung der artikulären Reposition verwendeten Schrau-
niert werden kann und die Platte deshalb normalerweise ben zu planen, wobei die Lage des LISS und der Schrau-
nicht als Repositionswerkzeug verwendet werden kann. ben berücksichtigt werden müssen. Normalerweise sta-
Die einzigen Ausnahmen zu dieser Regel ergeben sich bei bilisieren wir die artikuläre Komponente mit einigen 3,5- 29
Verwendung des Zuginstruments oder herkömmlicher mm-Schrauben nach der Fundamentschraubentechnik.
Schrauben (Abb. 29.16). Prinzipiell zu beachten ist, dass Sobald eine zufriedenstellende Reposition der Gelenkflä-
Schrauben erst eingebracht werden, nachdem die korrek- che erreicht ist, wird ein Teil des Ursprungs der Muskeln
te Länge und Rotation der Tibia wiederhergestellt ist und der anterioren Loge abgelöst, um die submuskuläre Plat-
die Fraktur auf sowohl Sagittal- als auch Frontalebenen tenlage zu ermöglichen. Der LISS-Fixateur sollte dann am
richtig steht (Abb. 29.17). Sobald man die ersten winkel- Zielbügel eingehakt werden.
stabilen Schrauben eingesetzt hat, ist keine weitere Re- Das LISS wird schließlich unter Einsatz des Zielbügels
position mehr möglich. eingeschoben. Der Operateur sollte mit dem Finger das
Um die Reposition zu erleichtern, sollte der Patient mit Vorbeigleiten des Plattenendes entlang der vorderen
einer Rolle von Tüchern unter dem Knie auf dem Rücken Schienbeinkante nach distal tastend verfolgen. Am besten
liegen. Generell ist eine Rolle, durch die das Knie um ist es, wenn die Plattenspitze nach anterior zeigt, weil
25°– 30° gebeugt wird am vorteilhaftesten. Das Variieren dies eine Verletzung der A. und V. tibialis anterior und
von Größe und Platzierung der Rolle kann die Reposition des dazugehörigen N. peroneus profundus vermeidet,
jedoch bemerkenswert verändern. Dieser Prozess des welche sich am posteromedialen Rand der Tibia befinden.
„Kennenlernens“ der Fraktur durch die Analyse der Wir- Dies erlaubt auch ein klares Verständnis der tibialen Plat-
kung der Ligamentoaxis auf die Reposition unter Anwen- tenlage in der sagittalen Ebene. Es ist von entscheidender
dung von Längszug, kombiniert mit Änderung von Größe Bedeutung, dass das Implantat distal in der Mitte der
und Lage der Rolle, verbessert die endgültige Reposition Tibiadiaphyse zu liegen kommt, weil sonst die monokor-
784 29 Tibiakopffrakturen

Abb. 29.19 Das Less Invasive Stabilisation System (LISS) präli- Abb. 29.20 Die ideale Konstruktion eines LISS mit Gewinde-
minär mit Drähten am Knochen einer in der Koronarebene Kirschner-Drähten und Zuginstrumenten gerade proximal und
noch leicht verschobenen Tibiafraktur angeheftet. distal der metaphysären Frakturebene.

tikalen Schrauben nicht genug Ausreißkraft haben ehe eine Reposition erreicht und sie mit 2-mm-Gewinde-
(Abb. 29.18). Man sollte die Platte etwas weiter nach dis- drähten proximal und distal in der Tibia und bei Bedarf
tal als geplant vorschieben, um den besten Plattensitz nahe der Fraktur gehalten wird. Bei manchen Personen
beim Zurückziehen an die Knochenkontur der proxima- passt der LISS-Fixateur aufgrund der individuellen ana-
len Tibia zu erreichen. Sobald die Platzierung durch tomischen Unterschiede der Patienten nicht exakt an die
Durchleuchtung bestätigt wurde, wird ein 2-mm-Gewin- Tibia. Da die Verriegelungsschrauben den Fixateur nicht
dedraht verwendet, um den internen Fixateur an der dicht an den Knochen ziehen, kann dies zu einer hervor-
proximalen Tibia zu befestigen. Über Längszug wird die tretenden Platte und damit zu Schmerzen durch das Im-
Länge und Reposition in der sagittalen Ebene hergestellt. plantat führen. Um dies mit einiger Wahrscheinlichkeit
Die Haut über dem distalsten Plattenloch wird per Stich zu verhindern, hier ein wichtiger Tipp: Vor dem Einbrin-
inzidiert, dann folgt das stumpfe Spreizen zum Einsetzen gen der proximalen Schrauben sollte eine große Reposi-
von Bohrbüchse und Trokar, um schließlich die Verbin- tionszange durch eine Stichinzision von medial ange-
dung des Bügels mit der distalen Platte durch die laterale bracht und ebenfalls am kleinen Drahtloch im proxima-
Fixationsschraube herzustellen. Es wird ein weiterer 2- len anterioren Abschnitt der Platte aufgesetzt werden.
29 mm-Gewindedraht verwendet, um den LISS-Fixateur an Durch das Schließen der Repositionszange vor dem
den mittleren lateralen Abschnitt der Tibiadiaphyse zu Setzen der proximalen Schrauben kann die Platte dicht
halten (Abb. 29.19). Um die korrekte Lage in der mittleren an die Tibia herangezogen und das Problem hervortre-
lateralen Ebene zu prüfen, wird die Tibia von lateral tender Implantate verringert werden. Hier muss man je-
durchleuchtet. Befindet sich der Fixateur nicht in der doch darauf achten, dass nicht zu viel Kraft eingesetzt
Mitte der Tibiadiaphyse, sollte der 2-mm-Draht entfernt wird, denn dadurch kann das LISS deformiert werden.
und die Plattenlage entsprechend angepasst werden. Ein Sobald 1 oder 2 Schrauben angebracht sind, sollte die
ideales LISS-Konstrukt entsteht durch das Anbringen Zange entfernt werden (Abb. 29.21). Den selben Zweck
zweier bikortikaler Zuginstrumente, eines genau pro- erfüllt auch ein Zuginstrument im proximalen Segment.
ximal und eines distal der Fraktur (Abb. 29.20). Das Zug- In der letzten Phase der Osteosynthese mit einem in-
instrument wird durch eine Stichinzision, die dem ge- ternen LISS-Fixateur werden die Verriegelungsschrauben
wünschten Loch auf dem internen Fixateur entspricht, eingebracht. Die C-, D- und E-Löcher sollten bei den meis-
eingesetzt. Dieses Loch entsteht durch stumpfe Sprei- ten Frakturen angebracht werden. Diese Schrauben erlau-
zung, Anbringen der Bohrführung/des Trokars in das ben eine divergierende dreidimensionale Frakturver-
Loch, Entfernen des Trokars und zuletzt das Bohren des ankerung mit ausgezeichneter Stabilität (Abb. 29.22).
Zuginstrument in die Tibia unter Spülung. Das Zuginstru- Eine Bohrbüchse und ein kanülierter Trokar werden in
ment wird dann angezogen, um jegliche Fehlstellungen das E-Loch platziert. Dann wird ein 2-mm-Führungsdraht
der Fraktur zu stabilisieren und zu reponieren. Es sollten durch den Trokar gebohrt und die Position per Durch-
keine Schrauben in den LISS-Fixateur platziert werden, leuchtung bestätigt. Die Länge der Schraube wird unter
Operative Behandlung 785

Abb. 29.21 Ausladende Repositionszange zum


Heranführen der LISS-Platte an die proximale Tibia,
um spätere Schmerzen durch auftragende Implan-
tate zu verhindern.

Durchleuchtungsansicht und Überprüfung der Lage der


D-Schraube sollte die Länge dieser Schraube falls erfor-
derlich korrigiert werden. Die posteriore Divergenz die-
ser Schraube kann sich der Operateur leicht merken,
wenn er sich vergegenwärtigt, dass D für „danger“ (für
die dorsalen/poplitealen Gefäße) steht. Wenn man diesen
kleinen technischen Punkt beachtet, wird eine kon-
sequent sichere Plazierung dieser wichtigen Schraube er-
möglicht. Wird der LISS-Fixateur etwas zu weit posterior
oder nach hinten verdreht angelegt, wird diese Gefahr
akzentuiert. Eine vierte Schraube proximal ersetzt ge-
wöhnlich das Zuginstrument. Zusätzliche Schrauben soll-
ten aufgrund der Frakturgeometrie und Einschätzung des
Chirurgen angebracht werden. Generell sollten proximal
Abb. 29.22 Axiale Sicht des Scheinbeinkopfs mit den verrie-
gelten Schrauben in den C-, D- und E-Löchern des LISS. und distal 4 Schrauben platziert werden.
Der weitere Operationsverlauf umfasst das Einbringen
der distalen Schrauben. In minimalinvasiver Technik wird
Anwendung des Tiefenmessers bestimmt, und der 2-mm- über eine kleine Hautinzision stumpf mit einer Klemme
Draht und der kanülierte Trokar werden dann entfernt. bis auf den Knochen gespreizt, Bohrhülse/Trokarsystems
Eine winkelstabile LISS-Schraube wird dann unter Spülen im entsprechenden Loch im Befestigungsbügel fixiert, das
in die proximale Tibia gebohrt. Das Maschinenschrauben Irrigationssystems angebracht und je eine 18- oder 26- 29
sollte genau vor dem Einrasten des Schraubenkopfs in die mm-Schraube mit Maschine eingebracht. Wichtige Punk-
Löcher des LISS gestoppt werden. Wird die Schraube bis te dabei sind die Anwendung von Spülung, eines dreh-
zum Schluss maschinell eingebracht, kann dies zur Kalt- momentbegrenzenden Schraubendrehers am Ende der
verschweißung im winkelstabilen Loch oder übermäßig Schraubenplatzierung und das Einbringen von mindes-
starkem Drehmoment des Bohrers am Handgelenk des tens 4 distalen Schrauben. Die Platte muss ebenfalls in
Chirurgen führen. Die Schraube sollte unter Anwendung der mittleren lateralen Ebene des Knochens liegen, um
des Drehmomentschraubenziehers in den Fixateur einge- transkortikale Schraubenplatzierung zu vermeiden.
rastet und bis zu einem Zweifach-Klick angezogen wer- Zwecks maximaler Stabilität empfehlen wir die Platzie-
den. Die Prozedur wird für die D- und C-Schrauben wie- rung zweier Schrauben in der Nähe der Bruchstelle und
derholt. Es ist wichtig zu wissen, dass die D-Schraube zwei weiterer in der Nähe des distalen Endes der Platte.
nach posterior divergiert. Da die Schrauben mit der Ma- Die mit der Schraubenplatzierung verbundenen Prinzi-
schine eingebracht werden und mit Gewinde versehen pien ähneln jenen beim Platzieren der Schanz-Schrauben
sind, ist es schwierig zu fühlen, ob der posteriore Kortex bei externen Fixateuren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist,
perforiert ist. Wichtig ist, diese Schraube bei angewinkel- dass das Risiko eines Schadens an neurovaskulären Struk-
tem Knie zu einzudrehen (um die poplitealen Gefäße turen mit weiter distal platzierten Schrauben steigt
vom posterioren Kortex fernzuhalten), nachdem man si- (Abb. 29.23). Wird die 13-Loch-Platte verwendet, muss
chergestellt hat, dass der Fixateur sich nicht zu weit pos- man äußerst vorsichtig beim stumpfen Einbringen des
terior an der Tibia befindet. Nach Einholen einer lateralen Trokarsystems für die Löcher 10 – 13 sein. Alternativ
786 29 Tibiakopffrakturen

N. peroneus communis

N. peroneus Hautinzision
communis

oberflächlicher Ast

tiefer Ast des


N. peroneus
LISS-Platte
M. peroneus
longus
A. tibialis ant.
M. extensor
digitorum
unikortikale
longus
Schrauben

A. + V. tibialis ant. M. tibialis


anterior oberflächlicher Ast tiefer Ast des
M. peroneus
des N. peroneus N. peroneus
brevis

M. peroneus longus
M. peroneus brevis Platte
oberflächl. tiefer Ast d. N. peroneus
M. extensor pollicis longus Ast
M. tibialis anterior

Abb. 29.23 Neurovaskuläre Strukturen in den anterioren und tes Risiko für die neurovaskulären Strukuren bei der perkutanen
lateralen Unterschenkelkompartimenten. Es besteht ein erhöh- Schraubeninsertion an der distalen Tibia.

29
kann eine begrenzte Inzision zur direkten Darstellung der vornehmen. Gelegentlich muss man die Schraubenlöcher
3 distalen Löcher der langen LISS-Platte erfolgen. hierzu vorbohren.
Das Instrumentarium zur minimalinvasiven LISS-Os-
teosynthese wurde mittlerweile dahingehend ergänzt, Offene Reposition des medialen Tibiakopfs
dass die Bohrmaschinen mit einem Drehmomentbegren- (Video 29-4, DVD 4)
zer ausgerüstet werden können. Dies erlaubt es, die win-
kelstabilen Schrauben komplett maschinell einzubringen, Frakturen des medialen Tibiakopfs sind häufig die Folge
ohne dass auf den Handschraubendreher mit Drehmo- von hochenergetischen Traumen und weisen neurovas-
mentbegrenzer gewechselt werden muss. Trotzdem soll- kuläre oder weichteilige Begleitverletzungen auf. Eine
ten die letzten Schraubenumdrehungen mit Bedacht ge- sorgfältige Gefäßstatuserhebung und MRT-Evaluation
schehen, damit Kaltverschweißungen ausbleiben. werden deshalb dringend empfohlen, um übersehene
Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei zu rigider Osteo- Verletzungen zu verhindern. Operative Zugänge, die bei
synthese und solchen mit zuviel Schwingungsmöglich- diesen Frakturen angewendet werden können, umfassen
keiten im Frakturbereich wegen z. B. kurzstreckigen einen medialen parapatellaren oder einen posteromedia-
Trümmerzonen Pseudarthrosen begünstigt werden. len Zugang zum Knie (s. detaillierte Beschreibung und
Daher sollte man die Schraubenpositionen individuell Anatomie in Kap. 28). Der posteromediale Zugang wird
prüfen und ggf. distal eine bikortikale Verankerungen ausdrücklich empfohlen. Die Vorteile dieses Zugangs be-
stehen darin, dass er die Behandlung jeglicher Verletzun-
Operative Behandlung 787

gen der Ligamente der posteromedialen Ecke („postero- weniger stabil und sollte mit ORIF behandelt werden. Im
medial corner ligament injuries“) erlaubt, er liegt genau Gegensatz dazu kann eine kleine Impressionsfraktur, die
über dem posteromedialen Fragment und ermöglicht von Meniskus bedeckt ist, mit stabilem Tibiarahmen
eine große Hautbrücke, falls der Patient eine bikondyläre auch ohne Operation mit gutem funktionellen Ergebnis
Fraktur (Typ V oder VI) hat, die eine mediale und laterale ausbehandelt werden. Frakturen im Graubereich zwi-
Doppelplattenosteosynthese erfordert. Dieser Zugang schen diesen beiden Extremen erschweren die chirurgi-
macht es außerdem einfach, die Platte hinter oder unter sche Entscheidung.
den Sehnen des Pes anserinus zu platzieren. Die Fixation 2. Lagerung des Patienten und Einrichtung des Operations-
der Fraktur kann entweder mit 2 oder 3 Fundament- saals. Der Patient liegt auf einem strahlendurchlässigen
schrauben oder einer kleinen Abstützplatte erreicht wer- Tisch mit einer hohen Oberschenkelblutsperre auf dem
den. Präoperativ muss man Lage und Richtung der Rücken. Ein Beinhalter ist optional, ich halte ihn jedoch
Schrauben genau planen und bei Patienten mit Luxati- für äußerst hilfreich, weil er das Femur (das proximale
onsfrakturen etwaige Bohrlöcher und Schrauben für die Segment) an Ort und Stelle hält. Dabei ist die untere
Bandrekonstruktion bedenken. Extremität mit der Patella streng nach anterior aus-
gerichtet. Es kann eine Kissenunterlage unter dem ip-
Arthroskopisch assistierte Reposition und silateralen Gesäß erforderlich sein. Diese akkurate Pa-
innere Fixation eines Schatzker-Typ-III- tientenlagerung erlaubt eine Verknüpfung zwischen
Impressionsspaltbruchs des Tibiakopfs dem mentalen präoperativen Bild der Fraktur und der
(Video 29-5, DVD 4)
Das Arthroskop ist bei der Behandlung von niederener-
getischen Tibiakopffrakturen Typ I–III nach Einteilung
von Schatzker zu einem sehr nützlichen Hilfsinstrument
geworden. Ebenso wie die heutigen Chirurgen Fortschrit-
te in der arthroskopisch assistierten Frakturchirurgie ma-
chen, entwickelt sich das Arthroskop zu einem Visualisie-
rungswerkzeug, mit dessen Hilfe der Chirurg eine Arthro-
tomie vermeiden kann. Dabei kann die Arthroskopie auch
bei ausgewählten hochenergetischen Frakturen nützlich
ein. Bei der Frakturversorgung am Tibiakopf hat das Ar-
throskop zwei eindeutige Funktionen. Die erste ist die
Diagnostik, die eine akkurate Darstellung der Gelenkflä-
chenbeteiligung und jeglicher begleitenden intraartikulä-
ren Weichteilverletzungen erlaubt. Die zweite ist thera-
peutisch, was die Entfernung von osteochondralem De-
bris und Unterstützung bei der Frakturreposition und a
Wiederherstellung von Weichteilschäden erlaubt.
1. Präoperative Planung. Dieser Schritt ist äußerst wichtig,
und der Chirurg sollte den Operationssaal nicht ohne ein 29
gründliches Verständnis der Fraktur und potenzieller
Verletzungen der Weichteilelemente betreten. Angaben
zur Anamnese, Untersuchungsergebnisse, Übersichts-
röntgenaufnahmen und bildgebende Untersuchungen
müssen mental zu einem akkuraten dreidimensionalen
Frakturbild vereinigt werden. Der Operateur sollte ins-
besondere jegliche posteriore Knochenverletzungen er-
kennen, die entweder einen medial oder lateral separa-
ten Zugang zur posterioren Ecke erfordern könnten. Es
sollten die Ausrichtung der Frakturebene relativ zu den
koronaren und sagittalen Ebenen sowie Größe und Ort
des zentral imprimierten Fragments ermittelt werden.
Die Flächenausdehnung der Impression, (d. h. Größe der b
Impressionszone) und die adäquate Wiederherstellung
des äußeren Rahmens des Scheinbeinkopfs sind für die Abb. 29.24
mechanische Stabilität und Belastung des lateralen a Erforderliche Gestaltung der OP-Umgebung mit einem C-Bo-
Kompartments wichtiger als die Tiefe der Impression. gen, der von der Gegenseite kommt.
Eine ausgedehnte, nicht vom lateralen Meniskus be- b Im Vergleich hierzu die Arthroskopieeinheit mit Videomoni-
tor auf der verletzten Seite am Kopfende des OP-Tisches.
deckte Impression, die den kortikalen Rand umfasst, ist
788 29 Tibiakopffrakturen

räumlichen Ausrichtung des Knies sowie der proxima-


len Tibia im OP-Saal. Der Operateur orientiert sich
dann an der Sagittalebene senkrecht zum Boden und
der Frontalebene parallel zum Boden. Die kontralatera-
le Extremität ist ausgelagert und erlaubt gleichzeitigen
Zugang zum medialen und lateralen Aspekt des zu
operierenden Knies. Das Tischende kann abgesenkt
werden, um bei Bedarf eine stärkere Beugung des
Knies zu ermöglichen. Der C-Arm wird dann von der
kontralateralen Seite eingefahren (Abb. 29.24 a). Der Vi-
deoschirm des Arthroskops befindet sich am ipsilatera-
len Kopfende des Bettes, wodurch der Chirurg beide
Bildschirme sehen kann, ohne sich umdrehen zu müs-
sen (Abb. 29.24 b). Biplanare Durchleuchtungsansich-
ten sind eine absolute Notwendigkeit.
3. Diagnostische Kniearthroskopie. Eine kurze aber sorg-
fältige Arthroskopie ist ein zweckmäßiger Vorgang,
bei dem alle Verletzungen von intraartikulären Weich-
teilen und Knochen identifiziert werden. Es ist hilf-
reich, mit einer vorsichtigen Narkoseuntersuchung zu
beginnen, um die Kniestabilität allgemein zu bewerten.
Alle Orientierungspunkte sollten mit einem sterilen
Stift angezeichnet werden, einschließlich Patella, Patel-
larsehne, Gelenklinie, Fibulaköpfchen und Peroneal-
nerv. Aufgrund der Schwellung ist diese Übung sogar
für erfahrene Chirurgen hilfreich. Platzieren Sie supe-
romedial eine Abflusskanüle und starten Sie mit einem Abb. 29.25 Das Einführen eines Arbeitsportals unter das
Außenmeniskusvorderhorn verbessert die Sicht auf die Fraktur
parapatellaren lateralen Kameraportal mit Zufluss für
erheblich.
die Spülflüssigkeit. Es ist wichtig, immer einen guten
Abfluss zu haben, damit die Spülflüssigkeit ungehin-
dert aus dem Knie ablaufen kann. Man sollte immer ments wird dieses von distal aus en bloc angehoben.
auf Flüssigkeitsaustritt in die Weichteile achten und Hierzu braucht man einen dauerhaften Tunnel von dis-
die Weichteilspannung der Kompartimente häufig eva- tal aus. Die Anwendung des tibialen Zielbügels für den
luieren. Bevorzugt wird der schwerkraftgesteuerte Ein- Ersatz des vorderen Kreuzbands verbessert dabei die
lauf der Spülflüssigkeit. Das Gelenk muss für kurze Zeit Zuverlässigkeit dieses Schrittes. Der Zielbügel wird auf
freigespült werden, um Blutgerinnsel, Knorpel- und die Mitte der Impression platziert und der Führungs-
Knochensplitter zu entfernen. Arthroskopisch gestützt draht von der tibialen Metaphyse bis zu 1,5 – 2 cm un-
wird danach ein mediales parapatellares Arbeitsportal terhalb des Fragments gebohrt (Abb. 29.26). Ein relativ
29 unter Anwendung einer Spinalnadel angebracht. Bei vertikaler Tunnel erlaubt eine gleichförmige Anhebung
Frakturen des lateralen Kompartiments vom Schatz- mit einem Stößel. Die Platzierung des Führungsdrahts
ker-Typ I–III wechselt man die Kamera für den Blick wird mit biplanarer Durchleuchtung bestätigt. Der
nach lateral in das mediale Arbeitsportal. Dann wird Führungsdraht wird dann mit einem durchbohrten
ein laterales submeniskales Portal angelegt. Hierzu Bohrer überbohrt, damit der Knochenstößel frei durch-
wird das zuvor hergestellte anterolaterale Hautportal treten kann. Mit einem Hohlbohrer kann dabei anstelle
verwendet, indem eine Spinalnadel unter den Menis- eines Knochenverlusts beim Bohren Knochen für spä-
kus platziert wird. Die Lage der Nadel wird arthrosko- teren Gebrauch gewonnen werden. Dann wird das im-
pisch vom anteromedialen Portal aus überprüft. Nun primierte Fragment komplett bis auf 1 mm über das
wird horizontal mit einer 11er-Klinge ein Portal unter eigentliche Gelenkniveau angehoben. Die Reposition
dem Vorderhorn des lateralen Meniskus angelegt. Eine wird vom anteromedialen Portal aus mit dem Arthro-
über dieses Portal eingebrachte Arbeitskanüle hebt den skop verifiziert (Abb. 29.27). Generell erlauben sanfte
Meniskus hoch und verbessert somit deutlich die Frak- Hammerschläge bei diesem Schritt eine kontrollier-
turübersicht (Abb. 29.25). barere Reposition als manuelles Drücken. Für diese
4. Frakturreposition. Das organisierte Hämatom und die Phase ist ein Assistent hilfreich. Dann wird eine große
kleinen Knorpelfragmente entlang der Fraktur werden Repositionszange verwendet, um den Hauptspaltbruch
entfernt. Danach können die Hauptimpressionszone zu komprimieren. Die Klemme sollte senkrecht zur
und die Ebene der größeren Spaltfraktur identifiziert Frakturebene platziert werden. Die richtige Fraktur-
werden. Zum exakten Anheben des imprimierten Frag- ebene wird auf präoperativen Aufnahmen identifiziert
Operative Behandlung 789

a b

Abb. 29.26 Laterale Durchleuchtung beim Anheben eines im- a Verwendung eines Zielbohrbügels.
primierten Fragments bei der arthroskopisch assistierten ORIF b Verwendung eines durchbohrten Bohrers oder Dilatators.
einer Tibiakopffraktur.

a b

Abb. 29.27 Arthroskopisches Bild einer Tibiakopfimpressions- a Vor Reposition.


fraktur. b Nach Reposition.

und mittels interoperativer Arthroskopie und Durch- die an dieser Stelle angebrachten Schrauben zu lang
leuchtung bestätigt. Eine intraartikuläre Spinalkanüle und verursachen Schmerzen am medialen Knie. Idea-
kann senkrecht zur Bruchfläche platziert und deren lerweise werden 2 Schrauben direkt unter dem Frag- 29
korrekte Lage mit dem Arthroskop bestätigt werden. ment platziert. Diese bilden eine mechanische Stütze
5. Frakturfixation. Die Fixation wird, wie im ORIF-Ab- gegen erneute inferiore Fragmentdislokation. Die Bio-
schnitt dieses Kapitels beschrieben, frakturmusterspe- mechanik der Stabilisierung des Hauptfragments des
zifisch vorgenommen. Zunächst können Schrauben als Spaltbruchs folgt nach dem Prinzip einer „Fixationslei-
Fundament direkt unter das angehobene Fragment ein- ter“. Je zertrümmerter das Frakturmuster und je
gebracht werden. Dabei können durchbohrte Schrau- schlechter die Knochenqualität sind, desto höher
ben hilfreich sein, die eine präliminäre Drahtabstüt- muss sich der Chirurg die „Fixationsleiter“ hinaufbewe-
zung des Fragments erlauben. Die richtige Position gen, um eine stabile Reposition zu erzielen, die eine
des Drahtes kann man in der Zweiebenen-Durchleuch- Frühmobilisation erlaubt. Zwei richtig angebrachte
tung und mittels Arthroskop, welches über die tibiale Schrauben können bei einem kooperativen Patienten
Bohrung eingebracht wird, bestätigen. Befindet sich mit guter Knochenqualität für eine stabile Fraktur des
der Führungsdraht in korrekter Position, kann er im gespalteten lateralen Plateaus ausreichen. Bei einem
Tunnel direkt unter der Spongiosa des augmentierten Patienten mit guter Knochenqualität können mehrere
Fragments dargestellt werden. Der Führungsdraht wird Schrauben und eine Abstützplatte für kleine Fragmente
schließlich durch eine Spongiosaschraube ersetzt. Wir bei einem Impressionsspaltbruch mit metaphysärer
müssen uns daran erinnern, dass der mediale Kortex Zersplitterung notwendig sein. Im Gegensatz dazu
der Tibia rund ist. Wird diese Tatsache übersehen, sind kann die gleiche Fraktur bei einem Patienten mit
790 29 Tibiakopffrakturen

schlechter Knochenqualität eine Abstützplatte mit kor- nen Tibiaplateaus wird enorm verbessert, wenn der
tikaler Plattenfixierung in der mehr proximalen meta- Meniskus erhalten bleibt.
diaphysäre Region erfordern. Der Operateur muss die 8. Kurze Knie- und Beinuntersuchung. Zum Ende der Ope-
Fixation auf das Frakturmuster, die Knochenqualität ration werden das Gelenk arthroskopisch untersucht,
und den Patienten abstimmen. Man darf nicht unten die Frakturreposition und Weichteilreparatur bestätigt
auf der Leiter beginnen und dann intraoperativ nach und nach jeglichen zurückgebliebenen freien Gelenk-
oben steigen. Die richtige Stufe der Leiter kann mit körpern gefahndet. Die Bein- und Oberschenkelkom-
guter präoperativer Planung gewählt werden. Überdies partments sollten am Ende auf jeden Fall hinsichtlich
sollte die biomechanische Stabilität nicht deshalb be- möglicher Kompartmentsyndromen bewertet werden.
einträchtigt werden, nur weil der Chirurg versucht, Falls irgendwelche Bedenken bestehen, hat wie in
möglichst perkutan vorzugehen. Kap. 3 beschrieben eine Kompartmentdruckmessung
Der Hautinzision für diesen Schritt muss logische Pla- zu erfolgen.
nung vorausgehen. Es ist besser für die Weichteile und 9. OP-Nachsorge. Diese wird später im Kapitel noch einge-
kosmetisch günstiger einen 3 – 4 cm langen anterolate- hend behandelt. Durch das Verhindern einer offenen
ralen Längsschnitt in der Mitte zwischen lateraler Pa- Arthrothomie werden der Patient und der behandeln-
tellafacette und Fibulakopf durchzuführen. Diese eine de Chirurg generell mit einer raschen Rückkehr zur
Inzision kann für die Platzierung multipler perkutaner Kniebewegung belohnt. Teilbelastung ist für 6 – 8 Wo-
Schrauben, das Setzen von Repositionszangen, per- chen einzuhalten. Niederenergetische Frakturmuster,
kutane Verplattung und „Outside-in-Repair“ des Me- die mit perkutanen Verfahren zu versorgen sind, kön-
niskusvorderhorns bei Außenmeniskusläsion ange- nen unter Umständen kurzstationär oder sogar ambu-
wandt werden. Es kann auch eine begrenzte lateral lant behandelt werden.
peripatellare Arthrotomie durch eine proximale
Schnitterweiterung durchgeführt werden. Dies ist mul- Fixation mit Ring-/Hybridfixateur
tiplen vertikalen oder horizontalen Stichinzisionen vor- (Video 29-6, DVD 4)
zuziehen. Das Fenster der 3 cm großen Hautinzision
kann während der verschiedenen Phasen der Knochen- Für eine erfolgreiche Fixation von Tibiakopffrakturen mit
und Weichteilrekonstruktion proximal und distal Drahtkonstruktionen muss der Chirurg über die gesamte
durch Flexion und Extension im Kniegelenk sowie an- Kenntnis, Fähigkeiten und Werkzeuge der minimalinvasi-
terior und posterior mit Retraktoren verschoben wer- ven Frakturchirurgie verfügen. Der Chirurg muss Dirigent
den. des minimalinvasiven Orchesters sein, der all diese Werk-
6. Knochentransplantation bei Knochenverlust und Defekt- zeuge und Techniken im Operationskonzert zusammenb-
situationen. Die Knochentransplantation wird gewöhn- ringt. Wird nur ein Schritt in der orchestrierten Sequenz
lich aus strukturell-mechanischen Gründen oder zur nicht gut durchgeführt, kann dies in einem disharmo-
Osteokonduktion eingesetzt. Knochentransplantation nischen Chaos resultieren. Der Patient wird diese unkennt-
zur Osteoinduktion und als Quelle von Osteoprogeni- liche Melodie als Schmerz und schlechtes klinisches und
torzellen ist bei Plateaufrakturen generell nicht erfor- funktionelles Ergebnis erleben. Wird jeder Schritt korrekt
derlich. Ist mechanische Unterstützung notwendig, und zusammen mit anderen Schritten richtig durch-
kann der Chirurg zwischen autogenen Transplantaten, geführt, können die Ergebnisse spektakulär sein.
29 allogenen Transplantaten oder injizierbarem Kalzium- Die wichtigste Indikation für einen Ring- oder Hybridfi-
phosphat-Zement wählen. Ein osteokonduktives Ge- xateur bei proximalen Tibiafrakturen ist eine periartikulä-
rüst kann mit jeglichem synthetischen Knochenersatz- re Fraktur mit einem Weichteilmantel, bei dem die vorher
material erreicht werden. Ein injizierbarer Knochen- im Kapitel beschriebenen formal offenen Operationstech-
ersatz funktioniert gut in minimalinvasiven Fällen niken nicht zuträglich sind. Die Hauptverletzungszone ist
und wird von unten in den Tibiatunnel injiziert. Der metaphysär, mit einem relativ kleinen proximalen Frag-
Injektionsprozess kann unter Durchleuchtung beob- ment, das keine intramedulläre Osteosynthese oder stan-
achtet werden. Das Gelenk kann man via Arthroskopie dardmäßige unilaterale Fixateur-externe-Anlage als gang-
einsehen, um zu gewährleisten, dass das Material nicht bare Behandlungsoption erlaubt. Bei artikulären und dia-
in das Gelenk austritt. physären Frakturausdehnungen bestehen oft zusätzliche
7. Weichteilrekonstruktion. Ligamentverletzungen wer- Herausforderungen. Wenn all diese Elemente vorhanden
den im Abschnitt zur Luxationsfraktur angesprochen. sind, wie bei einigen hochenergetischen proximalen Tibia-
Nachdem der Spaltbruch versorgt und die Knochen- frakturen zu sehen, wird ein Ring- oder Hybridfixateur
architektur wiederhergestellt wurde, ist es wichtig, zum wertvollen und standardmäßig notwendigen Fraktur-
Meniskusverletzungen anzugehen. Periphere Längsris- werkzeug. Der Chirurg muss sich den Zustand der Weich-
se des Meniskus reponieren sich nach Schließen des teile immer kritisch ansehen und das Risiko-Nutzen-Ver-
Frakturspalts im Allgemeinen spontan. Alle Längsrisse, hältnis des chirurgischen Eingriffs abwägen. Ausschlag-
die sich in der peripheren Gefäßzone befinden, sollten gebend ist das Timing der Operation. Durch lokale Schwel-
angegangen werden. Die Krafteinleitung des betroffe- lung und Weichteilverletzung kann sich die lokale Gewe-
Operative Behandlung 791

beperfusion und Oxygenierung temporär verändern. Ope- hohe Oberschenkelblutsperre kann für den Fall einer
rationen mit größeren Zugängen in diesen schlecht durch- limitierten offenen Reposition verwendet werden. Die
bluteten Bereichen können zu verheerenden Komplikatio- Autoren halten einen Beinhalter am mittleren Ober-
nen wie Wundnekrose und tiefer Infektion führen. Bei schenkel mit der nach ventral eingestellten Patella für
Frakturen mit intraartikulärer Ausdehnung sind Röntgen- hilfreich. Die Stabilisierung des proximalen Knies im
bilder unter Traktion entweder mit manueller Distraktion Raum ist, wie im arthroskopischen Abschnitt dis-
oder nach Anbringen eines gespannten Fixateur externe kutiert, wichtig. Ein Extensionstisch kann optional ein-
bei der Entscheidung über das Timing der Operation ex- gesetzt werden, man muss jedoch die Möglichkeit zur
trem hilfreich. Wenn der Gelenkabschnitt der Fraktur intermittierenden Traktion/Distraktion im Sinne der Li-
nicht disloziert ist oder durch Ligamentotaxis gut repo- gamentotaxis haben. Ein Femurdistraktor kann für die
niert wird, dann kann der perkutane Ring-/Hybridfixateur Phase der artikulären Reposition verwendet werden,
generell innerhalb der ersten 3 – 5 Tage eingesetzt werden. stört jedoch generell beim Ringfixateur. Alternativ
Sind dislozierte intraartikuläre Frakturen vorhanden, die kann eine sterile Traktionshilfe wie bei der Sprung-
sich durch Ligamentotaxis nicht reponieren lassen, dann gelenksarthroskopie verwendet werden. Dies erlaubt
muss der operative Eingriff verzögert werden, bis die einen 360°-Zugang zum Bein, indem es weiter entfernt
Weichteile zumindest eine begrenzte offene Reposition vom Operationstisch und oberhalb des kontralateralen
des artikulären Frakturanteils erlauben. Beins platziert wird und ermöglicht die axiale Ausrich-
1. Präoperative Planung. Dies ist der wohl entscheidends- tung zur Fraktur. Der Zug kann dabei je nach Bedarf
te Schritt. Aus diesem Grund ist der Ring-/Hybridfixa- geändert werden. Der C-Arm steht senkrecht zur Extre-
teur zur Behandlung von Tibiakopffrakturen notfall- mität auf der kontralateralen Seite.
mäßig mitten in der Nacht nicht die Therapie der 3. Reposition und innere Fixation der artikulären Fraktur-
Wahl, egal wie erfahren der Chirurg sein mag. Wie im komponente. Es ist wichtig, dies als einen separaten
vorangehenden Text diskutiert, wird ein provisorischer Schritt zu betrachten. Er betont die Bedeutung der ana-
gespannter Fixateur externe angebracht, falls Gelenk tomischen Reposition des Gelenks. Der Weichteilscha-
und Fraktur instabil sind und die Länge und/oder den kann schwer sein, aber direkte longitudinale Inzi-
Achse in einem Knie-Immobilizer oder Gipsverband sionen ohne Unterminierung der Weichteile oder De-
nicht gehalten werden können. Dies ermöglicht die Be- periostierung werden im Allgemeinen toleriert. Eine
obachtung der Weichteile, Traktionsaufnahmen, CT akkurate Platzierung der Repositionszangen und
und – am wichtigsten – die präoperative Planung. Der durchbohrten Schrauben orthogonal zur Hauptebene
Ring-/Hybridfixateur kann präoperativ unter Anwen- der Fraktur in den ersten 15 mm der proximalen Tibia
dung von Unterschenkelganzaufnahmen vormontiert bringt die Gelenkfraktur unter Kompression. Falls nicht
werden. Bestimmen Sie am kontralateralen Bein die unbedingt nötig, sollten die Fixationsdrähte nicht in-
Ringgrößen, sodass posterior ein Abstand von mindes- nerhalb der ersten proximalen 15 mm der Tibia plat-
tens 2 Fingerbreit und anterior von 1 Fingerbreit Platz ziert werden. Dies verhindert die Penetration des
zwischen Weichteilmantel und Ring bleibt. Im Zwei- Drahtes durch den Gelenkkapselansatz an der pro-
felsfall sollte man sich beim Trauma für einen größeren ximalen Tibia, was das Risiko von Pin-Infektionen mit
Ring entscheiden, damit eine Schwellung der Extre- postoperativen Gelenkinfektionen reduziert. Schritt 4
mität innerhalb der Ringe möglich ist. Zeichnen Sie sollte nicht durchgeführt werden, bevor der Chirurg
die Ringebenen provisorisch auf das a.–p. Röntgenbild. mit der artikulären Reposition zufrieden ist. Sobald 29
Es sind 2 Ringebenen in jedem größeren Fragment bio- der Rahmen an der unteren Extremität angebracht ist,
mechanisch wünschenswert, wobei die Drahtfixation verringert sich die Möglichkeit, gute Röntgenaufnah-
bzw. Schanzschrauben möglichst in einem Winkel von men des Gelenks zu bekommen, dramatisch.
90° zueinander eingebracht werden sollten (bedenke 4. Anwendung des Ringfixateurs und Reposition der meta-
sichere Zonen). Das proximale Tibiasegment hat gene- physären diaphysären Komponenten der Fraktur. Sobald
rell einen Ring mit einem Draht. Das distale Segment das Gelenk und das größere proximale Plateausegment
hat einen Ring 2 cm unter der metaphysären Haupt- rekonstruiert wurden, wird dies am distalen Schaft-
fraktur und einen zweiten Ring genau über dem Knö- segment befestigt, und zwar unter Anwendung der
chel. Ein gelenkübergreifender Rahmen ist generell Rahmenringkonstruktion des Ringfixateurs zur Wie-
nicht erforderlich, solange im proximalen Segment 2 derherstellung der mechanischen Achse. Der Rahmen
Fixationsebenen erreicht werden können. Wählen Sie wird zu einem Neutralisierungsinstrument, welches
Gewindestäbe entsprechender Länge und montieren die metadiaphysäre Trümmerzone perkutan ohne
Sie den Ringfixateur vor. Weichteilalteration überbrückt. Ein exaktes Alignment
2. Patientenlagerung und Einrichtung des OP-Saals. Der in den Sagittal-, Koronar- und Rotationsebenen ist an-
temporäre gespannte Fixateur externe wird, falls vor- spruchsvoll. Häufige Anwendung von Ausrichtungs-
handen, vor der Vorbereitung entfernt. Dieser proviso- drähten als Hilfsinstrumente während fluoroskopi-
rische Fixateur war für einen gewissen Zeitraum der scher Durchleuchtung ist wichtig. Der erste und wich-
Bakterienflora des Krankenhauses ausgesetzt. Eine tigste Schritt ist die Platzierung der Referenzdrähte 1
792 29 Tibiakopffrakturen

und 2. Der erste Draht wird parallel zum Kniegelenk ben in jedem größeren gewichttragenden Fragment.
15 – 18 mm unterhalb der Gelenklinie platziert. Der Aufgrund des kleinen proximalen Fraktursegments wer-
vormontierte Rahmen wird dann mit noch geöffneten den Drähte im Allgemeinen proximal und Schanz-
Ringen über der Extremität angebracht und an diesem Schrauben distal verwendet. Um eine 90°-Ausrichtung
proximalen Referenzdraht fixiert. Der zweite Referenz- zu erreichen, können Draht-Schanz-Schrauben in Kom-
draht wird parallel zum Knöchel platziert und am dis- bination zum Einsatz kommen. Drähte können inner-
talen Ring befestigt. Diese Drähte werden angezogen halb sogenannter sicheren Zonen relativ schräg trans-
und mit den entsprechenden Bolzen und Muttern zur fixiert und Schanz-Schrauben in der Sagittalebene plat-
Drahtfixierung befestigt. Dies führt zu einer ersten Re- ziert werden. Dadurch bildet sich die Form eines umge-
position der Fraktur. Die Drähte Nummer 3 und 4 wer- kehrten „T“ unter Erreichung einer 90°-Ausrichtung. Ein
den in den proximalen und distalen Fragmenten genau Buch, das die sicheren Zonen zur Transfixation am Un-
über und unter der metadiaphysären Hauptfraktur an- terschenkel beschreibt, ist hierbei hilfreich.
gebracht. Diese Repositions-Olivendrähte werden ge- 5. Nachsorge. Auch dieser Schritt ist entscheidend. Die Pa-
richtet positioniert, um Frakturmanipulation zu er- tienten müssen häufig zur Nachuntersuchung. Kompri-
möglichen. Die Drähte werden an ihrem entsprechen- mierende Verbände werden um die gelenknahen Drähte
den Ring befestigt, und Fixationsbolzen und Muttern und Bolzen angebracht, um Bewegungen der Weichteile
werden vormontiert, aber nicht angezogen. Die Angu- einzuschränken. Eine Teilbelastung ist erlaubt (sofern es
lation oder Translation der sagittalen (lateralen) Frak- die Gelenkreposition gestattet). Trockene, gut verheilte
turebene kann korrigiert werden, indem die Bolzen ein Bolzenstellen werden generell durch tägliche Reinigung
und zwei Ringlöcher entfernt, aus Richtung der Angu- mit Seife und Wasser unter der Dusche behandelt. Zur
lations- oder Translationsebene, befestigt werden. Da- Kniebewegung wird schmerzadaptiert ermutigt. Die
durch biegt sich der Draht in Richtung der sagittalen Flexion im Ring-/Hybridfixateur ist aufgrund des pro-
Angulations- oder Translationsebene. Die Angulation in ximalen Rings auf ca. 90° begrenzt. Der Zeitpunkt der
der Koronarebene wird dann durch entgegengesetztes Materialentfernung wird radiologisch festgelegt, meis-
Spannen der Drähte korrigiert. tens kann dies jedoch nach 3 – 4 Monaten erfolgen. Aus-
Die Spanner werden auf der der Olive gegenüberliegen- nahmen gelten für offene Frakturen mit diaphysärer
den Seite am Draht befestigt. Die Drähte werden dann Ausdehnung, wo in der Regel längere Zeiten für den
durch die Spanner gegenläufig angezogen, während die Ring-/Hybridfixateur gelten.
Reposition im a.–p. Strahlengang verfolgt wird. Sobald
eine zufriedenstellende Frakturreposition in der Koro-
Rehabilitation
narebene (a.–p.) erreicht ist, werden Fixationsbolzen
und -mutter an jedem Draht angezogen. Beide Drähte Der Verlust der Kniebeweglichkeit ist nach Frakturen des
werden nacheinander gespannt. Während der Draht Tibiakopfs das häufigste Problem. Operative Stabilisie-
durch Anziehen gerade wird, wird eine Reposition in rung zur frühfunktionellen Nachbehandlung ist entschei-
der Sagittalebene erreicht. Der Knochen wird in Rich- dend. Viele Chirurgen befürworten die kontinuierliche
tung der Konkavität des gebogenen Drahts gezogen. passive Bewegungsbehandlung (CPM) in der frühen post-
Die Reposition wird durch laterale Durchleuchtung be- operativen Periode. Wir setzen frühe Bewegung mit CPM
stätigt und die Fixationsbolzen und -muttern des Aus- auch nach hochenergetischen Frakturen des Tibiakopfs
29 richtungsdrahts sodann angezogen. Diese Repositions- ein. Wichtig ist, langsam zu beginnen (wir starten mit
drähte sollten am Ende der Operation ersetzt und ent- einem Bewegungsumfang von 0°– 30°) und den Weich-
fernt werden, weil es lokal um den Draht zu einer teilschaden zu berücksichtigen, wenn man festlegt wie
Weichteilkompression und Nekrose kommen wird, was schnell mit der Bewegung vorangeschritten werden
zu einer Pin-Infektion führen kann. Die Unterschenkel- darf. Die zu aggressive Anwendung der CPM kann zu
rotation wird klinisch im Vergleich zum gesunden Bein Wundheilungsproblemen über der proximalen Tibia füh-
bestätigt. Grundsätzlich wird die Patella mit dem zwei- ren.
ten Zeh in eine Flucht gebracht. Das Timing zur Einleitung der Belastung variiert in Ab-
Der schwierige Teil der Operation ist nun beendet. Der hängigkeit vom Verletzungsmuster und der erreichten
Chirurg sollte zu diesem Zeitpunkt mit der Reposition Stabilität beträchtlich. Wir haben so früh wie der Patient
der mechanischen Achse vollkommen zufrieden sein. dies wünscht mit der Belastung begonnen, wenn ein
Eine Reposition nach diesem Zeitpunkt mit einem Stan- Compass Knee Hinge verwendet wird, und nach 4 – 6
dardtyp des Ringfixateurs ist nicht möglich. Für subaku- Wochen (sobald Kallus sichtbar wird) bei der Anwendung
te Frakturen und für Etagenfrakturen, bei denen eine der winkelstabilen Plattenosteosynthese mit dem LISS-
erste akkurate Reposition schwierig ist, kann ein „Taylor System. ORIF mit konventionellen Platten von instabilen
Spatial Frame“ verwendet werden. Dieser Rahmentyp Frakturtypen oder schweren Gelenkfrakturen kann
erlaubt eine computerassistierte Korrektur der Reposi- 10 – 12 Wochen Entlastung erfordern.
tion in der postoperativen Periode. Der Rest des Vor-
gangs besteht aus der Fertigstellung des Rahmenkon-
strukts mit mindestens 3 Drähten oder Schanz-Schrau-
Operative Behandlung 793

Tipps und Tricks


■ Eine CT mit axialen Rekonstruktionen der sagittalen und ■ Laterale winkelstabile Platten sind generell bei bikondylä-
koronaren Frakturebenen ist für das Verständnis der Ti- ren Tibiakopffrakturen, bei denen posteromedial wegen
biakopffraktur und zur Planung der Platten- und Schrau- der Gelenkbeteiligung oder Dislokation des medialen
benpositionierung äußerst hilfreich. Tibiaplateaus ein separater Zugang durchgeführt wer-
■ Ist eine Fasziotomie für eine Tibiakopffraktur mit beglei- den muss, nicht hilfreich. In solchen Fällen kann eine
tendem Kompartmentsyndrom erforderlich, ist es wich- herkömmliche Doppelplattenosteosynthese über einen
tig, die Inzisionen so zu wählen, dass sie für die zukünf- posteromedialen und lateralen Zugang erfolgen.
tige Frakturversorgung verwendet werden können. Über ■ Verriegelungsschrauben reponieren die Fraktur nicht an
eine laterale Fasziotomie sind alle Kompartimente zu- das Implantat.
gänglich. Oft wird über der Fraktur zunächst ein tempo- ■ Belegen Sie die Gewindelöcher mit den Verriegelungs-
rärer gelenküberbrückender Fixateur externe angelegt. schrauben lotrecht, um Probleme durch eine Kaltver-
Indessen wird eine etwas mehr dorsale und distale Haut- schweißung der Schraube zu verhindern.
inzision zur Kompartmentspaltung Konflikte mit späte- ■ Zum Reponieren der Fraktur an die Platte, sollte bei der
ren Zugängen zur Frakturversorgung verhindern helfen. Osteosynthese mit LISS das Zuginstrument eingesetzt
■ Ein von lateral angebrachter großer Femurdistraktor werden.
oder Längszug mit Varusstress hilft bei der Reposition ■ Bringen Sie keine Verriegelungsschrauben an, bevor eine
von Typ-I-Frakturen, um perkutane Osteosynthesen zu akzeptable Reposition erreicht ist. Da die Schrauben
erlauben. einen festen Winkel bilden, ist eine zusätzliche Repositi-
■ Verwenden Sie ein Kortikalisfenster, um die Segmente on nach Anbringen der Verriegelungsschrauben nicht
der Gelenkimpression zu lockern und das gesamte Seg- mehr möglich.
ment als eine Einheit bei Frakturen des Typs II und III ■ „Studieren“ Sie bei der Anwendung minimalinvasiver
anzuheben. Techniken die Fraktur, indem Sie den Längszug variieren
■ Pfahlschrauben bieten eine signifikant höhere lokale Im- und mit der Größe und Position einer Unterlage unter
pressionsstabilität im Vergleich zu Konstruktionen mit der Fraktur experimentieren, bevor das Implantat sub-
Großfragment-Abstützplatten bei Frakturen der Typen muskulär eingeschoben wird. Dadurch kann die Reposi-
II und III (Gelenkimpressionen). tion bemerkenswert erleichtert und verbessert werden.
■ Der erweiterte Hockeyschläger-Zugang erlaubt sowohl ■ Das LISS-Implantat muss in der mittleren lateralen Ebene
eine sofortige als auch verzögerte ORIF mit einer seitli- der Tibia zentriert werden, damit die unikortikalen
chen Platte und Wiederherstellung oder Rekonstruktion Schrauben genügend Halt haben.
der dorsalen lateralen Ecke in Fällen mit posterolateralen ■ Verwenden Sie immer das bikortikale Zuginstrument bei
Ligamentschäden. der LISS-Osteosynthese.
■ Halten Sie das Knie 90° gebeugt und platzieren Sie Hal- ■ Verwenden Sie eine perkutane Repositionsklemme am
tenähte in den Meniskus, um die Darstellung bei einer proximalen Plattenende, um das LISS an das Tibiaplateau
submeniskalen Arthrotomie zu ermöglichen. zu bringen, und minimieren Sie dadurch Schmerz und
■ Der Femurdistraktor kann für einen konsistenten Varus- Weichteilirritation, die durch hervortretende Implantate
stress verwendet werden, um die seitliche Gelenklinie zu entstehen.
öffnen und den seitlichen Tibiakopf via submeniskaler ■ Verwenden Sie das Spülsystem, wenn Sie diaphysäre
Arthrotomie darzustellen. Man muss jedoch aufpassen, LISS-Schrauben einbohren, um Osteonekrose infolge 29
die mediale Säule in Fällen der Schatzker-V- und -VI-Tibia- von hohen Temperaturen zu verhindern.
kopffrakturen nicht einzudrücken. In diesen Fällen kann ■ Verwenden Sie in den meisten, wenn nicht gar in allen
es notwendig sein, zuerst die mediale Säule zu versor- Fällen, C-, D- und E-Schrauben am LISS.
gen. Alternativ kann ein medialer Femurdistraktor oder ■ „D“ steht für „danger“ – die D-Schraube divergiert am
Fixateur externe als neutralisierende Kraft verwendet LISS nach dorsal. Beugen Sie das Knie und seien Sie
werden, um den Kollaps der medialen Säule zu verhin- vorsichtig bei der Plattenanlage, um die poplitealen Ge-
dern. Winkelstabile Platten sollten bei deutlicher Zer- fäße zu schützen.
trümmerung oder schwerer Osteopenie auch bei nieder- ■ Besetzen Sie am LISS mindestens 4 unikortikale Schrau-
energetischen Frakturtypen verwendet werden, in den ben proximal und distal.
meisten Fällen sind sie jedoch nicht notwendig. ■ Seien Sie bei Anwendung der 13-Loch-LISS-Platte äußerst
■ Laterale winkelstabile Platten können bei der Behand- vorsichtig, um beim Besetzen der Löcher 10 – 13 Schä-
lung von bikondylären Tibiakopffrakturen hilfreich sein, den an den neurovaskulären Strukturen zu vermeiden.
wenn der Tibiakopf ein Segment ist und nicht durch ■ Der posteromediale Zugang ist ideal für Typ-V-Frakturen
einen separaten posteromedialen Zugang behandelt oder bikondyläre Frakturen mit großem posteromedia-
werden muss. In solchen Fällen liefern die Verriegelungs- len Fragment.
schrauben ausreichenden Widerstand gegen einen Va- ■ Hochenergetische bikondyläre Frakturen werden am bes-
ruskollaps. ten entweder mit minimalinvasiver submuskulärer Plat-
tenosteosynthese oder einem Hybridfixateur behandelt.
794 29 Tibiakopffrakturen

Luxationsfraktur des Knies


Die Kombination einer Fraktur mit Kniegelenkbeteiligung
und multiplen Bandverletzungen stellt eine ernsthafte
Verletzung dar, die sehr schwierig zu diagnostizieren
sein kann. Die am häufigsten mit Knieligamentverletzun-
gen einhergehende Gelenkfraktur ist die Tibiakopffraktur.
Die saubere klinische Untersuchung des Knies nach einer
Tibiakopffraktur ist aus mehreren Gründen oft ziemlich
schwierig: Schmerz, begleitende Weichteilverletzungen,
andere Verletzungen und die Schwierigkeit zu unter-
scheiden, ob die Instabilität das Ergebnis der Fraktur
oder einer Ligamentverletzung ist. Eine wichtige diagnos-
tische Hilfe ist dabei die klinische Untersuchung unter
Narkose und zwar nach der Stabilisierung der Tibiakopf-
fraktur. Ausreichende Stabilität ist dabei die Vorausset- Abb. 29.28 Einbringen des lateralen femoralen Pins eines
zung zur adäquaten Untersuchung des Knies mit Varus- Compass-Knee-Hinge-Fixateurs bei einem Patienten mit Tibia-
und Valgusstress. Obwohl die Techniken der winkelstabi- kopfluxationsfraktur.
len Osteosynthese die Stabilität sofort nach der Osteosyn-
these verbessert haben, haben viele Operateure Hem-
mungen vor aggressiven Stresstests, wenn eine Trümmer- Die Behandlung von Patienten mit einer Kombination
fraktur vorliegt. Die hier beschriebene diagnostische von Gelenkfrakturen und Ligamentverletzungen ist kom-
Herausforderung birgt eine hohe Inzidenz übersehener plex. Viele zeitgenössische Autoren befürworten eine
Ligamentverletzungen. frühe Wiederherstellung oder Rekonstruktion der Liga-
Die MRT ist ein wichtiges Diagnosewerkzeug, um Knie- mente. Es ist äußerst wichtig, eine adäquate Stabilität
luxationsfrakturen zu erkennen. Es ist wichtig, vor der von sowohl Knochen- als auch Ligamentverletzungen zu
chirurgischen Stabilisierung der Fraktur einen MRT-Scan erreichen, um eine frühe Bewegung nach dem operativen
anzufertigen, weil sowohl interne als auch externe Fixa- Eingriff zu ermöglichen. Wir halten den Compass Knee
teure starke Artefakte verursachen können, was die Hinge (CKH) in Kombination mit minimalinvasiver Plat-
Brauchbarkeit des Scans deutlich einschränkt. Mehrere tenosteosynthese unter Anwendung des LISS bei Luxati-
Studien, wie im Abschnitt der konservativen Behandlung onsfrakturen für sehr hilfreich. Der CKH-Bewegungsfixa-
dieses Kapitels beschrieben, haben eine hohe Inzidenz teur erlaubt nach Multiligamentverletzungen des Knies
von Patienten mit Tibiakopffrakturen dokumentiert, die eine frühe Bewegung ohne Rotations- oder Varus-/Val-
auch Ligament- oder Meniskusbegleitverletzungen ha- gusstress auf die Rekonstruktionen (Abb. 29.28). Unsere
ben. Weigel u. Marsh berichteten über Langzeitergebnisse frühen Ergebnisse unter Anwendung des Bewegungsfixa-
nach hochenergetischen Frakturen des Tibiakopfs. Sie un- teurs demonstrierten ein Bandversagen von nur 7 % im
tersuchten den Bandhalt von 20 Patienten und stellten Vergleich zu einer Versagensrate von 29 % ohne CKH.
fest, dass 12 von ihnen (60 %) nach einem durchschnitt- Der Unterschied war mit einem p-Wert von < 0,05 statis-
29 lichen Follow-up von 98 Monaten mehr als 5 mm Insta- tisch signifikant (67). Unser gegenwärtiges Behandlungs-
bilität in mindestens eine Richtung aufwiesen. Der Knie- protokoll sieht die Anwendung eines Gelenkfixateurs
score bei Patienten mit Bandverletzungen betrug 89 im kombiniert mit Bandrekonstruktion und Osteosynthese
Gegensatz zu durchschnittlichen 93 bei Patienten ohne. bei nahezu allen Patienten mit einer Kombinationsluxa-
Wichtiger noch, nur 58 % der Patienten mit instabilen tionsfraktur des Knies vor.
Knien arbeiteten, im Vergleich zu 88 % der Patienten mit
stabilen untersuchten Kniegelenken (22). Unerkannte
Neue Techniken
und damit unbehandelte Luxationsfrakturen haben häu-
fig schlechte Ergebnisse trotz gut ausgerichteter und kon- Compass Knee Hinge – Knie-
solidierter Frakturen. Das Ergebnis wird am häufigsten Bewegungsfixateur (Video 29-7, DVD 4)
durch Schmerzen und Bewegungsverlust beeinträchtigt,
wenngleich auch über Instabilität berichtet wurde. Dela- Die detaillierte Technik zur Platzierung eines CKH wird in
marter u. Hohl berichteten, dass der Krankheitsverlauf Kap. 28 dargelegt. Es gibt keine soliden Daten zum chi-
bei 40 % ihrer Patienten bei konservativer Behandlung rurgischen Timing bei Patienten mit Luxationsfrakturen.
von Knieverletzungen in Verbindung mit Frakturen un- Der Zustand der Weichteile diktiert, wie aggressiv eine
günstig war, im Vergleich zu 16 % ungünstiger Krank- chirurgische Stabilisierung sicher vollzogen werden kann.
heitsverläufe mit operativer Behandlung der Knieverlet- Falls es der Zustand der Weichteile erlaubt, empfehlen
zung (1). wir innerhalb von ein paar Tagen nach der Verletzung
unter Anwendung minimalinvasiver Plattenosteosynthe-
Operative Behandlung 795

setechniken die ORIF der Fraktur. Wir geben den Weich- bestehen darin, dass sie die Weichteile stabilisiert und
teilen ca. 2 oder 3 Wochen zur Erholung und beginnen vor Beginn ausgedehnter chirurgischer Darstellung die
dann mit der Wiederherstellung oder Rekonstruktion von Heilung ermöglicht. Es gibt jedoch zwei große Nachteile.
Ligamentverletzungen und Platzierung eines CKH-Bewe- Der erste sind die Kosten eines Fixateur externe, der nur
gungsfixateurs. Scharnierbewegungen in der Sagittalebe- für ein paar Tage oder Wochen verwendet wird. Lägen
ne werden ab dem ersten Tag nach der Operation einge- Daten vor, die verbesserte Ergebnisse oder verminderte
leitet, die schrittweise Steigerung auf eine Flexion von Komplikationen belegen würden, wären die Kosten si-
90° erfolgt in den ersten paar Wochen. Es kann sein, cherlich berechtigt. Der zweite große Nachteil ist, dass
dass posterolaterale und Rekonstruktionen des vorderen äußere Spanner während der MRT starke Artefakte ver-
Kreuzbands aufgrund von Trümmerzonen im Bereich der ursachen. Werden gespannte Fixateure vor einer MRT-
Bohrkanäle am Fibula- bzw. Schienbeinkopf verschoben Untersuchung angebracht, können wesentliche Verlet-
werden müssen. In den meisten Fällen sind wir in der zungen übersehen werden, was sich negativ auf das Er-
Lage, die posterolaterale Ecke früh zu rekonstruieren. gebnis auswirken kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt
Luxationsfrakturen stellen eine schwere Verletzung mit besteht unser Vorgehen darin, gespannte Fixateure zu
Instabilität von sowohl Knochen als auch Weichteilman- verwenden, wenn die Fraktur und das Knie so instabil
tel dar. Um gute funktionelle Ergebnisse zu erzielen, wird sind, dass das Knie in einem Knie-Immobilizer nicht re-
eine aggressive Behandlung unter Einsatz moderner poniert bleibt oder es zu einer wesentlichen Verkürzung
Techniken und früher Rehabilitation notwendig sein. Als (z. B. 2 – 3 cm) auf Frakturniveau kommt. Dies ist in un-
wir unsere Patienten mit hinterer Kreuzbandrekonstruk- serer Praxis eine seltene Erfahrung. Meistens verwenden
tionen bewerteten, die an begleitenden ipsilateralen wir einen Knie-Immobilizer und verschieben die Opera-
Frakturen litten, stellten wir einen wesentlichen Rück- tion für 3 Tage bis 2 Wochen, um eine Genesung der
gang im Lysholm-Kniescore, Rückkehr zur Arbeit und Weichteile zu ermöglichen. Wenn ein gespannter Fixa-
Rückkehr zu sportlichen Aktivitäten im Vergleich zu Pa- teur externe verwendet wird, sollten die Positionen der
tienten ohne Fraktur fest. Der erste Schlüssel zu einer Pins sorgfältig geplant werden, um außerhalb der geplan-
erfolgreichen Behandlung dieser Patienten ist das Erken- ten chirurgischen Zugänge für die endgültige ORIF des
nen des gesamten Spektrums der Verletzung. Wir emp- Tibiakopfs zu liegen.
fehlen vor der Osteosynthese oder Ligamentrekonstrukti-
on eine MRT. Nach dieser wichtigen Zusatzuntersuchung Injizierbarer Kalziumphosphat-Knochenzement
kann eine angemessene präoperative Planung durch-
geführt werden und lässt sich ein erfolgreiches Ergebnis Injizierbare Kalziumphosphat-Knochenzemente wurden
erzielen. für den Einsatz bei Frakturen entwickelt. Impressions-
frakturen des Tibiakopfs sind eine der potenziellen Indi-
Gelenküberbrückender Fixateur externe kationen für diesen Zement. Studien zeigen eine verkürz-
te Zeit bis zur vollen Belastung, wenn Zementaugmenta-
Ein neuer Trend in vielen Unfallkliniken beinhaltet die tion verwendet wird (41). Welch et al. haben eine Studie
Anwendung einer provisorischen Fixation, die das Knie- veröffentlicht, die an Ziegen die Verwendung von Kalzi-
gelenk überspannt (Abb. 29.29). Vorteile dieser Technik umphosphatzement im Vergleich zu autogener Spongio-

29
Abb. 29.29 Temporär angelegter, gelenk-
überbrückender gespannter Fixateur externe
zur provisorischen Reposition einer bikon-
dylären Tibiakopffraktur über Ligamentota-
xis, was eine frühe Erholung der umgeben-
den Weichteile gestatten.
a A.–p. Röntgenbild.
b Laterales Röntgenbild.

a b
796 29 Tibiakopffrakturen

saplastik bei 10 mm impaktierten lateralen Defekten un- verletzten mit niederenergetischen isolierten Frakturen
tersucht (43). Die Ergebnisse demonstrierten, dass die gemischt mit hochenergetischen Frakturen. Außerdem
Prävalenz und der Grad des Nachsinterns mit dem Kalzi- haben sich die Techniken zur Behandlung von Frakturen
umphosphatzement wesentlich reduziert wurden. Sie des Tibiakopfs mit dem vermehrten Aufkommen mini-
stellten auch fest, dass der Zement schnell resorbiert malinvasiver Osteosynthese, Hybridfixateur und winkel-
wurde, wobei der Volumenanteil des Zements nach 6 stabiler Plattenosteosynthese bemerkenswert geändert.
Monaten auf nur 4 % sank. Ihr Ergebnis war, dass die Um einige dieser Hindernisse zu überwinden, werden
Spongiosaplastik die anatomische Reposition nicht auf- wir über 3 separate Kategorien berichten:
rechterhielt, durch den Kalziumphosphatzement die Re- ■ die ORIF vor über 10 Jahren,

position jedoch beibehalten wurde. Eine klinische Studie ■ die ORIF in den letzten 10 Jahren,

von Lobenhoffer et al. beschreibt 26 Fälle komplexer Ti- ■ die Osteosynthese mit Hybridfixateur.

biakopffrakturen, die mit Kalziumphosphat-Knochenze-


ment augmentiert wurden (42). Sie erlaubten eine frühe Fünf verschiedene Arbeiten berichteten über Outcome-
Belastung nach im Durchschnitt 4,5 Wochen (1 – 6 Wo- Scores an Tibiakopffrakturen, die vor mindestens 10 Jah-
chen). In 2 Fällen (8 %) gab es einen partiellen Repositi- ren mit ORIF behandelt wurden. 75 % der Patienten hat-
onsverlust, von denen einer (4 %) eine Revision erforder- ten Ergebnisse, die sich als entweder gut oder aus-
te. Die Knie-Scores nach Lysholm demonstrierten bei 15 gezeichnet qualifizieren ließen, während 25 % mittel-
ihrer Patienten (58 %) ausgezeichnete Ergebnisse, bei 6 mäßige oder schlechte Scores hatten (6, 7, 17, 22, 55).
(23 %) gute, und bei 5 (19 %) mittelmäßige Ergebnisse. Zeitgenössische Studien, die in den letzten 10 Jahren ver-
Die frühen Daten sind hinsichtlich des klinischen Ergeb- öffentlicht wurden, belegen Ergebnisse, die bei 84 % der
nisses und der frühen Rückkehr der Funktion bei Patien- Patienten gut oder ausgezeichnet sind, im Vergleich zu
ten mit impaktierten Tibiakopffrakturen ermutigend. Alle mittelmäßigen bis schlechten Ergebnissen bei 16 % (20,
hier angeführten Studien verwendeten Norian. Es sind 22, 40, 68). Mit Hybridfixateuren behandelte Patienten
zusätzliche Studien notwendig, um die frühen ermuti- hatten 70 % gute oder ausgezeichnete Ergebnisse im Ver-
genden Ergebnisse zu bestätigen und die Rolle von Kalzi- gleich zu 30 % mittelmäßigen oder schlechten (21, 29, 30,
umphosphatzement bei Tibiakopffrakturen weiter zu de- 34, 36, 37, 39, 69). Die Studien verwenden eine Vielfalt
finieren. von Zielkriterien, es zeigt sich jedoch bei moderneren
Techniken der ORIF ein Trend zu besseren Resultaten.
Intraoperatives Iso-C 3D Die gemeldete Häufigkeit der Knochenheilung ist in
allen 3 Kategorien gut, mit 100 % Konsolidierung bei mo-
Neben der Arthroskopie bietet sich zur intraoperativen derner ORIF (27, 30, 40), im Vergleich zu 99 % bei älteren
Evaluation der Gelenkreposition eine intraoperative CT Studien mit ORIF (1, 9, 17, 55) und Hybridfixateuren (21,
an. Sie bietet ähnlich wie die Arthroskopie eine Möglich- 29–34, 36, 37, 39, 69). Andererseits gibt es deutliche Un-
keit zur Überprüfung der Repositionsqualität und der Im- terschiede in der berichteten Inzidenz der Malunion. Die
plantatlage insbesondere zur Vermeidung intraoperativer moderne ORIF war in der einzigen Studie, die eine aus-
Schrauben. Hierdurch lassen sich spätere Revisionen bleibende Knochenheilung verzeichnete, mit einer Inzi-
wegen Schraubenfehllagen direkt verhindern. Außerdem denz von 5 % Pseudarthrosen verbunden, im Vergleich zu
kann man direkt auf verbesserungswürdige Repositions- 19 % mit ORIF vor einem Jahrzehnt oder mehr (1, 9, 55).
29 ergebnisse reagieren. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, Studien zu Hybridfixateuren berichteten ebenfalls über
dass in der Arthroskopie unerfahrenere Operateure oder eine hohe Inzidenz der Malunion, mit verzeichneten
bei für die Arthroskopie ungünstigen Weichteilen eine 14 % in 6 verschiedenen Studien (31–33, 37, 39, 69).
sichere intraoperative Kontrollmöglichkeit besteht. Po- Eine häufige Komplikation ist der Verlust der Kniebe-
tentiell zusätzliche Nachteile sind eine Strahlenbelastung weglichkeit. Viele Studien liefern keine Einzelheiten der
und eine Verlängerung der Operationszeit. Die Erfahrung exakten Bewegung, bemerken jedoch lediglich, dass viele
mit den intraoperativen Durchleuchtungskontrollen im Patienten keine volle Beweglicheit des Knies erreichen. 8
Vergleich zur „unbestechlichen“ Schnittbildtechnik, die Studien berichteten über die Beweglichkeit nach Anwen-
die Gelegenheit zu frei wählbaren Ebenen liefert, zeigt, dung von Hybridfixateuren, mit einem durchschnitt-
dass trotz der beschriebenen Nachteile eine Verbesserung lichen Bewegungsumfang von 1°– 105° (21, 29, 31, 32,
in der Frakturversorgung möglich ist. 36, 37, 39, 69). 4 Studien berichteten in den letzten 10
Jahren über die Bewegungsfähigkeit nach der ORIF von
einem durchschnittlichen Bewegungsumfang von
Ergebnisse 2°– 124° (20, 22, 27, 40). Obwohl das Wiedererlangen
der Kniebewegung nach Tibiakopffrakturen ein entschei-
Die Bewertung von in der Literatur erwähnten Ergebnis- dendes Problem bleibt, haben die neuerlichen Fortschrit-
sen ist aus mehreren Gründen sehr schwierig. Es gibt te bei Anwendung der ORIF mit winkelstabilen Platten
keinen allgemein akzeptierten Outcome-Score, und viele und minimalinvasiven Techniken zu bemerkenswerten
Arbeiten vergleichen inhomogene Gruppen aus Unfall- Verbesserungen geführt.
Komplikationen 797

Es gibt unzureichende Daten über Langzeitergebnisse einen Durchschnitt von 9,5 % (4 – 20 %; 33, 34, 36, 39).
bei Patienten nach Tibiakopffrakturen. Viele Chirurgen Diese Komplikation kann dadurch gemindert werden,
gingen davon aus, dass eine posttraumatische Gonarthro- dass alle Drähte mindestens 10 – 15 mm unter der Ge-
se auf lange Sicht unvermeidbar sei. Es gibt jedoch einen lenklinie liegen. Auch über Hautabschürfungen oder
Bericht über ein 20-Jahres-Follow-Up aus Schweden, in Weichteilstörungen wurde als häufiges Problem berich-
dem kein posttraumatischer Mehrverschleiß zwischen 7 tet, vor allem in älterer Literatur mit Berichten über ORIF
und 20 Jahren nach der Operation verzeichnet wurde (5). des Schienbeinkopfs (3, 10).
Weniger als 20 % der Frakturen in dieser Studie waren Eine Lähmung des N. peroneus kann entweder als Er-
bikondylär. Eine neuerliche von Weigel u. Marsh von der gebnis der Verletzung oder als iatrogene Verletzung auf-
Universität in Iowa veröffentlichte Studie dokumentiert tauchen. Sie wurde in einigen Serien als häufigste Kom-
Langzeitergebnisse nach hochenergetischen bikondylären plikation angeführt (7). Es gibt auch einen veröffentlich-
Frakturen. Ihre Befunde ähneln denen der schwedischen ten Bericht über eine iatrogene Verletzung des N. pero-
Studie, ohne Verschlechterung der Ergebnisse 2 – 8 Jahre neus mit einem kleinen Draht aufgrund einer durch die
nach Trauma (22). Beide Studien weisen ausdrücklich da- Verletzung entstandenen extraanatomischen Nervenver-
rauf hin, dass eine schwere Gonarthrose keine unver- lagerung (20). Das Kompartmentsyndrom taucht eben-
meidbare Folge der Tibiakopffraktur darstellt und dass falls nach sowohl offenen als auch geschlossenen Tibia-
gute funktionelle Langzeitergebnisse erreicht werden kopffrakturen auf (16). Sollte sich ein Kompartmentsyn-
können. drom entwickeln, sind sorgfältige Beobachtung und
schnelle Fasziotomien indiziert.
Über ein Versagen der Fixation als häufige Komplikati-
Komplikationen on wird in 3 – 31 % der Fälle und einer durchschnittlichen
Häufigkeit von 16 % berichtet (1, 10, 55, 69). Den Angaben
Die chirurgische Behandlung von Tibiakopffrakturen, ins- zufolge soll die winkelstabile Plattenosteosynthese dieses
besondere die ORIF bikondylärer Frakturen, ist mit be- Problem minimieren, und zwar als Ergebnis der verbes-
richteten Komplikationsraten von 23 – 55 % verbunden serten Stabilität bei ausgedehnten Trümmerzonen (20,
(4, 13, 29). Zu den Komplikationen in Verbindung mit 27). Wie bereits beschrieben variiert die Inzidenz der
Tibiakopffrakturen gehören Verlust der Kniebewegung, Malunion den Berichten zufolge von 5 – 19 %, wobei die
tiefe Infektion, oberflächliche Wundheilungsstörungen geringste Inzidenz mit der Anwendung winkelstabiler
oder Wunddehiszenz, Gelenkempyem, Peroneusparesen, Platten in Verbindung gebracht wird (1, 9, 20, 31–33, 37,
Implantatversagen, Pseudarthrosen und Kompartment- 39, 55, 69).
syndrom. Die häufigsten und schwersten Komplikationen Tibiakopffrakturen sind mit verschiedensten Kompli-
(außer dem Verlust der Kniebeweglichkeit) sind mit In- kationen verbunden. Die Inzidenz von Komplikationen
fektion und Wunddehiszenz verbunden. Viele Autoren ist mit der vermehrten Anwendung von Hybridfixateuren
erkannten die Bedeutung des Weichteilschadens und ver- und minimalinvasiven Techniken der ORIF in den letzten
schoben die ORIF in Fällen schwerer Verletzungen, mit 10 Jahren gesunken. Noch vor ausgedehnten offenen Zu-
dem Ergebnis eines Rückgangs der Komplikationen (10, gängen wird außerdem zunehmend Wert auf sorgfältige
15). Evaluation der Weichteile (12) und die Erholung der
Tiefe Infektionen nach der inneren Fixation von Tibia- Weichteilverletzungen gelegt. Obwohl die gesunkenen
kopffrakturen bewegen sich für die ORIF zwischen 5 und Komplikationsraten ermutigen, bleiben Inzidenz und 29
80 % in der veröffentlichten Literatur, die älter als ein Vielfalt der Komplikationen immer noch hoch. Chirurgen
Jahrzehnt ist. Die durchschnittliche Inzidenz bei 6 Studi- müssen äußerst umsichtig vorgehen, wenn sie Patienten
en beträgt 27 % (3, 9, 14, 17, 18, 55). 4 neuere Studien, die mit Tibiakopffrakturen betreuen, insbesondere nach
moderne Stabilisationstechniken mit Betonung der einem hochenergetischen Trauma.
Weichteilbehandlung, winkelstabile Plattenosteosynthese
und minimalinvasive Techniken verwenden, berichteten
über eine Inzidenz tiefer Infektionen von 0. Eine multi-
zentrische Studie, die die LISS verwendete, verzeichnete
52 Patienten mit offenen Frakturen der proximalen Tibia
und des Tibiakopfs nach hochenergetischem Trauma. Sie
dokumentierten eine Inzidenz von nur 5,8 % tiefer Infek-
tionen trotz hochenergetischer offener Frakturen (28).
Hybridfixateure werden mit einer variablen Inzidenz tie-
fer Infektionen in Verbindung gebracht, mit einer Varia-
tion von 0 – 13 % und durchschnittlichen 6,6 % (21, 30, 32,
34, 37). Hybridfixateure werden auch mit dem Auftreten
von Kniegelenksempyemen als Ergebnis intraartikulärer
Drahtplatzierung assoziiert. 4 Studien berichteten über
798 29 Tibiakopffrakturen

Merke

■ Frakturen des Typs I tauchen bei jungen Patienten auf und ■ Fehlheilungen treten in nicht mehr als 1 % der Frakturen
sind mit lateralen Meniskusrissen verbunden. auf, ohne Rücksicht darauf, ob ORIF oder Hybridfixateure
■ Frakturen des Typs IV stehen mit Knieluxationen und Ge- verwendet werden.
fäß-Nerven-Verletzungen in Verbindung. ■ Pseudarthrosen tauchen abhängig von der Behandlungs-
■ Frakturen des Typs VI sind mit Ligament- und Gefäß- sowie technik in 5 – 19 % der Fälle auf.
Haut- und Weichteilverletzungen verbunden. ■ Moderne ORIF-Techniken führen im Vergleich zu Hybrid-
■ MRT-Studien zeigen, dass zwischen 48 und 90 % der Pa- fixateuren zu einem verbesserten Bewegungsumfang
tienten mit Tibiakopffrakturen entweder Ligament- oder (122° versus 104°).
Meniskusverletzungen haben. ■ Langzeitstudien zeigen, dass sich die Ergebnisse während
■ Indikationen für eine konservative Behandlung von Tibia- des erweiterten Follow-ups nicht routinemäßig veschlech-
kopffrakturen: tern.
– nicht oder minimal disloziert (< 3 mm), ■ Tiefe Infektionen bleiben in der älteren Literatur ein Pro-
– stabil gegen Varus- und Valgusstress, blem, mit einer Inzidenz von 27 % nach der ORIF, und
– periphere submeniskale Frakturen, die stabil sind, 6,6 % nach der Anwendung von Hybridfixateuren. Winkel-
– niederenergetische Frakturen mit minimaler Zertrüm- stabile Plattenosteosynthesen mit minimalinvasiven Tech-
merung, niken können diese Komplikation mindern, wobei einige
– wenig anspruchsvolle Patienten mit medizinischen Ge- Studien über sehr niedrige Infektionsraten berichten.
genanzeigen für eine Operation. ■ Hybridfixateure haben eine Inzidenz von Kniegelenks-
■ Das mediale Plateau ist größer und stärker als das laterale empyemen von 9,5 %.
Plateau und im Vergleich zur konvexen lateralen Seite kon- ■ Ein Osteosyntheseversagen kommt, wenn konventionelle
kav. Platten und Schrauben verwendet werden, in 16 % der
■ Outcome-Scores der letzten 10 Jahre haben sich verbes- Fälle vor.
sert und liefern mit moderner Technik oder ORIF in 84 %
gute oder ausgezeichnete Ergebnisse und in 16 % befrie-
digende oder schlechte Ergebnisse.

Inhalt der DVDs

Video 29-1 (entspricht Video 4-1, DVD 1) Grundsätzliches Video 29-4 (DVD 4) ORIF einer dislozierten medialen Tibia-
zur Anwendung von Verriegelungsplatten. Diese Präsenta- plateaufraktur mit einer Verriegelungsplatte. Dieses Video
tion fasst die „Regeln“ zusammen, die man als Operateur bei demonstriert die Vorgehensweise bei einer Schatzker-IV-Ti-
der Anwendung von Verriegelungsplatten berücksichtigen biaplateaufraktur in Kombination mit einer multiligamentä-
sollte. In dieser Präsentation sind unikortikale Verriegelungs- ren Knieverletzung. Arthroskopie wird mit Verriegelungsplat-
plattensysteme enthalten, die eigens für die minimalinvasive tenosteosynthese kombiniert, um diese besonderen pro-
submuskuläre Plattenlage entworfen wurden, wie auch das ximalen Frakturen des medialen TIbiaplateaus zu behandeln.
29 Verfahren der Hybridverplattung, bei der konventionelle und Video 29-5 (DVD 4) Arthroskopisch assistierte ORIF einer
Verriegelungsschrauben gleichzeitig eingesetzt werden. Die Schienbeinkopffraktur. Dieses Video ist ein Lehrfilm zur ar-
korrekte Reihenfolge von konventionellen und winkelstabilen throskopisch assistierten ORIF bei Schienbeinkopfbrüchen
Schrauben wird dabei hervorgehoben. und stellt die Patientenlagerung und Einrichtung des Opera-
Video 29-2 (entspricht Video 4-5, DVD 1) Offene Reposition tionsraums, die Platzierung der Arthroskopieportale und den
und innere Fixation einer bikondylären Tibiaplateaufraktur Einsatz von Instrumenten zur vorderen Kreuzbandrekon-
mit dem LISS-System. In diesem Fall hat der Patient eine struktion sowie Stößel bei der Reposition dislozierter Tibia-
bikondyläre Tibiaplateautrümmerfraktur erlitten. Das mini- plateaufrakturen dar.
malinvasive Vorgehen wird am Beispiel des LISS (Less Invasive Video 29-6 (entspricht Video 2-2, DVD 1). Osteosynthese
Stabilisation System) gezeigt. Die Notwendigkeit einer korrek- mit einem zirkulären Hybridfixateur. Dieses Video zeigt
ten Reposition vor der Verwendung der ersten winkelstabil zu die Prinzipien der Osteosynthese mit einem Hybridfixateur
verankernden Verriegelungsschraube wird hervorgehoben. bei der Versorgung einer Schienbeinkopffraktur.
Video 29-3 (entspricht Video 26-6, DVD 3) submuskulär Video 29-7 (entspricht Video 28-6, DVD 4) Anlage eines
eingeschobene winkelstabile Plattenosteosynthese bei Compass Knee Hinge Bewegungsfixateurs. Dieses Video
einer kombinierten C3-Fraktur des distalen Femurs und zeigt Schritt für Schritt die Anlage eines Compass Knee
einer C3-Fraktur der proximalen Tibia. Ein modifizierter la- Hinge Bewegungsfixateurs. Die Technik zur Bestimmung
teraler peripatellarer Zugang wird zur direkten Darstellung des isometrisches Punktes anhand der Femurkondylen wird
der komplexen Gelenkverletzung sowohl des Tibiaplateaus dargestellt.
als auch des distalen Femur benutzt. Die Schritte der sub-
muskulären Plattenlage bei winkelstabiler Osteosynthese
werden dargestellt.
Literatur 799

Literatur 22. Weigel DP, Marsh JL. High-energy fractures of the tibial
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Klassifikation 801

30 Tibiaschaftfrakturen
F. D. Shuler, W. T. Obremskey
Übersetzer: P. A. Grützner

Zu Frakturen des Tibiaschafts gehören Verletzungen mit Klassifikation


einfachen Frakturen und nur geringen Verletzungen der
umgebenden Weichteile bis hin zu schweren, die Extre- In der klinischen Praxis werden Tibiaschaftfrakturen
mität bedrohenden Verletzungen, die mit Nerven-, Ge- immer noch durch einfache Beschreibungen des Fraktur-
fäß-, Muskel- und Hautschäden verbunden sind. Die Ti- musters (transversal, spiralförmig, schräg usw.), der Dis-
biafraktur ist die häufigste Röhrenknochenfraktur. In den lokation und der Lokalisation klassifiziert. Zu den formel-
USA liegt die Inzidenz für eine Tibiaschaftfraktur bei 1 – 2 leren Einstufungssystemen gehört die Klassifikation der
pro 125 000 Einwohnern (1), mit jährlich 492 000 gemel- Arbeitsgemeinschaft für Osteosyntesefragen (AO/Müller;
deten Fällen (2). 25 % dieser Verletzungen sind offene 3), die auf die früheren Arbeiten von Johner u. Wrush
Frakturen (1). Die nationale Statistik in den USA aus (Abb. 30.1; 4) gründet. Die AO/OTA-Klassifikation (5)
dem Jahr 2002 lässt in Bezug auf Tibiafrakturen Folgen- wurde geschaffen, um unter Anwendung einer alpha-
des erkennen: Krankenhausentlassungen (69 559), numerischen Klassifikation, die der zunehmenden Kraft-
durchschnittliche Aufenthaltsdauer (5,1 Tage) und einwirkung und Komplexität der Fraktur gerecht wird, zu
Durchschnittskosten ($ 25 107; 2). Die Gesamtkosten die- einer Standardisierung beizutragen. Tibiafrakturen wer-
ser Verletzung belaufen sich in den USA somit auf über den auch nach dem Ausmaß des Weichteilschadens klas-
1,7 Milliarden Dollar. sifiziert. Für geschlossene Frakturen wird das Klassifika-
Tibiaschaftfrakturen können mit unterschiedlichen tionssystem nach Tscherne verwendet (6). Verletzungen
Verfahren behandelt werden. Hierzu gehören die konser- des Tscherne-Grads 0 haben geringfügige Weichteilschä-
vative Therapie mit Gipsruhigstellung und operative Ver- den. Grad 1 entspricht oberflächlichen Schürfungen oder
fahren wie Plattenosteosynthese, Marknagelfixation (auf- Kontusionen. Der Grad 2 hat tiefe kontaminierte Schür-
gebohrt oder unaufgebohrt) sowie die Behandlung mit fungen/Kontusionen und eine erhebliche Muskelkontusi-
dem Fixateur externe. Dieses Kapitel zeigt die empfohle- on. Grad 3 klassifiziert schwere Weichteilschäden wie
nen Behandlungsoptionen für Tibiaschaftfrakturen und ausgedehnte Hautkontusionen oder -quetschungen,
konzentriert sich auf chirurgische Maßnahmen und Tech- Hautablederung, Kompartmentsyndrom und andere
niken. Obwohl besonderes Gewicht auf die Darstellung Weichteilschäden. Die Klassifikation nach Gustilo u. An-
der Behandlungsprinzipien gelegt wird, bestimmen im derson (Typen I, II und III) wird zur Einstufung von offe-
Einzelfall individuelle Patientenszenarien den endgülti- nen Frakturen verwendet und in Kap. 1 behandelt (7, 8).
gen Behandlungsplan. Die konservative Therapie stellt Je schwerer der offene Weichteilschaden ist, desto höher
im Einzelfall bei Frakturen des Tibiaschafts immer noch ist das Risiko einer tiefen Infektion.
eine tragfähige Option dar.

A1 A2 A3 B1 B2 B3 C1 C2 C3 30

Abb. 30.1 Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteo- fragmentfrakturen, in der Regel verursacht durch ein Hochran-
synthesefragen/Orthopedic Trauma Association (AO/OTA). Die sanztrauma. Die Zeichnungen stellen die unterschiedlichen
Buchstaben (A–C) beschreiben die Frakturgeometrie. A-Fraktu- Frakturgeometrien dar (Orthopedic Trauma Association Com-
ren sind einfache Frakturen. C-Frakturen sind komplexe Mehr- mittee for Coding and Classification. Fracture and dislocation
compendium. J Orthop Trauma 1996; 10: 1 – 154).
802 30 Tibiaschaftfrakturen

Konservative Therapie Fixation behandelt werden können, um eine frühzeitige


Mobilisierung und möglicherweise schnellere Verheilung
Jede Art der Behandlung von Tibiaschaftfrakturen ist da- zu fördern, müssen die Risiken einer operativen Therapie
rauf ausgelegt, die Länge und Achse wiederherzustellen (Infektion, Schmerzen im vorderen Knie, Hardware-
und schnellstmöglich die Funktion wiederzuerlangen. Die Schmerzen) abgewägt werden.
konservative Behandlung von Tibiaschaftfrakturen mit
Gipsruhigstellung oder funktioneller Schienenbehand- Technik für die nichtoperative Behandlung
lung (Brace) wird schon seit langem als effektive Therapie
von Tibiaschaftfrakturen
eingesetzt, insbesondere bei stabilen Frakturen (9, 10).
Die Indikationen für eine konservative Behandlung sind Sollten Patient und Chirurg sich für die konservative The-
individuell festzulegen. Ein allgemeiner Konsens lautet, rapie einer stabilen Tibiaschaftfraktur entscheiden, sind
dass für die nichtoperative Behandlung eine Fraktur ge- in der Regel eine Reposition und ein Oberschenkelgips-
eignet ist, die mindestens 5 cm von der distalen oder verband erforderlich (Abb. 30.2). Der Patient sollte für die
proximalen Tibia entfernt ist, mit mindestens 50 % korti- Reposition und die Gipsanlage eine adäquate Analgesie
kaler Überlappung, mit einer initialen Verkürzung von bekommen. Diese kann durch Analgosedierung im Ein-
< 12 mm, mit einer Achsabweichung von weniger als griffsraum oder mit besseren Bedingungen in einem OP-
oder gleich 5° Varus/Valgus oder anteriorer/posteriorer Saal unter Vollnarkose geschehen. Hier steht der Bild-
Kippung (nach Gipsanlage), mit < 20° externer Rotation wandler zur Verfügung und bei Bedarf kann sofort eine
und mit < 10° interner Rotation (9). Wegen der Tendenz zweite Reposition und Neuanlage des Gipses erfolgen.
zur Varusfehlstellung der Tibia wird eine intakte Fibula Nach Sedierung des Patienten wird das betroffene Bein
als relative Kontraindikation für die konservative Fraktur- über die Bettkante oder Kante des OP-Tischs gelegt. Für
behandlung betrachtet. die Gipsanlage sind normalerweise ein Chirurg und 2
Sarmiento et al. berichteten über die konservative Be- Assistenten notwendig. Vor der Reposition sollte man
handlung von über 1000 Tibiaschaftfrakturen (9, 10). 99 % einen Bildwandler verwenden, um das exakte Repositi-
der Frakturen mit verfügbarem Follow-up verheilten in- onsmanöver zu „lernen“. Häufig ist eine gewisse Fraktur-
nerhalb von 17 – 19 Wochen. 95 % der Frakturen verheil- translation auf dem a.–p. Bild zu sehen, die sich schwierig
ten mit weniger als 12 mm Verkürzung, und 90 % verheil- korrigieren lässt. Diese Translation kann gewöhnlich
ten mit ≤ 6° Achsfehlstellung in jeglicher Ebene. Eine der- durch eine externe Rotation der Fraktur und nicht durch
maßen zuverlässige Behandlung der stabilen Tibiafraktu- Seitverschiebung des Tibiaschafts verbessert werden. Die
ren weist minimale Risiken auf und bleibt weiterhin Autoren schlagen vor, dass ein Assistent den Unterschen-
Standard bei der Behandlung von Frakturen, die die Kri- kel und die Zehen bei 15°– 30° gebeugtem Knie hält
terien für das nichtoperative Management erfüllen (9). (Abb. 30.2). Im prätibialen Bereich sowie im Bereich des
Obwohl stabile Tibiafrakturen auch mit intramedullärer Tuber calcanei und der Knöchel wird adäquat abgepols-

30

a b

Abb. 30.2 Anlage eines Oberschenkelgipses mit Reposition b Anschließend wird der Gips in einen Oberschenkelgips um-
der Tibia unter Allgemeinanästhesie. Der Gips sollte möglichst gewandelt. Hierbei ist auf eine Knieflexion von etwa 15° und
im Operationssaal unter Assistenz von 2 – 3 Personen angelegt ein Anmodellieren des Gipses suprakondylär zu achten. Die
werden. Reposition wird unter Durchleuchtungskontrolle oder mit
a Zunächst wird ein Unterschenkelgips mit Einschluss des einer konventionellen Röntgenaufnahme des Unterschenkels
Sprunggelenks und Reposition der Fraktur angelegt. Der kon- verifiziert und überprüft.
ventionelle Gips erlaubt eine längere Zeit für die Reposition der
Fraktur, das korrekte Anmodellieren des Gipses und das Auf-
rechterhalten der Reposition.
Konservative Therapie 803

tert. Zu starke Polsterung ist jedoch nicht wünschens- richtung erfolgen. Sollte es zu einem inakzeptablen Re-
wert, weil sie zu einem Verlust der Reposition führen positionsverlust gekommen sein, müssen Patient und
kann. Ein Unterschenkelgipsverband wird nach Repositi- Chirurg einen chirurgischen Eingriff in Betracht ziehen.
on angelegt und der Gips anmodelliert. Während der Eine leichte Dislokation von 5°– 10° nach der ersten Gips-
Aushärtung des Gipses sollte der erfahrenste Chirurg anlage oder bei der Nachsorgeuntersuchung kann durch
das Repositionsmanöver vervollständigen und die Repo- Gipskeilung ausgeglichen werden.
sition halten, bis der Gips fest ist. Ein a.–p. und laterales Die Gipskeilung erfolgt unter Anwendung von Tech-
Fluoroskopie-Bild oder nativradiologische Aufnahmen niken der aufklappenden oder zuklappenden Keilung
der gesamten Tibia werden erstellt und dokumentiert, und zwar am besten 1 – 2 Wochen nach Anbringen des
um zu gewährleisten, dass eine akzeptable Reposition ersten Gipsverbands. Wir bevorzugen die aufklappende
erzielt wurde. Ist die Reposition nicht adäquat, sollte Keilung auf der Konkavseite der Deformität. Die zuklap-
der Unterschenkelgips entfernt und die durchgeführte pende Keilung kann zu inakzeptablen Gefährdungen der
Reposition und Gipsanlage wiederholt werden. Die Repo- Haut führen. Die Gipskeilung erfolgt, indem der Gips auf
sition gilt als akzeptabel, wenn die Achsabweichung we- der gegenüberliegenden Seite der Spitze der Deformität
niger als 5°, die Verkürzung weniger als 12 mm und die (Konkavseite) aufgeschnitten wird. Es kann ein semizir-
Translation weniger als 50 % beträgt. Das Bein wird unter kulärer Schnitt am Gips mit gleichzeitiger Korrektur der
Ausformung der Patella auf ca. 15° Knieflexion gebracht Deformität durchgeführt werden. Ein fester Abstandhal-
und der Gips auf einen Oberschenkelgips erweitert. Die ter wird in die durch die Aufspaltung entstandene Stelle
Verwendung von Kunststoffstützverbänden (Baycast) platziert, wobei Druckstellen an der Haut vermieden wer-
vermindert das Gewicht und verbessert die Mobilität den müssen. Häufig wird ein Stück Holz oder Kork ver-
des Patienten. Um die Stabilität des Baycast zu verbes- wendet. Die Röntgenaufnahmen lassen erkennen, ob die
sern, sollten die Kondylen anmodelliert werden. Korrektur ausreicht. Bei korrekter Reposition wird der
Der Patient darf sofort mit einem Gangtraining mit Gips über der Keilung wieder geschlossen.
Gehstützen und Bodenkontaktbelastung beginnen. Der Nach etwa 4 – 6 Wochen kann auf einen Unterschen-
Patient kann dann beschwerdeadaptiert die Belastung kelgips, einen Brace oder Sarmiento-Brace gewechselt
im Oberschenkelgipsverband steigern. Sarmiento et al. werden (Abb. 30.3 und Abb. 30.4). Klassischerweise lie-
stellten fest, dass bei Patienten, die erst nach mehr als 6 ßen Sarmiento et al. ihre Patienten 4 – 6 Wochen nach
Wochen nach der Verletzung mit voller Belastung anfin- der Verletzung auf den Brace wechseln (9, 10). Dies er-
gen, die Fraktur länger brauchte, um zu konsolidieren möglichte eine Muskelaktivität des Gastroknemius-So-
(10). 1 – 2 Wochen nach Reposition und Gipsanlage sollte leus-Komplexes und des vorderen Kompartments, um
eine Kontrolluntersuchung zur Überprüfung der Achsaus- eine dynamische Kompression der Fraktur zu gewährleis-

30

a b c

Abb. 30.3 Konservative Behandlung einer distalen Tibiafrak- stellung erlaubt. Die Röntgenkontrollen erfolgten in 2-wö-
tur. chentlichen Abständen bis eine ausreichende Kallusbildung er-
a Die Unfallaufnahmen zeigen eine distale Tibiaschaftfraktur kennbar war.
mit akzeptierbarer Achsausrichtung und nur minimaler Verkür- b Die Röntgenuntersuchung nach 3 Monaten zeigt das Aushei-
zung. Dem Patient wurde eine beschwerdeabhängige Belas- lungsergebnis mit einer akzeptablen Achsausrichtung.
tungssteigerung in den ersten 6 Wochen unter Baycastruhig- c Röntgenuntersuchung nach 6 Monaten.
804 30 Tibiaschaftfrakturen

Abb. 30.4 Unterschenkelbraces mit infrapatellarer Abstützung. Das klinische Bild zeigt einen
Patienten mit einer undislozierten Tibiafraktur im Bereich des mittleren Drittels. Er wurde versorgt
mit einem Brace mit tibialer Abstützung unter Einbeziehung des Fußes. Durch die Einbeziehung
des Fußes wird die axiale und Rotationsstabilität des Braces gewährleistet.
a Frontale Ansicht des Frakturbraces.
b Seitliche Ansicht des Braces.
a

ten und auf diese Weise die Frakturverheilung zu verbes- dass dislozierte instabile Frakturen für eine konservative
sern. Es gibt keine prospektiv randomisierten Studien, die Behandlung ungeeignet sind (15). In einer prospektiv
belegen, dass eine Funktionsschiene wirksamer wäre als randomisierten Studie verglichen Hooper et al. bei der
ein Gips oder Sarmiento-Brace. Röntgenaufnahmen wer- Gegenüberstellung von Tibiaschaftfrakturen mit mindes-
den in 4-Wochen-Intervallen vorgenommen, um die Re- tens 50 % Dislokationen und > 10° Kippung in jegliche
position, die Ausrichtung und die Heilung zu beurteilen. Richtung die konservative Therapie mit der Marknage-
Wenn die Bruchstelle nur minimale Schmerzen und lung. Die Marknagelung führte zu einer schnelleren Rate
Druckempfindlichkeit verursacht oder der Patient ohne des knöchernen Durchbaus (15,7 vs. 18,3 Wochen) mit
große Beschwerden unter voller Belastung gehen kann, weniger Pseudarthrosen und Verkürzungen. Insgesamt
kann er gewöhnlich auf einen abnehmbaren Brace über- scheiterte das konservative Management bei 24 % der Pa-
gehen. Die Phase der Ruhigstellung variiert zwischen 3 tienten und sie mussten sich der Marknagelung unterzie-
und 5 Monaten. Im Bewegungsumfang von Knie und hen. Die nichtoperative Gruppe hatte auch eine zehnfach
Knöchel wurden keine Einschränkungen festgestellt, größere Chance der Pseudarthrosenbildung. Bone et al.
doch in bis zu 72 % kann die subtalare Bewegung einge- berichteten über 99 Patienten mit unilateralen, dislozier-
schränkt sein (11). ten, isolierten, geschlossenen Frakturen des Tibiaschafts
Die Zeit bis zum knöchernen Durchbau für Tibiafraktu- (16). Die Patienten wurden entweder mit konservativer
ren, die mit Gips behandelt werden, konnte durch die Therapie oder mit aufgebohrter Marknagelung behandelt.
Anwendung von Ultraschall oder elektrischer Stimulation Bei der intramedullären Stabilisationsgruppe wurde
um bis zu 4 Wochen verkürzt werden (12 – 14). Dieser neben einem verbesserten funktionellen Ergebnis eine
30 Unterschied war insbesondere bei nichtoperativ behan- kürzere Zeit bis zum knöchernen Durchbau (18 vs. 26
delten Rauchern deutlich (12, 13), aber die günstige Aus- Wochen) beobachtet. Ein Wechsel in der Erwartungshal-
wirkung der Knochenstimulation scheint bei operativer tung der Patienten haben zu einer Abnahme der Toleranz
Therapie mit einem Marknagel zu schwinden (14). von Pseudarthrosen, verzögerter Frakturheilung oder
Fehlstellungen und daraus resultierendem Funktionsver-
lust geführt. Es scheint offensichtlich, dass die Behand-
Indikationen für die chirurgische lung von instabilen Tibiaschaftfrakturen mit Marknagel-
Behandlung fixation zu einer geringeren Rate an Knochenheilungsstö-
rungen mit einer kürzeren Zeit bis zum knöchernen
Studien aus den 1980er-Jahren haben bei geschlossenen Durchbau und einem verbesserten funktionelles Ergebnis
Tibiaschaftfrakturen bei Erwachsenen die offene Reposi- führt.
tion und innere Fixation selten gerechtfertigt (11). Den- Die Entscheidung für die operative Fixation sollte
noch enthüllte eine kritische Analyse der präsentierten daher eine individuelle Entscheidung sein. Indikationen
Daten eine Pseudarthrosenrate von 34 % und eine we- für die operative Behandlung von Tibiaschaftfrakturen
sentliche Einschränkung der Beweglichkeit an den sind:
Sprunggelenken (43 %). Hooper et al. lieferten Daten,
Chirurgische Behandlung 805

Abb. 30.5
a Schnittbildanatomie der Tibia. Sowohl distal
als auch proximal verdünnt sich die tibiale Korti-
kalis, und der intramedulläre Kanal erweitert
sich. In diesen Bereichen ist die Führung einer
intramedullären Stabilisierung erschwert.
b Startpunkt für die Marknagelung im axialen
Schnittbild.
b c Startpunkt in der seitlichen Ansicht. Die wei-
ßen Pfeile zeigen den optimalen Eintrittspunkt
des Marknagels für die Osteosynthese einer
Schaftfraktur der Tibia.

■ offene Frakturen,
■ Frakturen in Verbindung mit Polytrauma oder multi-
plen Frakturen,
■ erheblich dislozierte Frakturen einschließlich Verkür-
zungen von > 12 mm,
■ Frakturen mit begleitendem Kompartmentsyndrom
oder Gefäßverletzungen,
■ instabile Frakturmuster, einschließlich der distalen und
proximalen Schaftfrakturen,
■ Frakturen mit inakzeptabler Achsausrichtung nach Ver-
suchen des konservativen Managements.

Chirurgische Behandlung
Chirurgische und radiologische Anatomie
30
Die Tibia hat eine einzigartige Anatomie, deren Kenntnis
für die operative Therapie entscheiden ist (Abb. 30.5). Der
Markraum des Tibiaschafts ist in der Längsausrichtung
Abb. 30.6 Design eines Tibiamarknagels. Üblich ist beim
relativ gerade und im Querschnitt einem Dreieck ähnlich.
Marknagel der Tibia die Krümmung im proximalen Bereich
Der Zugang für die Marknagelung orientiert sich an der (Herzog-Krümmung, s. Pfeile), die die Implantation des Mark-
am weitesten anterior gelegenen Knochenkontur. Die nagels von einem exzentrischen Startpunkt ausgehend verein-
nach posterior gewinkelte proximale Krümmung tibialer facht. Hierdurch wird das Risiko einer posterioren Kortikalispe-
Marknägel (Herzog-Krümmung; Abb. 30.6) ist notwendig, netration minimiert.
um bei der Nagelinsertion eine Penetration der dorsalen
tibialen Kortikalis zu vermeiden.
In der proximalen und distalen tibialen Metaphyse fin- höht das Risiko einer Lockerung der Schanz-Schrauben in
det sich eine kortikale Ausdünnung und Ausweitung der diesem Bereich. Die proximale und distale Erweiterung
Markhöhle. Die dünne Kortikalis in diesen Bereichen der Markhöhle verhindert die adäquate Füllung des
führt dazu, dass Schanz-Schrauben hier weniger Halt als Markraums mit intramedullären Implantaten. Daher
im diaphysären Knochen haben. Der schwächere Halt er- sind Fehlstellung bei proximalen oder distalen Frakturen
806 30 Tibiaschaftfrakturen

a b

Abb. 30.7 Fehlstellung einer proximalen Tibiafraktur.


a Röntgenaufnahmen in a.–p. und seitlicher Projektion einer instabilen Tibia-
fraktur im proximalen Drittel.
b Die Röntgenuntersuchung nach der Marknagelosteosynthese zeigt die fort-
bestehende mediale Translation und die Valgusfehlstellung des proximalen Frag-
ments. Der Startpunkt des Nagels ist zu weit distal, zu weit anterior und zu weit
medial gewählt.
c Nach der Revision mit einem Marknagel wurden ein neuer Eintrittspunkt und
eine zusätzliche Verriegelungsoptionen sowie Pollerschrauben gewählt. Hier zeigt
sich auf den postoperativen Röntgenaufnahmen eine deutlich bessere Achsaus-
richtung.

30 häufiger (Abb. 30.7). Die Hersteller von tibialen intrame- Die Blutversorgung der Tibia stammt aus intramedul-
dullären Implantaten haben in letzter Zeit schräg aus- lären und periostalen Gefäßen. Die intramedulläre Ver-
gerichtete und weiter nach proximale bzw. distale ver- sorgung ist bei normaler Anatomie von großer Bedeu-
lagerte Verriegelungsoptionen ergänzt, um dem Chirur- tung. Sie stammt aus der A. nutricia, einem Zweig der A.
gen die Möglichkeit zu geben, die Stabilität der Osteosyn- tibialis posterior. Diese Versorgungsarterie tritt an der
these im proximalen und distalen metaphysären Bereich proximalen Tibia in ein Foramen nutricium ein, das sich
zu verbessern. am posterolateralen Kortex am Ansatzpunkt des Soleus
Ein detailliertes Verständnis der Schnittbildanatomie befindet (18). Nach dem Eintritt in die Markhöhle teilt sie
ist notwendig, um Tibiaschaftfrakturen und ihre Kompli- sich in 3 aufsteigende Zweige und einen absteigenden
kationen zu behandeln. Die Platzierung eines Fixateur Zweig, wobei endostale Zweige entstehen. Obwohl die
externe erfordert das Verständnis und Kennen der „siche- medulläre Blutversorgung unter normalen Bedingungen
ren Zonen“ zur Platzierung der Pins. Der Atlas von Leh- wichtig ist, dominiert nach einem skelettalen Trauma mit
man et al. (17) stellt z. B. die Möglichkeiten der Platzie- Fraktur die periostale Blutversorgung und beschleunigt
rung von Pins exzellent dar, sodass iatrogene Schäden an den Heilungsprozess (18). Die periostale Blutversorgung
neurologischen und Gefäßstrukturen minimiert werden stammt aus der vorderen Schienbeinarterie. Normaler-
können. weise erfolgt die Blutversorgung zu 25 % aus periostalen
Chirurgische Behandlung 807

Abb. 30.8 Indirekte Kno-


chenbruchheilung nach
Marknagelosteosynthese
der Tibia. Die Röntgenserie
zeigt eine zunehmende
Kallusbildung nach einer
intramedullären Osteosyn-
these. Von links: 1, 2, 4
und 8 Monate postopera-
tiv.

Die röntgenologischen Zeichen der Knochenheilung


variieren abhängig von den angewandten Behandlungs-
methoden. Externe Fixation, Marknagelung und winkel-
stabile Plattenosteosynthesetechniken heilen durch indi-
rekte Knochenbruchheilung, die eine Kallusbildung be-
günstigt (Abb. 30.8). Bei hypertrophen Pseudarthrosen
(Abb. 30.9) findet sich ein ausgeprägter Kallus jedoch
ohne mechanische Stabilität. Im Gegensatz hierzu resul-
tiert die konventionelle Kompressionsplattenosteosyn-
these mit anatomischer Reposition der Frakturfragmente
in einer direkten Knochenbruchheilung. Durch die abso-
lute Stabilität, ohne Bewegung im Frakturbereich wäh-
rend der Heilung, ist auf den Röntgenaufnahmen keine
Kallusbildung zu sehen. „Überbrückende“ Plattenosteo-
synthesen liefern nur eine relative Stabilität und resultie-
ren daher in einer Kallusbildung. Sieht man nach her-
kömmlichen Plattenosteosynthesen eine Kallusbildung,
sollte man davon ausgehen, dass es zu große Bewegun-
gen im Frakturbereich gibt und ein Scheitern der Osteo-
synthese auftreten kann. 30

Abb. 30.9 Eine hypertrophe Pseudarthrose der Tibia. Hier Operationstechniken


zeigt sich ein typisches Bild einer ausreichenden biologischen
Vitalität im Frakturbereich. Zur Ausheilung wird eine verbesser- Vorrangiges Ziel dieses Kapitels ist es, die Operationstech-
te mechanische Stabilität benötigt. Zum Ausschluss einer Infek- niken darzustellen, mit denen Tibiaschaftfrakturen be-
tion sollte zusätzlich eine Blutuntersuchung (CRP, BSG) vor- handelt werden. Es werden die intramedulläre Fixation
genommen werden.
(mit einem zusätzlichen Schwerpunkt auf das Manage-
ment proximaler und distaler Frakturmuster), die
Plattenosteosynthese und die Behandlung mit dem Fixa-
Gefäßen. Nach einem Skeletttrauma mit Fraktur kann teur externe dargestellt und diskutiert.
dieser Beitrag auf 100 % ansteigen. Auf diese Weise kann
ein Weichteilschaden oder die Deperiostierung, entstan-
den durch die Verletzung oder den operativen Eingriff,
den Heilungsprozess beeinträchtigen, indem eine Zone
avaskulären Knochens entsteht.
808 30 Tibiaschaftfrakturen

Marknagelung
Die Verriegelungsmarknagelung der Tibia ist mittlerweile
die vorherrschende Behandlung aller dislozierten, insta-
bilen aber auch vieler stabiler Tibiaschaftfrakturen, ganz
gleich, ob offen oder geschlossen. Die jüngste Kontrover-
se fokussiert sich auf die Vorzüge der aufgebohrten Mar-
knagelung mit Verwendung großer Nageldurchmesser
oder die Anwendung von kleinen Nageldurchmessern,
die ohne Aufbohrung des Markraums platziert werden
(19, 20). Die gegenwärtigen Implantate verfügen über
multiple Verriegelungsoptionen, die eine verbesserte Sta-
bilität sowie verbesserte Designs aufweisen, um den
während der Mobilisation des Patienten und der Fraktur-
heilung entstehenden Kräften zu widerstehen. Das Indi-
kationsspektrum für die Marknagelung spannt sich über
herkömmliche Frakturen in Schaftmitte, metaphysäre
Frakturen bis hin zu ausgewählten Frakturen der pro-
ximalen oder distalen Tibia mit einfacher intraartikulärer
Beteiligung.
Gegenwärtig ist die Osteosynthese mit statisch verrie-
gelten Marknägeln das Standardverfahren zur Behand- Abb. 30.10 Die Lagerung des Patienten zur Durchführung
lung von dislozierten Tibiaschaftfrakturen (15, 16, 20, einer Tibiamarknagelung. Hier zeigt sich der Nutzen eines
21). Es ist ein zuverlässiges Behandlungsverfahren, um sog. röntgendurchlässigen Dreiecks, das die Reposition der
Fraktur und die Insertion des Nagels erleichtert. Unter maxima-
eine rasche Knochenkonsolidierung und eine frühfunk-
ler Flexion des Kniegelenks erfolgt der Zugang zum proximalen
tionelle Nachbehandlung zu erreichen. Eintrittspunkt.

Operationstechnik der Marknagelosteosynthese von


diaphysären Tibiaschaftfrakturen (Video 30-1, DVD 4)
ten ist am ehesten vom Eintrittspunkt und dem Zugangs-
Patienten, die bei einer Tibiaschaftfraktur der Marknage- weg abhängig. Tornetta et al. (25) haben den richtigen
lung unterzogen werden, sollten auf einem röntgen- Eintrittspunkt für einen Marknagel identifiziert, um das
durchlässigen Tisch mit einer Polsterung unter der ipsila- Risiko intraartikulärer Verletzungen zu mindern
teralen Hüfte gelagert werden. Als alternative Methode (Abb. 30.12). Diese „sichere Zone“ befindet sich genau
kann ein Extensionstisch ggf. mit Kalkaneusdrahtextensi- vor dem intermeniskealen Ligament und projiziert sich
on verwendet werden. Bei Verwendung des Extensions- auf die mediale Seite der lateralen Eminentia intercondy-
tisches sollte der Chirurg darauf achten, nur während der laris. Auf der seitlichen Röntgenaufnahme befindet sie
Phase der Reposition Zug auszuüben. Es hat sich gezeigt, sich genau am anterosuperioren Rand der Gelenkfläche
dass der Kompartmentdruck während der Traktion deut- an einer leicht abgeflachten Region, die auf einer streng
lich ansteigt und bei nachlassender Traktion wieder nor- seitlichen Röntgenaufnahme sichtbar ist (Abb. 30.13).
mal wird (22). Man sollte sich des Risikos eines Kompart- Dieser ideale Eintrittspunkt kann über eine mediale
30 mentsyndroms bewusst sein, falls der intrakompar- oder laterale parapatellare Inzision oder durch eine die
timentelle Druck während des Marknagelungsprozesses Patellarsehne spaltende Inzision erreicht werden. Der
für längere Zeit erhöht bleibt. Auch ein röntgendurchläs- Eintrittspunkt für den Tibianagel sollte unter Bildwand-
siger Beinhalter oder eine Rolle können zur Flexion unter lerkontrolle, mit den oben erwähnten Landmarken, dar-
das Knie des Patienten platziert werden (Abb. 30.10). Dies gestellt werden. Die Eröffnung erfolgt mit einer Ahle oder
hilft bei der Frakturausrichtung, Reposition und Nagelin- einem Führungsdraht. Bei der Verwendung eines Füh-
sertion. Steht kein Assistent zur Verfügung, kann ein AO- rungsdrahts muss man sehr vorsichtig sein, um den
Distraktor mit 2 Schanz-Schrauben, eine in der distalen Draht nicht zu weit posterior zu platzieren. Das gebogene
Tibia oder im Fersenbein, die andere auf der proximalen Design der Ahle erleichtert die richtige Markraumeröff-
medialen posterioren Tibia platziert werden. Der Femur- nung. Sowohl der Führungsdraht als auch die Ahle sollten
oder AO-Universaldistraktor kann verwendet werden, der vorderen Schienbeinkante folgen (Abb. 30.13). Eine
um die Reposition während des intramedullären Auffrä- Knieflexion über eine Rolle erleichtert die Eröffnung des
sens und der Nagelpositionierung aufrechtzuerhalten Markraums in korrekter Ausrichtung entlang der vor-
(Abb. 30.11). deren Tibiakante. Bei der Insertion, die man zunächst in
Ein häufiges Problem nach der Tibiamarknagelung sind der seitlichen Projektion kontrolliert, sollte man darauf
Schmerzen im vorderen Kniebereich (23, 24). Das Auftre- achten, dass man in der a.–p. Ausrichtung nicht zu weit
Chirurgische Behandlung 809

Abb. 30.11 Verwendung des femoralen


Universaldistraktors. Der Distraktor kann an
der Medialseite der Tibia platziert werden,
um die Reposition zu erleichtern. Mit diesem
Hilfsmittel können sowohl proximale als
auch distale Frakturen reponiert werden.
Alternativ kann auch ein unilateraler Fixateur
externe verwendet werden.
a Die Pins sollten proximal posterior und
distal im anterioren Bereich platziert wer-
den.
b Positionierung des femoralen Distraktors,
um die Reposition während der Marknage-
lung zu gewährleisten.

a b

Abb. 30.12 Darstellung des


Eintrittspunkts.
a Der richtige Startpunkt für
die Marknagelung liegt anterior
der vorderen Meniskusaufhän-
gung. Die Eintrittszone ist in
der Abbildung hervorgehoben.
b In der lateralen Projektion
zeigt sich die knorpelfreie Zone
an der proximalen Tibiafläche.
Hier sollte der Eintrittspunkt für
den Marknagel liegen.

30
a b

nach lateral abweicht (s. Abb. 30.10). Nachdem man sich Markhöhle eingeführt. Der Führungsdraht wird über die
vergewissert hat, dass sich die Nagelinsertion auf der Frakturregion vorgeschoben. Hierbei muss darauf geach-
a.–p. Aufnahme in der Mitte des intramedullären Kanals tet werden, dass der Draht in der distalen Tibia in beiden
befindet und sich seitlich parallel zum anterioren Kortex Ebenen zentral positioniert wird. Für eine unaufgebohrte
der Tibia ausrichtet, wird der Eintrittspunkt mit der Öff- Nagelung kann eine Ahle mit T-Handgriff für die defini-
nungsahle oder durch Überbohren des tibialen Führungs- tive Markraumeröffnung verwendet werden. Falls die
drahts erweitert. Markraumeröffnung in Blutsperre erfolgte, sollte diese
Führungsdraht bzw. Öffnungsahle werden entfernt. vor einem Aufbohrvorgang geöffnet werden, um mögli-
Eine provisorische Frakturreposition wird entweder ma- che Verbrennungen zu vermeiden.
nuell mit Traktion oder mithilfe eines Distraktors erreicht Bei Verwendung eines Markraumbohrers muss auf den
und dann ein Führungsdraht mit einer Kugelspitze in die Schutz der Weichteile des Streckapparats geachtet wer-
810 30 Tibiaschaftfrakturen

a b

Abb. 30.13 Darstellung des Eintrittspunkts für die Marknage-


lung unter Durchleuchtung. Der optimale Eintrittspunkt, der
schematisch in Abb. 30.12 dargestellt wurde, ist hier nun als
Durchleuchtungsaufnahme gezeigt.
a In der a.–p. Projektion zeigt sich der Startpunkt in der Ver-
längerung des medialen Anteils der lateralen Tibiakante. Im
lateralen Bild ist die Ahle an der vorderen Fläche der proxima-
len Tibia platziert.
b Die Ahle wird dann in den Markkanal der proximalen Tibia,
parallel zum anterioren Kortex, eingebracht. Das Einbringen
der Ahle erfolgt in maximaler Flexion des Kniegelenks
(s. Abb. 30.10).
c Der Führungsdraht mit einer Kugelspitze wird dann unter
Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenen in den Markraum einge-
bracht.
c

den. Besonders während des ersten Fräsvorgangs muss Verriegelungsschrauben vor. Weiter distal gelegene Frak-
auf die korrekte Frakturreposition geachtet werden, weil turen oder komplexe Frakturen können durch zusätzlich
der Nagel dem aufgebohrten Pfad folgen wird. Der Auf- eingebrachte schräg oder multiplanar eingebrachte Ver-
bohrvorgang erfolgt mit schrittweiser Vergrößerung der riegelungsschrauben stabiler versorgt werden. Eine Kom-
Bohrerdurchmesser (0,5 – 1,0 mm) bis kortikaler Kontakt pression der Fraktur kann durch Rückschlagtechnik nach
erreicht ist. Die Größe des Implantats ist 1 mm kleiner als der distalen Verriegelung oder durch herstellerspezi-
der Durchmesser des letzten Bohrers, um ein Verklem- fische Kompressionsmechanismen erzielt werden. Die
men des Nagels zu vermeiden. Der Nagel wird dann über Frakturreposition erfolgt unter direkter Sicht auf die Aus-
den Führungsdraht in die endgültige Position eingeführt, richtung der Beinachse und zusätzlicher Bildwandlerkon-
wobei die Nagelrotation während der Insertion kontrol- trolle in beiden Ebenen. Falls verfügbar, kann bei kom-
30 liert werden muss. Bei der Änderungen der Nagelrotation plexen Situationen die lange Röntgenaufnahme in beiden
muss durch vorsichtige Manipulation beim Vorschlagen Ebenen hilfreich sein. Die proximale Verriegelung erfolgt
darauf geachtet werden, keine Fehltorsion der Tibia zu über den bei den gängigen Implantaten vorhandenen
verursachen. Die endgültige Nagelposition wird per Zielbügel. Die Verriegelungsschrauben werden dabei in
Durchleuchtung a.–p. und lateral kontrolliert und dann statischer oder dynamischer Position platziert. Zusätzli-
der Führungsdraht entfernt. Um stärkere Nägel zu plat- che Stabilität wird durch die Anwendung von schräg aus-
zieren, muss nach der Bohrergröße mit dem ersten Kor- gerichteten Schrauben erreicht. Bei Trümmerfrakturen
tikaliskontakt zusätzlich 1 – 2 mm weiter aufgebohrt wer- können für die Beurteilung der anatomischen Tibialänge
den. Dies kann bei der Nagelung metaphysärer Frakturen und der Achsausrichtung vergleichende Aufnahmen der
von Vorteil sein, wobei die Autoren generell ein über- Gegenseite herangezogen werden.
mäßiges Aufbohren vermeiden. Zum Abschluss erfolgen der schichtweise Wundver-
Zusätzliche Verriegelungsschrauben erhöhen die Stabi- schluss und der sterile Verband. Es erfolgt dann eine er-
lität der Osteosynthese. Distale Verriegelungsschrauben neute klinische Beurteilung, ob in den Faszienlogen des
werden unter Anwendung einer Freihandtechnik von Beines ein erhöhter Druck existiert; wenn der Verdacht
medial nach lateral eingebracht. Die Frakturgeometrie auf die Entwicklung eines Kompartmentsyndroms be-
gibt sowohl die richtige Anzahl als auch die Position der steht, wird die Fasziotomie durchgeführt. Die anatomi-
Chirurgische Behandlung 811

sche Beinlänge und Rotation werden überprüft und das noch haben vergleichende Studien festgestellt, dass bei
Kniegelenk hinsichtlich der Bandstabilität noch in Nar- der Osteosynthese mit Marknägeln kein wesentlich er-
kose untersucht. Abänderungen dieser Technik wurden höhtes Risiko einer tiefen Infektion gegenüber der Fixa-
entwickelt, um die spezielle Situation bei distalen und teur-externe-Versorgung besteht (26, 27). Die Zeit bis
proximalen Frakturen anzugehen. Dies wird in den bei- zum knöchernen Durchbau war bei Marknägeln äquiva-
den nächsten Abschnitten besprochen. lent, die Inzidenz von Pseudarthrosen nahm deutlich ab,
und es waren insgesamt weniger Eingriffe bis zur Kno-
chenheilung notwendig. Die Marknagelung bei offenen
Technik bei offenen Tibiaschaftfrakturen
Tibiaschaftfrakturen einschließlich der Frakturen des
Die intramedulläre Stabilisation bei offenen Frakturen Typs IIIB haben sich als sicheres Verfahren erwiesen und
wurde kontrovers diskutiert, da Befürchtungen bestan- stellen eine akzeptierte Behandlungsmethode dar
den, dass ein Marknagel das Infektionsrisiko erhöht. Den- (Abb. 30.14). Finden sich beim chirurgischen Débride-

30

Abb. 30.14 Management einer offenen Tibiafraktur.


a Die intraoperativen und klinischen Bilder zeigen eine offene Ti-
biafraktur (Typ IIIB) mit einem Knochendefekt von 3 cm. Die
Durchblutung des Fußes war intakt und die operative Stabilisierung
erfolgte mit einem Marknagel unter Wiederherstellung von Länge
und Rotation des Unterschenkels. Es fand sich intraoperativ außer
dem Knochendefekt eine ausgedehnte periostale Denudierung.
Nach Weichteildeckung erfolgt nach 6 Wochen eine Spongiosa-
plastik vom li. Beckenkamm.
b Die Röntgenaufnahmen zeigen die Defektfüllung nach der
b Spongiosaplastik.
c Klinisches Bild nach knöcherner Konsolidierung.
812 30 Tibiaschaftfrakturen

ment offener Frakturen devitalisierte Knochensegmente, medial, weicht der Nagel schnell vom medialen Kortex
sollte man diese Knochensegmente entfernen und eine nach posterolateral ab, wodurch eine Valgus- und Flexi-
adäquate Entlastung der Weichteile erzielen. Bei Kno- onsdeformität verursacht wird (s. Abb. 30.7). Wenn der
chendefekten ist eine frühzeitige Knochentransplantati- Eintrittspunkt etwas nach lateral abweicht, können Füh-
on, möglichst innerhalb der ersten 6 Wochen, abhängig rungsdraht und Nagel immer noch zentral durch den
von der Weichteilsituation anzustreben. Für die Behand- Kanal laufen, entlang des anterioren Kortex der Tibia.
lung von Knochendefekten und Störungen der Fraktur- Der Eintrittspunkt kann durch einen lateralen peripatel-
heilung stehen biologische Zusätze zur Verfügung. Die laren Zugang vereinfacht aufgesucht werden. Der Nagel-
Verwendung von rekombinantem Bone Morphogenetic eintritt sollte sich direkt parallel zum anterioren Kortex
Protein 2 (BMP-2) bei offenen Tibiafrakturen zeigte in befinden, um die sonst zu erwartende Fehlstellung des
letzter Zeit im Vergleich zu der standardmäßigen alleini- Schienbeinkopfs zu vermeiden (s. Abb. 30.13). Mit einer
gen Marknagelung verringerte Infektionsraten, eine kür- Kürette kann ggf. die Spongiosa entlang der vorderen
zere Zeit bis zum knöchernen Durchbau und weniger Tibiakante zur Präparation des Nageleintrittkanals ent-
Schmerzen (28). fernt werden. Die Reposition wird während der Insertion
Auch das sofortige Verschließen von Weichteilwunden des Führungsdrahts, dem Aufbohren und während der
bei offenen Tibiaverletzungen wurde im Vergleich zum Nagelinsertion gehalten. Sollte dennoch eine Fehlstellung
zwei- oder mehrzeitigen Vorgehen kontrovers diskutiert. auftreten, werden unterschiedliche Techniken empfoh-
Jahrelang wurde der Verschluss sekundär nach Wunddé- len, um diese zu korrigieren.
bridement nach 48 – 72 Stunden durchgeführt. Viele Bei nichtzufriedenstellender Reposition können die im
Traumazentren führen gegenwärtig schon bei der ersten Folgenden beschriebenen Techniken Abhilfe schaffen. Zu
Operation eine adäquate Wundausschneidung und – den Instrumenten, die bei der Frakturreposition einge-
wenn möglich – einen Wundverschluss durch. Dieser setzt werden können, gehören die additive Plattenosteo-
frühzeitige Verschluss hat zu keiner erhöhten Inzidenz synthese, ggf. mit unikortikalen Schrauben, die Anwen-
oberflächlicher oder tiefer Infektionen geführt (29). Dies- dung von Pollerschrauben, das Verwenden eines Distrak-
bezüglich wurde in Zusammenarbeit mit der „Orthopae- tors (s. Abb. 30.11), und/oder die Anwendung von spitzen
dic Trauma Association“ eine prospektiv randomisierte Repositionszangen. Unikortikal verankerte Platten kön-
Studie initiiert. Ist es nicht möglich eine Wunde primär nen im Bereich der anteromedialen Tibia platziert wer-
zu verschließen oder besteht aufgrund des Weichteil- den und gewährleisten während des Auffräsens und der
schadens die Notwendigkeit für ein sekundäres offenes Nagelplatzierung eine temporäre Frakturreposition
Débridement, kann die Wunde mit feuchten Verbänden, (Abb. 30.15). Diese Platten sind vor allem bei der Osteo-
einer „PMMA“-Kette (30, 31) oder einer Vakuumversiege- synthese mehrsegmentaler Tibiafrakturen nützlich
lung (32, 33) temporär verschlossen werden. Nach unse- (s. Abb. 30.7). Es können Drittelrohrplatten, DC-Platten
rer Auffassung sollte die Wunde so geschützt werden, oder winkelstabile Plattensysteme eingesetzt werden.
dass das Risiko einer Nosokomialinfektion begrenzt wird. Die Reposition und die Plattenosteosynthese sollten mit
gestrecktem Knie durchgeführt werden. Wenn das Knie
dann gebeugt wird, verhindert die Platte die Varuskip-
Operationstechniken der intramedullären Fixation
pung und die Dorsalverkippung des proximalen Frag-
von proximalen Tibiaschaftfrakturen
ments. Diese Platten verbleiben, bis die Verriegelung des
Bei der Behandlung der proximalen Tibiafrakturen mit Nagels abgeschlossen ist. Es kann diskutiert werden, ob
intramedullärer Fixation besteht ein hohes Risiko von diese Platten nach Abschluss der Marknagelung entfernt
Fehlstellungen (s. Abb. 30.7). Es werden bei diesen Frak- werden oder verbleiben.
30 turen daher häufig zusätzliche Techniken verwendet, um Eine weitere Option zur Vermeidung von Fehlstellun-
das Risiko der Fehlstellung nach der Marknagelung zu gen ist die Anwendung von Poller-Schrauben
reduzieren. (Abb. 30.16). Eine Poller-Schraube ist in der Regel eine
Hat man sich bei einer proximalen Tibiafraktur für ein Kleinfragment-Kortikalisschraube, die so platziert wird,
intermedulläres Verfahren entschieden, ist es unabding- dass der Nagel durch die funktionelle Verengung des
bar den korrekten Eintrittspunkt zu wählen. Hierfür gibt Markkanals geführt wird. Diese Schrauben können au-
es verschiedene Gründe. Da das proximale Segment keine ßerdem zusätzliche Stabilität liefern und vermeiden pri-
Markhöhle aufweist, kann mit dem Implantat keine Frak- märe Fehlstellungen der proximalen Tibia: die Dorsalkip-
turreposition erzielt werden. Das Fehlen der markraum- pung und Varusdislokation. Um zu verhindern, dass der
füllenden Wirkung des Implantats ist mit einem Besen- Nagel nach posterior abweicht, wird eine Poller-Schraube
stiel im Mülleimer vergleichbar. Ein weiterer Grund hat exakt hinter der gewünschten Nagelposition platziert:
mit der dreidimensionalen Anatomie der proximalen Durch eine weitere Poller-Schraube in a.–p. Richtung, di-
Tibia zu tun. Der mediale Kortex der proximalen Tibia rekt lateral der gewünschten Nagelposition, wird der
neigt sich vom anterioren Scheitelpunkt nach schräg pos- Nagel geführt und eine Dreipunktabstützung erzielt.
terior, während die laterale Tibia anterior eine Erweite- Diese Schrauben dienen als Leitschiene und steuern
rung aufweist. Beginnt man mit dem Nagel also zu weit Nagel und Reposition, um ein anatomisches Ergebnis zu
Chirurgische Behandlung 813

a b

Abb. 30.15 Repositionshilfen für Frakturen im Bereich der der Tibiamarknagel etwas zu weit medial eingebracht worden,
proximalen Tibia – Beispiel einer zusätzlich angebrachten uni- was zu einer Dislokation während der Insertion des Marknagels
kortikalen Plattenosteosynthese. geführt hat. Die unikortikale Fixation der Kleinfragmentplatte
a Bei dieser Tibiafraktur war eine zusätzliche Unterstützung (5-Loch 3,5-mm-LC-DCP) lässt die Passage des Führungsdrahts,
der Reposition bei der Marknagelosteosynthese erforderlich. der Markraumbohrer und des Implantats zur Gewährleistung
Zu beachten ist die anteriore Dislokation des proximalen Frag- einer adäquaten Reposition zu. Nach Verriegelung des Markna-
ments (Pfeil rechts). Der andere Pfeil zeigt die Fraktur im Be- gels kann die Platte sowohl belassen als auch entfernt werden.
reich des Fibulaköpfchens. Wir vermeiden in der Regel die Anwendung dieser Technik, um
b Die postoperativen Röntgenaufnahmen zeigen die Position das Hämatom im Bereich der Fraktur möglichst zu erhalten. Ein
der kurzen Plattenosteosynthese, die intraoperativ zur Gewähr- korrekter (weiter lateral gelegener) Eintrittspunkt hätte das
leistung der Reposition bei der durchgeführten Marknagelos- Problem von vorne herein vermieden.
teosynthese zum Einsatz kam. Unter kritischer Betrachtung ist

30

a b

Abb. 30.16 Der Einsatz von Poller-Schrauben. Die Poller- a In der koronaren Ebene ist die Schraube typischerweise late-
Schraube kann sowohl die Reposition als auch die korrekte ral des Nagels platziert.
Platzierung des Implantats unterstützen. Üblicherweise wird b In der sagittalen Ebene wird die Schraube posterior des Na-
diese Schraube an der konkaven Seite der Fehlstellung plat- gels platziert. Ob durch den Kontakt einer Poller-Schraube aus
ziert, und der Marknagel gleitet mit direktem Kontakt an dieser Stahl mit dem Titanmarknagel ein galvanischer Effekt auftritt,
Schraube entlang. der sich auf die Frakturheilung auswirkt, wird in der Literatur
nicht erörtert.
814 30 Tibiaschaftfrakturen

erzielen. Diese Technik wurde von mehreren Autoren mit


Operationstechniken der intramedullären Fixation
guten Ergebnissen bei Tibiaschaftfrakturen im proxima-
distaler Tibiaschaftfrakturen
len Drittel beschrieben (34, 35).
Wenn das Problem der proximalen Reposition und Na- In gleicher Weise wie bei den proximalen Tibiafrakturen
gelplatzierung gelöst ist, erfolgt das Platzieren des Mar- kann die intermedulläre Fixation distaler Tibiafrakturen
knagels, ggf. mit Aufbohrung des Markraums, in gewohn- eine Herausforderung darstellen. Neuere Implantatde-
ter Weise. Auch jetzt ist unbedingt darauf zu achten, dass signs erlauben die Platzierung multipler distaler Verrie-
das Repositionsergebnis bis zum Abschluss der proxima- gelungsschrauben in verschiedenen Ausrichtungen. Ob-
len und distalen Verriegelung gehalten wird. Die Platzie- wohl solche Modifikationen des Implantatdesigns zu
rung der Verriegelungsschrauben sollte sowohl in der einer besseren Frakturstabilität beitragen können (36,
transversalen als auch in schrägen proximalen Ebenen 37), ist die Frakturreposition entscheidend. Das Einbrin-
erfolgen, um so eine erhöhte Stabilität zu gewährleisten. gen des intramedullären Implantats führt nicht alleine
zur Reposition distaler Frakturen. Grund hierfür ist die
metaphysäre Erweiterung des Markraums, die durch das
Implantat nicht ausgefüllt wird und somit zu einer man-

a b

Abb. 30.17 Fehlstellung einer dis-


talen Tibiafraktur nach Marknagel-
osteosynthese.
a Röntgenaufnahmen in a.–p. und
seitlicher Projektion der distalen Un-
30 terschenkelfraktur.
b Die postoperative Röntgendiag-
nostik zeigt die inakzeptable Valgus-
dislokation und Antekurvation im
Bereich der distalen Tibia.
c Bei der Revision erfolgte zunächst
die Plattenosteosynthese der Fibula,
um Länge und Rotation der lateralen
Säule wiederherzustellen. Zur Ver-
besserung der Stabilität und Füh-
rung des Marknagels wurden zu-
sätzlich Poller-Schrauben einge-
bracht.
d Röntgenaufnahmen nach knö-
cherner Konsolidierung.

c d
Chirurgische Behandlung 815

gelhaften Reposition führen kann. Fehlstellungen stellen ren Zieldrahts. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass der
ein nicht unerhebliches Risiko für verminderte funktio- intramedulläre Draht in beiden Ebenen zentral platziert
nelle und subjektive Ergebnisse bei Frakturen des dis- wird. Diese zentrale Platzierung wird überprüft, doku-
talen Drittels der Tibia, die mit intramedullären Implan- mentiert und muss während des Überbohrvorgangs si-
taten behandelt wurden, dar (Abb. 30.17). Bei Varusfehl- chergestellt sein. Die Position wird während der Platzie-
stellungen im Sprunggelenk verschlechtern sich beson- rung des Nagels und der Verriegelung aufrechterhalten;
ders die Fuß-Scores (39). Aus diesem Grund sind Reposi- anschließend kann der Steinmann-Nagel oder die
tionsstrategien notwendig, die vor der Platzierung des Schanz-Schraube entfernt werden.
Marknagels die korrekte Achsausrichtung und Rotation Durch die Plattenosteosynthese der distalen Fibula er-
gewährleisten. Zu den Repositionsinstrumenten ge- folgt bereits eine indirekte Reposition der distalen Tibia.
hören die Positionierung eines Universaldistraktors Die Plattenosteosynthese der Fibula sollte allerdings nur
(s. Abb. 30.11), die Plattenosteosynthese der Fibula, die dann durchgeführt werden, wenn sowohl Länge als auch
Platzierung von Steinmann-Nägeln, die Plattenplatzie- Rotation der Fibula anatomisch wiederhergestellt werden
rung an der distalen Tibia mit unikortikalen Schrauben können (Abb. 30.19). Für die anatomische Wiederherstel-
und die Anwendung von spitzen Repositionszangen. lung der distalen Tibia können zusätzliche Repositions-
Mit einem Steinmann-Nagel oder einer Schanz-Schrau- instrumente erforderlich werden. Die intramedulläre Os-
be kann die Reposition von distalen Tibiafrakturen ver- teosynthese erfolgt, sobald die Reposition ausreichend
einfacht werden (Abb. 30.18). Ein für die Frakturmanipu- gehalten werden kann. Die Fibulaplatte wird während
lation ausreichend starker Kirschner-Draht (mind. 2 mm) der intramedullären Stabilisierung belassen. In manchen
wird in der distalen Tibia platziert. Dieser Draht kann Fällen kann auch eine distale Tibiaplatte mit unikortikal
anterior der distalen Fibula und parallel zur Gelenkfläche besetzten Schrauben nützlich sein (Abb. 30.20). Dieses
platziert werden. Durch die Platzierung des Drahtes pa- Verfahren wird analog zur Anwendung von zusätzlichen
rallel zur Gelenkfläche kann die anatomische Reposition Platten bei proximalen Tibiafrakturen eingesetzt
der Fraktur unterstützt werden, und dieser Draht dient (s. Abb. 30.15).
als Zieldraht für die endgültige Platzierung des Nagels Falls die Marknagelosteosynthese bei Frakturen mit
senkrecht zur Gelenklinie des oberen Sprunggelenks. Ausläufern in das obere Sprunggelenk eingesetzt wird,
Der im distalen Frakturfragment fixierte Pin wird im muss die Gelenkfläche vor der Marknagelung anatomisch
Sinne eines Joystick zur Reposition und zur Kontrolle reponiert und mit perkutan platzierten Zugschrauben
der Translation und Rotation der Fraktur verwendet. stabilisiert werden. Verschiedene Publikationen zeigen,
Dies erfolgt bereits bei der Platzierung des intramedullä- dass die Marknagelung von distalen Tibiafrakturen auch

30

a b

Abb. 30.18 Verwendung eines Steinmann-Nagels zur Reposi- be nach der Reposition platziert. In der Lateralprojektion zeigt
tion einer distalen Tibiafraktur. sich, dass durch die korrekte Position der Schanz-Schraube der
a Die Schanz-Schraube wird von medial nach lateral direkt Nageleintritt nicht kompromittiert wird.
oberhalb und parallel zur distalen Gelenkfläche eingebracht. b Durch den Einsatz von Verriegelungsbolzen in mehreren Ebe-
Die Schanz-Schraube wird sowohl als Repositionshilfe als auch nen werden eine ausreichende Stabilität des Implantats und die
als Orientierungshilfe zur Achsausrichtung eingesetzt. Der int- Sicherung der Reposition gewährleistet.
ramedulläre Führungsdraht wird senkrecht zur Schanz-Schrau-
816 30 Tibiaschaftfrakturen

a b

Abb. 30.19 Die indirekte Reposition der Tibia durch die Plat- b In diesem Beispiel erfolgt die Osteosynthese durch eine
tenosteosynthese der Fibula. Kombination aus Plattenosteosynthese der Fibula und einer
a Die Röntgenaufnahmen am Unfalltag zeigen die dislozierte Zugschraubenosteosynthese der distalen Tibia, die hier auf-
schräg verlaufende extraartikuläre Fraktur der distalen Tibiame- grund des gravierenden Weichteilschadens durchgeführt wur-
taphyse. Es ist hier erforderlich, die Fibula in anatomisch kor- de. Bei diesem Frakturtyp würden die Autoren eigentlich die
rekter Position bezüglich Länge und Reposition einzustellen. Osteosynthese mit einem Marknagel mit 3 weit distal vorgese-
henen Verriegelungsoptionen bevorzugen.

30

a
b

Abb. 30.20 Temporäre Reposition mit einer kurzen tibialen distalen Tibiafraktur mit einer 3,5-mm-Rekonstruktionsplatte
Plattenosteosynthese und monokortikalen Schrauben. durch die Komplikationswunde. Es wurden monokortikale
a Klinische Bilder einer drittgradig offenen distalen Tibiafrak- Schrauben eingesetzt. Nach der Marknagelosteosynthese er-
tur. folgte die distale Verriegelung mit Verriegelungsbolzen in ver-
b In diesem Beispiel bestand eine Stückfraktur der Fibula, so- schiedenen Ebenen. Zusätzlich wurden eine Schraube durch
dass eine Plattenosteosynthese der distalen Fibula alleine nicht die Platte und die distale Verriegelungsoption des Marknagels
zu einer ausreichenden Reposition und Stabilität geführt hätte. eingebracht.
Aus diesem Grund erfolgte eine temporäre Stabilisation der
Chirurgische Behandlung 817

mit Frakturausläufern in die Gelenkfläche sowohl unter für die AO- und OTA-Klassifikation für Tibiafrakturen
biomechanischen als auch unter klinischen Gesichts- diente. Mit zunehmender Schwere der Fraktur steigt die
punkten ohne wesentliche Komplikationsraten oder Fehl- Rate der Komplikationen. Die Rate an Komplikationen
stellungen technisch gut durchführbar ist (40–43). beträgt etwa 1,5 % bei einfachen Frakturen, 18,1 % bei
Frakturen mit Keilfragmenten und 48,3 % bei Trümmer-
Plattenosteosynthese von Tibiaschaftfrakturen frakturen bei einer Infektrate von 10,3 % in dieser Gruppe.
(Video 30-2, DVD 4) Die in letzter Zeit zunehmend verbreiteten perkutanen
Fixationstechniken sind ein Ausdruck der Bemühungen
Nach einer Tibiafraktur erfolgt die Blutversorgung der die Weichteilsituation zu erhalten. Zunächst erfolgten
Tibia nahezu ausschließlich über periostale Gefäße. We- diese Fixationstechniken vor allem bei periartikulären
sentliche Bedenken gegenüber dem Einsatz der Platten- Verletzungen. In einer Serie von 14 Patienten haben Col-
osteosynthese bei Tibiaschaftfrakturen besteht daher in linge et al. (46) über den Nutzen von perkutanen Fixati-
der Befürchtung, dass eine zusätzliche Ablösung von Pe- onstechniken bei komplexen periartikulären Tibiaschaft-
riost zu avaskulären Knochensegmenten führt. Eine we- frakturen berichtet. Die Ergebnisse zeigen weder Pseu-
sentliche Anstrengung gilt daher dem Erhalt der Weich- darthrosen noch tiefe Infektionen oder Weichteilkompli-
teile und somit der Vaskularität in der Frakturregion wo- kationen bei den 5 Patienten mit geschlossenen Verlet-
durch perkutane Plattenosteosynthesetechniken eine zu- zungen. In einem Fall kam es zu einer Osteomyelitis und
nehmende Bedeutung, gerade in der Behandlung von bei 3 weiteren Patienten zu oberflächlichen Infektionen
Kombinationsverletzungen von periartikulären Frakturen in der Gruppe der 9 Patienten mit offenen Frakturen.
mit Schaftkomponenten, gewonnen haben. Diese Techniken hängen von der Möglichkeit ab, die Frak-
Die Plattenosteosynthese der Tibia ist daher zunächst tur zunächst geschlossen zu reponieren bevor die per-
auf die proximalen und distalen Frakturen beschränkt. kutane Plattenosteosynthese erfolgen kann.
Die Plattenosteosynthese kann auch bei offenen Tibia-
schaftfrakturen, in denen bereits eine komplette Depe-
Technik der lateralen gedeckten Plattenosteosynthese
riostierung der Frakturregion vorliegt, vorgenommen
von proximalen Tibiafrakturen
werden, um eine anatomische Reposition anzustreben.
Wenn man die Platte proximal und distal entlang des Die Marknagelung von proximalen Tibiafrakturen führt
Knochens einschiebt, ohne die Blutversorgung weiter zu auch beim erfahrenen Chirurgen zu einer inakzeptabel
beeinträchtigen und gleichzeitig eine anatomische Repo- hohen Rate an Fehlstellungen von bis zu 30 % (47). Zur
sition und übungsstabile Fixation erzielt, ist die Platte Pseudarthrose kann es auch kommen, wenn die weiter
eine gute Wahl. Die Plattenosteosynthese von Tibiaschaft- oben beschriebenen Techniken zur optimalen Reposition
frakturen ist dann indiziert, wenn die Marknagelung auf- während der Aufbohrung und Nagelplatzierung zur An-
grund einer einliegenden Knieendoprothese oder auf- wendung kommen. Aufgrund der technischen Schwierig-
grund einer hochgradig komplexen proximalen oder dis- keiten bei der Marknagelosteosynthese von proximalen
talen Tibiafraktur mit Gelenkbeteiligung nicht möglich Tibiafrakturen bevorzugen viele Chirurgen heute die per-
ist. Eine vorbestehende Fehlstellung an der Tibia kann kutane und submuskuläre Plattenosteosynthese von pro-
ebenso ein Hinderungsgrund für die intramedulläre Os- ximalen Tibiafrakturen (48, 49). Die winkelstabilen vor-
teosynthese sein. Die Plattenosteosynthese ist außerdem konturierten proximalen Tibiaplatten tragen dazu bei,
eine Option für Kinder mit offenen Epiphysen. In allen das Risiko einer Pseudarthrose und einer Fehlstellung zu
Fällen können anatomisch vorgeformte Platten möglichst reduzieren; es ist allerdings zwingend erforderlich vor
perkutan platziert zum Einsatz kommen. Diese Technik der Plattenosteosynthese die Fraktur anatomisch zu re-
hilft, den zusätzlichen Weichteilschaden durch die Osteo- ponieren. Bei Frakturen, die in das proximale Fünftel des 30
synthese auf ein Minimum zu reduzieren und damit auch Tibiaschafts hineinreichend, bevorzugen die Autoren den
die Wundkomplikation und die Rate an tiefen Infektionen lateralen Zugang (Abb. 30.21). Wir benutzen diese Tech-
zu reduzieren. Bei der Plattenosteosynthese der Tibia niken auch bei Beteiligung der proximalen Gelenkfläche,
wurden Infektraten von bis zu 30 % publiziert (44). wobei in diesem Kapitel vor allem auf die Tibiaschaftfrak-
Bei der Plattenosteosynthese kommen auch am Tibia- turen eingegangen wird.
schaft Standardtechniken zum Einsatz, die nicht im Ein- Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgen-
zelnen in diesem Kapitel abgehandelt werden. Durch die durchlässigen OP-Tisch gelagert. Unter der ipsilateralen
Entwicklung der Kompressionsplattenosteosynthese Hüfte wird eine Rolle platziert. Eine Blutsperre wird am
durch die AO wurden recht gute funktionelle Ergebnisse proximalen Oberschenkel angelegt, diese wird jedoch
erzielt (45). Eine gute Analyse der Grenzen der Plattenos- häufig nicht benötigt. Die Hautinzision erfolgt von der
teosynthese wurde von Johner u. Wruhs dargestellt (4). Höhe des Condylus lateralis tibiae (Gerdy-Tuberkel)
Durch sie wurde eine Fallserie von 212 geschlossenen schräg bis etwa in den Bereich des Wadenbeinköpfchens.
und 79 offenen Tibiafrakturen dargestellt, die mit Die Hautinzision wird dann nach distal verlängert, um
Plattenosteosynthese versorgt wurden. Auf dieser Basis die Faszie des anterioren Kompartments darzustellen.
wurde eine Klassifikation vorgestellt, die als Grundlage Die Faszie des anterioren Kompartments wird 1 cm late-
818 30 Tibiaschaftfrakturen

len Plattenosteosynthese hat mit etwa 3 % verzögerter


Frakturheilung oder Pseudarthrose exzellente Ergebnisse
(48, 49).

Behandlung von Tibiaschaftfrakturen mit dem


Fixateur externe (Video 30-3, DVD 4)
Der Fixateur externe kann sowohl zur definitiven als auch
zur temporären Stabilisation von Tibiaschaftfrakturen
zum Einsatz kommen. Die häufigste Indikation für dieses
Verfahren sind offene Frakturen und Frakturen am wach-
senden Skelett. Alle Fixationsprinzipien (Schanz-Schrau-
ben und Backen, Spanndrahtsysteme und Hybridsyste-
me) folgen dem gleichen Prinzip einer Frakturstabilisie-
rung mit minimalem zusätzlichem Weichteilschaden. Die
Wahl der initialen Fixateur-Montage (Verfahrenswahl
und Stabilität) hängt vom initialen Zustand des Patienten
und von der zu erwartenden Behandlungsdauer ab. Die
Behandlung mit einem Fixateur externe impliziert das
Risiko einer Pin-Infektion und ist mit einer höheren
Rate an Pseudarthrosen oder verzögerter Knochenbruch-
heilung vergesellschaftet. Außerdem sollte die zu erwar-
tende Compliance des Patienten bei der Wahl dieses Ver-
Abb. 30.21 Plattenosteosynthese einer proximalen Tibia- fahrens in Betracht gezogen werden.
schaftfraktur. Bei Frakturen im proximalen Fünftel des Tibia-
schafts bevorzugen die Autoren von lateral eingeführte sub-
muskulär platzierte winkelstabile Plattenosteosynthesen. Die- Technik der Fixateur-externe-Behandlung
ses Fallbeispiel zeigt die Platzierung eines „Less invasiv Stabili-
sation System“ (LISS). Die Fraktur muss vor der Plattenplatzie- Für den Fall, dass ein Fixateur externe nur kurzfristig zum
rung reponiert werden, und das distale Plattenende sollte die Einsatz kommen soll, ist eine Durchleuchtungskontrolle
Fraktur um mindestens 4 – 6 kortikale Durchmesser überschrei- nicht zwingend erforderlich. Die Pins sollten so platziert
ten. Die Plattenlänge sollte prinzipiell 4 – 6 kortikale Durchmes- werden, dass sie ausreichende Stabilität bieten und dabei
ser über die Fraktur hinaus reichen.
außerhalb des Verletzungsbereichs bleiben. Bei Tibia-
schaftfrakturen kommen am besten 5-mm-Schanz-
Schrauben zum Einsatz. Falls es erforderlich wird, können
ral der Tibiakante inzidiert, um den späteren Wundver- die Pins gelenküberbrückend am Sprunggelenk, im Be-
schluss zu vereinfachen. Mit einem Koch-Elevatorium er- reich des Kalkaneus platziert werden oder gelenküber-
folgt die submuskuläre Dissektion der anterolateralen Ti- brückend am Kniegelenk am distalen Femur. Dies ge-
biafläche. Nachdem die Fraktur reponiert wurde, wird währleistet, dass die Pin-Platzierung außerhalb der Ver-
die winkelstabile Platte entweder über einen Zielbügel letzungszone erfolgt. Sollte es sich bei der Anwendung
oder manuell im anterolateralen Kompartment nach dis- des Fixateur externe um eine definitive Versorgung han-
tal geschoben, bis der proximale Teil der Platte der ante- deln, ist darauf zu achten, dass ein Pin relativ nah an der
30 rolateralen proximalen Tibia anliegt. Mit dem Bildwand- Frakturzone und ein weiterer weit weg von der Fraktur-
ler erfolgt die Kontrolle der Plattenplatzierung und der zone, jeweils in den Hauptfragmenten platziert wird. Die
Reposition sowohl in der a.–p. Ebene als auch in der seit- ausreichende Stabilität wird durch den jeweiligen Typ des
lichen Projektion, vor allem um sicher zu sein, dass im gewählten Fixateursystems (Monosysteme, Doppelrohr-
Bereich der proximalen Tibia keine Varusfehlstellung auf- konstruktionen, Ringfixateure) gewährleistet.
tritt. Der proximale Rand der Platte wird etwa 1 cm distal Bei gelenknahen Frakturen kann durch die Anwendung
der tibialen Gelenkfläche platziert. Nachdem die Platte eines Hybridfixateursystems durch die Kombination von
eingeschoben ist, wird sie mit Repositionszangen oder Schanz-Schrauben in der Diaphyse und verspannten
Führungshülsen durch den Zielbügel gehalten. Wenn die Drahtsystemen im Bereich der Metaphyse eine verbesser-
Fraktur sowohl in der axialen Ebene als auch in der Ro- te Stabilität geschaffen werden. Wenn man Hybridfixa-
tation korrekt eingerichtet ist, kann jedes metaphysäre teursysteme am proximalen Unterschenkel einsetzt, soll-
oder diaphysäre Fragment belassen werden. Die Platte te darauf geachtet werden, die Pins außerhalb der Ge-
sollte nach distal 4 – 6 kortikale Diameter unterhalb der lenkkapsel, ca. 1,4 cm von der Gelenklinie entfernt, zu
Fraktur liegen. Die Platten werden häufig initial mit Stan- platzieren, um das Risiko einer Gelenkinfektion zu mini-
dardschrauben fixiert, um die Platte dem Knochen anzu- mieren (50). Als Faustregel sollte man die Pins unterhalb
nähern. Diese Techniken der submuskulären winkelstabi- der Spitze des Fibulaköpfchens setzen, um eine extraar-
Chirurgische Behandlung 819

a b

c d

Abb. 30.22 Einsatz unterschiedlicher Behandlungsmethoden d Die Röntgenuntersuchung zeigt die Osteosynthese durch
bei der Therapie instabiler hochgradig offener Tibiafrakturen. eine Verplattung sowohl der Fibula als auch der Tibia und ana-
a Die Abbildung zeigt den Zustand nach Débridement einer tomischer Rekonstruktion der Gelenkfläche. Antibiotikaketten
Tibiafraktur mit offenem Weichteilschaden Typ 3B und 6 cm wurde für etwa 6 Wochen eingelegt. Die Ketten wurden nach 6 30
Knochendefekt. Wochen unter Belassung der ausgebildeten Membranen ent-
b Präoperative Röntgenbilder und fernt, und der Defekt mit Spongiosa vom Beckenkamm gefüllt.
c Computertomografie zeigen die Komplexität der distalen Ti-
biafraktur. Die Achsausrichtung erfolgte initial mit Platzierung
eines Fixateur externe. Wiederholte Wunddébridements und
Lavage in Kombination mit einer internen Osteosynthese und
Weichteildeckung wurden durchgeführt.

tikuläre Platzierung zu gewährleisten. Man sollte mög- nen Traumazentren in etwa 10 % zu einer Infektion im
lichst eine Platzierung im proximalen Tibiofibulargelenk Kniegelenk (51). Neurovaskuläre Strukturen sind beim
vermeiden, da dieses Gelenk in etwa 10 % der Fälle eine Einsatz von Kirschner-Drähten sowohl proximal als auch
Verbindung zum Kniegelenk selbst hat. Falls es zu einer distal gefährdet. Beim Einsatz von Kirschner-Drähten ist
Pintrack-Infektion durch ein proximales Portal kommt, eine sehr detaillierte Kenntnis des anatomischen Quer-
kann dies zu einem Kniegelenkempyem führen. Beim schnitts der betreffenden Region erforderlich, um neuro-
Einsatz von Hybridsystemen kommt es auch in erfahre- vaskuläre Verletzung zu vermeiden. Falls eine distale Un-
820 30 Tibiaschaftfrakturen

terschenkelfraktur mithilfe eines Fixateur externe zur Ilisarow-Fixateur ist sehr nützlich bei schweren Fraktur-
Ausheilung gebrachten werden soll, scheint es beim Ein- formen, bei infizierten Pseudarthrosen oder beim Seg-
satz von gelenküberbrückenden bzw. nicht gelenküber- menttransport. Selten kommen diese Systeme bei der Be-
brückenden Fixateursystemen keinen Unterschied bezüg- handlung von frischen Frakturen an der Tibia zum Ein-
lich der späteren Beweglichkeit des oberen Sprung- satz. Ein Fallbeispiel, in dem verschiedene Behandlungs-
gelenks zu geben (70). Auch ein Ilisarow-Fixateur kann formen zur Diskussion kommen, ist in Abb. 30.22 dar-
bei hochgradig komplexen Verletzungsmustern, bei Frak- gestellt.
turen bei mit Knochendefekten und bei Frakturen mit
schwerem Weichteilschaden zum Einsatz kommen. Der

Tipps und Tricks


Intramedulläre Verfahren
■ Nach einer Marknagelung muss unbedingt der Kompart-
mentdruck eingeschätzt werden, die Stabilität der Knie-
■ Entscheidend ist die richtige Wahl des Eintrittspunkts. bänder muss überprüft werden, außerdem sollten zu-
Bei proximalen Unterschenkelfrakturen sollte der Ein- sätzlich zur Röntgendiagnostik die Beinlänge und Unter-
trittspunkt etwas weiter lateral, in Höhe des lateralen schenkelrotation klinisch eingeschätzt werden.
Punktes der Eminentia gewählt werden. ■ Bei distalen oder proximalen Frakturen sollte möglichst
■ Um eine Perforation der posterioren Kortikalis zu ver- intraoperativ oder direkt postoperativ eine lange Unter-
meiden, sollte der Eintrittspunkt parallel zum anterioren schenkelaufnahme zur besseren Beurteilung der Achs-
tibialen Kortex gewählt und in der seitlichen Durchleuch- ausrichtung erfolgen.
tung kontrolliert werden. Durch eine maximale Kniefle-
xion wird dies erleichtert. Plattenosteosynthese
■ Während der Positionierung des Führungsdrahts und ■ Bei minimal invasiven perkutanen oder submuskulären
des Aufbohrvorgangs muss eine akzeptable Reposition OP-Techniken muss die Fraktur vor der Plattenplatzie-
der Fraktur aufrechterhalten werden. Das Implantat rung anatomisch korrekt reponiert werden.
kann nur dem vorgegebenen Weg folgen.
Fixateur externe
■ Aufgrund der Weite des Markraums kann ein intrame-
dulläres Implantat nicht zur Reposition von proximalen
■ Die Pin-Platzierung muss außerhalb der Verletzungszone
und distalen Frakturen beitragen. Aus diesem Grund ist und außerhalb der Gelenkkapsel erfolgen.
es nicht selten erforderlich, zusätzliche Repositionstech-
■ Die wichtigsten Faktoren für die stabile Frakturversor-
niken und Stabilisierungsverfahren einzusetzen. gung mit einem Fixateur externe sind die Annäherung
■ Die Stabilität kann durch zusätzliche Verriegelungsbol- der Frakturfragmente gefolgt von der richtigen Wahl
zen aus unterschiedlichen Richtungen erhöht werden. des Pin-Durchmessers.
Bei instabilen Frakturen sollten zumindest 2 proximale
und 2 distale Verriegelungsbolzen zum Einsatz kommen.

Kürzlich konnte gezeigt werden, dass der Einsatz von


Neuere Techniken
rekombinanten BMP-2 bei der Behandlung von offenen
30 Frakturheilung bedeutet immer einen dynamischen Frakturen zu einer Reduktion der Infektionsraten und
Wettbewerb zwischen biomechanischer Stabilität und einer verkürzten Heilungszeit in Verbindung mit redu-
Biologie der Frakturzonen (s. Abb. 30.8 und Abb. 30.9). ziertem Schmerz im Vergleich zur Standardtherapie
Neuere intramedulläre Implantatdesigns bieten zusätzli- führt (28). Die Indikation für ein biologisch aktives Pro-
che Optionen für die distalen und proximalen Verriege- dukt sollte verstanden werden und differenziert zum Ein-
lungen. Diese in der Regel schräg ausgerichteten Schrau- satz kommen. Das heißt, dass nach dem derzeitigen Wis-
benlöcher erlauben dem Chirurgen zusätzliche Verriege- sensstand rekombinantes BMP-2 bei einer offenen Tibia-
lungsmöglichkeiten mit einer verbesserten Stabilität, und fraktur beim Erwachsenen nach einer Versorgung mittels
kommen insbesondere bei instabilen Frakturformen zum Marknagelung und einer zuverlässigen Weichteildeckung
Einsatz. Jedes biomechanische Konstrukt hat biologische zum Einsatz kommen kann. Die Anwendung sollte nur
Folgen. Man sollte unbedingt auf eine Minimierung des zum Einsatz kommen, wenn innerhalb von 2 Wochen
Weichteilschadens beim Einsatz jeder Technik achten. stabile Weichteilverhältnisse gegeben sind. Wie bereits
Die Unterstützung der Biologie in der Frakturzone ist in der Einleitung erwähnt, sind tibiale Pseudarthrosen
eine spannende Neuentwicklung bei der Behandlung sehr häufig. Pro Jahr kommt es in Nordamerika zu über
von Tibiafrakturen unter Einsatz von Wachstumsfaktoren 100 000 tibialen Pseudarthrosen (über 10 %). Rekom-
und BMPs. binantes BMP-7 ist als alternative Behandlungsmethode
Ergebnisse 821

bei komplexen Pseudarthrosen an langen Röhrenknochen ten Marknägeln wird immer kontrovers diskutiert. Im
beim Versagen alternativer Behandlungsmethoden zuge- Rahmen einer Metaanalyse wurden 9 prospektiv rando-
lassen (52). misierte Studien mit aufgebohrter gegen unaufgebohrte
Marknagelung verglichen. Es konnte nicht schlüssig dar-
gestellt werden, dass das Aufbohren das Risiko eines
Kompartmentsyndroms oder einer Infektion reduziert
Ergebnisse oder die knöcherne Konsolidierung beschleunigt (54). In
Ermangelung einer validen Studie und der hohen Varia-
Die Langzeitergebnisse bei Patienten mit Tibiaschaftfrak- tionsbreite der Meinung einzelner Chirurgen sind weitere
turen sind schwierig vorherzusehen. Sarmiento u. Latter prospektiv randomisierte multizentrische Studien erfor-
haben herausgefunden, dass die knöcherne Konsolidie- derlich, um festzustellen, welches Therapieverfahren bei
rung und die Zeit bis zur knöchernen Konsolidierung offenen und geschlossenen Tibiaschaftfrakturen zu den
primär mit der Komplexität der Fraktur und dem Vorlie- besten Ergebnissen führt.
gen offener Frakturen korreliert (9). Bei ihren Patienten- Die Behandlung von offenen Tibiaschaftfrakturen hat
gruppen waren keine patientenorientierten funktionellen sich nach einer Studie von Henley et al. aus dem Jahr
Ergebnismessungen durchgeführt worden. Patienten, die 1998 von der Behandlung mit dem Fixateur externe zur
über eine längere Zeit im Cast oder Gips ruhig gestellt unaufgebohrten Marknagelung entwickelt (27). In dieser
wurden, haben in der Regel eine eingeschränkte Beweg- Studie wurde in einer prospektiv randomisierten Unter-
lichkeit im Subtalargelenk mit geringer Inzidenz eines suchung die unaufgebohrte Verriegelungsmarknagelung
anterioren Knieschmerzes. Die optimale Behandlungs- mit dem Fixateur externe verglichen (Fraktur-Typ II, IIIa
methode für geschlossene dislozierte Schaftfrakturen ist und IIIb). In der Marknagelgruppe waren 104 Frakturen,
ebenso unklar, da es keine Aussagen zu den Langzeit- in der Fixateur-externe-Gruppe 70 Frakturen einge-
ergebnissen gibt (53). schlossen. Es gab einen statistisch signifikanten Unter-
Abgesehen von der Renaissance der periartikulären schied bezüglich der Achsabweichung in beiden Gruppen.
Plattenosteosynthese wird die Plattenosteosynthese von In der Marknagelgruppe war in 92 % eine zufriedenstel-
Tibiaschaftfrakturen vor allem aufgrund des relativ lende Achsausrichtung gegeben, demgegenüber gab es in
hohen Infektrisikos nur selten durchgeführt. 1976 haben der Fixateur-externe-Gruppe in nur 69 % eine ausreichen-
Gustilo u. Anderson über die Behandlung von offenen de Rekonstruktion der Achsen. Bezüglich der tiefen Infek-
Tibiaschaftfrakturen entweder mit Plattenosteosynthese tionen im Bereich der Fraktur gab es keinen statistisch
oder Fixateur externe berichtet (7). Patienten, die mit signifikanten Unterschied, allerdings hatten etwa 50 %
Plattenosteosynthese behandelt wurden, hatten in einer der Patienten in der Fixateur-externe-Gruppe mindestens
retrospektiven Analyse eine Infektionsrate von 44 % bei eine Pin-Infektion. Im Mittel erforderte die Fixateur-ex-
110 analysierten Frakturen. Ebenfalls retrospektiv ana- terne-Gruppe einen Eingriff mehr nach der Erstversor-
lysiert wurden die mit Fixateur externe behandelten Pa- gung (2,7 gegenüber 1,7). Die Ergebnisse waren in beiden
tienten mit einer Infektrate von 9,9 % bei 111 Frakturen. Gruppen ähnlich, mit einem gleichen Infektionsrisiko, al-
1989 führten Bach u. Hansen eine prospektive randomi- lerdings waren in der Marknagelgruppe weniger Sekun-
sierte Studie mit dem Vergleich von Plattenosteosynthese däreingriffe erforderlich.
gegen Fixateur-externe-Behandlung bei 59 Patienten mit Das funktionelle Ergebnis von Patienten mit Markna-
Typ-II- oder -III-Tibiaschaftfrakturen durch (44). Sie kam gelosteosynthese nach dislozierten Tibiaschaftfrakturen
zu dem Schluss, dass die Rate und die Schwere von Kom- wurde von Droga et al. publiziert (24). In dieser Studie
plikationen in der Fixateur-externe-Gruppe geringer wa- wurden Patienten einem krankheitsspezifischen Instru-
ren. Obwohl alle Frakturen verheilten, gab es in der Plat- ment zur Ergebnismessung, dem Iowa-Knee-Score und 30
tengruppe 5 Komplikationen mit Osteomyelitis, und 3 dem Iowa-Ankle-Score, unterzogen. Im Mittel erreichten
Patienten mit Implantatversagen. 1 Patient entwickelte die Patienten in der Langzeitbeobachtung einen Durch-
in der Fixateur-externe-Gruppe eine Osteomyelitis nach schnitt von 90 von 100 Punkten. Im SF 36, als Parameter
einer Pin-Infektion. Zur Pseudarthrose kam es in der Fi- für die generelle Gesundheit und Lebensqualität, waren
xateur-externe-Gruppe bei 3 Patienten, bei 2 verbunden die Werte deutlich niedriger als in der gesunden Bevöl-
mit 10° a.–p. Angulationsfehlstellung und bei 1 mit 25° kerung. Diese Daten deuten darauf hin, dass Patienten
externer Torsion. Die Plattenosteosynthese von Tibia- trotz einer unproblematischen Heilung nach einer Tibia-
schaftfrakturen ist derzeit auf Frakturtypen mit gelenk- schaftfraktur, die mit Marknagel behandelt wurde, eine
nahen Frakturausläufern begrenzt. signifikante Funktionsstörungen beibehalten. Von beson-
Dislozierte Tibiaschaftfrakturen haben nach operativer derer Bedeutung ist die Achsausrichtung bei distalen Ti-
Behandlung bessere Ergebnisse. Huber et al. konnten biaschaftfrakturen. Patienten mit Achsabweichungen
nachweisen, dass Patienten mit dislozierten Tibiaschaft- nach distalen Tibiaschaftfrakturen hatten einen höheren
frakturen, die mit einem Marknagel behandelt wurden, SF-36-Schmerzscore als Patienten mit einer korrekten
schneller knöchern konsolidieren und schneller zur Ar- Achsausrichtung nach distalen Tibiaschaftfrakturen, be-
beit zurückkehren (15). Die Behandlung von dislozierten handelt mit Marknagelung (55).
Tibiaschaftfrakturen mit unaufgebohrten vs. aufgebohr-
822 30 Tibiaschaftfrakturen

Überlebens der Gliedmaße kann in den ersten postope-


Extremitätenerhalt versus Amputation
rativen Tagen mit dem Patient und dessen Angehörigen
Die Entscheidung Amputation gegenüber Erhalt der Ex- detailliert über die Chancen einer Rekonstruktion gegen-
tremität ist eine der schwierigsten, mit der ein Trauma- über der Möglichkeit einer Amputation diskutiert wer-
chirurg konfrontiert wird. Wenn das Leben eines Patien- den (Abb. 30.23). Sofern ein Erhalt der Extremität ange-
ten aufgrund einer schweren Hypotonie und anhaltenden strebt wird, kann sich um die Weichteile gekümmert
aktiven Blutungen akut gefährdet wird, muss diese Ent- werden, um so schnell wie möglich zu einem Débride-
scheidung notfallmäßig zusammen mit dem gesamten ment und Weichteilverschluss zu kommen. Die gerings-
Traumateam gefällt werden. Für den Fall, dass die Glied- ten Infektraten bei hochgradig offenen Tibiafrakturen
maße nahezu vollständig schwerst geschädigt ist und wurden dann gesehen, wenn ein definitiver Weichteilver-
eine Rekonstruktion aussichtslos erscheint, ist die Ent- schluss innerhalb der ersten 72 h möglich war (56, 57).
scheidung zu einer sofortigen Amputation leicht zu stel- Mit dem MESS (Mangled Extremity Severity Score)
len. Die Rettung einer Extremität ist nur dann aussichts- wurde ein Score entwickelt, der Aussagen zur Prognose
reich, wenn die 6-Stunden-Grenze einer warmen Isch- des Extremitätenerhalts zulässt (Tab. 29.4; 58). Um die
ämiezeit nicht überschritten wird. In den meisten Fällen Entscheidungsfindung zu unterstützen, wurden außer-
hat die Gliedmaße eine potenzielle Überlebenschance, dem eine Reihe anderer Scores entwickelt. Allerdings
und die Entscheidung zwischen Rekonstruktion und Am- gibt es kein Scoringsystem mit einer 100 %igen Treffer-
putation kann bis zum Vorliegen zusätzlicher Informatio- quote. In der größten Serie mit schweren Verletzungen
nen aufgeschoben werden. Bei bewusstseinsgetrübten der unteren Gliedmaßen sagte ein MESS-Score von ≥ 7
Patienten mit einer schwerwiegenden Knochenverlet- (Vorhersage bezüglich Extremitätenerhalt vs. Amputati-
zung kann zunächst ein überbrückender Fixateur externe on) bei 60 % der Verletzungen eine Amputation voraus.
an der Extremität angelegt werden. Falls eine Revaskula- Bei der Entscheidungsfindung muss mit dem Patienten
risation notwendig ist, erfolgt diese durch einen Chirur- und seinen Angehörigen auch die Wahrscheinlichkeit
gen mit entsprechender gefäßchirurgischer Kompetenz. einer Rückkehr zum alten Arbeitsplatz diskutiert werden.
Falls eine Revaskularisation nicht machbar ist, wird die Unabhängig vom Verfahren (Extremitätenerhalt vs. Am-
Amputation vervollständigt. Im Falle eines primären putation) liegt die Wahrscheinlichkeit den alten Arbeits-

30

a b c

Abb. 30.23 In diesem Fallbeispiel war eine Entscheidung be- c Es wurde eine Marknagelung mit 3-fach proximaler Verriege-
züglich des Erhalts der Extremität erforderlich. lung durchgeführt. Der Patient entschloss sich gegen ein wei-
a Das Beispiel zeigt eine komplexe Unterschenkelfraktur mit teres Vorgehen mit aufwendiger Rekonstruktion und Weichteil-
einem offenen Weichteilschaden Typ IIIB. Der Fuß war bei Er- deckung, und somit wurde später eine freiwillige Amputation
halt der A. tibialis posterior und des N. tibialis vital. unterhalb des Kniegelenks durchgeführt.
b Die initialen Röntgenaufnahmen zeigen den erheblichen
Knochendefekt und Weichteilschaden mit der Frakturdislokati-
on. Die korrekte Länge und Rotation wurden durch die Trans-
fixation des proximalen Tibiofibulargelenks unterstützt.
Komplikationen 823

Tab. 29.4 Der Mangled Extremity Severity Score (MESS). toren abzuhängen, als von Faktoren wie Medikamenten-
Parameter Punkte missbrauch, Rauchen, Ausbildungsstand und soziales
Umfeld (61, 62).
Knochen- oder Weichteilverletzungen
Niedrigenergie (einfache Fraktur, 1
stumpfes Trauma, Pistole)
Komplikationen
mittlere Gewalteinwirkung (offene Verletzung, 2
multiple Verletzungen, Dislokation)
Infektionen
Rasanztrauma (Gewehr, Quetschtrauma) 3
Eine Infektion nach einer Tibiaschaftfraktur ist eine the-
Hochrasanztrauma (schwerwiegende 4
rapeutische Herausforderung. Geschlossene Tibiaschaft-
Kontamination, schwerster Weichteilschaden)
frakturen haben eine Infektionsrate von etwa 1 %, offene
Extremitätenischämie* Frakturen Typ I eine Rate von etwa 5 %, Typ II von ca. 10 %
geringer oder abwesender Puls, aber 1 und Typ III 15 %. Akute Infektionen, aufgetreten innerhalb
durchblutet der ersten 4 Wochen, können durch initiales Débride-
Pulslosigkeit, Parästhesie, 2 ment, Wundverschluss und antibiotische Therapie mit
reduzierte Kapillarfüllung einer zu erwartenden Konsolidierungsrate von 90 % be-
kalt, gelähmt, keine Sensibilität 3 handelt werden (63). Bei später aufgetretenen Infektio-
nen muss zunächst die Stabilität der Osteosynthese hin-
Schock terfragt werden (s. Abb. 30.9). Bei einer stabilen Osteo-
Blutdruck immer über 90 mmHg 0 synthese kann die Infektion durch Débridement und lo-
vorübergehende Hypotension 1 kale oder systemische antibiotischen Therapie unter der
Voraussetzung einer adäquaten Weichteildeckung behan-
fortdauernde Hypotension 2
delt werden. Bei persistierenden Infektionen sollten nach
Alter Abschluss der knöchernen Konsolidierung die Implantate
< 30 Jahre 0 entfernt werden. Bei ausgelockerten Implantaten ist es
erforderlich diese zu entfernen, das infizierte Gebiet ra-
30 – 50 Jahre 1
dikal zu débridieren und durch wiederholte Débride-
> 50 Jahre 2 ments und eine adäquate antibiotische Behandlung In-
Der Ischämie-Score wird bei Ischämiezeiten von > 6 h verdoppelt fektfreiheit zu erzielen. Wenn der Infekt beherrscht ist,
Quelle: Übernommen aus Helfet Dl, Howey T, Sanders R et al. Limb kann eine Reosteosynthese in der Regel mit einer zusätz-
salvage versus Amputation: Preliminary Results of the Mangled Extremity
lichen Knochentransplantation erfolgen. Das wichtigste
Severity Score. Clin Orthop 1990; 256: 83
Behandlungsprinzip ist, das gesamte infizierte und avitale
Gewebe radikal zu débridieren. Sollte ein adäquates Dé-
bridement gelingen, wurden gute Ergebnisse, auch bei
sofortiger Reimplantation von Osteosynthesematerial,
platz wieder einnehmen zu können bei nur etwa 50 %. Es unter begleitender antibiotischer Behandlung und guter
ist also mit einer verbleibenden erheblichen Funktions- Weichteildeckung in 90 – 95 % Ausheilungsergebnissen
störung der Extremität zu rechnen. In der Amputations- gezeigt (64).
gruppe werden weniger operative Eingriffe notwendig
sein, mit zunehmendem Alter des Patienten steigt jedoch Anteriorer Knieschmerz nach
der Grad der Behinderung. Georgiadis et al. haben
intramedullären Osteosyntheseverfahren 30
Gelenkerhalt vs. Amputation bezüglich der auftretenden
Kosten analysiert (59). In der Gruppe der Patienten mit Die häufigste Komplikation nach einer Marknagelosteo-
Erhalt der Extremität waren im Durchschnitt 7 Operatio- synthese der Tibia ist der anteriore Knieschmerz. Die
nen erforderlich mit einem Gesamtkostenaufwand von Ätiologie dieses Knieschmerzes ist nicht sicher bekannt.
110 000 $. Der durchschnittliche stationäre Aufenthalt In einer prospektiv randomisierten Studie wurde unter-
betrug 3 Monate (89 Tage), und pro Patient traten im sucht, ob Unterschiede bei der Nagelinsertion (trans-
Schnitt 3 Komplikationen auf. In der Amputationsgruppe ligamentärer Zugang gegenüber peritendinöser Zugang)
waren im Schnitt 1,6 Operationen und ein durchschnitt- die Inzidenz des anterioren Knieschmerzes beeinflussen.
licher Krankenhausaufenthalt von 24 Tagen erforderlich. Tovianen et al. (23) konnten hier keine signifikanten Un-
Die Akutbehandlungskosten lagen bei nur etwa einem terschiede bezüglich des anterioren Knieschmerzes oder
Drittel (60). Unabhängig von Extremitätenerhalt oder des funktionellen Ergebnisses nachweisen. Die Inzidenz
durchgeführter Amputation kehrte kein Patient zur Ar- des anterioren Knieschmerzes lag bei etwa 70 %. Bei den
beit zurück, der nicht innerhalb von 2 Jahren die Arbeits- Teilnehmern dieser Studie war eine zeitgerechte Entfer-
fähigkeit wieder erlangt hatte. Letztendlich erscheint das nung des Osteosynthesematerials geplant. In einer Studie
Ergebnis weniger von medizinischen und operativen Fak- mit Nachweis der Spätergebnisse nach Behandlung einer
824 30 Tibiaschaftfrakturen

isolierten Tibiaschaftfraktur mit aufgebohrter Marknage- lung herbeigeführt werden. Bei Pseudarthrosen mit Kno-
lung wurde eine Inzidenz des anterioren Knieschmerzes chendefekten oder bei atrophen Pseudarthrosen ist in der
von 35 % nach etwa 3 Jahren Follow-up nachgewiesen Regel eine verbesserte mechanische Stabilität und zu-
(65). 71 % der Patienten hatten zusätzlich Schwierigkeiten gleich eine Stimulation der Biologie erforderlich. Die me-
beim Knien. Es gibt zurzeit keine Empfehlungen, wie man chanische Stabilität kann z. B. mit intramedullären Ver-
dieser Komplikation vorbeugen kann. Der Knieschmerz fahren mit vergrößertem Nageldurchmesser, Plattenos-
scheint nicht mit dem Überstehen des Nagels am Kno- teosynthese oder mit einem Ilisarow-Fixateur herbei-
chen zusammenzuhängen. Bei etwa 50 % der Patienten geführt werden. Die biologische Stimulation wird typi-
mit anteriorem Knieschmerz kommt es nach Metallent- scherweise mit einer autogenen Spongiosaplastik vom
fernung zu einer Besserung, bei etwa 3 % der Patienten Beckenkamm erreicht. Aufgrund der deutlichen Morbidi-
kam es zu einer Schmerzzunahme nach Entfernung des tät und Komplikationswahrscheinlichkeit, aber auch der
Marknagels (65). zum Teil lang anhaltenden Schmerzproblematik am Be-
ckenkamm, wurden unterschiedliche Alternativverfahren
vorgeschlagen. Gute Ergebnisse bei Pseudarthrosen wur-
Pseudarthrosen
den durch die Kombination von Knochenmarkaspiration
Pseudarthrosen kommen in etwa 3 % bei geschlossenen am Beckenkamm mit demineralisierter Knochenmatrix,
Frakturen und zwischen 5 und 15 % bei offenen Frakturen aber auch mit der Behandlung mit Beckenkammspongio-
am Tibiaschaft vor. Dies hängt in erster Linie von der sa in Kombination mit rekombinanten BMP erzielt (52,
Schwere des begleitenden Weichteilschadens ab (66). 67 – 69). Für den Fall, dass eine Pseudarthrose mit
Eine detaillierte Betrachtung der Behandlungsverfahren einem Knochendefekt einhergeht, ist zu entscheiden ob
und Analyse von Pseudarthrosen liegt außerhalb der Ziel- ein trikortikaler Beckenkammspan oder ein anderes Kno-
richtung dieses Beitrags. Allerdings werden einige gene- chentransplantat den Defekt ausreichend füllt. Normaler-
relle Prinzipien angesprochen. Der Chirurg sollte zu- weise können Defekte zwischen 5 und 6 cm mit diesen
nächst feststellen, ob die Pseudarthrose eher auf ein bio- Verfahren überbrückt werden. Defekte größeren Aus-
logisches oder mechanisches Problem zurückzuführen maßes erfordern entweder einen Segmenttransport
ist. Bei einer hypertrophen Pseudarthrose liegt mit aller oder die Behandlung mit einer vaskularisierten freien Fi-
Wahrscheinlichkeit ein mechanisches Problem vor. Bei bulatransplantation.
hypertrophen Pseudarthrosen kann bei etwa 85 – 90 %
der Fälle eine Fusion durch eine aufgebohrte Marknage-

30
Komplikationen 825

Merke

■ Die konservative Behandlung mit Gips ist bei geschlosse- ■ Aufgebohrte und unaufgebohrte Tibiamarknägel haben
nen, transversalen, schrägen, Spiralbrüchen oder Mehr- etwa die gleiche Rate an verzögerter Knochenbruchhei-
fragmentfakturen indiziert, die mindestens 5 cm von der lung bzw. Pseudarthrosen.
proximalen oder distalen Gelenklinie entfernt sind, und ■ Pollerschrauben werden dort platziert, wo man eine Na-
bei Frakturen, die eine Achsabweichung von weniger als gelplatzierung vermeiden möchte.
5°, eine Translation von weniger als 50 %, eine Verkürzung ■ Bei proximalen Tibiaschaftfrakturen sollte der Insertions-
von weniger als 1,2 cm und eine Rotation innerhalb von punkt für den Nagel weiter anterior und weiter lateral
20° im Vergleich zur Gegenseite haben. (lateral der Landmarke der Eminentia tibiae) liegen.
■ Eine Einschränkung der Beweglichkeit im Subtalargelenk ■ Bei der Behandlung proximaler Tibiaschaftfrakturen mit
ist die häufigste Komplikation nach Gipsbehandlung einer Marknagelung kommen nicht selten zusätzliche Repositi-
Tibiafraktur. onsinstrumente wie die unikortikale Plattenosteosynthe-
■ Die Belastungssteigerung bei einer Gipsbehandlung sollte se, Pollerschrauben oder spitze Repositionszangen zum
unverzüglich beginnen. Eine verzögerte Aufbelastung ab Einsatz.
der 6. Woche ist verbunden mit einer verzögerten Kno- ■ Bei der Behandlung von distalen Tibiaschaftfrakturen mit
chenbruchheilung. Marknagelung kommen Repositionsinstrumente wie die
■ Eine intakte Fibula ist aufgrund des Risikos einer Varusfehl- Plattenosteosynthese der Fibula, spitze Repositionszangen
stellung eine relative Kontraindikation für eine konservati- oder anteromediale (oder anterolaterale) Schanz-Schrau-
ve Behandlung einer Tibiaschaftfraktur (s. Abb. 30.3). ben-Platzierungen als Repositionsinstrumente zum Ein-
■ Dislozierte Tibiaschaftfrakturen haben bei der Behandlung satz.
mit einer Marknagelung eine reduzierte Behandlungsdau- ■ Der Universaldistraktor oder der Fixateur externe können
er bis zur knöchernen Fusion und eine geringere Rate an die Reposition sowohl proximaler als auch distaler kom-
verzögerter Knochenheilung im Vergleich zur Gipsbehand- plexer Tibiafrakturen unterstützen.
lung. ■ Bei der Behandlung von proximalen Tibiafrakturen mit int-
■ Offene Tibiaschaftfrakturen haben bei der Behandlung ramedullären Osteosyntheseverfahren kann es in bis zu
mit einem Marknagel kein erhöhtes Risiko einer Infektion 30 % zu Achsabweichungen kommen.
im Vergleich zur Behandlung mit einem Fixateur externe. ■ Der anteriore Knieschmerz ist die häufigste Komplikation
■ Bei der Behandlung von offenen Tibiafrakturen mit einem nach der Marknagelosteosynthese bei Tibiafrakturen.
Fixateur externe werden im Mittel mehr operative Eingrif- ■ Die Behandlungsprinzipien der Pseudarthrose sind das Dé-
fe und häufiger Knochentransplantationen bis zur Fraktur- bridement von avitalem Gewebe, die Infektkontrolle, die
heilung benötigt. Hier besteht ein erhöhtes Risiko der ausreichende Stabilität der Fraktur, die Knochentransplan-
Ausbildung von Pseudarthrosen. tation und eine stabile Weicheildeckung.
■ Die Platzierung von Kirschner-Drähten bei der Anlage ■ Die Entscheidungsfindung zwischen Erhalt der Extremität
eines Fixateur externe ist auf die Positionierung unterhalb und Amputation unterliegt differenzierten Kriterien und
der Höhe der Spitze des Fibulaköpfchens zu achten, um erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Patienten,
das Risiko einer Infektion am Kniegelenk zu reduzieren. seiner Familie und dem Umfeld.
■ Die Infektraten bei offenen Tibiafrakturen liegen bei Typ I
etwa bei 5 %, bei Typ II bei 10 % und bei Typ III bei etwa
15 %.

30
Inhalt der DVDs

Video 30-1 (DVD 4) Marknagelung einer Tibiafraktur. Das Video 30-3 (DVD 4) Fixateur-externe-Behandlung der Ti-
Video zeigt eine Tibiamarknagelung unter Verwendung bia. Das Video zeigt die Anlage eines unilateralen Fixateur
eines Nagels, der eine Marknagelung in Streckstellung er- externe bei einem 12 Jahre alten Kind mit einer instabilen
laubt. Die Bedeutung der korrekten Positionierung des Ein- Tibiafraktur und Kompartmentsyndrom. Der Fixateur wurde
trittspunkts ist dargestellt nach der Fasziotomie und der Vakuumversiegelung platziert.
Video 30-2 (DVD 4) Anterolaterale perkutane Plattenosteo- Die Montage der Rahmenfixation wird schrittweise gezeigt.
synthese einer Spiralfraktur des distalen Tibiaschafts. Das
Video zeigt die Reposition und die perkutane minimalinvasi-
ve Plattenfixation einer Spiralfraktur der distalen Tibiameta-
physe. Das Video betont die Verwendung der intraoperati-
ven Bildgebung und der perkutanen Repositionstechniken.
826 30 Tibiaschaftfrakturen

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828 31 Distale Tibiafrakturen

31 Distale Tibiafrakturen
S. E. Nork
Übersetzer: P. A. Grützner

Frakturen der distalen Tibia gehören zu den am schwie- Die initiale Röntgendiagnostik besteht in Standardpro-
rigsten zu versorgenden Verletzungen mit denen der Un- jektionen des Sprunggelenks und der Tibia. CT-Unter-
fallchirurg konfrontiert wird. Obgleich es sowohl zu in- suchungen sollten erst nach Wiederherstellung von
tra- als auch extraartikulären Frakturmustern mit unter- Länge und Achse durchgeführt werden. Die Bedeutung
schiedlichem Schweregrad kommt, liegt die allgemeine von CT-Untersuchungen in der präoperativen Planung
Problematik dieser Frakturen in der Regel in dem beglei- und dem Verständnis der Frakturgeometrie wurde um-
tenden Weichteilschaden. Die Frakturursache ist meist fassend dargestellt (1). Gelegentlich sind Röntgenaufnah-
eine erhebliche Gewalteinwirkung, sodass Begleitverlet- men der Gegenseite hilfreich, um die morphologischen
zungen häufig vorkommen. Die unterschiedlichsten Be- Variabilitäten der distalen tibialen Anatomie zu verstehen
handlungsalgorithmen werden hier vorgeschlagen, und und somit die präoperative Planung zu verbessern.
dennoch gibt es noch keinen Konsens bezüglich der op-
timalen Behandlung für diese Verletzungen und auch
keine Langzeitergebnisuntersuchungen, weder für die ge- Klassifikation
nerellen Folgen dieser Verletzungsform noch für die op-
timale Behandlungsform. Die Klassifikation von Rüedi und Allgöwer ist einigerma-
Ursache für die meisten Frakturen in der lasttragenden ßen brauchbar und unterscheidet 3 Frakturtypen (2):
Gelenkfläche der distalen Tibia sind Unfälle mit Kraft- ■ Typ-1-Frakturen sind unverschoben,

wagen, Stürze aus größerer Höhe, Motorradunfälle und ■ Typ-2-Frakturen sind durch eine artikuläre Dislokation

Betriebsunfälle. Frakturen des Sprunggelenks sind ge- gekennzeichnet,


wöhnlich Ursache von indirekten Verletzungsmechanis- ■ Typ-3-Frakturen haben eine Beteiligung der Gelenkflä-

men, wohingegen der Großteil der Pilonfrakturen durch che mit Impression (Abb. 31.1).
eine axiale Krafteinwirkung entsteht. Der Talus wird hier
nach kranial in die distale Tibiagelenkfläche getrieben Die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Osteosyn-
und führt somit zu einer Art „Explosions“-Fraktur der thesefragen / Orthopedic Trauma Association (AO/OTA)
Gelenkfläche. Die Position des Fußes zur Zeit der Gewalt- schließt alle Frakturtypen der distalen Tibia, einschließ-
einwirkung, kombiniert mit der Richtung der einwirken- lich der extraatrikulären Verletzungen im Bereich der ti-
den Kräfte, bestimmt das resultierende Frakturmuster bialen Metaphyse, ein (Abb. 31.2; 3)3. Diese Klassifikation
und das Ausmaß der Gelenkflächenimpression. Die ist viel detaillierter, beschreibt das Frakturausmaß in den
dabei auftretende Begleitverletzung der Weichteile ist unterschiedlichen Ausprägungsgraden und unterscheidet
häufig bedeutender als die Frakturgeometrie selbst. zwischen partieller und kompletter Beteiligung der Ge-
Nicht selten handelt es sich hierbei um offene Verletzun- lenkfläche. In Analogie zu anderen gelenknahen Fraktu-
gen, besonders an der Medialseite, wo die distale Tibia ren, die durch das AO/OTA-System klassifiziert werden,
nur eine geringe Weichteilbedeckung aufweist. Nach der beschreibt eine Typ-A-Fraktur eine extraartikuläre Frak-
Verletzung kommt es rasch zu einer erheblichen Schwel- tur, der Typ B eine partiell artikuläre Fraktur und der Typ
lung, die durch die Verkürzung zusätzlich verstärkt wird. C vollständige oder schwerwiegende Beteiligungen der
Sowohl die initiale als auch die definitiven Therapieent- Gelenkfläche. Nützlichkeit und Reproduzierbarkeit dieses
scheidungen müssen sich mehr an der Problematik des Klassifikationssystems werden jedoch in Frage gestellt.
Weichteilschadens als an der eigentlichen knöchernen Martin et al. haben eine bessere Interobserver-Überein-
31
Verletzung orientieren. Bei der Erstuntersuchung der ver- stimmung bei der Klassifikation von 2 Haupttypen unter
letzten Extremität müssen die lokale Weichteilsituation Verwendung der AO/OTA-Klassifikation (Kappa = 0,60)
mit der Schwellung und der Durchblutungssituation, aber als mit der Klassifikation nach Rüedi und Allgöwer (Kap-
auch die neurologische Situation sorgfältig evaluiert wer- pa = 0,46) gefunden (4). Die Übereinstimmung auf Grup-
den. Es kommt häufig zu Spannungsblasen, zur Ausbil- penebene der Klassifikation nach AO war insgesamt
dung lokaler Hautnekrosen und zu einer Beeinträchti- schlecht (Kappa = 0,38; 4). Ähnliche Ergebnisse gab es
gung der peripheren Perfusion. Eine frühzeitige Repositi- bei der Evaluation der Intraobserver-Übereinstimmung
on von Achse und Länge ist zur Entlastung der Weich- (4). Swiontkowski et al. konnten nur eine mäßige Über-
teilsituation unverzichtbar. Zusätzlich sollten sowohl Ma- einstimmung (Kappa = 0,41 – 0,60) mit der AO/OTA-Klas-
kro- als auch Mikrobewegungen im Bereich der Fraktur- sifikation aufzeigen. Außerdem stellten sie fest, dass eine
zone minimiert werden, um den Weichteilen die Mög- Bestimmung des Frakturtyps alleine (Typ A, B oder C)
lichkeit zum Abschwellen zu geben. wahrscheinlich für die klinischen Forschungsergebnisse
Konservative Behandlung 829

Typ I

Typ II

Typ III

Abb. 31.1 Die Frakturklassifikation nach Rüedi und Allgöwer.

31
ausreichend ist (5). Zum Zweck der Beschreibung dieser haben, empfohlen. Solche Verletzungen werden mit ge-
Verletzungen und zur Planung der operativen Versorgung schlossener Reposition und Gipsimmobilisation, gefolgt
kann eine Einteilung in die Frakturgruppierungen (z. B. von zunehmender Belastungssteigerung und Freigabe
C1, C2 oder C3) sehr hilfreich sein. der Sprunggelenkbeweglichkeit gemäß der radiologi-
schen Knochenheilung durchgeführt. Die Indikationen
für eine konservative Behandlung von dislozierten Pilon-
Konservative Behandlung frakturen mit Beteiligung der Gelenkfläche sind äußerst
begrenzt. Durch die Gipsruhigstellung kann keinerlei Re-
Die konservative Behandlung von distalen Tibiafrakturen position von dislozierten artikulären Fragmenten erzielt
ist ausschließlich für wirklich undislozierte Frakturen werden, und eine Distraktion einer verkürzten Einstel-
oder bei der Frakturbehandlung bei Patienten, die eine lung der Sprunggelenkgabel ist mit dieser Methode
absolute Kontraindikation für eine operative Versorgung schlichtweg ohne Erfolg. Z. B. ist bei den dislozierten Pi-
830 31 Distale Tibiafrakturen

A (extraartikulär) B (teilweise artikulär) C (komplett artikulär)

A1 B1 C1

A2 B2 C2

A3 B3 C3

31
Abb. 31.2 Die Klassifikation der Arbeitsgemeinschaft für Os- der Frakturen des Pilon tibiale. Die distalen Tibiafrakturen wer-
teosynthesefragen / Orthopedic Trauma Association (AO/OTA) den mit der Kennung „4.3“ (z. B. 43-C2) versehen.

lonfrakturen mit partieller Beteiligung der Gelenkfläche die Frakturfragmente bei komplexen Gelenkfrakturen
(Typ 43-B) eine konservative Therapie mit Reposition der (Typ 43-C) durch indirekte oder geschlossene Repositi-
dislozierten Fragmente in der Regel nicht möglich. Die onstechniken nicht ausreichend reponiert werden. Im
Impression der Gelenkfläche, die häufig bei solchen Ver- Falle einer komplexen artikulären Tibiafraktur mit einer
letzungen vorliegt, ist einer indirekten Reposition durch intakten Fibula kommt es in der Regel zu einer Varusfehl-
Ligamentotaxis und somit geschlossenen Repositions- stellung, und geschlossene Repositionstechniken müssen
techniken nicht zugänglich. Bekanntermaßen können dieser Dislokationsrichtung gerecht werden. Bei der
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 831

Kombination von komplexen distalen Gelenkflächen mit schlecht toleriert. Obwohl es keine klaren Richtlinien
einer Fibulafraktur ist eine Verkürzung der Sprung- gibt, in welchem Ausmaß eine Gelenkstufe oder ein
gelenkgabel und eine Aufweitung des Gelenkspalts zu Spalt in der Gelenkfläche toleriert werden kann, ist eine
erwarten. sichtbare Inkongruität der tibialen Gelenkfläche auf der
Die konservative Therapie beschränkt sich in der Regel konventionellen Röntgenaufnahme als Indikation für eine
auf bettlägerige Patienten, paraplegische Patienten und operative Reposition und Osteosynthese bei den meisten
Patienten mit erheblichen internistischen Vorerkrankun- Patienten anzusehen. Analog erfordern undislozierte
gen, bei denen eine längere Anästhesiezeit mit einem zu Frakturen eine operative Stabilisierung falls eine früh-
hohen Risiko verbunden ist. Die Gipsruhigstellung von funktionelle Behandlung angestrebt wird.
Pilonfrakturen führt außerdem zu einer erheblichen Ein-
schränkung der notwendigen Beurteilung der Weichteil-
situation gerade in der ersten Zeit der Behandlung. Alter- Operative Behandlung (Videos 31-1,
native geschlossene Techniken, wie z. B. die Kalkaneus- 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4)
drahtextension, lassen zwar die Beurteilung der Weich-
teilsituation zu, es kann außerdem eine gewisse Distrak- Generelle Strategie zur offenen Reposition
tion und partielle Reposition über Ligamentotaxis er-
und inneren Fixation
reicht werden, aber in diesem Fall ist eine länger andau-
ernde Bettruhe erforderlich. Alternativ kann ein sprung- Nach Untersuchung des Patienten, Analyse der Fraktur
gelenküberbrückender Fixateur externe (wird später be- und Beurteilung der Weichteilsituation kann mit der Pla-
schrieben) eingesetzt werden, um die Fraktur einigerma- nung der Osteosynthese begonnen werden. Die generelle
ßen zu stabilisieren. Behandlung erfolgt in normalerweise nach einem Stufen-
Nach einer geschlossenen Behandlung von Pilonfraktu- protokoll mit primärer Wiederherstellung der Länge der
ren muss mit einer anschließenden erheblichen Bewe- Tibia, gefolgt von einer sekundären Rekonstruktion der
gungseinschränkung am oberen Sprunggelenk gerechnet Gelenkfläche (6, 7). Die von Rüedi u. Allgöwer vor über
werden, da die Ausheilung in einer akzeptablen Position 20 Jahren skizzierten Grundprinzipien zur Behandlung
eine länger andauernde Immobilisation des Gelenks er- dieser Verletzungen haben immer noch Gültigkeit (8).
fordert. Belastungssteigerung und Bewegungsfreigabe Die 4 aufeinander folgende Schritten, wie sie ursprüng-
müssen bis zur radiologisch erkennbaren knöchernen lich beschrieben wurden, sind
Konsolidierung der Fraktur ausgesetzt werden. Dies er- 1. die Rekonstruktion der korrekten Länge der Fibula,
fordert nicht selten einen Zeitraum von bis zu 12 Wo- 2. die anatomische Rekonstruktion der tibialen Gelenk-
chen. Nach diesem Zeitpunkt kann eine Belastungssteige- fläche,
rung mit Mobilisation des Gelenks, abhängig von Zustand 3. die Defektfüllung mit Spongiosatransplantat,
und Beschwerden beim Patienten durchgeführt werden. 4. die stabile Osteosynthese der Fragmente durch eine
mediale Abstützplatte.

Indikationen für die operative Obwohl man sich eine gewisse Flexibilität bei der Be-
Behandlung handlung dieser Verletzungen erhalten muss, sind diese
Grundsätze ein guter Ausgangspunkt zur Entwicklung
Die Indikationen für die operative Behandlung gründen einer operativen Strategie. Die Kombination von moder-
sich auf der Kombination aus Lokalisation der Fraktur, neren Operationstechniken, die besonders ein tadelloses
Frakturmuster und dem begleitenden Weichteilschaden. Weichteilhandling beachten, mit limitierten operativen
Die Indikation für eine operative Behandlung besteht au- Zugänge und der Verwendung neuerer, weniger auftra-
ßerdem bei offenen Verletzungen, bei Versagen konser- gender Implantate, führt zum Vermeiden der Weichteil-
vativer Maßnahmen eine adäquate Reposition zu erzielen problematik, die nicht selten mit der medialen Abstütz-
oder zu halten und bei Begleitverletzungen im Bereich plattenosteosynthese verbunden ist.
31
anderer Extremitäten. Dislozierte oder instabile extraar-
tikuläre distale metaphysäre Frakturen können mit un-
Chirurgische Anatomie
terschiedlichen chirurgischen Techniken, einschließlich
Fixateur-externe-Behandlung, offener Reposition und Die wesentlichen anatomischen Strukturen, die bei der
Plattenosteosynthese, perkutaner Reposition und mini- Behandlung von Pilon-tibiale-Frakturen zu beachten
malinvasiver Plattenosteosynthese, Marknagelung und sind, beinhalten die Knochen, die Bandstrukturen, die
Kombinationen aus den unterschiedlichen Verfahren be- Muskulatur und die neurovaskulären Strukturen. Auf-
handelt werden. Maßgeblich für die Auswahl des Be- grund der Komplexität dieser Verletzungen müssen un-
handlungsverfahrens, wobei jedes spezifische Vor- und terschiedlichste chirurgische Zugänge in Betracht gezo-
Nachteile aufweist, ist der Zustand der umgebenden gen werden. Aus diesem Grund ist ein differenziertes Ver-
Weichteile. Eine Inkongruität der Gelenkfläche und eine ständnis jedes einzelnen Zugangs und der damit verbun-
Subluxation des Talus werden am tibiotalaren Gelenk nur denen anatomischen Strukturen für eine adäquate Be-
832 31 Distale Tibiafrakturen

handlung dieser Verletzungen erforderlich. Die häufigs-


ten verwendeten Zugänge sind der anterolaterale, der
anteriore, der anteromediale, der posteromediale und
der posterolaterale Zugang. Der direkte mediale Zugang
zur distalen Tibia sollte aufgrund der geringen Weichteil-
deckung mit nur Subkutangewebe und der damit ver-
bundenen inakzeptabel hohen Rate von Weichteilkompli-
kationen vermieden werden. Er wird daher in diesem
Kapitel nicht dargestellt. Das Verständnis der Anatomie
von Sehnen und Muskeln im Bereich der distalen Tibia
und des Sprunggelenks ist unverzichtbar, um komplika-
tionsarme Zugangswege mit Präparation in sicheren
Schichten zu ermöglichen. Im anterioren und tibialen
Kompartiment finden sich von medial nach lateral: die
Sehne des M. tibialis anterius, die Sehne des M. extensor Abb. 31.3 Klinisches Bild des Verlaufs des N. peroneus super-
hallucis longus (EHL), die Sehne des M. extensor digito- ficialis oberhalb der Faszie beim anterolateralen Zugang.
rum communis (EDC) und der M. peroneus tertius. Diese
Muskeln sind durch Äste des N. peroneus von proximal
M. extensor hallucis longus
inerviert. Hierdurch sind Zugänge möglich, die sich me-
dial, lateral und zwischen diesen Muskeln befinden. Die anterolateral anteromedial
tiefen Äste des N. peroneus und die anterioren und tibia- Sehne des M. tibialis anterior
len Gefäße befinden sich zwischen den EHL und dem EDC
distal. Daher müssen diese Äste beim direkten anterioren A. + V. tibialis
anterior
Zugang dargestellt und geschont werden. Der oberfläch-
N. peroneus
liche Ast des N. peroneus ist rein sensibel und läuft von superficialis V. saphena
posterior nach anterior und überkreuzt somit den ante-
rolateralen Zugang (Abb. 31.3). Der M. peroneus longus M. extensor
tiefer Ast des
digitorum
und der M. peroneus brevis bilden das laterale Kompar- N. peroneus
communis
timent beim Unterschenkel und haben distal einen dorsal Sehne des
gelegenen Muskelanteil. Sie sind distal im Bereich der M. tibialis
Peronealsehnenscheide fest an der distalen Fibula fixiert. posterior
M. peroneus brevis
Das tiefe beugeseitige Muskelkompartiment enthält in
M. flexor
Höhe des Sprunggelenks überwiegend Sehnen und bein- M. peroneus longus
digitorum
haltet den M. tibialis posterior, den M. flexor digitorum communis
communis und den M. flexor hallucis longs (FHL). Der posterolateral
N. tibialis
FHL hat einen sehr weit distal gelegenen Muskelbauch N. suralis + M. flexor hallucis A. + V. tibialis post.
und sollte beim posterolateralen Zugang zur distalen begleit. Vene longus Achillessehne
Tibia identifiziert werden. Der M. gastrocnemius und
Abb. 31.4 Der Querschnitt im Bereich der distalen Tibia zeigt
der M. soleus haben einen gemeinsamen Ansatz in die anatomische Lage der wichtigen neurovaskulären Struktu-
Höhe des Sprunggelenks, und ihre Sehnenscheiden müs- ren und ihre Beziehung zu den Zugangswegen.
sen bei jedem dorsalen Zugang geschont werden. Der N.
tibialis und die Begleitgefäße müssen bei einem postero-
medialen Zugang identifiziert und geschützt werden
(Abb. 31.4). Sobald man sich mit der Frakturgeometrie die Bandverbindungen der 3 Hauptfragmente mit dem
und den möglichen sicheren Zugangswegen beschäftigt, Deltaband (mediales Fragment oder Innenknöchelfrag-
31
ist außerdem ein Verständnis der Bandstrukturen am ment), dem anterioren tibiofibularen Band (Chaput-Seg-
Sprunggelenk nützlich. In der Regel bleiben die wesent- ment) und dem posterioren tibiofibularen Bandapparat
lichen Bandstrukturen am Sprunggelenk bei einer Pilon- (Volkmann-Fragment) erhalten. Bei jedem chirurgischen
fraktur weitgehend intakt und führen daher zu regelhaft Zugang sollten die erhaltenen Bandverbindungen ge-
erkennbaren Hauptfrakturfragmenten, die aus einem schützt werden.
posterolateralen Fragment (Volkmann), einem anterola- Die wichtigsten knöchernen Strukturen am Pilon tibia-
teralen Fragment (Chaput) und einem medialen Frag- le beinhalten die distale Tibia, die distale Fibula und den
ment bestehen. Mit zunehmender Schwere und Komple- Talus. Die Fibula ist distal relativ zur Tibia länger und ist
xität der Verletzung steigen die Anzahl der Fragmente mit der Tibia durch den anterioren und posterioren tibio-
und die begleitende Zertrümmerung. Bei den meisten C- fibularen Bandkomplex (Syndesmose) fest verbunden.
Frakturen des Pilon tibiale kann man allerdings diese 3 Dies ist bei der Planung der Reposition der tibialen Ge-
Hauptfragmente identifizieren. Normalerweise bleiben lenkfläche von besonderer Bedeutung. Bei jeder Ände-
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 833

rung der Länge oder Rotation der distalen Fibula wirkt dungen in der Tibia indirekt zu einer Reposition mit
sich dies auf die anterolateralen und posterolateralen Be- Wiederherstellung der Längen- und Achsverhältnisse
reiche der distalen Tibia aus. In gleicher Weise wirkt sich – wie oben bereits ausgeführt.
aufgrund der engen Verbindung zwischen distaler Tibia ■ Eine stabile laterale Säule unterstützt die korrekte Re-
und Fibula jede Achsabweichung der Fibula auf die Repo- position mit Einstellung von Achse und Länge durch
sition der Tibia aus. Die Gelenkfläche der distalen Tibia ist einen medial angebrachten Fixateur externe.
im zentralen Bereich konkav, mit den damit verbundenen ■ Der dritte und wichtigste Punkt besteht in der meist
Ausweitungen nach anterior und posterior. Die posterio- korrekten Einstellung der posterolateralen tibialen Ge-
ren Anteile der tibialen Gelenkfläche strecken sich mehr lenkfläche durch die Bandverbindungen der posterio-
nach distal aus und machen daher eine posterior Arthro- ren und tibiofibularen Ligamente. Dies erleichtert die
tomie für die Inspektion der Gelenkfläche unpraktikabel. sekundäre offene Reposition erheblich.
Obwohl sich die anteriore tibiale Gelenkfläche über den
Talusdom schiebt, kann die gesamte Gelenkfläche von Der Zugangsweg für die Osteosynthese der Fibula sollte
jedem vorderen Zugang aus eingesehen werden. Bei der posterolateral, hinter der gut tastbaren dorsalen Begren-
Betrachtung der Anatomie des Talus sollten die Bereiche zung der Fibula lokalisiert sein. Dies erlaubt zum einen
ohne Knorpelüberzug betrachtet werden. Diese Zonen einen zusätzlichen posterolateralen Zugang zur Tibia
können zur Platzierung von Schanz-Schrauben bei der über den gleichen Zugang und vergrößert die Weichteil-
Verwendung eines Distraktors in Betracht gezogen wer- brücke falls ein anterolateraler Zugang für die Osteosyn-
den. Hier findet sich am Talushals lateralseitig deutlich these der Tibia erforderlich wird. Außerdem ist der pos-
mehr Platz zur Platzierung von Schanz-Schrauben als me- terolaterale Zugang nicht direkt im Bereich der hier di-
dialseitig. Die Kombination aus Frakturgeometrie, beglei- rekt subkutan liegenden Fibula und führt zu einer Ver-
tendem Weichteilschaden, offenen Verletzungen und Be- meidung von Weichteilkomplikationen in diesem Be-
gleiterkrankungen des Patienten, sowie die Erfahrung des reich. Die Osteosynthesetechnik der Fibula hängt von
Chirurgen bestimmen letztendlich den gewählten Zu- der Lokalisation und der Art der Fraktur ab. Querverlau-
gangsweg. Offene Verletzungen können, müssen aber fende Frakturen an der Gelenklinie des Sprunggelenks
nicht, in den Zugangsweg mit einbezogen werden. Häufig sind meist Ursache von Zugkräften auf die Fibula. Im Ge-
sind die Weichteile über der distalen Tibia am meisten gensatz hierzu sind Trümmerfrakturen oder Keilfraktu-
kompromittiert, und es erweist sich meist als klug, Zu- ren proximal der Sprunggelenkgabel normalerweise
gänge in diesem Bereich zu vermeiden. Eines der wich- durch Pronationsverletzungen mit einer Krafteinleitung
tigsten Entscheidungskriterien der Zugangswahl ist die in Valgusstellung verursacht. Die Mehrzahl der Waden-
Lokalisation der Frakturlinien und der begleitenden beinfrakturen kann mit einer offenen Reposition behan-
Trümmerzonen (9, 10). Die am häufigsten verwendeten delt werden. In einigen komplexen Fraktursituationen
Zugänge für Gelenkverletzungen am Pilon sind der ante- mit Zertrümmerung, die durch direkte Repositionstech-
rolaterale und der anteromediale Zugang. niken nicht angegangen werden können, muss eine indi-
rekte Reposition der Fibula durchgeführt werden. In die-
sen Fällen ist es nicht anzustreben, jedes einzelne Frak-
Chirurgische Zugangswege und Techniken
turfragment einzurichten, sondern die korrekte Länge,
Primärbehandlung einschließlich des Rotation und Achsausrichtung der distalen Fibula anzu-
Managements offener Frakturen streben. Die Bedeutung der korrekten Reposition der Fi-
bula kann nicht überbetont werden. Besonders bei Hoch-
Das initiale Management von Pilonfrakturen muss rasanzfrakturen des Pilon tibiale mit erheblicher Verkür-
zwangsläufig die erforderlichen Sekundärmaßnahmen zung und Weichteilschwellung sind häufig indirekte Re-
unter Berücksichtigung der Frakturgeometrie, der beglei- positionstechniken erforderlich. Hilfreiche Techniken bei
tenden offenen Verletzungen und dem Weichteilschaden schwierigen oder komplexen Situationen beinhalten den
berücksichtigen. Wenn primär die offene Reposition an- vorübergehenden Einsatz eines medialen Fixateur exter-
31
gestrebt wird, muss unbedingt auf die korrekte Wieder- ne oder femoralen Distraktors, um die Länge wiederher-
herstellung der Länge sowohl der Tibia als auch der Fibu- zustellen. Zur Wiederherstellung der Länge der Fibula
la geachtet werden. Dies unterstützt außerdem das Ab- kann in solchen Fällen eine Platte zunächst distal fixiert
schwellen der Weichteile und stellt sicher, dass bei der werden und mit einem invers angewandten Plattenspan-
definitiven chirurgischen Maßnahme Repositions- ner von proximal die Länge eingestellt werden. Ggf. kann
manöver zur Wiederherstellung der Länge nicht erforder- ein kleiner Distraktor direkt an der Fibula eingesetzt wer-
lich sind. den (Abb. 31.5). In einigen besonders schwierigen Situa-
Bei einer begleitenden Fraktur der Fibula sollte aus den tionen kann der Einsatz von vorkonturierten Platten
folgenden 3 Gründen unbedingt eine primäre Reposition nützlich sein, da bei einer Rotation der distalen Fibula
und Osteosynthese angestrebt werden: die Platzierung von geraden Platten erschwert sein kann.
■ Eine korrekte Wiedereinstellung der Länge und Rotati- Eine Vielzahl gut funktionierender Konstruktionen für
on der Fibula führt aufgrund der starken Bandverbin- den Einsatz eines gelenküberbrückenden Fixateur exter-
834 31 Distale Tibiafrakturen

a b

Abb. 31.5 Darstellung der Kombination einer offenen Reposi- gangsweg und jeder geplanten Plattenplatzierung positioniert
tion und Plattenosteosynthese der Fibulafraktur in Kombinati- werden. In diesem Fall sind die proximalen tibialen Pins soweit
on mit Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateur externe. proximal, dass sie in dieser Röntgendarstellung nicht sichtbar
a Unfallaufnahmen. sind. Genauso sollte die Pin-Platzierung im Talus vermieden
b Röntgenaufnahmen nach Plattenosteosynthese der Fibula werden, da bei den anterioren Zugängen die Darstellung des
und Fixateur-externe-Anlage. Zu beachten ist die Anlage der Talushalses in der Regel erforderlich ist. Bei diesem Fall wurden
Fixateur-externe-Pins. Falls eine ORIF der tibialen Gelenkfläche die Pins im Kalkaneus und im Os metatarsale I platziert.
geplant wird, müssen die Pins entfernt vom chirurgischen Zu-

dialen Fixateur externe, wobei bei intakter oder osteo-


synthetisch versorgter Fibula eine Distraktion angewen-
det werden kann. Die vorgeschlagenen Platzierungen der
Pins sind in der medialen Tuberositas des Kalkaneus,
schräg in der Fußwurzel im Bereich der Cuneiforma und
an der anteromedialen Tibia (2 Pins) proximal der sekun-
där geplanten Plattenposition. Nachdem im Bereich der
Tibia ein 5-mm-Pin bikortikal platziert wurde (senkrecht
zur anteromedialen Fläche der Tibia) und ein 5-mm-Pin
im Bereich der Tuberositas calcanei eingebracht wurde
(parallel zur Koronarebene der tibialen Gelenkfläche)
können Länge und Achsausrichtung in der Koronarebene
erzielt werden. Nach der ersten Reposition kommt es
nicht selten vor, dass die mediale Säule, erkennbar an
Abb. 31.6 Mithilfe einer Kompressionsbacke kann eine Dis- der wiederhergestellten Fibula, zu kurz verbleibt. Dies
traktion ausgeübt werden. kann entweder über manuelle Traktion zwischen dem
proximalen tibialen und dem kalkanealen Pin oder
unter Verwendung einer Distraktion (am Fixateur ex-
ne sind beschrieben und zweckmäßig (Video 31-1, terne) ausgeglichen werden (Abb. 31.6).
31
DVD 4). Bei der Platzierung der Pins gibt es einige wich- Während der Anlage der temporären externen Fixation
tige prinzipielle Überlegungen. Pins sollten fern der ge- können sowohl translatorische Fehlstellungen als auch
planten Zugangswege für die sekundäre Rekonstruktion Achsabweichungen in der Sagittalebene durch das An-
liegen. Bei geplanten anterioren Zugangswegen sollte wenden von Rollen ausgeglichen werden (Unterlage der
eine Platzierung im Talus vermieden werden. Die Platzie- Rolle entweder unter dem Fuß, dem Unterschenkel oder
rung der Pins im Bereich der subkutanen Knochenlokali- im Bereich der Kniekehle). Ein 4-mm-Pin, der durch die
sationen reduziert Reizzustände und Sekretion. Es muss Fußwurzel von medial nach lateral durch die Ossa cunei-
unbedingt darauf geachtet werden, dass beim gelenk- forma platziert wird und mit dem proximalen tibialen
überbrückenden Fixateur externe das Sprunggelenk in Pin verbunden wird, kann den Fuß in neutraler Position
einer Neutralposition fixiert wird und somit eine Spitz- halten. Zum Ende der Fixateurkonstruktion wird zusätz-
fußstellung vermieden wird (Abb. 31.5). Eine erfolgreiche lich ein Pin an der Tibia anteromedial platziert, um eine
Strategie beinhaltet die Dreieckskonstruktion eines me- Rotation der Konstruktion um den proximalen Pin der
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 835

a b

Abb. 31.7 Eine geschlossene 43-C3-Pilon-tibal-Fraktur.


a Die Unfallaufnahmen zeigen die Trümmerzone, die Varusfehl-
stellung und die anteriore Subluxationsstellung des Talus in
Relation zur Tibia.
b Nach Osteosynthese der Fibula und Anlage eines gelenküber-
brückenden Fixateur externe ist der Talus in der Seitprojektion
wieder korrekt eingestellt.
c Die Fraktur wurde über einen anterolateralen Zugang reponiert.
In Anbetracht der Varusfehlstellung und vorderen Trümmerzone
wurde eine vordere Plattenosteosynthese mit Schraubenplatzie-
rung in a.–p. Richtung mit einer medialen Abstützplattenosteo-
synthese kombiniert.

Tibia zu verhindern. Es muss darauf geachtet werden, Bei offenen Verletzungen muss man sich sorgfältig
dass der Talus korrekt reponiert wird und sich in die über die Erweiterung der Inzisionen Gedanken machen,
zentrale tibiale Achse einstellt (Abb. 31.7). um ein adäquates chirurgisches Débridement sicher zu
Eine alternative Fixateur-externe-Konstruktion erfolgt stellen. In den meisten Fällen sind die offenen Verletzun-
unter Verwendung eines 5-mm-Pins mit zentralem Ge- gen medial lokalisiert. Bei kleineren offenen Wunden
31
winde durch den Kalkaneus. Eine besonders gute Reposi- können die initiale Wundspülung und das Débridement
tionssteuerung erzielt man durch Befestigung von Fixa- über den geplanten chirurgischen Zugang erfolgen, auch
teurstäben an beiden Seiten des Fußes, wozu ein langer wenn dieser nicht in Verbindung zur offenen Wunde
Pin durch die Tuberositas calcanei platziert wird. Diese steht. Wenn es sich um größere offene Verletzungen han-
Rahmenkonstruktion ist besonders bei Patienten hilf- delt, sollten Erweiterungen nach proximal und distal
reich, bei denen die Reposition verspätet erfolgte (und über die anteromediale Kante der distalen Tibia, wann
bei denen eine bilaterale Distraktion zur Wiederherstel- immer dies möglich ist, vermieden werden. In Überein-
lung der Länge erforderlich ist) und bei solchen Verlet- stimmung mit den gängigen Prinzipien der Behandlung
zungen, bei denen die Fibula primär nicht stabilisiert von Frakturen sollten komplett devitalisierte kortikale
werden kann. Eine Fixation von Vorfuß und Fußwurzel (diaphysär) Fragmente entfernt werden. Es sollten den-
oder von beidem ist in allen Fällen erforderlich, um den noch alle Bemühungen unternommen werden, gelenktra-
Fuß in einer Neutralstellung zu halten. gende Fragmente, ohne Rücksicht auf die Verbindung zu
836 31 Distale Tibiafrakturen

a b

Abb. 31.8 Beispiel für eine offene Fraktur der distalen Tibia
mit einer relativ einfachen Gelenkbeteiligung aber einer
komplexen Fraktursituation an der distalen Fibula.
a Unfallbilder in a.–p. und seitlicher Projektion.
b Über eine große mediale Komplikationswunde war primär
sowohl die distale Tibia als auch die Gelenkfläche exponiert.
Die Wunde wurde zur primären Osteosynthese sowohl der
extraartikulären als auch der intraartikulären Frakturlinien
genutzt.
c Die Osteosynthese der Fibula erfolgte sekundär, als der Zu-
stand des Patienten einen längeren operativen Eingriff zuließ.

Weichteilgewebe, zu erhalten. Wenn nach dem Débride- ■ die Gewissheit, dass ein gründliches Débridement der
ment ein knöcherner Defekt verbleibt, sollte die Platzie- offenen Verletzung zeitgerecht erfolgen kann;
rung von Antibiotikaträgern bis zur definitiven Osteosyn- ■ ein Repertoire von „minimalinvasiven“ Techniken, mit
31
these in Erwägung gezogen werden. denen der Chirurg die Fraktur reponieren und innen
Unter gewissen Gegebenheiten kann auch eine primäre stabilisieren kann;
definitive Osteosynthese von offenen Pilonfrakturen ■ ein gut ausgeruhtes und trainiertes OP-Team.
durchgeführt werden (Abb. 31.8). In solchen Fällen erfol-
gen die Anlage der temporären externen Fixation, die Wenn diese Voraussetzungen für ein definitives primäres
Reposition der Fraktur, die Zugschraubenosteosynthese Vorgehen nicht erfüllt sind, sollte ein stufenweises Vor-
der Gelenkflächen und die Plattenosteosynthese in der gehen mit primärer Stabilisierung der Fibula, Anlage
Regel durch die offenen Wundverhältnisse ohne zusätzli- eines Fixateur externe und Débridement erfolgen. Die
che Schädigung der Weichteile. Diese Vorgehensweise weiteren Débridements und der sekundäre Wundver-
setzt jedoch folgende Bedingungen voraus: schluss erfolgen dann während der sekundären Maßnah-
■ eine vollständige Analyse der Verletzung, einschließ- men.
lich der Frakturgeometrie und der Gelenkbeteiligung;
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 837

Präoperative Planung turfragmente in erheblicher Fehlstellung und Verkürzung


stehen. Wurden die Scans dennoch versehentlich vor
Die Entwicklung eines stringenten präoperativen Plans Wiederherstellung der tibialen Länge aufgenommen, ist
beginnt mit der Analyse der Röntgenaufnahme der Ver- es nicht selten erforderlich, diese aufgrund der erhebli-
letzung. Verschieden Faktoren, wie z. B. Ausläufer der chen Veränderungen der Fragmentstellung nach Reposi-
Fraktur nach proximal, artikuläre Trümmerzonen, einge- tion zu wiederholen. Die axialen CT-Schnitte sind zur
stauchte Gelenkfragmente, Knochendefekte und schlech- Beurteilung am wichtigsten, da sie die Hauptgelenkfrag-
te Knochenqualität, erhöhen die Komplexität solcher Ver- mente, das Ausmaß der Impaktion der Gelenkfragmente
letzungen. Die initialen Röntgenaufnahmen der Verlet- und das Ausmaß der Zertrümmerung darstellen. In den
zung zeigen das primäre Frakturmuster, denn dieses sagittalen und koronaren Rekonstruktionen werden zu-
wirkt sich auf die definitive Osteosynthese und somit sätzliche Informationen, insbesondere zur Identifizierung
die notwendigen chirurgischen Zugänge aus. Falls die ur- von in Relation zur axialen Achse eingestauchten und
sprüngliche Röntgenaufnahme der Verletzung eine er- rotierten Fragmenten dargestellt.
hebliche Varusfehlstellung der distalen Tibia zeigt, ist es Nach Analyse aller Frakturfragmente im CT können die
z. B. erforderlich, die Verletzung mit einer medialen Ab- Ergebnisse in Korrelation zu den Aussagen der konven-
stützplatte zu versorgen, um dem Trend solcher Verlet- tionellen Röntgenaufnahmen gesetzt werden, die nach
zungen, in die Varusfehlstellung abzurutschen, entgegen Herstellung der Länge gemacht wurden. Die OP-Planung
zu wirken. mit Zugangswahl und Wahl der verwendeten Implantate
Eine Analyse der Fibulafrakturcharakteristik in Verbin- wird dann auf Basis der CT-Untersuchung und der kon-
dung mit der Tibiastellung in der koronaren Ebene liefert ventionellen Röntgendiagnostik durchgeführt. Diese Pla-
Anhaltspunkte über die unterschiedlichen Zonen mit nung sollte die primäre Dislokationsrichtung sowie die
Kompression bzw. Distraktionsfehlstellungen. Gelegent- primäre Achsfehlstellung und Seitverschiebung der dis-
lich zeigen die Unfallaufnahmen eine reine axiale Fehl- talen Tibia einschließen (z. B. Varus oder Valgus, Disloka-
stellung der Tibia mit oder ohne Fehlstellung der Fibula. tion des Talus nach vorne in Relation zur tibialen Gelenk-
Diese Verletzungsmuster sind durch eine deutliche Ver- fläche). Winkelstabile Platten haben bei den meisten Pi-
kürzung der Tibia, häufig bei einer intakten Fibula cha- lon-tibial-Frakturen eine untergeordnete Bedeutung
rakterisiert (dieses Frakturmuster kann von einer (A.d.Ü.: Hier unterscheidet sich die gängige Meinung
schwerwiegenden Beteiligung der Gelenkfläche begleitet und Vorgehensweise der meisten Einrichtungen in
sein). Die häufiger zu beobachtenden Frakturtypen sind Deutschland). Allerdings besteht bei Frakturen mit erheb-
Varusfehlstellung der Tibia in Kombination mit einer Dis- lichen metaphysären Trümmerzonen, bei metaphysärem
traktionsfehlstellung der Fibula und Valgusfehlstellung Knochendefekt oder bei Osteopenie durchaus ein Indika-
der Tibia kombiniert mit Verkürzung der Fibula. Bei der tionsspektrum für diese Implantate. Unabhängig davon,
Planung der Osteosynthese muss die biomechanische Be- ob winkelstabile Plattensysteme verwendet werden sollte
deutung der Kompression gegen die Distraktionsfehlstel- darauf geachtet werden, dass die Gelenkfläche mit Zug-
lung berücksichtigt werden. Eine Ostesynthese mit Ab- schrauben (entweder isoliert oder durch die Platte) sta-
stützplatte ist in der Regel im Bereich der Verkürzungs- bilisiert wird. Die meisten Gelenkfrakturen werden durch
seite erforderlich, besonders dann, wenn aufgrund der eine Kombination aus Platten mit Zugschrauben ausrei-
kortikalen Einstauchung kein ausreichender knöcherner chend stabilisiert. Eine Vielzahl von Instrumenten ist so-
Kontakt nach Reposition erreicht werden kann. Umge- wohl für die Reposition als auch für die Osteosynthese
kehrt werden größere Implantate zur kortikalen Abstüt- der Pilonfrakturen nützlich:
zung bei Distraktionskomponenten seltener benötigt, ■ AO-Femurdistraktor mittlerer Größe (wird zur Distrak-

unter der Voraussetzung, dass die Verkürzungsfehlstel- tion zwischen Talus und Tibiadiaphyse benötigt, um
lung ausreichend abgestützt wurde. die distale tibiale Gelenkfläche einzusehen;
Wichtig für die Analyse der Verletzungsmuster ist die ■ spitzer Zahnarzthaken;

Computertomografie. Für den Fall dass ein zwei- oder ■ große spitze Repositionszangen;

■ mittlere spitze Repositionszangen;


31
mehrzeitiges Vorgehen geplant ist (primäre Stabilisation
der Fibula und gelenküberbrückender externer Fixateur ■ kleine spitze Repositionszangen;

gefolgt von definitiver interner Osteosynthese nach Ab- ■ unterschiedliche Stärken von Kirschner-Drähten;

schwellen der Weichteile) sollten die CT-Untersuchungen ■ 2,5-mm-Kirschner-Drähte mit Gewindespitze;

erst nach Anlage des gelenküberbrückenden Fixateur ex- ■ Kleinfragmentschrauben (2,7 und 3,5 mm, Länge bis zu

terne und nach Wiederherstellung der Länge durch- 80 mm);


geführt werden. Eine Ausnahme stellt die Situation dar, ■ Minifragmentschrauben (2,0 und 2,4 mm, Länge bis zu

wenn der Chirurg eine sogenannte „einfache“ Gelenkfrak- 40 mm);


tur definitiv intern durch eine offene Weichteilsituation ■ Stirnlampe, um die Gelenkflächen einzusehen;

stabilisieren möchte (wie oben dargestellt). CT-Scans, die ■ unterschiedliche Formplatten und Schrauben;

in der initialen Fehlstellungsposition aufgenommen wur- ■ allogene Spongiosa (falls erforderlich oder Knochen-

den, sind in Regel von geringer Aussagekraft, da die Fak- ersatzstoff).


838 31 Distale Tibiafrakturen

Blutsperre lenten Darstellung der Gelenkflächen bis hin zur media-


len Schulter des Sprunggelenks, wobei eine Dissektion
Die Verwendung einer Blutsperre bei Gelenkbeteiligung und Ablösung der Weichteile an der anteromedialen Flä-
distaler Tibiafrakturen ist nicht zwingend aber bei den che der Tibia vermieden wird. Impressionen an der me-
meisten Fällen zu bevorzugen. Die Anwendung einer Es- dialen Schulter sind mit diesem Zugangsweg schwierig
march-Blutleere verbessert die Übersicht. Sobald die Re- zu reponieren. Es ist außerdem schwierig diesen Zugang
position der Gelenkfläche erfolgreich durchgeführt wur- nach proximal zu erweitern. Der Zugang erleichtert eine
de, kann die Blutsperre wieder geöffnet werden. In der präzise Reposition der Gelenkflächen in Kombination mit
Regel sollte eine Niedrigdruckblutsperre (200 mmHg) an- einer submuskulären und subkutanen Position der Platte,
gewendet werden, um die Ischämie des Gewebes zu mi- die die metaphysäre Trümmerzone überbrückt.
nimieren. Der Patient wird in Rückenlage auf einem röntgen-
durchlässigen OP-Tisch gelagert, wobei die Füße am
Anterolateraler Zugang für die Reposition von Tischende zu liegen kommen. Eine Rolle, bestehend aus
Pilon-tibiale-Frakturen einer einfach zusammengerollten OP-Abdeckung wird an
der ipsilateralen Hüfte untergelagert und unterstützt da-
Der anterolaterale Zugang (Abb. 31.9) kann bei der Mehr- durch die Einstellung des Unterschenkels in neutraler Ro-
zahl der komplett artikulären (Typ 43 C) Pilonfrakturen, tation. Nach Gabe einer perioperativen Antibiotikapro-
bei anterioren und anterolateralen partiellen Gelenkfrak- phylaxe wird die knöcherne Anatomie des Sprunggelenks
turen (Typ 43 B) des Pilon und bei einigen extraartikulä- mit einem Marker eingezeichnet und damit die Inzision
ren distalen Tibiafrakturen, die mit einer neben dem an- zum Zugang festgelegt. Die Inzision läuft zentral über das
terioren Kompartment eingeschobenen Platte stabilisiert Sprunggelenk, distal parallel zum 4. Metatarsale und pro-
werden können, zur Anwendung kommen (Abb. 31.10). ximal zwischen Tibia und Fibula (Abb. 31.11). Aufgrund
Der anterolaterale Zugang bietet den Vorteil einer exzel- des Ansatzes der Muskeln des anterioren Kompartments
an der anterioren Fibula, kann der Zugang üblicherweise
nicht weiter als 7 cm proximal des Sprunggelenks eröff-
net werden. Nach distal endet die Inzision etwas distal
des Talonavikulargelenks.
Die Hautinzision und die Inzision durch das Subkutan-
gewebe sollten scharf erfolgen, um vollschichtige Haut-
lappen zu bilden. Der oberflächliche Peronealnerv kreuzt
die Inzision mit einer gewissen Variabilität proximal des
Sprunggelenks und sollte dargestellt, mobilisiert und
während des gesamten Eingriffs geschützt werden
(s. Abb. 31.3). Neben dem oberflächlichen Peronealnerv
wird dann die Faszie im Bereich des anterioren Kompart-
ments der distalen Tibia scharf inzidiert. Nach distal wird
das Retinaculum extensorum inzidiert, und alle Sehnen
des anterioren Kompartments werden nach medial weg-
gehalten. Die gesamte Muskulatur des anterioren Kom-
partments, einschließlich des M. peroneus tertius, kann
dann mobilisiert und nach medial weggehalten werden.
Diese Muskeln und Sehnen sind üblicherweise relativ
einfach vom darunter liegenden Lig. tibiofibulare ante-
rior, dem Periost der distalen Tibia und der Gelenkkapsel
zu mobilisieren. Die Exposition kann bis zur medialen
31 a b
Schulter der distalen Tibia erfolgen (Abb. 31.12). Nach
proximal ist die Darstellung durch den Ansatz der Mus-
Abb. 31.9 Der anterolaterale Zugang kann für die Versorgung
einer Vielzahl von Pilon-tibiale-Frakturen zum Einsatz kommen. keln des anterioren Kompartments an der Fibula und die
a Der Zugang wurde gegenüber dem klassischen Zugang nach Membrana interossea limitiert. Nach distal werden die
Böhler modifiziert und läuft in Verlängerung des 4. Metatarsale Sehnen medial weggehalten. Die Faszie des M. extensor
nach proximal in Projektion auf den Spalt zwischen Fibula und digitorum brevis kann inzidiert werden, wobei der Mus-
Tibia. kel vorsichtig gespalten und ebenfalls nach medial weg-
b Der N. peroneus superficialis kreuzt praktisch immer den gehalten wird. Hierdurch kann der Talushals dargestellt
Zugang. Die gesamte Muskulatur des anterioren Kompart-
werden, um hier einen Pin zu platzieren und einen femo-
ments kann von lateral nach medial disloziert und weggehalten
werden. Die Darstellung des Talushalses ermöglicht den Ein- ralen Distraktor anzuwenden. Dann kann eine Arthroto-
satz eines Distraktors, um die Exposition des Gelenks zu ver- mie erfolgen. Die Arthrotomie sollte gemäß der operati-
bessern. ven Planung so lokalisiert sein, dass eine unnötige Devas-
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 839

a b

c d

Abb. 31.10 Beispiel für eine Hochrasanzverletzung des Pilon c Die CT-Untersuchung zeigt die Position des anterolateralen
tibiale. Fragments und die laterale Trümmerzone.
a Bei der ersten Sichtung der Röntgenbilder erscheint die Stel- d Diese Frakturgeometrie bietet sich ideal für einen anterola-
lung zwischen Talus und der Mehrzahl der distalen Gelenkfrag- teralen Zugang mit direkter Darstellung der Gelenkfläche und
mente weitgehend normal. submuskulärer Platzierung einer anterolateralen Platte an.
b Die Verkürzung wird durch die Relation zwischen intakter
Fibula und Subluxationsstellung des Talus sowie durch die Po-
31
sition des anterolateralen tibialen Fragments (Pfeile) angezeigt.

kularisation und Schädigung der distalen Tibia vermieden anterioren distalen Tibia können dann die gelenktragen-
wird. Die Arthrotomie sollte an der Stelle erfolgen, an der den Fragmente eingesehen werden.
die Frakturlinie in das anterolaterale Fragment läuft. Eine Durch die Anwendung eines femoralen Distraktors
Inzision des anterioren tibiofibularen Ligaments sollte kann eine wesentlich bessere Sicht in das Gelenk erreicht
unter allen Umständen vermieden werden. Die Arthroto- werden (Abb. 31.12). Die für einen gelenküberbrücken-
mie kann dann nach distal bis zum Talushals erweitert den Fixateur externe angebrachten Pins werden norma-
werden. Durch ein Abschieben der Gelenkkapsel von der lerweise von medial platziert und sind daher für eine
intraoperative Gelenkdistraktion nicht verwendbar. Ein
840 31 Distale Tibiafrakturen

Abb. 31.11 Das klinische Bild zeigt den eingezeichneten ante- Abb. 31.12 Mögliche Exposition durch einen anterolateralen
rolateralen Zugang und den operativ eingebrachten Marker- Zugang. Zu beachten ist die Position des Pins für den großen
Pin. Die distale Fibula ist in Höhe des oberen Sprunggelenks Femurdistraktor. Hierdurch wird die Reposition der Gelenkflä-
eingezeichnet. Die Inzision verläuft parallel zur Verlängerung chen deutlich erleichtert.
des 4. Mittelfußstrahls und zieht sich proximal zwischen Fibula
und Tibia.

4-mm-Schanz-Pin wird durch den Zugang schräg im Ta- werden. Die spongiösen Oberflächen des medialen und
lushals platziert. Ein zweiter 4-mm-Schanz-Pin wird posterolateralen Fragments sollten dann gesäubert wer-
dann von lateral im Tibiaschaft platziert; dies erfolgt pro- den. Dies beinhaltet die Säuberung und Darstellung nach
ximal der vorgesehenen Plattenlage. Bei dieser Pin-Plat- proximal bis hin zur Verbindung des posterolateralen
zierung muss man sowohl auf die neurovaskulären Struk- Fragments zur intakten Tibia, um dieses Fragment zu mo-
turen des anterioren Kompartments als auch auf den N. bilisieren. Falls ein großer dorsaler Frakturausläufer vor-
peroneus superficialis achten. Daher sollte dieser Pin in liegt, kann das posterolaterale Gelenkfragment gegen die
der vorderen Hälfte der Tibia platziert werden. Ein klei- intakte Tibia reponiert werden und temporär mit per-
ner Distraktor wird dann mit der Gewindestange nach kutan platzierten Kirschner-Drähten von anterior oder
posterolateral platziert. Dadurch wird die Distraktion schräg fixiert werden. Falls sich die Reposition des pos-
auf das obere und nicht das untere Sprunggelenk aus- terolateralen Fragments als schwierig erweist, kann dies
geübt, gleichzeitig erfolgt eine Plantarflexion, da der Ta- durch ein direkt von ventral in den spongiösen Bereich
lushals vor der Rotationsachse des Talus gelegen ist. eingebrachten Joystick erleichtert werden. Zusätzlich
Die Reposition der Fragmente erfolgt normalerweise kann eine große spitze Repositionszange (Weber-Zange)
beginnend von posterolateral nach posteromedial, von hinter der Fibula, jedoch vor den Peronealsehnen, plat-
zentral nach anterior und nach anterolateral (Abb. 31.13). ziert werden. Zur Positionierung der Repositionszange
Da die Rotation der gesamten gelenktragenden Fragmen- erfolgt entweder eine kurze posterolaterale Inzision
te in der Sagittalebene bis zum Abschluss der gesamten oder sie erfolgt durch eine kleine Erweiterung des für
Reposition nicht bestimmt werden kann (Reposition des die Fibulaosteosynthese verwendeten posterolateralen
anterolateralen Fragments in Relation zu den bereits re- Zugangs, sofern dieser nötig war. Die eine Branche der
ponierten Gelenksegmenten) ist es nicht selten, dass ein Repositionszange wird auf das posterolaterale Gelenk-
zweiter oder gar dritter Anlauf unternommen werden fragment gesetzt, die andere Branche auf die anteriore
31
muss, um eine korrekte Reposition zu erzielen. Tibia.
Normalerweise bedarf es einer vermehrten Plantarfle- Die Reposition erfolgt dann im Bereich des medialen
xion, um die meist nach dorsal flektierten posterioren Gelenkfragments, dessen Ausrichtung sich zunächst an
Fragmente zu reponieren. Um mit der Reposition der Ge- der sagittalen Frakturlinie im posteromedialen Bereich
lenkfragmente fortzufahren, müssen das Hämatom, Ge- orientiert. Nachdem dieses Repositionsergebnis mit
websfragmente und früh formierter Kallus vollständig Kirschner-Drähten temporär gesichert ist, werden die
entfernt werden. Um das Gelenk selbst, aber auch die zentral imprimierten Gelenkfragment und die osteo-
spongiösen Strukturen der Metaphyse besser einzustel- chondralen Fragmente reponiert. Ein Zahnarzthäkchen
len, kann das anterolaterale Fragment um den Band- und kleine Kirschner-Drähte, die als Joystick verwendet
ansatz an der Fibula nach außen rotiert werden. Alle dis- werden können, sind während dieser Repositions-
talen anterioren kortikalen Fragmente und zentrale os- manöver hilfreich. Bei der temporären Fixation der zen-
teochondrale Fragmente sollten erhalten und geschont tralen Fragmente mit Kirschner-Drähten müssen diese so
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 841

Abb. 31.13
a Die Reposition der Gelenkfläche erfolgt
normalerweise von posteromedial nach
medial bis zum anterolateralen Fragment.
Das Schema in a.–p. Projektion zeigt die
Hauptfragmente.
b Das anterolaterale Fragment kann über
den Ansatz am Syndesmosenband nach
lateral rotiert werden. Hierdurch können
sowohl die posterolateralen Frakturfrag-
mente als auch die zentrale Impression
der Gelenkfläche dargestellt werden.
b c In diesem Beispiel wurde das zentral im-
paktierte Frakturfragment zunächst gegen
das posterolaterale Fragment reponiert
und mit Kirschner-Drähten temporär fi-
xiert.
d Das posterolaterale Fragment wurde
dann gegen das mediale Frakturfragment
reponiert und mit zusätzlichen Drähten
fixiert. Die ursprünglich von anterior nach
posterior platzierten Kirschner-Drähte
werden dann durch von medial nach late-
ral platzierte Drähte ersetzt, um die Re-
position der anterioren und anterolatera-
len Fragmente zu ermöglichen.
e Nach Reposition der anterioren und an-
terolateralen Frakturfragmente werden
diese mit Kirschner-Drähten stabilisiert,
einige der zuvor eingebrachten Drähte
a c
können dann entfernt werden.
f Anschließend kann die Pilonfraktur mit
Platten und Schrauben osteosynthetisch
stabilisiert werden, und die temporär ein-
gebrachten Kirschner-Drähte werden ent-
fernt.

31

e
f
842 31 Distale Tibiafrakturen

platziert werden, dass sie bei der Reposition der anterio- Tibia muss der femorale Distraktor in aller Regel entfernt
ren Gelenkfragmente nicht stören (Platzierung von late- werden. Um die Muskulatur des anterioren Kompart-
ral oder medial). Wenn zwischen den zentralen Fragmen- ments von der lateralen Tibia abzulösen, können entwe-
ten und dem posterioren Pilon eine gute anatomische der die Plattenkante oder ein kleines Elevatorium ver-
Reposition erzielt wurde, kann diese mit intraossär plat- wendet werden. Vor einem definitiven Besetzen der Plat-
zierten Zugschrauben in a.–p. Richtung stabilisiert und te können Achskorrekturen in der Sagittalebene vor-
fixiert werden. Hier sollten kleine (2,0 oder 2,7 mm) genommen werden. Bei der Plattenfixation im Bereich
Schrauben verwendet werden, um ausreichend Platzie- der Gelenkfläche muss auf zuvor eingebrachtes Osteo-
rungsmöglichkeiten für weitere distale Schrauben zu ha- synthesematerial (Kirschner-Drähte oder Zugschrauben)
ben. Zum Schluss wird das verbliebene anterolaterale Ge- geachtet werden, um die Reposition der Gelenkfläche
lenkfragment gegen die übrigen Fragmente der distalen nicht zu gefährden. Je größer die Anzahl der gelenktra-
Tibia reponiert. Nicht selten läuft am anterolateralen genden Fragmente desto größer ist die Anzahl der benö-
Fragment die Fraktur nach proximal spitz aus. Dieses tigten Fixationspunkte im distalen Fragment. Falls ein
wird dann in den korrespondierenden Defekt an der dis- kurzes distales artikuläres Segment oder eine schlechte
talen Tibia reponiert und somit die korrekte Rotation und Knochenstruktur vorliegen, können winkelstabile Im-
Länge dieses Gelenkfragments gesichert. Die Kortikalis plantate von Vorteil sein. Die proximalen Schrauben kön-
des anterolateralen Segments sollte stufenfrei in die Kor- nen entweder perkutan eingebracht werden (hier müs-
tikaliskontur des medialen Segments eingepasst sein, und sen die neurovaskulären Strukturen berücksichtigt wer-
alle intraartikulären Frakturlinien müssen anatomisch re- den) oder über einen separaten proximalen Zugang mit
poniert sein. Jede Inkongruenz im Gelenkbereich muss in Darstellung der lateralen tibialen Fläche.
diesem Operationsschritt ausgeglichen werden. Es sollten Eine zusätzliche mediale Platte kann über eine kurze
noch alle anterioren, distalen kortikalen Frakturfragmen- distale Inzision (ca. 2 cm Länge) etwas proximal der tast-
te (ob vaskularisiert oder nicht) reponiert werden, um baren Innenknöchelspitze eingeschoben werden. Diese
sicherzustellen, dass die tibiale Länge insgesamt korrekt mediale Platte kann in Fällen einer primären Varusfehl-
wieder hergestellt wurde. Eine Verklemmung zwischen stellung von besonderer Bedeutung sein. Die Platte wird
anterolateralem und anteromedialem Fragment führt zu im Subkutangewebe entlang der anteromedialen Fläche
einer zusätzlichen Stabilität. Das Repositionsergebnis der Tibia vorsichtig vorgeschoben. Die benötigte Stärke
kann abschließend sowohl klinisch als auch unter Bild- der Platte hängt von der beabsichtigten Funktion des me-
wandlerkontrolle überprüft werden. dialen Implantats ab. Die Steifheit der Implantate liegt in
Eine alternative Strategie zur Reposition lässt zunächst einem Korridor zwischen Drittelrohrplatten und Klein-
alle zentral imprimierten chondralen und osteochondra- fragmentkompressionsplatten. In der Regel werden weni-
len Fragmente in ihrer ursprünglichen Position (obgleich ger steife Implantate eingesetzt, die einerseits die Repo-
fehlpositioniert), während die übrigen Repositionsschrit- sition ausreichend halten und auf der anderen Seite mög-
te von posterolateral nach medial nach anterolateral lichst wenig auftragen. Die medialen Platten werden pri-
durchgeführt werden. Über ein kleines kortikales Fenster mär mit einer Schraube stabilisiert, die gerade proximal
von proximal werden die impaktierten Segmente dann in der medialen Frakturzone liegt. Bei diesen minimalinva-
das Niveau der Gelenkfläche gestößelt. Dies erfolgt unter siv eingebrachten Platten sind längere Plattenlängen auf-
direkter Sicht. grund der verbesserten Torsionsstabilität zu bevorzugen.
Die Strategie zur Osteosynthese sollte nach einem prä- Die zweite Schraube wird dann in der Regel durch eine
operativ gut durchdachten Plan erfolgen (Abb. 31.14). Die kleine Stichinzision an dem proximalen Ende der Platte
Ziele der Osteosynthese beinhalten eine interfragmentäre eingebracht. Die Notwendigkeit und die Aufgabe der me-
Kompression aller gelenktragenden Fragmente in Kom- dialen Implantate werden durch die Frakturgeometrie
bination mit einer Stabilisation der Metaphyse an die und das Ausmaß der primären Fehlstellung bestimmt. In
tibiale Diaphyse. Die erforderliche Stabilität dieser Im- Fällen mit einer primären Varusfehlstellung in der Koro-
plantate hängt vom Ausmaß der kortikalen Kontaktflä- narebene, als Ausdruck einer primären Kompressions-
31
chen, der Knochenqualität, der Richtung der initialen Dis- fehlstellung der medialen distalen Tibia, dient die Platte
lokation der distalen Tibia (Varus versus Valgus), dem primär als abstützendes Implantat, und eine zusätzliche
Ausmaß der knöchernen Defekte, der Weichteilsituation, Fixation im distalen Fragment ist nicht zwangsläufig er-
dem Ausmaß der metaphysären Trümmerzone und der forderlich. In Fällen, in denen sich eine primäre Valgus-
Größe und Anzahl der Gelenkfragmente ab. Kleine Ge- deformität in der koronaren Ebene zeigt und somit einen
lenkfragmente mit einer ausgedehnten metaphysären Hinweis auf eine primäre Distraktionsfehlstellung an der
Trümmerzone sind besonders problematisch. Platten medialen distalen Tibia gibt, ist eine Schraubenfixation
können entweder submuskulär entlang der anterolatera- im distalen Fragment in der Regel erforderlich. In Fällen,
len Tibia über den anterolateralen Zugang oder subkutan in denen sich der Innenknöchel alleine durch Zugschrau-
entlang der anteromedialen Tibia über eine zusätzliche ben gegen die proximale laterale Tibia fixieren lässt, kann
kurze distale Inzision eingebracht werden. Bei einer Plat- auf eine mediale Plattenosteosynthese verzichtet werden.
tenplatzierung entlang der lateralen Kante der distalen
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 843

a b

c d

Abb. 31.14 Eine spezielle Repositionstechnik für Pilonfraktu- c In diesem speziellen Fall wurden zunächst einige Zugschrau-
ren ist in diesem relativ einfachen Frakturmuster dargestellt. ben platziert.
a Die Röntgenaufnahmen in 2 Ebenen zeigen die drei gelenk- d Anschließend erfolgte dann die submuskuläre und subkuta-
tragenden Hauptfragmente und die Kranialisierung des Talus. ne Platzierung einer anterolateralen und medialen Platte.
b Die Reposition der Gelenkfläche wird mit temporär einge-
brachten Kirschner-Drähten und Repositionszangen gehalten.

31
Anteromedialer Zugang für die Reposition von sen Zugang versorgt werden. Der Zugang bietet eine ex-
Pilon-tibiale-Frakturen zellente Darstellung der anterioren, anterolateralen und
der medialen Anteile der distalen tibialen Gelenkfläche
Der dehnbarste Zugang zum Pilon tibiale ist der antero- einschließlich der Darstellung des Innenknöchels falls
mediale Zugang, der eine Darstellung der gesamten dis- dort eine zusätzliche Fraktur vorliegt. Dieser Zugang
talen tibialen Gelenkfläche ermöglicht (Abb. 31.15). Er kann bei ausgedehnten proximalen Trümmerzonen oder
kann eigentlich in allen kompletten Gelenkfrakturen Mehretagenfrakturen mit Beteiligung des Tibiaschafts zu-
(Typ 43 C) verwendet werden (Abb. 31.16), und ist beson- sätzlich nach proximal erweitert werden. Der wesentli-
ders nützlich bei inkompletten medialen Gelenkfrakturen che Nachteil bei diesem Zugang besteht in der Tatsache,
(Typ 43 B). Extraartikuläre distale Tibiafrakturen können dass er von dem Überleben eines anteromedialen Haut-
mit subkutan eingeschobenen Platten ebenfalls über die- lappens bei einer vorgeschädigten und wenig verzeihen-
844 31 Distale Tibiafrakturen

den Weichteilsituation abhängt. Aus diesem Grund sollte


er nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Weich-
teilmantel dies zulässt und man ausreichend Erfahrung
mit diesem Zugangsweg hat.
Der Patient wird in Rückenlage auf einem Operations-
tisch mit röntgendurchlässiger Fußplatte gelagert, die
Füße werden am Tischende positioniert. Um das Bein in
neutraler Rotation zu halten, wird eine Rolle unter den
proximalen Oberschenkel positioniert. Präoperativ erfolgt
die Antibiotikaprophylaxe (z. B. mit einem 1 g Cephazo-
lin). Die knöcherne Anatomie des Sprunggelenks wird
mit einem sterilen Stift eingezeichnet und somit der kor-
rekte Zugangsweg sichergestellt. Der Schnitt erfolgt dann
schräg von distal-medial in einem Bogen nach proximal
in Längsausrichtung. Die Inzision verläuft dann proximal
parallel zur Längsausrichtung der Tibia, ca. 1 – 2 cm late-
ral der Tibiakante über dem anterioren Kompartment.
Die Schnittkrümmung liegt über der Projektion des obe-
ren Sprunggelenks in einem Winkel zwischen 70° und
80° und endet etwa 1 cm distal der Spitze des Innenknö-
chels. Es muss unbedingt ein Vollhautlappen präpariert
a b werden. Haut und Subkutangewebe werden gemeinsam
vorsichtig von lateral nach medial von der darunter lie-
Abb. 31.15 Der anteromediale Zugang für die Osteosynthese
genden Faszie des anterioren Kompartments und dem
von Pilon-tibiale-Frakturen. Die Inzision erfolgt über dem ante-
rioren Kompartment, lateral der tastbaren Tibiavorderkante. Periost über der anteromedialen Fläche der Tibia abprä-
a In Höhe des Sprunggelenks wird die Inzision nach medial pariert. Die mediale Exposition muss nicht langstreckig
gebogen fortgeführt. Hierdurch wird über der anteromedialen erfolgen. Nach distal wird die V. saphena dargestellt, sie
distalen Tibia ein Weichteillappen gebildet, wobei das Periost ist gleichzeitig die distale Grenze der Exposition. Die Fas-
am tibialen Segment verbleibt. zie wird dann nach lateral bis zur Tibiakante inzidiert.
b Ein femoraler Distraktor kann zwischen Talushals und Tibia-
Dies erfolgt medial der Sehnenscheide des N. tibialis an-
schaft platziert werden.
terior. Die Sehnenscheide sollte hierbei nicht eröffnet

31

a b

Abb. 31.16 Die Behandlung einer intraartikulären distalen b Zusätzlich kann eine anterolaterale Platte, die nach proximal
Tibiafraktur über einen anteromedialen Zugang. submuskulär eingeschoben wird, durch diesen Zugang einge-
a Die Röntgenaufnahmen in a.–p. und lateraler Projektion zei- bracht werden.
gen eine komplexe Mehrfragmentfraktur der distalen Tibia mit
einem relativ kleinen Innenknöchelfragment. Aufgrund dieser
Frakturkonfiguration ist ein anteromedialer Zugang zur Osteo-
synthese geeignet.
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 845

werden. Es erfolgt eine einzige Inzision der Gelenkkapsel Posterolateraler Zugang für die Reposition von
und zwar an der Stelle, an der gemäß der präoperativen Pilon-tibiale-Frakturen
Planung die anteriore Frakturlinie verläuft. Die Arthroto-
mie wird nach distal bis zum anteromedialen Talushals Der posterolaterale Zugang ist bei partiellen posterioren
erweitert, der Talushals wird subperiostal dargestellt. Gelenkfrakturen (Typ 43 B) des Pilon tibiale hilfreich und
Ein femoraler Distraktor kann dann eingesetzt werden. kann außerdem als zusätzlicher Zugang bei einigen kom-
Hierzu wird eine 4-mm-Schanz-Schraube schräg am me- plexen artikulären Frakturtypen (Typ 43 C) zum Einsatz
dialen Talushals in einer gelenkflächenfreien Zone plat- kommen. Da das Volkmann-Dreieck soweit nach distal
ziert. Dieser Pin wird durch den Zugangsweg medial des reicht, ist eine komplette Exposition der tibialen Gelenk-
Innenknöchels eingebracht. Ein zusätzlicher Pin wird fläche von posterior nicht möglich. Die Fragmentreposi-
dann medial am Tibiaschaft, außerhalb der geplanten tion über den posterolateralen Zugang beschränkt sich
Plattenposition platziert. Hierdurch kann durch eine daher auf die Reposition kortikaler posterolateraler Frag-
Kombination aus Längszug und Plantarflexion ein aus- mente gegen die Meta- und Diaphyse der Tibia, wodurch
gezeichneter Überblick über das tibiotalare Gelenk ge- eine indirekte Reposition der Gelenkfläche erzielt wer-
schaffen werden. Auch die posterioren Gelenkanteile der den kann. Aus diesem Grund können Pilon-tibial-Fraktu-
Tibia können eingesehen werden. Da das Deltaband nur ren, bei denen nur die posteriore Gelenkfläche betroffen
selten zerrissen ist, kommt es häufig zu einer Überdis- ist (bei intaktem anterioren und tibialen Kortex) nur in-
traktion und somit Dislokation der medialen Gelenks- direkt extraartikulär reponiert werden. Bei einigen kom-
egmente nach distal. In dieser Situation muss die Distrak- plexen Gelenkfrakturen (Typ 43 C) kann es von Vorteil
tionskraft, vor allem bei Reposition der medialen Gelenk- sein, über einen posterolateralen Zugang zunächst die
fragmente, reduziert werden. posterolaterale Säule exakt zu rekonstruieren, bevor
Die Abfolge der Reposition über diesen Zugangsweg man die Reposition von anterolateral vervollständigt.
erfolgt in Analogie zum beschriebenen Repositionsweg Trotz der Erweiterungsmöglichkeiten dieses Zugangs ist
beim anterolateralen Zugang. Sowohl das anteriore tibio- er in der Regel der Reposition von distal gelegenen me-
fibulare Ligament als auch das Lig. deltoideum müssen taphysären oder artikulären Fragmenten vorbehalten.
während der Repositionsmanöver unbedingt geschützt Der Patient wird entweder in Bauchlage oder in Seit-
werden. Der Zugang zu den posterioren Gelenkfragmen- lagerung gelagert. Die Seitlagerung hat den Vorteil, dass
ten hängt von den Frakturlinien in die anterioren Ge- man ohne Umlagerung des Patienten den Zugang mit
lenksegmente ab. Das anterolaterale Fragment wird in einem anterioren Zugang kombinieren kann. Beim Pa-
der Regel nach außen über den Ansatz am anterioren tienten ohne Einschränkung im Bereich der Hüftgelenk-
tibiofibularen Ligament rotiert. Das mediale Fragment beweglichkeit kann dies durch eine Rotation des Beines
kann über den Ansatz am Lig. deltoideum weggeklappt im Hüftgelenk vereinfacht werden. Beim isolierten pos-
werden. Die Reposition erfolgt in der Regel von postero- terolateralen Zugang hat die Bauchlage deutliche Vorteile.
lateral nach medial nach zentral nach anterolateral. Diese Sollte sich jedoch intraoperativ die Notwendigkeit eines
Repositionsabfolge erlaubt eine optimale Darstellung kombinierten Vorgehens zeigen, ist eine Umlagerung des
jedes einzelnen Segments und der medial imprimierten Patienten erforderlich.
Fragmente. Bei der Platzierung der temporären Kirsch- Der Zugangsweg hängt von der Intaktheit der Fibula
ner-Drähte sollten die geplanten Plattenpositionierungen ab. Falls die Fibula intakt ist (keine vorbestehende Inzisi-
berücksichtigt werden. on im Bereich der Fibula) erfolgt die Inzision zwischen
Die Osteosynthesetechnik hängt von der Frakturgeo- der Achillessehne und dem Verlauf der Peronealsehnen
metrie, den Trümmerzonen und der primären Fehlstel- entlang der posterolateralen Linie des Unterschenkels.
lung ab. Da dieser Zugang in der Regel für Pilon-tibial- Falls eine Fraktur der Fibula osteosynthetisch versorgt
Frakturen mit primärer Varusfehlstellung oder für Frak- werden muss und gleichzeitig ein posterolateraler Zu-
turen mit begleitender medialer Impression oder Fraktu- gang in der weiteren Versorgung geplant ist, sollte die
ren des Innenknöchels verwendet wird, ist die mediale Inzision zur Versorgung der Fibula streng posterior erfol-
31
Abstützplattenosteosynthese in der Regel erforderlich. gen. Der posterolaterale Zugangsweg ist in zahlreichen
Diese Platte kann direkt auf die dargestellte anteriome- Publikationen und Originalarbeiten beschrieben (11, 12).
diale Fläche der Tibia platziert werden. Proximal kann die Der N. suralis muss geschützt werden. Der posterolatera-
Platte subkutan eingeschoben werden. Der Zugangsweg le Rand der Peronealsehnen und der Peronealmuskulatur
wird daher im Gelenkbereich auf die notwendige Größe wird dargestellt, und bei der weiteren Darstellung in die
zur Darstellung der Gelenkflächen begrenzt. Zusätzlich Tiefe der laterale Rand des M. flexor hallucis longus iden-
können durch diesen Zugang die lateralen Gelenkfrag- tifiziert. Die dorsale Tibia wird dann von lateral nach
mente osteosynthetisch versorgt werden. In der Regel medial dargestellt. Im distalen Zugangsbereich erfolgt
erfolgt dies durch kleinere Implantate, die eine Kompres- die Präparation direkt von der Fibula auf die Tibia, pro-
sion zwischen anterolateralen und posterolateralen Frag- ximal werden die Muskeln von der Membrana interossea
menten erreichen. abpräpariert. Die posterioren tibiofibularen Bänder müs-
sen genau wie die posteriore Gelenkkapsel geschont wer-
846 31 Distale Tibiafrakturen

a b

Abb. 31.17 Nach posterior luxierte Pilon-tibiale-Fraktur. b Der Patient war zur Reposition und Osteosynthese der pos-
a Die Röntgenaufnahmen in a.–p. und seitlicher Projektion terioren tibialen Gelenkflächen und der Fibula auf der Seite
zeigen die Kombination eines großen posterioren Gelenkfrag- gelagert. Anschließend erfolgte ein separater medialer Zu-
ments mit einer Fraktur der Fibula. Diese Frakturgeometrie legt gang.
die Reposition über einen posterolateralen Zugang nahe.

den. Diese Vorgehensweise erlaubt eine Präparation nach materials durch das posterior liegende Osteosynthesema-
medial bis zum medialen Malleolus und nach proximal terial nicht gestört wird. Um die Reposition nach distal
soweit dies erforderlich ist. Außerhalb der Frakturlinien ausreichend zu stabilisieren, reichen im distalen Bereich
sollte das Periost geschont werden. Gerade bei kom- in der Regel unikortikal durch die Platte eingebrachte
binierten posterioren und anterioren Zugängen ist dies Schrauben.
unter dem Aspekt der Erhalt der Blutversorgung der dis-
talen Tibia äußerst wichtig. Posteromedialer Zugang für die Reposition von
Die Reposition von großen posterolateralen Knochen- Pilon-tibiale-Frakturen
fragmenten orientiert sich an der kortikalen, extraartiku-
lären Einpassung der Fragmente (Abb. 31.17). Das poste- Der posteromediale Zugang ist bei der Osteosynthese von
rolaterale Fragment kann um das posteriore tibiofibulare Pilon-tibiale-Frakturen nur selten erforderlich, kann aber
Ligament rotiert werden und lässt so die Exposition der in Kombination zu einem anterioren Zugang unter be-
Fraktur, das Débridement und das Ausspülen von Häma- stimmten Bedingungen hilfreich sein (Abb. 31.18). Da
tom zu. Um posterior die Länge wiederherzustellen, wird über diesen Zugangsweg keine direkte Darstellung der
der Fuß in Dorsalextension gebracht. Falls durch eine Gelenkfläche möglich ist, hängt die Reposition von der
Dorsalextension des Fußes die Länge nicht ausreichend extraartikulären Reposition im Kortikalisbereich, einer
wiederhergestellt werden kann, ist der Einsatz eines Fe- guten intraoperativen Bildgebung oder einem anderen
murdistraktors hilfreich. Hierzu wird eine Schanz- Verfahren zur Beurteilung der Gelenkfläche ab.
Schraube in die posteriore Tibia durch den Zugangs- Der Patient wird in Bauchlage auf einem röntgendurch-
bereich in direkter a.–p. Richtung und eine weitere lässigen Operationstisch mit Beinplatte gelagert und die
Schanz-Schraube über eine Stichinzision in das Tuber cal- Füße am Ende dieser Platte positioniert. In der Regel ist
canei eingebracht. Durch gut und überlegt platzierte Re- eine Unterpolsterung der Hüfte aufgrund der natürlichen
positionszangen zwischen dem posterolateralen Frag- Außenrotation der Extremität nicht erforderlich. Falls die
31
ment und der intakten anterioren und distalen Tibia, Außenrotation nicht ausreichen sollte, kann eine Rolle
kann sowohl die Reposition unterstützt werden als auch unter die kontralaterale Hüfte platziert werden, um den
das Repositionsergebnis gehalten werden. Eine stabile Patienten zur verletzten Seite zu rotieren. Die Inzision
Osteosynthese kann sowohl durch Zugschrauben in pos- befindet sich zentral über dem Sprunggelenk zwischen
teroanteriorer Richtung als auch durch Antigleitplatten, Achillessehne und dem posteromedialen Rand der dis-
die an der posterioren Tibia platziert werden, erzielt wer- talen Tibia. Das Intervall für die tiefe Präparation hängt
den. Eine senkrecht eingebrachte Platte mit einer Schrau- von der Lokalisation der Hauptfrakturfragmente ab und
be, die knapp proximal der Frakturlinie eingebracht wird, könnte zwischen Tibia und der Sehne des M. tibialis pos-
erlaubt in den meisten Fällen eine ausreichend stabile terior, zwischen der Sehne des M. tibialis posterior und
Osteosynthese. Falls ein zusätzliches anteriores Vorgehen der Sehne des M. flexor digitorum communis oder zwi-
geplant wird, ist darauf zu achten, dass die geplante Po- schen der Sehne des M. flexor digitorum communis und
sitionierung des anterior eingebrachten Osteosynthese- der Sehne des M. flexor hallucis longus liegen. Das letz-
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 847

d e

Abb. 31.18 Der posteromediale Zugang für die Osteosynthe- d Aufgrund des kleinen posterolateralen Gelenkfragments und
se einer Pilonfraktur. des zusätzlichen posteromedialen Fragments wurde ein poste- 31
a A.–p. Aufnahme (links), Schrägaufnahme (Mitte) und laterale romedialer Zugang gewählt. Die Osteosynthese war zunächst
Projektion (rechts) einer Mehrfragment-Pilon-tibial-Fraktur nach auf die posterioren Segmente begrenzt. Anschließend erfolgte
einem Motorradunfall. In der seitlichen Projektion zeigt sich dann die Reposition und Osteosynthese der verbleibenden
das kleine posterolaterale Fragment (Pfeil). Fragmente über einen anterolateralen Zugang.
b Nach Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateur externe e Das klinische Ergebnis war ausgezeichnet, und nach einem
wurde die Reposition deutlich verbessert. Jahr zeigte sich lediglich eine leichte posttraumatische Arthro-
c Die CT-Untersuchung zeigt das Ausmaß der Zertrümmerung se am oberen Sprunggelenk.
der Gelenkfläche.
848 31 Distale Tibiafrakturen

tere dieser 3 Zugangsintervalle erfordert eine direkte reichen 3,5-mm-Platten aus. Die Plattenanpassung an
Darstellung und einen direkten Schutz des neurovaskulä- die Tibiakontur ist nicht einfach. Man sollte hier nicht
ren Bündels. nur die medial konkave Biegung der Platte, die relativ
Über den posteromedialen Zugang können sowohl pos- einfach mit dem Bilderverstärker überprüft werden
terolaterale als auch mediale Frakturfragmente direkt re- kann, berücksichtigen sondern vor allem die Notwendig-
poniert werden. Posteromedial kann eine Platte, idealer- keit das distale Plattenende um etwa 20° nach innen zu
weise als Abstützplatte des medialen Fragments, platziert rotieren (13). Fehlstellungen in der Sagittalebene können
werden. Nach distal kann ein Vollhautlappen zur Darstel- normalerweise durch Unterlagern von Rollen entweder
lung und Osteosynthese des Innenknöchels präpariert im Bereich der Wade oder der Ferse ausgeglichen wer-
werden. den. Die Reposition von Fehlstellungen in der Koronar-
ebene kann durchaus anspruchsvoll sein. In den meisten
Behandlung von distalen extraartikulären Fällen können diese Fehlstellungen durch eine Reposition
metaphysären Tibiafrakturen mit an die Platte mit Ausgleich der Angulation und der Trans-
Plattenosteosynthese lation erfolgen, wobei die korrekte Wiederherstellung der
Länge beachtet werden muss. Bei Schwierigkeiten eine
Die Plattenosteosynthese distaler extraartikulärer meta- Verkürzung auszugleichen, kann ein von medial einge-
physärer Tibiafrakturen kann sowohl bei geschlossenen brachter femoraler Distraktor die Wiederherstellung der
als auch bei offenen Verletzungen durchgeführt werden. Länge erleichtern. Der distale Pin für den Distraktor kann
Die Behandlungsprinzipien sind bei Hochrasanztraumen sowohl in der distalen Tibia als auch im Kalkaneus einge-
in der Regel analog zur Behandlung artikulärer Pilon-ti- setzt werden. Bei einer Platzierung in der distalen Tibia
bial-Frakturen, wenn die Weichteilsituation der Tibia mit ist eine direkte Manipulation möglich. Durch die primäre
einem inakzeptabel hohen Risiko für eine primäre Ver- Seitverschiebung des distalen tibialen Segments wird die
sorgung verbunden ist. Geschlossene distale Tibiafraktu- Reihenfolge der Schraubenplatzierung in der Platte vor-
ren bei einem Niedrigrasanztrauma können häufig pri- gegeben. Falls das distale Segment nach medial und ggf.
mär mit Plattenosteosynthese versorgt werden, wenn in Varusposition disloziert ist, sollte eine Schraube knapp
die Weichteilsituation dies zulässt. proximal der Fraktur durch die anatomisch angeformte
Die Notwendigkeit eine begleitende Fibulafraktur zu Platte zu einer Reposition führen. Bei einer Verschiebung
stabilisieren wird kontrovers diskutiert. Allerdings hat des distalen Segments nach lateral sollte eine Schraube
eine Osteosynthese der Fibula einige Vorteile, wie z. B. distal der Hauptfrakturzone das Fragment an die ana-
die indirekte Reposition der Tibiafraktur und vor allem tomisch vorgeformte Platte reponieren. Die Verwendung
die Bildung einer stabilen lateralen Säule. Für den Fall, von winkelstabilen Implantaten ist in der großen Mehr-
dass die Fibulafraktur mit einer Sprunggelenkfraktur ein- zahl distaler Tibiafrakturen nicht erforderlich (A.d.Ü.:
hergeht, sollte diese ohnehin stabilisiert werden. Hier hat sich in der Versorgungsrealität ein Wandel erge-
Die Plattenposition kann sowohl an der anteromedia- ben, zumindest im deutschsprachigen Raum werden bei
len Fläche der Tibia als auch an der Lateralseite der Tibia diesen Frakturtypen überwiegend winkelstabile Platten-
erfolgen. Die Entscheidung für winkelstabile oder nicht- systeme eingesetzt). Bei Patienten mit Osteoporose, offe-
winkelstabile Plattensysteme hängt von der Frakturgeo- nen Frakturen, mit einer zu erwartenden verzögerten
metrie, der Knochenqualität und dem Alter des Patienten Knochenbruchheilung und/oder offenen Verletzungen
ab. Als Zugangswege kommen sowohl ein ausgedehnter sowie Knochendefekten können winkelstabile Implantate
anteromedialer Zugang infrage (wie bereits für die Pilon- nützlich sein. Für die primäre Reposition der Fraktur
tibial-Frakturen beschrieben) als auch ein begrenzter an- gegen die Platte sind auf jeden Fall konventionelle
terolateraler Zugang mit submuskulärer Plattenplatzie- Schrauben erforderlich. Nach Reposition gegen das Im-
rung proximal (wie bereits für die Pilon-tibiale-Frakturen plantat können dann Verriegelungsschrauben zum Ein-
beschrieben) und auch minimalinvasive Zugänge mit an- satz kommen.
teromedialer subkutaner Plattenplatzierung. Der anteromediale Zugang, wie er im vorherigen Ab-
31
Minimalinvasive Zugänge zur anteromedialen distalen schnitt für die intraartikulären Pilonfrakturen beschrie-
Tibia erfordern eine indirekte Reposition der Fraktur und ben wurde, ist im Wesentlichen auf distale Tibiafrakturen
gewährleisten einen maximalen Erhalt des Periosts. Ein nach Niedrigenergietrauma beschränkt. Da bei diesem
kurzer Zugang (ca. 2 cm), direkt proximal des Innenknö- Zugang ein großer medialer Weichteillappen gebildet
chels, reicht üblicherweise aus, um das Implantat sub- werden muss, sollten Hochrasanzverletzungen in der
kutan entlang der tibialen Knochenfläche zu platzieren. Regel nicht mit diesem Zugangsweg angegangen werden.
Bei Niedrigrasanztraumen können kleinere Implantate Unabhängig vom Zugangsweg ist auf einen Erhalt des
verwendet werden. Bei Hochrasanztraumen der distalen Knochenperiosts und auf eine atraumatische Positionie-
Tibia mit Trümmerzonen oder bei offenen Frakturen mit rung der Platte zu achten. Auch wenn eine Platte direkt
Knochenverlust gewährleisten größere Implantate eine durch eine offene Verletzung eingebracht werden kann,
bessere Stabilität in Anbetracht der zu erwartenden län- sollte auf eine möglichst schonende und indirekte Repo-
geren Dauer der Knochenkonsolidierung. Üblicherweise sition der Hauptfragmente geachtet werden. Die einzige
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 849

Ausnahme sind lange Spiralfrakturen, die anatomisch Unterschiedliche Techniken können zur Unterstützung
weitgehend atraumatisch reponiert werden können. In der Marknagelung eingesetzt werden. Diese schließen die
diesen Fällen bietet sich die Osteosynthese mittels Zug- Plattenosteosynthese der Fibula, die Anwendung eines
schraube und Neutralisationsplatte an. medialen femoralen Distraktors, den temporären Einsatz
Über einen anterolateralen Zugang können lediglich unikortikal verankerter Platten, den perkutanen Einsatz
die distalen 5 – 7 cm der Tibia dargestellt werden. Nach von Repositionszangen und die Manipulation mit Schanz-
proximal muss die Platte submuskulär eingeschoben wer- Schrauben im Sinne eines Joysticks ein. Üblicherweise ist
den. Dieser Zugangsweg entspricht dem weiter oben be- das Aufbohren des distalen Fragments, außer bei jungen
schriebenen Weg für die Behandlung distaler Tibiafraktu- Patienten mit einer sehr dichten metaphysären Spongio-
ren mit Gelenkbeteiligung. Bei extraartikulären Frakturen sa, nicht erforderlich. Falls doch das Aufbohren des dis-
kann die distale Freilegung begrenzt werden und eine talen Fragments in Erwägung gezogen wird, muss die
Arthrotomie ist nicht erforderlich. Dieser Zugang erfor- Fraktur vor der Passage des Bohrers korrekt reponiert
dert jedoch in der Regel eine zusätzliche mediale Platten- und ausreichend stabilisiert werden, um sicherzustellen,
abstützung, um einer späteren Varusfehlstellung vor- dass der Kanal für den Nagel an der korrekten Stelle in
zubeugen. Dieser Zugang wird vor allem bei sehr weit der Metaphyse aufgebohrt wird. Der Operateur muss un-
distal gelegenen extraartikulären metaphysären Tibia- bedingt darauf achten, dass Achsausrichtung und Reposi-
frakturen verwendet, die nicht ausreichend durch alleini- tion während der einzelnen Schritte, einschließlich Auf-
ge mediale Plattenplatzierung stabilisiert werden kön- bohren, Marknagelung und Verriegelung gewährleistet
nen. sind. Vor allem bei der Verriegelung ist dies strikt zu
beachten.
Behandlung distaler extraartikulärer Wie bei allen anderen Osteosynthesetechniken bei der
Tibiafrakturen mit Marknagelung Behandlung distaler Tibiafrakturen ist die Osteosynthese
der Fibula in der Regel nützlich. Obwohl bei den meisten
Aufgrund der anatomischen Nähe zur Gelenkfläche des Tibiafrakturen mit begleitenden Fibulafrakturen die dis-
oberen Sprunggelenks müssen eine Vielzahl von extraar- talen tibiofibularen Ligamente nicht betroffen sind und
tikulären distalen Tibiafrakturen wie Pilon-tibial-Fraktu- daher eine Osteosynthese der Fibula prinzipiell für eine
ren behandelt werden. Durch neuere Nageldesigns mit normale Funktion des Sprunggelenks nicht erforderlich
multiplanaren Verriegelungsmöglichkeiten unmittelbar scheint, unterstützen die gleichen Bandstrukturen die in-
an der Nagelspitze, hat sich das Indikationsspektrum für direkte Reposition der Tibia bei einer osteosynthetischen
Marknägel im Bereich distaler Tibiafrakturen ausgewei- Stabilisierung der Fibula. Eine weitere nützliche Hilfe ist
tet. Wie immer sind ein sorgfältiger präoperativer Plan die Anwendung eines femoralen Distraktors, der einfach
und ein Verständnis der Geometrie des zur Verfügung medial platziert werden kann und zur Reposition der
stehenden Implantats unabdingbar für eine erfolgreiche Länge und Achsausrichtung eingesetzt werden kann
Osteosynthese. Entscheidend ist hier die Tatsache, dass (14). Hierzu kann ein Pin von medial nach lateral im
aufgrund des geringen Durchmessers des Nagels in Rela- Bereich der proximalen Tibia platziert werden; der ande-
tion zum Volumen der distalen Tibia, eine Reposition re wird entweder in der distalen Tibia oder im Kalkaneus
durch das intramedulläre Implantat ausscheidet. Zusätz- verankert. Die Frakturreposition kann durch eine Pin-
lich ist die Stabilität der Osteosynthese von dem Wech- Platzierung in der Tibia einfacher erfolgen, hier muss je-
selspiel zwischen den Verriegelungsbolzen und dem doch auf die mögliche Kompromittierung der Nagelplat-
Nagel sowie der Verankerung des Nagels in der Spongiosa zierung geachtet werden. Der Pin wird daher in der Regel
der distalen Tibia abhängig. Aufgrund des kurzen Ab- posterior in der distalen Fibula platziert. Für eine direkte
stands zwischen dem proximalen Verriegelungsbolzen Manipulation des distalen Fraktursegments können zu-
und der Frakturzone kommt es zu erheblichen Biegungs- sätzlich Schanz-Pins unterschiedlicher Durchmesser als
kräften. sogenannte Joysticks eingesetzt werden. In ähnlicher
Die nicht selten zusätzlich vorliegenden Gelenkbetei- Weise können perkutan eingesetzte Repositionszangen
31
ligungen der distalen Tibia oder Knöchelverletzungen die Reposition unterstützen. In dieser empfindlichen Re-
sollten vor der Marknagelosteosynthese osteosynthetisch gion des Unterschenkels ist auf eine möglichst geringe
versorgt werden. Hier ist bei der Osteosynthese und zusätzliche Kompromittierung des Weichteilmantels zu
Schraubenplatzierung darauf zu achten, dass die Nagel- achten.
platzierung gemäß dem präoperativen Plan nicht kom- Falls das distale Segment aufgebohrt wird, ist es wich-
promittiert wird. Frakturen am Innenknöchel können tig sicherzustellen, dass der Führungsdraht im distalen
mit horizontal oder vertikal ausgerichteten Schrauben, Segment in beiden Ebenen zentral platziert wird. Hier
je nach Frakturmuster, stabilisiert werden. So lange der ist eine Bildwandlerkontrolle in beiden Ebenen erforder-
Korridor für den zu implantierenden Nagel berücksichtigt lich. In gleicher Weise muss die Reposition bis zum de-
wird, können auch mediale oder anterolaterale Platten finitiven Einbringen des Nagels und der Verriegelung si-
verwendet werden. cher gehalten werden. Das distale Segment wird dann
mit Verriegelungsschrauben, die im 90°-Winkel zueinan-
850 31 Distale Tibiafrakturen

a b

Abb. 31.19 60-jährige Frau bei Z. n. Polytrauma. Zusätzlich erfolgte die primäre Arthrodese des oberen Sprunggelenks
besteht ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus (der Fall wurde über einen offenen Zugang und unter Verwendung einer win-
von Philipp J. Kregor, MD, zur Verfügung gestellt). kelstabilen Platte.
a Röntgenaufnahmen einer zweitgradig offenen Pilon-tibial- b Röntgenaufnahmen in a.–p. und seitlicher Projektion 13 Mo-
Fraktur. Bei der initialen Revision der offenen Fraktur mit nate nach dem Unfallereignis. Die Patientin war vollständig
Weichteildébridement und Spülung zeigt sich ein erheblicher mobil und hatte nur geringe Beschwerden am Sprunggelenk.
Schaden der Gelenkflächen. Am 12. Tag nach dem Trauma

der stehen, gehalten. Mindestens 2, besser 3 Verriege-


Neuere Behandlungsmethoden
lungsschrauben sollten distal platziert werden. Nach der
Verriegelung sollte die Stabilität der Fraktur überprüft Es gibt keine Behandlungsmethode, die für alle Arten dis-
werden. Sollte eine Instabilität verbleiben, ist es in Aus- taler Tibiafrakturen anwendbar ist. Die unterschiedlichs-
nahmefällen erforderlich, zusätzliche sogenannte Poller- ten Behandlungsprinzipien konnten erfolgreich zum Ein-
schrauben einzusetzen oder einen medial platzierten satz kommen. Dies Kapitel hat sich primär auf Techniken
Fixateur externe für 4 – 6 Wochen zu belassen. der offenen Reposition fokussiert. Alternativmethoden
schließen gelenküberbrückende unilaterale Fixateur-ex-
Rehabilitation und postoperatives terne-Systeme, Fixateur-externe-Systeme mit Bewe-
gungssegmenten, Hybrid-Fixateur-externe-Systeme und
Management
den Ilisarow-Fixateur ein. Jede dieser Methoden kann
Postoperativ werden Wunddrainagen für 48 h belassen mit einem begrenzten offenen Zugangsweg für die Repo-
oder solange, bis die Sekretion über 8 h weniger als sition der gelenktragenden Komponenten kombiniert
10 ml beträgt. Der sterile OP-Verband sollte zumindest werden.
für 48 – 72 h belassen werden. Über diese Zeit wird das Die Kombination externer Fixation mit begrenzten in-
Bein hochgelagert, außer für die Zeiten der Physiothera- neren Osteosynthesetechniken ist bereits mehrfach pu-
pie und für die Körperhygiene. Je nach Heilungsfort- bliziert worden. Das wesentliche primäre Ziel dieser Stra-
schritt werden die Hautnähte für 10 – 14 Tage belassen. tegien ist, wie bei der Technik der offenen Plattenosteo-
31
Aktive Bewegungsübungen des oberen und unteren synthese, die anatomische Reposition der Gelenkfläche
Sprunggelenks sollten begonnen werden sobald trockene und die stabile Überbrückung von gelenktragendem Seg-
Wundverhältnisse vorliegen, üblicherweise zwischen ment und Diaphyse der Tibia. Ob dieses Ziel mit Platten-
dem 2. und 5. Tag nach Operation. Bei Gelenkfrakturen osteosynthese unter Verwendung von minimalinvasiven
ist eine Entlastung für 12 Wochen erforderlich. Zur Spitz- Techniken oder durch den Einsatz externer Fixation er-
fußprophylaxe sollte eine Lagerungsschiene angepasst reicht wird, bringt zumindest im theoretischen Ansatz
werden. Während der ersten 6 Wochen sollte eine kran- ähnliche Ergebnisse. Die Zugangswege für diese Tech-
kengymnastische Übungsbehandlung am oberen Sprung- niken mit begrenzter Exposition der Frakturzone unter-
gelenk eingeleitet werden. Zwischen der 6. und 12. scheiden sich nicht wesentlich von den offenen Zugangs-
Woche können diese Übungen auch auf passive Bewe- wegen für die offene Osteosynthese der distalen Tibia.
gungsübungen ausgedehnt werden. Für den Einsatz von Hybridsystemen mit der Platzierung
von Kirschner-Drähten wurden sogenannte sichere Kor-
Operative Behandlung (Videos 31-1, 31-2, 31-3, 31-4, 31-5, DVD 4) 851

ridore für die Kirschner-Drahtplatzierung beschrieben Eine primäre Arthrodese des oberen Sprunggelenks
(15). Eine detaillierte Kenntnis der lokalen axialen Ana- mag in einigen extrem seltenen und außergewöhnlichen
tomie ist hierfür unverzichtbar. Pin-Infektionen sind je- Situationen angezeigt sein. Dies trifft vor allem auf Situa-
doch auch hier ein Problem. Mit Ringfixateuren ist eine tionen zu, bei denen eine offene Verletzung mit einem
frühe Belastungsaufnahme auch bei Gelenkfrakturen erheblichen Verlust gelenktragender Knochenfragmente
möglich und erwünscht. einher geht. Auch andere eher der Allgemeinsituation
Gelenküberbrückende Fixateur-externe-Systeme haben des Patienten zuzuordnende Umstände können eine
den Vorteil, dass die Fixateur-Pins die Frakturlinien nicht Reposition der Gelenkfläche unmöglich machen
tangieren. Damit bleibt auch für das Sprunggelenk das (Abb. 31.19).
Risiko einer Pin-Track-Infektion ausgeschlossen. Diese Es besteht die Option, Defekte durch eine autogene
Systeme erlauben allerdings weder Belastungsaufnahme Spongiosaplastik vom Beckenkamm zu füllen. Generell
noch eine Freigabe des oberen oder unteren Sprung- kann eine zunehmende Anwendung von allogenem Kno-
gelenks. Aufgrund der Tatsache, dass diese Verletzungen chen und Knochenersatzmaterialien zur Defektfüllung be-
häufig offen sind oder mit einer verzögerten Frakturhei- obachtet werden. Dieser Trend ist der relativ hohen Ko-
lung einhergehen, ist es schwierig einen optimalen Zeit- morbidität an der Entnahmestelle am Beckenkamm anzu-
punkt für die Entfernung der Fixateur-externe-Systeme lasten. Bislang sind keine aussagekräftigen Studien bezüg-
und damit der möglichen Freigabe der Sprunggelenkbe- lich der Ergebnisse von Knochenersatzmaterialien bei der
weglichkeit anzugeben. Behandlung von distalen Tibiafrakturen publiziert.

Tipps und Tricks


■ Bei der initialen Versorgung sollte die Pin-Platzierung für ■ Es sollten keine selbsthaltenden Retraktoren zur Anwen-
die Anlage des temporären Fixateur externe so gewählt dung kommen, da sie einen anhaltenden Druck auf die
werden, dass die voraussichtlichen operativen Zugangs- Weichteile ausüben.
wege nicht kompromittiert werden. ■ Wenn immer möglich, sollten die Weichteile scharf
■ Bei offenen Pilonfrakturen sollten alle zusätzlichen po- durchtrennt werden.
tenziellen Zugangswege vor der Erweiterung und dem ■ Das Ablösen des Periosts und der Weichteile an der dis-
Débridement der offenen Wunden eingezeichnet wer- talen Tibia muss unbedingt vermieden werden.
den. ■ Pilonfrakturen mit einem offenen posterioren Weichteil-
■ Die Inzision der Fibula sollte möglichst dorsal platziert schaden haben eine spezielle Problematik. Da die Osteo-
werden, um eine möglichst breite Hautbrücke zwischen synthese in der Regel von anterior durchgeführt wird,
dieser Inzision und einer anterolateralen Inzision zu ge- kommt es zusätzlich zur gestörten posterioren Vaskula-
währleisten. risierung der distalen Tibia zu einer Kompromittierung
■ Wenn in Höhe des Sprunggelenks limitierte Zugangs- der anterioren Blutversorgung. Aus diesem Grund sieht
wege zum Einsatz kommen, kann die „7-cm-Regel“ man hier nicht selten eine verzögerte Bruchheilung.
nicht zur Anwendung kommen. Ein anterolateraler Zu- ■ Bei metaphysären Trümmerzonen sollte die direkte Re-
gangsweg kann mit einem posterolateralen Zugangs- position im Bereich der Gelenkfragmente mit einer indi-
weg für die Osteosynthese der Fibula oder der distalen rekten Reposition der metaphysären Fragmente kom-
Tibia kombiniert werden. Zusätzlich kann dann auch biniert werden.
eine perkutane mediale Plattenosteosynthese mit diesen ■ Im Bereich der anteromedialen Tibia sollte, unabhängig
beiden Zugangswegen kombiniert werden. vom gewählten operativen Zugang, besonders auf den
■ Wenn eine offene Reposition und Plattenosteosynthese Erhalt der periostalen Durchblutung geachtet werden.
im Bereich der distalen Tibia geplant wird, müssen die ■ Die Dislokationsrichtung auf der Unfallaufnahme gibt in
Pin-Eintrittsstellen des temporären Fixateur externe voll- Kombination mit der Frakturgeometrie der Fibula Hin-
ständig außerhalb des Zugangsgebiets und der geplan- weise auf Trümmerzonen an der Metaphyse sowie auf 31
ten Plattenplatzierung liegen. Dies gilt auch bei einge- die Gelenkbeteiligung.
schobenen Platten. ■ Pilonfrakturen mit einer primären Valgusfehlstellung
■ Die Platzierung von Fixateur-externe-Pins im Bereich des und Verkürzung der Fibula weisen in der Regel eine
Talushalses wird aufgrund der erforderlichen Exposition Kompression und Trümmerzone an der lateralen distalen
bei der Reposition der tibialen Gelenkfläche und der Tibia in Kombination mit einer Distraktion der medialen
damit verbundenen Darstellung des Talushalses nicht distalen Tibia auf.
empfohlen. ■ Pilonfrakturen mit einer primären Varusfehlstellung und
■ Durch die Anwendung eines großen Distraktors zwi- einer begleitenden Distraktion der Fibula (transversale
schen dem Talushals und der Tibiadiaphyse kann gleich- Frakturverläufe in Höhe des Gelenks) weisen normaler-
zeitig unter Plantarflexion eine Distraktion auf das Ge- weise eine mediale Trümmerzone an der tibialen Gelenk-
lenk ausgeübt werden. Somit gelingt eine optimale Dar- fläche in Kombination mit einer Distraktion der lateralen
stellung des oberen Sprunggelenks. distalen Tibia auf.
(Fortsetzung) ▶
852 31 Distale Tibiafrakturen

Tipps und Tricks (Fortsetzung)


■ Die Distraktionsseite der distalen Tibia braucht normaler- ■ Die Hilfe von Joysticks (Kirschner-Drähte oder 2,5-mm-
weise keine Abstützplattenosteosynthese. Gewinde-Kirschner-Drähte) können bei der Manipulation
■ Im Bereich der Kompression der distalen Tibia ist in der und Reposition von größeren Gelenkfragmenten sehr
Regel eine Abstützplattenosteosynthese erforderlich. nützlich sein.
Daher profitieren Pilonfrakturen mit einer signifikanten ■ Das anterolaterale Fragment kann um seinen Ansatz am
Varusfehlstellung generell von medialen Plattenplatzie- anterioren tibiofibularen Ligament zur verbesserten Dar-
rungen. stellung des Gelenks und zur Reposition der Gelenkfrag-
■ Frakturen im posterioren Bereich des Pilon tibiale treten mente nach außen rotiert werden. Auf keinen Fall sollte
selten auf, sind schwierig zu behandeln und erfordern das tibiofibulare Ligament abgelöst werden.
häufig einen posterioren Zugang in Kombination mit ■ Es kommt nicht selten vor, dass es nicht gelingt, das
einer extraartikulären Reposition der Kortikalis. posteriore oder posterolaterale Fragment in die korrekte
■ Über einen anterolateralen Zugang kann die gesamte Plantarflexion einzustellen. Dies kann zu einer Fehlstel-
Gelenkfläche bis zur medialen Kante des Sprunggelenks lung der gesamten Gelenkfläche führen und muss daher
dargestellt werden. Bei Frakturen des Innenknöchels unbedingt vor der definitiven Osteosynthese behoben
oder bei Trümmerzonen an der medialen Schulter kann werden.
ein zusätzlicher Zugang erforderlich werden. ■ Die temporäre Reposition der gesamten Gelenkfläche
■ Die übliche Reihenfolge der Reposition über anteriore mit strategisch günstig platzierten Kirschner-Drähten
Zugänge ist wie folgt: zur temporären Fixation erlaubt vor der definitiven Os-
1. Korrekte Einstellung der Rotation der posterolateralen teosynthese die Beurteilung der Reposition und lässt
Gelenkfragmente in der sagittalen Ebene. weitere Korrekturen zu.
2. Reposition der posterolateralen und medialen Frag- ■ Die Reposition aller anteriorer kortikaler Frakturfragmen-
mente. te, auch derjenigen, die aus dem Weichteilverbund ge-
3. Reposition aller zusätzlichen osteochondralen Frag- löst sind, erlaubt eine korrekte Einstellung der anterio-
mente gegen die posterolateralen Fragmente. ren Länge und somit auch der Rotation der Gelenkflä-
4. Reposition des anterolateralen Fragments gegen das che.
mediale Fragment und damit zur gesamten bereits ■ Gelegentlich können einfache Frakturlinien im Bereich
rekonstruierten distalen Tibia. der tibialen Diaphyse mit einzelnen Zugschrauben im
5. Abschließend wird der distale Gelenkblock gegen die Rahmen der Primärversorgung gleichzeitig mit Stabilisa-
intakte Tibia reponiert. tion der Fibula und zusätzlicher Fixateur-externe-Anlage
■ Um isolierte Gelenkfragmente zu stabilisieren, können versorgt werden. Hierdurch können einige komplexe Ge-
intraossär platzierte Klein- oder Minifragmentschrauben lenkfrakturen (43 C) in partielle Gelenkfrakturen (43 B)
verwendet werden. Dies ist in der Regel bei der Osteo- überführt werden.
synthese von isolierten intraartikulären Fragmenten ■ Durch die Anlage eines gelenküberbrückenden Fixateurs
gegen das posterolaterale Segment vor der Reposition können Impressionen der Gelenkfläche niemals kor-
des anterolateralen Segments erforderlich. rigiert werden.
■ Die Rotation des posterolateralen Fragments kann durch ■ Nicht selten verbergen sich hinter anscheinend intakten
den Einsatz einer großen Repositionszange nach Weber, Gelenkflächen bei partiell artikulären Frakturtypen (43
die entweder über eine Stichinzision oder durch den B) Impressionen der Gelenkfläche. Diese Impressionen
vorbestehenden posterolateralen Zugang an der Fibula bedürfen einer genauen Analyse und Reposition.
verankert wird, erleichtert werden. Das eine Ende der ■ Falls ein posteriorer mit einem anterioren Zugangsweg
Repositionszange wird zwischen den Peronealsehnen kombiniert wird, ist der Erhalt der periostalen Blutver-
der Hinterkante der Fibula auf dem posterolateralen sorgung von besonderer Bedeutung. Anderenfalls steigt
Fragment platziert, das andere Ende auf der anterioren das Risiko einer Infektion und/oder verzögerten Kno-
Fläche der Tibia. chenbruchheilung.
31

Ergebnisse schiedlichen Operationsverfahren, verändert. Der anfäng-


liche Enthusiasmus für die offene Reposition und innere
Die Ergebnisse nach operativer Behandlung von Pilon- Fixation (ORIF) war im Wesentlichen getrieben durch die
tibiale-Frakturen scheinen eher von dem begleitenden von Ruedi u. Allgöwer publizierten guten Ergebnisse (8,
Weichteilschaden abhängig zu sein als von der knöcher- 17). Unglücklicherweise waren die Erfahrungen in Nord-
nen Verletzung, der Reposition der Gelenkfläche oder amerika weniger gut und ORIF hatte sehr schlechte Er-
dem Osteosyntheseverfahren (16). Nichtsdestotrotz gebnisse mit häufigen Komplikationen speziell im Hin-
haben sich die publizierten Ergebnisse im Laufe der Jahre, blick auf die Inzidenz von Infekten bei Trümmerfrakturen
beeinflusst durch die relative Verbreitung der unter- (18, 19). Es wurde bereits vielfach diskutiert, dass die
Komplikationen 853

Niedrigrasanztraumen mit Torsionsmechanismen aus der war das einzige Charakteristikum der Verletzung oder
1. Studie mit den Hochransanztraumen aus der letzteren der Behandlung, das mit dem Ergebnis in Relation gesetzt
Untersuchung nicht vergleichbar sind. Letztendlich be- werden konnte, die Behandlung mit einem Fixateur ex-
steht jedoch die Erkenntnis, dass bei einer Vielzahl von terne (im Gegensatz zur ORIF). Marsh et al. publizierten
Pilonfrakturen die offene Reposition mit innerer Fixation 5-Jahresergebnisse nach Fixateur externe und perkutaner
zu einer inakzeptabel hohen Rate an Komplikationen Schraubenosteosynthese von 35 Pilon-tibial-Frakturen
führt. Als Schlussfolgerung haben viele Autoren nach Be- (29). Obwohl in ihrer Follow-up-Untersuchung 5 Patien-
handlungsmethoden gesucht, die sowohl den schweren ten aufgrund einer bereits erfolgten Arthrodese des obe-
knöchernen als auch den schweren Weichteilschaden ren Sprunggelenks ausgeschlossen wurden, fanden sie
gleichzeitig behandeln. eine signifikante Einschränkung und Arthrosen in der
Bezüglich der Behandlung mit dem Fixateur externe Mehrzahl der untersuchten Sprunggelenke.
werden unterschiedliche Verfahren empfohlen, die so- Insgesamt fand sich eine signifikante Verbesserung der
wohl den Weichteilschaden als auch die zugrunde liegen- kurzzeitigen Komplikationen aufgrund eines besseren
de Gelenkfraktur adressieren (16, 20 – 26). Die Behand- Verständnisses und einer besseren Einschätzung der
lung mit einem gelenküberbrückenden Fixateur externe schweren begleitenden Weichteilschädigungen bei die-
hat prinzipiell eine höhere Wahrscheinlichkeit einer ver- sen speziellen Frakturen. Ein abgestuftes Vorgehen für
bleibenden Bewegungseinschränkung am Sprunggelenk, die offene Reposition, limitierte innere Fixationstech-
jedoch eine geringe Wahrscheinlichkeit von Wundkom- niken kombiniert mit Fixateur-externe-Behandlung und
plikationen (21 – 23, 25). In einer Studie konnte durch die die Behandlung mit Ringfixateuren haben alle dazu bei-
Anwendung eines Hybrid-Fixateurs eine geringe Rate an getragen, dass Wundkomplikationen und Weichteilinfek-
Weichteilkomplikationen, eine gute Achsausrichtung und tionen, wie sie früher bei der Behandlung von Pilonfrak-
eine hohe Rate an knöchernen Konsolidierungen beob- turen gesehen wurden, deutlich reduziert werden konn-
achtet werden (26). Von verschiedenen Autoren wird ten. Allerdings sind die Langzeitergebnisse nach diesen
der Ringfixateur (Ilizarov-Technik) empfohlen, um die Verletzungen immer noch nicht zufriedenstellend. Ar-
bei den Hybrid-Fixateuren auftretenden exzentrischen throse, Bewegungseinschränkung, Schmerz und Folgeein-
Biegebelastungen zu verhindern (16, 24). In einer Unter- griffe kommen häufig vor. Trotz dieser Spätkomplikatio-
gruppe von Patienten, bei denen ein schwerer Weichteil- nen führt eine gute Strategie, die die Gelenkreposition
schaden vorlag, wurde mit dieser Technik gegenüber der optimiert, eine übungsstabile Osteosynthese gewährleis-
offenen Reposition und Plattenosteosynthese über ver- tet und eine frühfunktionelle Behandlung erlaubt, zu
besserte Ergebnisse berichtet (16). einer Optimierung der potenziellen Behandlungsergeb-
Als Reaktion auf die in früheren Studien publizierte nisse bei diesen komplexen Verletzungen.
hohe Rate an Weichteilkomplikationen wurde von ver-
schiedenen Autoren ein zweitzeitiges Vorgehen für die
ORIF eingeführt (6, 7). Diese besteht in einer primären Komplikationen
Osteosynthese der Fibula und Anlage eines temporären
gelenküberbrückenden Fixateur externe, gefolgt von Komplikationen sind häufig sowohl der Verletzung selbst
einer definitiven ORIF der Gelenkfläche und der distalen als auch der Behandlung der Pilonfraktur anzulasten. Ei-
Tibia nachdem die begleitende Weichteilschwellung aus- nige Komplikationen beziehen sich auf die Verletzung
reichend abgeklungen ist. Dieses Vorgehen war sowohl selbst und beinhalten Bewegungseinschränkung, schwe-
bei offenen als auch bei geschlossenen Verletzungen er- ren Weichteilschaden mit Weichteilverlust, tiefe Infektio-
folgreich (6, 7). Eine jüngere prospektive Analyse ver- nen, chronische Osteomyelitis und die posttraumatische
schiedener offener Behandlungsverfahren konnte zeigen, Arthrose. Andere Komplikationen sind eher auf die Be-
dass Patienten, die nach einem Stufenprotokoll behandelt handlung zurückzuführen, dazu zählen Bewegungsein-
wurden, eine akzeptable Komplikationsrate, geringe schränkung am unteren Sprunggelenk, Pin-Track-Infek-
Schmerzen und ein gutes funktionelles Ergebnis aufwie- tionen, Wundinfektionen, Pseudarthrosen und Fehlstel-
31
sen (27). lungen. Bei der Auswahl der richtigen Behandlungsstra-
Derzeit versuchen eine Reihe von Studien die Ergeb- tegie sollte man immer verletzungsspezifische Komplika-
nisse von operativ behandelten Pilon-tibial-Frakturen tionen in Betracht ziehen, um das Risiko zusätzlicher
darzustellen. Rüedi veröffentlichte 9-Jahres-Ergebnisse operativer Komplikationen zu minimieren.
von Niedrigenergiepilonfrakturen und fand trotz einer In der Absicht das zusätzliche operative Trauma auf
guten initialen Reposition häufige degenerative Verände- den bereits vorgeschädigten Weichteilmantel zu mini-
rungen (17). Kürzlich untersuchten Pollak et al. Patienten, mieren, wurden vor allem die verschiedenen Methoden
die entweder mit Fixateur externe oder ORIF behandelt der externen Fixation empfohlen, in der Hoffnung so tiefe
wurden mit einem minimalen Nachuntersuchungszeit- Infektionen und Wundkomplikationen zu vermeiden (16,
raum von 2 Jahren nach der Verletzung (28). Erhebliche 20, 21, 23, 24, 26, 30 –32). Alle Arten der externen Fixati-
Behinderung, Schmerzen, Schwellung und Bewegungs- on haben das potenzielle Risiko einer Pin-Track-Infektion,
einschränkung wurden berichtet. Interessanterweise welches in der Regel auf eine orale oder intravenöse an-
854 31 Distale Tibiafrakturen

tibiotische Therapie gut anspricht. Der gelenküberbrü- einer Studie (29). Insgesamt waren in dieser Unter-
ckende Fixateur externe hat zwar den Nachteil der zu- suchung sekundäre Rekonstruktionen selten erforderlich,
sätzlichen Ruhigstellung des Subtalargelenks mit mögli- und die Patienten kamen für einige Jahre nach der Ver-
cherweise verbleibenden Bewegungseinschränkungen, letzung gut zurecht (29).
vermeidet aber die Platzierung von Pins in der Nähe der Die ersten Studien, die über die offene Reposition und
Frakturzone und von auslaufenden Frakturlinien. Hybrid- Osteosynthese von Pilonfrakturen berichteten, zeichne-
oder Ringfixateure haben den Vorteil einer verbesserten ten sich durch inakzeptabel hohe Raten von oberflächli-
Stabilisierung der tibialen Gelenkfragmente, aber dem- chen und tiefen Wundinfektionen aus (18, 33). Abgestufte
gegenüber zumindest das theoretische Risiko einer bak- mehrzeitige Behandlungsstrategien haben diese Kompli-
teriellen Besiedelung der Frakturzone oder des Sprung- kationen deutlich reduziert, und die Rate an Weichteil-
gelenks selbst. Tiefe Infektionen wurden als Komplikation komplikationen liegt hier bei unter 5 % (7, 27, 34). Die
bei Patienten, die mit Hybrid-Fixateur behandelt wurden, Strategie, die offene Reposition und Osteosynthese erst
häufiger gesehen als bei Patienten mit offener Reposition nach Abschwellung der Weichteile vorzunehmen, hat zu
und Plattenosteosynthese (20). Die Kombination einer einer signifikanten Reduktion von Hautproblemen,
begrenzten offenen Reposition und der Anwendung Wundinfektionen und chronischer Osteomyelitis geführt
eines Ringfixateurs wurde erfolgreich bei Patienten mit (6, 7). Fehlstellungen können nach offenen Osteosynthe-
offenen oder geschlossenen Hochrasanzverletzungen ein- severfahren vorkommen, sind aber in der Regel ein Hin-
gesetzt und ist möglicherweise insgesamt ein guter Be- weis dafür, dass initial die Achsausrichtung der distalen
handlungsansatz bei diesen komplexen Verletzungen (6). Tibia nicht korrekt vorgenommen wurde. Pseudarthrosen
Die Ausbildung von Pseudarthrosen und Fehlstellungen kommen in dieser Region eher selten vor und können in
bleibt vor allem bei Hochrasanzverletzungen nach Be- der Regel durch Spongiosaplastik, die vor einem Implan-
handlung mit einem Fixateur externe problematisch (20, tatversagen vorgenommen werden sollte, beherrscht
31, 32). Die Langzeitergebnisse nach Fixateur-externe-Be- werden. Die posttraumatische Arthrose bleibt trotz der
handlung von Pilonfrakturen sind weitgehend nicht un- Bemühung um eine anatomisch exakte Rekonstruktion
tersucht. Die Mehrzahl dieser Patienten zeigt nach einem der Gelenkfläche ein signifikantes Problem. Insgesamt
Mindestnachbeobachtungszeitraum von 5 Jahren nach sind die Ergebnisse nach akkurater offener Reposition
der Verletzung radiologische Zeichen der posttraumati- und Osteosynthese von Pilonfrakturen in der Literatur
schen Arthrose in Kombination mit Einschränkungen nur selten publiziert.
der Mobilität trotz relativ guter funktioneller Scores in

Merke

■ Die Stellung des Fußes zur Zeit der Krafteinwirkung in einem direkten anterioren Zugang eine sichere Identifika-
Kombination mit der Richtung der einwirkenden Kräfte tion dieser Strukturen erforderlich. Der oberflächliche Ast
bestimmt die Frakturgeometrie und die Beteiligung der des N. peroneus ist rein sensibel, zieht von posterior nach
Gelenkflächen. anterior und überkreuzt den anterolateralen Zugangsweg
■ Bei dislozierten kompletten Gelenkfrakturen (Typ 43 C) (s. Abb. 31.3).
können durch geschlossene Repositionsmanöver die Ge- ■ Die Peroneusmuskeln (Mm. peronei longus und brevis)
lenkflächen nicht korrekt reponiert werden. bilden das laterale Kompartment des Unterschenkels.
■ Im Falle einer intakten Fibula in Kombination mit einer Die Muskeln liegen weiter distal im posterioren Bereich
komplexen Gelenkfraktur der distalen Tibia kommt es in und sind mit der distalen Fibula straff über eine Sehnen-
der Regel zu einer Varusfehlstellung. scheide verbunden.
■ Analog kommt es bei komplexen distalen Gelenkfrakturen ■ Im Bereich des posterioren Kompartments laufen in Höhe
der Tibia in Kombination mit einer Fraktur der Fibula zu des Sprunggelenks bereits die Sehnen des M. tibialis poste-
31 einer Verkürzung und somit zu einer Aufweitung des Ge- rior, des M. flexor digitorum communis und des M. flexor
lenkspalts. hallucis longus. Der FHL hat einen sehr weit distal gelege-
■ Im anterioren Kompartment des Unterschenkels befinden nen Muskelbauch und sollte bei einem posterolateralen Zu-
sich von medial nach lateral: der M. tibialis anterior, der M. gang zur distalen Tibia eindeutig identifiziert werden.
extensor hallucis longus, der M. extensor digitorum com- ■ Der M. gastrocnemius und der M. soleus haben einen
munis und der M. peroneus tertius. Diese Muskeln werden gemeinsamen Ansatz in Höhe des Sprunggelenks, und
alle von Ästen des N. peroneus am proximalen Unter- bei jedem posterioren Zugangsweg muss auf die Scho-
schenkel innerviert. Der tiefe Ast des N. peroneus und nung der Sehnenscheide dieser Muskeln geachtet werden.
die A. und V. tibialis anterior befinden sich zwischen Der N. tibialis und die begleitenden Gefäße müssen bei
dem M. extensor hallucis longus und dem M. extensor posteromedialen Zugangswegen dargestellt und geschont
digitorum communis im distalen Anteil. Daher ist bei werden.
Literatur 855

Inhalt der DVDs

Video 31-1 (DVD 4) Positionierung eines gelenküberbrü- Video 31-4 (entspricht Video 4–6, DVD 1) Behandlung einer
ckenden Fixateur externe. Das Video zeigt die Positionie- Pilontibialfraktur mit winkelstabiler Plattenosteosynthe-
rung eines gelenküberbrückenden Fixateur externe am se. Das Video zeigt die offene Reposition und interne Fixati-
Sprunggelenk für die initale Therapie einer distalen Tibiafrak- on einer Pilontibialfraktur unter Verwendung einer winkel-
tur. stabilen Platte. Der Vorteil einer primären Stabilisation der
Video 31-2 (DVD 4) ORIF einer Pilontibialfraktur mit par- Fibula als Teil der Behandlungsstrategie wird dargestellt. Die
tieller Gelenkbeteilgung (Typ B). Das Video zeigt die sekun- Bedeutung der Planung der Zugangswege zum Erhalt unter-
däre Reposition und interne Fixation einer partiellen Gelenk- schiedlicher Therapieoptionen wird diskutiert.
fraktur der distalen Tibiagelenkfläche bei einem Patienten, Video 31-5 (DVD 4) Offene Reposition und interne Fixation
der initial mit einem gelenküberbrückenden Fixateur externe einer internen Pilontibialfraktur über einen posterioren
behandelt wurde. Eine mediale Formplatte für die distale Zugang. Das Video zeigt die ORIF einer Pilontibialfraktur
Tibia wurde durch eine anteromediale Inzision eingebracht, mit schwerem anteriorem Weichteilschaden. Der postero-
die Schrauben wurden perkutan appliziert. mediale Zugang wurde zur Vermeidung einer weiteren
Video 31-3 (DVD 4) ORIF einer Pilonfraktur mit einer nicht Weichgewebsschädigung vorgezogen. Das Indikationsspek-
winkelstabilen Plattenosteosynthese. Das Video zeigt die trum der posterioren Zugangswege wird diskutiert.
Anwendung einer diaphysären Plattenosteosynthese über
minimalinvasive Zugänge am Beispiel einer 43 B-Fraktur.
Hier werden Zugangswahl und die Grundprinzipien für eine
erfolgreiche Behandlung dieser komplexen Frakturen dar-
gestellt.

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31
Literatur 857

32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen


C. A. Collinge, K. Heier
Übersetzer: J. von Recum

Da das Sprunggelenk das am häufigsten verletzte lasttra- verbliebene Fehlstellung, insbesondere wenn mehrere
gende Gelenk des Körpers ist (1), behandelt die Mehrzahl vorliegen, mit schlechteren klinischen Ergebnissen korre-
der orthopädischen Chirurgen Sprunggelenkverletzun- lieren (7). Daher müssen die Ziele bei der Behandlung
gen regelmäßig. Es wurden zahllose Publikationen über von Sprunggelenkfrakturen und Luxationen ein stabiles
die Diagnostik und Behandlung von Sprunggelenkverlet- kongruentes Gelenk sein, das frühzeitige Übungsbehand-
zungen veröffentlicht, dennoch verbleiben Kontroversen lung zulässt, eine sichere Frakturheilung und somit letzt-
bezüglich einiger Aspekte ihrer Behandlung (2–5). Das endlich die Vermeidung einer posttraumatischen Arthro-
Sprunggelenk kann als Ergebnis einer direkten oder häu- se. Die Entscheidung für eine operative oder konservative
figer indirekten Krafteinwirkung (verdrehende, verschie- Behandlung dieser Verletzung muss aufgrund der Ein-
bende oder axial einwirkende Kräfte) verletzt werden. schätzung gefällt werden, ob der zu erwartende Benefit
Diese Verletzungen resultieren häufig in unterschiedlich der operativen Behandlung zu besseren Resultaten führt
ausgeprägten Subluxationen oder Luxationen des Talus als die konservative Behandlung, und das mit der opera-
aus der Sprunggelenkgabel. Ursprünglich zeigten Ramsey tiven Behandlung verbundene Risiko somit gerechtfertigt
u. Hamilton, dass bereits geringe Fehlstellungen des ist.
Sprunggelenks zu einer abnormalen Druckverteilung Basierend auf den Ergebnissen der Literatur und der
und nachfolgenden Arthrose führen (6). Grundsätzlich persönlichen Erfahrung des Autors fokussiert dieses Ka-
kann ein gutes Ergebnis immer dann erwartet werden, pitel auf die praktischen Aspekte der operativen Therapie
wenn es gelingt die Fraktur offen oder geschlossen ana- von Sprunggelenkfrakturen, auf die Indikationsstellung,
tomisch zu reponieren und das Repositionsergebnis zu die operativen Methoden und technischen Essentials
halten. Mont et al. konnten belegen, dass radiologisch sowie das prä- und postoperative Management.

mediale Ansicht laterale Ansicht


posteriore
tibiotalare med. Tuberkulum Lig. tibiofibulare
Fasern des Talus anterius
Lig. deltoideum

tibiokalkaneale
Lig. talofibulare Lig. talofibulare
Fasern
posterius anterius
tibionavikulare
Fasern
Lig. calcaneo-
fibulare

N
C Cal.

Sustentaculum tali

tiefe Schicht des


Lig. deltoideum 32
oberflächliche Schicht
des Lig. deltoideum

Abb. 32.1 Anatomie der knöchernen und ligamentären Strukturen des Sprunggelenks. C = Os cuneiforme mediale, Cal =
Kalkaneus, N = Os naviculare.
858 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Das Sprunggelenk wird von einem relativ dünnen


Funktionelle und chirurgische Weichteilmantel umgeben, der bei einigen Patienten
Anatomie recht verletzlich sein kann. Zusätzlich kreuzen viele Seh-
nen und neurovaskuläre Strukturen das Sprunggelenk,
Das Sprunggelenk besteht aus den gelenkigen Verbindun- um den Fuß zu versorgen. Aufgrund des Mangels an
gen von 3 Knochen (Tibia, Talus und Fibula), die sich schützenden Weichteilen und der lokalen Blutversorgung
geführt durch 3 Bandkomplexe relativ zueinander bewe- dieses Gewebes, sind Weichteilprobleme und Wundhei-
gen (Abb. 32.1). Das Sprunggelenk bedarf dieser knöcher- lungsstörungen nach Sprunggelenkverletzungen und an-
nen und weichgewebigen Strukturen, um zum einen Sta- schließenden Operationen nicht ungewöhnlich. Über-
bilität und Zusammenhalt und zum anderen die für den legungen zum Timing der geplanten Operation und dem
Gang notwendige Beweglichkeit zu gewähren. Im Nor- Weichteilmanagement sind besonders wichtig, um das
malzustand sitzt der Talus in der Sprunggelenkgabel, ar- Risiko für perioperative Komplikationen zu verringern,
tikuliert mit der lasttragenden Gelenkfläche des Tibiapla- und werden ausführlich in diesem Kapitel diskutiert.
fonds ebenso wie mit den Gelenkflächen von Innen- und
Außenknöchel. In der Neutralposition werden 90 % des
auf das Sprunggelenk einwirkenden Gewichts über das Klassifikation
Tibiaplafond übertragen (8). Ein Großteil der Bewegung
des Sprunggelenks besteht aus Dorsalextension und Plan- Im Idealfall sollte eine Klassifikation zu Behandlungsent-
tarflexion des Fußes relativ zum Unterschenkel. Wenn scheidungen führen und einen Ausblick auf die Prognose
der Talus aber von oben betrachtet wird, zeigt sich gestatten. Die beiden am häufigsten verwendeten Klassi-
seine trapezoide Form, weswegen die Dorsalextension fikationen für Sprunggelenkfrakturen sind die Systemati-
automatisch zu einer Aufweitung der Malleolengabel ken von Danis u. Weber und Lauge-Hansen (Abb. 32.2; 13,
und einer Außenrotation der Fibula führt (9). Das 14). Obwohl orthopädische Chirurgen normalerweise
Sprunggelenk kann am besten als komplexes Scharnier- beide Klassifikationen verwenden, ist keines der beiden
gelenk angesehen werden. Systeme perfekt und ihre Interobserver-Reliabilität unbe-
Das knöcherne Sprunggelenk wird durch 3 Bandein- friedigend (15). Die Einteilung nach Danis u. Weber ba-
heiten stabilisiert: die tibiofibulare Syndesmose, sowie siert auf der Höhe der Fibulafraktur und ist in 3 Gruppen
mediale und laterale Bandkomplexe (Abb. 32.1). Die dis- unterteilt.
tale Fibula und die distale Tibia werden über die Syndes- ■ Typ-A-Frakturen treten unterhalb des Tibiaplafonds

mose oder den distalen tibiofibularen Bandkomplex zu- auf,


sammen gehalten. Die Syndesmose stabilisiert die Mal- ■ Typ-B-Frakturen steigen typischerweise diagonal vom

leolengabel und besteht aus der Membrana interossea Niveau des Tibiaplafonds an,
und 4 Bändern: ■ Typ-C-Frakturen liegen deutlich oberhalb des Plafonds

■ Lig. tibiofibulare anterius, und haben typischerweise eine begleitende Verletzung


■ Lig. tibiofibulare posterius, der Syndesmose.
■ Lig. tibiofibulare interosseum,

■ Lig. tibiofibulare transversum. Der Vorteil dieser Einteilung liegt in ihrer Einfachheit, sie
liefert aber keinerlei Hinweise zur Therapie der medialen
Der Außenbandkomplex besteht aus 3 gesonderten An- Verletzungskomponente, zu Optionen der Fixation (mit
teilen, die von der Außenseite der Fibula ausstrahlen und Ausnahme der Syndesmose) oder Prognose.
am lateralen Rückfuß ansetzen: Die Klassifikation nach Lauge-Hansen basiert auf der
■ Lig. talofibulare anterius, Analyse des Verletzungsmechanismus und ist umfassen-
■ Lig. calcaneofibulare, der als das Danis-Weber-System. Die Klassifikation be-
■ Lig. talofibulare posterius. schreibt die typische mediale Verletzungskomponente
und schlägt voraussichtliche Repositionsmanöver vor,
Medial ist das wichtigste Band das Lig. deltoideum, das die von größter Bedeutung für die konservative Therapie
am Innenknöchel entspringt und aus einer oberflächli- von Sprunggelenkfrakturen sind. Die Klassifikation nach
chen Schicht, die am Kalkaneus ansetzt und einer tiefen Lauge-Hansen muss sich der Kritik stellen, dass sie für die
32 Schicht, die am Talus inseriert, besteht (10). Die Verlet- operative Therapie dieser Verletzungen weniger relevant
zung jedes dieser Bandkomplexe kann ebenso wie eine ist. Die Klassifikation beruht auf 2 Bedingungen: Die erste
knöcherne Verletzung in einem instabilen Sprunggelenk beschreibt die Position des Fußes im Moment der Verlet-
resultieren. Ein grundlegendes Verständnis der Anatomie zung, die zweite beschreibt die Richtung der Kraft, die die
ist von entscheidender Bedeutung, da es üblicherweise Verletzung verursacht. Die Position des Fußes im Mo-
Kombinationsverletzungen von knöchernen und liga- ment der Verletzung legt fest, welche Strukturen ange-
mentären Strukturen sind, die zu einem instabilen Ge- spannt sind und somit nachgeben, wenn die deformie-
lenk führen, das einer operativen Stabilisierung bedarf renden Kräfte weiterwirken. Dieser Symptomatik folgend
(9, 11, 12). gibt es 4 unterschiedliche Sprunggelenkfrakturen:
Frakturbeurteilung und Indikationsstellung 859

Danis u. Weber

Typ B Typ B Typ C

Membrana
interossea

Membrana
interossea

Lauge-Hansen III

II
IV
III
II
II III
IV I II I
II or
or or
I I
or

Supination- Supination- Pronation- Pronation-


Adduktion: Außenrotation Abduktion: Außenrotation
Typ I – II Typ I – IV Typ I – III Typ I – IV

Abb. 32.2 Die Klassifikationen der Sprunggelenkfrakturen nach Danis u. Weber und Lauge-Hansen.

■ Supinations-Eversions-Frakturen (S-ER), Frakturbeurteilung und


Supinations-Adduktions-Frakturen (S-AD),

Indikationsstellung
■ Pronations-Eversions-Frakturen (P-ER),
■ Pronations-Abduktions-Frakturen (P-AB). Die standardisierte radiologische Diagnostik des Sprung-
gelenks umfasst 3 Projektionen: Die a.–p. Projektion, der
S-ER ist der häufigste Typ der Sprunggelenkfrakturen (bis Mortise-View (15°– 20° Innenrotation) und die seitliche
85 % der Frakturen) und kombiniert eine schräge oder Projektion (Abb. 32.3). Bei relevanten Verletzungen des
spiralförmige Außenknöchelfraktur mit einer variablen Sprunggelenks entsteht ein wiederkehrendes Instabili-
medialen Verletzung. In diesem Kapitel wird die operati- tätsmuster: laterale Translation und Außenrotation des
ve Behandlung von Sprunggelenkfrakturen und Luxatio- Talus gegenüber dem Plafond der Tibia. Radiologische
nen basierend auf der anatomischen Lokalisation (medial, Hinweise für deutliche Sprunggelenkinstabilitäten kön-
lateral, posterior und Syndesmose) diskutiert, es schließt nen relevante Fragmentdislokationen, Subluxationen 32
aber beide Klassifikationen in die Diskussion mit ein. Lu- oder Luxationen des Talus unter dem Plafond und Auf-
xationen des Sprunggelenks werden üblicherweise nach weitungen des medialen Gelenkspalts sein. Manchmal
der Dislokationsrichtung des Talus beschrieben. Dieses können radiologische Zeichen aber auch subtiler sein.
System wird verwendet, obwohl sich daraus nur sehr Andere radiologische Zeichen für eine relevante Verlet-
wenig hilfreiche Hinweise auf die operative Taktik oder zung (Abb. 32.4) sind Aufweitungen des „medial clear
eine Prognose ableiten lassen. space“, Veränderungen des talokruralen Winkels, eine
Zunahme der talaren Kippung, die Aufweitung des tibio-
fibularen Raums „espace claire de Chaput“, der Verlust
860 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Abb. 32.3 Standardprojektionen des


Sprunggelenks; von links nach rechts:
a.–p., 15°– 20° innenrotiert „Mortise-
View“, seitliche Projektion.

Abb. 32.4
a A.–p. Röntgenbild einer dislozierten Außenknöchelfraktur mit
Innenbandinsuffizienz („SE-4 deltoid“). Die hier vorliegenden
Zeichen für eine relevante Verletzung sind die Verkürzung der
Fibula (weiße Linien), Verlust der Parallelität der subchondralen
Linien von Außenknöchel und lateralem Talus (schwarzer Pfeil),
Verlust der normalen tibiofibularen Linie (gestrichelte schwarze
Linien) und der erweiterte mediale Gelenkspalt (weißer Pfeil).
a b b A.–p. Aufnahme des Sprunggelenks mit Nachweis eines er-
weiterten tibiofibularen Spaltes („espace claire“ nach Chaput;
weiße gepunktete Linien) und eines talaren Tilts (graue Linien).
A tibiofibulare Linie
c Zeichnung der normalen Relation zwischen der Gelenkfläche
B talofibulare Linie
des Außenknöchels und der lateralen Talusgelenkfläche (links)
und die Änderung dieser Verhältnisse durch Verkürzung der
distalen Tibia (rechts).

A A

B B

des Alignement der subchondralen Platten an der tibiofi- zu anderen dynamischen Untersuchungen (Abb. 32.5; 21).
bularen Linie und eine Verkürzung des Außenknöchels Bei der Anwendung dieser Methode wird die laterale
mit dem Verlust der Parallelität der subchondralen Plat- Seite des Sprunggelenks nach unten auf dem Röntgen-
ten des Außenknöchels und des lateralen Talus (16–18). tisch positioniert, wobei der Großteil des Sprunggelenks
Gelegentlich können Frakturen des Außenknöchels mit über das Ende des Tisches hinausragt. Eine Röntgenauf-
Verletzungen des Innenbands kombiniert sein. Kürzlich nahme in Cross-table-Mortise-Projektion wird angefer-
publizierte Arbeiten zeigten, dass Weichgewebsindikato- tigt. Ein positiver Stresstest zeigt im Vergleich zur kon-
ren wie mediale Schmerzen und Schwellungen keine ver- ventionellen Aufnahme die Aufweitung des „medial clear
lässlichen Prädiktoren für Instabilitäten des Sprung- space“.
gelenks bei Supinations-Eversions-Frakturen der distalen Syndesmosenverletzungen können in vergleichbarer
32 Fibula sind (19, 20). Auch radiologische Untersuchungen Weise durch eine offensichtliche Erweiterung des tibiofi-
zeigen nicht immer das Ausmaß der Instabilität der Ver- bularen Spaltes feststellbar sein oder aber auch sehr viel
letzung, sodass gehaltene Aufnahmen des Sprunggelenks dezenter ausfallen. Auch wenn die Höhe der Fibulafraktur
in a.–p. und Mortise-Projektion mit Außentorsionsbelas- für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Syn-
tung hilfreich bei der Demaskierung einer Subluxation desmosenverletzung herangezogen werden kann (22),
des Talus und einer korrespondierenden Aufweitung des wurde kürzlich betont, dass auch distalere Weber-Frak-
medialen Gelenkspalts sein kann (19, 20). Michelson et al. turen begleitende Syndesmoseninstabilitäten aufweisen
empfehlen einen „Schwerkraft-Stresstest“ als effektive können (23).
und für den Patienten weniger schmerzhafte Alternative
Indikationen zur operativen Therapie 861

Abb. 32.5 b Röntgenaufnahmen des Sprunggelenks ohne Stress (links)


a Darstellung der Technik zur Anfertigung einer Schwerkraft- und als Schwerkraft-Stressaufnahme (rechts).
Stressaufnahme des Sprunggelenks.

Es stehen mehrere Methoden zur Verfügung, mit die Röntgenaufnahmen einen „medial clear space“ größer
denen radiologisch wenig auffällige Syndesmoseninstabi- als 2 mm oder weiter als die Gegenseite zeigte oder eine
litäten dargestellt werden können. Viele Orthopäden/Un- Disklokation des Innen- oder Außenknöchels von mehr
fallchirurgen verwenden den zuvor beschriebenen Au- als 2 mm vorlag (1). Wenn eine geschlossene Reposition
ßenrotationsstresstest, um die Stabilität der Syndesmose korrekt gelungen ist, wird die Ruhigstellung in einer
zu überprüfen. Candal-Couto et al. zeigten, dass Verlet- Gipsschiene oder einem zirkulären Gips durchgeführt,
zungen der Syndesmose eine größere Verschiebung in und es werden engmaschig Kontrolluntersuchungen
der a.–p. (sagittal) als in der koronaren Ebene bewirken durchgeführt. Es kann aber äußerst schwierig sein, das
und regen an, dass gehaltene Aufnahmen, die die a.–p. Sprunggelenk im Gips in reponierter Stellung zu halten.
Verschiebung der Fibula relativ zur Tibia messen, ein Zuallererst können radiologische Kriterien in die Irre füh-
noch sensitiverer Test zur Feststellung von Syndesmosen- ren, da sie auf einer zweidimensionalen statischen Abbil-
verletzungen sein können (24). Im Falle einer weiter pro- dung eines dreidimensionalen dynamischen Gelenks be-
ximal gelegenen Fraktur der Fibula ohne begleitende In- ruhen. Zweitens nimmt die Fähigkeit des Gipses die Re-
nenknöchelfraktur, kann ein positiver Stresstest vermut- position zu halten mit dem Rückgang der Schwellung
lich sowohl eine Deltaband- als auch Syndesmosenverlet- über die Zeit ab; daher kann das Repositionsergebnis ver-
zung zeigen. loren gehen, auch wenn eine gewissenhafte Nachsorge
Die Behandlung von Sprunggelenkfrakturen mit spe- stattfindet. Frakturen, die aufgrund ihrer intrinsischen
ziellen Cofaktoren einschließlich offener Verletzungen Stabilität häufig für eine konservative Behandlung geeig-
und Frakturen bei Patienten mit Diabetes mellitus oder net sind, sind Weber-A-Frakturen, ebenso wie einige der
Osteoporose wird weiter hinten in diesem Kapitel dis- Weber-B-Frakturen, einschließlich der Lauge-Hansen
kutiert. S-AD oder S-ER niederen Schweregrads (Typen 1 und 2).
Wenn die geschlossene Reposition nicht gelingt oder
als nicht geeignet angesehen wird, die gesteckten Ziele
Indikationen zur operativen Therapie zu erreichen, sollte die operative Behandlung erwogen
werden. Den generellen Richtlinien für die operative Be-
Wie bereits erwähnt verfolgt die Therapie von Sprung- handlung von Sprunggelenkfrakturen (3, 5, 14, 25–27)
gelenkfrakturen und Luxationen folgende Ziele: Erhal- und der Empfehlung des Autors folgend ist die operative
tung eines stabilen, kongruenten Gelenks, das frühe Ge- Therapie für die folgenden Frakturtypen indiziert: 32
lenkbewegungen erlaubt, die sichere Frakturheilung und ■ Weber-A- und S-AD-Frakturen mit begleitender me-

insbesondere die Vermeidung einer posttraumatischen dialer Läsion;


Arthrose. Glücklicherweise entsprechen viele weniger ■ Weber-B- oder S-ER- und P-AB-Frakturen, die Bestand-

schwerwiegende Sprunggelenkfrakturen funktionell den teil einer komplexeren bimalleolären oder trimalleolä-
lateralen Distorsiontraumen, sie weisen ein stabiles iso- ren oder einer bimalleolär-äquivalenten (Fibulafraktur
liertes Außenknöchelfragment auf und führen bei konser- und Innenbandinstabilität) Sprunggelenkverletzung
vativer Behandlung zu guten Resultaten. Traditionell galt sind;
die geschlossene Repositionen als unbefriedigend, wenn
862 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

■ Weber-C- und P-ER-2- und -3-Frakturen machen die gelenkfraktur hinaus an. Die Extremität sollte grundsätz-
operative Behandlung aufgrund der Syndesmosenver- lich auf Schwellungen und Schmerzen über der proxima-
letzung und der begleitenden Instabilität erforderlich; len Fibula (Maisonneuve-Fraktur), der Achillessehne und
■ offene Sprunggelenkfrakturen (Video 32-1, DVD 4); über dem Fuß auf der Suche nach weiteren Verletzungen
■ dislozierte Sprunggelenkfrakturen mit ausgedehnteren untersucht werden. Schmerzhafte Schwellungen über
knöchernen und Weichteilschäden. dem Innenknöchel ohne Fraktur sollten die Aufmerksam-
keit auf die Möglichkeit einer Innenbandverletzung und
eines somit instabilen Sprunggelenks lenken.
Operative Therapie
Implantate
Zeitpunkt der Operation
In den meisten Fällen verwenden wir das Kleinfragment-
Die Festlegung des Zeitpunkts der operativen Therapie instrumentarium mit einer ⅓-Rohrplatte lateral und 4,0-
wird etwas kontrovers diskutiert, hängt letztendlich oder 4,5-mm-Spongiosaschrauben mit kurzem Gewinde
aber von den Weichteilverhältnissen ab. Einige Autoren (durchbohrt oder massiv) medial. Die ⅓-Rohrplatte ist
schlagen die operative Versorgung innerhalb von 6 – 8 h das „Arbeitspferd“ für die distale Fibula und andere
nach der Verletzung vor, bevor relevante Schwellungen Sprunggelenkfrakturen, da sie sich einfach an die ana-
auftreten (28, 29). Die logistischen Anforderungen für tomischen Gegebenheiten anformen lässt, ein niedriges
die primäre Versorgung sind jedoch hoch. Generell stim- Profil und ausreichende mechanische Stabilität für die
men die meisten Experten darin überein, dass zur Reduk- meisten Frakturen hat. Neuere Platten können aber in
tion des Risikos für Weichteilkomplikationen zunächst speziellen Fällen Vorteile haben. Die „Composite“-Platten,
Ödem und Schwellung beherrscht sein müssen, bevor die zur Hälfte ⅓-Rohrplatten für die distale Lage und zur
der operative Eingriff vorgenommen wird. Eine deutliche anderen Hälfte 3,5-mm-Kleinfragmentplatten für die
Schwellung, Spannungsblasen oder andere Hautverände- proximale Lage sind, können bei Patienten mit schlechter
rungen sollten zur Verschiebung der Operation führen, Knochenqualität oder weiter proximaler Frakturausdeh-
bis die Weichteile sich über die Zeit erholt haben. Wenn nung hilfreich sein. Platten mit winkelstabiler Verriege-
solche Verhältnisse vorliegen, muss das Sprunggelenk re- lungstechnologie können bei einigen komplexen Sprung-
poniert und in einer gut gepolsterten Gipsschiene, einem gelenkfrakturen zusätzliche Stabilität liefern. Diese Plat-
zirkulären Gips oder sogar mittels Fixateur externe ruhig- ten-Schrauben-Systeme bilden ein winkelstabiles Kon-
gestellt und hochgelagert werden. Die meisten Sprung- strukt und sind bei reduzierter Knochenqualität und
gelenkfrakturen können ohne Wechsel der Technik oder Mehrfragmentfrakturen hilfreich. Bei der Versorgung
Anstieg der Komplikationsrate bis zu 3 Wochen posttrau- von Sprunggelenkfrakturen muss man bei der Verwen-
matisch operiert werden. dung von winkelstabilen Implantaten dennoch Vorsicht
walten lassen. Wenn die Platten nicht wie herkömmliche
nichtwinkelstabile Implantate mit Zugschrauben verwen-
Untersuchung
det werden, kann die Reposition der Fraktur nicht über
Die Erfassung des Weichteilzustands und die Festlegung die Implantate unterstützt werden. Selten werden int-
des Zeitpunkts für die operative Versorgung von Sprung- ramedulläre Implantate verwendet, um Fibulafrakturen
gelenkfrakturen gehören in diesen Fällen zu den wich- zu stabilisieren. Zuggurtungen können medial oder late-
tigsten Entscheidungen des Chirurgen. Spannungsblasen, ral bei distalen Mehrfragmentfrakturen, die eine operati-
deutliche Schwellungszustände und andere Zeichen für ve Stabilisierung erfordern, angewendet werden.
ein Weichteiltrauma sollten ein Warnsignal sein und zur
Verschiebung der Operation führen, bis sich die Weich-
Präoperative Behandlung und Planung
teile erholt haben. Das „Fältchen“-Zeichen wird an ande-
ren Regionen der unteren Extremität verwendet und Frakturdislokationen oder Subluxationen müssen repo-
kann eine Hilfe bei der Entscheidung sein, zu welchem niert werden, da exzessiver Druck auf die Haut Nekrosen
Zeitpunkt sich die Weichteile soweit erholt haben, dass verursachen oder eine geschlossene Fraktur in eine offe-
eine operative Stabilisierung der Sprunggelenkfraktur ne verwandeln kann. Eine gut gepolsterte L-U-Schiene
32 möglich ist. Deformierungen durch dislozierte Sprung- wird angelegt, um die Reposition zu halten. Die Haut
gelenkfrakturen können zu supramalleolären Druck- der supramalleolären Region über der distalen Tibia ist
nekrosen der Haut führen. Aus diesem Grund sollte, am häufigsten gefährdet, da die Subluxationen des Talus
wenn eine sofortige Operation nicht möglich ist, ge- und der Malleoli üblicherweise nach lateral entsteht. So-
schlossen reponiert und eine Ruhigstellung im Gips ein- bald die Schwellung rückläufig ist und der Gips seine
geleitet werden. Der Gips hält den Talus unter dem Pla- Passform verliert, kann ein Repositionsverlust auftreten.
fond reponiert und entlastet die gefährdeten Weichteile. Die Bedeutung einer präoperativen Planung kann nicht
Es schließt sich eine gründliche Untersuchung der gesam- überbetont werden. Dies trifft insbesondere für Verlet-
ten unteren Extremität über die offensichtliche Sprung- zungen rund um das Sprunggelenk zu, wo häufig mehre-
Operative Therapie 863

re Inzisionen erforderlich sind und die Verletzung und die Dislokation des Talus der Dislokation des Außenknö-
das Weichgewebe nur wenig Spielraum für operative chels treu folgt (dieses Konzept wurde kürzlich von Tor-
Fehler lassen. Der Zeitbedarf für die Vorausplanungen, netta angefochten, der demonstrierte, dass eine aus-
welche Verletzungskomponenten einer operativen Be- schließliche mediale Fixation bei vielen bimalleolären
handlung bedürfen und welche Inzisionen idealerweise Frakturen ausreichend sein kann; 31).
den Zugang zu jeder Verletzung ermöglichen, ist übli- Bei isolierten Frakturen des Außenknöchels ohne me-
cherweise gut investiert. diale Begleitverletzung werden typischerweise gute Er-
Die Planung der Reposition und der Implantate beginnt gebnisse bei konservativer Therapie erreicht (25). Diese
mit qualitativ hochwertigen Röntgenbildern. Gelegentlich klinischen Ergebnisse werden durch die Resultate aus
kann der Vergleich mit Aufnahmen der Gegenseite nütz- anatomischen Präparatestudien gestützt, die zeigen
lich sein. Selten ist eine CT-Untersuchung indiziert, um konnten, dass der isolierte dislozierte Außenknöchel-
die Größe eines hinteren Kantendreiecks (Volkmann) bruch nicht zu einer Instabilität des Sprunggelenks führt
oder die Beteiligung des tibiofibularen Gelenks zu be- (8, 32). Die Literatur unterstützt das konservative Vor-
stimmen. gehen bei Dislokationen des Außenknöchels von weniger
als 2 mm und normal weitem „medial clear space“ (6, 33).
Für Patienten mit geschlossener, isolierter Außenknö-
OP-Setup
chelfraktur mit geringer Dislokation empfehlen die Auto-
Patienten erhalten zur operativen Versorgung von ren die konservative Therapie mit engmaschigen Ver-
Sprunggelenkfrakturen üblicherweise eine Allgemein- laufskontrollen.
oder Regionalanästhesie. Lokalanästhesie in Kombination Eine begleitende Deltaband-Ruptur zu diagnostizieren
mit einer Sedierung kann gelegentlich angewandt wer- ist nicht immer einfach. Eine schmerzhafte mediale
den, obwohl eine inkomplette Muskelrelaxation die Re- Schwellung kann eine Innenbandverletzung anzeigen,
position der Fraktur erschwert. In Fällen, bei denen Ver- die klinischen Zeichen einer medialen Begleitverletzung
letzungen des Innen- und Außenknöchels versorgt wer- können aber auch dezenter ausfallen. Die initialen Rönt-
den sollen, werden die Patienten üblicherweise in Rü- genbilder müssen eingehend auf eine Aufweitung des
ckenlage auf einem strahlentransparenten OP-Tisch gela- medialen Gelenkspalts, die auf eine Innenbandinsuffi-
gert. Eine gepolsterte Lagerungshilfe unter der entspre- zienz hindeutet, untersucht werden. Andere diagnosti-
chenden Hüfte rotiert die verletzte Seite nach innen und sche Methoden beinhalten verschiedene Belastungsauf-
erlaubt einen komfortablen Zugang zum Außenknöchel. nahmen (wie zuvor in diesem Kapitel beschrieben) und
Eine gut gepolsterte Oberschenkelblutsperre wird ange- kernspintomografische Untersuchungen (MRT).
legt, um ein trockenes OP-Feld zu gewährleisten. Zwei
Kissen oder eine Schaumstoffunterlage (oder zu einem Plattenosteosynthese des Außenknöchels
späteren Zeitpunkt eine sterile Tuchrolle) unter dem ver-
letzten Bein heben es über das Niveau des gegenseitigen Für die Reposition und Plattenosteosynthese des Außen-
Beines: Dies hilft bei den Inzisionen und bei der Erstel- knöchels wird üblicherweise der direkte laterale Zugang
lung der seitlichen Röntgenaufnahmen. Das Bein wird über eine längsverlaufende Hautinzision verwendet
chirurgisch vorbereitet, eine präoperative Single-shot- (Abb. 32.6; Video 32-1, DVD 4). Der Außenknöchel ist nor-
Antibiose wird vor der Anlage der Blutleere verabreicht. malerweise im subkutanen Weichgewebe palpabel, und
Der Wundverschluss erfolgt mehrschichtig. Ziel des seine Grenzen lassen sich recht leicht identifizieren. Ge-
Verschlusses ist die Bedeckung der Implantate mit legentlich kann die Hautinzision in Abhängigkeit von der
einem vollschichtigen Weichteillappen. Subkutangewebe Weichteilsituation, geplanter Plattenposition, der Not-
und Haut werden in atraumatischer Technik verschlos- wendigkeit die postero- oder anterolaterale Tibia zu er-
sen. Die Weichteile haben eventuell nur eine sehr redu- reichen, oder auch aus anderen Gründen, etwas nach
zierte physiologische Reserve, und Wundprobleme, die dorsal (oder ventral) verschoben werden. Für die poste-
um das Sprunggelenk auftreten, sind nur selten einfach riore Platzierung einer Antigleitplatte wird die Hautinzi-
zu behandeln. Die Autoren ziehen zum Hautverschluss sion idealerweise 1 cm nach dorsal verschoben, um ein
rund um den Fuß und das Sprunggelenk 4-0 Nylonfäden Weichteilimpingement während der Operation zu ver-
anstelle von Hautklammergeräten vor, da die Spannung meiden. Da der Verlauf des oberflächlichen Astes des N.
sorgfältig dosiert werden kann. peroneus variabel ist, muss die Präparation, insbesondere 32
wenn der Zugang nach proximal verlängert wird, sehr
sorgfältig durchgeführt werden, um festzustellen auf
Isolierte Außenknöchelfrakturen
welcher Höhe der Nerv das Operationsfeld kreuzt
Die Bedeutung der Reposition des Außenknöchels und ihr (Abb. 32.6).
Einfluss auf die Gesamtkongruenz des Sprunggelenks ist Die Mehrzahl der Außenknöchelfrakturen, die einer of-
weithin bekannt (6, 30). Yablon et al. (30) schlossen, dass fenen Reposition und inneren Fixation (ORIF) bedürfen,
der Außenknöchel der Schlüssel zur anatomischen Repo- werden über eine vorgebogene ⅓-Rohrplatte mit oder
sition von bimalleolären Sprunggelenkfrakturen ist, da ohne Zugschrauben stabilisiert. Die Platte kann direkt la-
864 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

teral (Abb. 32.7 a) oder posterior (Abb. 32.7 b) angelegt 4-Frakturen gelingt recht einfach. Die Fraktur wird „an-
werden. Die laterale Plattenposition kann gelegentlich gefrischt“, indem das organisierte Frakturhämatom aus
zu Problemen durch die auftragende Platte führen, doch dem Frakturspalt geräumt wird, da es ansonsten die Ver-
diese Plattenlage erlaubt einen direkteren Zugang zur Po- zahnung des Frakturspalts verhindert.
sitionierung der Platte. Die Autoren bevorzugen bei Eine oder zwei kleine spitze oder gezahnte Repositi-
schräg verlaufenden Frakturen, wenn immer möglich, onsklemmen können eingesetzt werden, um die Länge,
die dorsale Antigleitplatte. Diese Technik scheint mecha- die Translation und die Rotation wiederherzustellen. Die
nisch effektiver zu sein und führt zu weniger implantat- Reposition kann kontrolliert werden, indem der pro-
assoziierten Problemen (34, 35). Wenn die erste Schraube ximale Spickel dargestellt wird, und sichergestellt wird,
unmittelbar proximal zur Spitze der Fraktur positioniert dass er in der Frakturspitze arretiert ist. Wie bereits er-
wird, kann die Platte bei der Reposition des Fragments wähnt, kann die ⅓-Rohrplatte lateral oder posterior an-
helfen, indem sie das Fragment in die korrekte Position gelegt werden. Die interfragmentäre Zugschraube kann
schiebt (Abb. 32.8 a). Um die Stabilität der Fixation zu bei lateraler Plattenposition vor der Plattenanlage oder
erhöhen, wird üblicherweise anschließend eine Zug- bei Verwendung einer dorsalen Antigleitplatte durch die
schraube durch die Platte eingebracht (Abb. 32.8 b). Platte eingebracht werden.
Die Reposition von einfachen Frakturmustern der Fibu- Im Fall von Mehrfragment- oder Trümmerfrakturen des
la wie der typischen Schräg- oder Spiralfraktur von S-ER- Außenknöchels kann die korrekte Reposition und Fixati-

N. suralis Periost
N. peroneus 2 mm von
superficialis jeder Frakturseite
abgehoben
Haut- Frakturlinie
inzision Fraktur-
linie
Malleolus
lateralis

Abb. 32.6 Chirurgischer Zugang zur distalen Fibula und Dar- nierung einer posterioren Antigleitplatte oder zum hinteren
stellung der umgebenden Anatomie. Die Inzision kann nach Volkmann-Kantendreieck zu erleichtern.
posterior verschoben werden, um den Zugang für die Positio-

32

a b

Abb. 32.7 Lage der Platte an der distalen Fibula. a Laterale Lage der Platte.
b Posteriore Lage der Platte.
Operative Therapie 865

Abb. 32.8 Wird die Antigleitplatte posterior über


den Spickel einer schrägen distalen Fibulafraktur ge-
legt, kann sie die Reposition unterstützen, ergibt eine
ausgezeichnete Fixationsstabilität und vermeidet im-
plantatbedingte Probleme.
a Die Reposition wird durch die Platte unterstützt,
die den Frakturspickel in die richtige Position schiebt.
b Zugschrauben können zur zusätzlichen Stabilisie-
rung verwendet werden.
Zugschraube

b
a

on deutlich problematischer sein. Besondere Aufmerk- (DCP) oder eine „Hybrid“-Platte. Diese steiferen Platten
samkeit gilt der regelrechten Wiederherstellung der müssen sehr sorgfältig angeformt werden, damit sie der
Länge und der Torsion. Diese Fehlstellungen sind regel- anatomischen Torsion des distalen Fibulaschafts entspre-
recht korrigiert, wenn die subchondrale Kontur des late- chen, sonst werden die Fragmente fehlrotiert, da sie mit
ralen Talus zu der des Außenknöchels passt und die ti- Eindrehen der Schrauben an die Platte gezogen werden.
biofibulare Linie im Mortise-View wiederhergestellt ist
(s. Abb. 32.3 und Abb. 32.4). Nützliche Techniken zum Er-
Tipps und Tricks
reichen der korrekten Reposition schließen indirekte Re-
positionsmethoden ein. So kann z. B. die Platte als indi- ■ Nach der Stabilisierung der meisten instabilen
rektes Repositionsinstrument verwendet werden (36). Sprunggelenkfrakturen sollten gehaltene Aufnah-
Bei dieser Technik wird die Platte initial an einer Seite men angefertigt werden, um die Stabilität der Syn-
der Fraktur (üblicherweise distal) fixiert, bevor die Repo- desmose zu überprüfen.
sition durch Manipulationen und manuelle Distraktion, ■ Eine Fibulafraktur kann nicht durch eine Verriege-
Verwendung eines Minidistraktors oder eines kleinen Ar- lungsplatte bei ausschließlicher Verwendung von
throdesespreizers, der eine Schraube als Widerlager Verriegelungsschrauben reponiert werden. Vor der
nutzt, erreicht wird. Die Platte wird proximal proviso- Montage der Platte muss die Fraktur vollständig re-
risch z. B. unter Verwendung einer Verbrugge-Zange fi- poniert sein.
xiert und die Reposition fluoroskopisch kontrolliert. Bei ■ Ein kleines Fragment am posterioren Rand der Fibu-
Bedarf kann dieses Konstrukt so lange korrigiert werden, la kann auf einen Ausriss des oberflächlichen Retina-
bis ein zufriedenstellendes Alignement erreicht ist; an- culum peroneale hinweisen. Falls diese Verletzung
schließend wird die Platte proximal mit Schrauben fi- nicht berücksichtigt wird, kann eine chronische
xiert. Alternativ kann eine spitze Repositionszange ver- (Sub-)Luxation der Peronealsehnen resultieren.
wendet werden, um Rotation und Länge vorsichtig aus-
zugleichen. Mit 1 oder 2 Kirschner-Drähten kann die Fi-
Innenknöchelfrakturen
bula dann gegen den Talus oder die distale Tibia trans-
fixiert werden (27). Anschließend wird eine Platte anmo- Frakturen des Innenknöchels entstehen üblicherweise in
delliert und die Kirschner-Drähte werden entfernt. Wenn Verbindung mit Außenknöchelfrakturen, können aber ge- 32
die Durchleuchtungskontrolle ein zufriedenstellendes Re- legentlich auch als isolierte Verletzung im Rahmen von P-
positionsergebnis zeigt, kann die Platte definitiv an der ER- oder P-AB-Frakturen auftreten (s. Abb. 32.2). Grund-
Fibula fixiert werden. Für Frakturversorgungen, bei sätzlich sollte eine Röntgenuntersuchung des gesamten
denen eine beträchtliche Verkürzung, ausgedehnte Frag- Unterschenkels angefertigt werden, da eine „isolierte“ In-
mentierung oder eine weiter proximal gelegene diaphy- nenknöchelfraktur Bestandteil einer sehr viel komplexe-
säre Fraktur vorliegen, bevorzugen die Autoren typischer- ren Maisonneuve-Fraktur mit hoher Fibulafraktur und
weise steifere Platten, wie z. B. eine gut angeformte Verletzung der Syndesmose sein kann. Innenknöchelfrak-
3,5 mm messende dynamische Kompressionsplatte turen können transversal, schräg oder nahezu vertikal
866 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

verlaufen. Transversal oder schräg verlaufende Frakturen der Operateur die V. saphena und den N. saphenus unbe-
stellen Abrissverletzungen dar und können den gesamten dingt darstellen muss, da sie sorgfältig geschont werden
Innenknöchel oder auch nur den anterioren Colliculus müssen. Einige Operateure bevorzugen eine gerade me-
betreffen. Diese Unterscheidung wird durch sorgfältige diale längsverlaufende Inzision, die sich über die Fraktur
Inspektion der seitlichen Röntgenprojektionen getroffen. und die Spitze des Innenknöchels erstreckt oder eine ge-
Da die tiefe Schicht des Innenbands am posterioren Col- bogene Inzision, die um den posterioren Aspekt des In-
liculus ansetzt, können Rupturen des Innenbands gleich- nenknöchels verläuft (39). Der größte Nachteil dieser Zu-
zeitig mit Frakturen des anterioren Colliculus vorkom- gänge ist die eingeschränkte Sicht auf die Reposition der
men. In diesem Fall wird die alleinige Rekonstruktion Gelenkfläche und sämtliche Begleitverletzungen des Ge-
des vorderen Innenknöchelfragments die Integrität des lenks. Außerdem können Inzisionen genau über der Frak-
medialen Bandkomplexes nicht wiederherstellen, und tur zu katastrophalen Wundheilungsstörungen führen.
die Instabilität des Sprunggelenks kann persistieren. Im Die Reposition von Innenknöchelfrakturen ist typi-
Gegensatz dazu treten transvers verlaufende Frakturen scherweise unproblematisch, die Autoren sehen aber ei-
des ganzen Innenknöchels nicht mit Innenbandverlet- nige „technische Tricks“ als hilfreich an. Erstens findet
zungen gemeinsam auf, weswegen die Stabilität durch sich medial häufig ein dickerer Periostlappen, der im
die Refixation kompletter Innenknöchelfrakturen voll- Frakturspalt eingeschlagen sein kann, die korrekte Repo-
ständig wiederhergestellt ist (31). sition verhindert und die Übersicht erschwert. Dieser Pe-
Zurzeit existieren keine Langzeitstudien zum Ergebnis riostlappen kann an der Stelle abgerissen sein, an der er
von isolierten Innenknöchelfrakturen. Die Autoren emp- sich von der Knochenoberfläche des Innenknöchelfrag-
fehlen, dass undislozierte oder nur sehr gering verscho- ments gelöst hat. Zweitens kann die Manipulation des
bene Innenknöchelfrakturen konservativ durch Gips- Innenknöchelfragments durch 1 oder 2 Kirschner-Drähte,
ruhigstellung behandelt werden, dass aber bei Frakturen die durch seine Spitze eingebracht sind, vereinfacht wer-
mit Verschiebungen von mehr als 2 mm eine operative den. Sobald die Reposition erreicht ist, können diese
Stabilisierung indiziert ist (1). Konventionelle Röntgen- Drähte zur provisorischen Fixation über die Fraktur hi-
aufnahmen liefern nur eine eingeschränkte Genauigkeit naus in die distale Tibiametaphyse vorgebohrt werden.
bei der Darstellung des Innenknöchels, und der Nachweis Weitere nützliche Instrumente zur Reposition sind das
einer geringen, verbliebenen Dislokation der Innenknö- Zahnarzthäkchen oder eine kleine spitze Repositionszan-
chelfraktur kann tatsächlich einer wesentlich ausgedehn- ge (über ein Bohrloch in der Kortikalis der distalen Tibia
teren Fehlreposition entsprechen. Der Untersucher sollte kann eine Branche verankert werden). Zum dritten kann
alle drei radiologischen Projektionen des Sprunggelenks das Ergebnis der Reposition überprüft werden, indem die
sehr sorgfältig inspizieren, um diese Verletzung zu erfas- extraartikulären Frakturlinien medial und anterior, eben-
sen und selbst dann wird die Fraktur durch eine CT-Un- so wie die anteromediale Ecke des Sprunggelenks inspi-
tersuchung besser dargestellt. Es wurde festgestellt, dass ziert werden. Zuletzt wird empfohlen, die Reposition
sich eine deutliche Dislokation des Innenknöchels wie über zwei Punkte (sowohl temporär als auch definitiv)
eine Deltabandverletzung auswirken und zu einer zu stabilisieren, um eine Dislokation um die Rotations-
Sprunggelenkinstabilität führen kann (8), und dass achse zu vermeiden. Wenn durchbohrte Schrauben ver-
schmerzhafte Pseudarthrosen verschobener Innenknö- wendet werden, sollte die Fraktur temporär idealerweise
chelfrakturen nach konservativer Behandlung nicht sel- mit 3 Kirschner-Drähten fixiert sein, damit die Fraktur,
ten sind (37). Wenn kleine knöcherne oder osteochon- nachdem der erste Draht überbohrt ist und er dadurch
drale Fragmente intraartikulär liegen, besteht eine OP- seine Haltefunktion verloren hat, immer noch über zwei
Indikation, da diese Fragmente zu mechanischem Abrieb Punkte stabil fixiert ist.
oder Impingement führen können (38). Bei der Darstel- Die meisten Innenknöchelfrakturen lassen sich über
lung des frakturierten Innenknöchels sollte das Gelenk zwei Spongiosazugschrauben mit kurzem Gewinde
sorgfältig auf freie Fragmente und Knorpelverletzungen (Abb. 32.10), entweder durchbohrt (3,5 oder 4,5 mm)
untersucht werden, da dies Anzeichen für eine ungüns- oder nicht durchbohrt (4,0 mm) stabil fixieren. Abhängig
tigere Prognose für das Sprunggelenk sein können. von der Frakturkonfiguration können kleinere Fragment
auch mit einer Schraube und einem Kirschner-Draht (ge-
Technik der Stabilisierung des Innenknöchels kürzt und umgebogen), der zur Rotationssicherung ein-
32 gebracht ist, stabilisiert werden. Trümmerfrakturen kön-
Die Autoren verwenden eine gekrümmte Inzision, die nen eine Stabilisierung über eine Zuggurtung, gelegent-
oberhalb des anteromedialen Aspekts des Sprunggelenks lich in Kombination mit zusätzlichen Minifragment-
beginnt und sich nach distal um die Spitze des Innen- schrauben erforderlich machen. Um ein vertikales Abrut-
knöchels krümmt (Abb. 32.9) (Video 32-1, DVD 4). Der schen zu verhindern, sollten Frakturen vom S-AD-Typ
Vorteil dieses Zugangs ist die exzellente Darstellung des (s. Abb. 32.2) oder andere, eher vertikal verlaufende Frak-
medialen Sprunggelenks und Reposition der proximalen turen, deren Ausläufer weiter in die Tibia reichen, mit
Frakturen. Zugschrauben mit kurzem Gewinde werden einer Antigleitplatte (mit oder ohne Zugschrauben) fi-
dann üblicherweise über den distalen Anteil der Inzision xiert werden (Abb. 32.11).
eingebracht. Der Nachteil dieses Zugangs liegt darin, dass
Operative Therapie 867

Abb. 32.9
a Chirurgischer Zugang zum Innenknöchel.
b Darstellung der umgebenden Anatomie.

Innenknöchel hintere
laterale
Inzision

vordere
Inzision

vorderer
Zugang

Hautinzision Fraktur
Innenknöchel

gerissenes Periost

Schrauben

V. saphena + N. saphenus

b
32
vereinen, sind mechanisch instabil und müssen offen ein-
Bimalleolarfrakturen
gerichtet und stabil intern fixiert werden, damit ein gutes
Bimalleolarfrakturen weisen typischerweise knöcherne Ergebnis erwartet werden kann (1). Klassischerweise
Verletzungen des Innen- und Außenknöchels auf und wird die Stabilisierung beider Malleoli empfohlen. Die
umfassen Frakturen von den Typen Weber A, B, C und Methoden zur Stabilisierung jeder frakturierten Kom-
Lauge-Hansen S-AD 2, S-ER 3 und 4, P-ER 3 und 4 sowie ponente wurden individuell an anderer Stelle dieses Ka-
P-AB 2. Die große Mehrzahl der Verletzungen, die Frak- pitels besprochen. Die Möglichkeit einer Syndesmosenin-
turen sowohl des Innen- als auch des Außenknöchels stabilität muss für nahezu alle diese Frakturen in Betracht
868 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

a b

Abb. 32.10 Innenknöchelfrakturen werden in der Mehrzahl a Präoperative Röntgenbilder.


mit zwei Spongiosazugschrauben aus dem Kleinfragment- b Postoperative Röntgenbilder.
instrumentarium fixiert.

lierte mediale Fixation dar. Isolierte Frakturen des ante-


rioren Colliculus des Innenknöchels können mit oder
ohne Ruptur der tiefen Schicht des Innenbands einher-
gehen. Wenn eine Osteosynthese des anterioren Collicu-
lus durchgeführt wird und keine Versorgung der Außen-
knöchelfraktur geplant ist, sollte im Anschluss ein Stress-
test durchgeführt werden, um zu überprüfen, ob die me-
diale Stabilität vollständig wiederhergestellt ist. Wenn
eine Ruptur der tiefen Schicht des Deltabands vorliegt,
erreicht die Fixation des anterioren Colliculus alleine
keine ausreichende Wiederherstellung der Stabilität,
und die zusätzliche Osteosynthese des Außenknöchels
ist unabdingbar.
Die „Bimalleolar-Äquivalent-Fraktur“ bezieht sich auf
Abb. 32.11 Steile Frakturverläufe des Innenknöchels (S-AD- einen Außenknöchelbruch in Kombination mit einer voll-
Fraktur) sollten mit einer Antigleitplatte stabilisiert werden, ständigen Innenbandruptur anstelle eines Innenknöchel-
um eine Dislokation nach proximal zu vermeiden. bruchs. Diese Verletzung bedarf einer weiteren Betrach-
tung, da die Fehldiagnose oder Fehlbehandlung dieser
Verletzung zu schlechten Resultaten führen kann. Das
gezogen werden, findet sich aber am häufigsten bei We- Innenband entspringt am Innenknöchel und setzt an
ber-C-Frakturen mit einer Fibulafraktur mehr als 4,5 cm Talus und Kalkaneus an. Die oberflächliche Schicht stabi-
vom Tibiaplafond entfernt (22, 23, 40). Kürzlich hatten lisiert gegen Eversionskräfte, die tiefe Schicht gegen die
Ebrahim et al. gezeigt, dass Syndesmosenverletzungen Außenrotation des Talus und stellt dadurch die relevante
auch bei weiter distal gelegenen Fibulafrakturen vorkom- Struktur für die Stabilität des Sprunggelenks dar. Die Di-
men können, bei denen das Auftreten einer solchen Ver- agnose einer Deltabandverletzung wird häufig klinisch
letzung eher nicht erwartetet wird (23). Sie empfehlen aufgrund einer schmerzhaften Schwellung am oder un-
daher die routinemäßige intraoperative gehaltene Auf- terhalb des Innenknöchels gestellt. Um die Diagnose zu
nahme zur Überprüfung der Syndesmosenstabilität im bestätigen, können neben den konventionellen Röntgen-
Anschluss an die Stabilisierung der Sprunggelenkfraktur. aufnahmen gehaltene Aufnahmen (auf S. 860 bespro-
32 Tornetta publizierte kürzlich seine Arbeit, mit der er chen) oder sogar MRT-Untersuchungen notwendig sein.
zeigen konnte, dass viele bimalleoläre Frakturen über Patienten mit einer Außenknöchelfraktur und einer
eine ausschließliche Reposition und Fixierung des Innen- Verletzung des Innenbands, die zu einer Instabilität des
knöchels erfolgreich stabilisiert werden konnten (31). Sprunggelenks führt, sollten operativ mit anatomischer
Dies kann von klinischer Relevanz sein, wenn Spannungs- Reposition des Außenknöchels behandelt werden. Es ist
blasen, eine Kompartmentspaltung oder andere Umstän- nicht notwendig das Deltaband zu rekonstruieren, vo-
de einen lateralen Zugang ausschließen. Auf jeden Fall rausgesetzt es konnte eine anatomische Rekonstruktion
stellt die isolierte Fraktur des anterioren Colliculus des des Außenknöchels und des „medial clear space“ erreicht
Innenknöchels einen möglichen Stolperstein für die iso- werden (41). Auch für den Fall, dass der „medial clear
Operative Therapie 869

space“ regelrecht wiederhergestellt wirkt, ist es dennoch Techniken zur Fixation des Volkmann-Dreiecks
erforderlich durch intraoperative Stresstests nach beglei-
tenden Syndesmosenverletzungen zu suchen. Die Nach- Die Autoren raten zur operativen Fixation des Volkmann-
behandlung dieser Verletzungen sollte postoperativ Dreiecks, wenn das Fragment mehr als 25 % der Gelenk-
durch Ruhigstellung ohne frühfunktionelle Bewegungs- fläche der Tibia ausmacht, wenn eine posteriore Subluxa-
übungen erfolgen, um dem Deltaband die Möglichkeit tion besteht, wenn eine dynamische posteriore Instabili-
zu geben, in der korrekten Länge zu heilen (8). Selten ist tät des Sprunggelenks besteht oder wenn eine Gelenk-
ein Anteil des rupturierten Ligaments in den Gelenkspalt stufe von mehr als 2 mm besteht, insbesondere wenn
interponiert und verhindert die vollständige Reposition. die Fibula nicht anatomisch reponiert ist. Die Gründe
In diesen Fällen erscheint der „medial clear space“ auch nach denen eine Entscheidung zwischen den chirurgi-
nach Reposition erweitert. In diesen Fällen ist die media- schen Behandlungsmethoden von Frakturen der hinteren
le Exploration indiziert (42). Tibiakante fällt, sind von Tornetta et al. an anderer Stelle
übersichtlich vorgestellt (49).
Die Autoren haben die folgenden Taktiken bei der Be-
Tipps und Tricks
handlung der Volkmann-Frakturen, die eine operative Fi-
■ Die „Bimalleolär-Äquivalent-Fraktur“ ist die Kombina- xation notwendig machen, übernommen. Harper u. Har-
tion einer Außenknöchelfraktur mit einer Ruptur des din konnten nachweisen, dass sich ein disloziertes Volk-
Deltabands. Diese Verletzung wird durch eine mann-Dreieck häufig indirekt einstellt, sobald der Au-
schmerzhafte mediale Schwellung und den radio- ßenknöchel korrigiert wird (Abb. 32.12 a; 50). Wenn sich
logischen Nachweis einer Erweiterung des „medial die Fraktur über indirekte Reposition anatomisch einge-
clear space“ diagnostiziert. Das Fehlen einer stellt hat, kann das Volkmann-Dreieck mit 2 Zugschrau-
schmerzhaften medialen Schwellung allein schließt ben, die von anterior nach posterior eingebracht werden,
diese Verletzung nicht aus. fixiert werden. Für diese perkutanen Zugschrauben kön-
■ Normalerweise ist die Naht der Deltabandruptur bei nen durchbohrte oder Standardschrauben verwendet
„Bimalleolär-Äquivalent-Frakturen“ nicht erforder- werden (Abb. 32.12 b, Abb. 32.12 c). Wenn diese Technik
lich, solange das rupturierte Band die korrekte Re- angewendet wird, müssen qualitativ hochwertige Durch-
position nicht verhindert. leuchtungsbilder zur Kontrolle der Reposition und Im-
plantatlage angefertigt werden. Wenn das Volkmann-
Dreieck nach der Reposition der Fibula weiterhin dis-
Fraktur des Volkmann-Dreiecks
loziert steht, kann es direkt über einen posterolateralen
Frakturen der posterioren Tibiakante (Volkmann-Dreieck, Zugang reponiert und fixiert werden. Für diesen Zugang
hinterer Knöchel) entstehen durch Außenrotation oder kann eine weitere posteriore Exposition über die beste-
Abduktion (Lauge-Hansen-Typen P-ER, S-ER 4 und P-AB) hende Inzision über dem Außenknöchel vorgenommen
als Abrissverletzungen des knöchernen Ansatzes des pos- werden (Abb. 32.13; 39). Wenn dieser posterolaterale Zu-
teroinferioren tibiofibularen Ligaments. Früher wurde die gang geplant ist, kann der Patient in Seitenlage auf einem
innere Fixation von Frakturen, die 20 – 33 % der distalen pneumatischen Lagerungskissen gelagert werden (mit
Tibiagelenkfläche betragen empfohlen, um einer dorsalen einem Gurt gesichert, aber nicht mit Tape am Tisch fi-
Subluxation des Talus und Gelenkflächeninkongruenzen xiert) und kann später leicht in Richtung Rückenlage ge-
vorzubeugen (43–46). Raasch et al. konnten zeigen, dass rollt werden, indem aus dem Lagerungskissen Luft abge-
die Stabilisierung der Tibia die posteriore Subluxation des lassen wird sobald der Innenknöchel versorgt werden
Sprunggelenks verhindern kann, da der Außenknöchel soll. Die posteriore Exposition wird durch die Eröffnung
und das anteriore tibiofibulare Ligament die primären des oberflächlichen Intervalls zwischen den Peronealseh-
Stabilisatoren gegen die posteriore Instabilität des nen anterior und der Achillessehne posterior erreicht, um
Sprunggelenks sind (47). Andere Studien konnten aber dann medial der Flexor-hallucis-longus-Sehne (FHL-Seh-
zeigen, dass Patienten mit Volkmann-Frakturen, die ne) zu bleiben (Abb. 32.14). Das posteromedial gelegene
mehr als 25 – 33 % der Gelenkfläche ausmachen, bessere neurovaskuläre Bündel wird sicher durch die FHL-Sehne
klinische Ergebnisse erreichten, wenn das Fragment in- geschützt, sodass eine weite Darstellung der posterioren
tern stabil fixiert wurde (45, 46). Eine mögliche Fehler- Fläche der distalen Tibia möglich ist. Die Fraktur weist
quelle ist die Erfassung der tatsächlichen Größe des Volk- typischerweise einen Frakturspickel an der Spitze auf, 32
mann-Fragments: Für die Beurteilung des Ausmaßes der der als Orientierung für die Reposition fungieren kann.
Beteiligung der Gelenkfläche ist vermutlich ein CT oder Zur Fixation kann eine Kompressionsplatte mit Zug-
MRT erforderlich. Falls auf die Fixation des Volkmann- schrauben verwendet werden, um eine gute Fixation
Dreiecks verzichtet wird, haben Scheidt et al. die Immo- des Volkmann-Dreiecks zu erreichen.
bilisation in der frühen Heilungsphase empfohlen, um
das Gelenkflächenfragment vor Rotations- und Translati-
onskräften zu schützen (48).
870 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

a b

Abb. 32.12
a Stufenfreie Reposition des Volkmann-Kantendreiecks durch
indirekte Manipulationen.
b Fixation perkutan in a.–p. Richtung durch 3,5-mm-Kleinfrag-
mentzugschrauben.
c Fixation durch 4,0 mm durchbohrte Zugschrauben.

a b

Abb. 32.13 b Fixation mit einer Antigleitplatte und Zugschrauben.


a „Trimalleolarfraktur“ mit großem Volkmann-Kantendreieck,
das über einen posterolateralen Zugang versorgt wurde.

Tipps und Tricks


32 Syndesmosenverletzungen
■ Volkmann-Frakturen sollten stabilisiert werden,
Die Behandlung von Syndesmosenverletzungen im Rah-
wenn die Fraktur 25 – 33 % der Gelenkfläche aus-
men von Sprunggelenkfrakturen löst weiterhin kontro-
macht oder eine posteriore Instabilität besteht.
verse Diskussionen unter den Chirurgen aus. Trotz meh-
rerer anatomischer und biomechanischer Untersuchun-
gen, die sich mit den Mechanismen der Verletzung und
deren Diagnose beschäftigen, existiert kein Konsens be-
züglich einer einheitlichen Therapieempfehlung, wie z. B.
der Form der Fixierung und der Nachbehandlung. Dieses
Operative Therapie 871

a b

Abb. 32.14 b Klinisches Bild der weiten Darstellung und Plattenosteosyn-


a Posterolateraler Zugang zur distalen Fibula und der Tibiahin- these.
terkante.

Kapitel behandelt ausschließlich Syndesmosenverletzun- ■ Lig. tibiofibulare anterius, 32


gen in Kombination mit Sprunggelenkfrakturen. Wuest ■ Lig. tibiofibulare posterius,
(51) und Amendola (2) haben herausragende und umfas- ■ Lig. tibiofibulare interosseum,
sende Review-Artikel über isolierte Syndesmosenverlet- ■ Lig. tibiofibulare transversum.
zungen erstellt.
Die Syndesmose wird aus der Membrana interossea Eine Verletzung der Syndesmose entsteht üblicherweise
und 4 Bändern gebildet (s. Abb. 32.1): als Resultat einer Außenrotationskraft und führt typi-
scherweise zu einer „hohen“ distalen Fibulafraktur (z. B.
Weber C und Lauge-Hansen P-ER-und S-ER-4-Frakturen).
872 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Die Diagnose wird üblicherweise radiologisch gestellt, perkutanen Vorgehens, der entscheidende Nachteil ist
obwohl eine Syndesmosenverletzung mehr oder weniger das Risiko der unzureichenden Reposition.
offensichtlich ausfallen kann und in letzterem Fall nur
durch gehaltene Aufnahmen aufgedeckt wird. Übliche ra- Technik der Stellschraubentransfixation
diologische Anhaltspunkte sind ein „espace claire“ nach
Chaput von mehr als 6 mm in a.–p. und Mortise-Projek- Zunächst müssen sowohl die laterale als auch die mediale
tionen und eine tibiofibulare Überlappung von (TFO) we- Frakturkomponente reponiert und stabil fixiert werden.
niger als 6 mm in der a.–p. Projektion und weniger als Wenn der mediale Gelenkraum (MCS) weiterhin erwei-
1 mm im Mortise-View. Zusätzlich sollte der „medial tert ist (mit oder ohne Stresstest), wird eine große, spitze
clear space“ (MCS; der Raum zwischen Talus und Innen- Repositionsklemme vom Außen- auf den Innenknöchel
knöchel; Hinweis für eine mediale Gabelinsuffizienz) gesetzt. Mittels intraoperativer Fluoroskopie werden zu-
gleich weit wie der Gelenkraum oberhalb und lateral nächst das Alignement der Fibula sowie die Einstellung
des Talus sein (52). Ebrahim et al. berichten, dass CT- der korrekten Länge überprüft und gegen Ende der Ope-
Untersuchungen im Seitenvergleich ein zusätzliches sinn- ration sichergestellt, dass die Stellschraube parallel zur
volles Diagnostikum darstellen (23); Hinweise für eine Gelenkfläche verläuft. Sobald das Gelenk reponiert ist,
Syndesmosenverletzung sind eine tibiofibulare Diastase, wird eine Stellschraube parallel zum Plafond, leicht von
eine ventrale Subluxation der Fibula und eine flache ti- dorsal nach ventral ansteigend ca. 1,5 – 2 cm proximal der
biofibulare Inzisur. Gelegentlich wird die Diagnose einer Knöchelgabel oberhalb der Incisura tibiofibularis einge-
Verletzung der Syndesmose intraoperativ durch den Cot- bracht (Abb. 32.15). Es ist sinnvoll das Gewinde vor-
ton-Test gestellt, bei dem durch Zug der distalen Fibula zuschneiden, da selbst bei Verwendung von selbstschnei-
mit einer Tuchklemme nach lateral überprüft wird, ob denden Schrauben die Schraube dazu neigt, die Fibula
sich der tibiofibulare Raum dynamisch aufweiten lässt von der Tibia abzudrängen, wenn ihre ersten Gewinde-
(53). In der letzten Zeit wurde vorgeschlagen, dass eine gänge auf die Tibia treffen. Wenn vorgesehen, wird eine
Subluxation der Fibula in a.–p. Richtung leichter zu erhe- zweite Schraube etwas weiter proximal der ersten einge-
ben sei und der Test sensitiver für die Erfassung einer bracht. Viele Chirurgen bevorzugen es, die Stellschraube
Syndesmoseninstabilität sei (24). einzubringen, wenn das Sprunggelenk maximal dorsalex-
Die Arbeit von Boden et al. findet bei Diskussionen, die tendiert ist, um die Gelenkbeweglichkeit zu erhalten,
um die Stabilisierung der Syndesmose geführt werden, wenngleich Tornetta et al. dieses Vorgehen diskreditier-
häufig Erwähnung (22). Sie stellten fest, dass Syndesmo- ten (55). Um eine zu straffe Einstellung der Inzisur zu
senverletzungen, egal welchen Ausmaßes, nicht zu einer vermeiden, sollte eine Stellschraube (keine Zugschraube)
relevanten Sprunggelenkinstabilität führen, wenn das Lig. verwendet werden.
deltoideum intakt ist (keine mediale Verletzung). Daher Üblicherweise wird entweder eine 3,5- oder 4,5-mm-
empfehlen sie die Stabilisierung einer Syndesmosenver- Schraube verwendet, die entweder 3 oder alternativ 4
letzung bei Patienten mit einer Fibulafraktur in der kriti- Kortizes passiert, wobei diese Punkte kontrovers dis-
schen Zone (4,5 cm proximal der Gabel) nur, wenn eine kutiert werden. Bisher belegen weder biomechanische
mediale Verletzungskomponente besteht. Das Ausmaß Studien noch klinische Untersuchungen Vorteile für die
der Sprunggelenkinstabilität bei Frakturen zwischen 3,0 eine oder andere Schraubengröße oder die Zahl der Kor-
und 4,5 cm oberhalb der Gabel war in dieser Studie nicht tizes. Hoiness u. Stromsoe verglichen kürzlich Verläufe
maßgeblich. Viele Operateure haben die Stabilisierung von Syndesmosenverletzungen (56). In einer Gruppe
der Syndesmose auch für unsichere Verletzungen emp- wurde eine einzelne 4,5-mm-Schraube verwendet, die
fohlen, da die Morbidität einer übersehenen Verletzung über 4 Kortizes eingebracht und nach 8 Wochen entfernt
ungleich höher als die einer Stellschraube sei (54). Wenn wurde. In der anderen Gruppe wurden 2 trikortikale 3,5-
Zweifel bestehen, sollten intraoperativ radiologische mm-Schrauben verwendet, die nicht entfernt wurden.
Stresstests wie ein Außenrotationstest oder der Cotton- Nach einem Jahr waren in beiden Gruppen keine Unter-
Test durchgeführt werden. schiede bezüglich der Faktoren Schmerz, funktioneller
In vielen Fällen werden sowohl die Außenknöchelfrak- Score oder Dorsalextension festzustellen. Aktuellere Arti-
tur als auch die Syndesmoseninstabilität simultan durch kel konnten zeigen, dass bei der Behandlung von Syndes-
Plattenosteosynthese und Stellschraubentransfixation mosenverletzungen gute Resultate auch bei Verwendung
32 (häufig durch die Platte) rekonstruiert. In einigen Fällen von bioabsorbierbaren 4,5-mm-PLLA-Schrauben erreicht
kann die ausschließliche Stellschraubentransfixation aus- werden können (57). Ein möglicher Vorteil der Verwen-
reichend sein. In diesen Fällen wird das Außenknöchel- dung von bioabsorbierbaren Implantaten ist, dass der
fragment gegen den Talus reponiert und 2 fibulotibiale zweite Eingriff zur Entfernung des Implantats entfällt.
Stellschrauben verwendet. Die Ratio, die hinter diesem Obwohl diese Technik vielversprechend erscheint, ist
Vorgehen steht, ist die Überlegung, dass der Fibulafraktur die Verwendung von Metallimplantaten nach wie vor
für sich gesehen keine relevante Bedeutung beigemessen der Goldstandard.
werden muss, sondern dass die distale Fibula und das Der am lebhaftesten diskutierte Aspekt der Syndesmo-
distale tibiofibulare Gelenk reponiert werden müssen. senversorgung ist die Frage, ob die Stellschraube vor dem
Ein Vorteil bei diesem Vorgehen ist die Möglichkeit des Belastungsaufbau entfernt werden soll oder nicht. Need-
Operative Therapie 873

a b

Abb. 32.15
a Bimalleolar-Äquivalent-Fraktur mit Zerreißung der Syndesmose (intraoperativ
bestätigt).
b Nach Stellschraubentransfixation der Syndesmose.
c Die Autoren haben die Stellschraube ambulant nach 12 Wochen entfernt, um
den Bruch der Schraube zu vermeiden.

leman et al. wiesen nach, dass Stellschrauben die Außen- se nach 12 – 14 Wochen statt. Zur Überprüfung der kor-
rotation der Fibula einschränken (58). Vertreter der rekten Stellung der Malleolengabel empfiehlt sich eine
Gruppe, die die Entfernung der Stellschrauben empfeh- Röntgenkontrolle nach der Schraubenentfernung.
len, betonen, dass das Belassen der Schraube entweder zu Die weiter vorne erwähnte Maisonneuve-Fraktur kom-
einer abnormalen Bewegung des Sprunggelenks oder zu- biniert eine proximale Fibulafraktur mit einer Innenban-
mindest zum Schraubenbruch führt. Im Gegensatz dazu druptur und einer Syndesmoseninstabilität. Es besteht
haben andere Studien gezeigt, dass Patienten vollbelasten keine Notwendigkeit einer Stabilisierung der proximalen
können, ohne die Schrauben zuvor zu entfernen, wobei Fibulafraktur, aber die Syndesmosenverletzung muss er-
dies eventuell zu einer Schraubenlockerung oder zu kannt und stabilisiert werden. Um eine normale Gelenk-
einem Bruch der Schraube führen kann, ohne dass daraus kongruenz zu erreichen, müssen vor der Transfixation
eine relevante Morbidität resultiert (59, 60). Vertreter der der Syndesmose Länge und Rotation der Fibula korrekt
Gruppe, die das Belassen der Schraube empfehlen, führen eingestellt werden. Bei dieser Verletzung verwenden die
an, dass Patienten durch die Schraubenlockerung oder Autoren üblicherweise 2 Stellschrauben, wobei sie sie
den Bruch der Schraube die nahezu normale Sprung- gelegentlich zur Verstärkung des Konstrukts durch eine
gelenkfunktion zurückerlangen. 2- oder 3-Loch-⅓-Rohrplatte platzieren (Abb. 32.16).
Die Autoren verwenden normalerweise eine einzelne Die Beurteilung der Einstellung der Malleolengabel in
3,5-mm-Kortikalisschraube, die 1,5 – 2,0 cm oberhalb der der tibiofibularen Inzisur kann in der intraoperativen 2-
Malleolengabel in Dorsalextension des Sprunggelenks dimensionalen Bildverstärkerkontrolle problematisch 32
eingebracht wird und 4 Kortizes fasst (Abb. 32.15 b). sein. Postoperative CT-Untersuchungen haben gezeigt,
Wenn der Patient schwer oder fettleibig ist oder die Com- dass sich Seitendifferenzen bei der Auswertung der Stel-
pliance fraglich erscheint, kann eine zweite parallel ver- lung der Malleolengabel in bis zu 30% der Fälle nachwei-
laufende Stellschraube eingebracht werden. Die Nach- sen lassen. Seit 2001 besteht die Möglichkeit der intra-
behandlung sieht Folgendes vor: Entlastung in einem operativen 3-dimensionalen Bildgebung knöcherner
Gipsverband oder einer Unterschenkelorthese für 6 – 7 Strukturen über mobile Bildverstärkersysteme. Die Aus-
Wochen mit anschließender schmerzadaptierter Belas- wertung eigener Untersuchungen aus 10 Jahren routine-
tungssteigerung in der Unterschenkelgehorthese. Die am- mäßiger Anwendung hat revisionsbedürftige Stellungs-
bulante Entfernung der Stellschraube findet üblicherwei- befunde der Sprunggelenkgabel trotz unauffälliger 2-di-
874 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Abb. 32.16 Maisonneuve-Fraktur mit


Bruch des Innenknöchels, proximaler Fi-
bulafraktur und instabiler Verletzung der
Syndesmose. Die Länge und Torsion der
Fibula muss vor Platzierung der Stell-
schrauben korrekt wiederhergestellt wer-
den. In diesem Fall haben die Autoren die
Stellschrauben durch eine kurze Platte
eingebracht, um dadurch die Haltekraft
zu erhöhen.

mensionaler Bildgebung in 25 % von 243 Fällen ergeben. geren Operationen (> 2 h) wird eine zweite Dosis ver-
Durch die intraoperative Bildgebung konnten in diesen abreicht. Generell kann gesagt werden, dass bei Über-
Fällen notwendige Korrekturen sofort erfolgen und Revi- schreitung der 2,5-fachen Halbwertszeit des Antibioti-
sionsoperationen zu einem ungünstigeren Zeitpunkt ver- kums eine Wiederholungsgabe indiziert ist. Alternativ
mieden werden (Anmerkung des Übersetzers). kommen auch Aminopenicilline (in Kombination mit β-
Lactamase-Hemmern) in Betracht. Patienten mit einem
offenem Weichteilschaden III. Grades erhalten das gleiche
Tipps und Tricks
Regime mit einem Cephalosporin und zusätzlich je nach
■ Eine Syndesmosenverletzung kommt häufig vor, Verschmutzungsgrad ein Breitspektrumantibiotikum
wenn die Fibulafraktur 4,5 cm oberhalb der Knöchel- (z. B. Tazobac) oder gezielt gegen gramnegative Keime
gabel liegt, kann aber auch bei weiter distal liegen- Metronidazol. Bei komplizierten offenen Frakturen ist
den Frakturen vorkommen. der Übergang von der Prophylaxe zur Therapie fließend,
■ Es gibt keine Evidenz, dass Stellschrauben, die in bei sehr kritischen Weichteilverhältnissen kann eine
Dorsalextension eingebracht wurden, zu einem Ver- Fortsetzung der Antibiose bis 10 Tage indiziert sein.
lust der Sprunggelenkbeweglichkeit führen. Hier wird eine frühzeitige Anpassung der Antibiose bei
■ Eine Alternative zur standardisierten Stellschrauben- positivem Keimnachweis nach Antibiogramm erforder-
transfixation kann die Verwendung von bioabsor- lich. Ein notfallmäßiges Wunddébridement und eine
bierbaren Schrauben sein, die eine vergleichbare Wundspülung sind zwingend erforderlich. Ziel des ag-
Stabilität liefern und einen Zweiteingriff überflüssig gressiven und strukturierten Wunddébridements ist die
machen. Entfernung sämtlichen Fremdmaterials sowie aller
Weichteile von fraglicher Vitalität.
Offene Frakturen des Typs I, II und IIIA (63) können in
Offene Frakturen
der standardisierten Technik offen reponiert und stabil
Offene Frakturen und Verletzungen des Sprunggelenks intern fixiert und die Wunde kann primär verschlossen
machen neben allen Betrachtungen, die für geschlossene werden, sobald die Wunden sauber sind (Video 32-1,
Verletzungen gelten, Überlegungen über die Schwere des DVD 4; 64, 65). Bray et al. (66) ebenso wie Wiss et al.
Weichteiltraumas und die bakterielle Kontamination er- (67) stellten fest, dass die primäre ORIF von offenen
forderlich. Offene Verletzungen einschließlich der Sprunggelenkfrakturen im Vergleich zu geschlossenen
Sprunggelenkfrakturen haben verglichen mit geschlosse- Frakturen nicht mit einer Erhöhung der Infektrate einher-
nen Verletzungen ein erhöhtes Risiko für Komplikationen geht. Beide Gruppen empfehlen die primäre definitive
und ein schlechteres Ergebnis (61, 62). Stabilisierung für die Mehrzahl der offenen Sprung-
Die Behandlung von offenen Sprunggelenkfrakturen gelenkfrakturen. Für offene Frakturen mit ausgedehntem
beginnt in der Notaufnahme mit der Verabreichung Weichteilschaden (Gustilo IIIB) scheint entweder die pri-
einer intravenösen Antibiose und einer Tetanusprophyla- märe minimale innere Stabilisierung oder die Ruhigstel-
xe. Die Wunde wird inspiziert und mit einem feuchten lung im Fixateur externe mit verzögerter definitiver Sta-
32 sterilen Verband abgedeckt. Wenn die Verletzung grob bilisierung die beste Behandlungsmethode zu sein. Die
disloziert ist, sollte die sofortige Reposition erfolgen. Soll- Mehrzahl der Autoren stimmt darin überein, dass Se-
ten grobe Verschmutzungen der Wunde vorliegen, kann cond-Look-Operationen alle 48 – 72 h durchgeführt wer-
eine kurze Wundspülung vor der Reposition und der La- den, bis die Wunden sauber erscheinen und ein sicherer
gerung in einer gut gepolsterten Schiene indiziert sein. Wundverschluss möglich ist. Ziel ist der sekundäre
Die antibiotische Prophylaxe sollte sich an den aktuellen Wundverschluss oder die plastische Deckung innerhalb
Empfehlungen für offene Frakturen orientieren. So soll- von 5 – 10 Tagen (65). Die vorliegenden Studienergebnis-
ten Patienten mit offenen Frakturen Typ Gustilo I und II se zeigen überwiegend gute Resultate, wenn diese Basis-
eine Antibiose mit einem Cephalosporin der zweiten Ge- richtlinien beachtet wurden (66, 67).
neration (z. B.Cefuroxim) bei Aufnahme erhalten. Bei län-
Operative Therapie 875

Stabilisierung der distalen Fibula mit TEN (Titan elastic


Sprunggelenkfrakturen bei Osteoporose
Nail) oder Kirschner-Drähten kann bei diesen Fällen in
Da die Bevölkerung zunehmend älter wird, werden Un- Betracht gezogen werden.
fallchirurgen und Orthopäden immer häufiger mit osteo-
porotischen Frakturen einschließlich der Sprunggelenk- Sprunggelenkfrakturen bei Patienten mit
frakturen konfrontiert. Obwohl die Ziele der Behandlung
Diabetes mellitus
bei älteren Patienten grundsätzlich die gleichen sind wie
bei jüngere Patienten (z. B. anatomische Rekonstruktion Sprunggelenkfrakturen bei Patienten mit Diabetes melli-
der Frakturen, stabile Versorgung, um eine frühe Übungs- tus sind eindeutig mit einer höheren Komplikationsrate
behandlung zu erlauben und die Vermeidung einer post- assoziiert als vergleichbare Verletzungen ohne Diabetes
traumatischen Arthrose), sollten Entscheidungen, die die (72, 73). Die Effekte des Diabetes, wie periphere Neuro-
Therapie bei Patienten mit schwerer Osteoporose betref- pathie, Mikroangiopathie und Hautveränderungen sind
fen, individuell getroffen werden. Unglücklicherweise to- berechenbar. Die erhöhte Rate an postoperativen Infek-
lerieren viele Patienten die konservative Behandlung der tionen und Wundheilungsstörungen bei Diabetes laufen
Verletzungen, die sie sich aus unterschiedlichsten Grün- parallel zu den erhöhten Raten an Hautnekrosen und an-
den zugezogen haben, nur schlecht, und die Komplikati- deren Problemen bei konservativer Behandlung. Die ope-
onsraten bei konservativer Behandlung sind recht hoch. rative Wiederherstellung der Stabilität bei Diabetikern
Bei der operativen Therapie ist die stabile Fixation bei mit instabilen Sprunggelenkfrakturen und erhaltener
älteren Patienten mit Osteoporose schwierig zu erreichen Schutzsensibilität ist zwar nicht ohne Risiko, bietet dem
und die Komplikationsrate, die unter diesen Umständen Patienten aber die beste Möglichkeit für ein tolerables
beobachtet wird, ist ebenfalls erhöht (68, 69). Es gibt eine Ergebnis und eine Reduktion der Gesamtkomplikations-
Reihe von Techniken, um die Stabilität der Fixation bei rate. Die Weichteile bedürfen einer besonderen Beach-
osteoporotischen Sprunggelenkfrakturen zu erhöhen tung, sowohl bei der Planung des Operationszeitpunkts
(Abb. 32.17). Darunter fallen die Fixation der Platte mit als auch beim operativen Eingriff selbst. Zuletzt sollte der
Spongiosaschrauben anstelle von Kortikalisschrauben, Belastungsaufbau verzögert werden, bis radiologische
Unterstützung der Schrauben- und Plattenfixation durch Kontrollen die knöcherne Heilung zeigen, da einige dieser
intramedulläre Drähte (70), die Verwendung von winkel- Patienten in ihrer Fähigkeit einer kontrollierten Teilbelas-
stabilen Kleinfragmentplatten und, für die Schraubenos- tung eingeschränkt sein können. Bei Patienten mit
teosynthese des Innenknöchels, die Verwendung von lan- schwerer peripherer Neuropathie und vollständigem Ver-
gen Kortikaliszugschrauben mit Gleitloch, die die laterale lust der Schutzsensibilität muss ein modifiziertes Vor-
Tibiakortikalis mit fassen. Kürzlich wurde eine Technik gehen überlegt werden. Jani et al. erreichten relativ gute
beschrieben, bei der multiple lange Schrauben verwendet Ergebnisse bei Diabetikern mit schwerer Polyneuropathie
wurden, die von der Fibula in die Tibia eingebracht wur- und Sprunggelenkfraktur, indem sie das Sprunggelenk
den (ähnlich Stellschrauben; 71). Auch die intramedulläre transfixierten und eine verlängerte Phase der Teilbelas-

a
b

Abb. 32.17 Techniken zur Verbesserung der Fixationsstabilität b Fall 2 zeigt die Fixation unter Verwendung einer Kombinati-
32
bei osteoporotischen Sprunggelenkfrakturen. on von Spongiosaschrauben und winkelstabilen Schrauben
a Fall 1 zeigt eine osteoporotische Sprunggelenkfraktur mit (Standardschrauben müssen immer zuerst eingebracht wer-
Impression der Gelenkfläche. Die Fibulafraktur wurde mit den), Unterstützung der Plattenosteosynthese durch intrame-
einer winkelstabilen Plattenosteosynthese stabilisiert. Nach Re- dulläre Kirschner-Drähte (69) und Augmentation der Innenknö-
position der imprimierten Gelenkfläche wurde der Defekt mit chelfixation durch Minifragmentschrauben.
Kalziumphosphatzement unterfüttert, und die steil verlaufende
Innenknöchelfraktur mit einer Abstützplatte und langen Zug-
schrauben fixiert, die zur Unterstützung die Gegenkortikalis
der Tibia fassen.
876 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Abb. 32.18 Eine Patientin mit Diabetes


mellitus und Osteoporose stellt sich nach
4 Tagen mit ausgedehnt kompromittier-
ten Weichteilen bei instabiler bimalleolä-
rer Sprunggelenkfraktur vor. Sie wurde
durch minimalinvasive Plattenosteosyn-
these des Außenknöchels, die durch
einen intramedullären Kirschner-Draht
augmentiert wurde, stabilisiert. Zur Sta-
bilisierung des Talus unter der Tibia
wurde eine transartikuläre Transfixation
mittels Steinmann-Nagel durchgeführt,
auf eine mediale Fixation wurde verzich-
tet.

tung in der Unterschenkelschiene verordneten Richtlinien müssen für jeden Typ der Sprunggelenkfrak-
(Abb. 32.18; 74). Zusätzlich kann das Sprunggelenk auch turen – basierend auf vielen Faktoren – modifiziert wer-
mit einem monolateralen Fixateur externe über 3 – 6 Wo- den: Knochenqualität, Stabilität der Osteosynthese, Ver-
chen ruhiggestellt werden, um die Stabilität der inneren lässlichkeit des Patienten, Begleiterkrankungen und die
Fixation zu erhöhen und die Komplikationen, die diesem Notwendigkeit eines Schutzes der Weichteile wie Delta-
neuropathischen Patientengut durch eine Gipsimmobili- band und Syndesmose. Cimino et al. wiesen nach, dass
sation drohen, zu reduzieren. eine frühfunktionelle Behandlung der Sprunggelenkfrak-
turen nach ORIF nicht durch die frühzeitigen Bewegungs-
übungen zu einem Verlust der Reposition geführt hatte,
Sprunggelenkluxationen
diese frühe Übungsbehandlung endete jedoch mit dem
Sprunggelenkluxationsfrakturen sollten, wie in diesem gleichen funktionellen Ergebnis wie bei den Patienten,
Kapitel weiter vorne ausführlich beschrieben, notfall- die immobilisiert wurden (78). Studien hatten gezeigt,
mäßig geschlossen reponiert werden, um die Spannung dass es im Ergebnis keinen Unterschied zwischen früh-
auf den Weichteilmantel zu reduzieren und anschließend zeitiger Belastung und Entlastung in einem Unterschen-
offen reponiert und intern stabil fixiert werden. Sprung- kelgips gab, solange es intraoperativ gelungen war, eine
gelenkluxationen ohne begleitende Frakturen sind relativ ausreichende Stabilität zu erlangen (79, 80). Unter Be-
selten und können üblicherweise geschlossen reponiert rücksichtigung dieser Vorbemerkungen stellen die Auto-
und konservativ mit Gipsruhigstellung behandelt wer- ren ihre Patienten nach Entfernung des Hautnahtmateri-
den. Sprunggelenkluxationen treten überwiegend bei als in einer Unterschenkelorthese ruhig und verordnen
jungen Männern als Folge von Motorradunfällen oder tägliche Bewegungsübungen. Die Mehrzahl der Patienten
Stürzen auf. Die Sprunggelenke luxieren aufgrund der entlastet die betroffene Extremität, erreicht aber die Be-
trapezoiden Form des Talus typischerweise in Plantarfle- lastung 6 – 7 Wochen nach der Operation. Die Richtlinien
xion des Fußes (75). Geschlossene Luxationen sollten not- für die Belastungsaufnahme sollten individuell auf die
fallmäßig in Sedierung oder Allgemeinanästhesie repo- Fakten wie Stabilität der Osteosynthese, Knochenqualität
niert werden. In den seltenen Fällen, bei denen interpo- und Allgemeinzustand des Patienten zugeschnitten wer-
niertes Weichgewebe die Reposition verhindert, ist die den. Die Belastungsaufnahme sollte speziell bei den fol-
offene Reposition indiziert. Sobald das Gelenk reponiert genden Patientengruppen verzögert erlaubt werden: äl-
ist, sollte in Abhängigkeit vom Ausmaß der Instabilität tere Patienten, Diabetiker, ausgeprägte Osteoporose,
für 3 – 6 Wochen in Neutralstellung im Gips ruhiggestellt Wundheilungsstörungen und ligamentäre Verletzungen
werden. Die meisten Autoren raten nicht zur primären (Syndesmose, Deltaband).
Rekonstruktion des Bandapparats, und Langzeitverläufe
zeigten bisher keine Probleme durch Instabilitäten (76,
Neue Technologien
77).
32 Alternative und verbesserte Methoden der Fixation von
Sprunggelenkfrakturen sind aufgrund der Fälle von
Postoperatives Management
Wundheilungsstörungen und der Probleme der auftra-
Das Ergebnis von Sprunggelenkfrakturen zu optimieren, genden Implantate weiterhin ein Gebiet intensiver For-
bedeutet einen Balanceakt zwischen Wiederherstellung schung. Thordarson et al. publizierten ihre Ergebnisse
und Halten der Reposition auf der einen Seite und der einer randomisierten Studie, bei der sie bei 32 Patienten
Wiedererlangung der Beweglichkeit und schmerzfreien mit Syndesmosenverletzung eine bioabsorbierbare 4,5-
Belastbarkeit auf der anderen Seite, damit der Patient zu mm-PLLA-Schraube zur Syndesmosentransfixation mit
seinen bisherigen Aktivitäten zurückkehren kann. Diese einer 4,5-mm-Stahlschraube verglichen (81). Sie fanden
Komplikationen 877

zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede im Ergeb- Es kann durchaus schwierig festzustellen sein, ob eine
nis oder bei den Komplikationen, und sie fanden keine Infektion oberflächlich oder tief ist. Eine oberflächliche
Osteolysen über den resorbierbaren Implantaten. Viele Phlegmone, die sich durch Rötung und Überwärmung
Komplikationen waren implantatassoziert; eine For- um die Hautinzision herum darstellt, könnte eventuell
schungsgruppe aus Deutschland hat ein neues durch- durch die systemische Gabe von Antibiotika unter eng-
bohrtes intramedulläres Implantat von geringem Durch- maschiger Kontrolle behandelt werden, aber der Nach-
messer entwickelt, das multiple Bohrlöcher in einem Ab- weis von Eiter oder anderen Zeichen einer tiefen Infekti-
stand von jeweils 9 mm aufweist, die multiple quere Ver- on macht sicherlich ein aggressiveres Vorgehen erforder-
riegelungen über ein externes Zielgerät ermöglichen (82). lich. Hierunter ist typischerweise die Inzision, die Lavage,
Das Implantat wurde bei 194 Fällen verwendet, von das Débridement, die Drainage und die systemische An-
denen ein Drittel bimalleolare Frakturen waren; es tibiotikatherapie zu verstehen. Behandlungsmethoden
wurde über wenige Wundprobleme und lediglich eine wie das lokale Wunddébridement, die Verwendung der
Pseudarthrose berichtet (82). Jetlavage und die Vakuumversiegelung haben ihre Wirk-
Neue „orthobiologische“ Substanzen werden zur Zeit samkeit bei der Behandlung von infizierten oder kompli-
schnell auf dem Markt eingeführt und aggressiv vermark- zierten Wunden bewiesen. In den meisten Fällen eines
tet. In einer Studie wurde getestet, ob ein keramischer tiefen Frühinfekts kann der Infekt durch ein gründliches
Knochenersatzstoff die Stabilität der Fixation von Sprung- Débridement und ausgiebige Spülung beherrscht werden,
gelenkfrakturen bei Osteopenie verbessern konnte (83). die Implantate sollten beim Frühinfekt in Situ belassen
86 „lockere“ Schrauben mit schlechtem intraoperativem werden. Antibiogrammgerecht wird eine initial intrave-
Halt wurden mit dem synthetischen Knochenersatzstoff nöse, im Verlauf orale Antibiose angesetzt. Wenn die
augmentiert. Nur eine Schraube lockerte während des Fraktur geheilt ist, kann bei unsicheren Verhältnissen
Follow-up aus. Die Rate an tiefen Infektionen lag in der die Entfernung der Implantate diskutiert werden.
Nachuntersuchung nach 6 Monaten bei 5 % (96).
Pseudarthrosen
Pseudarthrosen nach Sprunggelenkfrakturen sind eher
Komplikationen
selten, da hier üblicherweise metaphysärer Knochen frak-
turiert ist, der prinzipiell gut heilt. Es gibt wenige Um-
Wundheilungsstörungen und Infekte
stände, unter denen Sprunggelenkfrakturen zu ausblei-
Die postoperativen Komplikationen nach offener Reposi- bender Heilung tendieren können: Frakturen des Innen-
tion von Sprunggelenkfrakturen entsprechen denen an- knöchels (37, 84), und Hochenergie-Quetschtraumen des
derer Gelenkfrakturen an der unteren Extremität. Die be- Außenknöchels. Bei Frakturen des Innenknöchels auf
deutendsten Komplikationen nach operativer Therapie Höhe des Gelenkspalts können eine unzureichende Repo-
der Sprunggelenkfrakturen sind postoperative Infektio- sition oder interponiertes Weichgewebe eine Rolle bei
nen (1 – 2 %) und Wundheilungsstörungen (4 – 5 %). Viele der verzögerten Knochenheilung spielen. In der Erfah-
dieser Komplikationen können eventuell, wie bereits im rung der Autoren sind diese Pseudarthrosen auf Höhe
Abschnitt über die präoperative Planung und Unter- des Gelenkspalts viel häufiger schmerzhaft als Pseudar-
suchung dieses Kapitels ausführlich diskutiert, durch throsen von Abrissverletzungen an der Innenknöchelspit-
einen überlegten, vorsichtigen Umgang mit den Weich- ze.
teilen vermieden werden. Die operative Behandlung dieser ausbleibenden Kno-
Begrenzte Wundrandnekrosen, die nach der Demarkie- chenheilung besteht typischerweise in der Resektion der
rung in kleinen Regionen trockenen Schorfs resultieren, Pseudarthrose, Reposition der angefrischten Fragmente
können häufig ohne Risiko beobachtet werden, bis das und Kompressionsosteosynthese mit Zugschrauben oder
Unterhautgewebe unterhalb der Nekrosen granuliert. einer Zuggurtung. Sowohl Reposition als auch Fixation
Falls sie nicht spontan abfallen, können sie dann pro- können problematisch sein, da die Knochenresorption
blemlos entfernt werden. Falls der Unfallchirurg oder or- erheblich und der metaphysäre Knochen deutlich er-
thopädische Chirurg keine Erfahrung im Umgang mit weicht sein können. Falls keine ausreichende Kompressi-
Weichteilkomplikationen hat, sollten größere Schorfarea- on der Fragmente erreicht werden kann, ist eine Spon-
le oder offene Wundrandnekrosen zur Konsultation eines giosaplastik indiziert; falls die Entscheidung für eine 32
plastischen Chirurgen veranlassen. Die Weichteile um das Spongiosaplastik fällt, kann Spongiosa z. B. aus der Tibia-
Sprunggelenk haben nur eine geringe Reservekapazität, metaphyse gewonnen werden.
weshalb fasziokutane Lappen oder Rotationslappen in Die operative Behandlung der Pseudarthrosen des Au-
dieser Region nur zur Deckung kleinerer Weichteildefek- ßenknöchels betrifft normalerweise Trümmerfrakturen
te geeignet sind. Bei größeren Weichteildefekten werden der Fibula mit einem Längenverlust. Die ausbleibende
eventuell freie mikrovaskulär angeschlossene Lappen Knochenheilung kann auch Folge einer begleitenden Syn-
notwendig. desmosenverletzung sein. Die Behandlung dieser Kompli-
kation macht die Wiederherstellung der Länge und die
878 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Fixation der Syndesmose erforderlich. Die Länge der Fi- tät, nichtsteroidalen Antirheumatika und intraartikulären
bula kann durch die inverse Verwendung des Platten- Injektionen von Kortisonpräparaten behandelt werden. In
spanners korrigiert werden, bis das Alignement zwischen einigen Fällen kann die Sprunggelenkarthroskopie zur
Außenknöchel und lateralem Talus korrekt eingestellt ist. Diagnostik und Therapie eingesetzt werden. Schwere For-
Um die korrigierte Länge zu halten, ist häufig ein trikor- men der Sprunggelenkarthrose werden durch Arthrode-
tikaler Beckenkammblock oder ein stabiles Allograft er- sen oder alternativ durch einen endoprothetischen Ge-
forderlich. lenkersatz behandelt.

Fehlverheilung Bewegungseinschränkung
Seit Vrahas et al. mit ihrer Arbeit aufzeigten, dass die Die persistierende Bewegungseinschränkung ist eine
Knochenheilung in Fehlstellung eine signifikante Beein- häufig diskutierte Komplikation der Sprunggelenkfraktur
trächtigung der Anpresskräfte des Gelenks zur Folge hat, und ihrer Behandlung. Die frühzeitige Mobilisation und
die zur Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose krankengymnastische Übungsbehandlung kann den Be-
führen kann (85), wird das Problem der Heilung in Fehl- wegungsumfang nach diesen Verletzungen verbessern.
stellung häufiger beachtet. Die Fehlheilung kann alle An- Die Mehrzahl der Patienten wird eine Einschränkung
teile des Sprunggelenks betreffen. Kenntnisse der „nor- der Beweglichkeit (Plantarflexion und Dorsalextension)
malen“ Anatomie und präoperative Planung ermöglichen im Vergleich zur unverletzten Seite zurückbehalten,
die Reduktion des Risikos einer Fehlheilung. Vergleichs- wobei diese Einschränkung die Aktivität meist nicht limi-
aufnahmen beider Sprunggelenke prä- und postoperativ tiert. Eine Narkosemobilisation des Gelenks oder eine of-
(das nichtbetroffene Bein kann ohne größere Probleme fene Arthrolyse werden bei Arthrofibrosen des Gelenks
unter der OP-Abdeckung rotiert werden, um die korrekte nur sehr selten erforderlich.
Bildverstärkereinstellung zu ermöglichen) können bei der
Umsetzung der angestrebten Rekonstruktion behilflich
Symptomatisches Osteosynthesematerial
sein.
Die Knochenheilung in Fehlstellung mit resultierender Laterale Platten mit schräg eingebrachten distalen
Subluxation oder Inkongruenz der Gelenke ist vermutlich Schrauben bereiten ebenso wie große mediale Schrauben
der bedeutendste Typ, da in diesen Fällen die Entwick- häufig Beschwerden. Die Platte an der Fibula posterior als
lung einer posttraumatischen Arthrose und der Verlust Antigleitplatte zu positionieren, kann bei Patienten mit
der Gelenkfunktion erwartet werden kann (86). Wenn dünnen Weichteilverhältnissen das Risiko für implantat-
aus einer Fehlverheilung eine Gelenkfehlstellung oder In- bedingte Beschwerden reduzieren. Bei Beschwerden
kongruenz resultiert, sollte eine Korrekturosteotomie kann die Mehrzahl der Implantate nach Ablauf eines Jah-
oder ein anderer korrigierender Eingriff erwogen werden res risikolos entfernt werden.
(36, 87–90). Vereinfacht dargestellt ist es das Ziel der
operativen Behandlung, die normale Anatomie und Kine-
Neuropraxie oder Neurome
matik des verletzten Gelenks wiederherzustellen. Eine
durchdachte Beschreibung der operativen Behandlung Neuropraxie entsteht durch die Dehnungsschädigung
von Frakturheilungen der Fibula in Fehlstellung wurde eines Nervs im Moment der Fraktur. Am häufigsten
von Geissler et al. erstellt (27). kommt diese Komplikation am lateral verlaufenden N.
peroneus superficialis vor. In diesem Fall erholt sich die
Sensibilität in nahezu allen Fällen. In Fällen, bei denen
Arthrose
sich der Nerv nur langsam erholt, kann eine Elektromyo-
Die Entwicklung einer Sprunggelenkarthrose ist meist grafie oder die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
Folge einer Fehlreposition, einer osteochondralen Läsion 6 – 12 Wochen nach der Verletzung durchgeführt wer-
(OCL) oder einer diffusen Knorpelverletzung, die im Mo- den, um das Ausmaß der Nervenschädigung zu doku-
ment der initialen Fraktur entsteht. Wie zuvor in diesem mentieren und die Prognose der Schädigung abzuschät-
Kapitel ausführlich besprochen, müssen besondere An- zen. Ein Neurom kann in einem Nerv entstehen, der kom-
strengungen unternommen werden, um eine Fehlreposi- primiert oder eingerissen ist. Im Rahmen der Operation
32 tion zu vermeiden. Falls Patienten 3 – 6 Monate nach der sind medial der N. saphenus und lateral der N. peroneus
initialen Versorgung noch Schmerzen haben und die superficialis gefährdet. Daher sollte im Rahmen der Inzi-
Röntgenaufnahmen keine Besonderheiten aufweisen, ist sion und Präparation auf den Verlauf dieser Nervenäste
eine weiterführende Diagnostik mit MRT und CT indi- geachtet werden. Auf Höhe des Sprunggelenks verlaufen
ziert, um das Gelenk auf osteochondrale Läsionen oder in diesen Nerven ausschließlich sensible Fasern, und in
Zeichen einer Chondromalzie zu untersuchen. Die aus- Fällen von persistierenden Schmerzen können diese ge-
führliche Diskussion der Behandlung von Sprunggelenk- schädigten Nerven durch Resektion des Neuroms und
arthrosen würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Versenkung des freien Stumpfes tief in der Muskulatur
Milde Formen können mit einer Modifikation der Aktivi- oder dem Fettgewebe behandelt werden.
Ergebnisse 879

nach Sprunggelenkfraktur und offensichtlich anatomi-


Osteochondrale Frakturen
scher Reposition sollte die weiterführende Diagnostik in
Es macht den Eindruck, dass chondrale und osteochon- Form der CT-Schnittbilddiagnostik veranlasst werden.
drale Frakturen im Rahmen von instabilen Sprunggelenk- Eine stabile, nichtdislozierte OCL sollte durch eine verlän-
frakturen sehr viel häufiger auftreten, als früher ange- gerte Phase der reduzierten Belastung in einer Orthese,
nommen wurde. Loren u. Ferkel haben bei 48 Patienten die Bewegungsübungen erlaubt, ohne weitere Maßnah-
mit instabilen Sprunggelenkfrakturen eine Sprunggelenk- men ausheilen. Eine instabile OCL macht entweder eine
arthroskopie durchgeführt und fanden bei 30 (63 %) trau- Resektion (Fragmente ohne oder mit minimaler knöcher-
matische Läsionen der Knorpeloberfläche größer als ner Schuppe) oder die offene Reposition mit resorbier-
5 mm, wobei solche chondralen Läsionen bei 9 der 12 Syn- baren oder kopflosen Schrauben erforderlich.
desmosenverletzungen vorkamen (91). Ono et al. arthro-
skopierten 105 Patienten mit operationsbedürftigen
Sprunggelenkfrakturen und fanden deutliche traumati- Ergebnisse
sche Knorpelschäden in 21 Fällen (20 %) von denen 8 Pa-
tienten freie Gelenkfragmente aufwiesen (92). Die Rönt- Die Mehrzahl der Patienten mit operativ behandelten
genaufnahmen müssen präoperativ sehr genau auf etwai- Sprunggelenkfrakturen können mit einer nahezu norma-
ge osteochondrale Läsionen (OCL) hin untersucht werden. len Funktion rechnen, Untersuchungen zeigen jedoch,
Wenn eine OCL vermutet wird, kann präoperativ eine CT- dass 17 – 24 % der Patienten ein unbefriedigendes Ergeb-
Untersuchung zusätzliche Informationen liefern, wobei nis erreichen. Kürzlich publizierte Studien haben gezeigt,
einschränkend festzustellen ist, dass auf konventionellen dass initiale Einschränkungen nach Sprunggelenkfraktu-
Röntgenaufnahmen lediglich dislozierte OCL feststellbar ren noch über einen längeren Zeitraum als früher ange-
sind. Intraoperativ lassen sich Anteile der Gelenkfläche nommen (bis zu 2 Jahre) Verbesserungen aufweisen kön-
über die Zugänge (z. B. im Rahmen der Innenknöchelosteo- nen (93, 94). Dennoch bleiben die „SF-36 physical func-
synthese) einsehen, und alle erreichbaren Gelenkanteile tion scores“ auch nach 2 Jahren unterhalb der Norm der
sollten auf solche Verletzungen hin untersucht werden. Normalbevölkerung (93). Negative Vorhersagewerte be-
Viele OCL werden erst in der postoperativen Phase fest- treffen den Frakturtyp (Syndesmose, Innenknöchel, hin-
gestellt. OCL können sich mehrere Monate nach der ei- teres Volkmann-Kantendreieck; 1, 95). Soziale Faktoren
gentlichen Verletzung durch die primäre Schädigung des wie Nikotin- und Alkoholabusus beeinflussen das Ergeb-
Gelenkknorpels entwickeln. Auch diese sekundären OCL nis nach instabilen Sprunggelenkverletzungen ebenso
sind auf konventionellen Röntgenbildern nur einge- wie das Bildungsniveau.
schränkt feststellbar. Bei persistierenden Beschwerden

Merke

■ Die tiefe Schicht des Deltabands ist die medial gelegene ■ Bei instabilen Sprunggelenkfrakturen finden sich osteo-
anatomische Struktur, die den Talus unter dem Tibiapla- chondrale Läsionen in 20 – 50 % der Fälle.
fond hält und die eine laterale Dislokation und Außenrota- ■ Traumatische osteochondrale Verletzungen kommen als
tion verhindert. Folge eines Impingements zwischen Talus und Tibia im
■ Das interossäre Band ist von den 4 Bändern der distalen Rahmen einer Inversionsfraktur an der lateralen Talus-
tibiofibularen Syndesmose der Anteil, der der primäre Sta- schulter häufiger vor.
bilisator gegen eine transversale Dislokation im distalen ■ Offene Sprunggelenkfrakturen werden routinemäßig mit
tibiofibularen Gelenk ist. Antibiose, notfallmäßiger Spülung und Débridement
■ Bei Dislokationen des lateralen Malleolus unter 2 mm und sowie primär offener Reposition und innerer Fixation be-
einem normalen „medial clear space“ ist die konservative handelt (außer bei stark kontaminierten Wunden).
Behandlung das Therapieverfahren der Wahl. ■ Möglicherweise änderbare soziale Faktoren wie Rauchen
■ Die konservative Behandlung von Innenknöchelfrakturen und Alkoholmissbrauch korrelieren mit einem schlechte-
führt zu einer Pseudarthroserate von 5 – 15 %. ren Ergebnis.
■ Eine Verletzung, bei der der anterolaterale Anteil der Tibia 32
am Ansatz der anterioren tibiofibularen Syndesmose in
das Frakturgeschehen mit eingeschlossen ist, wird Cha-
put-Fraktur genannt.
880 32 Sprunggelenkfrakturen und Luxationen

Inhalt der DVDs

Video 32-1 (DVD 4) Offene Reposition und innere Fixation Video werden der schonende Umgang mit dem Weichteil-
(ORIF) einer Sprunggelenkfraktur mit offenem Weichteil- gewebe, das Vorgehen bei einer Ausdehnung der Außenknö-
schaden. Dieses Video demonstriert die offene Reposition chelfraktur nach proximal und die Stabilisierung des Innen-
und interne Stabilisierung einer Weber-B-Fraktur mit offe- knöchels diskutiert.
nem Weichteilschaden bei Fraktur des Innenknöchels. Im

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32
Talusfrakturen 883

33 Frakturen des Fußes


T. G. Weber, D. S. Brokaw, A. Scharfenberger, J. S. Broderick
Übersetzer: J. von Recum

Komplexe Frakturen des Rückfußes, Mittelfußes und Vor- tarsi (A. tibialis anterior, A. tibialis posterior) bilden einen
fußes kommen häufig bei Unfallopfern vor und werden extraossären Gefäßring um den Talushals. Die A. delto-
zunehmend häufig als wichtige Determinante für das idea sprießt in das Lig. deltoideum ein und gibt von dort
Endergebnis erkannt. Wie in anderen Bereichen der Un- Äste an den Canalis tarsi (extraossär) und direkt an den
fallchirurgie hat das Verständnis für begleitende Verlet- medialen Taluskorpus ab (1–4). Nach Verletzungen sind
zungen des Weichgewebes ebenso wie die Entwicklung es häufig diese Äste, die die Blutversorgung des Talus
von speziellen Implantaten und ausgeklügelter operativer sicherstellen, weswegen besonderes Augenmerk auf den
Techniken zu einer Erweiterung der Indikationen zur Erhalt dieser Gefäße gelegt werden muss. Der Taluskopf
operativen Therapie der Fußverletzungen geführt. Dieses erhält den größten Teil der Blutversorgung, während die
Kapitel beschreibt die chirurgische Therapie von Fraktu- Versorgung des medialen Korpus eher gefährdet ist und
ren des Talus, des Kalkaneus, der Fußwurzel und des der laterale Korpus sowie die posterioren Tuberkel im
Vorfußes. Wesentlichen avaskulär sind. Trotz der großen Ausdeh-
nung der Gelenkflächen existieren beträchtliche, nicht-
gelenkbildende Flächen auf der lateralen Seite des Halses
Talusfrakturen und dem vorderen Anteil des Korpus. Diese Regionen
eignen sich für die Platzierung von Implantaten.
Talusfrakturen werden nach der Region der Verletzung 6
unterschiedlichen Gruppen zugeordnet: Biomechanik
■ Talushalsfrakturen,

■ Taluskorpusfrakturen, Das Subtalargelenk (unteres Sprunggelenk) funktioniert


■ Taluskopffrakturen, als Verbindung zwischen dem Fuß distal und dem Bein
■ Frakturen des Processus lateralis tali, proximal. Beim Aufsetzen der Ferse schwingt das Sub-
■ Frakturen des Processus posterior tali, talargelenk in den Valgus, wobei das Fersenbein in Ever-
■ osteochondrale Frakturen. sion steht. Distal resultiert hieraus die „Entkopplung“ der
Chopart-Gelenkreihe. Diese Entkopplung gibt dem Längs-
Jeder Typ bedarf eines anderen Therapieansatzes. bogen Flexibilität und unterstützt passiv die Absorption
der Kraft, die beim Aufsetzen der Ferse auf den Fuß über-
tragen wird. Während des Wechsels vom flachen Fußauf-
Anatomie
tritt zum Abstoß der Zehen, führt das Subtalargelenk eine
Der Talus weist einige anatomische Besonderheiten auf. Inversionsbewegung durch, während der Kalkaneus in
Er ist in 3 unterschiedliche Teile aufgeteilt: eine Varusposition wechselt. Diese Inversion verleiht der
■ Taluskorpus, Chopart-Gelenkreihe Stabilität und verwandelt die Fuß-
■ Talushals, wurzel in ein rigides Konstrukt, das in der Lage ist, das
■ Taluskopf. Körpergewicht aufzunehmen (5). Es existiert ein direkter
Zusammenhang zwischen Varusmalalignement des Talus
Er bildet Gelenkflächen zu 4 Knochen aus: und reduzierter Beweglichkeit des Subtalargelenks. Bei
■ Fibula, varischer Position des Talus, wie sie typischerweise in
■ Tibia, der Varusfehlstellung gesehen wird, ist das Subtalargelenk
■ Navikulare, verriegelt und das Ausmaß der Eversion verringert. Dies
■ Kalkaneus. führt zu einem rigiden Fuß, der in seiner Funktion als
Stoßdämpfer beim Fersenauftritt eingeschränkt ist (6, 7).
Am Talus selbst setzen keine Sehnen an. Mehr als 60 %
der Oberfläche des Talus sind Gelenkflächen, sodass
seine Blutversorgung eingeschränkt ist. Der Chirurg
muss gute Kenntnisse über die Blutversorgung des Talus 33
besitzen, sodass eine zusätzliche iatrogene Schädigung
vermieden werden kann. Gefäßäste erreichen den Talus
aus der A. tibialis anterior, der A. tibialis posterior und
der A. fibularis. Die A. canalis tarsi (ein Ast aus der A.
deltoidea aus der A. tibialis posterior) und die A. sinus
884 33 Frakturen des Fußes

durchgeführt wird, sollte der initiale Spitzfuß nach 4 Wo-


Talushalsfrakturen
chen zumindest teilweise redressiert werden. Nach 8
Klassifikation Wochen sollte der Gips entfernt werden und eine funk-
tionelle Behandlung mit Bewegungsübungen starten. Für
Talushalsfrakturen werden nach Hawkins in 3 Typen un- die Dauer von 12 Wochen wird üblicherweise Entlastung
terteilt (Abb. 33.1; 8). empfohlen, bei Hawkins-I-Frakturen kann ab der 8.
■ Hawkins-I-Frakturen sind undisloziert, Woche bis zum Abschluss der 12. Woche teilbelastet wer-
■ Hawkins-II-Frakturen sind disloziert mit Subluxation den.
im Subtalargelenk,
■ Hawkins-III-Frakturen sind durch teilweise oder voll-
Indikationen zur operativen Therapie
ständige Luxationen sowohl im Subtalar- als auch Ti-
biotalargelenk klassifiziert. Die operative Behandlung von Talushalsfrakturen sollte
in allen Fällen, auch bei undislozierten Typ-Hawkins-I-
Canale u. Kelly erweiterten diese Klassifikation um einen Frakturen, in Erwägung gezogen werden. Ohne operative
vierten Typ, bei dem es sich um eine Hawkins-III-Fraktur Stabilisierung kann keine frühfunktionelle Behandlung
mit zusätzlicher Dislokation des Talonavikulargelenks eingeleitet werden. Während der Gipsanlage besteht das
handelt (9). Die Klassifikation nach Hawkins korreliert Risiko der Frakturdislokation, wenn das obere Sprung-
mit dem Risiko, eine avaskuläre Knochennekrose (AVN) gelenk in Neutralposition ruhiggestellt wird (11–13). Da-
zu entwickeln. Aktuellere Untersuchungen mit Patienten, rüber hinaus lässt sich das Ausmaß der Dislokation des
die mit verbesserten Operationsmethoden und Fixations- Talushalses sowohl anhand konventioneller Röntgenbil-
techniken versorgt wurden, weisen bessere, als die von der als auch mittels Computertomografie (CT) nur schwer
Hawkins publizierten Ergebnisse auf. beurteilen. In vielen Fällen zeigt sich im Rahmen der of-
fenen Reposition, dass die Frakturen wesentlich stärker
Konservative Therapie disloziert sind, als präoperativ angenommen. Zudem be-
wirkt bereits eine geringfügige Fehlverheilung einen
Die konservative Therapie der Talushalsfrakturen ist häu- deutlichen Verlust an Beweglichkeit im Subtalargelenk
fig nicht optimal und voller Fehlermöglichkeiten. Sie (14). Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen sollte
kann bei undislozierten Talushalsfrakturen (Typ Hawkins die operative Therapie für alle Talushalsfrakturen emp-
I) in Betracht gezogen werden. Bei polytraumatisierten fohlen werden.
Patienten oder Frakturen mit begleitendem schwerem
Weichteilschaden ist die geschlossene Reposition einer
dislozierten Talushalsfraktur (S. 886) gelegentlich not-
Operative Therapie
wendig und vorzuziehen. Da Talushalsfrakturen häufig
OP-Setup und Patientenlagerung
aus Dorsalflexionstraumen resultieren, wird für die Gips-
anlage eine Plantarflexionsstellung vorgeschlagen, um Der OP-Tisch sollte strahlendurchlässig, die Beinplatten
eine Dislokation der Talushalsfraktur zu vermeiden (10). ohne Stütze am Fußende sein. Der Patient sollte so auf
Diese Gipsbehandlung führt zu einer Spitzfußstellung dem OP-Tisch platziert werden, dass die Füße mit dem
und einer eingeschränkten Beweglichkeit speziell des OP-Tischende abschließen. Anlage einer Oberschenkel-
Subtalargelenks. Wenn eine konservative Behandlung blutsperre. Die verletzte Seite wird mittels Sandsack auf

33

a b

Abb. 33.1 Talushalsfrakturen. a Typ Hawkins II.


b Typ Hawkins III.
Talusfrakturen 885

Höhe des Beckens unterstützt, sodass die betroffene Seite


angehoben, das Bein dadurch einwärts gedreht wird und
die Patella exakt nach oben zeigt. Dies erleichtert die
intraoperative Bildgebung. Der Bildverstärker wird auf
der gegenüberliegenden Seite aufgestellt. Der Patient
wird bis oberhalb des Kniegelenks abgewaschen und ste-
ril abgedeckt, die Zehen sollten mit einem Okklusivver-
band bedeckt werden. Regelmäßig erfolgt eine einmalige
intravenöse Gabe eines Antibiotikums (Single Shot).

Operativer Zugang
Die meisten Talusfrakturen werden durch 2 operative Zu-
gänge behandelt (Video 33-1, DVD 4). Wenn die Weich-
teilverhältnisse einen Zugang auf dem Fußrücken nicht
zulassen, kann manchmal die Verschraubung von poste-
rior nach anterior über einen posterioren Zugang not-
wendig sein. Alle Zugänge zum Talus werden in diesem
Kapitel beschrieben.

Doppelinzisionenzugang. Die mediale Inzision liegt in der


Mitte zwischen den Sehnen des M. tibialis anterior und
M. tibialis posterior. Sie beginnt einige Zentimeter vor
dem Innenknöchel und endet knapp distal des Os navi- Abb. 33.2 Postoperatives Bild nach Reposition des Talus über
culare (Video 33-1, DVD 4). Das Subkutangewebe wird zwei Inzisionen. Der Wundverschluss wurde mit nichtresorbier-
barem Nahtmaterial (Nylon) durchgeführt.
gespalten, wobei sorgfältig darauf geachtet werden
muss, die V. saphena nicht zu verletzen, da dies zu aus-
geprägten postoperativen Schwellungen führen kann.
Falls notwendig wird die Kapsel des oberen Sprung- bricht. Diese Form der Osteotomie ermöglicht zum einen
gelenks eröffnet. Die Eröffnung mit dem Skalpell ist eine stabile Rekonstruktion, zum anderen eine gute Über-
dem Elektrokauter vorzuziehen, da das Verletzungsrisiko sicht über den Taluskorpus. Alternativ kann eine schräge,
für den Gelenkknorpel dadurch geringer ist. Der Zugang im 45°-Winkel absteigende Osteotomie gewählt werden.
wird dann bis auf die Tibia und das Os naviculare erwei- In beiden Techniken ist es vorteilhaft, die Osteotomie
tert, wobei die Weichgewebsansätze ober- und unterhalb nicht vollständig mit der Säge auszuführen, sondern die
des Talushalses erhalten bleiben müssen, um die Blutver- letzte Brücke zur Gelenkfläche zu brechen. Dies ermög-
sorgung nicht zusätzlich zu beeinträchtigen. Die antero- licht die exaktere Reposition des Innenknöchels am Ende
laterale Inzision liegt zwischen den Sehnen des M. pero- der Osteosynthese. Das Vorlegen der Bohrlöcher im me-
neus tertius und des M. extensor digitorum longus. Sie dialen Malleolus vor der Osteotomie ist nicht notwendig
beginnt oberhalb des oberen Sprunggelenks und dehnt oder vorteilhaft für die Osteosynthese, da es häufig
sich distal auf den Mittelfuß aus (Abb. 33.2; Video 33-1, schwierig ist, das Pilotloch im Innenband aufzufinden.
DVD 4). Der N. peroneus superficialis kreuzt den Zugang Die Osteotomie wird mittels 3,5-mm-Kortikalisschrauben
und sollte dargestellt und geschont werden. Üblicherwei- (vom Autor bevorzugt) oder 4,0-mm-Spongiosazug-
se finden sich im Subtalargelenk Fragmente, weswegen schrauben fixiert.
die Darstellung bis zum unteren Sprunggelenk ausgewei-
tet werden sollte, um den Gelenkraum einzusehen und Posteriorer Zugang. Dieser Zugang eignet sich nicht zur
zu débridieren. Diese beiden Inzisionen werden wechsel- Reposition der Fraktur und ist nur notwendig zur Platzie-
seitig verwendet, um die Fraktur anatomisch korrekt ein- rung der Schrauben von posterior nach anterior. Die
zurichten und stabil zu fixieren. Hautinzision wird knapp posterior der Halbierenden zwi-
schen Achillessehne und Außenknöchel angelegt. Der N.
Osteotomie des Innenknöchels. Gelegentlich, insbesonde- suralis sollte dargestellt und geschont werden. Die Prä-
re bei Hawkins-III-Frakturen ist eine Osteotomie des In- paration in die Tiefe erfolgt im Intervall zwischen den
nenknöchels notwendig. Abb. 33.3 gibt schematisch die Peronealsehnen und der Sehne des M. flexor hallucis lon- 33
V-förmige (Chevron) Osteotomie wieder. Die Osteotomie gus. Über diesen Zugang ist der posteriore Talus erreich-
beginnt mit einem horizontalen Sägeschnitt parallel zum bar.
Tibiaplafond ungefähr 1 cm proximal zur Gelenkfläche.
Mit dem Meißel wird die zweite, dazu senkrechte Osteo-
tomie angelegt, sodass der Knöchel zur Gelenkoberfläche
886 33 Frakturen des Fußes

Tibia

horizontaler erster
Schnitt horizontaler
Knochenschnitt

mm mm

Gelenk-
knorpel

zweiter
Talusfraktur vertikaler
a
Knochenschnitt
mit dem Meißel

Abb. 33.3 Darstellung der Schritte zur Anlage einer Chevron-Osteotomie


des Innenknöchels.
a Zur Anlage der horizontalen Osteotomie ca. 1 cm oberhalb der Gelenk-
fläche wird eine kleine oszillierende Säge verwendet.
Osteotom b Die vertikale Osteotomie wird unter Verwendung eines kleinen geraden
Meißels oberhalb des subchondralen Knochens im medialen Winkel der
Sprunggelenkgabel angelegt.
c Ein breiterer Meißel wird in den ersten, horizontalen Osteotomiespalt
Fraktur
eingebracht und die Osteotomie in das Gelenk gebrochen, wodurch kein
im Knochen
Knochenverlust entsteht.

Plantarflexion erforderlich ist. Inversion oder Eversion


Operationstechnik
des Rückfußes kann zur Korrektur einer Varus- oder Val-
Perkutane Therapie gusabweichung (z. B. mediale oder laterale Translation)
erforderlich sein. An dieses Manöver schließt sich eine
Die perkutane Therapie der Talushalsfrakturen ist selten axiale Kompression und Rückführung des Fußes in die
indiziert. Sie impliziert, dass eine geschlossene Repositi- Neutralposition an. Die Frakturreposition sollte im OP
on gelingt, was äußerst schwierig ist. Daher ist die per- durchgeführt werden, da es evtl. mehr als eines Versuchs
kutane Osteosynthese den Situationen vorbehalten, in bedarf, bis ein zufriedenstellendes Repositionsergebnis
denen die Weichteilsituation oder der Allgemeinzustand erreicht wird. Wenn die definitive Stabilisierung zurück-
des Patienten eine definitive chirurgische Stabilisierung gestellt werden muss, sollte eine temporäre Stabilisie-
33 für einen signifikanten Zeitraum ausschließt. Die Technik rung angestrebt werden. Unter Durchleuchtungskontrolle
der geschlossenen Reposition wird anhand der Röntgen- werden Kirschner-Drähte lateral der Achillessehne einge-
bilder und CT-Untersuchung geplant und der Richtung bracht, vom posterioren Talus nach anteromedial zielend
der Dislokation angepasst. In den meisten Fällen ist der zentral durch den Talushals in das Zentrum des Talus-
Talushals nach dorsal disloziert, sodass für die Reposition kopfs positioniert. Falls die Situation es erfordert, können
der Fehlstellung eine Kombination aus Distraktion und die Kirschner-Drähte durch den Taluskopf in das Naviku-
Talusfrakturen 887

lare platziert werden, um mehr Stabilität und zusätzli-


chen Halt im Knochen zu erhalten.
Die Kirschner-Drähte von posterior nach anterior ein-
zubringen hat den Vorteil, dass die Eintrittspunkte der
Drähte von den späteren Zugangswegen für eine defini-
tive Versorgung entfernt liegen. Die Drähte können per-
kutan ausgeleitet bleiben oder subkutan versenkt wer-
den. Alternativ kann eine definitive Versorgung mit ka-
nülierten Schrauben durchgeführt werden, falls eine spä-
tere offene Reposition und innere Fixation (ORIF) nicht
möglich erscheint. Eine kurze Inzision wird posterolateral
des Sprunggelenks angelegt, und ein Führungsdraht aus
dem Set der 6,5 oder 7,3 mm durchbohrten Schrauben
wird wie oben beschrieben eingebracht. Der Führungs-
draht wird so weit wie möglich inferior zum Taluskorpus
eingebracht, um das Impingement zwischen Schrauben-
kopf und Tibiahinterkante während der Plantarflexion zu
reduzieren, da sich daraus ansonsten eine Funktionsein-
schränkung ergeben würde. Da die Knochenstruktur des Abb. 33.4 Seitliches Röntgenbild nach Osteosynthese einer
Taluskorpus im Zentrum recht dicht ist, sollte der Draht Talushalsfraktur. Beachte, dass die unteren Talusanteile zur Ori-
überbohrt werden, um ein Gleitloch im Taluskorpus zu entierung der Reposition verwendet wurden und dorsal ein
Defekt verblieben ist.
erhalten. Vor der Bohrung muss mindestens ein weiterer
Draht eingebracht werden, um einen Repositionsverlust
während des Einbringens der Schraube zu vermeiden.
Nach der Schraubenfixation sollte die Funktion der Groß-
zehe in Extension und Flexion überprüft werden, um
eine Fixation der Sehne des Flexor hallucis longus durch
die Schraube auszuschließen.

Offene Therapie
Reposition. Da es sich bei dem Mechanismus, der zu Brü-
chen des Talushalses führt üblicherweise um Extensions-
verletzungen handelt, befinden sich dorsal häufig Trüm-
merzonen. Das Ziel der Behandlung ist die anatomische
Reposition des Talushalses. Mit der Zunahme der Trüm-
merzone wird die Reposition zunehmend anspruchsvol-
ler. Da die inferiore Oberfläche des Talus unter Zugbelas-
tung frakturiert, ist sie selten zertrümmert und kann als Abb. 33.5 Canale-Projektion der Standardversorgung einer
Orientierung für die Qualität der Reposition benutzt wer- Talusfraktur mit medial eingebrachten Schrauben und lateraler
den (Abb. 33.4). Für die anatomische Reposition des Ta- Plattenlage.
lushalses sowohl medial als auch lateral ist es von ent-
scheidender Bedeutung beide Zugänge zu verwenden
(Video 33-1, DVD 4). Wenn die Reposition medial ana- Ideal hierfür ist ein Arthrodesespreizer, der zwischen den
tomisch erscheint, findet sich als Folge einer Rotation Gelenkflächen der Tibia und der hinteren Facette des
der Fragmente lateral häufig noch ein Versatz von meh- Kalkaneus eingesetzt wird. So kann der Raum distrahiert
reren Millimetern. Die einzige Möglichkeit der Repositi- werden, ohne die Bewegungen in allen 4 Ebenen (Flexi-
onskontrolle ist die simultane Darstellung sowohl medial on, Extension, Inversion und Eversion) einzuschränken.
als auch lateral. Entweder 1,5-mm-Kirschner-Drähte oder Dieser Bewegungsspielraum ist häufig erforderlich, um
2,5-mm-Schanz-Schrauben sind als Joysticks bei der Re- den Talus in die Knöchelgabel zu reponieren. Ein
position der Fragmente hilfreich. Hawkins-III-Frakturen Schwamm oder eine Kompresse schützen dabei die Ge-
stellen eine besondere Herausforderung dar, da sie so- lenkflächen vor den Branchen des Arthrodesespreizers. 33
wohl im oberen Sprunggelenk als auch dem Subtalar- Alternativ kann die Distraktion über einen im Kalkaneus
gelenk luxiert stehen. Um die Reposition des Talus bei platzierten Steinmann-Nagel mit zentralem Gewinde er-
diesen schweren Verletzung zu erleichten, ist es hilfreich reicht werden, wobei der Zug über einen Distraktions-
den Raum zwischen Tibia und Kalkaneus zu distrahieren. bügel oder ein Dreibackenfutter am T-Handgriff manipu-
liert wird. Häufig kann die Reposition erst durch die An-
888 33 Frakturen des Fußes

lage einer Innenknöchelosteotomie erreicht werden. Als


Repositionshindernis finden sich oft die posteromedialen
Sehnen sowie das Gefäß-Nerven-Bündel, die in den meis-
ten Fällen über diesen Zugang erreichbar sind. Selten ge-
lingt die Reposition auch mit dieser medialen Zugangs-
erweiterung nicht, sodass ein direkter dorsaler Zugang
erforderlich ist. Da sich das Gefäß-Nerven-Bündel in die-
sen Fällen nicht am angestammten anatomischen Platz
befindet, ist die sichere Identifikation der neurovaskulä-
ren Strukturen und ihr Schutz zwingend erforderlich.

Osteosynthese. Wenn die anatomische Reposition er-


reicht ist, kann das Repositionsergebnis vorübergehend
mit Kirschner-Drähten gehalten werden. Für die definiti-
ve Stabilisierung werden meist Schrauben alleine oder in
Kombination mit Platten verwendet (Video 33-1, DVD 4).
a b
Medial wird üblicherweise eine 2,7- oder 3,5-mm-
Schraube von distal medial retrograd in den Taluskorpus Abb. 33.6 Postoperative Aufnahmen des Talus, die eine von
eingebracht. In der Mehrheit der Fälle werden die posterior nach anterior und zwei von anterior nach posterior
Schrauben durch den Taluskopf eingebracht und unter verlaufende Schrauben zeigen. Beachte, dass Schrauben aus
das Knorpelniveau versenkt. Um den Eintrittspunkt zu dem 3,5-mm-Kleinfragmentinstrumentarium verwendet und
erreichen, muss der Vorfuß im Chopart-Gelenk abduziert die Köpfe versenkt wurden.a Seitliche Projektion.
b A.–p. Projektion.
werden. Im Anschluss sollte ein Impingement der Schrau-
be im Talonavikulargelenk durch Überprüfung der trans-
versalen Bewegung ausgeschlossen werden. Liegen Trüm-
merzonen entweder isoliert oder kombiniert medial und
superior vor, wird die Schraube als Stellschraube und schräge Einstellung des Canalis tarsi. Über diese Einstel-
nicht als Zugschraube eingebracht (Abb. 33.5). Wenn er- lung kann die Rate an sicher platzierten Schrauben er-
forderlich, kann eine zweite parallele Schraube unmittel- höht werden.
bar unterhalb der ersten Schraube eingebracht werden. Die Beurteilung der Repositionsgüte und der Implan-
Wenn 2 mediale Schrauben verwendet werden, ist es tatlage kann in der intraoperativen 2-dimensionalen
sinnvoll zunächst die inferiore Schraube im subchondra- Bildverstärkerkontrolle problematisch sein. Seit 2001 be-
len Knochen entlang des Subtalargelenks zu platzieren. steht die Möglichkeit der intraoperativen 3-dimensiona-
Im Anschluss an die mediale Fixation wird die Osteosyn- len Bildgebung knöcherner Strukturen über mobile Bild-
these lateral vervollständigt. verstärkersysteme. Die Auswertung eigener Unter-
Wenn antegrade von posterior nach anterior im Talus suchungen aus 10 Jahren routinemäßiger Anwendung
eingebrachte Schrauben verwendet werden, ist es wich- hat revisionsbedürftige Befunde bezüglich der Reposition
tig, die Schraubenköpfe unter das Knorpelniveau zu ver- oder der Implantatlage trotz unauffälliger 2-dimensiona-
senken, um zu vermeiden, dass die Schrauben die OSG- ler Bildgebung in 13,3 % der Fälle ergeben. Durch die in-
Beweglichkeit, insbesondere die Plantarflexion, blockie- traoperative 3D-Bildgebung konnten in diesen Fällen not-
ren. Obwohl 4,5- und 6,5-mm-Schrauben empfohlen wer- wendige Korrekturen sofort erfolgen und Revisionsopera-
den, ist es einfacher kleinere 3,5-mm-Schrauben zu ver- tionen zu einem ungünstigeren Zeitpunkt vermieden
senken. Die Trajektorie der Schrauben muss die Konkavi- werden (Anmerkung des Übersetzers).
tät des Subtalargelenks und die Konvexität des Talonavi- Wenn sich die Frakturlinien bis in die Talusschulter
kulargelenks berücksichtigen. Eine Penetration eines die- (Übergangszone zwischen Talushals und Taluskorpus)
ser Gelenke durch die Schrauben hat verhängnisvolle Fol- ausdehnt, erreicht man über die alleinige Fixation mit
gen (Abb. 33.6). Ebenso ist es wichtig zu beachten, dass Schrauben häufig noch eine ausreichende Stabilität.
Talushals und Taluskopf nur die medialen ⅔ des Talus- Wenn sich die Frakturzone weiter distal entlang des Ta-
korpus überdecken. Schrauben, die von posterior nach lushalses befindet oder wenn die dorsale Trümmerzone
anterior eingebracht werden, müssen deshalb in der ko- zunimmt, können Platten für die definitive Stabilisierung
ronaren Ebene von lateral nach medial auf die Großzehe nützlich sein. Eine 2,0-mm-T-Platte aus dem Minifrag-
33 gezielt werden, um die laterale Taluswand und den Sinus mentinstrumentarium ist für diesen Zweck ideal geeig-
tarsi nicht zu verletzen. Zur exakten fluoroskopischen net. Dafür wird das Plattenende entweder um ein Loch
Darstellung sind intraoperativ Bildverstärkeraufnahmen gekürzt oder das letzte Loch zu einem Haken umgebogen.
in verschiedenen Projektionen erforderlich. Notwendig Dieser Haken wird auf der Talusschulter platziert und der
sind die Einstellungen: Sprunggelenk a.–p. (Mortise T-Schenkel zum Taluskopf ausgerichtet. Alternativ kön-
View), Talus streng seitlich, dorsoplantarer Fuß und eine nen Minikondylenplatten aus dem Handinstrumentarium
Talusfrakturen 889

verwendet werden. Beim Einbringen der Schrauben muss


Rehabilitation
entsprechende Sorgfalt angewendet werden. Insbesonde-
re bei den am weitesten distal durch den T-Schenkel der Unmittelbar postoperativ wird ein gut gepolsterter Un-
Platte eingebrachten Schrauben besteht das Risiko einer terschenkelsplint angelegt. Wenn keine Bedenken
Perforation des Talonavikulargelenks auf der medialen wegen der Wundheilung bestehen, darf der Patient ab
Seite. Die distale Schraube sollte nach anterior gerichtet dem ersten postoperativen Tag das Training mit Unter-
werden, um auf Höhe des Taluskopfs extraartikulär zu armgehstützen aufnehmen. Die Belastung des verletzten
liegen. Auch medial können Platten verwendet werden, Beines ist für mindestens 8 – 12 Wochen untersagt. Bis
wobei dabei das Risiko einer Verletzung der Gefäßversor- zur Entfernung der Hautfäden nach 10 – 14 Tagen wird
gung des Talus besteht. Medial wird die Platte unterhalb die Ruhigstellung im Splint fortgesetzt. Im Anschluss wer-
und distal der Gelenkfläche des Taluskorpus platziert und den ein abnehmbarer Splint und ein Kompressions-
sollte distal bis an die Gelenkfläche des Taluskopfs heran- strumpf angelegt (Abb. 33.7) und die Bewegung des obe-
reichen. ren und unteren Sprunggelenks freigegeben. Wenn das
Frakturmuster stabil ist, kann nach 8 Wochen ein abge-
Wundverschluss. Nach Wundspülung wird eine Drainage stuftes Programm zur Belastungssteigerung, beginnend
eingelegt. Ein Verschluss der Faszie kann erfolgen, Sub- mit 20 kg Teilbelastung und einer wöchentlichen Steige-
kutannähte werden vermieden, da sie Hautnerven verlet- rung um 10 kg, eingeleitet werden. Liegt eine dorsale
zen können oder die Blutversorgung der Haut auf ihrem Trümmerzone vor oder bestehen Bedenken bzgl. der Sta-
Weg durch das subkutane Gewebe zu den Wundrändern bilität der Osteosynthese, sollte die Belastungssteigerung
kompromittieren können. Die Inzision wird mit mono- erst nach 3 Monaten erfolgen. Im Zeitraum zwischen der
filem, nichtresorbierbarem Nahtmaterial der Stärke 4-0 8. und 12 Woche kann die Therapie im Bewegungsbad
verschlossen. Als Verband wird z. B. Xeroform alleine wertvolle Unterstützung leisten.
oder Adaptic getränkt in Betadine verwendet. Das
Sprunggelenk wird in einem gut gepolsterten Splint ru-
Neue Techniken
higgestellt.
Talushalsfrakturen wurden traditionell mit Schraubenos-
teosynthesen versorgt. Die Verwendung von Platten, wie
Tipps und Tricks
sie bereits beschrieben wurde, stellt eine neuere Technik
■ Verwende die untere Fläche des Talus für die Über- dar, die ihren Nutzen bei Trümmerfrakturen und bei os-
prüfung der Güte deiner Reposition, da sie üblicher- teopenie-/osteoporoseassoziierten Frakturen hat.
weise keine Trümmerzone aufweist.
■ Denke daran das Subtalargelenk auszuräumen.
Ergebnisse
■ Bei Talushalsfrakturen vom Typ Hawkins III ist die
Innenknöchelosteotomie sehr hilfreich. Plattenos- Die mittel- und langfristigen Ergebnisse nach Talushals-
teosynthesen sollten häufiger in Betracht gezogen frakturen sind schlecht dokumentiert. Vallier et al. be-
werden, um eine stabilere Osteosynthese zu errei- richteten kürzlich über die Ergebnisse der operativen
chen. Die laterale Seite des Talushalses und der Therapie bei 102 Talushalsfrakturen; 60 Patienten konn-
Schulter ist keine Gelenkfläche und hervorragend ten nach einer durchschnittlichen Zeitspanne von 3 Jah-
zur Platzierung von Platten geeignet. ren postoperativ nachuntersucht werden (15). Die funk-
tionellen Ergebnisse wurden mit dem „Foot Funktion In-
dex“ (FFI) und „Musculoskeletal Funktion Assessment“
(MFA) erhoben. Mit beiden Skalen wurde ein signifikan-
ter Funktionsverlust beobachtet. Nach beiden Skalen
waren Trümmerzonen mit einem schlechten Ergebnis
vergesellschaftet, während Faktoren wie Alter, Hawkins-
Klassifikation oder begleitende Taluskorpusfrakturen das
Ergebnis nicht beeinflussten. Basierend auf normativen
Werten des MFA hatten die Patienten mit Talushalsfrak-
turen dieser Untersuchung ein schlechteres Ergebnis als
Patienten mit Frakturen des Rückfußes, des Sprung-
gelenks oder des Ober- und Unterschenkels.
33
Komplikationen

Abb. 33.7 Postoperativ werden eine abnehmbare Unterschen- Komplikationen nach Talushalsfrakturen beinhalten Os-
kellagerungsschiene und ein elastischer Strumpf zur Nach- teonekrosen oder avaskuläre Knochennekrosen (AVN) des
behandlung angelegt. Taluskorpus, verzögerte, ausbleibende Knochenheilung,
890 33 Frakturen des Fußes

Knochenheilung in Fehlstellung und Arthrosen des unte- berichtet, Arthrosen des oberen Sprunggelenks in 33 %
ren oder oberen Sprunggelenks (6, 12, 16–23). Von diesen der Fälle. Beide Gelenke sind bei bis zu 25 % der Patienten
Komplikationsmöglichkeiten findet die Osteonekrose die betroffen. Selektive Injektionen mit einem Lokalanästhe-
meiste Beachtung. Unter dem sogenannten „Hawkins- tikum sind hilfreich bei der Evaluation von Rückfuß-
Zeichen“ versteht man eine Zone von erhöhter Strahlen- schmerzen nach Talusfrakturen. Subtalararthrosen kön-
transparenz unmittelbar unterhalb der Gelenkfläche des nen häufig ohne Operation erfolgreich mit einer UCBL-
Talusdoms, die typischerweise nach 6 – 8 Wochen auf der Orthese (University of California at Berkeley Laboratory)
a.–p. Aufnahme des Sprunggelenks festgestellt wird. Es ist behandelt werden. Gelegentlich können Schmerzen bei
ein Beweis für die Revaskularisation des Talus und ein OSG-Arthrosen mit einer Sprunggelenkorthese (AFO) ge-
prognostisch günstiges Zeichen. Fehlt das Hawkins-Zei- bessert werden. NSAR und eine Reduktion des Aktivitäts-
chen, sollte man mit einer AVN rechnen. Die Gesamtinzi- levels helfen die Schmerzen zu reduzieren und schonen
denz für das Auftreten einer AVN liegt zwischen 13 und diese beiden wichtigsten Rückfußgelenke. Wenn die kon-
69 % (8, 9, 11, 16, 18, 24–28), wobei die zwei größten servative Behandlung nicht erfolgreich ist, ist der Versuch
Serien Nekrosen in 21 % (18) und 58 % (8) angeben. Grob zumindest eins dieser Gelenke zu retten für die Gesamt-
et al. führen ihre niedrige Inzidenz von AVN (13 %) auf funktion des Patienten wertvoll.
ihre stabile innere Fixierung zurück (25). Die Hawkins- Verzögerte, ausbleibende oder Fehlverheilung des
Klassifikation korreliert mit dem Auftreten von AVN. Für Talus kommen relativ selten vor. Eine verzögerte Kno-
Hawkins-I-Frakturen wurde berichtet, dass 13 % eine AVN chenheilung wird in 13 % berichtet (28), die Entstehung
entwickeln, im Fall von Hawkins-II-Frakturen waren dies von Pseudarthrosen in 4 % (18). Pseudarthrosen sind ge-
20 – 50 %, bei Hawkins-III-Frakturen 69 – 100 %. Es scheint wöhnlich mit einem kurzen Talushals und einer Adduk-
keine Korrelation zwischen dem Operationszeitpunkt tionsdeformität des Vorfußes vergesellschaftet (16). Für
und dem Risiko der Entwicklung einer AVN zu geben die Rekonstruktion einer Talushalspseudarthrose wird
(15). Wenn eine AVN aufgetreten ist, besteht kein Kon- regelhaft ein trikortikaler Beckenkammspan für die Wie-
sens wie viel Belastung erlaubt werden soll. Ohne einen derherstellung der Länge und des Knochenstocks sowie
Nachweis, dass Belastung schädlich ist, sollte sich die Be- zur Induktion der Knochenheilung benötigt. Fehlheilun-
lastung an der Frakturheilung und nicht am Nachweis gen sind zumeist Folge einer übersehenen Fraktur. Eine
oder Ausschluss einer AVN orientieren. Allerdings ist es weitere Ursache für die Frakturheilung in Fehlstellung ist
klug bei AVN Stoßbelastungen zu vermeiden. Nach Erfah- eine unzureichende Reposition während der Operation
rung des Autors betrifft die AVN bei Talushalsfrakturen oder ein sekundärer Repositionsverlust in der postopera-
selten den gesamten Korpus, sondern ist häufig lokal be- tiven Phase. Die beiden letztgenannten Ursachen sind
grenzt (29). In der Mehrheit der Fälle sind die Patienten unter unserer direkten Kontrolle und sollten nur äußerst
asymptomatisch, selbst exzellente Ergebnisse können be- selten als Ursache für eine Fehlheilung vorkommen.
obachtet werden (17, 24, 26, 28). Wenn die Nekrose zum
Zusammenbruch des Talus führt oder die AVN sympto-
Taluskorpusfrakturen
matisch wird, können weitere Behandlungsmaßnahmen
erforderlich werden (Abb. 33.8). Frakturen des Taluskorpus können bei mehreren ver-
Arthrosen des unteren und oberen Sprunggelenks sind schiedenen Frakturmustern vorkommen. Die Ausrichtung
häufige Komplikationen nach Talushalsfrakturen mit In- der primären Frakturlinie kann dabei in der koronaren,
zidenzen zwischen 47 und 97 % (18, 28). Über Arthrosen sagittalen oder horizontalen Ebene verlaufen. Konventio-
des unteren Sprunggelenks wurde in bis zu 50 % der Fälle nelle Röntgenaufnahmen in Standardprojektionen sind
für die primäre Diagnose der Verletzung erforderlich.
Wann immer möglich, sollte eine CT-Untersuchung
durchgeführt werden, da hierdurch das Verständnis für
das Gesamtausmaß der Fraktur mit allen Frakturlinien
verbessert wird und damit eine Planung der einzelnen
Schritte für die Reposition ermöglicht wird.

Klassifikation
Es existieren Klassifikationen für die Taluskorpusfraktu-
ren, aufgrund der niedrigen Inzidenz dieser Verletzung
33 sind sie aber nicht sehr gut bekannt. Die einfachste Klas-
sifikation teilt die Korpusfrakturen in 3 Gruppen:
■ Gruppe I: alle Frakturen mit Beteiligung des Korpus

ohne Berücksichtigung der Richtung der Frakturlinien,


■ Gruppe II: alle Frakturen des Processus lateralis oder

Processus posterior,
Abb. 33.8 Kernspintomografische Abbildung des Talus mit ■ Gruppe III: alle Kompressions- und Depressionsfraktu-

Nachweis einer avaskulären Nekrose. ren.


Talusfrakturen 891

Abb. 33.9 Seitliches Röntgenbild einer Taluskorpusfraktur. Da


die Fraktur durch den Processus lateralis tali läuft, handelt es Abb. 33.10 Computertomografie des Talus in semikoronarer
sich hier nicht um eine Talushalsfraktur. Beachte, dass das Sub- Darstellung. Fehlverheilung/Pseudarthrose des Processus late-
talargelenk disloziert ist. ralis tali mit Debris im Subtalargelenk.

Sneppen et al. klassifizieren die Korpusfrakturen anhand Operative Therapie


der anatomischen Lokalisation:
■ Typ A: transchondral oder osteochondral, Die Mehrzahl der Frakturen des Taluskorpus wird opera-
■ Typ B: koronare Abscherfrakturen, tiv behandelt. Dies beinhaltet alle Frakturen mit Disloka-
■ Typ C: sagittale Scherfrakturen, tionen von mehr als 1 mm, offene Frakturen und alle
■ Typ D: Processus posterior, Abschlagverletzungen, die zu freien Gelenkkörpern des
■ Typ E: Processus lateralis, Sprunggelenks führen (Abb. 33.11).
■ Typ F: Mehrfragmentfrakturen (5, 30).

Operationstechnik
Inokuchi et al. haben einen wichtigen Beitrag zur Unter-
scheidung von Frakturen des Talushalses und des Talus- Die operative Stabilisierung kann entweder den antero-
korpus geleistet (31). Läuft die inferiore Frakturlinie vor medialen oder den anterolateralen Zugang, wie sie weiter
dem Processus lateralis aus, gilt sie als Talushalsfraktur,
liegt sie hinter dieser Landmarke handelt es sich um eine
Taluskorpusfraktur. (Abb. 33.9; 31). Dies ist die Stelle, an
der der Talus in die Gelenkfläche der hinteren Facette des
Sutalargelenks übergeht; daher betrifft diese Fraktur per
definitionem sowohl das tibiotalare als auch das subtala-
re Gelenk.

Konservative Therapie
Taluskorpusfrakturen sind häufig disloziert und werden
nur selten konservativ behandelt. Unglücklicherweise ist
der häufigste Grund für eine konservative Behandlung
die Tatsache, dass die Verletzung gar nicht diagnostiziert
wurde. Die am häufigsten übersehene Taluskorpusfraktur
ist die Fraktur des Processus lateralis (Abb. 33.10). Beträgt
die Dislokation 1 mm oder weniger ist die konservative 33
Behandlung im Unterschenkelgips für 4 – 6 Wochen und
die Entlastung für 8 – 12 Wochen möglich. Mit Beendi-
gung der Immobilisation sollte ein aggressives Therapie-
regime zur Verbesserung der Beweglichkeit eingeschla- Abb. 33.11 Computertomografie des Talus in koronarem
gen werden. Strahlengang mit Nachweis einer Pilon-, Taluskorpus- und Kal-
kaneusfraktur.
892 33 Frakturen des Fußes

Komplikationen und Ergebnis


Frakturen des Taluskorpus sind schwerwiegende Verlet-
zungen, und obwohl das Ergebnis durch die operative
Stabilisierung verbessert werden kann, sollten die Erwar-
tungen bestenfalls zurückhaltend sein. Die häufigste
Komplikation nach Frakturen des Taluskorpus ist die Ent-
wicklung einer posttraumatischen Arthrose. Die in der
Literatur berichtete Häufigkeit einer posttraumatischen
Arthrose rangiert zwischen 48 und 90 % (21, 26, 30, 32–
35). Vallier et al. publizierten kürzlich in der größten in
der Literatur zu findenden Studie über Fälle mit offener
Reposition und innerer Fixierung über 65 % Arthrosen des
a b oberen Sprunggelenks und 35 % Arthrosen des Subtalar-
gelenks (36). Die Erhebung der Ergebnisse sowohl mit
Abb. 33.12 Osteosynthese einer Pilon-, Taluskorpus- und Kal- dem allgemeineren (MFA) als auch dem spezifischeren
kaneusfraktur. (FFI) Score zeigt eine deutliche Beeinträchtigung der Pa-
a Postoperatives seitliche Röntgenbild.
tienten mit noch schlechteren Werten in den Fällen, in
b Postoperatives a.–p. Röntgenbild.
denen es zu einer AVN, einem Kollaps des Taluskorpus
oder einer posttraumatischer Arthrose gekommen ist
vorne beschrieben sind, erforderlich machen. In vielen (36).
Fällen ist die Innenknöchelosteotomie notwendig, um Die Entwicklung einer avaskulären Knochennekrose
die Übersicht zu verbessern und eine anatomische Repo- tritt in 35 – 40 % aller Korpusfrakturen auf. Die Wahr-
sition zu erreichen. In den häufigen Fällen, in denen die scheinlichkeit dieser Komplikation ist bei offenen Fraktu-
Talusfrakturen gemeinsam mit Frakturen des Pilon vor- ren und begleitenden Talushalsfrakturen erhöht (37).
kommen, können die Frakturlinien im Pilon genutzt wer- Diese Rate kann durch frühzeitige anatomische Repositi-
den, um die Übersicht auf den Taluskorpus zu verbessern. on und stabile Fixation reduziert werden (33, 36).
Gelegentlich kann eine Außenknöchelosteotomie hilf-
reich sein. Diese Fibulaosteotomie kann als segmentale
Taluskopffrakturen
Osteotomie durchgeführt werden. Dafür wird der erste
Schnitt auf Höhe des Gelenks angelegt und der zweite Frakturen des Taluskopfs machen ca. 5 – 10 % aller Talus-
Sägeschnitt oberhalb der tibiofibularen Inzisur. Das Zwi- frakturen aus (26, 32, 35, 38). Üblicherweise werden sie
schenfragment wird dann nach posterior gerollt, wo- durch Schermechanismen (erhebliche Abduktion/Adduk-
durch die Aufhängung der Peronealsehnen intakt bleibt. tion des Vorfußes) verursacht, können aber auch als Folge
Dieser Zugang ergibt eine gute Übersicht bei sehr lateral einer axialen Stauchung entstehen. Der Nachweis einer
gelegenen Korpusfrakturen. Taluskopffraktur sollte immer die Aufmerksamkeit auf
Die Mehrzahl der Korpusfrakturen kann mit Schrauben potenzielle weitere Verletzungen des Rück- und Mittel-
stabilisiert werden (2,0; 2,7 und 3,5 mm), die senkrecht fußes, speziell auf Verletzungen des Subtalar- und Kalka-
zu den Frakturlinien verlaufen und unter das Knorpel- neokuboidalgelenks lenken. Ein präoperatives CT ist bei
niveau versenkt werden (Abb. 33.12). Häufig finden sich der Analyse des Frakturmusters sehr hilfreich. Von we-
Knorpelabschlagfragmente, die in der Mehrzahl nicht er- sentlicher Bedeutung ist die Überprüfung des CT auf zu-
haltungswürdig sind und débridiert werden müssen. Nur sätzlichen Frakturen des Talushalses, die auf konventio-
gelegentlich können solche Fragmente über resorbierbare nellen Röntgenbildern möglicherweise nicht zu erkennen
Pins refixiert werden. Im Anschluss an ein Débridement sind.
heilen die Defekte über faserknorpelige Regenerate aus.
Hier besteht die Möglichkeit Implantate ohne weitere Konservative Therapie
Schädigung des Knorpelüberzugs der Gelenkfläche zu
verankern. Die Mehrzahl der Taluskopffrakturen macht eine opera-
tive Fixation erforderlich. Wenn die Dislokation in der
CT-Untersuchung 1 mm oder weniger beträgt, kann eine
Tipps und Tricks
konservative Therapie erwogen werden. Die Ruhigstel-
33 ■ Osteotomien von Innen- oder Außenknöchel sind lung kann entweder im Unterschenkelgips oder alterna-
häufig notwendig, um die Darstellung des Taluskor- tiv in einer abnehmbaren Unterschenkelorthese, z. B. mit
pus zu verbessern. Klettverschlüssen erfolgen. Eine Mobilisation des Gelenks
■ Die Verwendung von Titanschrauben lässt eine kern- zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist aufgrund der beson-
spintomografische Untersuchung des Talus und des deren Rolle, die das Talonavikulargelenk für die Gesamt-
Sprunggelenks zu einem späteren Zeitpunkt zu. funktion des Fußes während des Ganges spielt, entschei-
Talusfrakturen 893

dend. Der Belastungsaufbau kann in Abhängigkeit von Komplikationen und Ergebnisse


den Zeichen der knöchernen Heilung in Röntgenkontrol-
len 8 – 12 Wochen nach der Verletzung eingeleitet wer- Avaskuläre Knochennekrosen des Taluskopfs treten in
den. weniger als 10 % der Fälle auf. Weitere mögliche Kompli-
kationen sind Instabilitäten der Fußwurzel und Arthrosen
Operative Therapie des Talonavikulargelenks. Fehlverheilte Frakturen als
Folge einer übersehenen Fraktur oder unzureichender
Frakturen des Taluskopfs sind nur selten unverschoben, Reposition führen zur Entwicklung von Arthrosen des
weshalb die große Mehrzahl einer operativen Behand- Talonavikulargelenks (5, 38).
lung bedarf. Der operative Zugangsweg wird durch die
Lokalisation der Fraktur festgelegt: In Betracht kommen
Frakturen des Processus posterior
anteriore, mediale und anterolaterale Zugänge. Gelegent-
lich sind Kombinationen von 2 Zugängen erforderlich. Es Der Processus posterior des Talus wird anatomisch durch
wurde berichtet, dass Fragmente bis zu einer Größe von die Sehne des M. flexor hallucis longus in ein laterales
50 % des Kopfes reseziert werden können (38), der Autor und ein mediales Segment unterteilt. Am lateralen Seg-
empfiehlt dies aber nur bis zu einer Größe von 30 %. Das ment setzt das Lig. fibulotalare posterius an, am medialen
Ziel der Operation ist die anatomische Reposition und Segment das hintere Drittel des Deltabands. Die Blutver-
übungsstabile Fixation. Die Fixierung wird über Minifrag- sorgung des Processus posterior ist schwach ausgebildet,
mentschrauben erreicht, die über die Gelenkfläche einge- dies betrifft insbesondere das laterale Segment (39). Frak-
bracht und unter das Knorpelniveau versenkt werden turen des hinteren Fortsatzes machen ca. 20 % aller Talus-
(Abb. 33.13). Wenn das Gelenkfragment durch ein axiales frakturen aus. Frakturen des laterales Fortsatzes sind
Stauchungstrauma impaktiert ist, ist die Anhebung des häufiger als die Frakturen des medialen Fortsatzes und
Fragments und Unterfütterung mit Spongiosa von beson- können mit Sprunggelenksdistorsionen verwechselt wer-
derer Bedeutung, um die Länge der medialen Säule wie- den (Abb. 33.14). Frakturen des lateralen Fortsatzes wer-
der herzustellen. Falls die Fixation mit Schrauben keine den in zunehmender Häufigkeit bei Snowboardern beob-
ausreichende Stabilität gewährt, muss die Fraktur durch achtet.
einen Fixateur externe entlastet werden. Dabei sollte der
Fixateur als Dreieck mit einem Pin in der medialen dis- Konservative Therapie
talen Tibia, einem Pin im medialen Kalkaneus und einem
Pin im 1. Mittelfußknochen aufgebaut werden, um das Verglichen mit anderen Frakturen des Talus werden für
Talonavikulargelenk in allen Ebenen aufzuspannen und diesen Typ der Verletzung nichtoperative Behandlungs-
den Taluskopf zu entlasten. Der Unterschenkel sollte in methoden häufiger eingesetzt. Die Dislokation der Frag-
einer dorsalen Gipsschale gelagert werden, die den Fuß mente sollte weniger als 2 mm betragen oder die Frag-
in Neutralposition hält und den Zug von dem Pin in der mente sollten klein sein, wenn eine Gipsbehandlung in
distalen Tibia nimmt. Betracht gezogen wird. Diese Verletzung weist aufgrund
der schlechten Vaskularisierung dieser Region eine hohe
Rate an Pseudarthrosen auf. Aus diesem Grund erscheint
Tipps und Tricks
eine verlängerte Ruhigstellung des Fußes angebracht. Der
■ Die distale mediale Tibia ist eine geeignete Region Belastungsaufbau kann nach 6 – 8 Wochen eingeleitet
zur Spongiosaentnahme, die zur Unterfütterung von werden.
impaktierten Fragmenten benötigt wird.

Abb. 33.13
a Koronare CT-Schnitte einer Taluskopffraktur.
b Postoperative a.–p. Aufnahme der Fußwurzel
nach Osteosynthese der Taluskopffraktur.

33

a b
894 33 Frakturen des Fußes

Abb. 33.14 Fraktur des Processus posterior


tali.
a Die präoperative seitliche Röntgenaufnahme
zeigt die Fraktur des Processus posterior tali mit
talonavikularer und subtalarer Dislokation.
b Präoperativ angefertigtes Computertomo-
gramm, das die Beteiligung sowohl des media-
len als auch lateralen Processus posterior auf-
zeigt.

a b

Operative Therapie Tipps und Tricks


■ Um das mediale neurovaskuläre Bündel zu schonen,
Die Mehrzahl der Frakturen des posterioren Fortsatzes
sollte der Zugang ohne Blutsperre angelegt werden.
bedürfen einer operativen Intervention, entweder zur
Wenn die Fraktur dargestellt und das Gefäß-Nerven-
anatomischen Reposition und Fixation oder zur Exzision.
Bündel sicher identifiziert und geschont ist, wird die
Die Entscheidung für eine Refixation oder Exzision wird Blutsperre geschlossen, um eine bestmögliche Über-
anhand verschiedener Kriterien wie Aktivitätslevel, Kno- sicht für die Reposition der Gelenkfläche zu errei-
chenqualität, Gesamtzustand des Patienten und Größe chen.
des Fragments gefällt. Bei Patienten mit peripheren An- ■ Bei beiden Typen von Frakturen wird die Stabilisie-
giopathien sollte das Fragment aufgrund des Risikos einer rung üblicherweise über Minifragmentschrauben er-
ausbleibenden Knochenheilung eher exzidiert werden. reicht, die unter das Knorpelniveau versenkt wer-
Eine präoperative CT-Untersuchung ist eine wichtige Un- den. Sollte sich herausstellen, dass das Fragment
terstützung bei der Planung der operativen Therapie: Sie nicht refixiert werden kann, kann es in gleicher Sit-
liefert wichtige Informationen zur Beurteilung des Ver- zung entfernt werden.
laufs der Frakturlinien relativ zu Sehnen und neurovas-
kulären Strukturen, Stufen der Gelenkflächen zum Sub-
talargelenk werden verlässlich aufgezeigt und es bietet Komplikationen und Ergebnisse
eine wertvolle Unterstützung bei der Festlegung des ef-
fektivsten Intervalls mit dem Ziel eines möglichst mini- Der Processus posterior weist eine eingeschränkte Blut-
malinvasiven operativen Zugangs. versorgung auf, dies gilt insbesondere für den lateralen
Der Processus lateralis wird über einen posterolatera- Aspekt. Aus diesem Grunde stellt die ausbleibende Frak-
len Zugang angegangen. Hierfür wird im Intervall zwi- turheilung die häufigste Komplikation dar. In einer Me-
schen den Peronealsehnen und der Sehne des M. flexor taanalyse stellte Parsons fest, dass die Inzidenz der Pseu-
hallucis longus in die Tiefe präpariert. Dieser Zugang er- darthrose bei konservativer Behandlung 60 % und bei ag-
laubt die direkte Darstellung der posterolateralen Ecke gressiver operativer Therapie (ORIF oder geschlossene
des Talus. Dorsalextension im oberen Sprunggelenk er- Reposition) 5 % beträgt. Größere Fragmente sollten refi-
laubt eine weitere Darstellung der Gelenkfläche zum obe- xiert, kleinere Fragmente eher reseziert werden (39, 40).
ren Sprunggelenk und hilft bei der Visualisierung der Es sollte hervorgehoben werden, dass die Frakturen des
Reposition. Frakturen des medialen Aspekts des Proces- posterioren Prozessus immer das Subtalargelenk betref-
sus posterior werden über eine posteromediale Inzision fen. Verbleibende Fehlstellungen führen zu Bewegungs-
dargestellt, wobei aufgrund der unmittelbar benachbar- einschränkungen und Schmerzen (40).
33 ten neurovaskulären Strukturen besondere Vorsicht ge-
boten ist. In den Fällen, in denen eine Rekonstruktion
möglich ist, werden die Fragmente mit Klein- und Mini-
fragmentschrauben fixiert.
Kalkaneusfrakturen 895

Kalkaneusfrakturen beins (Harris-View) und einer Schrägaufnahme des Sub-


talargelenks nach Broden. Eine CT-Untersuchung ist ob-
Die Therapie der Kalkaneusfrakturen wird kontrovers ligatorisch für die Beurteilung der posterioren Gelenkfa-
diskutiert. Verglichen mit anderen Frakturen des Extre- cette und zur Klassifikation. Entscheidungen zur Behand-
mitätenskeletts treten sie selten auf, machen jedoch mehr lung sollten erst nach Vervollständigung der Bildgebung
als 60 % aller Frakturen der Fußwurzel aus (41). Sie ent- einschließlich Röntgen- und Schnittbilddiagnostik getrof-
stehen durch grobe Krafteinwirkung auf den Rückfuß fen werden.
nach Sturz aus großer Höhe, durch Kraftfahrzeugunfälle
oder durch direktes Trauma. Die komplexe Anatomie der
Weichteilmanagement
Gelenkflächen und des Kalkaneus kombiniert mit emp-
findlicher Weichteilumgebung macht die operative Stabi- Der Weichteilmantel des Rückfußes ist für die Behand-
lisierung dieser Frakturen technisch anspruchsvoll. In der lung von Fersenbeinfrakturen von so herausragender Be-
Vergangenheit wurde die konservative Therapie als Stan- deutung, dass er besondere Beachtung erfordert. Die pe-
dard empfohlen, Berichte über schlechte Ergebnisse führ- riostkutane Hülle des Rückfußes sollte als eigenständiges
ten Böhler und andere dahin, das Wissen um die opera- Organ betrachtet und unabhängig von der definitiven
tive Versorgung voranzutreiben (42, 43). Die Prinzipien Frakturversorgung unverzüglich behandelt werden. Im
der ORIF sind mittlerweile gut etabliert (41, 44–53). Die Vorfeld jeder operativen Behandlung muss das Weichteil-
aktuellen Ergebnisse in der wissenschaftlichen Literatur ödem kontrolliert und reduziert werden. Wenn keine
befürworten inzwischen die primäre operative Therapie Komplikationswunden oder drohende Drucknekrosen
von dislozierten Kalkaneusfrakturen. Dabei werden an der Haut vorliegen, kann über eine elastische Wickelung
den Chirurgen besondere Anforderungen gestellt. So eine bauchige Lagerungsschiene angelegt werden. Alter-
müssen gleichermaßen die Aspekte der Weichteilscho- nativ können Polsterwatte und eine elastische Binde mit
nung und der knöchernen Strukturen berücksichtigt wer- Instrumenten zur lokalen Kühlung, wie der Cryo/Cuff an-
den. gewendet werden. Damit kann eine zügige Reduktion der
Schwellung und des Schmerzes erreicht werden. Eine ab-
nehmbare, gepolsterte dorsale Lagerungsschiene wird
Primäre Untersuchung
zur Vermeidung einer Spitzfußstellung angelegt. Der
Die primäre Untersuchung von Patienten mit Kalkaneus- Fuß wird über das Herzniveau angehoben, um die
frakturen beinhaltet eine sorgfältige Untersuchung des Schwellung zu kontrollieren. Einige Autoren empfehlen
Achsen- und Extremitätenskeletts mit Betonung auf der die Verwendung von pneumatischen Kompressions-
Suche nach weiteren Verletzungen, die gewöhnlich mit instrumenten, um den Rückgang der Schwellung zu be-
Mechanismen axialer Krafteinleitung assoziiert sind. schleunigen, obwohl viele Patienten die Gerätschaften als
Schmerzen, die bei der Palpation der thorakolumbalen zu unkomfortabel bewerten (56, 57).
Wirbelsäule, des Beckens, der gleich- oder gegenseitigen Auf zwei Probleme der Weichteilverletzung muss be-
Hüfte, des Knies, Fußes und Sprunggelenks auftreten, sonders geachtet werden, da sie eine sofortige Interven-
sollten entsprechende Röntgenuntersuchungen rechtfer- tion erforderlich machen. Zum einen können dislozierte
tigen. Die Inzidenz von knöchernen Verletzungen der Fragmente die darüber gelegenen Weichteile beeinträch-
LWS, des Beckens, der Hüfte und/oder des Kniegelenks tigen. Insbesondere können dislozierte Fragmente des
beträgt bei Patienten mit begleitenden Fersenbeinfraktu- Tuber calcanei bei Tongue-Typ-Frakturen oder Avulsions-
ren 20 – 25 % (54). Gleichzeitig wird der verletzte Fuß auf fragmente des Achillessehnenansatzes die Haut der Ferse
Schwellungen, Hautverletzungen und Blasenbildung (ent- kompromittieren. Frühe Zeichen wie die Blässe der Haut
weder blutig oder serös) untersucht. Die Mehrzahl der über der Ferse erfordern eine frühzeitige Reposition und
offenen Frakturen hat mediale Komplikationswunden. Fixation, um den Druck auf die Haut zu reduzieren. Der
Offene Wunden sollten mit einem Betadineverband abge- Verlust der Haut an der Ferse stellt eine schwerwiegende
deckt werden, prophylaktisch sollten geeignete Antibio- Komplikation ohne einfache Lösungsmöglichkeit dar.
tika parenteral verabreicht werden. Die spezielle Thera- Die zweite Variante der Weichteilschädigung, auf die
pie offener Frakturen wird später in diesem Kapitel be- das Augenmerk gelegt werden muss, ist das Auftreten
handelt. Frühe Anzeichen für eine Drucknekrose der von Spannungsblasen. Ihre Ausbildung ist abhängig von
Haut, die entweder durch lokale Blässe oder ein Über- dem Ausmaß der Energie, die auf den Rückfuß eingewirkt
spannen der Haut über ein darunter gelegenes dislozier- hat. Bei Frakturen aufgrund von Hochenergietraumen
tes Fragment angezeigt wird, sollten frühzeitig erkannt und einer Verzögerungen von 4 – 8 Stunden bis zur Ru-
werden. Ausgeprägte Schmerzen und Schmerzzunahme higstellung in einer Lagerungsschiene, ist die Wahr- 33
bei passiver Dehnung der kurzen Zehenbeuger sollten scheinlichkeit der Entwicklung von Spannungsblasen er-
an die Möglichkeit eines Kompartmentsyndroms denken höht. Eingeblutete Blasen zeigen tiefere Weichteilläsio-
lassen (55). Die primäre Röntgendiagnostik besteht in nen an und sollten bei der Schnittführung umgangen
einer seitlichen Aufnahme des Rückfußes, einer a.–p. Pro- werden. Seröse Blasen kennzeichnen lebende epidermale
jektion des Fußes, einer axialen Projektion des Fersen- Zellen, die der Dermis anhängen und repräsentieren eher
896 33 Frakturen des Fußes

oberflächliche Verletzungen. Unabhängig von ihrer Er- Die postoperative Schwellung nimmt üblicherweise
scheinung zeigen Spannungsblasen Schäden der Weich- zwischen dem 3. und 7. Tag nach der Verletzung ab
teilbedeckung des Rückfußes an und sollten berücksich- (Abb. 33.16). Der erste Lagerungsgips wird zwischen
tigt werden (Abb. 33.15; 58–60). Sie sollten mit nichtad- dem 2. und 5. Tag gewechselt, um die Weichteilsituation
häsiven Verbänden abgedeckt werden und die spontane zu überprüfen. Zu diesem Zeitpunkt kann mit einer be-
Austrocknung durch Abnahme der Schwellung abgewar- hutsame Mobilisierung des Vor- und Mittelfußes begon-
tet werden. Üblicherweise heilen Spannungsblasen spon- nen werden, um den Rückgang der Schwellung zu unter-
tan zu dem Zeitpunkt ab, an dem der Rückgang der stützen.
Schwellung einen operativen Eingriff ermöglicht. Wenn Dieser Behandlungsalgorithmus findet bei allen Kalka-
Blasen spontan perforieren und die Dermis freiliegt, soll- neusfrakturen Anwendung, unabhängig davon, ob sie
ten die Blasen entdeckelt werden. Zur Vermeidung einer operativ oder konservativ behandelt werden sollen. Das
sekundären bakteriellen Besiedlung kann eine antibakte- frühzeitige und aggressive Management der Weichteil-
rielle Salbe wie z. B. Silvadene aufgetragen werden, bis schädigung sichert die unterschiedlichen Behandlungs-
die Blase epithelialisiert ist. Wenn ausgedehnte hämor- optionen. Auf der anderen Seite, wenn die Weichteilschä-
rhagische Blasenareale über der lateralen Seite des Fer- den nicht im vollen Umfang erfasst werden, nicht korrekt
senbeins über 3 – 4 Wochen andauern, sollte die Ent- eingeschätzt werden und keine rechtzeitige, aggressive
scheidung für eine konservative Therapie fallen. Fehlver- Behandlung der frakturassoziierten Weichteilschäden
heilte Frakturen können zu einem späteren Zeitpunkt bei eingeleitet wird, so reduzieren sich die Behandlungs-
besserer Weichteilsituation über rekonstruktive Opera- optionen sehr schnell!
tionen behandelt werden.
Klassifikation
Fersenbeinfrakturen zu klassifizieren macht ein vollstän-
diges Verstehen der bedeutsamen knöchernen Struktu-
ren erforderlich. Der Processus anterior verbindet den
distalen lateralen Anteil des Fersenbeins mit dem Kuboid.
Sein superiorer Anteil bildet den Boden der vorderen Fa-
cette, die die Unterfläche des inferioren Taluskopfs trägt.
Die mittlere Facette liegt auf dem Sustentaculum tali, das
wiederum Bedeutung als Stütze des zentromedialen An-
teils des Talushalses und -korpus hat. Die hintere Facette
bildet die größte Gelenkfläche und artikuliert mit der
subtalaren Gelenkfläche des Taluskorpus. Sie überträgt
die Kräfte der Belastung vom Achsenskelett zum Mittel-
Abb. 33.15 Klinisches Bild einer schweren Weichteilverlet- und Vorfuß über das Kalkaneokuboidal- und das Talona-
zung, die den standardisierten Therapieplan bei der Versor- vikulargelenk ebenso wie auf den Tuber calcanei und da-
gung einer Kalkaneusfraktur beeinträchtigt. rüber auf den Boden. Die laterale Wand ist, abgesehen
von den Tubercula peronei, relativ eben. Das neurovasku-
läre Bündel und die extrinsischen Beuger verlaufen me-
dial unter dem Sustentaculum tali. Das Tuber unterstützt
die posteriore Gelenkfacette und dient als Ansatz für den
Gastroknemius-Soleus-Komplex. Eine vollständige Be-
schreibung der Anatomie findet sich in mehreren Schrift-
stücken der klinischen Anatomie (61).
Fersenbeinfrakturen können als dislozierte oder undis-
lozierte Frakturen beschrieben werden oder auch als in-
traartikulär oder extraartikulär. Experimentelle Arbeiten
von Carr zeigten die Pathoanatomie von Kalkaneusfrak-
turen, wie sie zuvor schon von anderen Autoren klinisch
beschrieben wurde (62). Reproduzierbar entstehen pri-
märe Frakturlinien, die das Fersenbein in Längsrichtung
33 in eine mediale und eine laterale Komponente teilen.
Diese Linien können sich in das Kalkaneokuboidalgelenk
Abb. 33.16 Klinisches Bild einer Kalkaneusfraktur unmittelbar ausdehnen und damit die laterale Fußsäule weiter beein-
präoperativ. Beachte den Rückgang der Schwellung, der durch trächtigen. Eine zweite Frakturlinie, die im Gissane-Win-
die sichtbare Hautfältelung der lateralen Weichteile ver- kel entsteht, resultiert aus der Impaktion durch den Pro-
anschaulicht wird.
Kalkaneusfrakturen 897

Abb. 33.18 Seitliche Röntgenaufnahme des Kalkaneus. Über


die Röntgenaufnahme sind der Böhler-Gelenkwinkel (schwarze
Linien) und der Winkel nach Gissane (weiße Linien) überlagert.

Abb. 33.17 Blick auf die dorsale Seite eines präparierten Kal-
kaneus mit eingezeichneten typischen Frakturlinien. Beachte
die dorsale, die mediale und die anteriore Facette. Die poste- tralateralen unverletzten Kalkaneus erhoben. Mit zuneh-
riore Facette wird durch die erste Frakturlinie gespalten, die mender Dislokation sinkt der Wert dieses Winkels.
longitudinal verläuft. Die zweite Frakturlinie teilt den Kalkaneus Die Essex-Lopresti-Klassifikation unterscheidet zwei
in einer vordere und eine hintere Portion. Frakturtypen in Abhängigkeit vom Verhältnis der poste-
rioren Facette zum Tuber calcanei. Die Fraktur vom Joint-
Depression-Typ ist die häufigere intraartikuläre Fraktur,
cessus lateralis tali und teilt das Fersenbein in eine vor- bei der die posteriore Facette in unterschiedlichem Aus-
dere und eine hintere Portion (Abb. 33.17). maß zum Tuberfragment disloziert ist. Sie ist vorwärts
Die Winkel nach Böhler und Gissane werden üblicher- rotiert, deprimiert und im impaktierten spongiösen Kno-
weise verwendet, um die veränderte Anatomie in Rönt- chen eingeklemmt. Das Fragment ist üblicherweise am
genbildern von verschobenen Fersenbeinbrüchen zu be- oder unmittelbar über dem Ansatz des Lig. fibulocalca-
schreiben. Der Tuber-Gelenk-Winkel nach Böhler ist de- neare und parallel zum inferioren Rand des Winkels nach
finiert als Kreuzungspunkt von zwei Linien am hinteren Gissane von der lateralen Wand separiert (Abb. 33.19).
Rand der posterioren Facette in der seitlichen Röntgen- Bei der selteneren Fraktur vom Tongue-Typ ist ein Teil
projektion des Kalkaneus (Abb. 33.18). Die erste Linie ver- der posterioren Facette noch mit dem Tuberfragment ver-
läuft zwischen der hinteren oberen Ecke des Tuber calca- bunden. Es findet sich eine senkrechte Frakturlinie durch
nei und dem hinteren oberen Rand der posterioren Fa- den Sinus tarsi im Winkel nach Gissane. Diese Linie
cette, von wo die zweite Linie zum vorderen oberen Rand schneidet eine mehr horizontale Frakturlinie, die poste-
des Processus anterior zieht. Der Tuber-Gelenk-Winkel rior im Tuber calcanei austritt. Die posteriore Facette ist
nach Böhler beträgt bei gesunden Füßen zwischen 20° abwärts rotiert und deprimiert, das Tuberfragment ist
und 40°. Der Normwert des Patienten wird in der seitli- mit seinem posterioren Ende nach kranial disloziert
chen Röntgenbildprojektion des kontralateralen unver- (Abb. 33.19).
letzten Fußes bestimmt. Dieser Winkel nimmt bei dis- Die Computertomografie hat viel zum Verständnis der
lozierten Frakturen ab, da die hintere Facette impaktiert Frakturmuster beigetragen und ermöglicht eine sehr viel
und vorwärtsrotiert ist, während das Tuber angehoben genauere Beschreibung der Dislokation der intraartikulä-
ist. Ein erniedrigter Winkel weist auf eine stärker dis- ren Fragmente. Die Bestimmung des Grades der intraar-
lozierte Fraktur hin und eine möglicherweise schlechtere tikulären Fragmentierung ermöglicht die Sammlung
Prognose bei konservativer Therapie (63). prognostisch wichtiger Informationen (64, 65). Die San-
Der Winkel nach Gissane wird durch die Kreuzung ders-Klassifikation beschreibt die Dislokation und Frag-
einer Linie parallel zur Gelenkfläche der posterioren Fa- mentierung der posterioren Facette basierend auf koro-
cette und einer Linie, die vom höchsten Punkt des Pro- naren Schnitten (50). Die Klassifikation basiert auf dem 33
cessus anterior zum am weitesten anterior-inferior gele- koronaren CT-Schnitt des breitesten Anteils der inferior-
genen Punkt der posterioren Facette zieht, gebildet posterioren Facette des Talus. Diese anatomische Land-
(Abb. 33.18). Dieser Winkel verläuft parallel zur Kontur marke wird durch zwei senkrecht ausgerichtet Linien
des Processus lateralis tali. Der Normwert wird am kon- durch die posteriore Facette in Drittel oder Säulen unter-
teilt. Eine zusätzliche Linie am medialen Aspekt der pos-
898 33 Frakturen des Fußes

Abb. 33.19 Kalkaneusfrakturen.


a Seitliches Röntgenbild einer Kalkaneus-
fraktur vom Joint-Depression-Typ.
b Seitliches Röntgenbild einer Kalkaneus-
fraktur vom Tongue-Typ.

a b

Sie haben wenigstens 4 unterschiedliche Fragmente der


posterioren Tragfläche.
Die Sanders-Klassifikation liefert prognostische Infor-
mationen. Sanders-I- und -II-Frakturen haben, verglichen
mit Sanders-III- und -IV-Frakturen, eine günstigere Prog-
nose (Abb. 33.21; 50). Dies ist verständlich, da man einen
zunehmenden Funktionsverlust der posterioren Facette
mit zunehmender Fragmentierung erwartet.

Konservative Therapie
Die Indikation für eine konservative Behandlung besteht
nur bei undislozierten Frakturen (z. B. Typ-I-Frakturen
nach Sanders) oder bei Patienten mit erheblichen Begleit-
erkrankungen. Hierzu zählen ohne Anspruch auf Voll-
ständigkeit Nikotinkonsum, periphere arterielle Ver-
schlusskrankheit, Typ-1-Diabetes (insbesondere bei Vor-
liegen einer Polyneuropathie), nicht absetzbare Steroid-
therapie, fortgeschrittenes Alter, floride Entzündungen
Abb. 33.20 Computertomografie einer Kalkaneusfraktur vom der Weichteile und knöcherner Strukturen des Rückfußes
Joint-Depression-Typ, die als Sanders-IIA-Fraktur klassifiziert oder systemische Erkrankungen, die mit einer Erhöhung
wird. des Narkose- und Operationsrisikos einhergehen. Alle Pa-
tienten mit Fersenbeinfrakturen werden aufgefordert,
das Rauchen einzustellen.
terioren Facette separiert das weit medial gelegene Sus- Im Blickpunkt der konservativen Therapie steht die Be-
tentakulumfragment. Somit können 4 mögliche Fragmen- handlung der Schmerzen und der posttraumatischen
te der posterioren Facette unterschieden werden. Unver- Schwellung. In der Frühphase benötigen diese Patienten
schobene Brüche werden unabhängig von der Zahl der für eine suffiziente Schmerztherapie häufig die parente-
Fragmente als Typ I bezeichnet. Der Typ II beschreibt 2- rale Gabe von Schmerzmedikamenten unter stationären
Segment-Frakturen der hinteren Facette mit den Unter- Bedingungen. Aufgrund des Risikos der Entwicklung
gruppen IIA, IIB und IIC, die mit aufsteigender alphabeti- eines akuten Kompartmentsyndroms des Rückfußes kön-
scher Ordnung eine zunehmend medialer gelegene Frak- nen regionale Anästhesieverfahren nicht empfohlen wer-
turlinie beschreiben (Abb. 33.20). Typ-III-Frakturen sind den.
33 die 3-Fragment-Varianten mit einem zentral eingestauch- Die Behandlung der Schwellung wird im Abschnitt
ten Segment. Mit zunehmend weiter medial gelegenem Weichteilmanagement abgehandelt (S. 895). Wenn die
eingestauchten Fragment werden die Frakturen weiter in Schwellung so weit abgeklungen ist, dass eine abnehm-
die Subtypen IIIAB, IIIAC oder IIIBC unterteilt. Typ-IV- bare Schiene angelegt werden kann, wird eine kranken-
Frakturen sind grob disloziert und stark fragmentiert. gymnastische Übungsbehandlung zur Mobilisierung des
Rückfußes unter Einschluss der Inversion, Eversion, Dor-
Kalkaneusfrakturen 899

Abb. 33.21 CT-basierte Klassifikation der intraartikulären


Fersenbeinfrakturen nach Sanders (Sanders R. Intraarticu-
lar fractures of the calcaneus: present state of the art. J
Orthop Trauma 1992; 6: 254, Figure 2).

Typ IIA Typ IIB Typ IIC

Typ IIIAB Typ IIIAC Typ IIIBC

Typ IV

salextension und Plantarflexion eingeleitet. Der Fuß wird Röntgenkontrollen des Rückfußes werden 2 Wochen
wöchentlich kontrolliert, bis die Schwellung abgeklungen nach der Verletzung und danach alle 4 Wochen angefer-
ist. Für die Dauer der stationären Behandlung wird eine tigt. Nach initialer Entlastung wird zunächst zu Sohlen-
Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen kontakt gesteigert und, während die Fraktur innerhalb
durchgeführt. Bei ambulanten Patienten muss die Anti- von 8 – 12 Wochen heilt, schmerzadaptiert aufbelastet.
koagulation individuell indiziert werden. Bei Anwendung Eine konfektionierte kurze Frakturorthese kann bis zu
einer Thromboseprophylaxe muss das Risiko für die Ent- dem Zeitpunkt angelegt werden, an dem der Patient nor- 33
wicklung einer tiefen Beinvenenthrombose (TVT) gegen male, stoßabsorbierende Schuhe tragen kann. Wenn Voll-
das Risiko eines zunehmenden Hämatoms, das zur Schä- belastung erreicht ist, können weiche Fersenkappen ver-
digung des Weichteilmantels führen kann, abgewogen wendet werden, evtl. ist eine orthopädische Zurichtung
werden. der Konfektionsschuhe möglich. Über gute Erfahrungen
wird im deutschsprachigen Raum mit der Fersenentlas-
900 33 Frakturen des Fußes

tungsorthese nach Settner u. Münch berichtet. Die Orthe- 4. Refixation des Tuber an die posteriore Facette und den
se erlaubt eine Vollbelastung des Fußes sofort nach Unterrand des Processus anterior.
Weichteilkonditionierung, da die besondere Formgebung 5. Falls erforderlich Unterfütterung von Spongiosadefek-
der Orthese den Rückfuß entlastet. In einem Zeitraum ten und stabile interne Fixation.
über 12 Wochen wird die Belastung des Fersenbeins suk- 6. Spannungsfreier Wundverschluss.
zessive über die Einlage von Schaumstoffplättchen gestei-
gert (Anmerkung des Übersetzers). Chirurgische Anatomie
Der weitaus größte Teil der Fersenbeinfrakturen wird
Indikationen für die operative Therapie
über einen erweiterten L-förmigen lateralen Zugang ope-
Es gibt zahlreiche Studien, die die operative Behandlung riert, wie er von Benirschke und Kollegen beschrieben
von dislozierten Fersenbeinfrakturen behandeln (41, 45– wurde (Video 33-2, DVD 4; 41, 48). Die Positionierung
53, 66–68). Üblicherweise ist die operative Therapie Ge- der Inzision ist von entscheidender Bedeutung; bereits
lenkfrakturen mit einer Dislokation von mehr als 2 mm eine geringe Abweichung von der korrekten Position er-
vorbehalten. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Ge- höht das Risiko für Nekrosen des Weichteillappens oder
lenkflächenkräfte innerhalb der Gelenkflächen zuneh- für Verletzungen der neurologischen Strukturen. Der
men, wenn der Dislokationsgrad 2 mm überschreitet senkrechte Schenkel der Inzision verläuft parallel zur
(69). Hier kann davon ausgegangen werden, dass dies Achillessehne ungefähr 1 cm hinter der Hinterkante des
gleichbedeutend mit der Zunahme des Anpressdrucks Wadenbeins, dehnt sich bis unterhalb des Verlaufs der
im Subtalargelenk ist. Durch die geringe Größe der pos- Peronealsehnen und biegt dann horizontal ab, verläuft
terioren Facette ist bereits bei einer geringen Dislokation parallel zur Fußsohle oberhalb des Fersenpolsters, von
ein großer Prozentsatz der Gelenkfläche betroffen. Bei wo er nach distal bis zum Kalkaneokuboidalgelenk reicht.
Frakturen vom Typ Sanders IIB oder IIC ist ein größerer Bei der Schnittführung ist darauf zu achten, nicht die
Teil der posterioren Gelenkfacette betroffen als beim Typ Endäste des N. suralis oder die Peronealsehnen samt
Sanders IIA. ihrem Gleitlager zu verletzen (70). Dieser Zugang vergrö-
Radiologische Kriterien, die für die Entscheidung zur ßert die Darstellung des Tuber und minimiert das Risiko
operativen Therapie herangezogen werden, sind der einer Verletzung des N. suralis.
Grad der Dislokation und der Fragmentierung der poste- Der Chirurg sollte die Anatomie des Fersenbeins ver-
rioren Facette, ebenso wie der Verlust der Höhe und die standen haben, bevor er über die operative Stabilisierung
Verbreiterung sowie die Varusposition des Tuber calcanei. von Fersenbeinfrakturen nachdenkt. Die laterale Wand
Auch der Zustand des anterioren Prozessus und die Arti- ist bis auf die Tubercula peronei relativ flach. Das Kalka-
kulation zum Kuboid muss berücksichtigt werden. Die neokuboidalgelenk (CC-Gelenk) ist an seinem distalen
Wiederherstellung dieser Regionen spielt für die Funk- Ende ein Sattelgelenk, das sich nach posterior neigt wäh-
tion der rekonstruierten posterioren Gelenkfacette eine rend es nach medial umbiegt. Diese anatomische Tatsa-
wichtige Rolle. Einige Frakturtypen (z. B. Typ Sanders IV) che muss beim Einbringen von Schrauben berücksichtigt
können besser für spätere Rekonstruktionen als für eine werden. Die Sehne des M. peroneus brevis verläuft lateral
akute Reposition geeignet sein. Einige Autoren empfehlen und vor dem CC-Gelenk. Um das CC-Gelenk darzustellen,
für diese Trümmerfrakturen die primäre subtalare Ar- muss der distale Ausläufer der Inzision häufig nach ante-
throdese. Operative Zugänge, die beim Versuch der Repo- rior angehoben werden. An der lateralen Wand finden
sition einer nichtrekonstruierbaren posterioren Facette sich kortikale Verdichtungen als Ansatz für das Retinaku-
angelegt wurden, können spätere Inzisionen, die für re- lum der Peronealsehnen und das kalkaneofibulare Band.
konstruktive Operationen erforderlich werden, unmög- Die obere Fläche des Tuber einschließlich des Achillesseh-
lich machen. Zu guter Letzt muss auch der Patient für nenansatzes kann durch die Inzision dargestellt werden.
eine operative Therapie geeignet sein. Die posteriore Facette und ihr Verlauf in Richtung der
Kreuzung mit dem Processus anterior im Winkel nach
Gissane ist gut sichtbar. Dieses wichtige Gelenk fällt
Operative Therapie
nach inferior und medial ab, während es sich zur mitt-
Ziele der operativen Therapie von Fersenbeinfrakturen leren Facette und dem Sustentakulumsegment fortsetzt.
sind: Kenntnis dieses anatomischen Merkmals hilft bei der Po-
1. Wiederherstellung der normalen Ausrichtung des Pro- sitionierung einer Schraube in das Sustentakulum ohne
cessus anterior mit den anhängenden vorderen und die mediale Gelenkoberfläche der posterioren Facette zu
33 mittleren Facetten zum Kuboid und der lateralen Fuß- verletzen (71).
säule. Über diesen Zugang können der Processus lateralis
2. Rekonstruktion des Gelenkanteils der posterioren Fa- sowie Teile der posteroinferioren Gelenkfläche des Talus
cette und ihre Refixation an den Processus anterior eingesehen werden. Es ist wichtig die reguläre Position
im unteren Bereich des Winkels nach Gissane. des Sustentaculum tali zu kennen, da es üblicherweise
3. Korrektur der Verkürzung, Varusposition und der Ver- nicht über diesen Zugang einzusehen ist: Eine Darstel-
breiterung des Tuber calcanei. lung gelingt nur, wenn ein großes Fragment der posterio-
Kalkaneusfrakturen 901

ren Facette für die spätere Rekonstruktion beiseite gehal- Die Hautinzision wird entsprechend der weiter vorne
ten werden kann. Der Teil des Kalkaneus, der das Susten- beschriebenen Landmarken auf der Haut eingezeichnet.
taculum tali enthält wird auch als „constant fragment“ In Abhängigkeit von der „Händigkeit“ des Chirurgen und
bezeichnet und dehnt sich von der posterioren Facette der zu operierenden Seite wird der vollschichtige periost-
nach anteromedial aus. Dieses Fragment kann auch wei- kutane Lappen entweder am horizontalen oder vertika-
ter superior als der am weitesten medial gelegene Teil len Schenkel beginnend gebildet. Während der Präpara-
der posterioren Facette liegen. Dieses Wissen ermöglicht tion ist die wichtigste Empfehlung der sorgfältige Um-
die sichere Platzierung der Schrauben von der lateralen gang mit den Weichteilen. Sobald das Tuber calcanei
Wand in das dichte Sustentaculum tali. Durch eine late- (z. B. in der Ecke der Inzision) dargestellt ist, sollte der
rale Platte eingebracht, verbinden diese Schrauben den Chirurg eine einzige, wohlüberlegte Inzision entlang der
Processus anterior mit der posterioren Facette und dem Markierung bis auf das Periost durchführen. Der voll-
Tuber calcanei. Aus diesem Grund ist es wichtig, das schichtige Lappen sollte subperiostal mit einem 15er-
Sustentakulumfragment in das Osteosynthesekonstrukt Skalpell gehoben werden. Die freie Ecke des Lappens
mit einzubeziehen. Die extrinsischen Fuß- und Zehen- kann für die Darstellung mit einem Senn- oder Ragnell-
beuger unterkreuzen ebenso wie der N. tibialis das Sus- Retraktor gefasst werden. Vorsichtige Traktion durch
tentaculum tali und können durch eine unachtsame einen geübten Assistenten ermöglicht eine einschichtige
Schraubenplatzierung verletzt werden (72, 73). Offen- Darstellung. Das kräftige kalkaneofibulare Band wird
kundig dürfen die Schrauben weder die mediale Kalka- ebenso wie das Retinaculum peronei und die Sehnen-
neuswand noch die medialen Ausläufer des Sustentacu- scheide von der lateralen Fersenbeinwand gelöst. Dabei
lum tali überschreiten. Die Position der medialen Struk- muss darauf geachtet werden, die Sehnenscheiden und
turen muss auch ohne direkte Visualisierung bekannt den N. suralis nicht zu verletzen. Die weitere Präparation
sein, wenn von der lateralen Wand aus operiert wird. der seitlichen Fersenbeinwand wird in Richtung der seit-
Falls medial weit offene Komplikationswunden vorliegen, lichen Anteile der posterioren Facette und von hier nach
können diese als Zugang zum Sustentaculum tali oder der anterior fortgesetzt bis das Kalkaneokuboidalgelenk
medialen Wand für ein Débridement oder eine limitierte sichtbar ist. Wenn das präoperative CT eine Beteiligung
Manipulation zur Reposition grob dislozierter Fragmente des Kalkaneokuboidalgelenks ausschließen konnte, kann
verwendet werden. die Präparation hier limitiert werden, um das Risiko einer
Verletzung der Sehnenscheiden und des N. suralis zu re-
Operationstechnik duzieren.
Wenn die posteriore Gelenkfacette durch dislozierte
Nach Einleitung der Allgemeinanästhesie wird eine Sin- Fragmente verdeckt ist, kann es notwendig sein, die frag-
gle-Shot-Antibiose mit einem Cephalosporin verabreicht mentierte laterale Wand beiseite zu halten. Wenn mög-
und ein Blasenkatheter eingelegt. Der Patient wird in lich sollte darauf geachtet werden, verbliebene Weichteil-
Seitenlagerung auf einem strahlentransparenten Tisch verbindungen an den Fragmenten der lateralen Wand zu
gelagert, wobei darauf geachtet wird, alle Stellen sorgfäl- belassen. Falls notwendig können mit dem Kauter oder
tig zu polstern, an denen lagerungsbedingt Nervenkom- einem Skin-Marker Markierungen auf den kortikalen
pressionen auftreten können (Video 33-2, DVD 4). Zur Fragmenten zur späteren Orientierung angebracht wer-
Unterstützung der thorakolumbalen Region und des Be- den. Jedes Fragment der lateralen Wand wird bis zur de-
ckens wird ein pneumatisches Lagerungskissen verwen- finitiven Reposition in einer feuchten Kompresse auf-
det. Das untere Bein wird gepolstert und aus Decken eine bewahrt.
Art Tablett geformt, das auf das untere Bein gelegt wird, Zu diesem Zeitpunkt sollte die posteriore Facette eben-
um das zu operierende Bein zu unterstützen. Beide Hüf- so wie der Processus lateralis des Talus gut einsehbar
ten und Kniegelenke werden leicht angebeugt. Die late- sein. Vorsichtige und bedachte Dissektion mit dem Zahn-
rale Knieregion wird rasiert, um den Zugang zur distalen arzthaken oder einem kleinen Elevator hilft bei der Dar-
Femurkondyle und dem Tibiakopf zur Spongiosaentnah- stellung der Frakturlinien und der Planung der Rekon-
me zu ermöglichen. Wenn notwendig, werden die latera- struktion. Impaktierte Anteile der posterioren Facette
le Knöchelregion und der Fuß rasiert. Eine gepolsterte werden angehoben und entfernt. Dabei ist darauf zu ach-
Blutsperre wird am Oberschenkel angelegt. Das gesamte ten, keine weiteren Knorpelschäden zu verursachen. Die
Bein von der Leiste bis zu den Zehen wird nach den entfernten Fragmente werden mit Zahnarzthäkchen und
Wünschen des Chirurgen vorbereitet. Üblicherweise sterilen Zahnbürsten gereinigt und bis zur Wiederver-
wird das Bein bis zur Blutsperre steril abgedeckt, um wendung in mit Kochsalzlösung angefeuchteten Kom-
eine freie Beweglichkeit der Extremität für die Durch- pressen aufbewahrt. 33
leuchtungskontrolle und den Zugang zur Spongiosaent- Jetzt wird eine 4,0- oder 5,0-mm-Schanz-Schraube im
nahme zu ermöglichen. Das Bein wird angehoben, mit Tuber calcanei verankert, um die Reposition durch Trak-
einer elastischen Gummibinde ausgewickelt und die Blut- tion der Fragmente zu erleichtern. Im Falle einer Tongue-
sperre geschlossen. Typ-Fraktur wird die Schanz-Schraube im kranialen An-
teil des Tuber mit der daran hängenden posterioren Fa-
902 33 Frakturen des Fußes

cette fixiert. Dabei wird die Schraube von posterior über tikale Landmarke sein kann, können dislozierte Fragmen-
eine Stichinzision durch die Haut und die Achillessehne te die Knorpeloberfläche der posterioren Facette absche-
unterhalb und parallel zur posterioren Facette einge- ren. Für die provisorische Fixation der posterioren Facette
bracht. Durch einen nach unten gerichteten Vektor kann gegen das Sustentakulumfragment werden kurze Kirsch-
die Reposition mit anschließender passagerer Fixation ner-Drähte der Stärke 1,4 oder 1,6 mm verwendet. Die
über Kirschner-Drähte erreicht werden. Übersicht über die Reposition der posterioren Facette ist
Bei Frakturen vom Joint-Depression-Typ findet sich ein einfacher, wenn die primäre Frakturlinie in der posterio-
verkürzter und in Varusposition stehender Tuber calca- ren Facette weiter lateral liegt. Die vorläufige Reposition
nei. Eine perkutan von posterior nach anterior gerichtete an der Schnittstelle aus Processus anterior und dem infe-
Schanz-Schraube im Tuber calcanei kann wie weiter rioren Anteil der posterioren Facette wird üblicherweise
vorne beschrieben eine Verlängerung erreichen. Über ebenfalls mit Kirschner-Drähten der Stärke 1,4 oder
eine zusätzliche von lateral nach medial eingebrachte 1,6 mm durchgeführt. Zur Bestätigung der anatomischen
Schanz-Schraube kann ein additives Moment zur Trans- Reposition der Gelenkflächen werden nun fluoroskopi-
lation ausgeübt werden, indem die Ferse in den Valgus sche Kontrollen in seitlicher Projektion und Schrägauf-
oder die Neutralposition gezogen wird. Die Reposition nahmen nach Broden angefertigt. Im Anschluss an die
des Tuber kann bei älteren Frakturen mit beginnender Reposition der Gelenkflächen bedarf die Position des
Konsolidierung problematisch sein. In diesen Fällen Tuber noch einer Feinjustierung. Der superolaterale Teil
kann ein schmaler gebogener Elevator hilfreich sein, des Tuber sollte in die posterolaterale Ecke der posterio-
indem er wie ein Schuhlöffel verwendet wird. Der Ope- ren Facette passen. Der inferiore Kortex des Tuber sollte
rateur hakt den Elevator vorsichtig unter die inferome- mit dem inferioren Teil des Processus anterior abschlie-
diale Portion des Sustentakulumfragments und verwen- ßen. Diese Landmarken können üblicherweise sowohl di-
det es als Hypomochlion, um das Tuber nach inferior und rekt visuell als auch fluoroskopisch mittels Fersenbein
lateral zu hebeln. Unter entweder isolierter oder kom- seitlich, Fersenbein axial nach Harris und Broden-Auf-
binierter Verwendung dieser Techniken kann die Wieder- nahmen dargestellt werden. Lange, perkutan eingebrach-
herstellung von Länge und Valgusposition des Tuberfrag- te Kirschner-Drähte der Stärke 1,4 oder 1,6 mm verbin-
ments erreicht werden. Dieses Fragment wird dann pro- den das Tuber nun sowohl mit der posterioren Facette als
visorisch mit Kirschner-Drähten der Stärke 1,4 oder auch dem Processus anterior.
1,6 mm gegen den Processus anterior fixiert. Die Reposi- Vorher entfernte Fragmente der lateralen Wand wer-
tion wird mit seitlichen, axialen und Broden-Projektio- den nun unter Verwendung der initial angelegten Mar-
nen fluoroskopisch kontrolliert. kierungen zur Bestätigung der definitiven Reposition
Die Aufmerksamkeit wird nun auf die Reposition des wieder eingepasst. Wenn der Operateur mit der Reposi-
Processus anterior gerichtet. Hier hat es sich bewährt mit tion zufrieden ist, können lange Kirschner-Drähte bis in
der Gelenkfläche zu beginnen und sich dann nach poste- die kleineren Tarsalknochen vorgetrieben werden, um
rior vorzuarbeiten. Sagittal und koronar verlaufende eine zusätzliche Fixierung zu erreichen. Kopien der
Frakturlinien der kalkaneokuboidalen Gelenkfläche wer- Durchleuchtungsdokumentation diese Konstrukts wer-
den reponiert und provisorisch mit langen Kirschner- den für die Krankenakte gespeichert. Die Aufmerksam-
Drähten der Stärke 1,4 oder 1,6 mm fixiert. Für die Über- keit richtet sich nun auf die spongiösen Defekte, die
prüfung der Reposition sollte die besonders dichte Korti- nach temporärer Reposition und Fixation verblieben
kalis am Übergang des Processus anterior zum untersten sind. Autogene Spongiosa kann in ausreichenden Mengen
Ausläufer des Winkels nach Gissane aufgesucht werden. aus dem lateralen distalen Femur oder dem Tibiakopf
Diese Region ist meist wenig fragmentiert, weshalb sie gewonnen werden. Diese beiden Spenderstellen sind die
zur Orientierung der Reposition und als Schraubenlager Favoriten des Autors für Kalkaneusfrakturen. Andere Au-
gut geeignet ist. toren glauben, dass Spongiosaplastiken nicht erforderlich
Nun wird die posteriore Facette gegen das verbliebene sind. Alternativen stellen gefriergetrocknete oder be-
undislozierte Sustentakulumfragment und den Processus strahlte spongiöse Allografts oder Knochenersatzstoffe
anterior fixiert. Große singuläre Fragmente lassen sich dar (Video 33-2, DVD 4).
üblicherweise problemlos an diese Landmarken reponie- Nun wird die definitive Stabilisierung vorgenommen.
ren. Trümmerfrakturen der posterioren Facette machen Es existieren verschiedene kommerziell erhältliche Im-
vor der eigentlichen Reposition gelegentlich einen Wie- plantate, die speziell für Kalkaneusfrakturen hergestellt
derzusammenbau der einzelnen Fragmente auf dem In- werden. Alle weisen die üblichen Besonderheiten auf,
strumentiertisch erforderlich, wobei der Schwierigkeits- wie „low profile“, genügend Flexibilität, um sie an den
33 grad proportional vom Ausmaß der Fragmentierung ab- Knochen anpassen zu können dabei aber rigide genug,
hängig ist. Varianten mit multiplen Fragmenten können um deformierenden Kräften zu widerstehen, die Mög-
insbesondere am Winkel nach Gissane ausgedehnte lichkeit multiple Schrauben in variablen Winkeln ein-
Knorpelverluste aufweisen, wodurch die anatomische Re- zubringen, und alle können durch Abtrennen von nicht
position erschwert sein kann. Auch wenn die dichte ta- benötigten Plattenteilen modifiziert werden. Obwohl
lische Portion des Processus anterior eine nützliche kor- diese vorgefertigten Platten in den meisten Fällen gut
Kalkaneusfrakturen 903

funktionieren, können sie die Flexibilität bei der Wahl seitlich, axial und Broden-Aufnahmen werden zur Doku-
der Schraubenpositionen einschränken, benötigen even- mentation der definitiven Reposition und Fixation auf-
tuell eine deutliche Anpassung an die Knochenkontur genommen. Die Axialaufnahmen sind erforderlich, um
und benötigen für die Metallentfernung ausgedehntere zu dokumentieren, dass die Schrauben die mediale Fer-
Zugänge, als dies bei der Verwendung von Klein- und senbeinwand nicht perforieren. Wenn die Position oder
Minifragmentplatten der Fall wäre. Länge von Schrauben angepasst werden, müssen neue
Klein- und Minifragmentplatten und -schrauben kön- Aufnahmen angefertigt werden.
nen ebenso wie 2,7-mm-Rekonstruktionsplatten und Cer- Die Beurteilung der Repositionsgüte und der Implan-
vical-H-Platten verwendet werden. Diese einfachen Plat- tatlage kann aufgrund der komplexen Anatomie des Fer-
ten können so angepasst werden, dass sie für alle Frak- senbeins in der intraoperativen 2-dimensionalen Bildver-
turformen passen. Lange 2,0-, 2,7- und 3,5-mm-Schrau- stärkerkontrolle problematisch sein. Seit 2001 besteht die
ben ermöglichen eine interfragmentäre Kompression Möglichkeit der intraoperativen 3-dimensionalen Bild-
über große Flächen, und kleinere Fragmente, die für die gebung knöcherner Strukturen über mobile Bildverstär-
Frakturreposition und Stabilität von Bedeutung sind, kersysteme. Die Auswertung eigener Untersuchungen aus
können direkt in das Konstrukt aus Implantaten einge- 10 Jahren routinemäßiger Anwendung hat revisions-
fügt werden. Um den Processus anterior über Zugschrau- bedürftige Befunde bezüglich der Reposition oder der
ben gegen die posteriore Facette und den Tuber zu kom- Implantatlage trotz unauffälliger 2-dimensionaler Bild-
primieren, sind genaue Kenntnisse des Zusammenspiels gebung bei 40,3 % von 152 Fällen ergeben. Durch die in-
der Fragmente notwendig. traoperative 3D-Bildgebung konnten in diesen Fällen not-
Die definitive Fixation beginnt mit dem Aufbau inter- wendige Korrekturen sofort erfolgen und Revisionsopera-
fragmentärer Kompression zwischen den Gelenkfrag- tionen zu einem ungünstigeren Zeitpunkt vermieden
menten des Kalkaneokuboidalgelenks und der posterio- werden (Anmerkung des Übersetzers).
ren Facette. Dies wird üblicherweise mit interfragmentä- Wenn die definitive Fixation und die Spongiosaplastik
ren Kortikaliszugschrauben der Stärke 2,0, 2,7 und/oder fertiggestellt sind, wird die Blutsperre geöffnet. Ein
3,5 erreicht. Gelegentlich werden bei fragmentierten pos- feuchter Schwamm wird zur Unterstützung der Hämo-
terioren Facettenfragmenten 1,5-mm-Schrauben benö- stase für einen Zeitraum von 5 – 10 Minuten mit einer
tigt. Durch Erfahrung bei der Versorgung von Fersenbein- elastischen Binde unter Kompression über den Zugang
frakturen werden die Kirschner-Drähte der provisori- zum Fersenbein und über das Spenderareal der Spongio-
schen Fixation in Regionen platziert, in denen sie die saentnahme gewickelt. Nach Entfernung der Kompressi-
definitive Schraubenfixation nicht behindern. Wenn vor- onswicklung werden Blutungen aus der Haut mittels bi-
gefertigte Kalkaneusplatten verwendet werden, müssen polarer Elektrokoagulation gestillt. Blutgerinnungsför-
sie, falls notwendig, zurechtgeschnitten und angeformt dernde Substanzen und Knochenwachs können bei aus-
werden. Kortikalisschrauben werden dann divergierend gedehnten spongiösen Blutungen verwendet werden.
in den Processus anterior, den Tuber und die posteriore Häufig können diese Blutungen durch eine erneute Kom-
Facette platziert, und alle werden gegen das Sustentaku- pressionswickelung über 5 – 10 weitere Minuten kontrol-
lumfragment verschraubt (Abb. 33.22). Zuletzt werden liert werden. Eine gute Blutstillung ist erforderlich, um
alle temporären Kirschner-Drähte entfernt und fluoro- postoperative Hämatome zu vermeiden, die ein Risiko
skopische Abschlussaufnahmen angefertigt. Fersenbein für den Weichteillappen darstellen können.

Abb. 33.22 Postoperative Röntgenauf-


nahmen nach lateraler Plattenosteosyn-
these einer Fersenbeinfraktur.
a Seitliche Projektion.
b Die Broden-Projektion des gleichen Pa-
tienten zeigt die Reposition der hinteren
Facette.

33

a b
904 33 Frakturen des Fußes

Eine kleine Silikondrainage, wie das „TLS surgical Drai- Verlauf alle 4 Wochen werden radiologische Kontrollen
nage System“ oder eine 9 Charriére Hemovac, wird einge- des Fersenbeins in 2 Ebenen und Schrägprojektionen
legt und dorsal hinter dem Weichteillappen ausgeleitet. nach Broden angefertigt. Üblicherweise zeigen diese
Der Wundverschluss erfolgt zweischichtig. Die Periost- Röntgenuntersuchungen die Frakturheilung in Abhängig-
schicht wird mit resorbierbarem Nahtmaterial der Stärke keit vom Einzelfall nach 8 – 12 Wochen. Im Anschluss
0 oder 2-0 mit versenkten Matratzennähten verschlos- beginnt die sukzessive Belastungssteigerung bis Voll-
sen. Alle Fäden sollten nach dem Setzen zunächst mit belastung erreicht ist. In den ersten Monaten ist Kranken-
einem Klemmchen angeklemmt werden. Der Assistent gymnastik im Bewegungsbad und Wassertherapie häufig
reponiert den Lappen mit milder Kompression während sehr hilfreich. Bis der Patient die erwartete Beweglichkeit
der Operateur die Fäden an einer Ecke beginnend auf die erreicht hat, wird die intensive krankengymnastische Be-
andere Ecke sukzessive zuknotet. Eine korrekt durch- wegungstherapie zur Verbesserung des Bewegungs-
geführte tiefe Naht sollte die Wundränder adaptieren. umfangs von Dorsalextension, Plantarflexion, Inversion,
Die Hautschicht wird mit nichtresorbierbarem Nahtmate- Eversion sowie Übungen zur Verbesserung der Proprio-
rial der Stärke 4-0 in Rückstichtechnik (Allgöwer-Donati) zeption des Sprunggelenks fortgesetzt. Mit Erreichen der
verschlossen, wobei die Knoten am inferioren und poste- Vollbelastung kann normales Schuhwerk getragen wer-
rioren Rand platziert werden. Dem Wundverschluss den, bei Bedarf werden Einlagen nach Maß und Fersen-
muss besondere Beachtung geschenkt werden. weichbettung verordnet.
Nach dem vollständigen Wundverschluss wird über- Im deutschsprachigen Raum wird über gute Ergebnisse
prüft, ob die Drainage nicht versehentlich eingenäht in der postoperativen Nachbehandlung der Fersenbein-
wurde und ob die Wundränder regelrecht durchblutet frakturen mit der Fersenbeinentlastungsorthese nach
sind. Wenn die Wundränder zwischen den Nähten abge- Settner und Münch berichtet. Die Orthese erlaubt die
blasst sind, werden die Hautnähte mit einem Mikro- sofortige Vollbelastung des Fußes nach Weichteilkon-
klemmchen oder einem Zahnarzthaken so lange gelo- ditionierung, da die besondere Formgebung der Orthese
ckert, bis die Durchblutung wieder sichergestellt ist. den Rückfuß entlastet. In einem Zeitraum über 12 Wo-
Wenn die Hautdurchblutung zweifelhaft ist, müssen alle chen wird die Belastung des Fersenbeins sukzessive über
Nähte entfernt und neu angelegt werden. Der Wundver- die Einlage von Schaumstoffplättchen gesteigert (Anmer-
schluss erfolgt mit einem nichtadhäsiven Verband, über kung des Übersetzers).
dem ein Kompressionsverband und ein gut gepolsterter
Splint angelegt werden. Sorgfältig muss auf die Sicherung
der Drainage geachtet werden.
Offene Fersenbeinfrakturen

Postoperative Behandlung Verglichen mit der Behandlung geschlossener Kalkaneus-


frakturen werfen offene Frakturen vollständig andere
Regionale Anästhesieverfahren sind für das postoperative Probleme auf. In der überwiegenden Mehrzahl treten
Schmerzmanagement sehr hilfreich. Wenn keine Kontra- die Komplikationswunden medial durch Lazeration
indikationen bestehen, kann ein intrathekaler oder ein durch scharfkantige Fragmente des Sustentakulum tali
peripherer Ischiadikuskatheter angelegt werden. Die He- auf oder durch exzessive Scherkräfte, die auf den media-
paringabe zur Antikoagulation kann bei einer peripheren len Weichteilmantel wirken. Seltener entstehen Kompli-
Katheteranlage sofort begonnen werden, bei einer intra- kationswunden durch eine extensive Kompression oder
thekalen Lage muss die Antikoagulation für 12 – 24 h aus- ein Décollement durch äußere Krafteinwirkung durch
gesetzt werden, um das seltene Risiko eines epiduralen Geräte wie Rasenmäher, landwirtschaftliche oder indus-
Hämatoms zu reduzieren. triell genutzte Maschinen. Bei Vorliegen einer offenen
Der Patient wird stationär aufgenommen, die Extre- Wunde ist eine sofortige chirurgische Intervention erfor-
mität hochgelagert und für 36 h Bettruhe eingehalten. derlich.
Krankengymnastische Übungsbehandlung für die Vor- Die Weichteilverletzung wird nach der Einteilung von
fußbeweglichkeit wird sofort begonnen. Die Schiene Gustilo und Anderson klassifiziert, und der neurovasku-
wird vor der Entlassung gewechselt (üblicherweise nach läre Status der Extremität wird dokumentiert (74, 75). Da
48 – 72 h) und eine neue Schiene oder ein Cryo-Cuff und offene Frakturen Schädigungen der neurovaskulären
eine elastische Binde mit einer abnehmbaren dorsalen Strukturen in höherem Prozentsatz aufweisen, ist die
Fußschiene angelegt. Vor der Entlassung aus dem Kran- sorgfältige Evaluation des neurovaskulären Status von be-
kenhaus wird die Wunde kontrolliert. Der Patient entlas- sonderer Bedeutung. Bei der Planung der weiteren Be-
33 tet die operierte Extremität weiterhin. handlung spielt der Status dieser Strukturen eine ent-
Die nächste Wundkontrolle findet in der Praxis nach scheidende Rolle. Wie bei allen offenen Frakturen ist ein
5 – 7 Tagen statt, die Hautnaht wird erst nach 3 Wochen notfallmäßiges Débridement obligatorisch, der Patient er-
entfernt. Bewegungsübungen für das Subtalargelenk wer- hält eine Tetanusauffrischung und eine entsprechende
den sofort nach Wundheilung begonnen. Nach 3 Wochen, intravenöse antibiotische Prophylaxe in der Notaufnah-
mit Entfernung des Hautnahtmaterials sowie im weiteren me.
Kalkaneusfrakturen 905

Abb. 33.23 Offene Fersenbeinfraktur


mit medialer Komplikationswunde.
a Das axiale Röntgenbild zeigt die Repo-
sition des Tuberfragments an das Susten-
takulumfragment, die durch die Kompli-
kationswunde durchgeführt wurde.
b Die CT-Untersuchung des gleichen Pa-
tienten bestätigt die Reposition des Tu-
berfragments an das Sustentakulumfrag-
ment. Beachte, dass die lateralen Anteile
der Gelenkfläche noch nicht reponiert
sind. Dies wird durchgeführt, wenn die
Weichteile eine definitive Versorgung zu-
lassen.

a b

Als nächster wichtiger Schritt stehen so bald wie mög- Verletzung ist die Wiederherstellung der Länge und das
lich die Spülung und das Débridement aller Wunden im Erreichen des Wundverschlusses. Verursacht wird dies
Operationssaal an, vorzugsweise innerhalb der ersten durch die Retraktion der Weichteile im Zeitraum nach
4 – 6 h nach der Verletzung. Bei grober Verschmutzung der Verletzung. Durch die Rekonstruktion der Relation
und Kontamination, erheblicher Zertrümmerung, Décol- des Tuberfragments zum Sustentakulumfragment im
lementverletzungen sowie bei Frakturen, die erst ver- Rahmen des ersten Débridements wird die Länge des
zögert operativ versorgt werden konnten, ist ein „second Fersenbeins wiederhergestellt, wodurch die spätere Re-
look“ innerhalb von 24 h erforderlich. Bei der Erweite- position wesentlich vereinfacht wird und darüber hinaus
rung und Exploration dieser Wunden ist ein besonders die Möglichkeit besteht, die definitive Rekonstruktion im
sorgfältiger Umgang mit dem Weichgewebe erforderlich. Bedarfsfall deutlich später durchzuführen.
Das mediale neurovaskuläre Bündel ist nahezu immer in Die temporäre Reposition kann entweder über Mini-
der Tiefe der Komplikationswunde freigelegt, die Identi- fragment-T-Platten gehalten werden (falls die Wunde
fikation und der Schutz dieser Struktur sind besonders für sauber erachtet wird) oder aber mit longitudinalen
wichtig. Gelegentlich kann das neurovaskuläre Bündel Kirschner-Drähten, die vom Tuber aus entlang der media-
im Frakturbereich zwischen dem Sustentakulumfrag- len Fersenbeinwand in das Sustentakulum vorgetrieben
ment und dem Tuberfragment eingeklemmt sein. Nach werden. Diese Kirschner-Drähte sollten zum Zeitpunkt
scharfem Débridement sämtlichen avitalen Gewebes des definitiven Wundverschlusses in eine innere Osteo-
und sämtlicher Fremdkörper schließt sich eine ausgiebige synthese konvertiert werden, da ansonsten das Risiko
Spülung mit steriler Spüllösung an. einer Kontamination des Operationsgebiets für die defi-
Offene Frakturen bieten in Bezug auf das Management nitive Rekonstruktion durch die Pin-Eintrittsstellen er-
der Frakturversorgung im Vergleich zu geschlossenen höht ist. Alternativ kann ein tibiokalkanearer Stein-
Frakturen einzigartige Möglichkeiten. Eines der Haupt- mann-Nagel mit Vollgewinde verwendet werden. Er
probleme bei der Rekonstruktion der Fersenbeinfraktu- wird von der vorderen Tibiakante aus nach distal und
ren stellt die Reposition des Tuberfragments an das Sus- dorsal gerichtet, sodass er die posteriore Tibiakortikalis
tentakulumfragment dar. Bei geschlossenen Frakturen am posterioren Malleolus penetriert. Nachdem das Ver-
muss dieser Schritt indirekt durchgeführt werden, wenn hältnis von Tuberfragment zu Sustentakulumfragment
der laterale Zugang verwendet wird. Bei offenen Fraktu- hergestellt ist, wird der Pin in das Tuber calcanei geführt.
ren mit medialer Komplikationswunde können die Frag- Ein wesentlicher Vorteil dieser Technik besteht darin,
mente dagegen direkt eingesehen werden, wodurch häu- dass die Pin-Eintrittsstelle weit von späteren Zugangs-
fig eine anatomische Reposition erreicht werden kann wegen entfernt liegt, wodurch die Problematik der Kon-
(Abb. 33.23). Die anatomische Reposition des Tuberfrag- tamination des Operationsgebiets vermieden wird
ments verringert die Spannung auf den Verschluss der (Abb. 33.24).
medialen Wunde, die durch die laterale Translation des Die Komplikationswunden können alternativ mit kon-
Tuberfragments verursacht ist. Außerdem führt sie zur ventionellen oder modernen Vakuumverbänden versorgt 33
Reposition der neurovaskulären Strukturen zurück in werden. Wird die Komplikationswunde nicht im Rahmen
ihre originale Position und Länge, wodurch ihre Funktion des primären Débridements verschlossen, werden Revi-
und im Besonderen die venöse Drainage des Fußes ver- sionen alle 48 – 72 h durchgeführt, bis die Wunde frei von
bessert werden. Der schwierigste Punkt bei der Rekon- offensichtlich nekrotischem Weichgewebe und frei von
struktion von Fersenbeinfrakturen 2 – 3 Wochen nach der Infektzeichen ist. Der spannungsfreie Wundverschluss
906 33 Frakturen des Fußes

a b

Abb. 33.24 Ein tibiokalkanearer Pin wird zur Ruhigstellung der a Klinisches Foto.
Weichteile nach schwerer offener Weichteilverletzung der me- b Seitliches Röntgenbild. Die Frakturen von Fersenbein und
dialen Zirkumferenz verwendet. Talus wurden offen reponiert und innen fixiert.

wird mit der Nahttechnik nach Allgöwer-Donati durch- Wiederherstellung der Höhe und Breite des Rückfußes
geführt. wird zu optimalen operativen Ergebnissen führen. Studi-
Ist die Komplikationswunde verschlossen, unterschei- en, die in diesem Kapitel zitiert werden unterstützen
det sich die chirurgische Behandlung nicht von der der diese Aussage mit der Einschränkung, dass eine Unter-
geschlossenen Frakturen. Die definitive Versorgung kann gruppe von Patienten, die eine Arbeitsunfallversicherung
erfolgen, wenn die Weichteilschwellung rückläufig ist hat, häufiger eine sekundäre Arthrodese des Subtalarge-
und sich die Hautfalten zeigen. Dieser Zeitraum kann lenks aufgrund von anhaltendem Schmerz im Sinus tarsi
7 – 10 Tage betragen. Zur Behandlung des Ödems können erhalten, als Patienten ohne diese Versicherung (76).
die gleichen Maßnahmen verwendet werden, wie sie bei Die operative Behandlung der Kalkaneusfrakturen
geschlossenen Frakturen beschrieben sind. In der Mehr- kann in den Händen von erfahrenen Unfallchirurgen zu
zahl der Fälle wird der laterale L-förmige Zugang, wie guten und sehr guten postoperativen Ergebnissen führen.
zuvor beschrieben, gewählt. Es werden die standardisier- Die strikte Einhaltung der Kriterien zur Patientenaus-
ten Konstrukte zur Osteosynthese verwendet. wahl, ein sorgfältiger Umgang mit den Weichteilstruktu-
ren, eine rigide anatomische Fixation und eine Über-
wachung der Physiotherapie sind unabdingbar. Solange
Ergebnisse
keine der seltenen, weiter vorne aufgelisteten Komplika-
Die Ergebnisse nach Kalkaneusfrakturen hängen von der tionen eintreten, kann ein Patient, der eine dislozierte
Schwere der Verletzung sowie der Behandlungsmethode Kalkaneusfraktur erlitten hat, mit Folgendem rechnen:
ab. Sanders zeigte auf, dass das postoperative Ergebnis ■ 2 – 3 Tage stationärer Aufenthalt,

vom Ausmaß der Schädigung der posterioren Facette, ■ Wundheilung nach 2 – 3 Wochen,

wie es in präoperativen CT-Untersuchungen dargestellt ■ knöcherne Heilung nach 6 – 12 Wochen,

wird, abhängig ist (50). Genauer gesagt ist das chirurgi- ■ Teilbelastung nach 2 – 3 Monaten,

sche Ergebnis indirekt proportional zum Ausmaß der ■ Vollbelastung nach 3 – 4 Monaten,

Fragmentierung der Gelenkflächen und direkt proportio- ■ Wegfall der Gehhilfen nach 4 – 6 Monaten,

nal zu den Fähigkeiten des Operateurs sie wiederherzu- ■ Rückkehr zur Beschäftigung wie vor dem Unfall nach

stellen. Dr. Sigvard Hansen lehrt „wenn du es wie einen 6 – 9 Monaten,


Fuß aussehen lässt, wird es funktionieren wie ein Fuß“. ■ Erreichen der beinahe normalen Dorsalextension und

Diese Aussage kann auch für den Kalkaneus getroffen Plantarflexion und zwischen 50 und 75 % der Inversion
33 werden: Die anatomische Rekonstruktion der vorderen, und Eversion,
mittleren und hinteren Gelenkfacetten mit einem in neu- ■ die Möglichkeit normales Schuhwerk, evtl. mit ortho-

traler oder leicht valgischer Position stehenden Tuber und pädischen Einlagen nach Maß zu tragen.
Kalkaneusfrakturen 907

Tipps und Tricks


■ Fersenbeinfrakturen, die in konventionellen Röntgenauf- ■ Mini- und Kleinfragmentplatten und Schrauben modular
nahmen wenig disloziert erscheinen, können in compu- verwendet eignen sich am besten für die Fixation von
tertomografischen Untersuchungen relevante Disloka- Kalkaneusfrakturen. Minifragmentplatten können „Hu-
tionen in der posterioren Facette aufweisen. ckepack“ übereinander verwendet werden, wobei
■ Verwende im OP eine stabile, röntgendurchlässige Un- Schrauben zur Verriegelung der Position durch Platten-
terlage für das betroffene Bein. In Seitenlage können löcher beider Platten gleichzeitig eingebracht werden.
mehrere gefaltete Decken zu einer unterstützenden, Kondylenplatten und Rekonstruktionsplatten (2,7 mm)
ebenen und weichen Unterlage zusammengelegt wer- werden longitudinal zum Erhalt der lateralen Wand und
den. Die gefalteten Decken werden bei gebeugtem zur Vermeidung des varischen Kollapses des Tuber an-
Kniegelenk in die Kniekehle, vor die Tibia und vor das gelegt. Minifragment T-Platten oder in Form eines Dop-
Femur des nichtbetroffenen Beines gelegt, wobei das pel-T-Trägers angelegte 2,7 mm Kondylenplatten unter-
Knie etwas weniger gebeugt wird, als das des betroffe- stützen die posteriore Tragfläche und das Tuber calca-
nen Beins. Sobald das Niveau erreicht ist, werden aus- nei. Perkutan entlang der medialen Wand, der lateralen
gefaltete Decken wie ein Tischtuch auf das untere Bein Wand oder auch beider Wände eingebrachte 2,7 oder
gelegt, wodurch eine ebene und gut gepolsterte Ar- 3,5 mm Schrauben können als künstliche Kortikalis fun-
beitsfläche entsteht. gieren und einer Verkürzung oder einem varischen Kol-
■ Es ist wesentlich einfacher, den periostkutanen Lappen laps widerstehen.
bei der Präparation der lateralen Wand unter Verwen- ■ Bestimmte Tongue-Typ-Frakturen oder Abrissfrakturen
dung mehrerer 15er-Skalpellklingen zu präparieren. können perkutan oder über limitierte Zugänge mit inter-
Diese werden sehr schnell stumpf und sollten alle paar fragmentären Zugschrauben und kleinen Platten stabili-
Schnitte ausgewechselt werden. Es ist nicht unüblich, siert werden.
dass 15 – 20 Klingen für die Präparation verwendet wer- ■ Während der Operation sollte die Ischämiezeit durch die
den. Blutsperre im Auge behalten werden. Es sollte möglich
■ Ein perkutan eingebrachter tibiokalkanearer Steinmann- sein, die Blutsperre vor Ablauf von 2 Stunden zu öffnen.
Nagel kann als temporäre Distraktion sowohl bei Ton- Wenn mehr Zeit benötigt wird, sollte die Blutsperre für
gue-Typ- als auch Joint-Compression-Typ-Frakturen mit 15 – 30 min geöffnet werden, bevor sie erneut geschlos-
schwerwiegender Schwellung verwendet werden. Dieser sen wird.
Pin wird durch ein vorgebohrtes Loch zentral in der dis- ■ Es ist von besonderer Bedeutung, die Zug- und Scher-
talen Tibia eingebracht und zielt nach distal auf den kräfte auf die Ecken des Zugangs während der Repositi-
posterioren Malleolus. Nach geschlossener Reposition on und Fixation der Fraktur zu reduzieren. Einige Auto-
wird der Steinmannnagel mit Vollgewinde unter fluoro- ren schlagen vor, Kirschner-Drähte zur Unterstützung
skopischer Kontrolle in den oberen Anteil des Tuber cal- der Retraktion des periostkutanen Lappens im Talus zu
canei unmittelbar vor dem Achillessehnenansatz einge- platzieren, aber dieses Manöver kann sehr hohe lokale
bracht. Dadurch wird ein Distraktionsvektor gebildet, Druckkräfte auf die Haut und das Subkutangewebe aus-
der das Tuber nach distal schiebt. Durch diese indirekte üben, wodurch es zum Verschluss von Arteriolen oder
Reposition werden Druckkräfte durch die dislozierten Kapillaren und somit zu Weichteilschäden kommen
Fragmente auf den Weichteilmantel reduziert und se- kann. In gleicher Weise kann übermäßiger Zug an den
kundäre Schädigungen verhindert. Hauträndern anstelle der subperiostalen Kante per-
■ Wenn Kirschner-Drähte für die provisorische Fixation ver- manente mikrovaskuläre Verschlüsse verursachen und
wendet werden, sollte beim Einbringen ausgiebig mit die Hautdurchblutung auch nach Öffnen der Blutsperre
Kochsalzlösung gespült werden, da der Knochen teilwei- reduzieren. Wenn die vom Assistenten gehaltenen
se sehr dicht ist und exzessive Hitzeentwicklung zur Wundhaken z. B. während der Rekonstruktion einzelner
thermischen Schädigung des Knochens führen kann. Fragment an der hinteren Facette oder während der
Gewinnung der Spongiosa nicht benötigt werden, soll-
ten sie aus dem Situs entfernt werden. Für die gesamte
Dauer der Operation sollten die Wundränder mit Koch-
salzlösung feucht gehalten werden.

Komplikationen reduzieren. Diese Verletzungen, die im


Komplikationen
Rahmen von Hochenergietraumen auftreten, können 33
Komplikationen bei der operativen Behandlung von Fer- selbst wiederum Komplikationen nach sich ziehen, die
senbeinfrakturen können den Weichteilmantel, knöcher- eine operative Intervention erforderlich machen (76–
ne Strukturen, Gelenkflächen und Sehnen betreffen. Ope- 78). Wundranddehiszenzen oder Wundrandnekrosen
rateure, die in der Versorgung dieser Verletzungen erfah- sind katastrophale Fehlschläge. In der Hand erfahrener
ren sind, können das Risiko für das Auftreten solcher Unfallchirurgen beträgt die Rate von Weichteilproblemen
908 33 Frakturen des Fußes

und tiefen Infektionen weniger als 2 % bei geschlossenen Navikularefrakturen


und weniger als 8 % bei offenen Frakturen (79). Risikofak-
toren wie Nikotinkonsum, Diabetes mellitus und offene Frakturen des Fußkahnbeins sind relativ selten, können
Frakturen erhöhen alle das Risiko für Komplikationen aber zu Funktionsbeeinträchtigungen führen, wenn sie
(80). Im kürzlichen Review von Benirschke u. Kramer mit einer Reduktion der Beweglichkeit oder der Entwick-
heilten alle Weichteilkomplikationen durch Débride- lung einer Arthrose des Talonavikulargelenks einher-
ment, antibiotische Therapie und verzögerten Wundver- gehen. Das Talonavikulargelenk liefert den größten Teil
schluss ab (79). der Bewegung des transversalen Tarsalgelenks. Es wurde
Wenn Weichteilkomplikationen auftreten, sollten sie mit dem Azetabulum des Fußes verglichen. An seinem
mit abgestuftem Débridement, Vakuumversiegelungen, distalen Gelenk zu den 3 Kuneiformia findet sehr wenig
intravenöser und/oder oraler Antibiose und sekundärem Bewegung statt.
Wundverschluss behandelt werden. In den seltenen Fäl-
len, in denen ein signifikanter Weichteilverlust vorliegt
Klassifikation der Navikularefrakturen
und ein sekundärer Wundverschluss nicht erreicht wer-
den kann, können lokale fasziokutane und mikrovaskulär Frakturen des Os naviculare werden in 3 Kategorien ein-
angeschlossenen freie Lappen angewendet werden (81, geteilt:
82). ■ Frakturen der Tuberositas ossis navicularis,

Knöcherne Heilung in Fehlstellung kann der Grund für ■ Frakturen der dorsalen Kante,

eine Überlastung der Gelenkflächen und die Entstehung ■ Frakturen des Korpus.

einer sekundären, posttraumatischen Arthrose des Rück-


fußes sein (83). Die anatomische Reposition der vorderen, Sangeorzan et al. erstellten für die Frakturen des Korpus
mittleren und hinteren Gelenkfacette ebenso wie die des Subkategorien der Typen I–III (85). Die Typ-I-Fraktur
Tuber calcanei und des Processus anterior ist obliga- weist eine Frakturlinie in der koronaren Ebene mit
torisch, um posttraumatische Arthrosen des Subtalarge- einem großen dorsalen Fragment auf. Bei Typ-II-Fraktu-
lenks zu minimieren. Frakturheilungen in Fehlstellungen ren verläuft die Frakturlinie schräg von dorsal nach plan-
können häufig mit reorientierenden Interpositions- tar mit einem großen medialen Fragment. Typ-III-Fraktu-
arthrodesen des Subtalargelenks, evtl. in Kombination ren sind durch eine zentrale Trümmerzone und eine ta-
mit Verschiebeosteotomien des Tuber calcanei behandelt lonavikulare Desintegration gekennzeichnet (Abb. 33.25).
werden (84).
Neurologische Spätkomplikationen durch Verletzungen
Konservative Therapie
des N. suralis sind generell limitiert. Die Patienten tole-
rieren die Hypästhesie regelhaft gut. Gelegentliche Eine konservative Behandlung kann bei tatsächlich undis-
schmerzhafte Dysästhesien können mit oraler neurotro- lozierten Frakturen erwogen werden. Dieser Umstand
per Schmerzmedikation, lokalen Cortisoninjektionen (Abb. 33.26) sollte mittels CT verifiziert werden, und
und/oder operativer Dekompression behandelt werden. diese Frakturen müssen über 2 Wochen beobachtet wer-
Verzögert auftretende Tarsaltunnelsyndrome können den, um eine sekundäre Dislokation während der Thera-
nach 8 – 12 Wochen beobachtet werden, sobald die me- pie auszuschließen. Die nichtoperative Therapie macht
dialen plantaren Weichteile postoperativ vernarben. eine Gipsruhigstellung und Entlastung über 6 – 8 Wochen
Diese Symptome werden durch Einlagen, antiinflamma- erforderlich. Im Anschluss an die Ruhigstellung wird eine
torische Medikamente und gute Schuhzurichtung thera- Orthese mit Einlage zur Unterstützung des Fußgewölbes
piert. Wenn die Symptome darunter progredient sind, angelegt, um den Mittelfuß zu sichern. Nur eine geringe
kann eine geeignete neurologische Untersuchung die Zahl der Frakturen kann auf diese Weise behandelt wer-
Funktion des Nervs überprüfen und festlegen, ob eine den, die Mehrzahl der Frakturen bedarf einer operativen
operative Dekompression des Tarsaltunnels indiziert ist. Stabilisierung.
Verbliebene Fehlstellungen und Exostosen der lateralen
Wand oder der Region des Sustentakulums können zum
Indikationen zur operativen Therapie
Impingement der Sehnenscheiden der Peronelasehnen
oder des M. tibialis posterior führen. Normalerweise las- Indikationen für eine operative Intervention sind Spalten
sen sich diese Probleme mit antiinflammatorischer Me- von mehr als 2 mm oder Stufen von mehr als 1 mm in der
dikation, physikalischen Maßnahmen und Einlagen be- Gelenkfläche sowie jeder Hinweis auf eine talonavikulare
handeln. Selten werden Dekompressionen der Sehnen oder navikulokuneiforme Subluxation.
33 oder die Abtragung von Exostosen zur Linderung der
Symptome erforderlich.
Navikularefrakturen 909

Abb. 33.25 Trümmerfraktur des Os navi-


culare vom Typ Sangeorzan III.
a Präoperatives seitliches Röntgenbild.
b CT-Aufnahme.

a b

Abb. 33.26 Typisches Konstrukt zur Fixation


einer Fraktur des Os naviculare. Beachte die
mediale Zuggurtung, und dass die Fixation
auf die Kuneiforme erweitert wurde, um
mehr Stabilität zu erreichen.
a Postoperative a.–p. Röntgenprojektion.
b Postoperative seitliche Röntgenprojektion.

Frakturen mündet eine Frakturlinie am inferomedialen


Operative Therapie
Anteil des Navikulare. Dieses Fragment kann nach infe-
Operative Anatomie rior abgeklappt werden und als Fenster für die Rekon-
struktion der Gelenkfläche des Navikulare dienen.
Am Fußkahnbein setzt die Sehne des M. tibialis posterior Für den dorsolateralen Zugang wird die Inzision zen-
an. Das Os naviculare ist mit Ausnahme der zentralen tral über dem Navikulare in Verlängerung des 3. Mittel-
Portion gut durchblutet (86). Das Navikulare wird über fußknochens angelegt. Die Schnittführung verläuft un-
eine mediale Inzision oder über eine Kombination aus mittelbar medial der Sehne des M. extensor digitorum
einer medialen und dorsolateralen Inzision erreicht. In longus und wird im weiteren Verlauf medial zum Mus-
seltenen Fällen kann ein ausschließlicher anteromedialer kelbauch des M. extensor digitorum brevis verlängert. Es
Zugang verwendet werden. muss darauf geachtet werden die neurovaskulären Struk- 33
Der mediale Zugang beginnt mit einer tiefen medialen turen, die direkt medial dieser Ebene verlaufen, nicht zu
Inzision parallel und knapp oberhalb der Sehne des M. verletzen. Dieser Zugang stellt den anterolateralen Talus,
tibialis posterior. Dieser Zugang liegt etwas tiefer als der den dorsalen Aspekt des Navikulare sowie die Cuneifor-
standardisierte anteromediale Zugang und erlaubt einen mia laterale et intermedium dar.
besseren Zugang zum Navikulare. Bei einem Großteil der
910 33 Frakturen des Fußes

Die Inzision für den anteromedialen Zugang liegt im


Intervall zwischen den Sehnen des M. tibialis anterior
und des M. extensor hallucis longus (EHL). Der Zugang
wird zwischen beiden Sehnen vertieft und exponiert
den dorsalen Aspekt des Navikulare.

Operative Technik
Bei der Auswertung der präoperativen Bildgebung sollte
insbesondere darauf geachtet werden, ob eine laterale
Subluxation entweder des Talonavikulargelenks oder
der Gelenkreihe zwischen Os naviculare und den Ossa
cuneiformia vorliegt. Falls keine Subluxation vorliegt,
hilft ein kleiner, medial angebrachter Distraktor das Ge-
lenk zu distrahieren und die Gelenkflächen darzustellen.
Die Pins für den Distraktor werden im Talushals und dem
Schaft des ersten Mittelfußknochens verankert. Falls eine
deutliche laterale Fragmentierung vorliegt, stört die Dis-
traktion die Reposition eher, da sie zu einer Zunahme der
lateralen Dislokation führt. In diesem Fall sollte mit der
Rekonstruktion des lateralen Navikulare begonnen wer- Abb. 33.27 Klinisches Bild des dorsomedialen Fußes, das die
den, wodurch ein lateraler Pfeiler gebildet wird, der die zwei Inzisionen (medial und anterolateral) zeigt, die für die
mediale Distraktion erlaubt und gleichzeitig als Fun- Versorgung der Navikularefraktur verwendet wurden. Beachte
den medial montierten Fixateur externe, der die Länge der
dament für die weitere Reposition der verbliebenen Ge-
medialen Säule erhält und den Wundverschluss mit nichtresor-
lenkfragmente dient. Bei diesem Vorgehen ist ein zweiter bierbarem Nahtmaterial.
lateraler Zugang zum Navikulare hilfreich. Dieser Zugang
sollte immer bei Mehrfragmentfrakturen, bei nach dorsal
subluxierten Fragmenten des Navikulokuneiformege- Schrauben können somit zum einen vom proximalen me-
lenks oder bei nach lateral subluxierten Gelenkfragmen- dialen Aspekt des Navikulare aus diagonal bis in das drit-
ten des Talonavikulargelenks erwogen werden. Häufig te Kuneiforme, andererseits vom medialen Kuneiforme
findet sich ein großes, nach dorsal subluxiertes Fragment. retrograd in den lateralen Teil des Navikulare eingebracht
Solange dieses Fragment nicht reponiert wird, bleibt das werden. Zusätzlich kann ein distrahierender Minifixateur
Talonavikulargelenk in subluxierter Stellung. Alternativ externe angelegt werden, um die Länge der medialen
kann eine doppelte Distraktion angelegt werden. Der Säule bei ausgedehnter Impaktion zu erhalten
erste Distraktor wird wie beschrieben zwischen media- (Abb. 33.27).
lem Talushals und dem ersten Metatarsus angelegt, der
zweite wird am lateralem Talushals und dem dritten Me- Nachbehandlung
tatarsus fixiert.
Kirschner-Drähte als Joysticks, Zahnarzthäkchen und Postoperativ muss Entlastung für 8 – 12 Wochen einge-
kleine Elevatoren werden zur Manipulation der Fragmen- halten werden. In den letzten 4 Wochen kann Therapie
te und Reposition in ihre anatomische Position verwen- im Bewegungsbad angewendet werden. Der Belastungs-
det. Die Reposition wird temporär mit Kirschner-Drähten aufbau kann erst begonnen werden, wenn orthopädische
gehalten und mittels Fluoroskopie überprüft. Die Osteo- Einlagen zur Unterstützung des medialen Bogens fertig-
synthese von Mehrfragmentfrakturen kann problema- gestellt sind. Für 6 Monate werden kniehohe Kompressi-
tisch sein. In der überwiegenden Mehrzahl werden Klein- onsstrümpfe als Thromboseprophylaxe verordnet.
und Minifragmentschrauben zur Fixation verwendet. Ge-
legentlich können Minifragmentplatten und Zuggurtun-
Tipps und Tricks
gen (insbesondere für das mediale inferiore Tuberositas-
fragment, an dem die Sehne des M. tibialis posterior an- ■ Um begleitende Verletzungen nicht zu übersehen,
setzt) hilfreich sein. In Fällen ausgedehnter Zertrümme- muss die laterale Fußsäule sorgfältig evaluiert wer-
rung können die Ossa cuneiformia in die Osteosynthese den.
33 eingeschlossen werden (s. Abb. 33.26). Da im Navikuloku-
neiformegelenk grundsätzlich nur ein geringer Bewe-
Komplikationen und Ergebnisse
gungsumfang möglich ist, können die Kuneiformia als
stabiler Knochenstock dienen, gegen den die Navikulare- Komplikationen nach Navikularefrakturen betreffen Fehl-
fragmente sicher fixiert werden können, ohne dass die heilungen, posttraumatische Arthrosen, avaskuläre Kno-
Beweglichkeit des Gelenks relevant eingeschränkt wird. chennekrosen (AVN) und im späteren Verlauf zunehmen-
Kuboidfrakturen 911

de Varusfehlstellungen des Rückfußes. Es finden sich nur Kuboideometatarsalegelenk betreffen. Es können Kom-
sehr wenige Publikationen, die sich mit Navikularefrak- pressions- oder Berstungsfrakturen des Korpus mit darü-
turen beschäftigen, weswegen nur spärliche Daten über ber gelegenen Gelenkflächenimpressionen vorliegen, die
das Ergebnis nach dieser Verletzung existieren. Sangeor- in einem Längenverlust der lateralen Säule resultieren
zan berichtet über AVN in 29 %, aber nur ein Patient mit (89, 92).
AVN erlitt einen Kollaps des Os naviculare (85). Die Güte
der Reposition scheint mit dem Ergebnis zu korrelieren.
Konservative Behandlung
Da Frakturen des Navikulare selten isoliert vorkommen
(lediglich 6 von 21 in der Publikation von Sangeorzan), ist Unverschobene Brüche des Kuboids können mit einer Ru-
es problematisch die Ergebnisse zu interpretieren (86). higstellung in einem Unterschenkelliegegips für 6 Wo-
chen behandelt werden.

Kuboidfrakturen Indikationen für eine operative Behandlung


Das Kuboid weist 5 Gelenke auf; alle werden durch kräf- Die offene Reposition, Spongiosaplastik und interne Fixa-
tige intertarsale und tarsometatarsale Bänder stabilisiert. tion (ORIF) ist indiziert, wenn eine intraartikuläre Dis-
Es hat separate Gelenkflächen für den vierten und fünf- lokation von mehr als 1,5 mm vorliegt oder ein Längen-
ten Mittelfußknochen und bildet ein Sattelgelenk zum verlust des Kuboids (Länge der lateralen Fußsäule) einge-
Kalkaneus aus. In medialer Richtung artikuliert es mit treten ist.
dem Os cuneiforme laterale und posteromedial mit dem
Os naviculare (87). Die plantare Oberfläche des Kuboids
Operative Behandlung
hat eine prominente Kante, an der das Lig. calcaneocu-
boideum ansetzt, das das kalkaneokuboidale Gelenk sta- Kuboidfrakturen kommen selten als isolierte Frakturen
bilisiert. Eine Tuberositas am lateralen Aspekt der Kante vor, weswegen die Therapie dieser Verletzung alle beglei-
artikuliert mit der Sehne des M. peroneus longus (88). tenden Fußwurzelverletzungen mitberücksichtigen muss.
Das Kuboid hat die Funktion eines Platzhalters an der Alle Verletzungskomponenten müssen bereits bei der
lateralen Fußsäule. Ein Längenverlust der lateralen Säule Planung der Inzisionen beachtet werden. Üblicherweise
kann zur Ausbildung einer Plattfußdeformität führen wird die Verletzung der medialen Säule zuerst stabili-
(89). Nahezu die gesamte Dorsalextension und Plantar- siert, da dies häufig einen indirekten Repositionseffekt
flexion der lateralen Fußsäule erfolgt in den Gelenken auf die Verletzung des Kuboids hat.
des Kuboids zum 4. und 5. Mittelfußknochen (90). Das Kuboid wird über eine 4 – 5 cm lange Inzision über
Die tatsächliche Inzidenz von Frakturen des Kuboids ist der lateralen Fußsäule dargestellt, die dorsal zu den Pe-
nicht bekannt. Die Verletzung entsteht entweder durch ronealsehnen und dem N. suralis in Verlängerung des 4.
ein direktes Trauma gegen den lateralen Fuß oder häufi- Metatarsale verläuft. Unterhalb der Haut wird der M. ex-
ger durch eine forcierte Plantarflexion und Abduktion, tensor digitorum brevis (EDB) identifiziert und nach dor-
wodurch das Kuboid zwischen Processus anterior calca- sal sowie die Peronealsehnen nach plantar weggehalten.
nei und den Basen der Metatarsale IV und V komprimiert Das Periost des Kuboids wird inzidiert und die laterale
wird. Diese Fraktur sollte nicht als isolierte Verletzung Wand türflügelartig aufgeklappt, um Zugang zur Fraktur
angesehen werden, sondern vielmehr als laterale Kom- und der Gelenkfläche zu erhalten. Über der lateralen
ponente einer Verletzung betrachtet werden, die sowohl Fußsäule wird anschließend ein kleiner Fixateur externe
die mediale als auch die laterale Säule betrifft. Diese Frak- angebracht, wobei ein 2,0-mm-Pin im Processus anterior
tur wird auch als „Nussknacker-Fraktur“ bezeichnet (91). calcanei und je ein Pin in den Metatarsalia IV und V fi-
In der bislang größten publizierten Serie wiesen 10 von xiert wird. Da der Fixateur verwendet wird, um das Ku-
12 Patienten begleitende mediale Verletzungen in Form boid auf Länge zu distrahieren (Video 33-3, DVD 4), muss
von Navikularefrakturen, Verletzungen des tarsometatar- zunächst die Stabilität des tarsometatarsalen Gelenks des
salen Gelenkkomplexes und mediale Metatarsalefraktu- 4. und 5. Metatarsus überprüft werden. Liegen Instabili-
ren auf (89). Kuboidfrakturen können auch in Kombina- täten dieser Gelenke vor, müssen sie vor der Anlage des
tion mit Kalkaneusfrakturen oder intermetatarsalen Lu- Fixateur externe gegen die verbliebenen Metatarsalia sta-
xationen des 4. und 5. Metatarsus auftreten. bilisiert werden.
Eine Röntgenaufnahme des unverletzten Fußes wird
angefertigt, um die korrekte Länge des Kuboids zu beur-
Klassifikation
teilen. Die Reposition beginnt an der Gelenkfläche des 33
Es existiert keine generell akzeptierte Klassifikation für Kuboids. Imprimierte Fragmente werden angehoben, die
Frakturen des Kuboids. In der Literatur wird zwischen Gelenkfläche wird reponiert und das Repositionsergebnis
extraartikulären Abrissfrakturen und intraartikulären temporär mit dünnen Kirschner-Drähten (0,9 – 1,4 mm)
Kompressionsfrakturen unterschieden. Intraartikuläre fixiert. Im Falle einer Kompressionsfraktur wird der De-
Frakturen können das Kalkaneokuboidalgelenk oder das fekt im Kuboid mit Spongiosa aufgefüllt. Wenn die sub-
912 33 Frakturen des Fußes

Abb. 33.28 Postoperative Röntgenbilder


demonstrieren die Plattenosteosynthese des
Kuboids.
a A.–p. Aufnahme.
b Seitliche Aufnahme.

a b

chondrale Knochenmasse für eine stabile Fixation nicht


Ergebnisse
ausreicht, können trikortikale Beckenkammblöcke erfor-
derlich werden. Diese trikortikalen Transplantate werden Main u. Jowett haben über schlechte Ergebnisse bei der
temporär mit Kirschner-Drähten fixiert, für die definitive konservativen Behandlung von Kuboidfrakturen mit
Fixation kommt die „Kuboid-Platte“ von Synthes Gipsruhigstellung berichtet (93). Alle 4 Patienten ihrer
(Abb. 33.28) zur Anwendung. Mit dieser 2,4-mm-Platte Serie hatten persistierende Schmerzen, die eine Tripel-
können sowohl 2,0- als auch 2,4-mm-Kortikalisschrau- arthrodese erforderlich machten. Jahn u. Freund berich-
ben verwendet werden. Alternativ können 2 Minifrag- ten ebenfalls über schlechte Ergebnisse bei ihrer Serie
mentplatten (2,0 mm) verwendet werden. Die Platten von 2 Patienten, die konservativ durch Gipsruhigstellung
werden auf der dorsalen oder dorsolateralen Oberfläche behandelt wurden, von denen in einem Fall eine Kalka-
des Kuboids platziert. Nach Fertigstellung der Osteosyn- neokuboidalarthrodese und im zweiten Fall eine tarso-
these wird der Fixateur demontiert und das Kuboid auf metatarsale Arthrodese erforderlich wurde (94).
Stabilität überprüft. Wenn die Spongiosaplastik und die Bessere Ergebnisse werden bei offener Reposition und
Osteosynthese keine ausreichende Stabilität generieren, stabiler Fixierung berichtet, wenn Gelenkkongruenz und
um das Kuboid auf Länge zu halten, bleibt der Fixateur Länge der lateralen Säule berücksichtigt wurden. Sangeor-
externe für 6 – 8 Wochen in situ. zan u. Swiontkowski berichten bei einer Serie von 4 Patien-
Postoperativ wird der Fuß in einer gut gepolsterten ten über 3 Fälle mit schmerzlos freier Beweglichkeit ohne
dorsalen Schiene gelagert. Mit der ersten postoperativen Funktionsbeeinträchtigung bei den 1-Jahresergebnissen
Visite wird ein abnehmbarer Splint angelegt und kran- (92). Zwei Studien haben den „American Orthopaedic
kengymnastische Bewegungstherapie eingeleitet. Entlas- Foot and Ankle Society Score“ (AOFAS) verwendet, um
tung muss für 8 Wochen eingehalten werden (12 Wochen die Funktion zu erheben (88, 95). 56 % der Patienten wiesen
bei ausgedehnter Spongiosaplastik), eine weiterführende gute und sehr gute und lediglich 6 % schlechte Resultate
Physiotherapie ist normalerweise nicht erforderlich. auf. Obwohl 60 % der Patienten mäßige verbleibende
Schmerzen und Steifigkeiten hatten, war der Schmerz häu-
fig auf der medialen Seite des Fußes lokalisiert und Folge
Komplikationen
begleitender Fußwurzelverletzungen.
Im Zusammenhang mit konservativer Behandlung wurde
ein Verlust der Länge der lateralen Fußsäule mit daraus
resultierender Plattfußdeformität beschrieben. Obwohl in Merke
der Serie von Weber u. Locher Verkürzungen der latera- ■ Die Inzidenz von isolierten Kuboidfrakturen ist nicht
len Säule von > 5 % in 40 % der Fälle beschrieben wurde, klar, sie sind aber in 80 % mit Fußwurzelverletzungen
wies kein Patient eine Plattfußdeformität, definiert durch vergesellschaftet.
den Talometatarsale-I-Winkel auf (89). Die minimale Ver- ■ Die offene Reposition und interne Fixation (ORIF) ist bei
33 kürzung hatte auch keinen Einfluss auf das funktionelle einer Dislokation von 1 – 2 mm und jeglichem Längen-
Ergebnis. Posttraumatische Arthrosen können entweder verlust der lateralen Säule indiziert.
im Kalkaneokuboidalgelenk oder im Kuboideometatarsa- ■ Verbleibende Beschwerden sind häufig Folge begleiten-
legelenk auftreten, aber die spezifische Inzidenz ist unbe- der Fußwurzelverletzungen.
kannt. Kompartmentsyndrome, welche Fasziotomien er-
forderlich machen, werden in bis zu 50 % der Fälle be-
schrieben (89).
Verletzungen der Lisfranc-Gelenkreihe 913

Verletzungen der Lisfranc-Gelenkreihe falls pathologisch (104). Wenn Zweifel bestehen, sollten
simulierte Belastungsaufnahmen in dorsoplantarer Pro-
Verletzungen der tarsometatarsalen Gelenkreihe, oder jektion angefertigt werden, bei denen beide Füße gleich-
des Lisfranc-Gelenks, machen 31 % der dislozierten Fuß- zeitig auf der Kassette stehen und so viel Belastung auf
wurzelverletzungen aus (96–99). Da die Nachunter- den verletzten Fuß aufgebracht wird, wie der Patient to-
suchungen zeigten, dass die Ergebnisse dieser Verletzung lerieren kann (105). Computertomografische Unter-
von der anatomischen Reposition abhängen (100–102), suchungen mit Darstellungen in der Ebene des ersten
wurde ein aggressiverer, operativer Ansatz zur Therapie Mittelfußknochens sind im Zweifelsfall von zusätzlichem
entwickelt, der die operative Fixation auch der dislozier- Wert. Dislokationen von 1 – 2 mm, die in den konventio-
ten Verletzungen vom Distorsionstyp mit einschließt nellen Aufnahmen nicht sicher nachweisbar sind, können
(103). in CT-Untersuchungen nachgewiesen werden. Das Pro-
Weniger offensichtliche Verletzungen des Lisfranc-Ge- blem der Überlappung der knöchernen Strukturen in
lenks kommen häufig vor, wobei 20 % dieser Verletzun- konventionellen Röntgenprojektionen spielt bei CT-Un-
gen bei der Erstvorstellung der Patienten übersehen wer- tersuchungen, bei denen das tatsächliche Verhältnis der
den (102). Nach Verletzungen der tarsometatarsalen Ge- Fußwurzel zueinander dargestellt wird, keine Rolle (106).
lenkreihe sollte immer dann gesucht werden, wenn Alternativ können gehaltene Aufnahmen unter Schmerz-
Schmerzen und Schwellungen über dem Lisfranc-Gelenk ausschaltung angefertigt werden (Abb. 33.29).
bestehen, auch wenn das Unfallereignis wenig geeignet
erscheint. Konventionelle Röntgenaufnahmen des Fußes
Klassifikation
in dorsoplantarem und streng seitlichem Strahlengang
sowie in 30° Schrägprojektion decken die meisten Verlet- Die deskriptive Klassifikation der Lisfranc-Verletzungen
zungen auf. Die dorsoplantaren und Schrägaufnahmen von Hardcastle et al. ist allgemein bekannt und wird in
sollten mit paralleler Ausrichtung des Zentralstrahls zur der Literatur häufig verwendet (97). Diese Klassifikation
Gelenkfläche des tarsometatarsalen Gelenks aufgenom- beschreibt die Richtung der Dislokation des Tarsus, wie
men werden, um die Überlappung der Gelenkflächen zu sie auf konventionellen Röntgenbildern dargestellt ist. Im
minimieren. In allen Projektionen sollten Linien, die ent- Typ A sind Verletzungen zusammengefasst, die eine voll-
lang der äußeren Kortikalis eines Metatarsale eingezeich- ständige Dislokation des tarsometatarsalen Gelenks auf-
net werden sich nicht mit dem zugehörigen Fußwurzel- weisen, der Typ B besteht aus den Fällen mit teilweiser
knochen schneiden. Eine Aufweitung des Zwischenraums Inkongruenz, während Typ C die Verletzungen beinhaltet,
entweder zwischen 1. und 2. Mittelfußknochen oder zwi- die divergierende Luxationen aufweisen, die entweder
schen den Kuneiformia von mehr als 1 – 2 mm ist eben- partiell (a) oder vollständig (b) sein können. Obwohl
diese Klassifikation eine Kommunikation zwischen Klini-
kern oder Forschern ermöglicht, konnte kein Vorher-
sagewert für das Ergebnis der Verletzung festgestellt wer-
den. Ältere Klassifikationen, die auf dem Verletzungs-
mechanismus basieren (direkt oder indirekt), haben hin-
gegen einen gewissen prognostischen Wert. Direkte
(Quetsch-)Traumen haben eine tendenziell schlechtere
Prognose als indirekte Verletzungen (Distorsionsmecha-
nismen; 101). Diese schlechtere Prognose hängt primär
von den durch die schwere Quetschverletzung erlittenen
Weichteilschäden, dem Hautverlust und den Gefäßverlet-
zungen ab.

Indikationen für eine operative Behandlung


Es ist die Überzeugung des Autors, dass jedwede Disloka-
tion der Lisfranc-Gelenkreihe, die in Röntgenbildern oder
im CT festgestellt wurde, eine Indikation zur operativen
a b Stabilisierung darstellt. Die konservative Behandlung mit-
tels Gipsruhigstellung bleibt ausschließlich den völlig un-
Abb. 33.29 Lisfranc-Verletzung. dislozierten „Distorsionen“ vorbehalten. Vor Einleitung 33
a Dorsoplantare Projektion einer wenig offensichtlichen Lis-
einer konservativen Therapie sollte die Stabilität des Lis-
franc-Verletzung, die durch die Aufweitung des Raumes zwi-
schen den Basen des 1. und 2. Mittelfußknochens auffällt. franc-Gelenks mittels gehaltenen Aufnahmen dokumen-
b Gehaltene Aufnahme des gleichen Fußes, bei der der Zen- tiert werden. An eine 6-wöchige Entlastung im Unter-
tralstrahl tangential zum tarsometatarsalen Gelenk eingestellt schenkelgips schließt sich eine 6-wöchige Phase der ge-
ist. schützten Belastungssteigerung im abnehmbaren Gips-
914 33 Frakturen des Fußes

stiefel oder einem unterstützenden Schuh an. Der Schuh an den 2 lateralen Strahlen physiologische Bewegungen
sollte mit einer orthopädischen Polykarbonateinlage ver- von mehr als 1 cm fanden (92). Wir folgen dieser ana-
sorgt werden, die das mediale Gewölbe unterstützt und tomischen Vorgabe, indem wir die 3 medialen Metatar-
mit einer retrokapitalen Abstützung versehen ist. salia rigide und die 2 lateralen flexibel über Kirschner-
Drähte fixieren. Für die Versteifung des Fußes am Ende
der Standphase ist die Stabilität der medialen und mitt-
Operative Therapie
leren Säule maßgeblich, während es für die laterale Säule
Chirurgische Anatomie von Bedeutung ist, ihre natürliche Flexibilität zu erhalten
(105).
An der Stabilität der tarsometatarsalen Gelenkreihe wir- Präoperativ muss der Zustand des Weichteilmantels
ken 2 Komponenten der knöchernen Anatomie mit. Zum sorgfältig überprüft werden. Bei kompromittierten
ersten sind die Kuneiforme und die Basen der korrespon- Weichteilverhältnissen sollte zunächst eine temporäre
dierenden Metatarsalia im Querschnitt Dreiecke mit Kirschner-Draht-Transfixation erwogen und die definitive
einer nach dorsal gerichteten Basis, die einen „romani- chirurgische Versorgung zurückgestellt werden. Idealer-
schen Bogen“ bilden. Dieser Aufbau verhindert die Dis- weise werden die Kirschner-Drähte perkutan durch die
lokation der Basen der Metatarsalia nach plantar. Zum Fußsohle eingebracht, sodass die Eintrittsstellen weit
zweiten ist die Basis des 2. Metatarsale in koronarer vom späteren Operationsgebiet entfernt sind. Die Kirsch-
Ebene zurückversetzt und in der Nut verzahnt, die von ner-Drähte werden retrograd von den Metatarsalia aus
den Cuneiformia mediale und laterale gebildet wird, wo- transartikulär in die Fußwurzel eingebracht.
durch die mediale und laterale Translation verhindert Der Patient wird in Rückenlage mit frei beweglich ab-
wird. Somit stellt die dreieckige Basis des zweiten Mittel- gedeckter betroffener Extremität auf dem OP-Tisch gela-
fußknochens den Schlüsselstein für die Stabilität des ge- gert. Durch die Verwendung eines Lagerungskissens
samten transversalen Bogens des Fußes dar (107). Für die unter der betroffenen Hüfte wird der Fuß in Neutralrota-
Behandlung dieser Verletzung ist es zwingend notwen- tion gehalten, eine röntgendurchlässige dreieckige Lage-
dig, das Verhältnis der Metatarsalia und ihrer korrespon- rungsstütze unter dem Knie erleichtert den Zugang zum
dierenden Fußwurzelknochen wieder herzustellen. Fußrücken. Der Bildverstärker sollte von lateral in das OP-
3 Gruppen von Ligamenten, die sich dorsal, plantar und Feld gebracht werden, wodurch der Zugang zur medialen
interossär ausspannen, unterstützen die tarsometatarsa- Seite des Fußes zur Platzierung von Kirschner-Drähten
len Gelenke. Die plantaren und dorsalen Ligamente neh- und Schrauben erleichtert wird (Abb. 33.30).
men einen transversalen, queren und longitudinalen Ver- 2 Inzisionen ermöglichen einen ausreichenden Zugang
lauf und verbinden die Fußwurzel mit den Mittelfußkno- zu allen tarsometatarsalen Gelenkfächern (Video 33-4,
chen, wobei die plantaren Ligamente stärker ausgeprägt DVD 4). Die erste Inzision wird auf Höhe des tarsometa-
sind als ihre dorsalen Gegenspieler. Die interossären Liga- tarsalen Gelenks in Verlängerung des ersten Intermeta-
mente sind die stärksten Verbindungen innerhalb des tarsalraums angelegt (Abb. 33.31). Durch diese Inzision
Kapsel-Band-Apparats. Während die 4 lateralen Mittel- werden 2 Zwischenräume verwendet, einer medial des
fußknochen ligamentär untereinander verbunden sind, M. extensor hallucis longus (EHL), der zweite lateral
existieren keine Verbindungen zwischen dem 1. und 2. zum M. extensor hallucis brevis (EHB). Man beginnt da-
Mittelfußknochen. Stattdessen ist die Basis des 2. Mittel- mit, die Faszie medial des EHL zu inzidieren und die
fußknochens über das 8 – 10 mm lange und 5 – 6 mm Sehne nach lateral zu halten. Das neurovaskuläre Bündel
breite sogenannte Lisfranc-Ligament mit dem medialen liegt lateral der Sehne und wird durch diese sowie eine
Os cuneiforme verbunden (108). subperiostale Präparationstechnik geschützt. Es ist nicht
notwendig, das neurovaskuläre Bündel darzustellen, die
Operative Technik Präparation endet regelhaft proximal der Region der ers-
ten perforierenden Arterie. Dieses erste Intervall ermög-
In der aktuellen Literatur herrscht Konsens bezüglich der licht den Zugang zum 1. Metatarsale und dem medialen
Notwendigkeit einer anatomischen Reposition, um best- Kuneiforme. Das zweite Intervall liegt lateral der Sehne
mögliche Ergebnisse zu erreichen (97, 100–102, 109, 110). des EHB. Die Faszie wird lateral der EHB-Sehne abgelöst
Kontrovers wird diskutiert, ob die offene Reposition bei und Sehne und neurovaskuläres Bündel werden nach me-
allen Verletzungen notwendig ist. Nach unserer Meinung dial gehalten. Über dieses Fenster werden der 2. Mittel-
ist die Chance für eine anatomische Reposition durch die fußknochen und das Cuneiforme intermedium erreicht.
offene Reposition am höchsten. Unterschiedliche Mei- Indem die Inzision verlängert wird und mit verstärkter
33 nungen bestehen auch bezüglich der besten Fixations- medialer Retraktion können durch dieses Fenster auch
technik. Während einige Autoren eine Fixation über der 3. Mittelfußknochen und das Cuneiforme laterale dar-
Kirschner-Drähte bevorzugen, raten andere dringend zur gestellt werden. Die zweite Inzision wird zwischen 4. und
Fixation über Schrauben (100, 101, 104). Anatomische 5. Metatarsale angelegt und ermöglicht den Zugang zu
Studien wiesen lediglich eine minimale Beweglichkeit ihren Gelenken mit dem Kuboid. Die Sehnen des M. ex-
der medialen und mittleren Reihe nach, während sich tensor digitorum longus und des M. extensor digitorum
Verletzungen der Lisfranc-Gelenkreihe 915

Abb. 33.30 Setup zur Operation einer Lisfranc-


Verletzung. Beachte die dreieckförmige Lage-
rungshilfe unter dem Kniegelenk, um den Fuß
sowohl für die Operation als auch für die
Durchleuchtung korrekt zu lagern. Bei dieser
Verletzung wird der Bildverstärker von der ver-
letzten Seite aus in das OP-Feld geschoben.
Dies erleichtert die Einbringung der schrägen
Schraube vom medialen Kuneiforme in den
2. Mittelfußknochen.

desespreizer hilft bei der Darstellung der Tiefe des jewei-


ligen Gelenks (105). Die Reposition wird anhand der Po-
sition der Knochen zueinander überprüft, wobei die me-
dialen, lateralen und dorsalen Kortizes des 1. Metatarsale
und des medialen Kuneiforme in allen Ebenen überein-
stimmen müssen. Die Reposition wird mit einer spitzen
Repositionszange oder einem Zahnarzthaken bis zur tem-
porären Kirschner-Draht-Transfixation gehalten. Eine 4,0-
mm-Kortikalisschraube wird retrograd vom 1. Metatarsa-
le in das mediale Kuneiforme in Verlängerung der Schaft-
achse eingebracht. Die Schraube beginnt 1,5 – 2 cm distal
des Gelenks und zielt parallel zum Grund oder leicht
nach plantar. Mit der 4-mm-Kopfraumfräse wird eine
Aussparung für den Schraubenkopf geschaffen, um eine
Stressfraktur des Metatarsale zu vermeiden (Abb. 33.32).
Nach Stabilisierung des medialen Strahls wendet man
a b sich dem 2. Strahl und dem Cuneiforme intermedium
zu. Sobald der mediale Strahl reponiert und fixiert ist,
Abb. 33.31 Hautinzisionen zur Versorgung einer Lisfranc-Ver-
letzung. gelingt die Reposition des 2. und 3. Strahls wesentlich
a Üblicherweise wird nur die mediale Inzision benötigt. leichter. Erneut wird die Qualität der Reposition anhand
b Die mediale Präparation medial der langen Streckersehnen der medialen, lateralen und dorsalen Kortizes des 2. Mit-
erlaubt den Zugang auf das TMT-1-Gelenk. telfußknochens und des Os cuneiforme intermedium
überprüft. Zur Reposition wird eine spitz-spitze Repositi-
onszange diagonal von der distalen lateralen Basis des 2.
brevis liegen im Operationsfeld und können problemlos Metatarsale zum proximalen medialen Aspekt des Cunei-
entweder nach medial oder auch nach lateral gehalten forme mediale gesetzt (Abb. 33.33). Der Vektor, den die
werden um Zugang zu den zwei lateralen Gelenken zu Repositionszange bestimmt, ist essenziell für die Wieder-
ermöglichen. herstellung der Position der Basis des 2. Metatarsale als
Der Vorgang der Reposition beginnt mit dem 1. Meta- Schlüsselstein in der „romanischen Bogenkonstruktion“.
tarsale und dem medialen Kuneiforme. Man beginnt mit Sorgfältig muss darauf geachtet werden, den Mittelfuß-
der Darstellung der Gelenke, die reponiert werden müs- knochen nicht zu sehr plantarwärts einzustellen. Die Re-
sen und beurteilt die interkuneiforme Stabilität. Die Ge- position wird temporär mittels Kirschner-Drähten gehal- 33
lenkkapsel ist üblicherweise rupturiert, muss aber für die ten. Eine Schraube wird vom medialen Kuneiforme dia-
vollständige Visualisierung noch präpariert werden. gonal in den 2. Metatarsale im Verlauf des Lisfranc-Liga-
Weichgewebe, ebenso wie knöcherne und knorpelige ments eingebracht. Die Schraube sollte an der proxima-
Fragmente behindern häufig die Reposition und müssen len dorsalen Ecke des Cuneiforme mediale beginnen und
aus dem Gelenk ausgeräumt werden. Ein kleiner Arthro- zielt genau unterhalb den dorsalen Kortex des 2. Meta-
916 33 Frakturen des Fußes

Abb. 33.32 Darstellung der Schritte zur


Schraubenfixation des 1. Metatarsale.
a Mit der Kopfraumfräse wird ein Raum für
den Kopf der retrograd von der Basis des
Metatarsale I in das Cuneiforme mediale
verlaufenden Schraube angelegt.
b Die Schraube ist eingebracht. Beachte,
dass der Kirschner-Draht die Reposition wäh-
rend der Bohrung und der Schraubenplat-
zierung hält.

a b

Abb. 33.33 Darstellung der Schritte zur of-


fenen Reposition der tarsometatarsalen Ge-
lenkreihe.
a Das Lisfranc-Gelenk, der 2. Metatarsale
und die Ecke zwischen Metatarsale I und
Cuneiforme intermedium sind dargestellt.
Eine Pinzette hält die dorsalen Ligamente
beiseite und eine spitze Repositionszange
wird zur Reposition der Fehlstellung einge-
bracht.
b Anschauliche Darstellung des einrichten-
den Effekts der Repositionszange.

a b

tarsale. Die Schraube sollte dabei 4 Kortizes passieren, Cuneiforme laterale eingebracht. Auch hier beginnt die
um eine sichere bikorticale Verankerung des 2. Metatar- Schraube 1,5 – 2 cm entfernt vom Gelenk, für den Schrau-
sale zu gewährleisten. Mittels Bildverstärker und Palpati- benkopf wird zur Vermeidung einer Fissur in der Korti-
on mit der Tiefenmesslehre wird sichergestellt, dass die kalis mit der 4,0-mm-Fräse eine Aussparung vorbereitet.
Schraube in ihrem Verlauf intraossär liegt. Eine zweite Zuletzt werden der 4. und der 5. Metatarsale an das
Schraube kann vom medialen in das intermediäre Kunei- Kuboid fixiert. Beide werden durch die zweite Inzision
forme platziert werden, um eine zusätzliche Stabilisie- erreicht. Auch hier wird das Gelenk durch Präparation
rung der medialen und mittleren Säule zu erreichen. der rupturierten Gelenkkapsel eingesehen. Das Repositi-
Wenn eine zweite Schraube geplant ist, muss die dia- onsergebnis wird anhand der dorsalen und medialen
gonale Schraube weiter distal im Kuneiforme beginnen. Kortizes des 4. Metatarsale und dem Alignement mit
33 Häufig ist der 3. Metatarsale nach Fixierung des 1. und der dorsomedialen Kortikalis des Kuboids überprüft. Der
2. Strahls ausreichend stabil. Wenn sich der 3. Strahl 4. und 5. Strahl sind üblicherweise einfach zu reponieren
nicht spontan einstellt, wird ein vergleichbares Repositi- und werden mit 1,6-mm-Kirschner-Drähten, die per-
onsmanöver mit einer spitz-spitzen Repositionszange kutan ausgeleitet bleiben, fixiert. Alternativ können der
und temporärer Kirschner-Draht-Transfixation durch- 4. und 5. Strahl auch geschlossen reponiert und perkutan
geführt. Eine Schraube wird vom 3. Metatarsale in das
Verletzungen der Lisfranc-Gelenkreihe 917

Rehabilitation
Postoperativ wird der Unterschenkel in einem gut gepols-
terten dorsalen Gipsverband ruhiggestellt, der gegen eine
abnehmbare Unterschenkelschiene ausgetauscht wird,
sobald sich die Schwellung zurückgebildet hat. Für 6 Wo-
chen wird Entlastung eingehalten, bis die lateralen
Kirschner-Drähte nach 6 Wochen entfernt werden. Ab
diesem Zeitpunkt beginnt die Belastungssteigerung in
einem unterstützenden Schuh mit orthopädischen Ein-
lagen. Es wird eine Polykarbonateinlage mit Unterstüt-
zung des medialen Gewölbes und retrokapitaler Abstüt-
zung empfohlen. Die Schrauben werden nach 16 – 24
Wochen entfernt, die Schuhversorgung mit unterstützen-
dem Schuh und Einlagen wird für ein Jahr fortgesetzt.
Normalerweise besteht keine Notwendigkeit für kran-
kengymnastische Übungsbehandlung.

Komplikationen
In der Literatur wird über folgende Frühkomplikationen
Abb. 33.34 Standardfixation der Lisfranc-Gelenkreihe mit re- berichtet:
trograder Verschraubung des Tarsometatarsale-1-Gelenks. ■ Kompartmentsyndrom (5 %; 101),

Eine diagonale Schraube transfixiert die Basis des Metatarsale ■ Gefäßschäden (10 %; 102),

II gegen das Cuneiforme mediale. Die laterale Säule wird durch ■ Notwendigkeit eines Haut- oder Lappentransfers
Kirschner-Drähte fixiert.
(5 – 6 %; 101, 110),
■ oberflächliche Infekte (2,5 %; 101).

mittels Kirschner-Drähten stabilisiert werden Mittelfristige Komplikationen betreffen den Verlust der
(Abb. 33.34). Reposition und Schraubenbruch (25 %; 110) sowie kom-
plexe regionale Schmerzsyndrome (CRPS, 25 %; 102, 111).
Letzteres wird häufiger bei geschlossener Reposition
Tipps und Tricks
ohne stabile Fixierung beobachtet. Die häufigste Spät-
■ Wenn die Metatarsalia mehrfach frakturiert sind, komplikation ist die posttraumatische Arthrose
kann ein 1,6-mm-Kirschner-Draht als intramedulläre (25 – 30 %; 97, 110), die häufig eine Arthrodese erforder-
Schiene verwendet werden, um den Mittelfußkno- lich macht (13 %; 110). Auch bei anatomischer Reposition
chen aufzufädeln und gegen den entsprechenden tritt eine posttraumatische Arthrose in hohem Prozent-
Fußwurzelknochen zu fixieren. Der Kirschner-Draht satz auf. Dies ist vermutlich auf die primäre Schädigung
wird dafür durch die Fußsohle in den Metatarsale- der Gelenkflächen durch das Unfallereignis zurückzufüh-
schaft eingebracht. ren. Nicht jede radiologisch nachgewiesene Arthrose ist
■ Bei ausgedehnter Fragmentierung der medialen symptomatisch. Bei schlechter Reposition ist die Inzidenz
Säule oder des 1. Strahls kann eine überbrückende für die Entwicklung einer Arthrose signifikant erhöht
Platte vom 1. Metatarsale auf das Navikulare plat- (60 % gegenüber 16 %; 110), störende Exostosen und Fuß-
ziert werden. fehlstellungen können Probleme bei der Schuhversor-
■ Bei hochgradiger Instabilität der medialen Säule gung bereiten (109).
oder des ersten Strahls, wie es bei divergierenden
Luxationen vorkommt, kann eine zusätzliche Schrau-
be die Stellung des Cuneiforme mediale zum inter- Ergebnisse
medium sichern.
Die Ergebnisse nach Lisfranc-Gelenkverletzungen sind ab-
■ Wenn der Hautverschluss nicht spannungsfrei ge-
hängig von der Güte der anatomischen Reposition und
lingt, kann über eine dynamische Naht mittels Ves-
werden darüber hinaus vom Versicherungsstatus (gesetz-
sel-Loop, der mit Staples an den Wundrändern fi-
liche Unfallversicherung) negativ beeinflusst (100). 50 % 33
xiert und im Stile einer römischen Sandale über
der Patienten mit nichtanatomischer Reposition errei-
der Wunde geschnürt wird, eine Annäherung der
chen ihre Arbeitsfähigkeit nicht mehr, verglichen mit we-
Wundränder erreicht werden. Alternativ kann eine
niger als 25 % der Patienten mit anatomischer Reposition
Vakuumversiegelung als temporärer Verband ange-
(100, 101). In der jüngeren Literatur, in der der AOFAS-
legt werden, bis ein definitiver Wundverschluss
Score zur Beurteilung des funktionellen Ergebnisses ver-
möglich ist.
wendet wird, werden signifikant bessere Ergebnisse (82
918 33 Frakturen des Fußes

gegenüber 70) für die Fälle mit anatomischer Reposition


erzielt (110). Teng et al. haben Ganganalysen bei Patien-
ten mit anatomischer Reposition durchgeführt. Obwohl
die Patienten noch über Beschwerden klagten, konnte
die objektive Ganganalyse keine signifikanten Abwei-
chungen von der Norm nachweisen (112). Für Patienten
mit nichtanatomischer Reposition wurde keine vergleich-
bare Studie durchgeführt.

Merke
■ 20 % der Verletzungen werden bei der Erstvorstellung
übersehen.
■ Radiografische Hinweise nach Myerson:
– < 2 mm zwischen 1. und 2. Metatarsale und media-
lem und intermediärem Kuneiforme,
– tarsometatarsaler Winkel < 15°,
– keine Dislokation des Metatarsale in der dorsoplanta-
ren Aufnahme.
■ Die anatomische Reposition ist der Schlüssel zu den
bestmöglichen Ergebnissen.

Abb. 33.35 Postoperative dorsoplantare Projektion des Fu-


ßes. Plattenosteosynthese des Metatarsale I, Kirschner-Draht-
Frakturen der Mittelfußknochen Osteosynthesen der Metatarsalia II und III und der Phalangen.

Obwohl Frakturen der Mittelfußknochen äußerst häufig


auftreten, finden sie in der Literatur nur wenig Beach-
tung. Normalerweise kann die große Mehrzahl dieser abweichung ist das primäre Ziel die Wiederherstellung
Verletzungen (die nicht den tarsometatarsalen Gelenk- der anatomischen Verhältnisse. DeLee empfiehlt einen
komplex betreffen) konservativ behandelt werden. Be- Versuch der geschlossenen Reposition und konservativen
stimmte Verletzungen oder Verletzungsmuster bedürfen Therapie jeder Fraktur des 1. Metatarsale (5). Wenn diese
aber einer operativen Therapie, um ein annehmbares Er- Technik gewählt wird, muss die Stellung in den folgenden
gebnis zu erreichen. Frakturen des 2. bis 4. Metatarsale Wochen engmaschig kontrolliert werden, da diese Frak-
werden üblicherweise gleichartig behandelt, während turen durch den Zug der Sehnen, die am 1. Metatarsale
Frakturen des 1. und 5. Metatarsale jeweils spezielle Be- ansetzen, zu sekundären Dislokationen neigen.
handlungsverfahren erforderlich machen. Daher sollte die offene Reposition und interne Fixation
für alle Frakturen des 1. Mittelfußknochens erwogen
werden. Der Zustand des Weichteilmantels legt die am
Metatarsale I
besten geeignete Technik zur Stabilisierung fest. Wie bei
Der 1. Mittelfußknochen weist in mancher Hinsicht Be- jedem operativen Zugang zum Fuß ist ein subtiler Um-
sonderheiten auf, weswegen seine Frakturen spezielle gang mit den Weichteilen obligat. Längs verlaufenden
Beachtung finden sollten. Der Metatarsale I dient sowohl Inzisionen ist der Vorzug zu geben. Kenntnisse über den
der Sehne des M. tibialis anterior als auch der des M. Verlauf der sensiblen Nerven und der Schutz des Periten-
peroneus longus als distaler Ansatz; durch diese Insertio- dineums sind von wesentlicher Bedeutung. Die Hautinzi-
nen werden Kräfte übertragen, die bei anderen Metatar- sion verläuft medial der Sehne des M. tibialis anterior bis
salia nicht beobachtet werden. Anatomisch ist der 1. Me- zum Knochen und lässt das Peritendineum unbeschädigt.
tatarsale kürzer und breiter und teilt sich die Aufgabe der Die Weichteile werden als vollschichtiger Lappen von der
Lastaufnahme (ein Drittel bis zur Hälfte des Körper- Haut bis einschließlich des Periostes soweit mobilisiert,
gewichts) mit den zwei Sesambeinen. wie es für die Reposition und die Implantatpositionie-
Eine konservative Therapie ist bei allen nichtdislozier- rung erforderlich ist.
33 ten Frakturen indiziert, die mit Teilbelastung behandelt In der Literatur finden sich zur Technik der Fixation
werden können. von Metatarsalefrakturen zahlreiche Empfehlungen. Ab-
Sobald eine Dislokation oder eine Fehlstellung des 1. hängig vom Frakturmuster können isolierte interfrag-
Strahls vorliegt, ist ein aggressiveres Vorgehen indiziert. mentäre Schrauben (2,7 oder 2,0 mm), oder Platten
Sowohl bei dislozierten Gelenkfrakturen als auch bei dis- (2,7 mm Rekonstruktions- oder dynamische Kompressi-
lozierten Schaftfrakturen mit Verkürzung oder Achs- onsplatten, Halbrohrplatten, 2,0/2,7 mm Minifragment-
Frakturen der Mittelfußknochen 919

kondylenplatten) verwendet werden (Abb. 33.35). Andere wird und in seitlicher Sicht in Verlängerung der distalen
Autoren schlagen die perkutane, gekreuzte Kirschner- Schaftachse verläuft. Es kommt häufig vor, dass der Draht
Draht-Osteosynthese für geschlossen reponiblen Fraktu- nach dem ersten Versuch in der scheinbar korrekten Po-
ren oder im Falle eines ausgedehnten Weichteilschadens sition eingebracht ist, es sich dann aber zeigt, dass der Pin
vor. Für die Versorgung von anatomisch nichtrekonstru- in der proximalen Basis der Grundphalanx sitzt. Dies
ierbaren Metatarsale-I-Frakturen stehen verschiedene kann vermieden werden, indem der Zeh verstärkt dorsa-
Techniken zur Verfügung (113). Eine dieser Techniken lextendiert wird, wodurch das Metatarsaleköpfchen bes-
verwendet zusätzlich transfixierende Pins zum 2. Meta- ser erreichbar ist. Vergleichbar mit allen Marknagelungen
tarsale, eine weitere Möglichkeit besteht in der Anlage von Schaftfrakturen wird der Pin dann retrograd bis auf
eines Fixateur externe entlang des medialen Strahls, der das Niveau der Fraktur vorgetrieben, als Joystick für die
die Länge des Metatarsale erhält. Reposition verwendet und anschließend über die Fraktur
Die Mehrzahl der Metatarsale-I-Frakturen wird durch hinaus bis in das proximale Fragment vorgeschoben. Für
Ruhigstellung und Entlastung für 4 – 6 Wochen nach- den besten Halt sollten die Drähte weit nach proximal in
behandelt. Einige der komplexeren Frakturen bedürfen die Metatarsalebasis eingebracht werden. Dies ist die be-
einer längeren Phase der Entlastung, die abhängig vom vorzugte Technik für Metatarsaleköpfchenfrakturen, die
Ergebnis radiologischer Kontrollen und den klinischen eine Reposition und Fixation erforderlich machen.
Zeichen der Heilung ist. Die antegrade/retrograde Kirschner-Draht-Spickung ist
eine andere Technik zur Reposition und Fixation dieser
Frakturen. Das distale Fragment wird identifiziert und
Metatarsale II–IV
der Kirschner-Draht in antegrader Richtung über die
Die zentralen Metatarsalia unterliegen nicht den gleichen Fraktur geschoben. Sobald der Kirschner-Draht an der
Kräften, wie sie an dem medialen und lateralen Metatar- Fußsohle austritt, kann das distale Drahtende gefasst
sus anliegen. Außerdem weisen sie eine gewisse distale und bis in das proximale Eck des distalen Fragments zu-
Eigenstabilität durch die intermetatarsalen Ligamente rückgezogen werden. Anschließend wird die Fraktur re-
auf, die die eventuell auftretende Verkürzung minimie- poniert und der Draht bis in die Metatarsalebasis vor-
ren. Die Mehrzahl der isolierten Frakturen der zentralen getrieben (s. Abb. 33.35).
Metatarsale kann konservativ behandelt werden. Wenn die Fraktur älter als 5 Tage ist oder eine ge-
Die primäre Sorge bei multiplen Frakturen gilt dem schlossene Reposition der Fraktur nicht gelingt, ist häufig
Verlust der normalen Relation der Metatarsaleköpfchen eine offene Reposition erforderlich. Die längsverlaufende
zueinander und der resultierenden Ungleichverteilung Hautinzision sollte im Intermetatarsalraum angelegt wer-
der Lastaufnahme. Deformitäten in der frontalen Ebene den, wodurch bei Bedarf beide angrenzenden Metatarsale
werden wesentlich besser toleriert als Deformitäten in erreicht werden können. Die Präparation sollte nicht in
der sagittalen Ebene. Einige Autoren stimmen darin über- den Intermetatarsalraum ausgedehnt werden, da hier-
ein, dass jede Achsabweichung in der sagittalen Ebene durch die neurovaskulären Bündel gefährdet würden.
oder Verkürzungen von 2 – 4 mm eine operative Stabili- Die Fixation wird dann entweder in der antegraden/re-
sierung indizieren. Darüber hinaus finden sich in der Li- trograden Technik oder unter Verwendung von ⅓-Rohr-
teratur keine weiteren speziellen Indikationen. Das platten und Schrauben erreicht.
grundlegende Konzept bei der Behandlung dieser Fraktu- Bei der Verwendung von Kirschner-Drähten sollten die
ren ist die Korrektur jeder Deformität, die zu einer Imba- Drähte für 4 – 6 Wochen belassen werden. Für diesen
lance der Gewichtsverteilung der Metatarsaleköpfchen Zeitraum ist Entlastung verordnet. Bei stabilem Fraktur-
führen könnte. muster und konservativer Therapie kann ein Gehgips an-
Verschiedene Techniken zur Fixation der zentralen Me- gelegt oder in einem Schuh mit harter Sohle vollbelastet
tatarsalia wurden beschrieben. Die häufigste Technik ist werden.
die entweder offene oder geschlossene Reposition mit
intramedullärer Fixation mittels Kirschner-Drähten.
Metatarsale V
Wenn ein perkutaner Versuch der Kirschner-Draht-Spi-
ckung angestrebt wird, sollte dieser Versuch in den ers- Frakturen des 5. Metatarsale bilden zwei unterschiedliche
ten Tagen stattfinden, da die geschlossene Reposition be- Verletzungsmuster: die Abrissverletzung der Basis und
reits nach 4 – 5 Tagen erheblich erschwert ist. Zur Ver- die sogenannte „Jones-Fraktur“. Die Abrissfraktur der
sorgung von Schaftfrakturen können Kirschner-Drähte Spitze der Basis des Metatarsale V entsteht infolge eines
entweder retrograd oder antegrad/retrograd eingebracht Inversionstraumas, bei dem der Ansatz der Sehne des M.
werden. Bei der retrograden Technik wird der Kirschner- peroneus brevis von der Basis abgeschert wird. Häufig ist 33
Draht von plantar in das Metatarsaleköpfchen einge- ein Teil der Gelenkfläche von der Fraktur mitbetroffen
bracht. Der Eintrittspunkt des Kirschner-Drahts ist ent- (114). Diese Frakturen werden konservativ mit einer elas-
scheidend für den Erfolg dieser Technik, weshalb beson- tischen Bandage in einem Schuh mit steifer Sohle und
ders darauf geachtet werden muss, dass der Draht in der Teilbelastung behandelt. Nach durchschnittlich 44 Tagen
Aufsicht zentral in das Metatarsaleköpfchen eingebracht zeigen Röntgenverlaufskontrollen die knöcherne Konsoli-
920 33 Frakturen des Fußes

dierung, nach 3 Monaten ist mit der vollständigen Rück-


kehr zu allen Aktivitäten zu rechnen (115).
Frakturen der Basis des Metatarsale-V-Schafts oder Jo-
nes-Frakturen stellen eine eigene Entität der Fraktur dar
und müssen von einfachen Avulsionsverletzungen unter-
schieden werden, da ihre Therapie komplexer ist. Per de-
finitionem handelt es sich bei Jones-Frakturen um Brüche
des Metatarsale-V-Schafts, die 1,5 cm von der Spitze der
Basis entfernt auftreten. Die nutritive Arterie des 5. Me-
tatarsale erreicht den Schaft in Höhe der Mitte, die Basis
wird von einem kleinen retrograden Ast versorgt (115).
Wie dies auch von anderen Knochen mit retrogradem
Blutfluss bekannt ist, treten hier häufig Knochenbruch-
heilungsstörungen auf.
Jones-Frakturen werden in akute und chronische Frak-
turen unterteilt. Akute Frakturen entstehen infolge eines
besonderen Traumas, bei dem die Kraft über die plantare
Fläche der lateralen Seite des Fußes eingeleitet wird und
ein Biegemoment auf die Grenze zwischen proximaler
Metaphyse und Diaphyse des Metatarsale V ausübt. Auf
den Röntgenbildern wirken die Frakturenden scharf und
„frisch“ (116). Akute Frakturen können konservativ in Abb. 33.36 Postoperative Schrägprojektion des Fußes. Int-
einem Liegegips behandelt werden. Die Zeit bis zur Kon- ramedulläre Schraube zur Fixation einer Metatarsale-V-Basis-
solidierung ist bei einer durchschnittliche Dauer von 21 fraktur (Jones-Fraktur).
Wochen variabel (117). In 12 – 28 % ist die konservative
Therapie nicht erfolgreich (117, 118).
Chronische Jones-Frakturen stellen Stressfrakturen des wird eingeschraubt, bis das Gewinde die Fraktur weit
Metatarsale V dar. Sie treten am häufigsten bei jungen passiert hat (Abb. 33.36). Bei chronischen Frakturen
männlichen Sportlern auf, die Sprungsportarten betrei- kann die Frakturregion dargestellt und der intramedullä-
ben (Hochsprung, Basketball) oder bei Ballsportarten, re Kanal unter direkter visuelle Kontrolle wiedereröffnet
bei denen Belastung und Richtungswechsel kombiniert werden, bevor die Schraube vom Styloid aus eingebracht
werden (109). Eine schmerzhafte Schwellung des latera- werden kann. Die Pseudarthrose kann mit Spongiosa-
len Fußrands eilt dem radiologischen Nachweis einer plastik aus der proximalen Tibia oder dem distalen
Fraktur häufig voraus, vielfach ist eine Skelettszintigrafie Femur augmentiert werden.
oder eine kernspintomografische Untersuchung zur defi- Bis zum Abschluss der Wundheilung wird ein Unter-
nitiven Diagnosesicherung notwendig. Die radiologischen schenkelliegegips angelegt. Nach Entfernung des Haut-
Zeichen reichen von schmalen Aufhellungslinien bei fri- nahtmaterials kann 2 Wochen postoperativ mit Vollbelas-
schen Frakturen bis zur kortikalen Verdickung und Ein- tung begonnen werden, sportliche Aktivitäten bleiben
engungen des Markkanals, die bei chronischen Ermü- untersagt. In der Literatur werden erfolgreiche Verläufe
dungsbrüchen gefunden werden. Da Ermüdungsbrüche nach dieser Technik in 100 % berichtet (119).
überwiegend bei jungen Sportlern auftreten und die
Rate an Pseudarthrosen durchschnittlich 50 % beträgt, ist
eine operative Intervention indiziert (117). Metatarsophalangeal-
Beide Frakturen, akute und chronische, können auf die
gelenkverletzungen
gleiche Weise behandelt werden; eine intramedulläre
Schraube wird antegrad von der Spitze der Basis des Me-
MTP-1-Gelenk
tatarsale eingebracht. Der Patient wird in Seitenlage auf
einem strahlendurchläsigen Tisch gelagert. Für die per- Aufgrund der Anatomie der plantaren Strukturen sind
kutane Technik wird eine kurze Inzision proximal der Luxationen des ersten Metatarsophalangealgelenks
Spitze der Basis angelegt. Mit einem Klemmchen wird (MTP-Gelenks) selten. Wenn es zu einer Luxation kommt,
das Gewebe bis auf die Kortikalis des Styloids gespreizt. ist sie Folge einer Hyperextension mit Ruptur der planta-
33 Der Eintrittspunkt wird unter fluoroskopischer Kontrolle ren Platte. Der Kopf des Metatarsale schlüpft dabei übli-
dargestellt. Unter Bildverstärkerkontrolle wird der cherweise durch den Defekt in der plantaren Platte
Schraubenkanal mit einem 2,5-mm-Bohrer von der Spit- (Knopfloch), wodurch die geschlossene Reposition er-
ze bis an die Fraktur aufgebohrt. Der Kanal wird anschlie- schwert wird. Für die offene Reposition werden zahlrei-
ßend als Gleitloch schrittweise über 3,2 mm auf 4,5 mm che Zugänge empfohlen, alle weisen ihre eigenen Risiken
aufgeweitet. Eine 4,5-mm-Vollgewindekortikalisschraube und Vorteile auf. Nach der Reposition ist das Gelenk üb-
Zehenfrakturen 921

licherweise stabil und kann mit schmerzadaptierter Be-


Zehenfrakturen
lastung in einem Unterschenkelgips oder einem Schuh
mit steifer Sohle nachbehandelt werden.
Großzehe
Wie bei anderen Verletzungen auch werden Frakturen
MTP-2- bis -5-Gelenke
der Grundphalanx der großen Zehe eher operativ behan-
Luxationen der kleinen MTP-Gelenke sind selten. Wenn delt, als die der anderen Zehen. Aufgrund der ungleichen
Luxationen auftreten, handelt es sich üblicherweise um Verteilung der Kräfte an der Grundphalanx heilen nicht-
dorsolaterale Verrenkungen. Die Mehrzahl kann ge- reponierte Frakturen in einer plantar flektierten Position.
schlossen reponiert werden und ist nach der Reposition Diese Fehlreposition kann nach der Heilung zu Druckpro-
stabil, obwohl auch Fälle von komplexen Luxationen in blemen führen. Aus diesem Grund sollten dislozierte und
der Literatur beschrieben wurden. Wie beim ersten MTP- instabile Frakturen reponiert und mittels gekreuzter
Gelenk ist die plantare Platte häufig interponiert. In die- Kirschner-Drähte oder Minifragmentplatten stabilisiert
sen Fällen sollte die offene Reposition über eine dorsal werden. Sowohl konservativ als auch operativ versorgte
längsverlaufende Inzision erfolgen. Nach der Reposition Frakturen werden anschließend mittels Dachziegelver-
sind selbst komplexe Luxationen üblicherweise stabil. band immobilisiert und für 3 – 4 Wochen mit einem
Falls Instabilitäten persistieren, erfolgt die perkutane Schuh mit steifer Sohle nachbehandelt.
Transfixation über das Gelenk hinaus mittels Kirschner-
Draht, der nach ca. 4 Wochen entfernt wird.
Kleinzehen
Stabile Luxationen werden mittels Dachziegelverband
und schmerzadaptierter Belastung in einem Schuh mit Frakturen der kleinen Zehen können üblicherweise mit-
steifer Sohle für 4 – 6 Wochen nachbehandelt. Patienten tels Dachziegelverband und Schutz in einem Schuh mit
mit Luxationen, die eine Drahttransfixation erforderlich steifer Sohle oder einem Vorfußentlastungsschuh behan-
machen, können nach Entfernung des Drahtes nach 4 – 6 delt werden. Auch Frakturen, die geschlossen reponiert
Wochen in einem Schuh mit steifer Sohle schmerzadap- werden müssen, können so erfolgreich behandelt wer-
tiert die Belastung steigern. den. Die einzige Frakturvariante, die ein aggressiveres
Vorgehen erforderlich macht, ist die, die sich klinisch als
Digitus superductus präsentiert. Diese Frakturen können
geschlossen reponiert und mittels intramedullärem
Kirschner-Draht fixiert werden. Die Nachbehandlung un-
terscheidet sich nicht von den vorgenannten Verletzun-
gen.

Inhalt der DVDs

Video 33-1 (DVD 4) Offene Reposition und interne Fixation Video 33-3 (DVD 4) Geschlossene Reposition und externe
(ORIF) einer Talusfraktur. Das Video demonstriert die offe- Fixation einer Kuboidfraktur (Fraktur der lateralen Säu-
ne Reposition und interne Stabilisierung einer Talusfraktur le). Dieser Patient erlitt eine „Nussknackerfraktur“ des Ku-
durch Zugschraube und Plattenosteosynthese. Zur vollstän- boids. Die Behandlung erfolgte in Form einer Fixateur-ex-
digen Visualisierung der Reposition wurden zwei Inzisionen terne-Montage, um die Länge der lateralen Säule wiederher-
angelegt. zustellen und die Fraktur für die Dauer der Knochenheilung
Video 33-2 (DVD 4) Offene Reposition und interne Fixation zu immobilisieren.
(ORIF) einer Kalkaneusfraktur. Dieses Video demonstriert Video 33-4 (DVD 4) Offene Reposition und interne Fixation
die Vorgehensweise der offenen Reposition und internen (ORIF) einer Lisfranc-Luxationsfraktur. Das Video demons-
Stabilisierung einer intraartikulären Fersenbeintrümmerfrak- triert die offene Reposition und interne Stabilisierung einer
tur. Zur Unterstützung der Osteosynthese wurde zusätzlich Lisfranc-Luxationsfraktur. Besonderer Wert wird darauf ge-
Norion-Knochenzement verwendet. legt darzustellen, wie die Basis des 2. Metatarsale als Schluss-
stein gegen das Os cuneiforme mediale und intermedium
reponiert wird.

33
922 33 Frakturen des Fußes

Literatur 20. Pantazopoulos T, Galanos P, Vayanos E, Mitsou A, Har-


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33
Untersuchung des schwerverletzten Patienten 925

34 Der schwerverletzte Patient


E. J. Mitchell, P. J. Kregor, A. H. Schmidt
Übersetzer: C. A. Kühne

Schwerverletzte Patienten haben oftmals eine Kombina- sein. Bereits der Unfallmechanismus kann dabei den Ver-
tion aus muskuloskelettalen Verletzungen sowie Verlet- dacht auf spezielle Verletzungstypen richten, die sonst im
zungen im Bereich des Kopfes, des Thorax oder des Ab- Rahmen der Erst- oder Zweituntersuchung noch unent-
domens. Oftmals kommt es bei diesen Patienten zu einer deckt bleiben können. So führen z. B. verlängerte Ret-
komplexen Interaktion zwischen den Effekten der syste- tungszeiten zu einer relevanten Hypothermie. Auch soll-
mischen Stresssituation sowie den Effekten, welche durch ten diese Patienten trotz eines evtl. Ausschlusses von
die Frakturen direkt bedingt sind (sogenanntes Trauma Frakturen genauestens auf relevante Weichteilverletzun-
Load). Fatalerweise überleben einige der schwerverletz- gen untersucht werden. Patienten mit (geschlossenen)
ten Patienten ihr initiales Trauma, um dann aber im wei- Weichteilverletzungen sollen ebenso wie Patienten mit
teren klinischen Verlauf den Komplikationen eines Multi- Frakturen nach Rasanztrauma oder nach Substitution
organversagens oder ihren septischen Komplikationen zu großer Flüssigkeitsmengen engmaschig hinsichtlich des
erliegen. Eine adäquate und prioritätengerechte initiale Auftretens eines Kompartmentsyndroms (Kap. 3) unter-
Versorgung von Frakturen bei schwerverletzten Patien- sucht werden. Darüber hinaus sind selbstverständlich
ten hat daher einen profunden Einfluss auf die Prognose alle Frakturen hinsichtlich des begleitenden Weichteil-
und das Ergebnis und hilft die Rate an schweren Kom- schadens (offen/geschlossen) zu untersuchen und ggf.
plikationen wie ARDS, Multiorganversagen, Fettembolie auch mit Foto zu dokumentieren. Offene Wunden oder
und/oder thrombotische Embolien zu reduzieren. In die- Frakturen sollten frühzeitig antibiotisch behandelt wer-
sem abschließenden Kapitel soll das stetig fortschreiten- den, ebenso wie bei diesen Patienten eine Tetanuspro-
de Verständnis der physiologischen Antworten des Orga- phylaxe erfolgen sollte. Alle Frakturen, gleichwohl ob
nismus sowie die systemischen Effekte muskuloskelet- offen oder geschlossen, sind hinsichtlich ihres neurovas-
taler Verletzungen beschrieben und anhand dieser Infor- kulären Status zu untersuchen und ebenfalls zu doku-
mationen ein sinnvolles und prioritätenorientiertes Vor- mentieren. Hier kann bei unklaren Gefäßverletzungen
gehen hinsichtlich des Managements muskuloskelettaler eine CT-Angiografie oder DSA (digitale Substraktions-
Verletzungen am Beispiel des schwerverletzten Patienten angiografie) notwendig werden. Der Patient sollte bei
dargelegt werden. Fallbeispiele sollen helfen, die be- längerer Ischämiezeit in der Folge engmaschig auf das
schriebenen komplexen Veränderungen, Vorgehenswei- Auftreten eines Kompartmentsyndroms untersucht wer-
sen und Versorgungsstrategien zu illustrieren. den. Gegebenenfalls ist bei operativer Versorgung von
Gefäßverletzungen die prophylaktische Fasziotomie
durchzuführen.
Untersuchung des schwerverletzten Instabile Beckenfrakturen sollten, sofern dies noch
Patienten nicht präklinisch geschehen ist, komprimiert werden.
Dies kann durch das Anlegen eines pneumatischen Be-
Behandlung und Versorgungsstrategie schwerverletzter ckengurts oder auch durch das Umschlingen mittels
Patienten erfordern ein interdisziplinäres Vorgehen im eines Lakens geschehen. Als Spezialfall nichtknöcherner
Team. Dabei orientiert sich die Zusammensetzung des Beckenverletzungen ist die sogenannten Morel-Lavallée-
Schockraumteams an der Versorgungsstufe (überregiona- Verletzung zu nennen, wie sie z. B. bei Überrolltraumen
les Traumazentrum, regionales Traumazentrum, lokales an der Grenzfläche von Subkutis und Faszie bzw. Kno-
Traumazentrum). Unabhängig von der Größe des Teams chen auftreten kann. Hier kommt es zum Abscheren der
sollte ein Mitglied mit der Koordierung des Diagnostik- Haut und Subkutis von der Faszie und Ausbildung blut-
und Therapieablaufs betraut sein. Dies ist optimalerweise gefüllter Hohlräume an prädestinierten Körperregionen,
der Unfallchirurg, kann jedoch auch durch die Anästhesie wie insbesondere dem Becken. In der Folge können sich
oder interdisziplinär erfolgen. Bei einem interdisziplinä- große Nekroseflächen ausbilden, die das operative Vor-
ren Vorgehen bedarf es klarer Absprachen sowie Behand- gehen und/oder das Ergebnis für den Patienten beein-
lungsalgorithmen, um strukturiert und schnell arbeiten trächtigen können.
zu können (1). Bei allen Patienten mit Verletzungen des Beckens soll-
Die Untersuchung des schwerverletzten Patienten er- ten eine digitale Untersuchung des Rektums sowie eine
folgt nach dem ATLS-Schema im Sinne eines kompletten Inspektion des Meatus erfolgen. Beckenfrakturen mit hä-
Body-Checks. Wenn möglich, sollten schon in dieser modynamischer Instabilität des Patienten, die einen 34
Phase der Versorgung Vorerkrankungen des Patienten hohen Transfusionsbedarf erfordern, sind initial zu stabi-
sowie selbstverständlich der Unfallhergang bekannt lisieren (s. o.), wobei dies im weiteren Verlauf mit dem
926 34 Der schwerverletzte Patient

Fixateur externe oder der Beckenzwinge erfolgen sollte. tes Zeichen der beginnenden Heilung verstanden wurde,
Ist eine hämodynamische Stabilität trotz dieser Maßnah- hat sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr ge-
men nicht zu erreichen, kann – wenn dies der Zustand zeigt, dass verschiedene metabolische, physiologische
des Patienten zulässt – eine CT-Angiografie durchgeführt und immunologische Veränderungen nach dem Trauma
werden. Wird hier der Nachweis einer arteriellen Blutung auftreten, und ein komplexes Zusammenspiel dieser noch
erbracht, sollte der interventionelle Verschluss der Blu- nicht bis ins Detail verstandenen Vorgänge das weitere
tungsquelle erfolgen. Ist aufgrund der hämodynamischen Ergebnis des Patienten wesentlich beeinflussen können
Instabilität keine dezidierte Diagnostik mittels CT-Angio- (8–17). Diese Veränderungen des biochemischen und
grafie mehr möglich oder kann ein interventioneller Ver- physiologischen Milieus verursachen eine weitreichende
schluss nicht erfolgen, sollte versucht werden die Blutung sekundäre Veränderung in den entsprechenden Organ-
retroperitoneal durch „Packing“ zu stillen. Hierbei ist ein funktionen. Diese Veränderungen beziehen nicht zuletzt
gerader Schnitt, beginnend an der Symphyse bis zum das Immunsystem, das kardiovaskuläre, pulmonale und/
Bauchnabel, dem Pfannenstielschnitt vorzuziehen, da oder gastrointestinale System mit ein (8, 9).
ggf. der Schnitt zur Laparatomie erweitert werden Knöcherne Verletzungen, speziell solche der langen
muss. Neben relevanten Beckenverletzungen, die zu Röhrenknochen, sind dabei als Ursache solcher Verände-
einer hämodynamischen Instabilität des Patienten führen rungen und Probleme nachgewiesen worden (13). Napo-
können, sind Verletzungen des Abdomens oder des Tho- litano et al. konnten im Mausmodell zeigen, dass Fraktu-
rax alleine oder in Kombination häufig für das hämor- ren des Femurs zu einer Suppression der Immunantwort
rhagische Schockgeschehen verantwortlich. und auch einer veränderten gastrointestinalen Permeabi-
Auf die genaue Versorgungsstrategie bei Vorliegen litätsstörung führten (18).
mehrerer Frakturen verschiedener Körperregionen wird Unser bisheriges Verständnis der Pathophysiologie des
im Folgenden eingegangen. Insgesamt orientiert sich die Traumas unterscheidet bei Verletzungen sowie den aus
Vorgehensweise bei schwerstverletzten Patienten an der ihnen hervorgegangenen Effekten einen sogenannten
für das Überleben des Patienten relevanten Blutungsquel- „First Hit“ und einen „Second Hit“. Dabei werden unter
le. Dies bedeutet im Einzelnen, dass zunächst – notfall- First Hit die initial erlittenen Verletzungen und ihre un-
mäßig – Blutungen im Bereich des Thorax, Abdomens mittelbaren Folgen, wie z. B. Organverletzungen, knöcher-
und/oder Beckens behandelt werden. Erst im Anschluss ne und Weichteilverletzungen, Hypotension und Hypox-
hieran, oder selbstverständlich wenn möglich gleichzei- ämie subsummiert. Als Second Hit werden die sich im
tig, sind Verletzungen des Schädels/Cerebrums zu versor- weiteren Verlauf ggf. einstellenden Komplikationen oder
gen. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt noch keine radiologi- auch notwendigen operativen Eingriffe und Interventio-
sche Diagnostik des Patienten durchgeführt worden sein, nen, die zu einer Reaktivierung oder auch Exazerbation
schließt diese sich zu diesem Zeitpunkt an. Ausgedehnte der initial immunologischen Traumaantwort führen, ver-
Weichteilverletzungen oder knöcherne Verletzungen, die standen (19). Beispiele sogenannter Second Hits sind das
in dieser Phase nachgewiesen werden, können nun ver- Kompartmentsyndrom, die Sepsis, Hypotension und Mul-
sorgt werden (z. B. Fixateur externe, Vakuumversiege- tiorganversagen, aber auch invasive operative Eingriffe
lung). Anschließend ist der Patient auf der Intensivstation und Interventionen. Die Vermeidung einer Störung oder
zu stabilisieren; die weitere Versorgung kann dann in Verschlechterung der systemischen Inflammationsant-
Abhängigkeit vom Verlauf und den Kompensationsmög- wort ist dementsprechend das Kernstück des Konzepts
lichkeiten des Patienten geplant werden. Dabei ist zu be- „Damage Control Orthopaedics“ (DCO), welches wir spä-
tonen, dass die körperliche, klinische, radiologische und ter in diesem Kapitel beschreiben werden.
laborchemische Diagnostik nicht mit Abschluss der
Schockraumbehandlung bzw. der Operation endet, son- Systemisches
dern dass speziell innerhalb der ersten 24 h eine eng-
Inflammationsreaktionssyndrom (SIRS)
maschige Kontrolle und Reevaluation erfolgen muss. Aus
verschiedenen Untersuchungen ist bekannt, dass die Rate Sowohl die schwere Mehrfachverletzung als auch aus-
übersehener Frakturen beim Polytrauma bis zu 12 % be- gedehnte zeitintensive operative oder interventionelle
trägt (6, 7, 66). Eingriffe verursachen die Freisetzung verschiedener Zy-
tokine, Arachnoidonsäuremetaboliten, Komplementfak-
toren, von Akute-Phase-Proteinen und unterschiedlichen
Physiologische Veränderungen nach Hormonen. Die Gesamtheit dieser Veränderungen wird
Trauma durch den Begriff der systemischen Inflammationsreak-
tion (SIRS) beschrieben. Die klinische Manifestation die-
Verletzungen, gleichwohl ob einfach oder komplex, ver- ser metabolischen, immunologischen und/oder bioche-
ursachen Schmerzen, Blutungen und nicht zuletzt die Ak- mischen Veränderungen ist komplex und äußert sich in
34 tivierung der sogenannten systemischen Inflammations- u. a. Fieber, Tachykardie, Hyperventilation und/oder Leu-
antwort (SIRS, Systemic Inflammatory Response Syndro- kozytose. Obwohl die hier ablaufenden Vorgänge immer
me). Obwohl die Entzündungsreaktion lange Zeit als ers- besser verstanden werden und in mehr oder weniger
Physiologische Veränderungen nach Trauma 927

Tab. 34.1 SIRS und SIRS-Score.


SIRS SIRS-Score
(mindestens 2 der 4 klinischen Parameter müssen (jeder Parameter wird mit 0 = nicht vorhanden oder
vorliegen) 1 = vorhanden bewertet; bei einer Punktzahl über
1 kann – wenn keine Sepsis vorliegt – von einem SIRS
ausgegangen werden)
■ Herzfrequenz > 90/min ■ Puls > 90/min
■ Leukozyten < 4000/mm3 o. > 12 000/mm3 o. ≥ 10 % juvenile ■ Leukozyten < 4000/mm3 o. > 12 000/mm3 o. ≥ 10 % juvenile
neutrophile Granulozyten neutrophile Granulozyten
■ Atemfrequenz > 20/min und PaCO2 < 32 mmHg ■ Atemfrequenz > 20/min (oder PaCO2 < 33 mmHg)
■ Körpertemperatur < 36 °C oder > 38 °C ■ Körpertemperatur < 34 °C oder > 38 °C

vorhersehbarem zeitlichem Verlauf auftreten, bleibt der durch diese frühe Aktivierung als Antwort auf das Trau-
Großteil dieser Immunantwort auf das initiale Trauma ma paradoxerweise zu einem diametralen Effekt, wobei
sehr variabel und scheint mitunter genetisch vor- aktivierte PMNs in Gegenwart proinflammatorischer Zy-
bestimmt (20). Als Gegenpart des SIRS kommt es durch tokine und Toxine wie z. B. LPS die Produktion bestimm-
die Produktion antiinflammatorischer Mediatoren zum ter Adhäsionsmoleküle hochregulieren und am endothe-
sogenannten CARS (kompensatorisches antiinflammato- lialen Gewebe binden. Erhöhte Spiegel dieser Adhäsions-
risches Reaktionssyndrom; 10). Dabei kann es durch moleküle (Adhäsin) konnten in Untersuchungen von Law
eine Imbalance zwischen der systemischen inflammato- et al. nachgewiesen werden und als Prädiktor für die
rischen und systemischen antiinflammatorischen Ant- Auftretenswahrscheinlichkeit von Komplikationen be-
wort zur Ausbildung eines Multiorganversagens (MOV), stimmt werden (11). Dementsprechend gilt die Ansamm-
eines progredienten Lungenversagens (ARDS – Adult Re- lung und Aktivierung von PMNs im Bereich der Verlet-
spiratory Distress Syndrome) und/oder einer Sepsis kom- zung als einer der initialen Gründe für die weitere Gewe-
men (10). beschädigung (23). Dabei setzen aktivierte PMNs und
Die spezifischen Kriterien für die Diagnose des SIRS Makrophagen nach Stimulation proteolytische Enzyme
wurden 1991 auf einer Konsensuskonferenz festgelegt wie Elastase und/oder Metalloproteasen frei, und es
(Tab. 34.1; 21). Wie bereits eingangs erwähnt, wird die kommt zur Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies
systemische Inflammation durch eine Vielzahl freigesetz- (23, 24). Diese Enzyme führen zu einer Zerstörung der
ter Zytokine gesteuert. Als proinflammatorische Zytokine extrazellulären Matrixproteine wie auch unterschiedli-
sind u. a. zu nennen: Tumornekrosefaktor α (TNF-α), In- cher Plasmaproteine. Zusätzlich führt die Elastase zu
terleukin-1 β (IL-1 β), IL-6 und IL-8, welches als Neutro- einer weiteren Freisetzung proinflammatorischer Zytoki-
philen-Aktivationspeptid (NAP) bekannt ist. Erhöhte Se- ne und der Gefahr einer potenziellen Exazerbation der
rumspiegel dieser Zytokine können dementsprechend in Immunantwort.
Patienten mit SIRS oder ARDS nachgewiesen werden (9).
Serumspiegel des IL-6 korrelieren dabei mit dem Ausmaß
Multiorganversagen (MOV)
des Weichteil- und/oder Thoraxtraumas bzw. dem Injury
Severity Score (ISS); aber auch mit dem Auftreten eines Kommt es bei schwerverletzten Patienten zu einer unzu-
MOV, ARDS und/oder Sepsis sowie dem späteren Ergeb- reichenden Abwehrreaktion, kann es zum Auftreten eines
nis (8). septischen Krankheitsbilds sowie progressiver zerebraler,
Die physiologischen Veränderungen, die durch hohe kardiovaskulärer, pulmonaler, hepatischer, gastrointesti-
Spiegel zirkulierender proinflammatorischer Zytokine in- naler, renaler und/oder kardiozirkulatorischer Dysfunk-
duziert werden, wie z. B. die Rekrutierung polymorpho- tion und letztendlich auch zum Zusammenbruch aller
nuklearer Leukozyten (PMN) an den Ort der Verletzung, genannten Systeme kommen (25). Dieses klinische Phä-
führen dann im weiteren Verlauf zur Freisetzung von nomen wird allgemein als Multiorganversagen (MOV) be-
Proteasen und freien Radikalen. Ferner kommt es zur Ak- zeichnet. Obwohl das MOV anfänglich als Folge einer
tivierung des Komplementsystems sowie des Kallikrein- Sepis betrachtet wurde, ist heute bekannt, dass es ebenso
Kinin-Systems. Von der Leber werden Akute-Phase-Pro- zum Auftreten eines MOV bei nichtseptischen Patienten
teine wie das C-reaktive Protein (CRP), α1-Antitripsin, kommen kann. Dementsprechend wird das MOV gegen-
α2-Makroglobulin, Coeruloplasmin, lipopolysaccharid wärtig aus einer Imbalance zwischen pro- und antiin-
(LPS)-bindende Proteine (LBP), Fibrinogen und Prothrom- flammatorischen Mechanismen erklärt (17, 26). Dabei
bin produziert. Wie bereits erwähnt ist die Ansammlung sind die schlussendlichen Gründe des MOV noch nicht
und Stimulation von polymorphonukleären Leukozyten bis in alle Einzelheiten geklärt. Auf zellulärer Ebene
an der Verletzungsstelle / der Fraktur notwendig für die kommt es zu mannigfaltigen Veränderungen, wie z. B. 34
Eliminierung und Phagozytose von Bakterien und/oder Endothelial- und Zellschäden, einer erhöhten Gefäßper-
nekrotischem, avitalem Gewebe. Allerdings kommt es meabilität mit kapillaren Lecks sowie zu Schäden der
928 34 Der schwerverletzte Patient

Tab. 34.2 Beteiligung unterschiedlicher Organsysteme beim Multiorganversagen (MOV).


Organsystem Störung im Rahmen eines MOV
Gehirn Hirnödem
kardiovaskuläres System Hypotension, Schock
Lunge Lungenversagen, ARDS
Leber Synthesesteigerung von Akute-Phase-Proteinen und Cytokinen; herabgesetzte Leberfunktion
gastrointestinal Permeabilitätsstörung, bakterielle Translokation
Niere akutes Nierenversagen (ANV), Tubulusnekrosen
Gerinnung disseminierte intravasale Gerinnungsstörung (DIC)

Mikrozirkulation mit nachfolgender zellulärer Hypoxie


Frakturversorgung und SIRS – Second Hit
und Apoptose der Parenchymzellen (25). Letztendlich
können alle großen Organsysteme von dieser Dysfunk- Wie mehrfach bereits angesprochen, beeinflusst die Be-
tion bzw. diesem Versagen alleine oder in Kombination handlung muskuloskelettaler Verletzungen die Entwick-
betroffen sein (Tab. 34.2). lung und Ausprägung eines SIRS bzw. MOV. Wenngleich
Patienten, die im Verlauf ihrer schweren Mehrfachver- Traumapatienten hinsichtlich der Komplikationen, die
letzung ein MOV entwickeln, weisen trotz modernster durch eine lang andauernde Immobilisation auftreten
intensivmedizinischer Behandlungsoptionen auch heute können (Abb. 34.1), von einer frühzeitigen Frakturversor-
noch eine hohe Mortalität und Morbidität auf. gung profitieren würden, hat sich gerade bei der Versor-

c b

Abb. 34.1 Patient mit multiplen Frakturen. Komplikationslose c Computertomografie des Beckens mit Darstellung der Aze-
unmittelbare Versorgung aller Frakturen. tabulumfraktur und der Hüftkopfluxation. Es fanden sich keine
34 a A.–p. Beckenübersichtsaufnahme mit Nachweis einer rechts- weiteren Verletzungen und der Patient konnte umgehend in
seitigen Hüftluxation, transverser und hinterer Pfeilerfraktur den OP gebracht werden. Hier erfolgte die offene Reposition
des Azetabulums und beidseitiger Femurschaftfraktur. der Hüftluxation, Marknagelung der Femura und Plattenosteo-
b A.–p. Aufnahme einer Humerusschaftquerfraktur. synthese der Azetabulumfraktur. Die Versorgung der Humerus-
fraktur erfolgte im Verlauf.
Physiologische Veränderungen nach Trauma 929

d e

f g

Abb. 34.1 (Fortsetzung) f Röntgenaufnahmen des Beckens und der Beine 1 Jahr post-
d Postoperative Röntgenaufnahmen des Beckens nach Versor- operativ zeigen gut verheilte Frakturen ohne Anzeichen von
gung aller Frakturen. Osteonekrose oder Arthrose.
e Postoperative Röntgenaufnahmen des linken Armes nach g Abschließende Röntgenaufnahmen des Humerus 1 Jahr post-
Plattenosteosynthese des Humerus. operativ.

gung langer Röhrenknochen gezeigt, dass es hierdurch im al. ist es heutzutage überwiegend Standard, dass Patien-
Sinne eines Second Hit zu einer Verschlechterung der ten mit schweren Mehrfachverletzungen keiner zeit-
Gesamtsituation mit Exazerbation des SIRS und im Gefol- intensiven und belastenden Operation/Intervention aus-
ge der Entwicklung eines MOV kommen kann (Abb. 34.2; gesetzt werden (sollten). Besonderes Augenmerk wurde
12, 13, 19). Giannoudis et al. konnten bei Patienten, deren in diesem Zusammenhang auf den sogenannten „Border-
Femurfrakturen aufgebohrt und unaufgebohrt versorgt line“-Patienten gelegt (Tab. 34.3). Pape et al. untersuchten
wurden, erhöhte Spiegel der Inflammationsmarker IL-6 schwerverletzte Patienten, welche klinisch stabil waren
und Elastase als Zeichen einer Verstärkung der systemi- und Femurfrakturen aufwiesen (13). Das Kollektiv
schen Inflammation als Antwort auf das intramedulläre wurde hinsichtlich der Versorgung der Femurfrakturen 34
Verfahren nachweisen. Basierend auf diesen Unter- in 3 Gruppen eingeteilt:
suchungen, aber auch auf Untersuchungen von Pape et
930 34 Der schwerverletzte Patient

Abb. 34.2 Patient mit isolierter Fe-


murschaftfraktur, der nach unkompli-
zierter Versorgung mittels Femurna-
gel pulmonale Infiltrate entwickelte.
Hierdurch kam es zu einer prolon-
gierten Beatmungsdauer; der Patient
erholte sich jedoch im Verlauf voll-
ständig.
a Röntgenbild der Femurschaftfrak-
tur.
b Normaler Röntgen-Thorax bei Auf-
nahme.
c Marknagelung des Femurs. Post-
operativ entwickelte der Patient zu-
nehmende Atemnot und musste in
die Intensivstation verlegt werden.
d Röntgen-Thorax mit Entwicklung
bilateraler Infiltrate nach OP.

a b

c d

Tab. 34.3 Definition des „Borderline“-Patienten. ■ Gruppe 1: primäre Versorgung mittels Femurnagel,
Parameter ■ Gruppe 2: primäre Versorgung mittels Fixateur exter-
ne,
ISS > 20 und AISThorax > 2
■ Gruppe 3: sekundäre Versorgung mittels verzögerter
Mehrfachverletzung mit Abdominal- oder Beckentrauma Femurnagelung.
und Schock (initialer Blutdruck < 90 mmHg)
ISS > 40 ohne Thoraxtrauma
Sowohl klinische Parameter als auch Serumspiegel von
beidseitige Lungenkontusionen IL-1, IL-6 und IL-8 wurden im Verlauf zur Evaluation he-
mittlerer pulmonalarterieller Druck > 24 mmHg rangezogen. Die Autoren fanden, dass die IL-6- und IL-8-
34 Spiegel nach der primären Versorgung mittels Femurna-
Anstieg des Pulmonalarteriendrucks während Femurmark-
gel höher lagen als nach primärer Fixateur-externe-Anla-
nagelung > 6 mmHg
ge oder nach sekundärer (verzögerter) Versorgung. Sig-
ISS = Injury Severity Score
AIS = Abbreviated Injury Scale
aus: Pape et al. (67)
Prioritätenadaptiertes Behandlungsmanagement 931

nifikante klinische Unterschiede wurden in der Studie späten 1990er-Jahren die primäre definitive Frakturver-
nicht gefunden. In einer neueren Studie desselben Zen- sorgung zugunsten der primären Stabilisierung mittels
trums wurde ein ähnliches Patientenkollektiv untersucht, Fixateur externe und verzögerten definitiven Versorgung
wobei als Parameter für das spätere Ergebnis der SIRS- verlassen. Dieses Vorgehen ist allgemein als Damage Con-
Score und der Marshall-Score (27) für Multiorganver- trol Orthopaedics (DCO) bekannt.
sagen herangezogen wurden (28). Hierbei zeigte sich,
dass Patienten der Gruppe 1 (primäre Versorgung mit
Versorgungszeitpunkt
Femurnagel) trotz niedriger Gesamtverletzungsschwere
einen höheren SIRS-Score aufwiesen als Patienten der Die zeitintensive operative Versorgung schwerverletzter
Gruppe 2 (Fixateur-externe-Versorgung). Patienten, die Patienten in der Primärphase kann zur Begünstigung
initial mittels Fixateur externe und erst im Verlauf defi- oder Verschlechterung einer vorliegenden Hypothermie
nitiv durch Femurmarknagelung versorgt wurden wiesen und/oder Koagulopathie führen. Dabei ist eine Kerntem-
durchgehend niedrigere SIRS-Scores auf als Patienten der peratur von 34 °C mit einer relevanten Verschlechterung
Gruppe 1. Durch diese Untersuchungen gestützt, ist die der Gerinnung und einer erhöhten Mortalität assoziiert.
initiale Versorgung knöcherner Verletzungen, speziell der Darüber hinaus führt ein hoher Blutverlust mit entspre-
langen Röhrenknochen bei schwerverletzten Patienten, chendem Volumenbedarf und Volumensubstitution
äußerst zurückhaltend zu sehen, werden diese Patienten durch den Verlust von Thrombozyten sowie Gerinnungs-
doch im Verlauf durch ein erhöhtes Auftreten des SIRS faktoren (z. B. Faktor V und Faktor VIII) zu einer weiteren
bzw. MOV gefährdet. Verschlechterung der Gerinnungssituation bis hin zur
disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC). Dem-
entsprechend sind die Grenzen operativer Maßnahmen
Prioritätenadaptiertes bei Vorliegen einer Hypothermie, Koagulopathie und Azi-
Behandlungsmanagement dose (sogenannte „letale Trias“) begrenzt und bewegen
sich in einem engen, oftmals schwer zu definierenden
Die Versorgung schwerverletzter Patienten hat in den Rahmen. Der Trauma-Leader spielt dementsprechend be-
letzten Jahrzehnten mehrere einschneidende Verände- sonders in der Primärphase des Polytraumamanage-
rungen durchlebt. So wurden noch in den 1970er-Jahren ments eine Schlüsselrolle. Er hat nach Einholen aller re-
Frakturen primär nicht definitiv versorgt („zu krank zum levanten Informationen und Gesamtbewertung der Situa-
Operieren“). Typischerweise wurden diese Patienten zu- tion zu entscheiden, welche Verletzungen einer umge-
nächst bis zur definitiven Versorgung im komplikations- henden akuten Behandlung bedürfen und welche Verlet-
freien Intervall nach Stabilisierung der Gesamtsituation zungen im Anschluss an die akute Versorgung behandelt
im Gips oder per Extension ruhiggestellt. In den späten werden sollen und können. Ebenso muss in diesem ers-
1980er-Jahren, einhergehend mit Verbesserungen in der ten operativen Setting die Basis- und Gesamtdiagnostik
klinischen intensivmedizinischen und diagnostischen
Versorgung schwerverletzter Patienten ging man zuneh-
Tab. 34.4 Empfehlungen zum operativen Zeitpunkt bei
mend dazu über, Frakturen bei schwerverletzten Patien- (schwerverletzten) Patienten.
ten primär zu versorgen, um die Gefahren der langen
Notfallmäßig (1 – 2 h)
Immobilisierung zu minimieren. Erste retrospektive Un-
tersuchungen zu diesem bis dato neuen Vorgehen zeigten ■ Kompartmentsyndrom
■ (offene) Frakturen mit Gefäß-, Nervenverletzung
die Vorteile dieser Vorgehensweise. Es fanden sich ein ■ Gelenkluxationen (z. B. Knie, Hüfte)
Rückgang des ARDS, von Pneumonien sowie eine Verkür- ■ Beckenfrakturen bei hämodynamischer Instabilität
zung der Gesamtaufenthaltsdauer des Patienten (29).
Dringlich (6 – 12 h)
Bone et al. konnten in einer prospektiven randomisierten
■ Frakturen langer Röhrenknochen
Studie zeigen, dass Patienten mit frühzeitiger definitiver ■ Schenkelhalsfrakturen bei jungen Patienten
Versorgung (innerhalb von 24 h) bei Femurschaftfraktu- ■ Talushalsfrakturen
ren eine niedrigere Rate von ARDS aufwiesen, kürzer ■ offene Frakturen ohne Gefäß-, Nervenbeteiligung
■ Wirbelsäulenfrakturen mit neurologischem Defizit
beatmet werden mussten und früher aus dem Kranken-
haus entlassen werden konnten (30). Mit zunehmender Frühzeitig (innerhalb von 24 h)
Verbreitung dieses aggressiven Versorgungskonzepts bei ■ Femurschaftfrakturen bei nicht schwerverletzten Patienten
schwerverletzten Patienten fanden sich aber zunehmend ■ Gelenkfrakturen (z. B. Fixateur externe bei Pilon-tibiale-Frak-
tur)
vermehrte Komplikationen nach primärer intramedullä- ■ Schenkelhals- und pertrochantere Femurfrakturen
rer Versorgung von Femurschaftfrakturen (Video 34-1,
Geplant (ab 5. Tag)
DVD 4; 31). Speziell bei Patienten, bei denen neben den
knöchernen Verletzungen ein begleitendes Thoraxtrauma ■ Sprunggelenksfrakturen, Frakturen des Fußskeletts
■ Azetabulumfrakturen
vorlag, führte die primäre Versorgung mittels Femurnagel ■ (instabile) Beckenfrakturen 34
zur Entwicklung eines postoperativen ARDS (31). Aufbau- ■ Radiusfraktur, Kondylenfrakturen des Humerus/Femur
end auf dieser sowie anderen Arbeiten wurde in den ■ Wirbelsäulenfrakturen (ohne neurologisches Defizit)
932 34 Der schwerverletzte Patient

abgeschlossen werden und der Patient danach zur wei- Tab. 34.5 Parameter zur definitiven Frakturversorgung.
teren Stabilisierung auf die Intensivstation verbracht wer- Parameter Wert
den. Erst nach Stabilisierung schließen sich im weiteren
Blutdruck > 90 mmHg
Gefolge nach 48 h die weiteren operativen Versorgungs-
schritte an. Tab. 34.4 bietet einen Anhaltspunkt für das Körpertemperatur > 34 °C
prioritätenadaptierte Vorgehen bei schwerverletzten Pa- Urinmenge > 150 ml/h
tienten. Selbstverständlich kann das nicht als strikte Vor-
zerebraler Perfusionsdruck > 70 mmHg
gabe dienen, da der operative Versorgungszeitpunkt
immer auch die jeweilige Verletzungscharakteristik, SIRS-Score <2
ebenso wie die Stabilität des Patienten und die Verfüg- PaO2:FiO2 -Verhältnis > 280
barkeit eines geeigneteten chirurgischen Teams mit ein-
Laktat < 2,0 mmol/l
beziehen sollte.
Thrombozyten > 100 000/µl
CRP < 11 mg/dl
Damage Control Orthopaedics (DCO)
Interleukin-6 < 500 pg/dl
DCO beinhaltet die abgestufte Versorgung von Frakturen
bei Patienten mit einer Mehrfachverletzung die gleichzei-
tig lebensrettender Maßnahmen bedürfen. Die erste
Phase stellt dabei die Stabilisierung des Patienten dar hingegen sollte zunächst vor Beginn der operativen
und beinhaltet die Blutungskontrolle, das Débridement Phase ausreichend stabilisiert werden. Wenngleich der
und die Spülung offener Wunden und die externe Fixie- Borderline-Patient potenziell ebenfalls eine definitive
rung. Bei Patienten „in extremis“ müssen diese Maßnah- Versorgung der erlittenen Verletzungen erhalten darf,
men mitunter bereits im Schockraum oder der Intensiv- verbleibt hier ein nicht unerhebliches Restrisiko für eine
station durchgeführt werden. Die zweite Phase umfasst schnelle und rapide Verschlechterung. Im Zweifelsfall
die Stabilisierung auf der Intensivstation und beinhaltet sollten diese Patienten wie instabile Patienten behandelt
das Monitoring, die Transfusion von Blutprodukten und werden. Letztere werden nach dem DCO-Konzept behan-
die weitere hämodynamische Stabilisierung. In der drit- delt und unterscheiden sich von Patienten „in extremis“
ten Phase erfolgt die definitive Versorgung der Frakturen dadurch, dass bei letzteren oftmals alle lebensrettenden,
sobald der Patient sich in einer optimalen Verfassung operativen Maßnahmen notfallmäßig bereits im Schock-
hierfür befindet. raum durchgeführt werden müssen (35, 36).
DCO erzielt dementsprechend eine ausreichende Frak- Obwohl die Bestimmung der IL-6-Spiegel bei der Be-
turstabilisierung, um den Patienten frühzeitig zu mobili- stimmung des OP-Zeitpunkts klinisch relevant zu sein
sieren und die lokale Inflammation zu verringern; gleich- scheint, ist sie keine ubiquitär angewandte Labormetho-
zeitig werden große operative Eingriffe in dieser Phase de, was ihre Routineanwendung im Krankenhaus schwie-
vermieden, um den Patienten nicht i. S. eines Second Hit rig macht. Serumlaktatspiegel werden aufgrund ihrer
zu gefährden. Auch wenn die externe Frakturfixierung schnellen und einfachen Bestimmung routinemäßig ge-
die primäre Methode des DCO darstellt, kann gleichwohl braucht. Das Laktatwert gilt dabei als Ausdruck der Ge-
die unaufgebohrte Nagelung zu den Prinzipien des DCO webeperfusion. In Traumafällen mit ungenügender Ge-
gezählt werden. Untersuchungen hierzu haben gezeigt, webeperfusion auf dem Boden einer Hypoxie, Blutverlust
dass die unaufgebohrte Nagelung eine geringere zusätzli- oder kardiogenem Schock kommt es dementsprechend
che Belastung darstellt als die aufgebohrte Nagelung (19) zu erhöhten Laktatspiegeln. Studien konnten dabei nach-
und möglicherweise ebenfalls eine geringere pulmoem- weisen, dass das Ausmaß der Erhöhung bei Einlieferung,
bolische Belastung, was allerdings noch immer kontro- sowie die Zahl der Tage der pathologischen Erhöhung mit
vers diskutiert wird (34). einem Multiorganversagen korrelieren (37, 38). Weitere
Pape et al. haben eine Einteilung des polytraumatisier- verwendete Marker sind eine Thrombozytenzahl
ten Patienten in 4 Kategorien vorgenommen: > 100 000 µl, CRP < 11 mg/dl und ein PO2:FIO2-Quotient
■ stabil, > 280 (39). Der SIRS-Score, der bereits früher in diesem
■ borderline, Kapitel dargestellt wurde, hat sich als Prädiktor für Mor-
■ instabil, talität und Infektionsrisiko gezeigt, kann aber auch als
■ in extremis (35). Marker für eine adäquate Wiederherstellung für eine
Operation herangezogen werden (Tab. 34.5; 40–42).
Erstgenannte Patienten sind hämodynamisch stabil und
normotherm mit einem Laktat unter 2,0 mmol/l und DCO-Technik
ohne respiratorische Einschränkung oder Zeichen einer
34 Koagulopathie (Tab. 34.5). Stabile Patienten können Primäres Ziel des DCO sind Débridement und ggf. VAC-
dabei innerhalb von 24 h eine definitive Behandlung Versorgung offener Wunden, Reposition und externe Fi-
ihrer Verletzung(en) erhalten. Der Borderline-Patient xierung langer Röhrenknochen, Reposition von Gelenklu-
Prioritätenadaptiertes Behandlungsmanagement 933

xationen oder des Beckens. Dabei kann die Anlage des


Fixateur externe einfach und schnell an den verschiede-
nen Knochen wie z. B. Tibia und Femur oder auch gelenk-
übergreifend an Knie und Sprunggelenk durchgeführt
werden (Video 34-2, DVD 4). Die Fixateur-externe-Anlage
kann dabei schnell, und gelegentlich auch simultan zur
Versorgung anderer Verletzungen durchgeführt werden.
So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass die durch-
schnittliche OP-Zeit zur Anlage eines Fixateurs 35 min
betrug, verglichen mit 135 min bei Marknagelung (43).
Neuere Bohrtechniken, die zu einer Verringerung des int-
ramedullären Drucks führen, können zur Marknagelung
bei Borderline-Patienten oder Patienten mit multiplen a
Frakturen der langen Röhrenknochen eingesetzt werden.
Bei dieser Bohrtechnik wird mittels eines speziellen Boh-
rers der freigesetzte Markrauminhalt aufgefangen (Video
34-3, DVD 4). Im Tiermodell konnte eine signifikante Re-
duktion des intramedullären Drucks wie auch des Aus-
maßes der Fettembolisation mit dieser Technik nach-
gewiesen werden (44, 45). Hierdurch kann die Inzidenz
von Fettembolien ggf. reduziert und pulmonale Kompli-
kationen vermieden werden. Die Anlagetechnik des Fixa-
teur externe wird auf Video 34-1, DVD 4 demonstriert.
Der Patient wird auf einem röntgendurchlässigen Tisch b
gelagert. Die verletzte Extremität wird abgewaschen
und abgedeckt. Je nach Situation kann eine Blutsperre Abb. 34.3 Kniegelenksübergreifender Fixateur externe.
a Patient mit Tibiaplateaufraktur.
angelegt werden, z. B. wenn ein offenes Vorgehen not-
b Kalkaneofemoraler Fixateur externe bei Patientin mit Femur-
wendig wird. Für gewöhnlich werden 5-mm-Schanz- fraktur, Tibiaplateaufraktur, Pilon-tibiale-Fraktur.
Schrauben verwendet. Das Einbringen der Schrauben er-
folgt manuell; dabei sollte die Stelle der Insertion so ge-
wählt werden, dass sie weit von nachfolgenden Inzisio-
nen und Implantatstellen entfernt liegt, da sich die Pin-
Stellen infizieren, zumindest aber kontaminieren können.
Die Haut sollte durch die Pins nicht unter Spannung ge-
raten, ggf. sollte hier nachinzidiert werden.
Bei kniegelenksübergreifenden Fixateuren sollten die
proximalen Pins anterolateral angebracht werden, um
den Quadrizepsmuskel nicht unnötig zu irritieren. Tibial
sollten die Pins entweder über die vordere Schienbein-
kante oder etwas medial hiervon eingebracht werden. 2
Pins (Schanz-Schrauben) pro Knochen reichen. Anschlie-
ßend werden die tibialen und femoralen Pins mit je einer
Längsstange verbunden und – ggf. über eine dritte Stange
– fest miteinander fixiert (Abb. 34.3 a). Bei Vorliegen von
Abb. 34.4 Sprunggelenkübergreifender Fixateur externe.
weiteren Frakturen oder Weichteilverletzungen der unte-
ren Extremität muss der Fixateur gelegentlich bis auf den
Kalkaneus gezogen werden (Abb. 34.3 b).
Für sprunggelenksübergreifende Fixateure werden nor- vorliegende Luxation im Sprunggelenk noch verstärkt
malerweise 3 Pins benötigt (Abb. 34.4): 2 Pins in der Ti- werden kann, ist bei Vorliegen einer (Sub-)Luxation im
biavorderkante und 1 Pin im Kalkaneus. Letzterer wird Sprunggelenk ein rechteckförmig konfigurierter Fixateur
von medial eingebracht, um die neurovaskulären Struk- vorzuziehen.
turen zu schonen. Zum Ausschluss einer gleichzeitigen Das Umsteigen vom Fixateur auf die definitive operati-
Fraktur des Kalkaneus sollte dieser vor Einbringen des ve Versorgung kann jederzeit erfolgen, sobald sich der
Pins geröntgt werden. Die tibialen Pins werden mit Patient ausreichend erholt und stabilisiert hat. Ein ver-
einer kurzen Stange verbunden, über die wiederum je zögertes Umsteigen nach mehr als 14 Tagen hat ein er- 34
eine lange Stange an den Enden des kalkanealen Pins höhtes Infektionsrisiko, da die Pin-Stellen als kontami-
fixiert wird. Da durch eine solche Fixateuranlage eine niert zu betrachten sind. Infektionsraten von 1,7 – 3 %
934 34 Der schwerverletzte Patient

werden berichtet. Bei verzögerter Versorgung nach mehr kanten Unterschiede in der postoperativen Glasgow
als 2 Wochen, werden erhöhte Raten beobachtet (43, 46, Coma Scale (GCS) bei Patienten, die zu unterschiedlichen
47). Zeitpunkten versorgt worden waren (51). Die Autoren
merkten jedoch an, dass alle Patienten in der frühver-
Besonderheiten beim Schädel-Hirn-Trauma- sorgten Gruppe vor OP-Beginn stabil waren und es sich
hierbei nur um 65 % der gesamten Kohorte handelte. Pool
Patienten
et al. konnten ebenfalls keine negativen neurologischen
Obwohl keine endgültige Evidenz hinsichtlich des Versor- Späteffekte bei frühzeitiger Versorgung von Femurschaft-
gungszeitpunkts von Frakturen beim Schwerverletzten frakturen nachweisen, wenn der systolische Blutdruck
mit vorliegendem Schädel-Hirn-Trauma besteht, verdient über 90 mmHg gehalten wurde und es zu keiner relevan-
dieser Punkt seine Beachtung. Chirurgische Operationen ten Hypoxie unterhalb von 90 % O2-Sättigung kam. Etwai-
jedweder Art können – bedingt durch den intraoperati- ge pulmonale Komplikationen, die bei den Patienten be-
ven Blutverlust oder z. B. die Allgemeinnarkose – direkt obachtet wurden, traten unabhängig vom Zeitpunkt der
oder indirekt zu Hypotension und/oder Hypoxie führen. Versorgung auf (52). Einschränkend muss hier jedoch er-
Darüber hinaus werden dementsprechend oftmals nicht wähnt werden, dass in der überwiegenden Zahl der vor-
unerhebliche Mengen von Flüssigkeit intraoperativ appli- liegenden Studien das neurologische Ergebnis mit der
ziert. Diese unterschiedlichen Faktoren können in ihrer GCS gemessen wurde, welche hierfür letztendlich kein
Gesamtheit signifikante Veränderungen in der zerebralen valides Messinstrument darstellt.
Perfusion hervorrufen, welche im weiteren Verlauf die Townsend et al. fanden in ihren Untersuchungen, dass
kognitive Leistung bzw. das kognitive Ergebnis bei Patien- bei SHT-Patienten, die mittels Femurnagel behandelt
ten mit Schädel-Hirn-Trauma beeinflussen können. Ver- wurden, das Auftreten einer Hypotension mit dem Ver-
schiedene Studien konnten nachweisen, dass das Risiko sorgungszeitpunkt korrelierte. Patienten, die innerhalb
neuer oder größerer intrazerebraler Läsionen auch nach der ersten 2 h eine operative Versorgung erhielten, wie-
initial negativem CCT besteht (48, 49). Stein et al. fanden sen in 68,2 % intraoperative Episoden einer Hypotension
bei 48 % schwerverletzter Patienten mit gleichzeitig vor- auf – verglichen mit 8,3 % der Patienten die erst nach 24 h
liegendem Schädel-Hirn-Trauma neue bzw. progrediente oder später versorgt wurden. Trotz dieser Tatsache zeigte
intrazerebrale Läsionen in den Kontroll-CTs. 55 % der Pa- sich kein direkter Zusammenhang zwischen der intra-
tienten mit neuen oder progredienten Läsionen wiesen operativen Hypotension und dem späteren neurologi-
dabei eine Koagulopathie auf. Stein et al. folgerten aus schen Ergebnis (53). Jaicks et al. zeigten bei SHT-Patien-
den Untersuchungen, dass bei Vorliegen von mindestens ten, die initial operiert wurden eine vergleichbare neuro-
einem pathologischen Gerinnungsparameter das Risiko logische Komplikationsrate aber einen niedrigeren GCS
einer sekundären oder progressiven intrazerebralen Läsi- bei Entlassung, verglichen mit Patienten, die erst ver-
on bei 85 % liegt. zögert operiert wurden (54).
Insgesamt besteht in der Literatur keine Einigkeit da- Insgesamt besteht Einigkeit darüber, dass Hypoxie und
rüber, ob Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma initial be- Hypothermie ebenso wie länger dauernde Phasen der
reits eine definitive Osteosynthese erhalten oder zu- Hypotension bei SHT-Patienten zu vermeiden sind. Darü-
nächst mittels Fixateur externe versorgt werden sollen. ber hinaus sind eine optimale klinische Stabilisierung des
Zahlreiche Studien berichten, dass kein Unterschied bei Patienten sowie eine adäquate und regelhafte Gerin-
den neurologischen Ergebnissen besteht, wenn die Stabi- nungsphysiologie Schlüsselfaktoren, um unerwünschte
lisierung innerhalb der ersten 24 h erfolgte. neurologische Ergebnisse nach Frakturstabilisierung zu
Kalb et al. untersuchten 123 Patienten, die aufgrund vermeiden.
einer Femurschaftfraktur und gleichzeitig vorliegendem
SHT behandelt worden waren (50). 48 % der Patienten
waren innerhalb der ersten 24 h versorgt worden. Wenn- Ergebnisse
gleich es keinen signifikanten Unterschied in der Volu-
mengabe während der initialen Schockraumphase gab, Der Einfluss der beschriebenen unterschiedlichen Fak-
so fanden sich doch ein signifikant größerer Blutverlust toren, wie z. B. aufgebohrte oder unaufgebohrte Nagelung
und intraoperative Volumengabe bei den Patienten, die und Thoraxtrauma, Zeitpunkt der Versorgung, Damage-
frühzeitig behandelt wurden. Dabei fand sich in der Stu- Control-Techniken auf pulmonale Komplikationen, inten-
die kein signifikanter Unterschied hinsichtlich postopera- sivmedizinische Behandlungsdauer, Gesamtbehandlungs-
tiver neurologischer und nichtneurologischer Komplika- zeit im Krankenhaus und/oder Mortalität, auf das spätere
tionen bzw. dem Ergebnis. Die Gruppe der zeitnah ver- Ergebnis sind in einer Vielzahl unterschiedlicher Studien
sorgten Patienten zeigte höhere intraoperative zerebrale untersucht worden. Darüber hinaus wurden verschiede-
Perfusionsdrücke als die Gruppe der später versorgten, ne Score-Systeme entwickelt, um eine Abschätzung der
34 als Hinweis darauf, dass der intraoperative Volumen- Ergebnisse bei schwerverletzten Patienten vornehmen zu
und Blutbedarf adäquat behandelt werden konnte. Brun- können. Diese Scores ermöglichen eine relativ schnelle
dage et al. fanden in ihrer Studie gleichfalls keine signifi- Abschätzung und Hilfe beim schwerverletzten Patienten
Ergebnisse 935

hinsichtlich der Festlegung der operativen Versorgungs- tusionen genannt. Die Mechanismen, durch die das Auf-
zeitpunkte und möglicher Komplikationen während des bohren eine pulmonale Dysfunktion bedingt, sind multi-
weiteren Verlaufs im Krankenhaus. faktoriell. Zum einen durch das Ausschwemmen von Fett-
Der Injury Severity Score (ISS) stellt ein solches Mess- emboli in die Lungenstrombahn, zum anderen durch Sti-
instrument dar. Der ISS wurde durch den New Injury mulierung einer systemischen inflammatorischen Reakti-
Severity Score (NISS) hinsichtlich der Prädiktivität eines on (Second Hit; 12, 13, 19). Im Schafmodell konnten eine
MOV, einer Sepsis und des intensivmedizinischen Aufent- gesteigerte pulmonale kapilläre Permeabilität und eine
halts verbessert (55–57). Der NISS wertet hierbei die 3 gesteigerte Aktivierung polymorphnukleärer Lymphozy-
schwersten Verletzungen (Appreciated Injury Scale – ten bei aufgebohrter Technik und gleichzeitig vorliegen-
AIS) unabhängig von der Körperregion. Dabei korreliert den Lungenkontusionen nachgewiesen werden. Dies
ein NISS von 20 Punkten mit einem ISS von 16 Punkten. spricht für eine inflammatorische Antwort auf die Auf-
Ein NISS von 30 entspricht dementsprechend einem ISS bohrung als Ursache für das ARDS (32). Eine große retro-
von 25 und ein NISS von 55 einem ISS von 50 (55). Klingo spektive Studie von Pape et al. untersuchte die Auswir-
et al. vereinfachten die Prädiktion des späteren Ergebnis- kung der frühen intramedullären Versorgung gegenüber
ses durch den AISmax. Dieser entspricht dem höchsten der verzögerten bei Patienten mit und ohne Thoraxtrau-
AIS-Wert und war in der Untersuchung der Autoren prä- ma. Jene Patienten ohne zusätzliches Thoraxtrauma pro-
diktiver hinsichtlich Mortalität bei schwerverletzten Pa- fitierten von der frühzeitigen Versorgung in Form von
tienten als der ISS oder der NISS (58). Harwood et al. kürzeren Behandlungstagen auf der Intensivstation und
bestätigten die Ergebnisse und fanden den AISmax bei Pa- weniger Beatmungstagen. Patienten mit Thoraxtrauma
tienten mit isoliertem penetrierendem Trauma als einen (AIS > 2) hatten eine höhere Inzidenz an ARDS (33 % vs.
besseren Prädiktor für Mortalität (55). 7,7 %) und höhere Mortalität (21 % vs. 4 %; 31).
Wie bereits an früherer Stelle in diesem Kapitel be- Auf der anderen Seiten haben vielfach Studien gezeigt,
schrieben, kann der SIRS-Score als Prädiktor für das Er- dass die frühzeitige Versorgung von Femurschaftfraktu-
gebnis bei Traumapatienten herangezogen werden. Na- ren (< 24 h) – trotz Thoraxtrauma – nicht zu einem er-
politano et al. zeigten, dass ein SIRS-Score > 2 mit einer höhten Risiko für das Auftreten eines ARDS führt, wenn
höheren Mortalitätsrate (6,9 % verglichen mit 1,1 %) und der Patient stabil ist. Bosse et al. fanden keine Unterschie-
einem verlängerten Krankenhausaufenthalt assoziiert de im Auftreten eines ARDS, der Behandlungsdauer, der
war (41). Beatmungstage, dem Auftreten einer Pneumonie oder
Das Auftreten eines ARDS und/oder anderer pulmona- eines MOV bei Patienten mit Thoraxtrauma, die inner-
ler Komplikationen sind schwerwiegende Ereignisse bei halb von 24 h mittels Nagelung oder Plattenosteosynthe-
schwerverletzten Patienten, besonders bei Frakturen der se versorgt worden waren. Er nahm dies als Hinweis da-
langen Röhrenknochen, und sollten weitestgehend ver- für, dass das Aufbohren nicht als verantwortlicher Faktor
mieden werden. Über den Zeitpunkt der Frakturversor- für pulmonale Komplikationen bei Patienten mit femora-
gung ebenso wie über das aufgebohrte und das unauf- ler Fixierung zu werten ist (33). Eine Studie von Handolin
gebohrte Vorgehen bei intramedullärer Stabilisierung et al. und eine neuere Studie der Kanadischen Orthopädi-
bei Frakturen der langen Röhrenknochen der unteren Ex- schen Traumagesellschaft (Canadian Orthopaedic Trauma
tremität ist viel berichtet worden. Bone et al. führten eine Society) konnten diese Ergebnisse bestätigen (60, 61).
prospektive, randomisierte Studie zur frühen intrame- Zalavras et al. untersuchten in einer prospektiven Stu-
dullären Versorgung versus verzögerter Versorgung bei die Patienten mit uni- und bilateraler Femurfraktur und
schwerverletzten Patienten (ISS größer 18) durch. Die kamen zu dem Schluss, dass mehrfaches intramedulläres
Autoren fanden keinen Unterschied im Auftreten pulmo- Aufbohren und Thoraxtrauma unabhängige Risikofak-
naler Komplikationen bei isolierten Femurfrakturen, un- toren für das Auftreten pulmonaler Komplikationen
abhängig davon, ob diese innerhalb von 24 h oder nach waren (62). Spezielle Bohrer, die das freigesetzte int-
24 h und später versorgt wurden. Allerdings fand sich ein ramedulläre Material aspirieren, mögen in diesen Situa-
signifikant höherer Anteil an ARDS bei Patienten, die ver- tion helfen die Rate embolischer Belastung zu senken.
zögert operiert wurden. Frühoperierte Patienten benötig- Pulmonale Permeabilität, Aktivierung polymorpho-
ten weniger Beatmungstage (1,4 d vs. 9,9 d; 30). Seibel et nukleärer Lymphozyten wie auch die Menge aus-
al. fanden ähnliche Ergebnisse bei Patienten, die nach geschwemmter Fettemboli konnten – verglichen mit her-
24 h definitiv versorgt wurden (29). Johnson et al. fanden kömmlichen Bohrern – im Tiermodell herabgesetzt wer-
eine 5-fach höhere Inzidenz eines ARDS bei Patienten mit den (44, 45, 63).
einem ISS über 18 und verzögerter Versorgung, vergli- Pape et al. analysierten die Daten von 3 verschiedenen
chen mit Patienten, die innerhalb von 24 h operiert wur- Zeitabschnitten, in denen schwerverletzte Patienten mit
den (59). Bei einem ISS über 40 trat ein ARDS bei 75 % der Femurfrakturen unterschiedlich behandelt worden wa-
Patienten mit verzögerter Versorgung auf, verglichen mit ren. Die 3 Gruppen wurden dem Prinzip des Early Total
17 % in der früh operierten Gruppe (59). Care (ETC) folgend innerhalb von 24 h intramedullär sta- 34
Femorales Aufbohren wurde als Ursache pulmonaler bilisiert oder i. S. einer intermediären Versorgung teils
Komplikationen besonders bei Patienten mit Lungenkon- intramedullär, teils mittels Fixateur externe oder aber
936 34 Der schwerverletzte Patient

nach den Prinzipien des DCO (primärer Fixateur, defini- Abweichend von der üblichen Bezeichnung der Kran-
tive Versorgung verzögert) versorgt. Es fand sich eine kenhausversorgungspläne (z. B. Krankenhaus der Maxi-
signifikante Reduktion hinsichtlich MOV und ARDS bei malversorgung) wurden entsprechend der Ausstattung
Patienten, die initial mit Fixateur behandelt wurden, ver- der Häuser unter dem Aspekt der Schwerverletztenver-
glichen mit jenen, die primär intramedullär stabilisiert sorgung die Bezeichnungen „überregionales Traumazen-
worden waren. Allerdings räumten die Autoren ein, dass trum“, „regionales Traumazentrum“ und „lokales Trau-
aufgrund des langen Untersuchungszeitraums auch Fort- mazentrum“ eingeführt. Durch die Initiierung von regio-
schritte in der intensivmedizinischen Behandlung solcher nalen Netzwerkstrukturen zwischen überregionalen und
Patienten zu einer Verunreinigung der Ergebnisse geführt regionalen bzw. lokalen Traumazentren soll sichergestellt
haben könnte. Zumindest wiesen die Patienten der DCO- werden, dass jeder schwerverletzte Patient innerhalb von
Gruppe keine signifikanten Unterschiede bzgl. der Kom- 30 min vom Unfallort in den Schockraum einer geeig-
plikationsrate auf, verglichen mit jenen Patienten mit neten, d. h. für diese spezielle Behandlung vorbereitete
Marknagelung – trotz höherem ISS in der DCO-Gruppe und ausgestattete Einrichtung transportiert werden
(64). kann.
Diese Ergebnisse korrelieren mit einer prospektiven Wesentliche Bestandteile eines regionalen Traumanetz-
Untersuchung derselben Arbeitsgruppe, in der die Spiegel werks sind dabei
inflammatorischer Marker und die Festlegung des OP- ■ definierte Kriterien zur Aufnahme eines Patienten vom

Zeitpunkts nach primärem DCO-Procedere untersucht Unfallort in ein Traumazentrum,


wurden. Patienten, die eine definitive Versorgung am ■ Einführung einheitlicher personeller, struktureller und

Tag 2 – 4 erhielten, hatten eine höhere Inzidenz an MOV organisatorischer Voraussetzungen (z. B. Schockraum-
und ARDS, als jene die am Tag 5 – 8 sekundär versorgt ausstattung),
wurden. Dabei zeigte sich die Kombination von IL-6-Spie- ■ Formulierung von standardisierten Behandlungsabläu-

geln über 500 pg/dl bei Aufnahme und definitiver Ver- fen und Verlegungskriterien für die Frühphase der
sorgung zwischen Tag 2 und 4 als stark assoziiert mit Schwerverletztenversorgung auf Basis der evidenzba-
dem Auftreten eines MOV (65). In einer Untersuchung sierten Leitlinien der DGU (z. B. S 3-Leitlinie der DGU),
von Brundage et al. fand sich die höchste Rate von ARDS ■ ärztliche Qualifizierung durch verpflichtende Teilnah-

bei Patienten, die mittels Marknagelung zwischen Tag 2 me an speziellen Ausbildungsprogramme (z. B. ATLS:
und 5 versorgt worden waren (51). http://www.atls.de),
Die Ergebnisse schwerverletzter Patienten sind abhän- ■ Teilnahme an internen und externen qualitätssichern-

gig von vielen Variablen. Letztendlich bleibt der Schlüssel den Maßnahmen und Erfassung der aktuellen Versor-
zum Erfolg bei der Behandlung schwerverletzter Patien- gungszahlen und -abläufe auf Basis des TraumaRegis-
ten das Verständnis dieser komplexen Interaktion von ter-QM der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
lokalen und systemischen inflammatorischen Prozessen (http://www.traumaregister.de),
bei intrakraniellen und Thoraxverletzungen und das Er- ■ Einrichtung von präklinischen und klinischen Telekom-

kennen der Gefahr einer Verschlimmerung dieser Kette munikationssystemen, die es den Rettungsdiensten
durch (unfall)chirurgische Intervention zu einem zu frü- und den teilnehmenden Kliniken ermöglichen, bereits
hen bzw. falschen Zeitpunkt. Neben der Erfahrung eines an der Unfallstelle oder in der Notaufnahme wesentli-
jeden einzelnen (Unfall-)Chirurgen bleiben zur Beurtei- che Befunde zu übermitteln, um die notwendigen Kon-
lung der Gesamtsituation und des Verlaufs eine Vielzahl sequenzen für die Einleitung lebenserhaltender Maß-
klinischer und laborchemischer Marker, um mit dem nahmen ohne Zeitverzögerung ziehen zu können.
Trauma-Team den optimalen Zeitpunkt und die Art der
Versorgung terminieren zu können ohne den Patienten Die Einhaltung der geforderten strukturellen, personellen
hierdurch weiter zu schädigen. und apparativen Qualitätsmerkmale wird anhand sog.
Auditierungen (Besuche) der Kliniken und einer abschlie-
ßenden Zertifizierung des jeweiligen regionalen Trauma-
TraumaNetzwerk DGU netzwerks durch ein unabhängiges qualifiziertes Zerti-
fizierungsunternehmen sichergestellt. Bislang (Stand
In Deutschland wurde zur weiteren Optimierung der Be- 2011) sind im Datensystem des TraumaNetzwerk DGU
handlung Schwerverletzter das Projekt TraumaNetzwerk die Daten und Informationen von über 600 (unfall-)chi-
DGU initiiert. Ziel des TraumaNetzwerk DGU ist es, eine rurgischen Kliniken und Abteilungen gespeichert. Mit
bundesweite Netzwerkbildung zwischen entsprechend derzeit 54 registrierten regionalen Traumanetzwerken
kompetenten Einrichtungen zur interdisziplinären Ver- sind in Deutschland gegenwärtig nur noch wenige Regio-
sorgung von Schwerverletzten zu erreichen. Das Trauma- nen flächenmäßig nicht hinreichend durch ein regionales
Netzwerk DGU unterteilt sich in einzelne regionale Trau- Traumanetzwerk abgedeckt. Alle behandlungsrelevanten
34 maNetzwerke, die sich wiederum aus einer unterschied- Daten schwerverletzter Patienten werden dabei zur wis-
lichen Zahl von Kliniken verschiedener Versorgungsstu- senschaftlichen Auswertung und zur Dokumentation der
fen zusammenschließen.
Fallvorstellungen 937

Behandlungsqualität im TraumaRegister-QM der DGU ge-


■ Débridement und Spülung der Plantarwunde links,
sammelt.
■ offene Reposition der Tibiaschaftfraktur links, Gips-
ruhigstellung der linken unteren Extremität (Abb. 34.5).

Die Versorgung der links- und rechtsseitigen unteren Ex-


Fallvorstellungen
tremitätenfrakturen erfolgte zeitgleich durch zwei chirur-
gische Teams. Die proximale Femurfraktur blieb zunächst
Fallbeispiel 1
unversorgt. Auch wenn eine externe gelenküberbrücken-
Ein 21 Jahre alter Mann verunfallte gegen 3 Uhr nachts de Fixation eine Option gewesen wäre, erfolgte keine Fi-
im Straßenverkehr. Die initiale Untersuchung im Schock- xateur-externe-Ruhiggstellung der linksseitigen Unter-
raum zeigte folgende Verletzungen: kleines subdurales schenkelfraktur, da dies aufgrund der begleitenden Kal-
Hämatom, komplexe Mittelgesichtsfraktur, geschlossene kaneus- und Talusfraktur nicht möglich war. Während
subtrochantäre Femurfraktur links, komplexe Tibiotalar- des operativen Eingriffs erhielt der Patient, angepasst an
und Kalkaneusfraktur links mit ca. 6 cm langer Weichteil- seinen Flüssigkeitsbedarf sowie das Gerinnungslabor,
wunde plantar. Ferner fand sich eine 4 cm lange, II° offe- Fresh frozen Plasma, Erythrozytenkonzentrate, Thrombo-
ne Tibiafraktur rechts (Abb. 34.5). Zunächst erfolgte die zytenkonzentrate und Kalzium i. v. Im Anschluss an die
Volumensubstitution des Patienten, Erwärmung, Intuba- operative Versorgung wies der Patient weiterhin einen
tion und Sedierung. Das Labor des Patienten zu verschie- hohen Volumenbedarf auf. Die postoperativen Labor-
denen Zeitpunkten wird in Tab. 34.6 gezeigt. Anhand der parameter zeigten zwar weiterhin einen anhaltenden
Werte muss von einer Koagulopathie und einer unzurei- Substitutionsbedarf an, allerdings war der Patient zu kei-
chenden Stabilisierung ausgegangen werden. Die Schwe- nem Zeitpunkt einem wirklichen Risiko ausgesetzt. Wäre
re der Verletzung der linken unteren Extremität wird bei es intraoperativ zu einer dramatischen Verschlechterung
Betrachtung der Dislokation und der begleitenden des Zustands des Patienten gekommen, hätte die Ampu-
Weichteilverletzung (Muskel, Sehne, Nerv) sowie der tation unterhalb des Knies in Erwägung gezogen werden
plantaren Wunde mit der dort freiliegenden tibialen Ge- müssen.
lenkfläche deutlich. Aufgrund der Schwere der Verlet- Während der folgenden 18 h stabilisierte sich der Pa-
zung der linken unteren Extremität wurden die Stabili- tient und die initial entstandene Koagulopathie und Azi-
sierung und das Weichteildébridement innerhalb der dose verbesserten sich. Daraufhin wurde der Patient –
nächsten Stunden geplant. Nach Rücksprache mit der All- wie geplant – am ersten postoperativen Tag in den OP
gemeinchirurgie und Anästhesie war eine zeitlich be- verbracht, und es erfolgte ein erneutes Wunddébride-
grenzte operative Intervention mit dem Ziel des Débride- ment und Spülen der plantaren Wunde links, die offene
ments der offenen Verletzung sowie einer möglichen Reposition und externe Fixation der linksseitigen subtro-
Marknagelung der rechten Tibia und der Reposition des chantären Femurfraktur sowie die provisorische Fixie-
linken Tibiaschafts geplant. Aufgrund der jedoch noch rung einer Malleolus-medialis-Fraktur und die Schienung
bestehenden, wenn auch wenig ausgeprägten, Instabilität der linksseitigen Unterschenkelfraktur (Abb. 34.5). In den
des Patienten war eine Versorgung der linken proximalen folgenden 3 Tagen stabilisierte sich der Patient weiter,
Femurfraktur in dieser ersten Behandlungsphase nicht sodass am 7. postoperativen Tag die komplexen Mittel-
geplant. Diese sollte erst nach Stabilisierung nach 24 h gesichtsfrakturen versorgt werden konnten. Die definiti-
erfolgen, ggf. mit der definitiven Versorgung der linken ve Versorgung des Sprunggelenks, der Talus- und Kalka-
Tibia. Für den Fall einer signifikanten klinischen Ver- neusfrakturen wurde auf den 15. postoperativen Tag ver-
schlechterung des Patienten im OP war das unverzügliche schoben, um dem Patienten Gelegenheit zu geben sich
Umsteigen mittels DCO – mit externer Fixierung aller vom initialen Trauma zu erholen, und die Weichteile an
Verletzungen – vorbereitet. Die initiale operative Versor- der unteren Extremität abschwellen zu lassen
gung dauerte 2 h (Beginn 7:30 Uhr). (Abb. 34.5 j).
Hierbei wurde Folgendes durchgeführt:
■ Débridement und Spülung der rechten tibialen Wunde,

■ Marknagelung der rechten Tibiafraktur,

Tab. 34.6 Fallbeispiel 1: die Gerinnungswerte des Patienten im zeitlichen Verlauf weisen auf eine Koagulopathie und Azidose hin.
Uhrzeit Hämatokrit (%) Thrombozyten (10-6/L) pTT (s) Kalzium (mg/dl) pH Laktat (mEq/L)
03:00 36 223

05:00 27 144 7,20 2,8

07:00 23 121 21,5 5,0 7,25 2,1 34


11:40 30 91 16,7 7,6 7,28 3,4
938 34 Der schwerverletzte Patient

a b c

Abb. 34.5 Fallbeispiel 1. Multiple Verletzungen nach Verkehrsunfall.


a Röntgenaufnahme der Unterschenkelfraktur mit gleichzeitiger Ta-
lus- und Kalkaneusfraktur sowie Dislokation der distalen Tibia.
b Röntgenaufnahme der linken Hüfte mit subtrochantärer Femurfrak-
tur.
c Unterschenkelfaktur rechts.
d Offene Frakturen der Unterschenkel beidseits.
e Intraoperative Situs nach Reduktion der Tibiaschaftfraktur links, die
sich durch Sprunggelenk, Talus und Kalkaneus gebohrt hatte. Um dies
zu erreichen, wurde ein Distraktor zwischen intaktem Talus und Tibia-
schaft angebracht. Zusätzlich erfolgte eine Inzision über dem Sprung-
gelenk anteriomedial zur Wiederherstellung des Alignements.
34 f A.–p. und seitliches Röntgenbild des linken Unterschenkels nach
Reposition und Schienung des Tibiaschaftes.
e
Fallvorstellungen 939

g h

i j

Abb. 34.5 (Fortsetzung) i Versorgung mit Tibianagel links und Plattenosteosynthese


g Versorgung mit Tibiamarknagel rechts. der Innenknöchelfraktur.
h Plattenosteosynthese der Femurfraktur. j Die Versorgung der Talus- und Kalkaneusfraktur erfolgte
nach Abschwellung und Weichteilkonsolidierung 1,5 – 2 Wo-
chen später.

34
940 34 Der schwerverletzte Patient

waren dem Patienten nicht bekannt. Der Patient war


Fallbeispiel 2
wach und ansprechbar und beschrieb sich selbst als ge-
Ein 34 Jahre alter Motorradfahrer wurde mit beidseitigen sund. Trotzdem fiel dem Anästhesisten ein lautes Herz-
Femurschaftfrakturen eingeliefert. Weitere Verletzungen geräusch auf, woraufhin der Patient sich erinnerte einen
fanden sich nicht. Neben einer anamnestischen fibrösen Ventrikel-Septum-Defekt (VSD) zu haben, welcher ur-
Dysplasie des rechten Beckens und des rechten Femurs sprünglich operiert werden sollte. Bei der weiteren Un-
fanden sich keine weiteren Vorerkrankungen. Im Kindes- tersuchung war der Patient wach, ansprechbar und kar-
alter hatte er aufgrund einer Femurfraktur bereits eine diopulmonal stabil. Es fand sich ein stabiler, aber knö-
Versorgung mittels Marknagel erhalten. Weitere Details chern deformierter rechter Oberschenkel (Abb. 34.6 a),

a b

c d e

Abb. 34.6 Fallbeispiel 2. c Distraktion der Femurfraktur links.


a Sichtbare, stabile Deformierung des rechten Oberschenkels. d Postoperative Aufnahme des rechten Femurs.
34 b Laterales Röntgenbild des rechten Femur mit einliegendem e Postoperative Aufnahme des linken Femurs.
Marknagel nach Operation in der Kindheit und auffälliger Kno-
chenkonsistenz mit fibröser Dysplasie.
Fallvorstellungen 941

wohingegen das linke Femur klinisch instabil war. Die wurde eine Vakuumversiegelung angelegt, um die Areale
nativ radiologischen Aufnahmen zeigten Femurfrakturen hier später mit Spalthaut zu decken. Wie auf Abb. 34.7 e
beidseits und knöcherne Auffälligkeiten des rechten zu sehen, konnte der vollständige Weichteilverschluss,
Femur und der rechten Beckenhälfte sowie einen um- wenngleich ästhetisch nicht perfekt, erreicht werden. An-
gebogenen Nagel im rechten Femur (Abb. 34.6 b, hand dieses Falles kann verdeutlicht werden, inwieweit
Abb. 34.6 c). Aufgrund der Gefahr einer intrazerebralen die Entscheidung der initialen Amputation bei fehlender
Fettembolie bei vorliegendem Ventrikel-Septum-Defekt Gesamtverletzungsschwere nicht getroffen werden muss-
wurde die intramedulläre Versorgung der Femurfraktur te. Anders verhält es sich selbstverständlich, wenn ent-
als zu risikoreich eingestuft und die bilateralen Femur- weder gleichzeitig vorliegende schwere Verletzungen
frakturen dementsprechend mittels Plattenosteosynthese lang dauernde Rekonstruktion verbieten („life before
versorgt; der verbogene Nagel musste durchtrennt und in limb“) oder es aufgrund von Nervenschädigungen zu kei-
2 Teilen entfernt werden (Abb. 34.6 d, Abb. 34.6 e). Der ner zu erwartenden Funktionsfähigkeit der betroffenen
Verschluss des Ventrikel-Septum-Defekts erfolgte elektiv Extremität mehr kommen kann.
zu einem späteren Zeitpunkt.
Fallbeispiel 4
Fallbeispiel 3
Ein 26-jähriger Patient, der als behelmter Fahrer bei
Anhand dieses Fallbeispiels soll illustriert werden, inwie- einem Motorradunfall verunglückte, wurde initial luft-
fern die generelle Verletzungsschwere des Patienten die gebunden mit dem Rettungshubschrauber in die aufneh-
unfallchirurgische Entscheidung hinsichtlich Amputation mende Klinik transportiert. Der Patient war wach und
oder Extremitätenerhalt beeinflussen kann. Es handelt ansprechbar mit einer GCS von 14 Punkten. Außer Niko-
sich um einen gesunden 21 Jahre alten Mann, der beim tinkonsum fanden sich keine Besonderheiten in der
Wasserski verunfallte und sich eine ausgedehnte Weich- Anamnese. Klinisch fand sich eine deutliche Deformität
teilverletzung an der Schiffschraube des Motorboots im Bereich der unteren Extremitäten beidseits mit
zuzog (Abb. 34.7 a, Abb. 34.7 b). Bereits am Unfallort Weichteilverletzung über dem rechten und linken Ober-
hatte der Patient einen beachtlichen Blutverlust. Nach schenkel. Der Patient war kardiopulmonal stabil. Die ers-
Ankunft im Schockraum wurde dem Patienten zunächst ten laborchemischen Parameter konnten aufgrund einer
ein provisorisches Tourniquet angelegt. Unter fortlaufen- Hämolyse nicht erhoben werden. Aufgrund von Proble-
der Volumensubstitution und Erwärmung des Patienten men bei der Blutabnahme konnte kein weiteres Blut zur
konnte er zunächst mit einem Blutdruck von 100/ weiteren Analyse gewonnen werden, darüber hinaus kam
70 mmHg stabilisiert werden. Als Laborwerte zeigten es noch zu einer Dislokation des i. v. Zugangs. Die durch-
sich: Hämatokrit 25 %, Prothrombinzeit 22,7 s, Laktat geführte Computertomografie des Kopfes, des Thorax,
0,7 mmol/l. Daraufhin wurde dem Patient zunächst der Wirbelsäule, des Abdomens und des Beckens war
Fresh frozen Plasma substituiert, da die Gesamtsituation ohne Nachweis einer Fraktur oder freier Flüssigkeit. Na-
im Labor auf eine Koagulopathie hinwies. Er war jedoch tivradiologisch fand sich eine Schenkelhalsfraktur rechts,
ansonsten stabil ohne weitere Verletzungen und wies eine Femurschaftfraktur rechts, eine suprakondyläre Fe-
einen Blutdruck von 110/70 mmHg auf. Der Patient murfraktur links, eine dislozierte Klavikulafraktur rechts
wurde anschließend notfallmäßig in den OP verbracht, sowie eine distale Radiusfraktur links (Abb. 34.8). Die
wo ein Débridement der ausgedehnten Weichteilverlet- Weichteilverletzungen wurden zunächst steril abgedeckt,
zung erfolgen sollte. Die A. fibularis wurde ligiert, nach- und die distale Radiusfraktur mit einer Gipsschiene sta-
dem sich diese als Ursache des hohen Blutverlusts zeigte. bilisiert. Bei hämodynamischer Stabilität wurde der Pa-
Der N. tibialis war intakt (Abb. 34.7 c). Die Achillessehne tient für die operative Versorgung vorbereitet. Ein i. v.
war zu 90 % durchtrennt, und die Peronealsehne (Pero- Zugang wurde neu gelegt und Volumen entsprechend
neus longus) zu 100 %. Beide erschienen zunächst rekon- substituiert. Der Patient blieb zunächst im weiteren Ver-
struierbar. Das Operationsteam setzte sich aus einem Un- lauf trotz Blutung im Bereich der bilateralen Femur-
fallchirurgen und einem plastischen Chirurgen zusam- schaftfraktur kompensiert. Es wurde die Entscheidung
men, der Allgemeinchirurg überwachte die notfallmäßige getroffen, zunächst ein Débridement der beiden Weich-
Versorgung. Alle 3 Chirurgen waren spät nachts im Ope- teilwunden und ggf. die offene Reposition und innere
rationssaal präsent. Der Patient erhielt zunächst einen Fixation des rechten Schenkelhalses sowie ggf. die retro-
provisorischen Wundverschluss und Ruhigstellung mit- grade Nagelung beider Femura durchzuführen. Die Frak-
tels Schiene. Am 2. sowie am 4. postoperativen Tag folg- tur im Bereich des distalen Radius sollte im Intervall er-
ten ein Débridement und Spülen der Wunden und am 4. folgen. Bei noch nicht vorliegenden Laborwerten wurde
postoperativen Tag außerdem eine Osteosynthese der Fi- vereinbart, dass operative Procedere den zu erwartenden
bula (Abb. 34.7 d), der definitive Wundverschluss der Laborwerten anzupassen. Bei Anästhesieeinleitung
Oberschenkelwunde sowie ein weitestgehender Wund- wurde der Patient hypotensiv und wies einen plötzlichen 34
verschluss im Bereich des Unterschenkels. Wo dies auf- Sättigungsabfall auf. Nach Gabe eines Vasopressors stieg
grund zu großer Weichteilspannung nicht möglich war, der Druck wieder an. Im nun erhaltenen Labor zeigte sich
942 34 Der schwerverletzte Patient

Abb. 34.7 Fallbeispiel 3. Schwere Weichteilverletzungen bei c Der N. tibialis ist intakt (Pfeil).
einem 21-jährigen Patienten, nachdem dieser in die Schiffs- d Intraoperatives Foto der Fibulastückfraktur, die an Tag 4 mit
schraube eines Motorboots geraten war. Da es sich um eine einer Plattenosteosynthese versorgt wurde. Zeitgleich erfolgte
isolierte Verletzung handelte, war eine Amputation nicht not- die Naht der Achilles- und Peronealsehne.
wendig. e Wundverschluss mit Spalthaut an Tag 10.
a Ausgedehnte Verletzung im Ober- und Unterschenkel mit
Gefäßverletzung.
b A.–p. Aufnahme der knöchernen Verletzung am rechten
34 Bein. Die Tibia ist nicht frakturiert.
Fallvorstellungen 943

ein Kalium von 7,0 mmol/l. In Anbetracht der Hypotensi- Raumluft 99 %. Die Laborwerte zeigten einen niedrigen
on, des erhöhten Kaliums sowie des unklaren Sättigungs- Hämatokrit mit 19 Punkten und 171 000 Thrombozyten.
abfalls entschloss man sich nach dem Prinzip DCO Die Gerinnungsparameter waren normal, das Laktat 1,5.
(Damage Control Orthopedics) keine definitive Versor- Die CT-Untersuchung von Kopf, Thorax, Wirbelsäule, Ab-
gung der Frakturen vorzunehmen, sondern zunächst die domen und Becken war bis auf die rechtsseitige Schen-
Fixateur-externe-Anlage durchzuführen (Abb. 34.8 f, kelhalsfraktur ohne Nachweis weiterer Frakturen. Freie
Abb. 34.8 g). Im folgenden Labor zeigten sich ein Laktat Flüssigkeit fand sich nicht. Nativradiologisch zeigten
von 4,7 sowie ein Hämatokrit von 32. sich eine dislozierte Schenkelhalsfraktur rechts, eine Fe-
Der Patient wurde auf die unfallchirurgische Intensiv- murschaftfraktur rechts, eine Tibiaschaftfraktur rechts
station verbracht, wo die Katecholamine über Nacht aus- und eine Femurschaftfraktur links (Abb. 34.9). Man ent-
geschlichen werden konnten – das Laktat war am ersten schied sich, die Patientin zu transfundieren, da durch das
Tag postoperativ auf 1,4 gefallen. Der Patient war über Débridement der offenen Frakturen ein Blutverlust er-
Nacht hämodynamisch stabil, sodass die Entscheidung wartet wurde. Die Entscheidung der operativen Versor-
getroffen wurde, die Schenkelhalsfraktur mittels Schrau- gung nach DCO-Konzept oder ggf. auch definitiver Frak-
benosteosynthese zu versorgen. Sollte dieser Eingriff in- turversorgung sollte intraoperativ in Abhängigkeit von
traoperativ vom Patienten toleriert werden, sollte eben- der kardiopulmonalen Situation erfolgen. Wenn möglich
falls die retrograde Nagelung der bilateralen Femurfrak- sollte nach Débridement der rechtsseitigen Wunde zu-
turen in derselben Sitzung erfolgen. Die Schraubenosteo- nächst eine Marknagelung der Tibiafraktur erfolgen, um
synthese der Schenkelhalsfraktur war problemlos mög- anschließend die Schenkelhalsfraktur durch Zug reponie-
lich. Die Laborwerte waren normal mit einem Laktat ren zu können. Daran sollte sich die offene Reposition
von 0,8 und einem Hämatokrit von 40, der Patient selbst und Schraubenosteosynthese der Schenkelhalsfraktur an-
vital stabil. Die bilaterale Femurnagelung erfolgte auf- schließen, gefolgt von einer retrograden Marknagelung
gebohrt unter Verwendung eines speziellen Bohrers, um des rechten Femur. Im Anschluss war die Versorgung
das Risiko einer Fettembolie zu verringern. Obwohl der des Weichteilschadens als definitiver Eingriff auf der
Patient während des gesamten Eingriffs kardiopulmonal rechten Seite, gefolgt von einer Versorgung auf der linken
und anästhesiologisch keine Probleme aufwies, entschied Seite mittels anterograd eingeführtem Femurnagel ge-
man sich, die distale Radiusfraktur links sowie die Klavi- plant. Vor OP-Beginn wurde mit der Anästhesie verein-
kulafraktur rechts im weiteren Verlauf nach dieser zwei- bart, regelmäßige (Intervalle von 30 – 60 min) Laborkon-
ten Operation zu versorgen. Nach definitiver Versorgung trollen durchzuführen, um frühzeitig Zeichen der De-
der Radius- sowie der Klavikulafraktur im Verlauf konnte kompensation erkennen zu können und dementspre-
der Patient 2 Tage nach dem letzten Eingriff extubiert chend auf ein Damage-Control-orientiertes Vorgehen
werden. umsteigen zu können. Die Narkoseeinleitung war ohne
Der vorliegende Fall soll die Wichtigkeit des präopera- Komplikationen. Der Hämatokrit war stabil zwischen 28
tiven Labors hervorheben – der Patient hatte mit hoher und 31, alle übrigen Vitalparameter zeigten keine Auffäl-
Wahrscheinlichkeit einen signifikanten Blutverlust auf- ligkeiten. Alle geplanten Operationen konnten während
grund der beidseitigen Femurfrakturen und wurde im der Sitzung durchgeführt werden. Nach Abschluss der
Schockraum aufgrund der fehlenden Zugänge nicht aus- unfallchirurgischen Versorgung war die Patientin weiter-
reichend mit Volumen substituiert – sowie die Bereit- hin stabil ohne Zeichen der physiologischen Dekompen-
schaft das operative Procedere kurzfristig zu ändern sation. Abschließend wurde der Patientin, nun durch die
und, wie in diesem Fall, von der definitiven Frakturstabi- Abteilung für Gefäßchirurgie, ein V.-Cava-Filter platziert.
lisierung zunächst auf externe Fixation im Sinne des DCO Aufgrund der langen OP-Zeit sowie der Volumengabe
umzusteigen. blieb die Patientin intubiert, konnte allerdings bei unauf-
fälligem weiteren Verlauf 24 h postoperativ ohne Proble-
me extubiert werden. Am 5. postoperativen Tag konnte
Fallbeispiel 5
die Patientin bereits aus dem Krankenhaus entlassen
Eine 31-jährige Frau wurde als angeschnallte Fahrerin bei werden.
einem Pkw-Unfall mit Überschlag verletzt. Die medizi- Der hier vorgelegte Fall soll verdeutlichen, inwieweit
nische Anamnese zeigte keine Auffälligkeiten, die Medi- die Kommunikation zwischen den an der Versorgung be-
kamentenanamnese war leer. Die Patientin wird vom Ret- teiligten Fachdisziplinen hilft, das Risiko zu minimieren.
tungsdienst als wache, ansprechbare Patientin mit einem Sowohl die engmaschigen Laborkontrollen als auch die
GCS von 14 Punkten eingeliefert. Es zeigte sich eine deut- zeitnahe Diskussion und Reevaluation der Patientin
liche Deformität beider Unterschenkel mit ausgeprägter nach jedem einzelnen unfallchirurgischen Eingriff/Schritt
Weichteilverletzung über dem rechten Knie und der haben zu einer weitestgehenden Minimierung des OP-
rechten Tibia und einer kleineren, ca. 2 cm messenden Risikos geführt und letztendlich den komplikationslosen
Wunde über dem linken Femur. Kardiopulmonal war postoperativen Verlauf mit kurzer stationärer Aufent- 34
die Patientin stabil, der Blutdruck betrug 130/80 mmHg, haltsdauer bedingt. Zusätzlich spielte das junge Alter
der Puls 110 – 120/min und die O2-Sättigung unter der Patientin und ihr guter Gesundheitszustand eine Rol-
944 34 Der schwerverletzte Patient

a b c

Abb. 34.8 Fallbeispiel 4. c der Femurschaftfraktur links,


a Präoperative Röntgenaufnahmen der Schenkelhalsfraktur d der distalen Radiusfraktur links,
rechts,
b der Femurschaftfraktur rechts,

le, die mit dazu beitrugen, dass sie die operativen Ein- Untersuchung nicht nur in der Akutphase sondern spe-
griffe gut überstand. ziell im weiteren Verlauf, um in der Zusammenschau der
Befundkonstellation den optimalen Zeitpunkt für die de-
finitive Versorgung festlegen zu können. Faktoren wie
Zusammenfassung Patientenalter, Vorerkrankungen oder Ähnliches sollten
hierbei ebenfalls in die Gesamtentscheidung mit einbezo-
34 Patienten mit hoher Verletzungsschwere (ISS), Thorax- gen werden. Eine Zusammenfassung von Parametern, die
trauma, Schädel-Hirn-Trauma und relevantem Volumen- hierbei beachtet werden sollen, ist in Tab. 34.5 aufgelistet.
bedarf als Zeichen einer Blutung bedürfen einer exakten Obwohl die definitive Frakturversorgung zu einem frü-
Zusammenfassung 945

g h

Abb. 34.8 (Fortsetzung) g Linkes Bein.


e der dislozierten Klavikulafraktur rechts. h Postoperative a.–p. Aufnahme des Beckens nach definitiver
f A.–p. Aufnahmen nach Stabilisierung der Femurschaftfraktu- Versorgung mit retrograd eingebrachten Femurmarknägeln
ren mit Fixateur externe. Rechtes Bein. und Schraubenosteosynthese der Schenkelhalsfraktur.
(Fortsetzung) ▶

hen Zeitpunkt nachweislich zu einem verkürzten Kran- ist hier bei den sogenannten Borderline-Patienten gebo-
kenhaus- und intensivmedizinischen Aufenthalt führt ten, die einer frühen operativen Versorgung zugeführt
und dem Patienten eine frühzeitige Mobilisierung ermög- werden. Hier ist intraoperativ besonderes Augenmerk
licht, können gerade operative Prozeduren innerhalb der auf Zeichen der Dekompensation – wie Störung der Ge-
ersten 24 h bei schwerverletzten Patienten zu Hypoxie rinnung, Anstieg des Laktatspiegels oder Abfall der Kör-
und Minderperfusion führen, welche im weiteren Verlauf perkerntemperatur und ICP – zu achten, um ggf. von der
in Dysfunktionen verschiedenster Organe bis hin zum geplanten definitiven Vorgehensweise auf eine externe 34
Multiorganversagen enden können. Besondere Vorsicht Fixation nach DCO-Konzept umzusteigen.
946 34 Der schwerverletzte Patient

i j

k l

Abb. 34.8 (Fortsetzung) k A.–p. und seitliche Aufnahme des rechten Handgelenks mit
i A.–p. und seitliche Aufnahme des rechten Femurs. Versorgung der Radiusfraktur mit palmarer winkelstabiler Plat-
j A.–p. Aufnahme des linken Femurs. tenosteosynthese.
l A.–p. Aufnahme der Klavikulafraktur rechts mit Rekonstrukti-
onsplattenosteosynthese.

34
Zusammenfassung 947

c
a

Abb. 34.9 Fallbeispiel 5. b Aufnahme des linken Femurs mit einer


a Die a.–p. Aufnahme des rechten Femurs zeigt die Schenkel- offenen Femurschaftfraktur Typ II.
hals- und ipsilaterale Femurschaftfraktur. c Offene Tibiaschaftfraktur vom Typ IIIa.
(Fortsetzung) ▶

Merke

■ Gefäßverletzungen sollten entweder durch die klinische ■ Die Serumspiegel von IL-6 korrelieren mit dem Ausmaß
Untersuchung oder mittels diagnostischer Maße wie ABI des Weichteil- und Thoraxtraumas. IL-6 ist dabei eines
> 0,9 erkannt werden. der am besten charakterisierten Zytokine beim akuten
■ Eine Angiografie sollte bei Patienten mit Beckenverletzung Inflammationsprozess.
und einem Transfusionsbedarf von mehr als 4 Erythrozy- ■ Der NISS scheint bei schwerverletzten Patienten bzgl. des
tenkonzentraten innerhalb von 24 h oder mehr als 6 Ery- Endergebnisses genauer zu sein als der ISS.
throzytenkonzentraten innerhalb von 48 h – trotz tempo- ■ Ein SIRS-Score ≥ 2 ist mit einer erhöhten Mortalität assozi-
rärer Beckenstabilisierung – erwogen werden. iert (6,9 %).
■ Die Inzidenz übersehener Verletzungen in den ersten 24 h
beträgt bis zu 12 % bei schwerverletzten Patienten.

34
948 34 Der schwerverletzte Patient

d e

f g

Abb. 34.9 (Fortsetzung) f Linkes Femur nach Versorgung mit antegradem Marknagel.
d Schraubenosteosynthese nach offener Reposition und inne- g Rechte Tibia nach Versorgung mit aufgebohrtem Tibiamark-
rer Fixation der Schenkelhalsfraktur. nagel.
e Rechtes Femur nach Versorgung mit retrogradem Markna-
gel.

34
Literatur 949

Inhalt der DVDs

Video 34-1 (entspricht Video 24-1, DVD 3) unaufgebohrter Video 34-3 (entspricht Video 5-3, DVD 1) Anwendung des
Femurnagel zur Behandlung bilateraler Femurfrakturen Bohrers mit Aspirator. Das Video zeigt einen neuen Bohrer,
bei einem polytraumatisierten Patienten. Das Video zeigt der beim Aufbohren langer Röhrenknochen gleichzeitig den
die Anwendung unaufgebohrter Nägel bei einem schwerver- Markrauminhalt ansaugt. Tierversuche und transösophagea-
letzten Patienten mit Lungenverletzung und bilateralen Fe- le Echokardiografie zeigen eine Reduktion der Menge pulmo-
murfrakturen. Entscheidungsfindung und Vorgehensweise naler Emboli während des Aufbohrvorgangs langer Röhren-
bei diesem Patienten werden dargestellt. knochen.
Video 34-2 (entspricht Video 31-1, DVD 4) Anlage eines
sprunggelenküberbrückenden Fixateur externe. Das Video
zeigt die Anlage eines sprunggelenküberbrückenden Fixa-
teur externe zur initialen Behandlung einer distalen Tibiafrak-
tur.

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34
Sachverzeichnis 953

Sachverzeichnis

Kursiv gestellte Seitenzahlen verweisen auf einen Eintrag in einer Abbildung oder in einer Tabelle.

A – knöchernes 36, 38, 40 Antirotationsschraube bei Schenkel-


Ablederung – bei Pseudarthrose 106 halsfraktur 586, 586
– Behandlung 556 Amputation Antiseptika 22
– geschlossene, großflächige 2 – Entscheidungsfindung beim AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteo-
– umschriebene 2 schwerverletzten Patienten 941 synthesefragen) 1, 64
Abrissfraktur, Innenknöchel 866 – nach Kompartmentsyndrom 61 AO-Femurdistraktor 837
Abstützplatte bei Tibiakopffraktur 781 – komplexe Unterschenkelfraktur 822 AO-Klassifikation
AC-Gelenk s. Akromioklavikulargelenk – bei Tibiaschaftfraktur 821 f – Beckenverletzung 479, 480 ff
Achillessehne 10, 12 f, 832 Anderson/D’Alonso-Klassifikation, – Femurschaftfraktur 658, 659
Achillessehnen-Allograft, Rekonstruk- Densfraktur 118, 121 – Patellafraktur 716
tion des hinteren Kreuzbandes 752, Angiogenese, Vakuumschaumver- – Radiusfraktur, distale 395
752 bandwirkung 16 – Schenkelhalsfraktur 582, 583
Achsellücke, laterale 239 Antibiose s. Antibiotikaprophylaxe; s. – Weichteilverletzung 1 f
Acute Respiratory Distress Syndrome Antibiotikatherapie – Wirbelfraktur, thorakolumbale 198
935 Antibiotic-bead-pouch-Technik 22 AO/OTA-Klassifikation
Adduktorenkanal 663 Antibiotikakette 16, 35 – Femurfraktur
Agee-Fixateur 460 – Antibiotikumeigenschaften 35 – – distale 682 f, 684
Akromioklavikulargelenk 226 – mit systemischer Antibiose 35 – – pertrochantäre 613
– Anatomie 227 – Wundverschluss 35 – – subtrochantäre 635
– Arthrose, symptomatische 231 Antibiotikakugeln 30, 34 f, 35 – Humerusfraktur, distale 312, 312
– Bandverletzung 226 – Antibiotikumeigenschaften 35 – Tibiafraktur, distale 828, 830
– Luxation 226 ff Antibiotikaprophylaxe – Tibiakopffraktur 770, 771, 772
– – chronische 229 – bei offener Sprunggelenkfraktur – Tibiaschaftfraktur 801, 801
– – frühfunktionelle Übungen 230 874 AO-Universaldistraktor, Tibiamark-
– – Hakenplatte 229 – bei pertrochantärer Femurfraktur nagelung 808, 809
– – Klassifikation 226 630 f Aorta, thorakale, Verletzung 182
– – Komplikation 231 – vor Marknagelung 677 Äquatorialcerclage bei Patellatrüm-
– – Operationsindikation 227 Antibiotikatherapie merfraktur 727
– – Rehabilitation 230 – empirische 31 Arbeitsgemeinschaft für Osteo-
– – Röntgenbefund 226 – Infektion bei stabilem Implantat 31 synthesefragen s. AO
– – Therapie – lokale 34 ff ARDS (Acute Respiratory Distress
– – – konservative 227 – bei offener Sprunggelenkfraktur Syndrome) 935
– – – operative 227 ff 874 Arteria
– Zugang 228 f – parenterale 31 – brachialis 376
Akromion 228 f, 236, 236 f – präoperative 23 – – Verletzung bei Ellbogenverlet-
Akute-Phase-Protein 25, 927 – – bei Azetabulumfraktur 518 zung 310, 364
Ala-Röntgenaufnahme 510, 514 – systemische 31 – canalis tarsi 883
– Hüftgelenkstabilitätsprüfung 570 – – Kombination mit Antibiotika- – carotis interna, Verletzung, intra-
– Pfannendachwinkel 515 kugeln 35 operative 144
– Rotation 510 – testgerechte 31 – circumflexa
Alkoholkrankheit, Humerusschaft- Antibiotikaträgermaterial, bioresor- – – femoris
fraktur 305 bierbares 36 – – – lateralis 527, 590
Allen-Ferguson-Klassifikation, sub- Antibiotikazementstab 35 f – – – medialis 519, 570
axiale Halswirbelsäulenfraktur 151, Antigleitplatte 93 – – – – Ast für den Femurkopf 590,
151 f – dorsale, bei Außenknöchelfraktur 590
Alligator-Klemme 379 864, 865 – – humeri
Allis-Methode, Femurkopfreposition – bei Innenknöchelfraktur 867, 868 – – – anterior 245 f
567 – bei Trimalleolarfraktur 870 – – – posterior 239, 246
Allman-Klassifikation, AC-Gelenk- Antikoagulation s. auch Thrombo- – deltoidea 883
Luxation 226 embolieprophylaxe – femoralis 523, 663 f, 719
Allograft – postoperative 217 – fibularis 3, 4, 10, 13
– immunologisch inaktiviertes 15 – – Talusversorgung 883
954 Sachverzeichnis

– genus – Sprunggelenk, oberes 854 – Exposition 520


– – descendens 719 – nach Sprunggelenkfraktur 878 – mit Femurkopffraktur, Trochanter-
– – inferior – nach Talusfraktur 890, 892 Flip-Osteotomie 549
– – – lateralis 746 Arthroskopie – Femurkopfsubluxation 516
– – – medialis 746 – Kniegelenk 787 ff, 788, 788 f – Fragmente 518
– – media 746 – bei Schultergelenkluxation 281 – Gefäßverletzung 557
– – superior Arthroskopieeinheit 787 – Grundtypen 511, 512
– – – lateralis 746 Arthrotomie – mit Hüftluxation 565
– – – medialis 746 – Sprunggelenk, oberes 839 – Hüfttotalendoprothesenimplantati-
– glutealis – submeniskale 775, 776, 776 on 549, 551 f, 552, 552
– – inferior 519 Aseptik 23 – Infektion, postoperative 518, 556
– – superior 519 Atlantoaxialregion, Avulsionsverlet- – Klassifikation 511, 512 ff, 513, 515
– iliaca zung, knöcherne 117, 119 – Komplikation 556 ff
– – externa 523, 525 Atemwegsbehandlung, postoperative, – Operationsindikation 516, 518
– – interna, Embolisation 485 nach Stabilisierung der oberen – Operationstechnik 518 ff, 559
– interossea 373 Halswirbelsäule 138 – Pfannendachbeteiligung 513, 515
– – posterior 373 Atlasfraktur 115 ff, 116 f – präoperative Antibiotikatherapie
– musculi bicipitis 58 – Behandlungsergebnisse 140 518
– nutricia, tibiale 806 – Klassifikation 115 – Rehabilitation 547
– peronea s. Arteria fibularis – Operationsindikation 115, 117 – Repositionsqualität 553 f, 554
– poplitea 663, 719, 746, 747 Außenknöchelfraktur – Revisionsversorgung 555
– – Ruptur 764 – dislozierte 860, 860 – Röntgenaufnahme 509, 510
– – Verletzung bei Knieluxation 741 f, – mit Innenbandverletzung 869 – Schraubenosteosynthese, perkutane
764 – isolierte 863 552
– profunda femoris 663 f – offene Reposition und innere – T-förmige 536 f
– radialis 373, 374, 376, 384 Fixierung 864 – – Computertomografie 536
– – recurrens 375 – Plattenosteosynthese 863 ff – – mit Fraktur der hinteren Wand
– saphena 3, 4 – – Hautinzision 863, 864 536 f
– sinus tarsi 883 – schräg verlaufende 864 – – Kocher-Langenbeck-Zugang
– subscapularis 237 f – mit vollständiger Innenbandruptur 535 ff
– suralis 10, 12 f 868 f – – Reposition 535 f, 546
– – Entnahme mit Faszie 14 – Zugang 863 f, 864 – – Zugang
– tibialis Außenknöchelgelenkfläche 860 – – – iliofemoraler, erweiterter 535,
– – anterior 719, 786, 806 Außenknöchelmehrfragmentfraktur, 546
– – – Talusversorgung 883 Reposition 865 – – – kombinierter 547
– – – Verletzung 54 Außenknöchelosteotomie bei Talus- – Therapie
– – posterior 10, 719 korpusfraktur 892 – – konservative 516
– – – Talusversorgung 883 Außenknöcheltrümmerfraktur 865 – – – Indikation 559
– ulnaris 373, 376 – Reposition 865 – – operative 518 ff, 559
– vertebralis – – indirekte, durch Platte 865 – – – Ergebnisse 553 ff
– – Verletzung 143 Außenrotationsmethode, Reposition – – – verzögerte 555
– – – bei atlantoaxialer Schrauben- bei Schulterluxation 279 – Trochanter-Flip-Osteotomie 549,
fixation 144 Außenrotationsstresstest, Sprung- 549
– – – bei Halswirbelfraktur 172 gelenk 860 f – Wundspülung 520
Arterienverletzung Avanta-Platte 404 – Zugang 518 ff
– bei Femurschaftfraktur 674 Avulsionsverletzung, knöcherne, – – erweiterter 526 f
– bei Knieluxation 741 f atlantoaxiale 117, 119 – – – erweiterter 526 f, 527, 535,
Arteriografie bei Knieluxation 764, Axilla, vordere, Schichten 253 543 ff, 546
765 Axillaaufnahme 260, 261 – – ilioinguinaler 522 ff, 524 f
Arthrodese Axisschraubenfixation 129 – – – Fenster 522 f, 525
– kraniozervikale 141 Axisspondylolisthese, traumatische – – – Modifikation 525 f
– primäre, Sprunggelenk, oberes 851 123 ff, 124 f – – – Verschluss 525
Arthrodesespreizer, Talushalsrepositi- – operative Versorgung 146 – – nach Kocher-Langenbeck s. Ko-
on 887 Azetabulum 509, 564 cher-Langenbeck-Zugang
Arthrofibrose durch Gipsruhigstellung – Linien im Röntgenbild 509, 510 – – kombinierter 547, 547
743 Azetabulumfraktur 509 ff – zusammengesetzte 511, 512
Arthrose, posttraumatische – Begleitverletzung 556 Azetabulumhemiquerfraktur, hintere,
– Kniegelenk 766 – – neurologische 556 f bei Fraktur des vorderen Pfeilers
– patellofemorale, nach Patellafraktur – Computertomografie 513, 514, 928 544
730 – Dislokation 518, 565
Sachverzeichnis 955

Azetabulumpfeiler – – – Kocher-Langenbeck-Zugang – trapezoides 227


– hinterer 509, 509 528 ff – ulnokarpale 418 f
– – Fixation 542 – – – osteochondrales Fragment – – Zerreißung 420
– – Fraktur 511, 512, 514 529 f Bandapparat, karpaler
– – – ilioinguinaler Zugang 540, 542 – – – Plattenanpassung 530, 530 – extrinsischer 418
– – – Kocher-Langenbeck-Zugang – – – Therapie, konservative 516 – intrinsischer 418
530 f – – – Trochanter-Flip-Osteotomie Bandkomplex, tibiofibularer, distaler
– – – Stabilität 515 550 f 858
– – Reposition 530, 540, 542, 542 – Röntgenaufnahme, gehaltene 516 Bandscheibenläsion bei lumbaler Fle-
– vorderer 509, 509 – vordere 510 xions-/Distraktionsverletzung 216
– – Fragment, Os-ilium-Anteil 538 – – Fraktur 512 Bandscheibenresektion, zervikale 126,
– – Fraktur 511, 512 – – – Zugang 522 127
– – – mit hinterer Hemiquerfraktur Azetabulumwandfraktur 511, 512, – – ventrale 146
544 516, 531, 573 f Bandscheibenruptur, zervikale 154
– – – Impaktion 541 Azetabulum-zwei-Pfeiler-Fraktur s. Bandscheibenverletzung, transversale,
– – – Schlüsselfragment 538, 539 Zwei-Pfeiler-Fraktur bei Distraktionsverletzung 198
– – – Stabilität 515 Azidose 931 Bandscheibenvorfall, zervikaler 161
– – – Zugang 522 f – schwerverletzter Patient 937 Bankart-Läsion 281
– – – – ilioinguinaler 537 ff, 538 ff Becken-Typ-A-Verletzung 479, 480
– – Reposition 537 f, 538 – Therapie, konservative 482
– – – Bildwandlerkontrolle 539, 541
B Becken-Typ-B-Verletzung 479, 480,
Azetabulumpfeilerdissoziation 535 Bado-Klassifikation, Monteggia-Frak- 481
Azetabulumpfeilerfraktur 511, 512, tur 369 – Therapie, konservative 482
514 Bag-of-Bones-Therapietechnik bei Becken-Typ-C-Verletzung 479, 480 f,
– mit hinterer Hemiquerfraktur 511, distaler Humerustrümmerfraktur 481
512, 544 bei Osteoporose 314 – Operationsindikation 484
– – Zugang 522 f Bagatelltrauma, Schenkelhalsfraktur Beckenaußenrotationsverletzung 479,
Azetabulumquerfraktur 511, 512 581 f 480
– Fixation 542, 543 Band/Bänder s. auch Ligamentum Beckeninletaufnahme 478, 500
– Fragment, posteriores 542 – glenohumerales, humerale Avulsion Beckeninnenrotationsverletzung 479,
– mit Fraktur der hinteren Azetabu- 281 480
lumwand 512, 532, 533 ff, 535 – interkarpales, dorsales 418, 419 Beckenkammknochentransplantat
– – mit Beckenringfraktur 534 f – karpale 394 107, 108
– – Vorgehen 532, 535 f – – extrinsische 394 – vaskularisiertes 40
– infratektale 511 – – – dorsale 418, 419 Beckenkammspan, unikortikaler, bei
– juxtatektale 511 – – – palmare 418 Klavikulapseudarthrose 106
– Kocher-Langenbeck-Zugang 531 f – – intrinsische 418 f, 419 Beckenkammspongiosaentnahme 38 f,
– Plattenosteosynthese 542, 543 – konoides 227 39
– Reposition 531 f, 532, 542, 544 ff – korakoklavikuläre 227 – Komplikation 38 f
– Rotation des Os-ischium-Fragments – – Augmentation 228 Beckenosteosynthese, minimalinvasi-
532 – – – Entlastung 228 f ve 506
– transtektale 511, 533 – – Rekonstruktion 228 Beckenoutletaufnahme 478, 500, 502
– – mit Femurkopf-Abscherfraktur – – – arthroskopisch kontrollierte Beckenrandfraktur 479
551 231 Beckenring 477 f, 481
– – mit Fraktur der hinteren Wand – – Zerreißung 226, 228 – Lateral-compression-Verletzung
546 – lunotriquetrales 394, 419 ff, 419, 480 f
– Zugang 522 422 Beckenringfraktur 479, 480
– – iliofemoraler, erweiterter 544 ff – – arthroskopische Inspektion 411 – anteriore, dislozierte 485
– – ilioinguinaler 542 f, 543 – – Rekonstruktion 425 – mit Azetabulumquerfraktur mit
– – – erweiterter 543 – – Ruptur 420, 422 Fraktur der hinteren Azetabu-
Azetabulumwand – meniskotibiale 775 lumwand 534
– hintere 510 – radiokarpales dorsales 418, 419 – instabile, schwerverletzter Patient
– – Fragment 517 – – Zerreißung 420 925
– – Fraktur 511, 512, 516, 531, 573 f – radioskaphokapitales 418, 418, 436 – Reposition, hintere 498
– – – bei Azetabulumquerfraktur – – Ruptur 420 Beckenringverletzung 477 ff
512, 532, 533 ff, 535 – sakroiliakale 477, 478 – anteriore, Operationstechnik 485 ff
– – – Behandlungsergebnisse 555 – tibiofibulares 833, 849 – Begleitverletzungen 506
– – – Fragmentreposition 529 – – anteriores 869 – Blutungsselbsttamponade 483
– – – Impaktion 529 – – posteroinferiores, Ansatzabriss – Computertomografie 478, 480 ff,
869 483
956 Sachverzeichnis

– Diagnostik 477 f – bei vorderer Beckenringverletzung Biceps-femoris-Faszie 746


– dislozierte 483 486, 487 Bigelow-Manöver, Femurkopf-
– Fixateur externe 483, 484 Behandlungsmanagement, prioritä- reposition 567, 568
– hämodynamisch instabiler Patient tenadaptiertes 931 ff Bimalleolar-Äquivalent-Fraktur 868 f
925 Beinachsenbestimmung Bimalleolarfraktur 867 ff
– impaktierte 483 – Blumensaat-Linie 74, 75 – Reposition 868
– Infektionsrate 506 – Kabeltechnik 73, 74 Biofilm, bakterieller, Implantat 32
– Innenrotationsdeformität 484 – Notch-Zeichen 74, 75 BioSymMetRic-Fixateur 459
– Instabilität 477, 483 Beinlängendifferenz 85 Bizepssehne, Unterarm 376 f
– – in drei Achsen 482 – Ausgleichsindikation 87 Blumensaat-Linie
– intraoperative Visualisierungs- Beinvenenthrombose, tiefe 217 – Beinachsenbestimmung 74, 75
möglichkeit 485 – bei Azetabulumfrakturbehandlung – Bestimmung des isometrischen
– Klassifikation 479, 480 ff 556 Punktes 758
– Komplikation 506 – bei pertrochantärer Femurfraktur – LCP-Kondylenplatten-Schrauben 78
– durch Kompression 480 f, 500 630 – Startpunkt der retrograden Femur-
– Nervenschädigung 506 Bennett-Fraktur 466 f nagelung 672
– Notfallstabilisierung 483 – Kirschner-Draht-Fixation 466 f Blutblase, Behandlung 2
– Open-Book-Mechanismus 478, – Reposition 466 Blutungsselbsttamponade bei Becken-
480 f, 482 – – offene 467 ringverletzung 483
– Operationsindikation 483 Benzoeharz 16 BMP (Bonemorphogenetic Protein),
– Operationstechnik 485 ff Berstungsfraktur Frakturheilung 107
– Osteosynthese – Brustwirbelsäule 177, 178, 179, 180 BMP-2, rekombinanter 820
– – innere 484 – – Stabilisierung 189 BMP-OP1-Implantat 107
– – minimalinvasive 484 – – Verlauf 190 Böhler-Gelenkwinkel 897, 897
– Polytraumamanagement 483 – Halswirbelsäule 152, 156 Bone 760
– posteriore 479, 480, 491 ff – – Operationsindikation 158 f Bonemorphogenetic Protein s. BMP
– – Distraktionsspondylodese 484 – – operative Behandlung 167, 168 Borderline-Patient 929, 932
– – Fixateur externe 485 – Lendenwirbelsäule 195, 196, 197, – Definition 930
– – instabile 480 202 Bracing, funktionelles
– – Operationsindikation 484 – – Distraktion 216 – Tibiaschaftfraktur 802 ff, 804
– – Plattenosteosynthese – – Instrumentierung 210 ff – Ulnafraktur, isolierte 371
– – – posteriore 484 – – – posteriore, kurzstreckige 207 – Unterarmfraktur 370
– – – ventrale 484 – – Instrumentierungssystem 209 Brown-Sequard-Syndrom 150
– – Zugang – – Operationsindikation 200 ff, 220 Brustwirbelsäule
– – – ilioinguinaler 484 – – Spinalkanaldekompression 211 – Berstungsfraktur 177, 178, 179, 180
– – – posteriorer 484 – – Spinalkanalverlegung 207 ff, 208, – – Stabilisierung 189
– Rehabilitation 505 220 – – Verlauf 190
– Röntgenaufnahmen 478, 478 – – Zugang – Biomechanik 177
– Teilbelastung 482 f – – – kombinierter 211 f, 216 – Flexions-/Distraktionsverletzung
– Therapie – – – posteriorer 210 f 177, 179 f
– – funktionelles Ergebnis 506 – – – ventraler 207 ff, 216 – Hyperextensionsverletzung 180 f,
– – konservative 482 f – thorakolumbale 198, 200 181
– – operative 485 ff – – Kyphoplastie 219 – Instrumentierung
– Therapieplan 483 – – Operationsindikation 200 – – posteriore 185 f, 186
– Unfallmechanismus 481 – – Therapie, operative 207 ff – – thorakoskopische 186
– Urogenitaltraktverletzung 490 – – Zugang – Kompressionsfraktur 177, 178 f, 179
– Weichgewebebeurteilung 506 – – – kombinierter 211 f – – Behandlung 183
– Windschlagdeformität 503, 504 – – – posteriorer 210 f – – Verlauf 190
Beckenrotationsverletzung, posterio- – – – ventraler 207 ff – Scherverletzung 178, 180, 181
re, beidseitige 479 – vertebrale – Typ-A-Verletzung 177, 178, 179
Beckenschaufeldislokation, vertikale, – – inkomplette 198 – Typ-B-Verletzung 177, 178, 179 f
Reposition 494 – – komplette 198 – Typ-C-Verletzung 178, 180
Beckenschaufelfraktur, posteriore 500 Berstungsspaltfraktur, vertebrale 198 – Verletzung 177 ff
Beckenübersichtsaufnahme 478, 478 Beruf, kniebelastender, Wiederein- – – Klassifikation 177, 178 ff, 179 ff
– Bewertung 509 stieg nach Knieluxation 763 Brustwirbelsäulenfraktur 177 ff
Beckenverletzung s. Beckenring- Bewegungsfixateur 341 f, 344, 355 – Aortenverletzungsausschluss 182
verletzung – kniegelenküberbrückender 757 f, – Diagnostik, radiologische 179 ff, 182
Beckenzwinge 758 f, 794 f – dislozierte 178, 180, 181
– posteriore, Pin-Insertion 486, 486 – – isometrischer Punkt 757, 758 – – Stabilisierung 188
– – Referenzdraht 757, 758 – instabile 177, 178
Sachverzeichnis 957

– Klassifikation 177 ff, 178 ff C1/C2-Gelenk, Freilegung 129 CRP (C-reaktives Protein) 676
– Komplikation 190 f C2/C3-Gelenke, Degeneration, post- – Infektion, postoperative 24 f
– Langzeitverlauf 190 traumatische 143 – SIRS 927
– Magnetresonanztomografie 180, C1/C2-Schraubenfixation 115 Crush-Syndrom, nach Kompartment-
182 Cefazolin 23 syndrom 60
– neurologisches Defizit 179, 181, Cephalosporin der 2. Generation 23 Cuff-and-Collar-Ruhigstellung bei
183, 186 Cerclage distaler Humerustrümmerfraktur
– Operationsindikation 183 – patellofemorale, temporäre 733 bei Osteoporose 314
– osteoporotische 191 – patellotibiale, temporäre 727 C1-Wirbelbogen-Entfernung, Zugang
– Querschnitt, kompletter 186 Cerclagedraht 723 129
– Rehabilitation 190 C1-Fraktur s. Atlasfraktur
– Stabilisierung Chamay-Zugang zur Grundphalanx
– – posteriore 185 f, 186 454
D
– – ventrale 183, 184 Chance-Fraktur 198, 201 Damage Control Orthopaedics 926,
– – – Indikation 188 – operative Therapie 201 932 f, 943
– Therapie Chaput-Fragment 832 Danis/Weber-Klassifikation, Sprung-
– – konservative 183 Chevron-Innenknöchelosteotomie gelenkfraktur 858, 859
– – operative 183 ff 885, 886 DASH (Disabilities of the Arm, Shoul-
– – Planung 182 f Chinolone 31 der and Hand) 389
– – Ziel 183 Chopart-Gelenk, Stabilität 883 Daumenluxationsfraktur, karpometa-
– Zugang 183, 184 Cierny-Stadien, Osteitis 27 karpale 466 f
Brustwirbelverschiebung, sagittale Closed-wedge-Osteotomie 92 3D-Bildgebung, intraoperative, bei
178, 180 f C1-Massa-lateralis-Schraubenfixation Tibiakopffraktur 770
Bündelnagelung, Metakarpalehals- 134 f, 135 f, 139 DCO (Damage Control Orthopaedics)
fraktur 470 ff – Behandlungsergebnisse 145 926, 932 f, 943
– 2. Strahl 471 Cobb-Elevatorium, Facettengelenks- DCP (Dynamic Compression Plate) s.
– 5. Strahl 470 f, 471 reposition 167 Kompressionsplatte, dynamische
Bupivacain 15 Compass Hinge 459 DCS (dynamische Kondylenschraube)
Bursa, subakromiale 236 Compass Knee Hinge External Fixator bei distaler Femurfraktur 682, 691,
Bursitis nach Femurmarknagelung s. Bewegungsfixateur, kniegelenk- 695
678 überbrückender Débridement 932
Composite flap 40 – bei chronischer Osteitis 32, 34
Computertomografie – bei implantatassoziierter Infektion
C – Azetabulumfraktur 513, 514, 928 32, 823
Capitatum-Lunatum-Gelenk, Dis- – – T-förmige 536 – intramedulläres 30
lokation 420 – Beckenringverletzung 478, 480 ff, Deckplattenfragment, intraspinale
Capitulum humeri, Fraktur 313 483 Vorwölbung 209, 209
Caput-Collum-Diaphysen-Winkel 589 – Femurkopffraktur 570 Defektpseudarthrose 99, 99 f
Cauda equina 203 – Fibulafraktur 837 Dekompression, spinale s. Spinal-
– Dekompression, chirurgische 203 – Handwurzelknochenfraktur 443 kanaldekompression
C1/C2-Arthrodese 122, 122 f – Hüftluxation 564, 928 Deltaband-Ruptur 863
– dorsale 129 – Humerusfraktur, proximale 260, – bei Außenknöchelfraktur 868 f
– ventrale 129 261 – bei Bimalleolarfraktur 868
– Zugang 129 f – bei Infektion 25 Deltasplit-Zugang 267, 268, 305
C2/C3-Arthrodese 127 – intraoperative 139, 796 – Komplikation 305
C2/C3-Bandscheibenresektion, ven- – Kalkaneusfraktur 897 f, 898 f Denis-Klassifikation, Lendenwirbel-
trale 138 – Pilon-tibiale-Fraktur 837 säulenfraktur 195, 197
C2/C3-Bandscheibenruptur 123 – Radiusfraktur, distale 395 Dens-axis-Spondylolisthese, traumati-
CCD-Winkel (Caput-Collum-Diaphy- – Tibiafraktur 837 sche s. Hangman-Fraktur
sen-Winkel) 589 – Tibiakopffraktur 796 Densbasiszertrümmerung 121
C2/C3-Facettengelenk-Dislokation 123 Contusio spinalis 150 Densfraktur 118, 120 ff
C2/C3-Facettengelenk-Fusionierung Conus medullaris 203, 220 – Behandlungsergebnisse 142
126 C7-Pedikelschraube, Platzierung 164 – instabile 133
C0/C2-Fixation 115 C2-Pedikel-Schraubenfixation 134 f, – Klassifikation 118, 121
C1/C2-Fixation 135 f – Komplikation 142
– posteriore 115, 144 f – Behandlungsergebnisse 145 – Osteosynthese 128
– ventrale 145 CPM s. Motorbewegungsschiene – Pseudarthrose s. Denspseud-
C1/C3-Fusion 128 Crista iliaca, Fixateur-interne-Anlage arthrose
C2/C3-Fusion 126, 127, 128 486 – Schraubenfixation
– ventrale 129, 146 – – transartikuläre 133
958 Sachverzeichnis

– – ventrale 121 f, 136 ff, 137, 145 f – Humerus, distaler 315 – Bewegungseinschränkung
– – – Komplikation 145 – Radius, distaler 400, 401 – – nach distaler Humerusfraktur
Denspseudarthrose 130, 142 Doppel-Segment-Transport 42 328
– Definition 142 Dornfortsatzbasisfraktur, zervikale – – nach Ellbogenverletzung 364
– hypertrophe 130 155 – – nach Luxation 344
– Schraubenfixation, ventrale 146 Dornfortsatzdraht, interspinöser 161 – – nach Radiusköpfchenfraktur 334
– nach Schraubenosteosynthese 142 Dornfortsatzfraktur, zervikale 155 – Kollateralband
Densresektion 130 Dorsal Intercalated Segment Instabili- – – laterales 333
Densschrägfraktur, sagittale 122 ty s. DISI – – – Abriss 335, 336, 338 f, 339, 342,
Densschraubenosteosynthese 142 Drahtcerclage 353
Denszielaufnahme 116 – Fusion, atlantoaxiale 132 – – – Stabilitätstestung 333
– intraoperative 138 – – Knochenspananlagerung 144 – – mediales 332
– postoperative 133 – Olekranonrefixation 319 – – – Abriss 340, 342
– posttraumatische 153 – Patella 723 f – Luxation s. Ellbogenluxation
Dermatom 14 Drahtfixateur mit Gummizügeln 460, – Rotationsinstabilität, postero-
Derotationsosteotomie, Femur 678 460 laterale 339
Dessault-Verband 288 DRC s. Band, radiokarpales, dorsales – Ruhigstellungsposition 322
DHS s. Hüftschraube, dynamische Drei-Etagen-Beckenrekonstruktion – Totalendoprothese 326
Diabetes mellitus 503 Ellbogengelenkfraktur, partielle 336
– Komplikation 875 3D-Röntgenuntersuchung 139 Ellbogengelenkprothese bei distaler
– Sprunggelenkfraktur 875 Druckanstieg, intrakompartimenteller Humerusfraktur 324
Diastase, tibiofibulare 872 50 Ellbogeninstabilität 349
DIC (dorsales interkarpales Band) 419 – Fasziotomieindikation 51 – bei Humerusschaft-Unterarm-
Digitus superductus 921 Druckmesssung, intramuskuläre 51 ff, Fraktur 291 f
Disabilities of the Arm, Shoulder and 52, 61 – Stadien 338 f
Hand 389 – kontinuierliche 52 – traumatisch bedingte 332
DISI-Fehlstellung, karpale (Dorsal In- – Technik 52 f Ellbogenluxation 338 ff
tercalated Segment Instability) 422 Drucknekrose 895 – anteriore 345
Diskektomie, thorakale, endoskopi- Druckplatte 65 f, 66 – Bewegungsfixateur 341, 344
sche 192 Druckplattenfixation bei Pseudar- – Kapsel-Band-Verletzung 338, 339
Dislokation, kraniozervikale 140, 143 throse 101 f – Kirschner-Draht-Osteosynthese
Dissoziation, kraniozervikale 113, 114, D-Schraube 793 341, 343, 355
117, 120 Duokopfprothese 589 – Klassifikation 338 f, 339
Distraktion, tibial-kalkaneare 834 – zementierte 587 – Komplikation 344
– Kompressionsbacke 834 – Implantation, Zugang 592 – mit Koronoidfraktur 345 f
Distraktionsfixateur, gelenküberbrü- Durchblutungsstörung nach Knieluxa- – Operationsindikation 341
ckender, bei Tibiakopffraktur 780, tion 745 – posteriore 334 f, 335, 338 f, 345, 345
780 Durchzugnahttechnik, Patellarsehnen- – posterolaterale 338, 339
Distraktionsosteogenese 34, 36, 41 ff rekonstruktion 732, 733 – posteromediale 338
– bei Pseudarthrose 102 Dysplasie, fibröse 940 – mit Processus-coronoideus-Fraktur
Distraktionsosteosynthese, Becken 345, 346
504 – Prophylaxe heterotoper Ossifi-
Distraktionsspondylodese bei dorsaler
E kationen 364
Beckenringsverletzung 484 Early Total Care 935 – mit Radiusköpfchenfraktur 333,
Distraktionsverfahren 23 Eaton-Belsky-Technik, Kirschner- 345 ff, 346
Distraktionsverletzung Draht-Osteosynthese 453 – – Therapie, konservative 346, 352
– atlantoaxiale 117 f, 119 Effendi-Klassifikation, Hangman- – Reposition, geschlossene 340
– atlantookzipitale 118, 120 Fraktur 123 f – Therapie
– Brustwirbelsäule 177, 178, 179 f Einzelbündelrekonstruktion, hinteres – – konservative 340
– kraniozervikaler Übergang 113, Kreuzband 741, 750 ff – – operative 341 ff
117 f, 119 f Ekchymose – Weichteilreparatur 341
– Lendenwirbelsäule 197 – Behandlung 23 Ellbogenluxationsfraktur 335 f, 345 ff,
– Wirbelsäulenfraktur, thorakolum- – tiefe 4 362
bale 198 Elefantenfuß-Pseudarthrose 99, 99 – Komplikation 364
Doppelbündel-ACL-Rekonstruktion Elektromyografie 878 – Nervenverletzung 364
760 Ellbogen, Weichteil-Handling 333 – Operationsindikation 348
Doppelbündelrekonstruktion Ellbogenarthrose, posttraumatische – Therapie
– Kreuzband, vorderes 752, 752 f, 760 365 – – konservative 346
– posterolateraler Komplex 753 f, 754 Ellbogengelenk – – operative 348 f
Doppelplattenosteosynthese – Anatomie 332, 332 f Ellbogenpseudoluxation 340
Sachverzeichnis 959

Ellbogensubluxation 340, 340, 344 Extremität Faszie


– Behandlung 365 – Ausrichtung bei minimalinvasiver – axilläre 253
Ellbogenverletzung 332 ff Plattenosteosynthese 73, 74 – iliopektinale 523, 524
– Bewegungsfixateur 355 – obere, Kompartmentsyndrom 58 f – klavipektorale 253
– Bewegungsverlust 364 – untere – omohyoidale 253
– bei distaler Humerusfraktur 309, – – Fasziotomie s. Oberschenkelfas- – pektorale 253
311 ziotomie; s. Unterschenkelfaszio- Fasziotomie 50, 53 ff, 390
– Gefäß-Nerven-Verletzung 310 f tomie – Fuß 57
– heterotope Ossifikation 364 – – Fehlstellungskorrektur 86 f – Indikation 51
– bei Humerusschaftfraktur 291 – – – Prinzipien 87 – Komplikation 61
– Komplikation 364 – – Gefäßversorgung der Haut 3 – Oberschenkel 56 f
– Rehabilitation 364 – – Kompartmentsyndrom 50 ff – Unterarm 58 f, 59
– Röntgenaufnahme 311 – – Rotationsdifferenz nach Mark- – Unterschenkel s. Unterschenkel-
– Varusrotationsinstabilität, postero- nagelung 86 fasziotomie
mediale 345, 347, 349, 355 – – Schwellung 50 – verspätete 54
– – Operationstechnik 355 – – Tragachse 87 – Wundbehandlung 59 f
Endphalanx – – Winkeldeformität 92 Fehlstellung 85 ff
– Anatomie 450 – Verkürzung bei diaphysärer – atlantoaxiale 141
– Basisfraktur, dislozierte, Operati- Fehlstellung 90 – diaphysäre 89 f
onstechnik 450 Extremitätenerhalt – nach distaler Femurfraktur 82
– Strecksehnenabriss, knöcherner – komplexe Unterschenkelfraktur 822 – in drei Ebenen 92
447 – bei Tibiaschaftfraktur 821 f – epiphysäre 87
– – Kirschner-Draht-Fixation 449 f Extremitätenschmerz, nach Fraktur – Fixation, innere 90 f
– – Operationstechnik 449 f 85 f – intraartikuläre 87, 87
– Trümmerfraktur, intraartikuläre – Knochentransplantation 106
447 – Korrekturoperation 87 ff, 88 ff
Endphalanxfraktur 446 ff
F – – Ergebnisse 98
– extraartikuläre 447 Facette, leere 153 – – Komplikation 98
– – Fixationsdauer 448 Facettengelenkdislokation 203 – metaphysäre 87 f
– – Operationstechnik 447 f Facettengelenksarthrodese, atlanto- – Operationsindikation 86
– intraartikuläre 446 f, 447 axiale, Komplikation 145 – Operationsplanung 86 f
– – Operationstechnik 448 f Facettengelenksdislokation – – bei schlechten Weichteilver-
Endphalanxsubluxation 449 – Schmerz, chronischer 171 hältnissen 87
Enterobakterien, gramnegative 31 – zervikale 152, 152, 155, 158 – Osteotomie 93 ff
Entzündungsmediatoren, Wund- – – ausgeheilte 156 – Schrägaufnahme 98
heilung 16 – – bilaterale 160 – Überkorrektur 98
Epicondylus – – operative Behandlung 159 ff – Unterkorrektur 98
– lateralis humeri 313, 358, 376 – – Reposition 160, 161 – in vier Ebenen 92
– medialis humeri 313, 358 – – – offene 160 – in zwei Ebenen 92
Epikondylus, femoraler – – – ventraler Zugang 165, 166 Femur
– lateraler 745 – – rezidivierende 155 – Anatomie 660 f, 663 f
– medialer 745 – – Stabilisierung – – tiefe 664
Epiphysenfehlstellung 87 – – – posteriore 162 ff, 165 – Außendrehstellung 91
Ermüdungsbruch, metatarsaler 920 – – – ventrale 165 – distales
Erwachsenenosteotomieplatte bei – – Stabilisierung, ventrale 160 f – – Anatomie 685 f
Schenkelhalspseudarthrose 102 Facettengelenksentriegelung 161 – – anatomische Achse 685
Erythrozytensedimentationsrate 24 Facettengelenksfraktur, zervikale – – 95°-Klingenplatte-Platzierung
Espace claire de Chaput 859, 860 – dislozierte 152 695
– erweitertes 872 – – Stabilität 165 – fehlrotiertes, verkürztes, nach
ESR (Erythrozytensedimentationsrate) – operative Behandlung 159 ff Marknagelung 91
24 Facettengelenksresektion, partielle – Gefäßanatomie 663
Essex-Lopresti-Klassifikation, 161 – Perforansgefäße 663
Kalkaneusfraktur 897 Facettengelenksüberdistraktion 161 – proximales
Essex-Lopresti-Läsion 334 Fältchen-Zeichen 862 – – ansetzende Muskeln 634, 635
ETC (Early Total Care) 935 Farabeuf-Zange – – Durchleuchtung 666, 667
Extensionsfraktur, zervikale 152 – Azetabulumquerfraktur-Reposition – – Pseudarthrose (s. auch Schenkel-
Extensionstischlagerung bei pertro- 531 halspseudarthrose) 654
chantärer Femurfraktur 616 f, 620 – Reposition des vorderen – – Valgusfehlstellung 88
Azetabulumpfeilers 538 – – Valgusosteotomie 88
Fascia lata 56 – – Varusfehlstellung 88 f
960 Sachverzeichnis

– Retroversion 91 – – Nachbehandlung 710 – bei Marknagel 677


– Rotations-CT 678 – – Operationsindikation 685 – pertrochantäre 612 ff, 612 ff
– Zugang, lateraler 662, 663 – – bei Osteoporose 694 – – beim älteren Patienten 614
Femuraufbohrung – – Plattenosteosynthese 691 – – Bildwandlereinstellung 616
– antegrade 668, 670 – – – biologische 682, 688 – – Dislokation, sekundäre 631
– pulmonale Komplikation 935 – – – minimalinvasive 71 – – dislozierende Kräfte 615, 616
– retrograde 672 f – – – Repositionsqualität 706 – – dynamische Hüftschraube 617 ff,
– – Gewebeschutz 672 f, 673 – – – submuskulär eingeschobene 618, 620 ff
Femurderotationsosteotomie 678 682, 700 f – – externe Stabilisation 628
Femurdistraktor 104, 702, 793, 837 – – – – operatives Vorgehen 702 ff, – – Frakturlinienverlauf 612, 612 f
– Sprunggelenkzugang 703 ff – – Implantatwahl 617 ff
– – anterolateraler 839, 840 – – – winkelstabile 700 ff, 700 ff – – instabile 612, 619
– – anteromedialer 845 – – – – Patientenlagerung 700, 700 – – Klassifikation 612 f
– Tibiamarknagelung 809, 849 – – Reposition 692 – – Komplikation 630 ff
Femurfehlstellung – – – geschlossene, Hilfsmittel 701 – – Marknagelung 617 f, 618, 625 ff
– distale 95 f – – – – manueller Zug 701 – – – Zugang 625
– – komplexe 95 f – – – Kontrolle 702 – – Muskelteilinkarzeration 617
– postoperative 650 – – – offene 682 – – okkulte 614, 614
– proximale 92 – – – provisorische 702 – – Operation, minimalinvasive 629
Femurfraktur – – Repositionsschrauben 701 – – Operationsindikation 615
– distale 682 ff – – Röntgenbildbeurteilung 683 – – Osteosynthese
– – Fixation – – Schraubenosteosynthese 691 – – – dynamische 612
– – – innere 682 – – Stabilisierung, initiale 692 – – – Komplikation 612
– – – ungenügende 712 – – suprakondyläre 682, 685 – – Plattenausbruch 624
– – Implantat 691 – – – Behandlungsziel 683 – – Plattenosteosynthese 625
– – – winkelstabiles 682 f, 691 – – – Bewegungsschiene 685 – – Pseudarthrosenentstehung 631
– – interkondyläre, Behandlungsziel – – – dislozierte 709 – – Rehabilitation 628
683 – – – mit intraartikulärem Spalt- – – Reposition 616 f
– – intraartikuläre 71, 684, 687 ff, bruch 684 – – – offene 617
709 – – – nach ipsilateraler Kniegelenks- – – Schaftfragmentabkippung 616,
– – – Fixation 692 endoprothese 706 ff, 707 f 617
– – – in der Frontalebene 684, 709 – – – konservative Behandlung 683, – – stabile 612
– – – Nachbehandlung 710 685 – – Standardmortalität 630
– – – postoperative Fehlstellung 82 – – – LCP-Kondylenplatte 77 f – – Therapie
– – – Reposition 692, 693 – – – metaphysäre Komponente 684 – – – Ergebnisse 629 f
– – – Schraubenosteosynthese 692, – – – mit Patellafraktur 718 – – – konservative 613 f
693, 694 – – Therapie – – – operative 616 ff
– – Keilfraktur, metaphysäre 684 – – – Ergebnisse 710 f, 711 – – Trochanternagel 625 ff
– – Klassifikation 682 f, 684 – – – konservative 683, 685 – – Valgisierung 631
– – Klingenplatte 682, 691, 694 f, 695, – – – – Indikation 685 – – Winkelplattenosteosynthese
696 – – – operative 685 ff, 690 ff, 691 ff 618 f
– – – Einbringung 694 f – – – – minimalinvasive 712 – proximale (s. auch Femurfraktur,
– – Komplikation 682, 711 f – – Zertrümmerung, metaphysäre pertrochantäre; Femurfraktur, sub-
– – kondyläre 683, 684 683, 684 trochantäre; Schenkelhalsfraktur)
– – – Zugang 689 ff – – Zugang 657
– – Kondylenabstützplatte 691 – – – anterolateraler 686, 687 f – – bei Femurschaftfraktur 657 f
– – Kondylenschraube, dynamische – – – anteromedialer 686 – subtrochantäre 634 ff
682, 691, 695 – – – lateraler, parapatellarer 686, – – Dislokation 634
– – LCP-Kondylenplatte 77 f 688 f, 689 f – – Femurnagel, antegrader 637, 650
– – – Ergebnisse 81 – – – medialer, parapatellarer 686 f, – – – Konsolidierungsrate 654
– – – Osteosynthese, minimal- 686 f, 689 f – – iatrogene 594
invasive 78 – – – posteriorer 686 – – Implantat, intramedulläres 636,
– – LISS-Platten-Platzierung 702, – – – – lateraler 690 f 654
703 ff – – – – medialer 690 f, 690 f – – Implantatversagen 654
– – Marknagelosteosynthese – intertrochantäre 612 f – – Klassifikation 635
– – – antegrade 691, 699, 699 – – Implantatversagen 613 – – Komplikation 654
– – – retrograde 682, 686 f, 691, – – instabile 619, 619 – – 95º-Kondylenplatten-Osteosyn-
696 ff, 697 f – – Osteosynthese 618, 619 these 646 f, 648, 649 f, 650 f
– – – – Eintrittspunkt 696, 697 – – Traktionsaufnahme 621 – – – Beinlängenkontrolle 649
– – metaphysäre Komponente 684 – bei liegender Platte 677 – – – Bildwandlereinsatz 647, 648
Sachverzeichnis 961

– –– Führungsdraht 647, 648 – bei Schenkelhalsfraktur 605 Femurosteotomie


– –– Patientenlagerung 647 Femurkopfprothese – derotierende, schräge 91
– –– Pseudarthrosenrate 654 – Abrieb 589 – gerade 91
– – Malrotation 644, 654 – bipolare 587 f Femurpseudarthrose
– – Operationsindikation 636 – Größe 589 – diaphysäre, Druckplatte 102
– – Patientenlagerung 639, 642, 650 – unipolare 588 – distale 711 f
– – Platte, winkelstabile, anatomisch Femurkopfsubluxation s. auch – Marknagelung 102
vorgebogene 651, 652 f Hüftluxation Femurregion
– – Plattenosteosynthese 639, 641 – bei Azetabulumfraktur 516 – diaphysäre (s. auch Femurschaft)
– – – minimalinvasive 651 – mediale 510, 513, 514 657
– – Rehabilitation 650 – – bei Fraktur des vorderen Azeta- – subtrochantäre 634
– – Reposition 638 f, 640, 650 bulumpfeilers 541 – – Markraumerweiterung 634
– – mit Sakrumfraktur 653 – – bei Zwei-Pfeiler-Fraktur 518 Femurschaft 657
– – Therapie Femurkopfverletzung, Ostoesynthese – Fehlstellung, posttraumatische 678
– – – Ergebnisse 652, 654 549 – Rotationsfehler nach Marknagelung
– – – konservative 636 Femurkopfzentrum-Femurhals-Dia- 91, 678
– – – operative 639 ff physen-Winkel (CCD-Winkel) 589 – Verkürzung nach Marknagelung
– – Trochanternagelosteosynthese Femurkortikalis 678
636, 645 f, 646, 650 – laterale, Neigung 685 – Zugang, lateraler 662, 663
Femurhals s. Schenkelhals – mediale, Neigung 686 Femurschaftfraktur 657 ff, 930
Femurkondylus Femurlängenbestimmung, Meterstab- – Begleitverletzung
– lateraler 685, 686 technik 74, 76 – – ipsilaterale 658
– – Fraktur Femurmarkraumpräparation vor Pro- – – Osteosynthesezeitpunkt 657
– – – Reposition 709 thesenimplantation 598 – – systemische 657
– – – Zugang 690 f Femurnagel – – übersehene Fraktur 677
– medialer 686 – antegrader 671 – beidseitige 940, 940 f
– – Fraktur – – Bohrlehre 669 – Biegungskeilfragment 658, 659
– – – Reposition 709 – – bei distaler Femurfraktur 691, – externe Fixierung 661 f, 675
– – – Zugang 690 f, 690 f 699, 699 – – Pinabstand 661, 675
– – Osteonekrose nach Luxation 766 – – Eintritt an der Trochanter-major- – – Pingröße 661
Femurkopf 564 Spitze s. Trochanternagel – Fragmentendenabweichung 658
– Blutversorgung 589 f, 590, 607 – – Eintrittspunkt 642, 642 f – frühzeitige Versorgung 935
Femurkopf-Abscherfraktur, bei Azeta- – – Femuraufbohrung 668 – Gefäßverletzung 658, 674
bulumquerfraktur 551 – – bei Femurschaftfraktur 666 ff – Klassifikation 658 ff, 659
Femurkopfeinbruch 557 – – Führungsdraht 667, 667 – mit Kniebandverletzung 658
Femurkopffragment 570 – – Längenbestimmung 668, 669 – Knochenheilung, verzögerte 677
– kaudales 570 – – Nagelsystem, nichtaufgebohrtes – Kompartmentsyndrom 678
Femurkopffraktur (s. auch Pipkin-I,II, 671 – komplexe 659
III,IV-Fraktur) – – Patientenlagerung 666 – Komplikation 676 ff
– mit Azetabulumfraktur, Trochanter- – – Patientenrückenlagerung 671 – Kompressionsosteosynthese 662
Flip-Osteotomie 549 – – Patientenseitlagerung 671 – bei Kopfverletzung 673 f
– beidseitige 566 – – mit proximaler Standardverrie- – Marknagelung 660, 675
– Computertomografie, präoperative gelung 637 f, 637 ff, 639 f, 642 f, – – antegrade 666 ff
570 645 – – Antibiotikaprophylaxe 677
– bei Hüftluxation 566, 570 ff – – bei subtrochantärer Femurfrak- – – assoziierte Fraktur 677
– – Behandlungsergebnis 576 tur 636, 639 f, 642 f, 645, 650 – – Einflussfaktoren 660
– iliofemoraler Zugang 571 – – Verriegelung 668 ff – – Ergebnisse 676
– Klassifikation 566, 567 – assoziierte Fraktur 677 – – Fehlheilung 678
– Kocher-Langenbeck-Zugang 570 – retrograder 672 ff, 675 – – Infektion 676 f
– bei Luxation 565 – – bei distaler Femurfraktur 682, – – Nervenverletzung 678
– Rehabilitation 573 f 686 f, 691, 696 ff, 697 f – – Strahlenbelastung 679
– mit Schenkelhalsfraktur 566, 567, – – – Eintrittspunkt 696, 697 – mehrfragmentäre 658, 659
597 f – – – Verriegelung 698 – offene 660
– – Therapie 571, 572, 573, 575 f – – bei Femurschaftfraktur, Start- – – Versorgung 673 f
– Schraubenosteosynthese 570 f, 571 punkt 672 – Operationsindikation 660
– Therapie 570 ff, 571 ff – – bei Fraktur bei Knieendoprothese – Osteosyntheseversagen 676
Femurkopfkontusion 550 f 706 ff, 707 – Plattenosteosynthese 662 ff, 675
Femurkopfnekrose, avaskuläre – Rotationsfehlstellung 91, 678 – – benachbarte Fraktur 677
– beim älteren Patienten 605 – überstehender 678 – – Ergebnisse 676
– nach Azetabulumfraktur 557 f, 558 – zephalomedullärer 597 – – Zugang 661
– nach Hüftluxation 564
962 Sachverzeichnis

– mit proximaler Femurfraktur 657 f – – Plattenosteosynthese 815, 816, – – Platzierung am Tibiaschaft 806
– Pseudarthrosenentstehung 677 819, 863 ff, 864 f – – Radiusfraktur, distale 408 f, 409 f
– Reposition 662, 675 – – Reposition 833 ff, 864 – – sprunggelenküberbrückender
– – Schanz-Schraube 664, 665, 667 – – – Instrumente 837 833 f, 933, 933
– mit Schenkelhalsfraktur 581, 582, – – Rotationseinstellung 833 – – bei Symphysensprengung 485,
673, 677 – – bei Tibiafraktur 833, 849 486
– – Reposition 673, 677 – – Zugang, posterolateraler 871 – – bei Tibiaschaftfraktur 818 ff, 819
– Schussverletzung 673 – Heilung in Fehlstellung 878 – – unilateraler 42
– schwerverletzter Patient 944 ff, – hohe 866, 872 – – ventraler
947 f – Osteosynthese 833 – – – in der Crista iliaca 486
– Second Hit 657 – – Zugang 833 – – – supraazetabulärer 485
– segmental abweichende 658, 659 – proximale, mit Syndesmosen- – interne 68
– Therapie instabilität 873 Fixation
– – Ergebnisse 675 f Fibulakeilfraktur 833 – atlantoaxiale, Schraubensystem,
– – konservative 660 Fibulakopf 745, 776 polyaxiales 139
– – operative 660 ff Fibulaluxation, ventrale 872 – biologische, Plattensystem 67
– – – Einflussfaktoren 660 Fibulaosteotomie bei Taluskorpus- – externe 31, 32
– – – Kontraindikation 660 fraktur 892 – – Distraktionsosteogenese 36 f
– Überbrückungsosteosynthese 662 ff Fibulaquerfraktur, distale, an der – – mit innerer Osteosynthese 850
– – perkutane 663 f, 665, 666, 675 Gelenklinie 833 – innere
– – Rehabilitation 663 Fibulatransplantat – – nach Fehlstellungskorrektur 90 f
– – Teilbelastung, postoperative 663 – Hebebereichprobleme 41 – – mit Kompression 90 f
– überstehendes Implantat 678 – vaskularisiertes 40 – – Zespol-System 66
– bei vorderer Hüftluxation 569 – – freies 41 – patellofemorale, temporäre 733
Femurschaftpseudarthrose 677 – – bei Pseudarthrose 102 Flexions-Distraktions-Verletzung
Femurschaftquerfraktur 658, 659 Fibulatrümmerfraktur 833 – Brustwirbelsäulenfraktur 179 f, 180
Femurschaftschrägfraktur 658, 659 – Reposition, indirekte 833 – Hangman-Fraktur 123
Femurschaftspiralfraktur 658, 659 Fibulektomie 56 – Lendenwirbelsäulenfraktur 200
Femurschrägfraktur, umgekehrte, Fingergrundgelenk s. Metakarpo- – – Bandscheibenläsion 216
subtrochantäre 636, 636 f phalangealgelenk – – Frakturmuster 216
Femurschrägosteotomie 95 f Fingerknochenfraktur 446 ff – – Operationsindikation 202
– doppelte 95 f First Hit, posttraumatischer 926 – – Therapie, operative 212 ff, 213
Femurumstellungsosteotomie bei Fistel, eitrige, posttraumatische 24 – – Wirbelhinterkantenkompression
Femurkopfnekrose 605 Fixateur 213, 214
Fersenbein s. Kalkaneus – externe 23, 31, 32, 933 – mit Rotation, thorakolumbale
Fersenentlastungsorthese 899 f – – Beckenringverletzung 483, 484 Verletzung 198
Fersenhautblässe nach Kalkaneus- – – – posteriore 485 – Wirbelsäulenfraktur 198
fraktur 895 – – bei distaler Femurfraktur 702 Floating-Elbow-Verletzung 291 f
Fettembolie 657 – – dynamischer, proximales Inter- Floating Pelvis 566
Fettgaze 15 phalangealgelenk 458, 459 Floating Shoulder 233, 234 f, 235, 252
Fettpolster, infrapatellares, Kontur- – – Femurderotation 91 Fluor-18-Fluordesoxyglukose 27
unterbrechung 731 – – Femurschaftfraktur 661 Fondaparinux 630
Fibula 748 – – gelenküberbrückender 23, 24, 37 Foramen intervertebrale, lumbales,
– distale, Schrägosteotomie 93 – – – bei distaler Tibiafraktur 851 Verlegung 203
– verkürzte 860 – – bei Humerusschaftfraktur 303 f Fossa
Fibulaabweichung bei distaler – – kalkaneofemoraler 933 – glenoidalis 237
Tibiafraktur 833 – – kniegelenkübergreifender 795, – infraspinata scapulae 236
Fibulaallograft 40 933, 933 – lunata 436
Fibulafraktur – – bei Knieluxation 743 ff, 755 f – olecrani, Frakturverlauf 312
– distale s. auch Außenknöchelfraktur – – Komplikation 303, 853 – piriformis 667, 667, 670 f, 675
– – Analyse 837 – – Metatarsale-I-Fraktur 919 – scaphoidea 436
– – Computertomografie 837 – – Mittelphalanxtrümmerfraktur – supraspinata scapulae 236
– – Fixateur externe 456 Fovea centralis capitis femoris
– – – gelenküberbrückender 833 f – – monolateraler 876 – Femurkopffrakturlokalisation 566,
– – – Pinplatzierung 834 – – bei Navikularefraktur 910 567
– – – Rahmenkonstruktion 835 – – bei offener Sprunggelenkfraktur – Impressionsfraktur 566
– – – temporärer 834 874 Fragmentdislokation 99
– – Längeneinstellung 833 – – bei pertrochantärer Femurfraktur Fragmentfraktur, viereckige, zervikale
– – offene 835 628 155
– – Osteosynthese, Instrumente 837 – – bei Pilon-tibiale-Fraktur 833
Sachverzeichnis 963

Fraktur – – – transartikuläre Schrauben Gertzbein-Klassifikation, Brustwirbel-


– akute, mit Knochendefekt 107 144 f fraktur 177, 178
– Defektspalt 99 – – ventrale 145 Gesundheitszustand des Patienten,
– geschlossene – kraniozervikale Einteilung 27
– – Antibiotikatherapie 23 – – Fixationssystem, rigides 144 Gewebeelongation durch Vaku-
– – Infektion, postoperative 22 f – – Knochenspananlagerung mit umschaumverband 16
– – Tscherne-Klassifikation 1 Drahtcerclage 143 Gewebeischämie, Kompartment-
– infizierte 27 – – Komplikation 143 f syndrom 50
– Instabilität 23 – – Ruhigstellung 143 Gewebeprobenentnahme, intraopera-
– intraartikuläre 6 – okzipitozervikale 130 f, 131 tive, mikrobiologische Kultur 27
– Kompartmentsyndrom 50 f Fuß Gewebe-Ultrafiltration 61
– mehrfache, verschiedener Körper- – Dorsalflexionstrauma 884 Gilchrist-Verband 227
regionen 926, 928, 937, 938 ff – rigider 883 – bei Humerusschaftfraktur 288
– offene Fußbogen, transversaler 914 Gipsruhigstellung
– – Antibiotikatherapie 22 f, 874 Fußfasziotomie 57 – Innenknöchelfraktur 866
– – Infektion 22 Fußkompartment – Knieluxation 743
– – Jet Lavage 4 – dorsales 57 – – Röntgenkontrolle 743
– – Operationsplanung 4 – zentrales 57 – Probleme 743
– – Vakuumschaumverband 16 Fußsäule, laterale, Verkürzung 912 – Sprunggelenkluxation 876
– – Wunddébridement 3 – Talushalsfraktur 884
– Operation – Tibiafraktur, distale 829
– – dringliche 931
G – Tibiaschaftfraktur 802
– – frühzeitige 931 Galeazzi-Fraktur 368, 388 Gissane-Winkel 896 f, 897, 900, 902
– – geplante 931 – Behandlung 387 f Glenoid
– – notfallmäßige 931 – Klassifikation 368 – Medialisierung 236, 236 f
– osteochondrale, bei Sprunggelenk- 67Ga-Leukozytenszintigrafie 25 – Winkeldeformität 236
fraktur 879 Gammanagel bei pertrochantärer Glenoidabstützplatte, anterior-
– Reposition, anatomische 65, 73 Femurfraktur 618 inferiore 245, 247
– schwerverletzter Patient 925 Ganganalyse, Pseudarthrose 85 Glenoidfraktur
– stabil fixierte 65 Ganzbeinaufnahme bei Fehlstellung – dislozierte 235
– thorakolumbale s. Wirbelfraktur, 87 f – – CT-Rekonstruktion, dreidimen-
thorakolumbale Garden-Einteilung, Schenkelhalsfrak- sionale 234 f
– übersehene, bei Femurschaftfraktur tur 582, 582 – Klassifikation 231
677 Gastroknemiuslappen 8 ff – Operationsindikation 235
Frakturheilung 107 – Hautinzision 8, 9 Glenosphäre, konvexe 273
– nach Jet Lavage 4 – Nachbehandlung 9 Gonarthrose, posttraumatische 766,
– metaphysäre 99 Gastroknemiusschwenklappen, 797
– verzögerte 98 f medialer 746 GPS-System (Gravitational Platelet
Frakturreponierungsinstrument, Gastroknemius-Soleus-Komplex 56 Separation System) 40
intramedulläres 667 f, 668 Gefäßverletzung Großzehenfraktur 921
Frakturreposition 6 – Azetabulumfraktur 557 Großzehengrundphalanx, Fraktur 921
– indirekte 6 f – Femurschaftfraktur 658 Grundphalanx, Zugang 454
Fraktursinterung 628 – Knieluxation 763, 764 – dorsaler 454
Frakturstabilisierung 23 – Tibiakopffraktur 775 Grundphalanxbasisfraktur 451
Frakturversorgung Gelenk – intramedulläre Schienung 452, 453
– definitive, Parameter 932 – glenohumerales, Kapsulotomie 239, Grundphalanxfraktur
– Knochendurchblutung 67 ff 245 – extraartikuläre 450 ff
– bei Schädel-Hirn-Trauma 934 – kostovertebrales 177 – Kirschner-Draht-Osteosynthese
– Second Hit 928 f – lunotriquetrales, Kirschner-Draht- 452 f
– SIRS 928 f Fixation 430 – offene 451
Freizeitaktivität, Wiedereinstieg nach – skaphotrapeziotrapezoidales 436 – Reposition 451 f
Knieluxation 763 – trapeziometakarpales 439 – subkondyläre 451
Frühpatellektomie 728 Gelenkflächendefekt 36 Grundphalanxköpfchenfraktur 464
Fusion Gelenkflächenrekonstruktion 6, 7 Grundphalanxschaftfraktur 451
– atlantoaxiale 128, 131 f, 133 Gelenkflächenstufe 86, 87 – mehrfragmentäre 455 f
– – posteriore 122, 122 Gelenkreihe, tarsometatarsale – transversale 451 f
– – – Behandlungsergebnisse 144 f s. Lisfranc-Gelenkreihe Grundphalanxschrägfraktur 454
– – – Knochenspananlagerung mit Gelenktransplantat, allogenes 40 Grundphalanxtrümmerfraktur 455
Drahtcerclage 144 Gentherapie, Wundheilung 16 Grünholzfraktur, metakarpale 472
Gerdy-Tuberkel 745, 775 Gull-Wing-Zeichen 511, 513
964 Sachverzeichnis

Gustilo/Anderson-Klassifikation – – – instabile 153 – kleiner Bogen 422


– Femurschaftfraktur 659 f – – – Klassifikation 150 ff – Ringkonzept 419, 420
– Tibiafraktur 659 – – – Komplikation 172 – Röntgenaufnahme 420
– Tibiaschaftfraktur, offene 801 – – – Behandlung – – Zeichen der umgekippten
– – – – konservative 154 ff Teetasse 421, 422
– – – – minimalinvasive 172 – Verletzung des großen Bogens 421,
H – – – – operative 159 ff, 161 ff 422
HAGL (humerale Avulsion des gleno- – – – ligamentäre 153, 154 – Zugang, dorsaler
humeralen Ligaments) 281 – – – neurologisches Defizit 158 – – longitudinaler 426, 426
Hakenplatte – – – Operationsindikation 157 ff – – transversaler 426
– bei AC-Gelenk-Luxation 229, 229 – – – Operationstechnik 171 f Handwurzelinstabilität s. Instabilität,
– bei lateraler Klavikulafraktur 229, – – – Schmerz 171 karpale
229 f – – – Stabilität 158 Handwurzelknochen
– bei Skapulahalsfraktur 229, 230 – Zugang – distale 418
Hakenplattenkonstruktion, Halswir- – – dorsaler 161 f – Fraktur 418 ff, 443 f
belsäulenstabilisierung 162 – – ventraler 161 – – Computertomografie 443
Halo-Fixateur 112 – 720º-Zugang 165 – Luxation 418 ff
– bei Typ-III-Densfraktur 142 – Zweisegmentfusion 169, 169 – proximale 418
– bei zervikaler Facettengelenks- Halswirbelsäulenfraktur, subaxiale Hängegips bei Humerusschaftfraktur
dislokation 156 – Behandlungsergebnisse 170 287 f
Halswirbelfraktur – Klassifikation Hangman-Fraktur 123 ff, 124 f
– Behandlungsausmaß, wirtschaftli- – – mechanisch orientierte 151, 151 f – Behandlungsergebnisse 142 f
ches 171 – – neurologisch orientierte 150 f – dislozierte 138
– Hakenplattenkonstruktion 162 Halswirbelsäuleninstabilität, numeri- – intraoperative Bildgebung 128
– operative Behandlung 159 sches System 156 f – Klassifikation 123 f
– Schmerz 171 Halswirbelfusion 128 – Mortalität 142
– Verdrahtung, posteriore 162 Hämatom – Nachbehandlung 139
Halswirbelsäule – epidurales, spinales 181 – neurologische Verletzung 142
– obere – postoperatives, Vakuumschaum- – Operationsindikation 124
– – Fraktur, Mortalitätsrate 142 verband 16 – Patientenlagerung 128
– – Impaktionsfraktur 112 Hamstring Anterior Cruciate Ligament – Rückenmarkdekompression 128
– – Impressionsfraktur 112 Reconstruction 753 – Stabilisationsmöglichkeiten 126
– – knöcherne Zugbehandlung 143 Hamstring-Sehnen-Transplantat, Harborview-Klassifikation, kranio-
– – Scherfraktur 112 Rekonstruktion zervikale Verletzung 114
– – Verletzung 111 ff – des posteromedialen Komplexes Hardcastle-Klassifikation, Verletzung
– – – Behandlungsergebnisse 140 754 der Lisfranc-Gelenkreihe 913
– – – frühe operative Stabilisierung – des vorderen Kreuzbandes 753 Hardinge-Zugang
142 Hamulus ossis hamati, Blutversorgung – bei Schenkelhalsfraktur 592
– – – Gefäßverletzung 142 f 443 – Schenkelhalspräparation 598
– – – Klassifikation 112, 112 f Hamulusfraktur 443 Haut, Blutversorgung 3
– – – knöcherner Zug 112 Handgelenkbewegung, Kinematik Hautdrucknekrose 895
– – – Operationsindikation 113 419 Hautersatz 15
– – – Ruhigstellungsdauer 111 Handgelenk s. auch Handwurzel Hautfaltentest 23
– – – Therapiekonzept 111 f – Bewegungseinschränkung nach Hautgefäße 3
– – Zugang Skaphoidfraktur 442 Hautnekrose 3 f
– – – anterolateraler 129 – Funktion 394 Hauttransplantat, Entnahmestelle 5
– – – posteriorer 128 f – Zugang, radialer 430, 431 Hauttransplantation
– – – submandibulärer retro- Handgelenkarthroskopie – Fasziotomieverschluss 60
pharyngealer 129 – bei distaler Radiusfraktur 411 – Verband 15
– – – transoraler 130 – bei karpaler Instabilität 434 Hautverletzung
– – – ventraler 129 – bei Os-scaphoideum-Fraktur 441 – geschlossene 2
– Stabilisierung Handgelenkschiene, dorsale, nach ge- – offene 2
– – posteriore 161 ff schlossener Lunatumreposition 424 Hawkins-Einteilung, Talushalsfraktur
– – ventrale 160 Hand-Innovations-DVR-Platte 404 884
– untere Handknochenfraktur 446 ff Hawkins-Zeichen 889
– – Berstungsfraktur 152, 156, 158 – komplexe 446 Hemiarthroplastik, Schultergelenk
– – Facettengelenksdislokation 158 Handkompartmententlastung 59 273, 273 f
– – Verletzung 150 ff Handschwellung, dorsale 467 Hemiquerfraktur, hintere, bei Azeta-
– – – axiale 152, 156 Handwurzel s. auch Handgelenk bulumpfeilerfraktur 511, 512
– – – Bildgebung 153 f – großer Bogen 422
Sachverzeichnis 965

Henry-Zugang zum Unterarm 373, – auf orthopädischem Operations- – – offene, Indikation 564
374, 384 tisch 601 f – traumatische 564 ff
Hochdrucklavage 4 – bei pertrochantärer Femurfraktur – vordere 565 f
Hochrasanztrauma 631 – – mit Femurschaftfraktur 569
– Azetabulumfraktur 509, 556 – bei Schenkelhalsfraktur 586 ff – – Pfannenrandläsion 569
– Femurfraktur, pertrochantäre 617 – – beim älteren Patienten 586, 604 – – Reposition
– Femurschaftfraktur 660 – bei Schenkelhalspseudarthrose – – – unter Allgemeinnarkose 569 f
– Humerusfraktur beim älteren Patienten 605 – – – geschlossene 567, 569 f
– – distale 309 – Typ 586 – zentrale 518, 565
– – – Begleitverletzung 311 – Zugang Hüftschraube, dynamische 584 ff
– – proximale 259 – – anterolateraler 589, 598 ff, 601 f – einwirkende Kräfte 620, 621
– Kalkaneusfraktur 907 – – posterolateraler 600 – Gleitkräfte 620
– Knieluxation 741 Hüftgelenkkapsel – Implantation, Zugang 620, 622
– Patellatrümmerfraktur 719 – Ausriss bei Luxation 565, 575 – Kompression 620, 620
– Pilon-tibiale-Fraktur 833, 839 – Eröffnung, T-förmige 591, 592 – Längenbestimmung 624
– Radiusfraktur, distale 395 – Refixation nach Luxation 570 – bei pertrochantärer Femurfraktur
– Schenkelhalsfraktur 581 – Spannung 590 612, 617 ff, 618, 620 ff
– Skapulafraktur 250 Hüftgelenkkongruenz nach – Tip-Apex-Distanz 623, 623
– Sternumverletzung 177 Azetabulumfraktur 516 – Versagen 613
– Tibiakopffraktur, mediale 786 Hüftgelenkpfannenprothese, – Zieldrahtposition 622 f, 622 f
– Tibiapseudarthrose nach Fixateur- Verankerung 600 Hüft-TEP s. Hüfttotalendoprothese
externe-Behandlung 854 Hüftgelenkteilendoprothese Hüfttotalendoprothese (s. auch Hüft-
– Tibiaschaft-Mehrfragmentfraktur – bipolare 587 f gelenkendoprothese) 589
801 – bei Schenkelhalsfraktur beim – Gelenkpfannenpräparation 600
– Weichteilverletzung 2 älteren Patienten 586 f – Implantation
Hockeyschläger-Zugang 776 f, 779 f, – unipolare 587 f – – Akutfall 550, 551 f, 552
793 – zementierte – – nach avaskulärer Femurkopf-
– erweiterter 793 – – Mortalitätsrate 587 nekrose 558
Hoffa-Fraktur 684, 709 – – bei Schenkelhalsfraktur 587 – – bei Azetabulumfraktur 549, 552,
– Zugang 690 – Zugang, posterolateraler 600 552
Holstein-Lewis-Fraktur 289 Hüftkopf s. Femurkopf – – Zugang 592
Hueter-Zugang 592, 593 Hüftluxation (s. auch Femurkopf- – Luxation 588
– Modifikation 601 f subluxation) 564 ff – bei Schenkelhalsfraktur 588 f
– bei Schenkelhalsfraktur 592, 593 – mit Azetabulumfraktur 565 Humerus, distaler, Säulen 312 f
Hüftabduktoren 634 – Begleitverletzung 565 Humerusdefekt, segmentaler, Trans-
– Dislokation bei pertrochantärer – bilaterale 565, 566 plantat, osteoseptokutanes 41
Femurfraktur 615, 616 – chirurgische 549, 573 Humerus-Dreifragmentfraktur,
Hüftadduktoren, Dislokation – Computertomografie 564, 928 proximale 235, 262, 265
– bei pertrochantärer Femurfraktur – mit Femurkopffraktur 566, 570 ff – dislozierte, Nahtosteosynthese 265
615, 616 – – Behandlungsergebnis 576 Humerusfehlstellung, proximale, Os-
– bei subtrochantärer Femurfraktur – geschlossen irreponible 568 f, 571 teotomie 94
635 – Gewebeschädigung 565 Humerusfraktur
Hüftarthrose – hintere 546, 564 f – distale 309 ff, 309 ff
– nach Azetabulumfraktur 557 – – Behandlungsergebnis 576 – – bikondyläre, intraartikuläre 324
– posttraumatische 515, 557 – – Klassifikation 565 – – Bildgebung 311
Hüftgelenk 564 – – ossäre Zusatzverletzung 565 – – – intraoperative 316, 322
– Distraktion bei Kocher-Langenbeck- – – Reposition, geschlossene 567, – – Doppelplattenosteosynthese 315,
Zugang 528 568 f 315, 321, 327
– Druck, intrakapsulärer 590 – Instabilität 565 – – extraartikuläre, stabile 313 f
– Kapsulotomie 590 – intraoperative Darstellung 565 – – Gelenkflächenbeteiligung 309,
– – T-förmige 591, 592 – Kapselausriss 565 324 f
– Stabilitätsprüfung nach Luxation – Klassifikation 565 ff, 567 – – Infektion, postoperative 326, 327
570 – – anatomische 565 – – Klassifikation 312 f, 312 f
Hüftgelenkendoprothese (s. auch – – funktionelle 565 – – klinische Untersuchung 310 f
Hüfttotalendoprothese) – Komplikation 564, 576, 578 – – Komplikation 325 ff
– bei dislozierter Schenkelhalsfraktur – Luxationshöhle 565, 575 – – Nachbehandlung 322 f
598 ff – Operationsindikation 570 – – Nervus-ulnaris-Management
– Kopfgröße 589 – Rehabilitation 573 f 321, 324
– Luxation 589 – Reposition – – Nervus-ulnaris-Neuropathie
– – geschlossene 564 326 ff
966 Sachverzeichnis

– – offene 309 – – Rehabilitation 275 – – offene 295 ff


– – Operationsindikation 310 f – – Röntgenaufnahme 260, 261 f – Repositionsverlust 289
– – Operationsplanung 314 f – – Stabilität 263 – Therapie
– – osteochondrales Fragment 322 – – Therapie – – konservative 285 ff
– – Osteosyntheseversagen 325 – – – konservative 259, 262 ff – – operative 292 ff, 294 ff
– – Patientenlagerung, präoperative – – – operative 259, 267 ff – Verletzung
315 f, 316 – – winkelstabiles Implantat 275 – – artikuläre 289
– – Plattenosteosynthese 309 f – – Zugang 267 ff – – neurovaskuläre 289, 291
– – Reposition – – – deltopektoraler 267, 268 – Zugang
– – – geschlossene 314 – – – perkutaner 267 – – anteriorer 293
– – – offene 309 f, 321 Humerusgelenkfläche, distale 313 – – anterolateraler 294
– – Schraubenosteosynthese 322 – Fraktur 312, 313 – – dorsaler 294, 295
– – Therapie Humerushals – – lateraler 294
– – – Ergebnisse 323 ff – anatomischer, Fraktur 263 – – – Komplikation 305, 305
– – – konservative 313 f – chirurgischer, Fraktur 263 – – medialer 294
– – – operative 314 ff – – dislozierte 264 Humerustrümmerfraktur
– – Therapieziel 309 – – Kirschner-Draht-Osteosynthese – diaphysäre 295
– – TRAP-Zugang 320 f, 329 270 – distale 309, 310
– – unikondyläre 315 – – nicht verheilte 278 – – bei Osteoporose 310, 314
– – Weichteilverletzung 310 Humeruskopf, Reposition 269 – – – Bag-of-Bones-Therapietechnik
– – Zugang Humeruskopfnekrose, aseptische, bei 314
– – – dorsaler 316 ff, 317 ff Vierfragmentfraktur 265 – – – Cuff-and-Collar-Ruhigstellung
– – – mit Trizepsschonung 316 ff, Humeruskopfretraktor 245, 246 314
318, 322 Humeruspseudarthrose 285, 304, – proximale 264
– – – mit Trizepsspaltung 316 ff, 317, 325 f Humerus-Vierfragmentfraktur,
322, 329 – atrophische 103, 105, 105 proximale 264
– offene, Knochendefekt 38 – – Behandlung 304 – dislozierte 265 ff
– proximale 235, 259 ff – – Kompressionsplattenosteo- – valgusimpaktierte 261, 261
– – Computertomografie 260, 261 synthese 105, 105 Humerus-Vierfragmentluxations-
– – – dreidimensionale Rekonstruk- – hypertrophe 304 fraktur, proximale 267
tion 234 f – Ursache 326 – Hemiarthroplastik 273
– – Deltasplit-Zugang 267, 268 Humerusschaftfraktur 285 ff, 928 f Humpback-Deformität 439
– – Diagnose 260 – Bildgebung 293 Hybridfixateur
– – Fragmentdislokation 263 – Fixateur externe 303 f – bei gelenknaher Tibiaschaftfraktur
– – Fragmente 268 – Fragmentdislokation 288, 289 818
– – Frakturlinie 263 – Gefäß-Nerven-Verletzung 304 f – bei Tibiakopffraktur 770, 790 ff
– – Gelenksegment 268 f – Heilung in Fehlstellung 304 Hydroxylapatit-Pin-Beschichtung 28
– – Hemiarthroplastik 273 f – Klassifikation 288 f Hyperextensionskorsett 199
– – – Ergebnisse 275 – Knochentransplantation 296 f Hyperextensionsverletzung
– – – Komplikation 278 – Marknagelosteosynthese 292, 297 ff – Brustwirbelsäule 180 f, 181
– – Humeruskopfdislokation 268 f – – antegrade 298 f, 298 ff, 305, 305 f – Hangman-Fraktur 123
– – Humeruskopfreposition 269 – – – Zugang 299, 299 ff – thorakolumbale 198
– – Klassifikation 259 ff – – aufgebohrte Technik 297 – Wirbelsäulenfraktur, thorako-
– – Komplikation 276 ff – – Bildgebung 298 lumbale 198
– – Marknagelung 271 ff, 272 – – Komplikation 305 f Hypothermie 931
– – – Ergebnisse 278 – – retrograde 301 f, 302 f, 306 Hypoxämie, muskuläre, Nachweis 61
– – – Verriegelungsschraube 273 – – – Zugang 302, 302 f
– – Mobilisation 259 – – Verriegelungsnagel 292
– – Nachbehandlung 263 – Nachbehandlung 297, 304
I
– – Operationsindikation 259, 263 ff – Nervus-radialis-Verletzung 285 Ideberg-Klassifikation, Skapulafraktur
– – Osteosynthese 269 ff, 270, 272 f, – offene 289 231, 231
277 – Operationsindikation 289 ff IKDC-Score, Knieluxation 763
– – – Komplikation 276 – Osteosyntheseversagen 305 Iliosakraldislokation 485, 500
– – Pathoanatomie 259, 260 – pathologische, drohende 292 – Reposition 491, 493, 496 f
– – Pin-Drahtversorgung 267 – Plattenosteosynthese 292, 294, 295, Iliosakralgelenk 478
– – – Komplikation 276 295 f, 929 – Verletzung 484
– – Plattenosteosynthese 269 ff, 277 – – Komplikation 305 – Zugang
– – – Komplikation 276, 278 – Pseudarthrosenrate 304 – – anteriorer 491 f
– – – minimalinvasive 271 – Reposition – – posteriorer 491 f, 493, 496
– – – perkutane 269 f – – geschlossene 286 f Iliosakralgelenkfehlstellung 491 ff
Sachverzeichnis 967

– Plattenosteosynthese 491 f Indium-111-Leukozytenszintigrafie – atlantoaxiale 117 f, 118, 141


– – hintere 498 25 f – – Behandlungsergebnisse 140
– Schraubenosteosynthese 491 f Infektion – – distraktionsbedingte 117 f, 119
Iliosakralgelenkinstabilität 480, 484 – nach allogener Knochentrans- – – Operationsindikation 118
Iliosakralgelenkzerreißung 496 plantation 40 – – rotationsbedingte 118
Iliosakralschraubenosteosynthese – bei Azetabulumfrakturbehandlung – – translatorische 117 f, 119
484, 495, 502 f 556 – humeroulnare 362
Iliosakralschraubenplatzierung 495 – bei Beckenringverletzung 506 – karpale 418 ff, 434
– Bildwandlerkontrolle 495 – Computertomografie 25 – – Behandlung, konservative 422 ff
– Komplikation 498 – Erregerkultur 27 – – Klassifikation 419 ff
– bei Sakrumfraktur 499 – bei instabilem Implantat 32 – – Nachbehandlung 434
– zu weit anteriore 499 – intramedulläre 677 – – Operationsindikation 425
– zu weit posteriore 499 – Knochenszintigrafie 25 – – Operationstechnik 425 ff
Ilizarov-Ringfixateur 32, 34, 43 – laborchemische Parameter 24 – – – arthroskopisch assistierte 434
– Distraktionsosteogenese 41 ff – Magnetresonanztomografie 26 f – – palmare 421
– Kortikotomie 42 – nach Marknagelung 676 f – – Stadien 420
Immobilisierungsfolgen nach distaler – bei offener Knieluxation 765 – – statische 419 f
Radiusfraktur 396 – periartikuläre 32, 34 – – Untersuchung 425
Impaktionsfraktur, Halswirbel, oberer – Positronenemissionstomografie 27 – kraniozervikale, Röntgenaufnahme
112 – postoperative 24, 326, 327 115
Impaktionsverletzung, spinale 198 – – nach Azetabulumfraktur 518 – lunotriquetrale, isolierte 421
Impaktor 780 – – bei Knieluxation 765 Instrumentierungssystem
Impedanz, mechanische 53 – – nach Patellafraktur 730 – minimalinvasives
Implantat – – Tibiakopffraktur 797 – – thorakolumbaler Übergang 219 f
– anatomisch vorgeformtes, bei – posttraumatische 22 ff – – ventrales 220
Klavikulafraktur 255, 255 – – Prävention 22 ff – ventrales 209
– Biofilm, bakterieller 32 – Projektionsradiografie 25 Interphalangealgelenk
– freiliegendes 30 – Röntgenaufnahme 25 – distales, Verletzung 446
– – Vakuumschaumverband 16 – bei Sprunggelenkfraktur 877 – proximales 456 ff
– – Vakuumversiegelungssystem 30 – bei stabilem Implantat 29 ff – – Anatomie 456 f
– instabiles – bei Tibiaplattenosteosynthese 821 – – Drahtfixateur mit Gummizügeln
– – Entfernung 32 – nach Tibiaschaftfraktur 823 460, 460
– – Infektion 32 Infektionsprophylaxe 22 ff – – Fixateur externe, dynamischer
– stabiles Infektpseudarthrose, Spongiosaplastik 458, 459
– – Erhaltungsversuch bei Infektion 39 – – Fraktur
31 Inflammationsreaktionssyndrom, – – – dislozierte
– – Infektion 29 ff, 30 systemisches s. SIRS – – – – imprimierte 462
– tibiales, Lockerung 823 Infraspinatus-Tenotomie 248, 249 – – – – minimalinvasive Reposition
– winkelstabiles (s. auch Platte, Injury Severity Score 935 461
winkelstabile) 414 111In-Leukozytenszintigrafie 25 f – – – – offene Reposition 461
– – bei distaler Femurfraktur 682 f, Innenband, Sprunggelenk 868 – – – instabile 458 f
691 Innenbandverletzung – – Kapselapparat 456
– – bei distaler Humerusfraktur 329 – bei Außenknöchelfraktur 868 f – – Kollateralbandabriss 463
– – bei distaler Radiusfraktur 413, – bei Bimalleolarfraktur 868 f – – Kollateralbänder 457
413 f Innenknöchelabrissfraktur 866 – – Kondylenfraktur 464
– – bei Radiusköpfchenfraktur 337 Innenknöchelfraktur 865 ff – – Luxation
– – bei Unterarmfraktur 389 – Antigleitplatte 868 – – – dorsale 457 f, 457 ff
Implantatdislokation 32 – dislozierte 866 – – – laterale 463
Implantatentfernung, Defektdeckung – Gipsruhigstellung 866 – – – palmare 463 f
32 – isolierte 865 f – – Luxationsfraktur 458, 463
Impressionsfraktur – Maisonneuve-Fraktur 874 – – – dynamische externe Fixation
– Halswirbel, oberer 112 – Reposition 866 458, 459
– Tibiakopf 771 – Schraubenfixation 866 f, 868 Intervall, atlantodentales 119
Incisura – Stabilisierung 866 ff Intrinsic-Plus-Position 451
– ischiadica, Kocher-Langenbeck- – Zugang 866, 867 Inzision, deltopektorale 244
Zugang 518 f Innenknöchelosteotomie Inzisur, tibiofibulare, flache 872
– scapulae 237 – bei Talushalsfraktur 885, 886 Iowa-Ankle-Score 821
– trochlearis 332, 332 – bei Taluskorpusfraktur 891 f Iowa-Knee-Score 821
– – Frakturlinienverlauf 356 Insall-Salvati-Index 731 Iso-C3D, intraoperatives 796
– ulnaris 394 Instabilität ISS (Injury Severity Score) 935
968 Sachverzeichnis

– Röntgenkontrollen 899 – Kalkaneusfrakturreposition 6


J – Schraubenosteosynthese 902 – Olekranonrefixation 320
Jefferson-Fraktur 116 – Schwellung, posttraumatische 896, – Osteotomieschnittmarkierung 95
Jones-Fraktur 919 f, 920 898 – Patellafragmentfixation, temporäre
Judet-Röntgenaufnahme 510 – Therapie 721, 721 ff, 723
– Fraktur – – Ergebnisse 895, 905 f – Patellazuggurtung 723 f, 723 f
– – der hinteren Azetabulumwand – – konservative 898 ff Kirschner-Draht-Fixation
531 – – operative 901 ff – Bennett-Fraktur 466 f
– – – mit Azetabulumquerfraktur – – postoperative 904 – Grundphalanxfraktur 452 f
533 – Thromboseprophylaxe 899 – intermetakarpale 474
– – des vorderen Azetabulumpfeilers – Tongue-Typ 897, 898 – Luxationsfraktur, karpometakarpale
541 – – Reposition 901 f 468 f
– Zwei-Pfeiler-Fraktur, kombinierte – Weichteilmanagement 895 f – Mittelphalanxfraktur 452
545 – Weichteilretraktion 8 – Strecksehnenabriss, knöcherner
Judet-Zugang bei Skapulafraktur – Wundverschluss 903 f 449 f
237 ff – Zugang 900 f Kirschner-Draht-Osteosynthese
Jungbluth-Zange Kallus, überschießender 99 – Ellbogengelenk 341, 343, 355
– Iliosakralgelenkreposition 492 Kallusbildung 65 – Endphalanxfraktur, extraartikuläre
– Symphysenreposition 488, 489 Kallusdistraktion 36, 42, 44 448
Kallusstabilität, unzureichende 99 f – Metatarsalefraktur 919
Kalziumphosphatzement 628 – Talushalsfraktur 886 f
K – injizierbarer 770, 795 f Kirschner-Draht-Spickung, Radius-
Kabeltechnik, Beinachsenbestimmung – bei Tibiakopftrümmerfraktur 770, fraktur, distale, dislozierte 406
73, 74 795 f Klammernähte 15
Kahnbein Kapandji-Drahttechnik, intrafokale Klavikula
– des Fußes s. Navikulare 407 – Anatomie 253
– der Hand s. Os scaphoideum Kaplans Hauptlinie, Karpaltunnel- – Marknagelung 255
Kalkaneokuboidalgelenk 900 inzision 397 Klavikuladeformität nach Fraktur 251
– Arthrose, posttraumatische 912 Kapsulodese 430 Klavikulafraktur 234 f, 251 ff
– Beteiligung bei Kalkaneusfraktur Kapsulotomie – deformierende Kräfte 254
896 – bei distaler Radiusfraktur 396 – dislozierte, schwerverletzter Patient
– Fraktur 911 – Gelenk, glenohumerales 239, 240 941, 943, 945 f
Kalkaneus – Hüftgelenk 590, 592 f – Implantat, anatomisch vor-
– constant fragment 901 Karpaltunnel 58 geformtes 255, 255
– Facetten 896, 897 – Inhalt 397 – Klassifikation 251
– Osteologie 900 Karpaltunneleröffnung 59 – Komplikation 255 f
– periostkutane Hülle 895 – palmare, erweiterte 432, 433 – laterale
– Pinplatzierung 834 – Zugang zum distalen Radius 397 – – extraartikuläre 228
Kalkaneusfraktur 891, 895 ff, 937, Karpometakarpalgelenk, Luxations- – – Hakenplatte 229, 229 f
938 f fraktur s. Luxationsfraktur, karpo- – – intraartikuläre 251
– Computertomografie 897 f, 898 f metakarpale – – Therapie, operative 227
– dislozierte, Verlauf 906 Karpus s. Handwurzel – Marknagelung 255
– Drainage 903 Kaspar-Set, Facettengelenksreposition – Nichtheilungsrate 256
– Frakturlinien 896, 897 166 – offene 252
– Implantat 902 f Keilfraktur, metaphysäre, femorale, – Operationsindikation 252
– intraartikuläre 896 f distale 684 – Operationsverfahren 251
– Joint-Depression-Typ 897, 898 Keilfraktur, vertebrale 198 – Plattenosteosynthese 252, 254, 254
– – Reposition 902 Keilosteotomie – Rehabilitation 255
– Klassifikation 896 ff – additive, Radiusfehlstellungs- – Röntgenbefund 233, 252
– – CT-basierte 897 f, 899 korrektur 94 f, 95 – Ruhigstellung 251
– knöcherne Heilung in Fehlstellung – mediale, additive, bei proximaler – – beim Kind 251
908 Tibiapseudarthrose 97 – Schienung, funktionelle 252
– Kompartmentsyndrom 895 Keilwirbelbildung, thorakolumbale – bei Skapulahalsfraktur 235, 252
– Komplikation 907 f 195 – Therapie
– offene 895, 904 f Keratinozyten, kultivierte 15 – – konservative 251
– Operationsindikation 900 Killer-Turn bei Rekonstruktion des – – operative 253 f
– Plattenosteosynthese 902 f hinteren Kreuzbandes 750, 750 f – verschobene 251, 253
– Reposition 6, 902, 904 f Kirschner-Draht – Zugang, vorderer 253 f, 254
– Röntgendiagnostik 895 – Femurfehlstellungskorrektur 91 Klavikulainstabilität 226
– – postoperative 903 – Humerusfehlstellungskorrektur 94 Klavikulapseudarthrose 106
Sachverzeichnis 969

– atrophische 106 – – – Zerreißung 747 – – Infektion 765


Klavikulaquerfraktur 254 – palpable Landmarken 745 – – Wundheilungsstörung 765
Klavikularesektion, laterale 228 f, 231 – Zugang – Operationsindikation 744 f
Klavikulatrümmerfraktur 254 – – posterolateraler 745, 747 ff, 748 f – Orthese 743
Kleinfragment-Fundamentschrauben – – posteromedialer 745, 745 ff, 747, – Ossifikation, heterotope 765 f
bei Tibiakopffraktur 770 750 f – Rehabilitation 744
Kleinfragmentplatten bei Kalkaneus- Kniegelenkendoprothese, Femurfrak- – – postoperative 756 f
fraktur 903 tur, suprakondyläre 706 ff, 707 f – – – Patientenaufklärung 757
Kleinfragmentschrauben 837 Kniegelenkerguss 716 – Ruhigstellung 755
– bei Kalkaneusfraktur 903 Kniegelenkinstabilität nach Luxation – Schmerz, postoperativer 761 f
– bei Zuggurtungsosteosynthese 724, 762, 762 f – spontan reponierte 742, 745
726 Kniegelenkkapsel 746, 748 – Therapie
Kleinzehenfraktur 921 – funktionelle Verdickungen 746 – – Ergebnis-Score 763
Klingenplatte 89, 90 – hintere 746 – – Ergebnisse 760 ff
95º-Klingenplatte bei distaler Femur- – – mediale 747 – – konservative 743 f, 755
fraktur 682, 691, 694 f, 695 – ventrale 746 – – Methoden 741
Kneifzangenfraktur, vertebrale 198 Kniegelenklinie 97 – – operative 745 ff
Kneifzangenrotationsspaltfraktur, Kniegelenksteife, immobilisations- – – – Patientenaufklärung 756 f
thorakolumbale 198 bedingte 743 f – – Schema 744
Knieanpralltrauma 716 Kniegelenkstreckapparat 716, 719, – übersehene 766
Kniebeugungsübungen nach Knielu- 731 – Weichteilverletzung 743 f
xation 756 f – Anatomie 716, 719, 732 – Wiedereinstieg ins Berufsleben 763
Kniegelenk – Funktionsfähigkeit bei Patellafrak- – Wundheilungsstörung, post-
– Anastomosengeflecht 746 tur 718 operative 765
– Anatomie 745 f, 746 – intraoperative Darstellung 720 – Zugang, posteromedialer 746 ff, 747
– Arthrolyse, arthroskopische, nach – Ruptur s. Patellarsehnenruptur; Knieluxationsfraktur 794
Ruhigstellung 755 s. Quadrizepssehnenruptur – Magnetresonanztomografie 794
– Arthroskopie 787 ff – Sehnenrekonstruktion 727 f – periartikuläre 742
– Bandinstabilität – Verletzung 731 ff Knieorthese bei Patellafraktur 719
– – nach Fixateur externe 756 Kniekehle, Zugang 746, 747 Knieschmerz, anteriorer, nach Tibia-
– – nach Orthesenbehandlung 743 Knieluxation 741 ff marknagelung 808, 823 f
– Bandverletzung 741 ff – Arteriografie 764, 765 Kniestreckung
– – bei Femurschaftfraktur 658 – Bandrekonstruktion 741, 745 – aufgehobene 716
– Beugekontraktur 756 – – allogenes Transplantat 748 – eingeschränkte 731
– – Feststellung 756, 757 – – Zeitpunkt 745 Knie-TEP-Infektion, Vakuumschaum-
– Bewegungsdefizit – – Zugang 747 verband 16
– – nach Luxation 761 – Begleitverletzung 741 Knietrauma, stumpfes 766
– – nach Patellafraktur 730 – Beteiligung der posterolateralen Knöchel s. auch Außenknöchel; s.
– – nach Tibiakopffraktur 796 Ecke 742 auch Innenknöchel
– Ecke – Bewegungsfixateur, gelenküber- – hinterer s. Volkmann-Dreieck
– – posterolaterale 746 brückender 757 f, 758 f Knöchel-Arm-Index 658
– – – Doppelbündelrekonstruktion, – Durchblutungsstörung 745 Knochen-Patellarsehne-Knochen-
modifizierte 753 f, 754 – Fixateur externe 743 ff, 755 f Technik
– – – Zugang 747, 777, 777 – Gefäßverletzung 741 f, 764, 764 – Bandrekonstruktion 748
– – posteromediale 741, 746 – Gipsruhigstellung 743 – Kreuzbandrekonstruktion 759 f,
– – – Rekonstruktion 754 f, 755 – hyperextensionsbedingte 741 759 f
– – – Zugang 746, 747 – Immobilisierungsdauer 744 Knochenanfrischung 101
– Faszienschicht 746 – bei intaktem hinterem Kreuzband Knochendefekt
– Fixateur externe, gelenküber- 742 – nach Débridement 36 ff
brückender 795, 933, 933 – Klassifikation 742 – diaphysärer 107
– – bei Luxation 743 ff, 755 f – – anatomische 742 – – Fibulatransfer 40 f, 41
– Gefäßversorgung – Kollateralbandruptur 742 – 3-D-Rekonstruktion 25
– – extrinsische 746 – Komplikation 764 ff – großer 40
– – intrinsische 746 – Kreuzbandruptur 742 – nach Implantatentfernung 32
– intraartikuläre Stufe 86, 97 – Magnetresonanztomografie 742 – metaphysärer 107
– Kollateralband – mit multiligamentärer Verletzung – Rekonstruktion 36 ff
– – fibulares 746, 746, 749 742, 745 – segmentaler 32
– – mediales – Narkoseuntersuchung 742, 755 Knochendestruktion, Computer-
– – – oberflächliches 746, 747 – Nervenverletzung 742, 765 tomografie 25
– – – tiefes 746, 747 – offene 743, 745
970 Sachverzeichnis

Knochendurchblutung, Frakturver- – – Ergebnisse 606 – bei Tibiaschaftfraktur 805, 810


sorgung 67 ff – bei Tibiakopf-Impressionsspalt- – unbehandeltes 60
Knochendysplasie, fibröse 940 fraktur 790 – nach Unterarmfraktur 390
Knochenersatz – bei Tibiapseudarthrose mit – Ursache 50
– bei distaler Radiusfraktur 411 Knochendefekt 824 Kompression
– nach Korpektomie 209 f, 210 Knochentransport, Ilizarov-Ring- – Fixation, innere 90 f
Knochenersatzstoff 39, 107, 851 fixateur 42, 43 – pneumatische 2
– bei Pseudarthrose 106 Knochen-Weichteil-Defekt, – bei Pseudarthrose 100, 107
Knochengewebe, osteogenetische kombinierter 41 Kompressionsbacke, Distraktion,
Potenz 36 Knochenzement 628 tibial-kalkaneare 834, 834
Knocheninfektion – resorbierbarer 628 Kompressionsfraktur
– MRT-Befund 26 Koagulopathie 931 – Brustwirbelsäule 177, 178, 179
– MRT-Sensitivität 45 – schwerverletzter Patient 937, 937 – – Behandlung 183
– Stadien 27 Kocher-Langenbeck-Zugang 518 ff, – – Verlauf 190
Knochenmarksignalintensität, mag- 520 f – Halswirbelsäule, operative Behand-
netresonanztomografische, erhöhte – bei Azetabulumquerfraktur 531 f lung 167, 168
26 – – mit Fraktur der hinteren Azeta- – Lendenwirbelsäule 197
Knochenmatrixprodukt, deminerali- bulumwand 532, 533 ff – – Knochenspananlagerung 206
siertes 39 – bei Femurkopffraktur 570 – – Magnetresonanztomografie 199
Knochennekrose nach Plattenosteo- – bei Fraktur – – Operationsindikation 201
synthese 65 f – – des hinteren Azetabulumpfeilers – – Therapie
Knochenpaste 411 530 f – – – konservative 199 f
Knochensegmenttransport 42 – – der hinteren Azetabulumwand – – – operative 205 ff
– Monorail-Technik 42 528 ff – mit Rotationskomponente
– bei Tibiadefekt 43 – Nervus-ischiadicus-Schutz 519, 521 – – Brustwirbelsäule 177, 178 f
Knochenspan – Patientenlagerung 519, 520, 522 – – thorakolumbale 198
– Anlagerung bei Pseudarthrose 101 – bei T-förmiger Azetabulumfraktur – thorakolumbale 195, 196
– Fusion, okzipitozervikale 130 535 ff – – Kyphoplastie 219
– intervertebraler 161 Kocher-Repositionstechnik bei Schul- – – Operationsindikation 201
Knochenspornzeichen 513, 514 terluxation 279 – – Therapie
Knochenszintigrafie 25 Koing-Tong-Zange 538 – – – konservative 199
Knochentransplantat Kollagenkomposite, bovine 39 – – – operative 205 f, 206, 216
– allogenes 36, 38, 40 Kollateralband, Kniegelenk s. Knie- – vertebrale 198
– autogenes 36, 38, 107 gelenk, Kollateralband Kompressionsosteosynthese, Femur-
– – Gewinnung 107 f Kompartmentsyndrom 50 schaftfraktur 662
– Funktion 37 – abdominelles 50 Kompressionsplatte, dynamische 64,
– Gewinnung 107 f, 108 – akutes 50 ff 64 f
– kortikales – Behandlung – distale Fibulafraktur 865
– – allogenes 107 – – konservative 53 – Humerusschaftfraktur 295
– – avaskuläres 38 – – operative s. Fasziotomie – Klavikulafraktur 254
– als strukturelles Stützgerüst 37 – Definition 52 – Skapulafraktur 241, 243
– trikortikales, bei Kuboidfraktur 912 – Diagnose 50 ff – Ulnafraktur 378
– um Titan-Cage 44, 44 f – – neue Technik 61 Kompressionsplattenosteosynthese
– vaskularisiertes 40 f – drohendes 51 – Galeazzi-Fraktur 388
– – freies 40 f, 41 – Extremität – bei Tibiapseudarthrose 104
– – gestieltes 40 – – obere 58 f – Tibiaschaftfraktur 817
– Wirtsreaktionsphasen 37 – – untere 50 ff – Unterarmfraktur 372
Knochentransplantation – Faszienverschiebungsnachweis, – Unterarmquerfraktur 381, 382
– Defektauffüllung 107 sonografischer 61 Kompressionsschraube
– bei distaler Femurfraktur 682 – nach Femurschaftfraktur 678 – Os-capitatum-Stabilisierung 428,
– bei distaler Radiusfraktur 411 – kalkaneares 57 428
– bei Fehlstellungskorrektur 106 – bei Kalkaneusfraktur 895 – Os-scaphoideum-Fraktur 441
– bei Humerusschaftfraktur 296 f – Komplikation 60 f Kondylenabstützplatte bei distaler
– bei Kuboidfraktur 912 – – postoperative 61 Femurfraktur 691
– bei mehrfragmentärer Pha- – nach Lisfranc-Verletzung 917 Kondylenfraktur
lanxschaftfraktur 456 – Magnetresonanztomografie, – femorale 683, 684
– bei offener Tibiaschaftfraktur 812 kontrastmittelgestützte 53, 61 – – laterale 684
– bei Open-wedge-Osteotomie 94 – neurologischer Befund 51, 51 – – mediale 684
– bei Pseudarthrose 100 f, 106 – Prognose 60 – Interphalangealgelenk, proximales
– bei Schenkelhalspseudarthrose 604 – bei Tibiakopffraktur 770, 775 464
Sachverzeichnis 971

– LCP-Kondylenplatte 77 f – – Einzelbündelrekonstruktion 741, Längsdistraktion, bei distaler Radius-


– okzipitale 113 750 ff fraktur 408
– – Behandlungsergebnisse 140 – – – Transplantatfixierung 751 f, Laparotomie, explorative
Kondylenplatte bei distaler Femur- 752 – bei Schambeinastfraktur 490
fraktur 682 – – – Transplantatpräparation 751 – bei Symphasensprengung 487
95º-Kondylenplatte – – – Zugang 750 f Lappen
– Klingenzielgerät 649 – – intaktes, bei Knieluxation 742 – Entnahmestelle 5
– bei subtrochantärer Femurfraktur – – Rekonstruktion 749 f – fasziokutaner 3, 17
646 f, 648, 649 f, 650 f – – – Femurkondylusosteonekrose, – – Komplikation 18
Kondylenschraube, dynamische, bei mediale 766 Lappenplastik
distaler Femurfraktur 682, 691, 695 – – – Killer-Turn 750, 750 f – bei chronischer Osteitis 36
95º-Kondylenschraube, dynamische – – – Zugang 746 – freie 5, 36
– bei pertrochantärer Femurfraktur – – Rekonstuktion 741 – – Erfolgsrate 17
619, 619 – – – Tibial-inlay-Methode 741 – – Komplikation 17
– bei Schenkelhalsfraktur 585 – – – transtibiale Tunneltechnik 741 Lauge-Hansen-Klassifikation, Sprung-
Kontusion 2 – – Ruptur 742, 743 gelenkfraktur 858, 859
Kontusionsmarke, nekrotische 2 – vorderes LC-DCP (Limited Contact Dynamic
Kopfrotationsfähigkeit nach C1/C2- – – Doppelbündelrekonstruktion 760 Compression Plate) 66 f, 66 f
Arthrodese 145 – – Ersatz 759 f, 760 – bei distaler Humerusfraktur 322
Kopfverletzung bei Femurschaft- – – Rekonstruktion 741 – Klavikulapseudarthrosenstabilisie-
fraktur 673 f – – – Hamstring-Sehnen-Transplan- rung 106
Korakoid 228 f, 236, 237 tat 753 LCP (Locking Compression Plate) 77 f
Koronoidfraktur 349 – – Ruptur 773 LCP distale Tibia 79
– anteromediale 355 Kuboid, Gelenkflächen 911 LCP-Kondylenplatte 77 ff, 78
– bei Ellbogenluxation 345 f, 347, 349 Kuboidabrissfraktur, extraartikuläre – Ergebnisse 81
– Reposition 350 911 – Schraubenplatzierung 77, 78
– Terrible-Triad-Läsion (s. auch Terri- Kuboidmetatarsalgelenk – – polyaxiale 77
ble-Triad-Läsion) 353, 353 ff – Arthrose, posttraumatische 912 LCP-Kondylenplatten-Osteosynthese,
– transossäre Naht 353, 354 – Fraktur 911 minimalinvasive 78
Koronoidluxationsfraktur 349 Kuboidfraktur 911 f LCP PLT (Locking Compression Plate
Koronoidrefixation 354 – Begleitverletzungen 911 proximal lateral Tibia) 79
Koronoidrekonstruktion 353 ff – Behandlungsergebnisse 912 LCP proximal lateral Tibia 79
Koronoidspitzenfraktur 349 – Komplikation 912 LCP proximales Femur 651, 652 g
– bei Terrible-Triad-Läsion 353 – Operationsindikation 911 LEAP-Studie (Lower-Extremity-
Korporektomie – Plattenosteosynthese 912 Assessment-Program-Studie) 17
– lumbale – Reposition 911 Leddy/Parker-Klassifikation, Sehnen-
– – Knochenersatz 209 f, 210 – Zugang 911 ausriss des Musculus flexor digito-
– – ventrale 208, 209 Kuboidkompressionsfraktur, intra- rum profundus 448
– Wundhöhlendistraktion 210, 210 artikuläre 911 Leistenschmerz 582
Korrekturosteotomie bei Schenkel- Kuboid-Platte 912 Lendenwirbelsäule
halspseudarthrose 604 Kyphoplastie – Berstungsfraktur 195, 196, 197, 202
Kortikalisblock, allogener 40 – thorakale 184, 185, 191 – – Distraktion 216
Kortikalisschraube, Stabilität 67 f – thorakolumbale 219 – – Instrumentierung 210 ff
Kortikotomie, Ilizarov-Ringfixateur- Kyphose – – – posteriore, kurzstreckige 207
Anlage 42 – nach Brustwirbelsäulenfraktur 183 – – Instrumentierungssystem 209
Kostotransversektomie 184, 188 – frakturbedingte 199 – – Operationsindikation 200 ff, 220
Koxarthrose, Schenkelhalsfraktur 589 – durch Wirbelsinterung 200 – – Spinalkanaldekompression 211
Kraniozervikaler Übergang Kyphosierung, lumbale, bei Bers- – – Spinalkanalverlegung 207 ff
– Distraktionsverletzung 113 tungsfraktur 207 – – Therapie
– Fusion 130, 131 – – – konservative 200
– Verletzung 111 ff – – – operative 207 ff
Kreuzband
L – – Zugang 207 ff
– hinteres Lacertus fibrosus 58 – – – kombinierter 211 f, 216
– – Avulsionsverletzung 773 Lagerungskissen, suprakondyläres – – – posteriorer 210 f
– – Doppelbündelrekonstruktion 700, 701 – – – ventraler 207 ff, 216
– – – Achillessehnen-Allograft 752, Lamina intertendinea superficialis, – Distraktionsverletzung 197
752 Exzision 454 – Flexions-/Distraktionsverletzung,
– – – femoralseitige 741 Laminafraktur 216 Frakturmuster 216
– – – Inlay-Technik 752, 752 f Laminektomie, Spinalkanaldekom- – Kompressionsfraktur 197
pression, dorsale 184 – – Magnetresonanztomografie 199
972 Sachverzeichnis

– – Operationsindikation 201 – collaterale s. Kniegelenk, Kollateral- – – interosseus 858, 872


– – Therapie band – – posterius 858, 872
– – – konservative 199 f – conoideum 229 – – transversus 858, 872
– – – operative 205 ff – deltoideum 858 – transversum atlantis
– Luxationsfraktur 197 – – Fasern – – Insuffizienz 115, 117, 140
– 3-Säulen-Fraktur 197 – – – tibiokalkaneale 857 – – knöcherne Anvulsion 119, 140
– Torsionsverletzung 197 – – – tibionavikulare 857 – – Ruptur 140 f
– Verletzung, instabile 566 – – – tibiotalare, posteriore 857 – trapeziotrapezoideum 419
– Zugang – – intaktes, bei Syndesmosen- – trapezoideum 229
– – posteriorer 203 f verletzung 872 – ulnocapitatum 418
– – ventraler 203 f – – oberflächliche Schicht 857, 858 – ulnolunatum 418 f
Lendenwirbelsäulenfraktur 195 ff – – Ruptur 863 – ulnotriquetrum 418
– dislozierte – – – bei Außenknöchelfraktur 868 f Limited Contact Dynamic Compres-
– – Operationsindikation 202 – – – bei Bimalleolarfraktur 868 sion Plate s. LC-DCP
– – Reposition 214, 215 – – tiefe Schicht 857, 858 Linea
– – Therapie – fabellofibulare 746 – aspera 664
– – – konservative 201 – fibulocalcaneare 897 – ilioischiadica 510
– – – operative 214 f, 215, 216 – fibulotalare posterius 893 – – Unterbrechung 510, 513
– Flexions-/Distraktionsverletzung – inguinale 524 – iliopectinea 510
212 ff, 213 – intercarpale dorsale 418, 419 – – Unterbrechung 510
– Instabilität 197 – longitudinale anterius Linie, tibiofibulare 860
– Klassifikation 195, 196, 197 – – Zerreißung 420, 422 Lion-Jaw-Klemme 379
– Komplikation 217 ff – – Verletzung 181 Lisfranc-Gelenkreihe
– Operationsindikation 201 – lunotriquetrum 394, 419 ff, 419, 422 – Arthrose, posttraumatische 917
– Operationszeitpunkt 204 f – – Anteil – Ligamente 914
– Stabilisierung – – – dorsaler 421 – Stabilität 914
– – langstreckige 197 – – – palmarer, Verletzung 421 – Verletzung 913, 913 ff
– – posteriore, kurzstreckige 197 – – arthroskopische Inspektion 411 – – anatomische Reposition 914
– – ventrale 197 – – Rekonstruktion 425 – – Behandlungsergebnisse 917 f
– Therapie, konservative 197, 199 ff – – Ruptur 420, 422 – – Belastungsaufnahme 913
– Wundinfektion 216 – patellae s. Patellarsehne – – Dislokation 913
– Zugang – popliteofibulare 749 – – Distorsionsmechanismus 913
– – posteriorer 203 f – popliteum 748 – – Fixation 914, 916, 917
– – ventraler 203 f, 205 – – arcuatum 746, 746, 748 – – Klassifikation 913
Less Invasive Stabilization System s. – – obliquum 746, 747 – – Komplikation 917
LISS – – – Rekonstruktion 754 – – Patientenlagerung, präoperative
Letournel/Judet-Klassifikation, Azeta- – radiocarpale dorsale 418, 419 914, 915
bulumfraktur 511, 512 – radiolunatum – – Quetschtrauma 913
Leukozyten – – breve 418 f, 418 f, 424 – – Rehabilitation 917
– 111In-markierte 26 – – longum 418, 418 f – – Reposition 915, 916
– 99mTc-markierte 26 – – palmare 418 – – Weichteilbeurteilung 914
Leukozytenszintigrafie bei Pseudar- – radioscaphocapitatum 418, 418, – – Zugang 914 f, 915
throse 100 436 Lisfranc-Ligament 914
Ligamenta-alaria-Avulsionsfraktur – – Ruptur 420 LISS (Less Invasive Stabilization
112, 113, 118 – radioscaphoideum 394 System) 1, 69, 70 f, 783 ff
Ligamentotaxis, Radiusfraktur, distale – radioscapholunatum 418, 424 – bei distaler Femurfraktur 700
408 – radiotriquetrum 394 – Operationstechnik 70
Ligamentum(-a) (s. auch Band/Bän- – – Ruptur 421 – Vorteile 70
der) 419 – sacroilicalia 477, 478 LISS Femur 71 ff
– acromioclaviculare, Verbindung mit – scaphocapitatum 418 LISS-Fixateur 784, 784
dem Klavikulaende 227, 229 – scaphoideotriquetrum, Ruptur 421 LISS-Osteosynthese
– calcaneocuboidale 911 – scapholunatum 394, 419, 436 – bei distaler Femurfraktur 703 ff
– calcaneofibulare 857, 858 – – arthroskopische Inspektion 411 – Indikation 782
– capitatotrapezoideum 418, 419 – – Rekonstruktion 429 f – Instrumentarium 783 ff
– capitis femoris – – Ruptur 420, 422 – bei periprothetischer distaler
– – Arterie 590 – talofibulare Femurfraktur 707 f
– – knöcherner Ausriss 566 – – anterius 857, 858 LISS-Platte 782 ff
– – Resektion 570 – – posterius 857, 858 – bei Tibiakopffraktur 781 ff, 784, 786
– – Ruptur 566 – tibiofibulare – Zielbügel 71, 783
– carpi transversum 58 – – anterius 857, 858, 869, 872 – Zielbügelmontage 72
Sachverzeichnis 973

LISS Tibia 74 f, 77 ff – Tibiakopffraktur 773 f, 773 f Marshalls-Schicht 746


– Ergebnisse 81 Maisonneuve-Fraktur 862, 866, 873, Mason-Klassifikation, Radiusköpf-
– Schrauben 77 874 chenfraktur 333 f
L3/L4-Dislokationsverletzung 196 Malleolus Massa lateralis atlantis, Verbreiterung
L5-Nervenwurzel, Verlauf 491 – lateralis s. Außenknöchel 115
13-Loch-LISS-Platte 793 – medialis s. Innenknöchel Massa-lateralis-Fraktur 117, 141, 155
12-Loch-Platte, Schrauben, winkel- Mangled Extremity Severity Score – Operationsindikation 159
stabile 68 822, 823 – operative Behandlung 168 ff, 169 f
Locking Compression Plate s. LCP Marknagelbruch bei Pseudarthrose – Schraubenfixation, direkte, durch
Lower-Extremity-Assessment-Pro- 102 den Pedikel 169, 170
gram-Studie 17 Marknagellängenbestimmung, – Stabilisierung, ventrale 169
LT-Band s. Band, lunotriquetrales Subtraktionsmethode 668, 669 Massa-lateralis-Plattenosteosynthese
Lungenembolie nach Hüftgelenktei- Marknagelosteosynthese 164
lendoprothesen-Implantation 587 – Antibiose, präoperative 677 Massa-lateralis-Schraube 117
Lungeninfiltrat nach Femurmarkna- – Femurfraktur – Platzierung 162 f
gelung 930 – – distale 682 Matta-Zange
Luxatio obturatoria 564 f – – pertrochantäre 617 f, 618, 625 ff – Iliosakralgelenkreposition 493
Luxation, perilunäre 420, 421 – bei Femurpseudarthrose 102 – Sakrumfragmentreposition 501
– Reposition, geschlossene 423, 423 – Femurschaftfraktur (s. auch Femur- Mayo-Klassifikation, Olekranonfraktur
– transskaphoidale 422 nagelung) 660, 666 ff, 672 ff 356, 357
Luxationsfraktur – – Ergebnisse 676 McCormack-Klassifikation, Lenden-
– Interphalangealgelenk, proximales – – Komplikation 676 f wirbelsäulenfraktur 197
458 f, 463 – Führungsdraht 271 f McLaughlin-Cerclage 727
– karpometakarpale 466 ff – Humerus, proximaler 271 ff, 272 – patellofemorale 733
– – Behandlung 468 f – – Ergebnisse 278 – patellotibiale 727
– – Daumen 466 f – Humerusschaftfraktur 292, 297 ff, Medial clear space 872
– – Drahtfixation 468 298 f – Aufweitung 859
– – Reposition 468 – – aufgebohrte Technik 297 Mehne/Matta-Klassifikation, Hume-
– – – offene 469 – – Komplikation 305 f rusfraktur, distale 312
– – 4. Strahl 467 f – – Zugang 299 ff, 305 Membrana interossea
– – 5. Strahl 466 ff – Infektion 32 – antebrachii 368
– Lendenwirbelsäule 197 – Klavikula 255 – – Spannungsverstärkung 395
– perilunäre, transskaphoidale 421, – Metakarpalehalsfraktur 470 – – Verletzung bei Radiusköpfchen-
423 – Radiusfraktur, distale 414 fraktur 334
Lysholm-Knie-Score 763 – retrograde – cruris 858
– – bei distaler Femurfraktur 682 Meniskus 748
– – bei Femurschaftfraktur 672 ff – lateraler 775
M – Röntgenaufnahme bei Infektions- – medialer 775
Magerl-Klassifikation verdacht 25 Meniskuspathologie, späte, nach
– Brustwirbelsäulenfraktur 177 – Rotationsfehlstellung 91 Femurschaftfraktur 658
– Lendenwirbelsäulenfraktur 195 – Schenkelhalswinkel 619 Meniskusriss 86
Magnetresonanztomografie – Strahlenbelastung 679 – okkulter 658
– Brustwirbelsäulenfraktur 180, 182 – Tibiafraktur, distale 849 f – peripherer 775, 776
– Dornfortsatzbasisfraktur, zervikale – bei Tibiapseudarthrose 102 – bei Tibiakopffraktur 771
155 – Tibiaschaftfraktur 805, 805 f, 808 ff Meshgraft 5, 14 f
– Femurfraktur, pertrochantäre, – – offene 811 f, 813 – Entnahmestelle 14 f
okkulte 614 – Unterarmfraktur 389 – Indikation 14
– Halswirbelsäulenverletzung, – Verriegelung 820 – Kontraindikation 14
subaxiale 153, 154 Marknagelsystem, nichtaufgebohrtes – Operationstechnik 14 f
– bei Infektionsverdacht 26 f 671 MESS (Mangled Extremity Severity
– Knieluxation 742 Markraumaufbohrung Score) 822, 823
– Knieluxationsfraktur 794 – femorale Metakarpalebasisfraktur 466
– kontrastmittelgestützte, Kompart- – – antegrade 668, 670 Metakarpale-I-Basis-Fraktur
mentsyndrom 53, 61 – – pulmonale Komplikation 935 s. Bennett-Fraktur
– Patellafraktur 716 – – retrograde 672 f Metakarpalefraktur 466 ff
– Patellarsehnenruptur 731 – – – Gewebeschutz 672 f, 673 – diaphysäre s. Metakarpaleschaft-
– Schenkelhalsfraktur 582 – mit Spülung/Absaugung 675, 676 fraktur
– Skaphoidfraktur 437, 441 Markraumbohrer, Tibiamarknagel – subkapitale 469 f
– STIR-Sequenzen 27 809 f – – dislozierte 469 f
– Talusnekrose, avaskuläre 890 Markraumlavage 32 – – – offene Behandlung 470
974 Sachverzeichnis

– – – Reposition 470 Minimally invasive percutaneous Plate – – hallucis 57


– – Marknagelosteosynthese 470 ff Osteosynthesis s. Plattenosteosyn- – – pollicis longus 373, 375, 378, 401
– – – Nachbehandlung 471 f these, perkutane, minimalinvasive – adductor
Metakarpale-Grünholzfraktur 472 MIPPO (Minimally Invasive Percuta- – – hallucis 57
Metakarpaleschaftfraktur 472 ff neous Plate Osteosynthesis) s. Plat- – – magnus 663
– dorsale Angulation 472 tenosteosynthese, perkutane, – biceps
– mehrfragmentäre 473 f minimalinvasive – – brachii 58
– offene Behandlung 472 ff Mittelfußfraktur s. Metatarsalefraktur – – femoris 745
– Operationsindikation 472 Mittelfußknochen s. Metatarsale – – – Sehne 746, 748
– Plattenosteosynthese 472 Mittelphalanx, Anatomie 450 – brachialis, Ansatz 332, 332
– Ruhigstellung 472 Mittelphalanxbasis – brachioradialis 59, 373, 376, 384
– Torsionsfehlstellung 472 – Pilonfraktur 457, 461 – – Sehnenansatz 394
Metakarpalespiralfraktur 472 f – Trümmerfraktur 461 – coracobrachialis 237, 243, 245
– provisorische intraoperative – – Hamatum-Allograft 461 – deltoideus 239, 244 f
Stabilisation 473 Mittelphalanxfraktur – – Humerusfragmentdislokation
– Schraubenfixation 473 – extraartikuläre 450 ff 288, 289
Metakarpaletrümmerfraktur 473 f – Kirschner-Draht-Versorgung 452 – extensor
Metakarpophalangealgelenk – offene 451 – – carpi
– ligamentäre Führung 464 – Reposition 451 f – – – radialis brevis 373, 375, 378
– Luxation 464 f – subkapitale 451 – – – radialis longus 373, 375
– Subluxation 465 – subkondyläre 451 – – – ulnaris 373, 375, 378
– Zugang Mittelphalanxschaftfraktur 451 – – digitorum
– – dorsaler 465 – mehrfragmentäre 455 f – – – communis 373, 375, 378, 401,
– – palmarer 465 – transversale 451 f, 452 832, 832
Metatarsale I, Pinplatzierung 834 Mittelphalanxtrümmerfraktur 456 – – – longus 55, 57, 786
Metatarsale-V-Ermüdungsfraktur 920 Miyakawa-Quadrizepssehnenumkehr- – – – minus 373
Metatarsalefraktur 883, 918 ff plastik 728 – – hallucis longus 832, 832
Metatarsale-I-Fraktur 918 f Monitoring, neurologisches, intra- – – indicis 401
– Fixateur externe 919 operatives 219 – – pollicis
– Kirschner-Draht-Osteosynthese 919 Monorail-Technik, Segmenttransport – – – brevis 375, 378, 401
– Pins, transfixierende 919 42 – – – longus 401
– Plattenosteosynthese 918, 918 Monteggia-Fraktur 334, 350, 362, 368 – flexor
Metatarsale-II(III, IV)-Fraktur 919 – Behandlung 385 ff, 386 – – carpi
Metatarsale-V-Fraktur 919 f, 920 – Klassifikation 368, 369, 370 – – – radalis 59, 373, 376
– Basisabrissverletzung 919 – Komplikation 386 – – – – Zugang zum distalen Radius
Metatarsale-V-Schaft-Fraktur 920 – Unterarmfunktion 362 397, 399
Metatarsophalangealgelenk-Luxation Morel-Lavallée-Verletzung 3 – – – ulnaris 59
920 f – Behandlung 556 – – digitorum
Metatarsophalangealgelenkverletzung – schwerverletzter Patient 925 – – – brevis 57
920 f Mortise-View, Sprunggelenkfraktur – – – longus 56
Metatarsophalangealgelenk-1-Verlet- 859 f, 860, 872 – – – profundus 58, 59, 373, 375
zung 920 f Motorbewegungsschiene – – – – Sehnenausriss 447 f
Meterstabtechnik – nach Femur-Überbrückungs- – – – superficialis 58, 59, 373, 376
– Femurlängenbestimmung 74, 76 osteosynthese 663 – – hallucis longus, Sehne 893
– Tibialängenbestimmung 74 – nach Kniegelenkruhigstellung mit – – pollicis longus 373
Metohexital bei Schultergelenk- Fixateur externe 755 – gastrocnemius 9, 10, 11, 55 f
reposition 280 – nach Patellafrakturbehandlung 727 – – Absetzen des lateralen Kopfes 9
Meyers-Score, Knieluxation 763 – nach Patellarsehnenruptur 736 – – Kopf
MFA (Muskuloskeletal Functional – nach Quadrizepssehnenruptur 736 – – – lateraler 10, 13, 746
Assessment) 389 – bei Skapulafraktur 247 – – – medialer 10, 12, 746 f
Milch-Repositionstechnik bei Schul- – bei suprakondylärer Femurfraktur – – Sehne 748
terluxation 279 685 – – Splittung 8
Minifragmentplatten bei Kalkaneus- – bei Tibiakopffraktur 792 – gemellus
fraktur 903 MOV (Multiorganversagen) 927 ff, 928 – – inferior 519, 521, 634
Minifragmentschrauben 837 MRT s. Magnetresonanztomografie – – superior 519, 521 f, 634
– bei Kalkaneusfraktur 903 Müller-Klassifikation, Olekranon- – – – Defekt bei Hüftluxation 570
Minikondylenplatten bei Grund- fraktur 356 – gluteus
phalanxtrümmerfraktur 455 Multiorganversagen 927 ff, 928 – – maximus 519, 522, 526, 663
Musculus(-i) – – medius 520, 522, 526, 591
– abductor
Sachverzeichnis 975

– – – Dislokation bei subtrochan- – tensor fasciae latae 526, 591, 663 f – Azetabulumosteosynthese 552
tärer Femurfraktur 635 – teres – Beckenosteosynthese 506
– – minimus 522, 526 f – – major 237, 237 Navikularefraktur 908 ff
– – – Dislokation – – minor 237, 237 – Fehlheilung 910
– – – – bei pertrochantärer Femur- – tibialis – Fixateur externe 910
fraktur 615, 616 – – anterior 57, 786, 832, 832 – Klassifikation 908
– – – – bei subtrochantärer Femur- – – posterior 55 – Komplikation 910 f
fraktur 635 – – – Ansatz 909 – Operationsindikation 908
– gracilis 747 – – – Sehnenscheidenimpingement – Zugang 909
– – Sehne 746 908 – Zuggurtung 909
– iliopsoas 523, 527, 635 – trapezius 237, 237 Navikularekorpusfraktur, Klassi-
– – Dislokation – triceps brachii fikation 908
– – – bei pertrochantärer Femur- – – Dekompression 58 Navikularenekrose, avaskuläre 910
fraktur 615, 616 – – Refixation nach TRAP-Zugang Navikularetrümmerfraktur 908 f, 909
– – – bei subtrochantärer Femur- 321 Navikulokuneiformegelenk 910
fraktur 634 – – Spaltung 302 Neer-Klassifikation
– infraspinatus 237, 238 – – Verlagerung bei Olekranon- – Humerusfraktur, proximale 259 f
– – Atrophie 232 trümmerfraktur 358 – Klavikulafraktur 251
– interossei, Dekompression 57 – – Zugang zum distalen Humerus Nekrosenentfernung 4
– latissimus dorsi 237 316 ff, 317 f Nerven, supraklavikuläre 253
– levator scapulae 237, 237 – vastus Nervenleitgeschwindigkeitsmessung
– obliquus externus, Faszie 523, 524 – – intermedius 664, 732 878
– obturatorius internus 519, 521 f, – – lateralis 592, 663 f, 732 Nervenverletzung
570 – – medialis 664, 732 – Azetabulumfraktur 556 f
– palmaris longus 59, 373 Musculus-quadratus-Transplantat 604 – Beckenringverletzung 506
– pectoralis major 245, 253 Muskelatrophie nach Ruptur im Knie- – Ellbogenverletzung 311
– – Humerusfragmentdislokation gelenkstreckapparat 737 – bei Femurmarknagelung 678
288, 289 Muskelgewebe – Humerusschaftfraktur 285, 289,
– peroneus 748 – Blutungsneigung 5 291, 304 f
– – brevis 9, 55, 786, 832, 832 – Konsistenz 5 – Knieluxation 742, 765
– – longus 9, 13, 55, 57, 786, 832, 832 – Kontraktilität 5 Nervenwurzelverletzung, zervikale,
– – tertius 832 – nekrotisches 5 isolierte 155
– piriformis 519, 521 f, 527, 570, 634 – Vitalitätsbeurteilung 5 Nervus
– popliteus, Sehne 746 Muskelischämie, Kompartment- – axillaris 267
– pronator syndrom 50 – – Pinabstand 268
– – quadratus 376, 385 Muskelkompartment, Oberflächen- – – Verletzung 232
– – teres 59, 376 ff härte 53 – cutaneus
– psoas 523 Muskellappen 36 – – antebrachii lateralis 376
– quadratus – freier 8 – – femoris lateralis, Schädigung bei
– – femoris 522 Muskelnekrose 4, 50 ilioinguinalem Zugang 557
– – plantae 57 Muskelverletzung 2 – femoralis 523
– quadriceps femoris 660 Muskulatur, ischiokrurale 660 – interosseus posterior 335, 373, 375,
– rectus Muskuloskeletal Functional 378
– – abdominis 524 Assessment 389 – ischiadicus
– – – Ansatz 488 – – Anatomie 521 f
– – – Faszie 523 – – Schutz bei Kocher-Langenbeck-
– – femoris 527, 663 f, 732
N Zugang 519, 521
– sartorius 663 Nagelkranzfraktur 446 – – Verletzung
– – Sehne 746 Nah-Infrarot-Spektroskopie 61 – – – bei Azetabulumfraktur 556 f
– semimembranosus 745, 746 Narkoseuntersuchung bei Knie- – – – bei Femurmarknagelung 678
– – Insertion 747, 755 luxation 742 – medianus 58, 373, 374, 376
– semitendinosus 746 f Navigationssystem 552 – peroneus 748, 832
– – Insertion 747 – bildgestütztes 139 – – communis 57, 786
– soleus 9, 10 f, 12 f, 55 – CT-gestütztes, dreidimensionales – – – Zugang 747
– – Transplantat, osteoseptokutanes 139 – – Lähmung 797
41 – röntgengestütztes – – Neurolyse 745
– sternocleidomastoideus 253 – – dreidimensionales 139 – – superficialis 57, 832, 832, 864
– subscapularis 236, 244 f – – bei Femurmarknagelung 679 – – – bei anterolateralem Pilon-
– supinator 335, 376 f, 384 Navigationstechnik, minimalinvasive, tibiale-Zugang 838
– supraspinatus 237 computerassistierte – – – Neuropraxie 878
976 Sachverzeichnis

– – Verletzung bei Knieluxation 742 O’Driscoll-Einteilung Orthese


– pudendus, Verletzung bei Femur- – Ellbogeninstabilität 338 f – bei Knieluxation 743
marknagelung 678 – Koronoidfraktur 349, 352 – thorakolumbosakrale 201
– radialis 294, 373, 374 Olekranonfraktur 356 ff, 357 ff – bei Tibiakopffraktur 774
– – Durchtrennung 304 – einfache, dislozierte 356, 357 Orthobiologische Substanzen 877
– – iatrogene Schädigung 291, 305 f – Klassifikation 356, 357 Orthopaedic Trauma Association
– – Irritation bei Fixateur externe – Komplikation 363 s. OTA
303 – Osteosyntheseversagen 363 Os
– – Ramus – Therapie – capitatum
– – – profundus 374 f, 377, 384 – – konservative 356 – – Fraktur 421, 428, 444
– – – superficialis 373, 376 – – operative 356 ff, 357 ff – – Pseudarthrose 444
– – Verletzung bei Humerusschaft- – Zuggurtungsosteosynthese 356 ff, – coccygis, Fraktur 479
fraktur 285, 289, 291, 304 f 357, 359 ff – hamatum
– saphenus 13, 55, 867 Olekranonluxationsfraktur 362 ff – – Allograftgewinnung 461, 463
– suprascapularis, Verletzung 232 – anteriore 348, 362 – – Fraktur 443
– suralis 12 f, 864, 900 – dorsale 345, 350 f, 362 – – Gelenkflächen 461, 463
– – Verletzung 908 – Koronoidfraktur 349 – – Korpusfraktur 443
– tibialis 746 Olekranonosteotomie 318 ff, 319, 322 – lunatum
– – Verletzung bei Knieluxation 765 – Komplikation 328 f – – Dislokation, palmare 421, 422
– ulnaris 58, 374, 376 Olekranonrefixation 319, 319 f – – Fraktur 444
– – Kompressionssyndrom 328 Olekranontrümmerfraktur 357 – – Korpusfraktur, dislozierte 444
– – Management bei distaler Hume- – dislozierte 358 – – Luxation 420 f, 424
rusfraktur 321, 324 – Fragmentexzision 358 – – – geschlossene Reposition 423,
– – Neuropathie nach distaler – geschlossene 358, 360 ff 423
Humerusfraktur 326 ff – Osteosynthese 358, 360 f, 361 – – – komplette 428
Neurom 85, 442 Open-wedge-Osteotomie 92, 94 – – – offene Reposition 428 f
– nach Sprunggelenkfraktur 878 Operation – – Normalposition 424
Neuropathie, periphere 875 – dringliche 931 – metacarpale s. Metakarpale
Neuropraxie nach Sprunggelenk- – frühzeitige 931 – metatarsale s. Metatarsale
fraktur 878 – geplante 931 – naviculare s. Navikulare
Neutralisationsplatte – notfallmäßige 931 – sacrum s. Sakrum
– Femurschaftfraktur 662 Operationstechnik, Infektions- – scaphoideum
– Klavikulafraktur 254 prophylaxe 23 – – Blutversorgung 436
– Ulnafraktur 380 Operationstisch, orthopädischer, Hüf- – – Fehlstellung, posttraumatische
– Unterarmfraktur 372 tendoprothesenimplantation 601 f 435
Niedrigdrucklavage 4 ORIF (offene Reposition und innere – – Fraktur 421, 425, 435 ff
Norian SRS 628 Fixierung) – – – Arthroskopie 441
Notch, interkondyläre, femorale 685 – arthroskopisch assistierte, bei – – – Diagnostik 436 f
Notch-Zeichen Tibiakopffraktur 788 ff, 789 – – – dislozierte 438
– Beinachsenbestimmung 74, 75 – Außenknöchelfraktur 864 – – – Drahteinbringung 439 f
– radiales 368 – bei Beckenrotationsinstabilität 507 – – – Komplikation 441 f
– ulnares 368 – bikondyläre Tibiakopffraktur, – – – konservative Therapie 437
Nussknacker-Fraktur 911 Komplikation 797 – – – Magnetresonanztomografie
– Femurfraktur, distale 713 437, 441
– – periprothetische 713 – – – Nachbehandlung 441
O – Femurkopffraktur 579 – – – Operationsindikation 437 f
Oberarmschiene 285, 286, 340 – bei Iliosakralgelenkverletzung 507 – – – Operationstechnik 426 f, 428,
Oberschenkelfasziotomie 56 f – Knieluxationsfraktur 795 439 f, 439 ff
Oberschenkelgips bei Tibiaschaft- – Kuboidfraktur 911 – – – perkutane Stabilisierung 440 f
fraktur 802, 802 – laterale Sakrumfraktur 507 – – Funktion 422, 436
Oberschenkelkompartment – primäre, bei offener Sprunggelenk- – – kortikaler Ring 419, 420
– anteriores 56 fraktur 874 – – Pseudarthrose 435, 438, 438,
– mediales 56 – Schenkelhalsfraktur 597, 655 441 f
– posteriores 56 – Symphyse 507 – – Regionen 436
Obturator-Outlet-Ansicht 637 – Tibiafraktur, distale 852 f – – Zugang 438 f, 439
Obturator-Röntgenaufnahme 510, – Tibiakopf 770, 782 – trapezium, Fraktur 443
510, 514 – Tibiakopf-Impressionsspaltfraktur – trapezoideum
– Hüftgelenkstabilitätsprüfung 570 788 ff – – Fraktur 444
– Pfannendachwinkel 514 – zweizeitige, bei distaler Tibiafraktur – – Resektion bei Two-plane-
Odd-Facette, patellare 719 853 Fehlstellung 92
Sachverzeichnis 977

– triquetrum, Fraktur 421, 443 – metaphysäre, Stabilisierung 89, 90 – Rekonstruktion 721 f


Ossifikation, heterotope 85, 306, 328 – treppenförmige 93 Patellapol, distaler, Abrissfraktur 729
– nach antegrader Femurmark- OTA-Klassifikation, Skapulafraktur Patellaquerfraktur 716
nagelung 678 231 – Röntgenaufnahme 717
– nach Ellbogenverletzung 364 OTA-Multicenterstudie 17 – Zuggurtungsosteosynthese 722 f,
– Exzision 364 722 f, 724 f, 725
– Hüftbereich 558 – – Implantatversagen 729
– bei Knieluxation 765 f
P – – intraoperatives Röntgenbild 724
Osteitis Packing 926 – – modifizierte 724 f, 726
– akute 33 Paprikazeichen bei Knochenfräsung Patellarsehne 716, 732, 746
– chronische 32, 34 ff 32 – Naht 727, 732, 733 f
– – Antibiotikatherapie 34 ff Pars interarticularis axis, Fraktur 123 f – – Augmentation 733, 737
– – Débridement 32, 34 Patella – Refixation an der Patella 733, 734
– – Knochendefektrekonstruktion 36 – alta 731 Patellarsehnenruptur 693, 731 ff
– – Weichteildeckung 36 – Anatomie 719 – Diagnose 731
– Cierny-Stadien 27 – Artikulation mit der Trochlea fe- – intraligamentäre 733
– diffuse 27 moris 685 – komplette 732
– gramnegative Enterobakterien 31 – Ausrissverletzung 716 – Komplikation 737 f
– bei instabilem Implantat 32 – Biomechanik 716 – Magnetresonanztomografie 731
– posttraumatische 24, 24 – bipartita 716 f – Nachbehandlung, frühfunktionelle
– bei stabilem Implantat 31 – – traumatische Separation 719 735
Osteogenese, knochentransplantat- – Blutversorgung 719 – Operationsindikation 732
bedingte 37 – Therapie, operative 720 ff – Patellastand 731
Osteoinduktion, knochentransplantat- – tripartita 718 – Prodromalphase 731
bedingte 37 Patellafragment – Rehabilitation 732
Osteokonduktion – Fixation, temporäre, Kirschner- – – postoperative 735 ff
– knochentransplantatbedingte 37 Draht 721, 721 ff, 723 – Röntgenaufnahme 731
– Spongiosatransplantatexpansion 39 – osteochondrales 716, 721 – Therapie
Osteom 101 – – instabiles 721, 722 – – Ergebnisse 737
Osteomyelitis, MRT-Befund 27 – – Schraubenfixation 721, 722 – – konservative 732
Osteoporose Patellafraktur 716 ff – – operative 732 ff
– Femurfraktur, distale 694 – durch direkten Schlag bei gestreck- Patellastressfraktur 719
– Humerusfraktur, distale 310 tem Knie 716 Patellatiefstand 732
– nach Plattenosteosynthese 65 f – extraartikuläre 718 Patellatrümmerfraktur 719
– Sakruminsuffizienzfraktur 504 – Fixation, innere 721 – Äquatorialcerclage 727
– Schenkelhalsosteosynthese 601 – Implantatlockerung 730 – Patellektomie
– Sprunggelenkfraktur 875 – Infektion, postoperative 730 – – partielle 727
– – Fixierung 875 – intraartikuläre, dislozierte 719 – – totale 727
– – Transfixation 875 – Klassifikation 716 – Plattenosteosynthese 726
– Talusfraktur 889 – Komplikation 730 f Patellektomie 731
Osteosynthese s. auch Kirschner- – Magnetresonanztomografie 716 – partielle 727
Draht-Osteosynthese; s. auch Plat- – Operationsindikation 719 – totale 727
tenosteosynthese; s. auch Schrau- – Rehabilitation 719 Patient, schwerverletzter
benosteosynthese; s. auch Zuggur- – – postoperative 728 s. Schwerverletzter Patient
tungsosteosynthese – Reposition, offene 720 Pauwels-I-Fraktur 583
– dynamische, bei pertrochantärer – Röntgenseitaufnahme 716 Pauwels-II-Fraktur 583
Femurfraktur 612 – sternförmige 718 – Osteosynthese 585
– instabile 99 – Therapie Pauwels-III-Fraktur 583
– minimalinvasive, bei Beckenring- – – Ergebnisse 729 f – Osteosynthese 584, 597
verletzung 484 – – konservative 716, 718 f Pauwels-Klassifikation, Schenkelhals-
– norianaugmentierte 628 – – operative 720 ff fraktur 582, 583
– vertebrale, zervikale 128 – Zugang 720 PC-Fix (Point Contact Fixator) 67, 67
Osteotom 91 – Zuggurtungsnagel 729 PDS-Kordel, McLaughlin-Cerclage 727
Osteotomie Patellagelenkfläche 719 Pedikelangulation 206, 216
– additive, diaphysäre 94 Patellalängsfraktur 716 Pedikelfraktur 169 f
– Fehlstellungskorrektur 93 ff – dislozierte 727 – Schraubenfixation 169, 170
– Fixation, innere 90 f – Röntgenaufnahme 717 Pedikelschrauben
– intertrochantäre, bei Schenkel- – Zugschraubenosteosynthese 727 – Axisfixation 129
halspseudarthrose 102 f Patellamehrfragmentfraktur 716, 718, – Distraktionsosteosynthese 504
– intraartikuläre 87, 87 719 – lumbale 206, 207
978 Sachverzeichnis

– thorakale 187, 188, 191 – – Zugang – – Stabilität 68


– – Wasserscheide 191 – – – anterolateraler 838 ff, 840 Plattenosteosynthese 64 ff
Perforansgefäße 3 – – – anteromedialer 843 ff, 844 – additive, bei proximaler Tibia-
Periost, eingeblutetes 5 – – – posterolateraler 845 f schaftfraktur 812, 813
Peronealsehne 900 – – – posteromedialer 846, 847, 848 – Außenknöchel 863 ff
Peronealsehnenscheide, Impingement – Gelenkflächeninkongruenz 842 – biologische 69
908 – Hochrasanztrauma 839 – – bei distaler Femurfraktur 682
Pes anserinus 775 f – Strukturen 831 f – – Prinzipien 682
– Insertion 745 – – knöcherne 831 f – Femurfraktur
Pfahlschraube 793 Pilonfraktur, Mittelphalanxbasis 457, – – distale 682, 700 ff, 700 ff
Pfannenbodenfraktur 565 461 – – periprothetische 706 ff, 708
Pfannendach Pin – Femurschaft 661, 662 ff
– Frakturlinie 513, 515 – selbstbohrender 28 – – Ergebnisse 676
– radiologisches 510 – selbstgewindeschneidender 28 – Fibula, distale 815, 816, 819, 863 ff,
Pfannendachwinkel, Definition 513, – tibiokalkanearer 905, 906 864 f
515 – transfixierender, Metatarsale-I- – Humerus
Pfannenrand Fraktur 919 – – distaler 309 f
– hinterer Pin-Eintrittsstelle, Pflege 661 f – – proximaler 269 ff
– – Fraktur 565 Pin-Haut-Grenzfläche, Krusten- – Humerusschaft 292, 294, 295 f, 928
– – Läsion bei Hüftluxation 569 formation 29 – – Komplikation 305
– Trümmerfraktur 565 Pin-Infektion 28 f – bei Iliosakralgelenkfehlstellung
Pfannenstiel-Zugang 487 Pin-Kanal-Infektion 28 f, 303, 755, 853 491 f
– bei Symphysensprengung 487 f Pin-Lockerung, Röntgenbild 28 – Kalkaneusfraktur 902 f
Pferdehuf-Pseudarthrose 99, 99 Pin-Penetration, durale 143 – Kuboidfraktur 912
Phalanx Pin-Pflege 28 f – Metakarpaleschaft 472
– distale s. Endphalanx Pipkin-I-Fraktur 566, 567 – minimalinvasive 69
– mittlere s. Mittelphalanx – Therapie 570 f – – Entwicklung 69
– proximale s. Grundphalanx Pipkin-II-Fraktur 566, 567 – – Extremitätausrichtung 73
Phalanxbasisfraktur 451 – Therapie 570 f – – Humerus, proximaler 271
Phalanxfraktur 446 ff, 447, 450 ff Pipkin-III-Fraktur 566, 567 – – Komplikation 82
– Kirschner-Draht-Fixation 452 – Therapie 571, 572, 573 – – perkutane 69, 70
– offene 451 Pipkin-IV-Fraktur 566, 567 – – – Blutversorgung 69
– Reposition 451 f – Behandlung 549 – – – Ergebnisse 81
– Weichteilmanagement 452 – irreponible 578 – – – transartikuläre 69
Phalanxschaftfraktur 451 – Therapie 573, 573 – – submuskuläre 69, 70
– mehrfragmentäre 455 f Pipkin-Klassifikation, Femurkopf- – Nachbehandlung 80
– transversale 451 f, 452 fraktur 566, 567 – Olekranonrefixation 320
Phalanxschrägfraktur 454 Plasma, thrombozytenreiches 40 – Patellatrümmerfraktur 726
Phalanxspiralfraktur 451, 453 ff Platte – perkutane
Phosphonate, Technetium-99m- – anatomische, bei Tibiakopffraktur – – Humerus, proximaler 269 f
markierte 25 781 – – minimalinvasive 1
Pilon tibiale – Außenknöchelfragmentreposition, – – Tibiaschaft 817
– Fraktur (s. auch Tibiafraktur, indirekte 865 – Radiusköpfchenrekonstruktion 336
distale) 829, 835 – metatarsale, Ruptur 920 – retrograde, transartikuläre 69
– – Behandlungsergebnisse 852 f – palmare, Metakarpophalangealge- – Sakrum 501
– – dislozierte 829 lenk 465 – Sehnenirritation 414
– – Fehlstellung, postoperative 854 – selbstkomprimierende 64 – mit Spongiosaplastik 38
– – Klassifikation 830 – mit verringerter Kontaktfläche s. – Stabilität 66
– – Komplikation 853 f LC-DCP – submuskulär eingeschobene, bei
– – offene 850 – winkelstabile (s. auch Implantat, distaler Femurfraktur 682, 700 f
– – Osteosynthese 842 winkelstabiles) 67 f, 414 – bei Symphysensprengung 485, 488,
– – – Instrumente 837 – – anatomisch vorgebogene, pro- 490
– – – offene 836, 841, 842 ff, 843 f, ximales Femur 651, 652 f – Talushalsfraktur 889
846 f – – bei bikondylärer Tibiakopffraktur – Tibiafraktur, metaphysäre, distale
– – Reposition 793 848 f
– – – Instrumente 837 – – bei distaler Femurfraktur 700 ff, – Tibiakopffraktur 770, 781 f, 781 f
– – – offene 840, 841, 842, 843, 845 700 ff – – bikondyläre 780 f
– – – – Komplikation 854 – – mit divergierenden Schrauben 70 – Tibiaschaftfraktur 807, 817 f, 818
– – mit Taluskorpusfraktur 891 f, – – Nachbehandlung 80 – – offene 817
891 f – – plantare 79 f – überbrückende 382, 383
Sachverzeichnis 979

– winkelstabile 68, 73 – – Zugang 894 – bei pertrochantärer Femurfraktur


– – bei distaler Femurfraktur 700 ff, – styloideus 631
700 ff – – radii 376, 378 – nach Processus-posterior-tali-
– – Indikation 70 – – – Fraktur 407, 407, 421, 425 Fraktur 893 f
– – minimalinvasive 80 f – – – – komplexe 430 – Rehabilitation, postoperative 106
– – Tibiakopffraktur 770, 781 f, 781 f – – – Osteosynthese 425 – Risikofaktoren 98
– – – bikondyläre 793 – – – Reposition, arthroskopisch – Röntgenbefund 98
– – Tibiaschaftfraktur 807 assistierte 412 – Röntgenuntersuchung 85
– – Zuginstrument 77, 77 – – – Zugang 426, 430 – nach Sprunggelenkfraktur 877
Plattensetzgerät 95 f – – ulnae – nach thorakolumbaler Fraktur 218
– Osteotomie, intertrochantäre 102 f – – – Abriss 432 – Therapieziel 325
Plattenspanner 64, 64 – – – Fraktur 421 – nach Tibiakopffraktur 796
Plattensystem, winkelstabiles 70 ff, – – – – Operationsindikation 431 – tibiale s. Tibiapseudarthrose
70 ff, 700 – – – Zugang 426 Pseudomeningozele 217
Plattfußdeformität nach Kuboidfrak- – – – Zuggurtungsosteosynthese Pseudomonas aeruginosa 31
tur 912 431, 433
PLLA-Schraube, bioabsorbierbare, Projektionsradiografie bei Infektion
Syndesmosentransfixation 876 25
Q
PMMA-Zement (Polymethylmetha- Prokalzitonin 25 Quadrizepsadhäsion 744
crylat-Zement), Mischung mit Anti- Propofol bei Schultergelenkreposition Quadrizepsatrophie 738
biotika 16, 34 f, 35 280 Quadrizepssehne 716, 732
Point Contact Fixator 67, 67 Protein, C-reaktives 676 – degenerative Veränderung 731
Pollerschrauben bei proximaler – Infektion, postoperative 24 f – Naht 727, 735, 736
Tibiaschaftfraktur 812, 813 – SIRS 927 – – Augmentation 737
Polymethylmethacrylat-Zement, Mi- PRP (Platelet Rich Plasma; thrombo- Quadrizepssehnen-Reruptur 738
schung mit Antibiotika 16, 34 f, 35 zytenreiches Plasma) 40 Quadrizepssehnenruptur 731 ff
Polytrauma Pseudarthrose 85 ff, 217 – Diagnose 731
– Beckenringverletzung 483 – atrophische 99, 99 f, 106 – intraligamentäre 735
– Femurschaftfraktur, externe Fixie- – – Behandlung 304 – komplette 732
rung 661 – – Humerus 103, 304 – Komplikation 737 f
– Humerusfraktur, proximale 259 – avaskuläre 100 – Nachbehandlung, frühfunktionelle
– Humerusschaftfraktur 292 – chirurgische Behandlung 100 ff 735 ff
– Patienteneinteilung 932 – Diagnostik 100 – Operationsindikation 732
– Tibiaschaftfraktur 805 – – nuklearmedizinische 100 – Prodromalphase 731
Polytraumamanagement, Phasen 483 f – – radiologische 100 – Rehabilitation 732
Popliteussehne 748 – Distraktionsosteogenese 102 – – postoperative 735 ff
Positronenemissionstomografie bei – Druckplattenfixation 101 – Therapie
Infektionsverdacht 27 – dystrophische 99, 99 – – Ergebnisse 737
Posterolateraler Komplex, Kniegelenk – Epidemiologie 98 f – – konservative 732
741 – Extremitätenschmerz 85 – – operative 735
Posteromedialer Komplex, Kniegelenk – femorale Quadrizepssehnentransplantat 748
741 – – diaphysäre 677 Quadrizepssehnenumkehrplastik 728,
Processus – – proximale 631, 654 735
– anterior calcanei 896, 900 – Fixation, innere 90 f Querosteotomie 93
– – Reposition 902 – Ganganalyse 85 – diaphysäre 93
– coracoideus s. Korakoid – hypertrophe 99 f – metaphysäre 93
– coronoideus 332, 332 – – Dens axis 130 Quetschtrauma, Verletzung der Lis-
– – Fraktur bei Ellbogenluxation 345, – – tibiale, diaphysäre 103 franc-Gelenkreihe 913
346 – – Zuggurtungsosteosynthese 100
– lateralis – infizierte 27
– – calcanei 900 – nach Innenknöchelfraktur 866
R
– – tali – intermediäres Fragment 100 Radiation, Prophylaxe heterotoper
– – – Fraktur 890, 891 – Knochenstimulation 102 Ossifikationen 364
– – – – Fehlverheilung 891 – Knochentransplantation 100 f, 106 Radiokarpalarthrose, posttraumati-
– – – – übersehene 891 – Komplikation, perioperative 108 sche 395 f
– – – Zugang 894 – Kompression 100, 107 Radiopharmaka, Knochenszintigrafie
– posterior tali – Marknagelbruch 102 25
– – Blutversorgung 893 f – metaphysäre 99 Radioulnararthrose, posttraumatische
– – Fraktur 890, 893 f, 893 f – nekrotischer Rand 99 395 f
– – – Komplikation 894 – oligotrophische 99, 99
980 Sachverzeichnis

Radioulnargelenk – – Therapie Radiusverkürzung 395


– distales 368 – – – konservative 396 Rahmencerclage, Fixierung, patello-
– – Dislokation bei Radiusfraktur – – – operative 396 ff femorale, temporäre 733
s. Galeazzi-Fraktur – – Zugang 384, 396 ff, 398 ff Reamer-Irrigator-Aspirator 675, 676,
– – Wiederherstellung 388 – – – posteriorer 397, 399, 401 679
– proximales 333, 368 – – – volarer 397, 398 ff Reflexdystrophie, sympathische, nach
Radius, distaler 394, 401 – – – – erweiterter 397, 398, 400 distaler Radiusfraktur 413 f
– Gelenkfläche 394 – mit distaler radioulnarer Luxation Regan/Murrey-Klassifikation, Koro-
– Gelenkflächenkippung, posteriore s. Galeazzi-Fraktur noidfraktur 349
395 f – isolierte 387 Rekonstruktionsplatte
– Säulen 401 – Plattenosteosynthese 385 – dynamische, bei Skapulafraktur 240
Radiusfehlstellung, distale, Osteo- – mit Ulnafraktur s. Unterarmfraktur – Klavikulapseudarthrosenstabilisie-
tomie 94 f – Zugang 374 rung 106
Radiusfraktur – – dorsaler 375, 384 – vorgebogene 244
– distale 394 ff – – palmarer 375, 384 f Reposition, offene, mit innerer Fixie-
– – CT-Indikation 395 – – Wahl 376 rung s. ORIF
– – dislozierte 406 Radiushals 333 Repositionsinstrument
– – extraartikuläre 407 Radiusköpfchen 332 f – intramedulläres 667 f, 668
– – – innere Fixation 402, 404, 405 f, Radiusköpfchenersatz 334, 336 f – Kniegelenkrekonstruktion 692, 693
406 – bei Terrible-Triad-Läsion 353 Repositionsnagel bei subtrochantärer
– – – Komplikation 395 f Radiusköpfchenexposition 335 Femurfraktur 641
– – Fixation – Sicherheitszone zum Nervus inter- Repositionsschrauben bei distaler
– – – externe 407 ff, 409 f osseus posterior 335 Femurfraktur 701
– – – innere 399 f, 402 ff, 403 ff, 406 f Radiusköpfchenexzision 334 f, 353 Repositionszange 538
– – – kombiniert intern-externe 410 Radiusköpfchenfraktur 333, 333 ff – Außenknöchelfragmentreposition
– – Fragment – mit Ellbogenluxation 333, 345 ff, 865
– – – distales 397 346 – Azetabulumquerfraktur-Reposition
– – – proximales 396 f – – Therapie, konservative 346 531, 532
– – Gelenkbeteiligung 394, 396 – Fragmentanzahl 333 – Iliosakralgelenkreposition 491 f,
– – – arthroskopisch assistierte Re- – impaktierte 333 f 494, 496 f
position 411 – Klassifikation 333 f – bei Patellaquerfraktur 722, 723
– – – innere Fixation 400, 402 – Komplikation 338 – bei pertrochantärer Femurfraktur
– – – komplexe 395 – mit Membrana-interossea- 617
– – Gelenkflächenunterstützung 396, Verletzung 334 – bei proximaler Tibiaschaftfraktur
401 – Operationsindikation 334 812
– – Immobilisierungsfolgen 396 – Osteosynthese 334, 336 – Reposition der Schambeinäste 488,
– – Kapandji-Drahttechnik, intrafo- – Plattenosteosynthese 336 489
kale 407 – Reposition, offene 335 – Sakrumfragmentreposition 501
– – Kapsulotomie 396 – – Ergebnisse 335 f – bei subtrochantärer Femurfraktur
– – Kirschner-Draht-Spickung 406 – Terrible-Triad-Läsion 353 ff 640
– – Klassifikation 395 – Therapie Rete articulare genus 719
– – Knochentransplantat 411 – – konservative 334 Retinacula patellae 716
– – Komplikation 413 f – – operative 335 ff – Rekonstruktion 732
– – Längsdistraktion 408 Radiusköpfchenluxation – Verletzung 716, 718
– – Ligamentotaxis 408 – anteriore 369, 370 Retinakulum 401
– – Marknagelosteosynthese 414 – Monteggia-Fraktur 368, 369, 370, Rhabdomyolyse nach Kompartment-
– – Operationsplanung 395 386 f syndrom 60
– – palmare Translation 408 – posteriore 369, 370 RIA (Reamer-Irrigator-Aspirator) 675,
– – Plattenosteosynthese – Reposition 387 676, 679
– – – posteriore 400, 401, 402, 403 f Radiusköpfchenprothese 336 f Rifampicin 31
– – – volare 79 f, 80, 398, 405 f, 406 – bipolare 337 Ringfixateur
– – Rehabilitation 411, 413 – Ergebnisse 338 – bei distaler Tibiafraktur 854
– – Reposition Radiusköpfchenrekonstruktion 336 – bei Tibiakopffraktur 770, 790 ff
– – – arthroskopisch assistierte 411 Radiusköpfchentrümmerfraktur Rippenfraktur
– – – offene 399 f, 402, 403 ff, 404, 334 – dislozierte 234 f
406 Radiustrümmerfraktur – laterale, isolierte 177
– – – mit perkutanen Drähten 407 – distale 395 Rippentransplantat, vaskularisiertes
– – schwerverletzter Patient 941, – Knochenersatz 388 f 40
943, 944, 946 – Plattenosteosynthese, über- Riseborough/Radin-Klassifikation,
brückende 382, 383 Humerusfraktur, distale 312
Sachverzeichnis 981

Rissverletzung, ligamentäre, atlanto- – – Endoprothesenimplantation


axiale 117 S 586 ff
Rogge-Klassifikation, Patellafraktur Sakroiliakalgelenk s. Iliosakralgelenk – – Gelenkersatz 598 ff
716 Sakrumdeformität, kyphotische 503, – – sekundäre 584, 586
⅓-Rohrplatte, bei Außenknöchelfrak- 504 – Endoprothesenimplantation 586 ff,
tur 864 Sakrumfraktur 491, 500, 501, 504 587 ff, 607
Rolando-Fraktur 467 – H-förmige 503, 504 – bei Femurkopffraktur 566, 567,
Röntgenaufnahme – Iliosakralschraubenosteosynthese 597 f
– bei Infektion 25 499 – – Therapie 571, 572, 573, 575 f
– bei Two-plane-Fehlstellung 92 – instabile 502 – Femurkopfnekrose 605
Rotation, femorale, Trochanter-minor- – laterale, komplette 481 – mit Femurschaftfraktur 581, 582,
Zeichen 74, 76 – Plattenosteosynthese 501 673, 677
Rotations-CT 678 – Reposition 499, 501 – – Reposition 673, 677
Rotations-/Flexionssubluxation, – Repositionszange 494 – Frakturlinienverlauf 582, 583
thorakolumbale 198 – mit subtrochantärer Femurfraktur – horizontal abgekippte 586
Rotationsdeformität 91 653 – Hueter-Zugang 592, 593, 602
Rotationsdifferenz nach Marknage- – U-förmige 504 – iatrogene 598
lung 86 – Zugang – Inzidenz 581
Rotationskeilfraktur, thorakolumbale – – anteriorer 499 – Klassifikation 582 f
198 – – posteriorer 499 – Komplikation 604 ff
Rotationslappenplastik 9 f Sakruminsuffizienzfraktur bei Osteo- – Koxarthrose 589
– Komplikation 17, 18 porose 504 – Lokalisation 582, 583
Rotationsscherfraktur, thorakolumba- Sakrumquerfraktur 479, 480 – Magnetresonanztomografie 582
le 198 Sanders-Klassifikation, Kalkaneus- – mediale 581 ff
Rotationsschrägfraktur, thorakolum- fraktur 897 f, 899 – – dislozierte
bale 198 Sarmiento-Brace 803 – – – Osteosynthese 595 ff
Rotationsspaltfraktur, thorakolumbale – funktioneller, bei Humerusschaft- – – – Reposition, offene 595 f
198 fraktur 286 f, 287 – – – Röntgenaufnahme 596
Rotationsverschiebung, atlantoaxiale Sartorius-Faszie 746 – minimal dislozierte 583
117, 118 Sauerstoffmessung, transkutane, – Nachbehandlung 601
Rotatorenmanschette 236 Kompartmentsyndrom 53 – Nachweis nach Femurosteo-
– Rekonstruktion nach Schulterge- Säulen, spinale 195 synthese 598
lenkhemiarthroplastik 274 – Versagen, traumatisch bedingtes – Operationsindikation 584 ff, 590
– Verletzung bei Deltasplit-Zugang 196 – Osteosynthese 584 ff, 585 f, 593 ff
305, 305 3-Säulen-Konzept der Wirbelsäule – – beim älteren Patienten 607
– Zerreißung 279 195 – – Ergebnisse 602 f
Rückenmarkdekompression Schädel-Hirn-Trauma 390, 934 – – bei Osteoporose 601
– bei Hangman-Fraktur 128 – Prophylaxe heterotoper Ossifi- – – Verfahrenswahl 584 ff
– Zugang, transoraler 130 kationen 364 – Reposition
Rückenmarkquerschnitt Schambeinastfraktur 490, 500 – – Kapsulotomie 592 f
– inkompletter, bei lumbaler Bers- – Osteosynthese 490 – – notfallmäßige 590
tungsfraktur 207, 208 Schatzker-Klassifikation, Tibiakopf- – – offene 592 f
– kompletter 187 fraktur 770 f, 771 – – Weichteilinterposition 599
Rückenmarksyndrom, zervikales Schatzker/Tile-Klassifikation, Olekra- – Schraubenfixation, Pseudarthrosen-
– vorderes 146 nonfraktur 356 entstehung 605
– zentrales 150 Schenck-Klassifikation, Tibiakopf- – Schraubenosteosynthese 584 f, 585
Rückenmarkverletzung luxationsfraktur 772 – – Schraubenposition 594, 594
– Axisspondylolisthese, traumatische Schenkelhalsabduktionsfraktur 582 – schwerverletzter Patient 941, 943,
125, 127 Schenkelhalsadduktionsfraktur 582 944 ff, 947 f
– zervikale 111 20º-Schenkelhalsaufnahme 616, 616, – steil verlaufende 585
Rückfuß 627 – subkapitale 582, 583
– Schwellung, postoperative 896 Schenkelhalsfraktur – – Osteosynthese 585
– Weichteilmanagement 895 f, 904 – Abkippungsgrad 583 – – Zugang 592
Rückfußfraktur 883 – basozervikale 582, 583 – Teilendoprothesenimplantation
Rüedi/Allgöwer-Klassifikation, – – Osteosynthese 586 586 f, 587
Tibiafraktur, distale 828, 829 – beim älteren Patienten 581 f – – zementierte 587
Russel-Taylor-Klassifikation, Femur- – – Behandlungsergebnisse 603 f – Therapie 607
fraktur, subtrochantäre 635 – Dislokation 582 f, 583, 607 – – Ergebnisse 602 ff
Russel-Taylor-Rekonstruktionsfemur- – – beim älteren Patienten 586 – – konservative 583 f
nagel 597 – – kopferhaltende 581
982 Sachverzeichnis

– Totalendoprothesenimplantation Schraubenfixation – traumatische 259, 280 f


586 f – Densfraktur 133, 136 ff, 137 – nach vorn unten 279
– transzervikale 582, 583 – Femurfraktur, distale 691 Schultergelenkprothese
– – Osteosynthese 585 – – intraartikulärer 692, 693, 694 – Indikation 267
– Trümmerzone, posteriore 585 – Femurkopffraktur 570 f, 571 – inverse 274
– übersehene 581, 677 – Grundphalanxköpfchenfraktur 464 Schultergelenkverletzung bei Hume-
– valgisch impaktierte 582, 583 ff – Humerusfraktur, distale 22 russchaftfraktur 291
– – Osteosynthese 593 ff, 595 – Innenknöchelfraktur 866 f, 868 Schultergürtelverletzung 226 ff
– Winkelplattenversorgung 585 – Metakarpalespiralfraktur 473 – Schmerzkontrolle, lokale 230
– Zugang 591 f, 591 ff – Olekranon 319, 319 f, 360 f, 361 Schultermanipulation 250
Schenkelhalspseudarthrose 604 f, 607 – Os-scaphoideum-Fraktur 440 Schultermedialisierung 252
– beim älteren Patienten 605 – Phalanxspiralfraktur 453 Schultermuskulatur, hintere 239
– Inklinationsbestimmung 102 – Rolando-Fraktur 467 Schulter-Spica-Verband 288
– Knochentransplantat 604 – bei Schenkelhalsfraktur, Schultersuspensorium, oberes 235,
– – Ergebnisse 606 Pseudarthrose 605 237
– Korrekturosteotomie 604 – Sehnenirritation 414 – Rekonstruktion 235
– Osteotomie, intertrochantäre 102 f, – bei Talushalsfraktur 887 – Zerreißung 235
103 – transartikuläre Schulter-Tauma-Serie, radiologische
– nach Schraubenfixation 605 – – atlantoaxiale Fusion 131 f, 144 f 261
Schenkelhalsschraube 627, 627 – – bei instabiler Densfraktur 133 Schulterversteifung nach Skapulafrak-
Schenkelhalswinkel, Marknagelosteo- – transpedikuläre 187 tur 251
synthese 619 – transsakrale 498 Schussverletzung, Femurschaftfraktur
Scherfraktur, Halswirbel, oberer 112 – ventrale, Densfraktur 136 ff, 137 673
Scherverletzung Schraubenosteosynthese Schwellung
– Brustwirbelsäule 178, 180, 181 – bei Iliosakralgelenkfehlstellung – Behandlung 23
– thorakolumbale 198 491 f – Vakuumschaumverbandwirkung 16
Schienenverband 264 – Kalkaneusfraktur 902 Schwenklappen, faziokutaner 30
Schlüsselfragment bei Fraktur des – perkutane, bei Azetabulumfraktur Schwerkraft-Stresstest, Sprunggelenk
vorderen Azetabulumpfeilers 538, 552 860, 861
539 – Schenkelhalsfraktur 584 f, 585 Schwerverletzter Patient 925 ff
Schmerz – – Schraubenposition 594, 594 – Behandlungsergebnisse 934 ff
– nach Fraktur, Ursache 85 – Talushalsfraktur 888, 888 f – Behandlungsmanagement, prioritä-
– nach Knieluxation 761 f – Taluskorpusfraktur 892 tenadaptiertes 931 ff
Schmerzkontrolle, lokale, Schulter- – transiliosakrale, perkutane 491 – Borderline-Patient 929
chirurgie 230 Schraubensystem, polyaxiales 139 – Fallbeispiel 937, 938 ff
Schmerzsyndrom, komplexes, regio- Schultergelenk – hämodynamisch instabiler 932
nales, nach Lisfranc-Verletzung 917 – Hemiarthroplastik 273 f – hämodynamisch stabiler 932
Schockraumteam 925 – – Ergebnisse 278 – interdisziplinäre Versorgung 936
Schrägfraktur, gegenläufige, femorale – – Rotatorenmanschetten-Rekon- – Kommunikation, interdisziplinäre
s. Femurfraktur, intertrochantäre struktion 274 943
Schrägosteotomie 93 – – Tuberkularekonstruktion 273, – Multiorganversagen s. Multiorgan-
– bei distaler Femurfehlstellung 95 f, 273 f versagen
96 – Kapselraffung, arthroskopisch as- – Operationszeitpunkt 931, 931 f
– doppelte 95 f sistierte 281 – präoperatives Labor 943
– Radiusfehlstellungskorrektur 94 f Schultergelenkluxation 259, 279 ff – pulmonale Komplikation 935
Schraube(n) – Arthroskopie 281 – Schädel-Hirn-Trauma 934
– bikortikale 67 f – – Befunde 281 – SIRS s. SIRS
– divergierende 70 – Frührezidiv 280 – Unfallmechanismus 925
– interfragmentäre, bei Ulnafraktur – hintere 279 – Untersuchung 925 f
379 f – – blockierte 280 Scuderi-Naht, Quadrizepssehne 735
– interpedikuläre 186 – Immobilisierungsstellung 280 Second Hit
– intramedulläre, Matatarsale-V- – Klassifikation 279 – bei Femurschaftfraktur 657
Fraktur 920 – Komplikation 281 – posttraumatischer 926
– kaltverschweißte, Lösung 782 – Operationsindikation 280 Second-look-Operation 22
– monokortikale 67 f – Rehabilitation 280 Segond-Fraktur 746
– – winkelstabile 68 – Reposition 279 f Sehnenverletzung 2
– Syndesmosentransfixation 876 f – – Außenrotationsmethode 279 Semitendinosus-Transplantat
– winkelstabile 73 – – medikamentöse Therapie 280 – Rekonstruktion
– – bei LCP-Kondylenplatte 78 – rezidivierende 279 – – des Ligamentum popliteum
– – nicht zentriert eingebrachte 73 – Therapie, konservative 279 f obliquum 754
Sachverzeichnis 983

– – des posteromedialen Komplexes – Hakenplatte 229, 230 – – Komplikation 190 f


754 – mit Klavikulafraktur 235, 252 – – Zugang 184
Septum intermusculare 55, 56 – Operationsindikation 235 – – – transpedikulärer 184
– laterale 662, 663 – Röntgenbefund 233 – – – transthorakaler 184
– Spaltung 56 Skapulaseitenrand 237 – thorakolumbale 203
Sequester bei Pin-Infektion 28 – Reposition 241, 242, 248 – ventrale 184, 188
Sequestrierung, kortikale 27 – Translation 235 – – endoskopische 192
Sequesterotomie 30 Skeletal Repair System 107 – – Komplikation 190 f
Settner/Münsch-Fersenentlastungs- Skeletthyperostose, idiopathische, – Zeitpunkt 186
orthese 899 f diffuse, Frakturrisiko 181 Spinalkanalkompression
SF-36-Schmerzscore 821 Skelettszintigrafie 25 – Intervall zur Dekompression 170 f
Sicherheitsgurtverletzung 197, 200 SL-Band s. Ligamentum scapholuna- – traumatisch bedingte 170
– Versagen der spinalen Säulen 196, tum – Verlauf bei konservativer Therapie
197 Slicefraktur, thorakolumbale 198 200
Silikondrainage bei Kalkaneusfraktur SL-Winkel 420, 421, 434 Spinalkanalverlegung, lumbale, bei
903 Small-Volume-Wiederbelebung 61 Berstungsfraktur 207 ff, 208, 220
SIRS (Systemic Inflammatory Smith-Petersen-Zugang s. Zugang, Spiralfraktur
Response Syndrome) 926 f, 927 iliofemoraler – metakarpale 472 f
SIRS-Score 927, 935 Sneppen-Klassifikation, Taluskorpus- – phalangeale 451, 453 ff
Skapula 236 f fraktur 890 Spitzfuß nach Gipsruhigstellung 884
Skapulaaufnahme, laterale 261 Soleuslappen 10, 11 f Spondylitis, ankylosierende, Fraktur-
Skapulablattfraktur 231, 232 – neurovaskuläres Bündel 12 risiko 181
Skapulafraktur 231 ff Spalt, tibiofibularer, erweiterter 859, Spondylodese 183
– Begleitverletzung 250 860 – dorsale 188 f
– Behandlung, konservative 232 f Spaltfraktur – thorakale 188 f
– extraartikuläre 236 – intraartikuläre – – langstreckige 187
– – CT-Rekonstruktion, dreidimen- – – bei distaler Femurfraktur 684, – ventrale 188
sionale 236 705, 771 Spongiosa, autogene 38 f
– – Osteosyntheseindikation 235 f – – – Gelenkstufe 692 – antibiotikaimprägnierte 39
– Fragmentverschiebung 237 – – Tibiakopf 771 – Entnahmemorbidität 38
– Fragmentwanderung 232 – vertebrale 198 – Entnahmestelle 38 f, 39
– Implantatwahl 241 Spaltkompressionsfraktur, Brust- Spongiosaplastik
– intraartikuläre, Operations- wirbelsäule 178 – autogene 38 f
indikation 236 Späne, kortikospongiöse, allogene 40 – Gelenkflächenunterstützung bei
– Klassifikation 231 Spannungsblase 895 f, 896 distaler Radiusfraktur 396, 413
– Komplikation 250 – Behandlung 2, 896 – bei Ilizarov-Behandlung 44
– Nachbehandlung 249 – eingeblutete 895 – Indikation 39
– Nervenverletzung 232 – nach Kalkaneusfraktur 895 f, 896 – bei Kalkaneusfraktur 902
– Operationsindikation 233, 235 f – seröse 895 – bei Monteggia-Fraktur 386
– Rehabilitation 233, 245, 247 – spontanperforierte 896 – offene 39
– Reposition Spätpatellektomie 728 – Radiusköpfchenreposition 335
– – bei hinterem Zugang 240 f, 248 Speck/Regazzoni-Klassifikation, – bei Tibiapseudarthrose 824
– – bei vorderem Zugang 245, 246 ff Patellafraktur 716 – Vakuumversiegelungssystem 39
– verkippte 250 Speiche s. Radius Sport, Wiedereinstieg nach Knie-
– Wundverschluss, postoperativer Spektroskopie 53 luxation 763
243 Spina Sprungbein s. Talus
– Zugang 237 ff – iliaca superior anterior 667 Sprunggelenk
– – hinterer 237 ff, 248 – scapulae 236 f, 236 f – Anatomie 857, 858
– – – extensiver 239, 241 Spinalkanalausdehnung 170 – Außenbandkomplex 858
– – – Größe 238 f, 239 Spinalkanaldekompression – Außenrotationsstresstest 860 f
– – – Inzisionen 238 – dorsale 184, 188 f – Bandkomplexe, stabilisierende 858
– – – Patientenlagerung 238, 238 – – Komplikation 191 – Bewegungseinschränkung nach
– – vorderer 243 ff, 244 ff – frühe 171 Fraktur 878
– – – Nachbehandlung 249 – Indikation 186 – Distraktionstrauma, laterales 861
– – – Patientenlagerung 243, 244 – laterale 184 – Innenband 868
Skapulahals-Anteversionsdeformität – lumbale 203 – Innenbandinsuffizienz 860, 860
236 – – posteriore 211 – instabiles 858
Skapulahalsfraktur 231 – – posterolaterale 211, 211 – – nach Innenknöchelfraktur 866
– CT-Rekonstruktion, dreidimensio- – posttraumatisches Intervall 170 f – Kombinationsverletzung, knöchern-
nale 234 f – thorakale ligamentäre 858
984 Sachverzeichnis

– oberes – Therapie, operative 862 ff – Ergebnisse 17


– – Arthrodese, primäre 851 Sprunggelenkorthese 890 – Gefäß-Nerven-Bündel 12
– – Arthrose, posttraumatische 854, Sprunggelenksubluxation 857 – Heben des Stieles 11, 13
890 Sprunggelenkverletzung 857 – Nachbehandlung 14
– – Arthrotomie 839 – bimalleoläre (s. auch Bimalleolar- – Spenderareal 11, 12
– – Beteiligung bei Tibiaschaftfraktur fraktur) 861 Sustentaculum tali 857, 896, 900 f
815 – Wundheilungsstörung 858 – Position 900
– – Bewegungseinschränkung nach Sprungtrauma, Sakrumfraktur 504 – Schraubenplatzierung 901
Pilon-tibiale-Fraktur 831 Spur sign 513, 514 Symphysendehiszenz 480, 482
– Pronations-Abduktions-Fraktur 859 SRD (symptomatische Reflexdystro- Symphysensprengung
– Pronations-Eversions-Fraktur 859 phie) 413 f – Beckenzwinge 486
– Röntgenaufnahme, gehaltene 860 SRS (Skeletal Repair System) 107 – Fixateur externe 485, 486
– Schwerkraft-Stresstest 860 SSSC (Superior Shoulder Suspensory – hämodynamisch instabiler Patient
– Supinations-Adduktions-Fraktur Complex) 235, 237 486
859 – Rekonstruktion 235 – Operationstechnik 485 ff
– Supinations-Eversions-Fraktur 859 f – Zerreißung 235 – Plattenosteosynthese 485, 488, 490
– unteres s. Subtalargelenk Stack-Schiene 449 – Reposition 488, 489
– Weichteilmantel 858 Staphylococcus aureus – Zugang 487
Sprunggelenkarthrose 857, 878 – Infektion bei stabilem Implantat 31 Syndesmose, tibiofibulare 858
– nach Talusfraktur 890, 892 – methicillinresistenter 31 – Bänder 872
Sprunggelenkfehlstellung 857, 878 Staphylokokkeninfektion, implantat- – Instabilität bei Bimalleolarfraktur
Sprunggelenkfraktur 857 ff assoziierte 31 868
– Beurteilung 859 ff Steinmann-Nagel, Tibiaschaftfraktur, – Transfixation 876
– bei Diabetes mellitus 875 distale, Reposition 815, 815 – Verletzung 860 ff, 871 ff
– dislozierte 862 Stellschraubentransfixation, Syndes- – – radiologische Darstellung 861
– Fehlverheilung 878 mose, tibiofibulare 872 f, 873 – – Stellschraubentransfixation 872 f,
– Implantat 862 Sternumfraktur 177 873
– Infektion 877 – dislozierte 177 Synostose, radioulnare 390
– Klassifikation 858 f, 859 Sternumstauchung 177 Systemic Inflammatory Response
– Komplikation 877 ff Sternumverletzung 177 Syndrome s. SIRS
– mit medialer Läsion 861 Stimson-Repositionstechnik bei
– offene 2, 862, 874 Schulterluxation 280
– – antibiotische Prophylaxe 874 Strahlenbelastung bei Femurmarkna-
T
– Operationsindikation 861 f gelung 679 Talonavikulargelenk
– Operationszeitpunkt 862 Strecksehnenabriss, knöcherner 447 – Beteiligung bei Navikularefraktur
– osteochondrale Fraktur 879 – Kirschner-Draht-Fixation 449 f 910
– bei Osteoporose 875 Strecksehnenmittelzügel, gestielter – Subluxation 910
– – Fixierung 875 Lappen 454, 454 Talus
– Osteosynthesematerial, symptoma- Strecksehnenruptur nach Plattenos- – Anatomie 833, 883
tisches 878 teosynthese 414 – Blutversorgung 883
– postoperatives Management 876 Stressfraktur, Patella 719 – Implantatplatzierung 883
– präoperative Planung 862 f STT-Gelenk (skaphotrapeziotrapezo- – Schanz-Schrauben-Platzierung 833
– radiologische Projektion 859, 860 idales Gelenk) 436 – Tuberkulum, mediales 857
– mit Syndesmosenverletzung s. Syn- Stützgerüst, strukturelles, Knochen- – Varusmalalignement 883
desmose, tibiofibulare, Verletzung transplantat 37, 40 Talusfacette, inferior-posteriore 897
– Therapie Subluxation Talusfraktur 883 ff, 937, 938 f
– – Ergebnisse 879 – atlantoaxiale 119 – bei Osteoporose 889
– – konservative 861 – atlantookzipitale 120 – Standardversorgung 887, 888
– – operative 862 ff Subtalararthrose 890 Talusgelenkfläche(n) 883
– – präoperative 862 Subtalargelenk, Biomechanik 883 – laterale 860
– Untersuchung 862 Subtalargelenkluxation 884 Talushals 883, 896
– Verletzungsmechanismus 858, 859 Subtalargelenksubluxation 884 – Blutversorgung 883
– Weber-Typen 861 f Subtraktionsmethode, Marknagellän- – Gefäßring, extraossärer 883
– Weichteilzustand 862 genbestimmung 668, 669 Talushalsfraktur 884 ff
– Wundheilungsstörung 877 Superior Shoulder Suspensory – Doppelinzisionszugang 885, 885
Sprunggelenkluxation 857, 876 Complex 235, 237 – Einteilung 884
– Dislokationsrichtung 859 – Rekonstruktion 235 – Knochenheilung, verzögerte 890
– Operationsindikation 861 – Zerreißung 235 – Komplikation 889 f
– radiologische Zeichen 859 Supination 368 – Operationsindikation 884
– Reposition 876 Suralislappen 10 ff, 12 – Osteosynthese 888 f
Sachverzeichnis 985

– – perkutane 886 f TFCC s. Triangulärer fibrokartilaginä- Tibiafraktur


– Rehabilitation 889 rer Komplex – distale (s. auch Pilon tibiale, Frak-
– Reposition 886 Thallium-Stress-Testing 53 tur) 828 ff, 833, 835 f
– – geschlossene 884 Thompson-Zugang zum Unterarm – – Analyse 837
– – offene 887 373, 374, 378 – – artikuläre, komplexe 830
– – – Hindernis 888 Thorakolumbaler Übergang – – beteiligte Strukturen 831 f
– Therapie – Anatomie 195 – – Computertomografie 837
– – Ergebnisse 889 – Berstungsfraktur 195 – – erhaltene Bandverbindungen 832
– – konservative 884 – – Kyphoplastie 219 – – Fehlstellung, postoperative 854
– – operative 884 ff – – Therapie, operative 207 ff – – Fibulabewegung 833
– Zugang 885 – – Zugang – – mit Fibulafraktur 833, 849
– – posteriorer 885 – – – kombinierter 211 f – – Fixateur externe
Taluskopf 883, 896 – – – posteriorer 210 f – – – Ergebnisse 853
– Blutversorgung 883 – – – ventraler 207 ff – – – gelenküberbrückender 851,
Taluskopffraktur 892 f – Deformität, posttraumatische 218, 854
– Begleitfrakturen 892 218 – – – Komplikation 853
– dislozierte 892 f – Dislokationsfraktur 215 – – – medialer 833
– Zugang 893 – Gefäßanatomie 216 – – – Pinplatzierung 834
Taluskorpus 883, 896 – Kompressionsfraktur 195, 196 – – Fixation, externe, mit innerer
– Blutversorgung 883 – – Kyphoplastie 219 Osteosynthese 850
Taluskorpusfraktur 890 ff, 891 – – operative Behandlung 205 f, 206 – – Fragment
– Klassifikation 890 f – Verletzung 195 ff – – – anterolaterales 832, 840, 841,
– Knorpelabschlagfragment 892 – – Klassifikation 195 842
– Komplikation 892 – Zugang – – – mediales 832, 840, 841
– Therapie – – minimalinvasiver 219 – – – posterolaterales 832, 841
– – konservative 891 – – posteriorer 203 f – – – – Reposition 846
– – operative 891 f – – ventraler 203 f, 205 – – Infektion 37
Taluskorpusosteonekrose 889 – – – Risikofaktor 216 – – intraartikuläre 849
Talusnekrose, avaskuläre 884, 889 f, Thorakoskopie, Brustwirbelsäulensta- – – – Zugang 843 ff, 844
890, 892 f bilisierung 186 – – Klassifikation 828 f, 829
Talusschulter 888 Thoraxabduktionsgips 263 – – Komplikation 853 f
Talustrümmerfraktur, Plattenosteo- Thoraxdrainage, Antibiotikazement- – – LCP-Osteosynthese 79
synthese 889 stab-Herstellung 35 f – – – perkutane 79
TARPO (Transarticular retrograde Thromboembolieprophylaxe – – Marknagelung 849 f
Plate Osteosynthesis) 69 – bei akuter Wirbelsäulenverletzung – – – Aufbohrung des distalen
Taylor-Ringfixateur, Fehlstellungskor- 143 Fragments 849
rektur 98 – nach Femur-Überbrückungsosteo- – – – Unterstützung 849
Taylor Spatial Frame 792 synthese 663 – – offene 833, 835 f, 836
99mTc-Phosphonat, Knochenszintigra- – bei Kalkaneusfraktur 899 – – Operationsindikation 831
fie 25 Thrombozytenkonzentrat, autogenes – – Osteosynthese
Teardrop-Avulsionsfraktur 152, 155, 40 – – – Blutsperre 838
156 Tibia – – – mit Fibulaosteosynthese 849
Teardrop-Fraktur 152, 154 f, 156 – Achsenbestimmung, intraoperative – – – Instrumente 837
– Behandlung 154 77 – – Plattenplatzierung
– Operationsindikation 158 f – Blutversorgung – – – laterale 842
– operative Behandlung 167 – – medulläre 806 – – – mediale 842
Teardrop-Kompressions-Flexions- – – periostale 806 f, 817 – – – submuskuläre 843
Fraktur 157 – distale, mediale, Spongiosaentnah- – – postoperatives Management 850
Technetium-99m-Phosphonat, Kno- me 893 – – präoperative Planung 837
chenszintigrafie 25 – Längenbestimmung bei Tibiatrüm- – – Rehabilitation 850
Tendinopathie, Quadrizepssehne 731 merfraktur 810 – – Reposition 7, 845
Terrible-Triad-Läsion 334, 345, 346, – Schnittbildanatomie 805 – – – Instrumente 837
349 Tibiadefekt, segmentaler – – Therapie
– 3D-Rekonstruktion 346 – Knochentransport 43 – – – Ergebnisse 852 f
– Komplikation 354 f – Tibiamarknagel mit Titan-Cage 44, – – – konservative 829 ff
– Operationsindikation 352 44 f – – – operative 831 ff
– Therapie Tibiafehlstellung, proximale 97 – – Ursache 828
– – konservative 352 Tibiafläche, proximale, knorpelfreie – – Varusfehlstellung 830
– – operative 353 f, 353 f 808, 809 – – Weichteilverletzung 828
– – Zugang 831 f
986 Sachverzeichnis

– – – anteriorer 832 – – präoperative Planung 791 – – – lateraler 776, 779


– – – anterolateraler 832, 832, 838 ff, – impaktierte 779 – – – medialer 786
840, 849 – – Reposition 780, 780 – – – medianer 776, 779
– – – anteromedialer 832, 832, – Implantatversagen 797 – – posteromedialer 777, 778, 786
843 ff, 844, 848 – Infektion 797 Tibiakopfimpressionsfraktur 771, 771
– – – medialer 832 – intraartikuläre 771 Tibiakopfimpressionsspaltfraktur 787
– – – posterolateraler 832, 832, 843 f – Iso-C3D, intraoperatives 796 – Arthroskopie 788, 789
– – – posteromedialer 832, 846, 847, – Klassifikation 770 ff, 771 – Fixation, innere 788 ff
848 – Knochenheilung 796 – Knochentransplantation 790
– Druckmessung, intramuskuläre, – Kompartmentsyndrom 56, 770, 775 – Nachsorge 790
kontinuierliche 52 f – Komplikation 797 – präoperative Planung 787
– Kompartmentsyndrom 50 – laterale 772 – Reposition, arthroskopisch assis-
– Marknagelung, Verriegelung 820 – LISS-Platte 781 f tierte 788, 789
– metaphysäre, distale – Magnetresonanztomografie 773 f, – Weichteilrekonstruktion 790
– – Plattenosteosynthese 848 f 773 f Tibiakopfluxationsfraktur 772
– – Zugang – Malunion 796 – Bewegungsfixateur, kniegelenk-
– – – anterolateraler 849 – mediale 771, 777 überbrückender 794
– – – anteromedialer 848 – – Reposition, offene 786 – Klassifikation 772
– – – minimalinvasiver 848 – mit Meniskusriss 771 Tibiakopftrümmerfraktur 770, 795 f
– offene – metaphysäre Komponente, Tibial-inlay-Methode 741, 748 f
– – Knocheninfektion 26 Reposition 791 f Tibialängenbestimmung, intra-
– – Therapie 819 – Nachbehandlung, frühfunktionelle operative 74
– – Vakuumversiegelungssystem 31 792 Tibiamarkhöhle, Weite 805, 805
– proximale – niederenergetische Tibiamarknagel
– – Fehlstellung 806 – – Osteosynthese, perkutane 778 f, – Design 805, 805
– – 4,5 mm LCP PLT 79 779 – Eintrittspunkt 808, 809 f
– – LISS-Platte 74 f, 77 – – Reposition – – Durchleuchtung 810
– – Plattenosteosynthese – – – geschlossene 778 f – Fehlplatzierung 806
– – – gedeckte, laterale 817 f – – – offene 779 ff – Führungsdraht 808 f
– – – minimalinvasive, submus- – offene 775 – Markraumbohrer 809 f
kuläre 77, 818 – Operationsindikation 774 f – mit Titan-Cage 44, 44 f
– Reposition, geschlossene 77 – – absolute 775 – Verriegelungsschraube 810
Tibiagelenkfläche, distale 833 – – Einflussfaktoren 774 f Tibiaplateau 775
– posterolaterale, Einstellung 833 – Orthese 774 Tibiaplateau-Impressionsfraktur 771
– Zugang, anteromedialer 843 ff, 844 – Outcome-Score 796 Tibiapseudarthrose 820
– Zugschraubenosteosynthese 836 – Plattenosteosynthese, winkelstabile – atrophe 824
Tibiakante 770, 781 f, 781 f – nach Fixateur-externe-Behandlung
– hintere, distale s. Volkmann- – Rehabilitation 792 854
Dreieck – Reposition 791 – bei geschlossener Fraktur 824
– posteromediale 745 – – offene 781, 783 – hypertrophe 807, 807
Tibiakondyle – Ringfixateur 770, 790 ff – – Behandlung 824
– laterale 771 – – Anwendung 792 – mit Knochendefekt 824
– mediale, Verletzung 771 – – Metallentfernung 792 – Kompressionsplattenosteosynthese
Tibiakopf, Anatomie 775 f – – Nachsorge 792 103, 104
Tibiakopffraktur 770 ff – – präoperative Planung 791 – Marknagelung 102, 824
– artikuläre Komponente – Röntgenaufnahme 772, 773 – bei offener Fraktur 824
– – Fixation 791 – Stabilisierungstechnik 770 – proximale 97
– – Reposition 791 – Therapie – – Keilosteotomie 97, 97
– Begleitverletzung 770, 772 – – Ergebnisse 774, 796 f Tibiaschaft-Mehrfragmentfraktur 801
– Belastungsbeginn 792 – – konservative 772 ff Tibiaschaftfraktur 801 ff
– bikondyläre 773 – – – Einflussfaktoren 772 – Achsausrichtung, inakzeptable 805
– – dislozierte 775 – – – Indikation 772, 774 – Amputation 821 f
– – Plattenosteosynthese 780 f, 793 – – operative 775 ff, 776 ff, 777 ff, – Bracing, funktionelles 802 ff, 804
– Bildgebung 772 f, 773 779 ff – dislozierte 805, 821
– 3D-Bildgebung, intraoperative 770 – – – Methodenwahl 777 f – – instabile 804
– Distraktionsfixateur, gelenküber- – Tuberositas-tibiae-Beteiligung 775 – – Marknagelosteosynthese, Ergeb-
brückender 780, 780 – Weichteilverletzung 770, 772 ff, 774 nisse 821
– Gefäßverletzung 775 – Zugang 776 ff, 777 f – distale 803
– geschlossene 772 – – limitierter 770 – – Fehlstellung nach Marknagelung
– Hybridfixateur 790 ff – – parapatellarer 814, 815
Sachverzeichnis 987

– – Marknagelung 814 ff Tibiatrümmerfraktur, Tibialängen- Trochanter-Flip-Osteotomie 549, 549,


– – offene 816 bestimmung 810 558
– – Reposition, Steinmann-Nagel Tibiofibulargelenk 775 Trochanter-minor-Fragment, instabi-
815, 815 Tibiotalargelenkluxation 884 les 612
– – Sprunggelenkbeteiligung 815 Tight-Rope-Technik, Rekonstruktion Trochanter-minor-Zeichen, femorale
– – Zugschraubenosteosynthese 816 der korakoklavikulären Bänder 231 Rotation 74, 76
– Extremitätenerhalt 821 f Tip-Apex-Distanz, Hüftschraube, Trochanternagel
– Fixateur externe 818 ff, 819 dynamische 623, 623 – bei Femurschaftfraktur 670 f, 675
– – Ergebnisse 821 Titan-Cage – bei pertrochantärer Femurfraktur
– – Platzierung 806 – Knochentransplantatanlagerung 44, 625 ff
– Gipsruhigstellung 802 f 44 f – bei subtrochantärer Femurfraktur
– – Belastung 803 – mit Tibiamarknagel 44, 44 f 636, 645 f, 646, 650
– Implantatlockerung 823 Titan-Pin 28 – Zieldraht 625 f, 626 ff
– Infektion 823 TLSO (thorakolumbosakrale Orthese) – Zielinstrumentarium 671
– instabile 805 201 – Zugang 625, 645 f, 646
– Klassifikation 801, 801 Torsionsverletzung, Lendenwirbelsäu- Trochanterosteotomie 549, 550 f
– Knochenheilung 807 le 197 – bei Pipkin-IV-Fraktur 573, 574 ff,
– – bei Gipsruhigstellung 804 Tossy-Klassifikation, AC-Gelenk-Luxa- 577
– Kompartmentsyndrom 805, 810 tion 226 Trochlea femoris, Patellaartikulation
– Komplikation 823 f Tractus iliotibialis 519, 526, 663, 746, 685
– Kompressionsplattenosteosynthese 748 Trümmerfraktur
817 – Ansatz 776 – Außenknöchel 865
– – Knochenheilung 807 Tractus-iliotibialis-Faszie 746 – Fibula 833
– Marknagelung 805, 805 f, 808 ff Traktionsaufnahme bei intertrochan- – Grundphalanx 455
– – Knochenheilung 807 tärer Femurfraktur 621 – Humerus s. Humerustrümmerfrak-
– – Patientenlagerung 808, 808 Tränenfigur, radiologische 510 tur
– – Schmerz im vorderen Knie- Transarticular retrograde Plate Osteo- – intraartikuläre, Endphalanx 447
bereich 808, 823 f synthesis 69 – Klavikula 254
– offene 805, 811 f Translation, palmare, bei distaler – Metakarpale 473 f
– – Behandlungsergebnisse 821 Radiusfraktur 408 – Mittelphalanx 456
– – Klassifikation 801 Transplantat, osteoseptokutanes 41 – Mittelphalanxbasis 461
– – Knochentransplantation 812 TRAP-Zugang bei distaler Humerus- – Navikulare 908 f, 909
– – Marknagelung 811 f fraktur 320 f, 329 – Olekranon s. Olekranontrümmer-
– – Plattenosteosynthese 817 Trapezoidresektion bei Two-plane- fraktur
– – Weichteilverschluss 812 Fehlstellung 92 – Patella s. Patellatrümmerfraktur
– Operationsindikation 804 f Trauma – Pfannenrand 565
– Plattenosteosynthese 817 f, 818 – First Hit 926 – Radius s. Radiustrümmerfraktur
– – Komplikation 817, 821 – muskuloskeletales, Infektion 18 – Radiusköpfchen 334
– – perkutane 817 – physiologische Veränderungen – subtrochantäre, LCP proximales
– – winkelstabile, Knochenheilung 926 ff Femur 652
807 – Second Hit 926 – Ulna s. Ulnatrümmerfraktur
– bei Polytrauma 805 Trauma-Spiral-CT 677 – Unterarm s. Unterarmtrümmer-
– proximale TraumaNetzwerkD DGU 936 fraktur
– – Marknagelung 812, 813 Traumazentrum Trümmerzone, Knochenzement-
– – Plattenosteosynthese, additive – lokales 936 anwendung 628
812, 813 – regionales 936 Tscherne-Klassifikation, Weichteilver-
– – Pollerschrauben 812, 813 – überregionales 936 letzung 1, 801
– – Repositionshilfe 812, 813 Trendelenburg-Hinken nach Femur- TSL surgical Drainage System 903
– Reposition 802 marknagelung 678 Tuber calcanei 896 f
– schwerverletzter Patient 943, 947 f Triangulärer fibrokartilaginärer Tuberculum
– Therapie 801 ff Komplex 394, 432 – Listeri 378, 394
– – Ergebnisse 821 ff – arthroskopische Inspektion 411 – majus 267
– – konservative 802 ff – Wiederherstellung 388 – – Dislokation nach Schrauben-
– – – Indikation 802 Trias, letale 931 osteosynthese 278
– – – Pseudarthrosenrate 804 Triceps-Sparing-Zugang bei distaler – – Fragment 260
– – operative 805 ff Humerusfraktur 316 ff, 318 – – Fraktur 263
Tibiaschaftkortikalis, Dicke 805, 805 Triceps-Splitting-Zugang bei distaler – – – dislozierte 263, 265
Tibiaschaftpseudarthrose, hypertro- Humerusfraktur 316 ff, 317 f – – Reposition 261
phe 103, 104 Trimalleolarfraktur 870 – minus 267
– Antigleitplatte 870 – – Fragment 260, 264
988 Sachverzeichnis

– – Fraktur, dislozierte 264 Ulnaschaftfraktur 374, 375 Unterschenkelfraktur s. auch Fibula-


– – Reposition 261 Ulnaschrägfraktur 379 f fraktur; s. auch Tibiafraktur
Tuber-Gelenk-Winkel 897, 897 Ulnaspiralfraktur 379 f – Kompartmentsyndrom 50
Tuberkularekonstruktion nach Schul- Ulnatrümmerfraktur 381 f, 383 – komplexe
tergelenkhemiarthroplastik 273, – Knochenersatz 388 f – – Amputation 822
273 f – Plattenosteosynthese, über- – – Extremitätenerhalt 822
Tuberositas brückende 382, 383 – offene, beidseitige 937, 938 f
– ossis navicularis 908 Umstellungsosteotomie, femorale, bei Unterschenkelgips bei Tibiaschaft-
– tibiae 745, 775 Femurkopfnekrose 605 fraktur 802, 802 f
– – Osteotomie bei Patellatrümmer- Universaldistraktor, Tibiamark- Unterschenkelkompartiment
fraktur 729 nagelung 808, 809 – anteriores 832
– – Patellarsehnenansatz 732 Unterarm – laterales 832
Tumorresektion, Knochentransplan- – interneurale Ebenen 373, 374 – tibiales 832
tat, allogenes 40 – Konstriktionsorte 58 Unterschenkelkompartment
Tunnelpräparation, femorale 750 Unterarmfasziotomie 58 f, 59 – anteriores 54, 56, 57
Tunneltechnik, transtibiale 741 Unterarmfraktur 290, 368 ff – hinteres
Two-plane-Fehlstellung 92 – Bildgebung, intraoperative 373 – – oberflächliches 54, 55 f, 56
Typ-A-Verletzung, atlantoaxiale 117, – Bracing, funktionelles 370, 371 – – tiefes 54, 55 f, 56
118 – dislozierte 372 – laterales 54, 56, 57
Typ-B-Verletzung, atlantoaxiale 117, – – Plattenosteosynthese 372 Urogenitaltraktverletzung bei
118 – Klassifikation 368 ff, 369 Beckenringverletzung 490
Typ-C-Verletzung, atlantoaxiale 117, – Knochenersatz 388 f
119 – Kompartmentsyndrom 51
Typ-I-Densfraktur 120, 121, 142 – Komplikation 390
V
Typ-II-Densfraktur 121 f, 121 f, 123, – Marknagelosteosynthese 389 VAC-Versorgung 932
124 ff – Operationsindikation 371 VACTM-Instill-Verband s. Vakuumver-
– neurologische Verletzung 142 – Operationstechnik 371, 373 ff siegelungssystem
– Pseudarthrose 142 – präoperative Planung 371, 372, 373 Vakuumschaumverband 4 f, 15 f
– Schraubenfixation, ventrale 129 – Refraktur nach Metallentfernung – Wirkmechanismen 16
Typ-IIa-Densfraktur 121, 122 390 Vakuumversiegelungssystem 22, 34
Typ-III-Densfraktur 121, 122 f, 123 – Reposition 368, 370 – Infektpseudarthrose 39
– Halo-Fixateur-Behandlung 142 – Retention 370 – Tibiafraktur, offene 31
– Therapie Valgusosteotomie, Femur, proximales
– – konservative 370 f 88
U – – operative 371 ff Vancomycin 31
Überbrückungskallus, Mangel 98 – Zugang 373 ff Varusosteotomie, Femur, proximales
Überbrückungsosteosynthese – – dorsaler 373, 374 f, 378 f 88
– Femurschaftfraktur 662 ff – – palmarer 373, 374, 376 f Vena
– perkutane 663 f, 666 – – ulnarer 373, 374 – cephalica 243, 245, 267
Überbrückungsplatte 66 Unterarmkompartment, volares 58 – iliaca externa 525
Ulna Unterarmmuskeln 373, 373 f – jugularis interna 253
– distale, Zugang 431 f – Extensorengruppe 374 – poplitea 746, 747
– proximale, Exposition 362 – Flexor-Pronator-Gruppe 374 – saphena 55
Ulnafraktur – mobiles Dreierbündel 374 – – kleine 12 f
– isolierte Unterarmpseudarthrose 390 – subclavia 253
– – funktionelles Bracing 370, 371 Unterarmquerfraktur 381, 382 – tibialis anterior 786
– – Rehabilitation 370 f Unterarmrotationsachse 368 – ulnaris 373
– isolierte, Klassifikation 368 Unterarmsäulen 401 Venenthrombose, tiefe 217
– metaphysäre, proximale 369 Unterarmtrümmerfraktur 381 f, 383 – bei Azetabulumfrakturbehandlung
– Plattenosteosynthese 379 ff, 380 f, – Plattenosteosynthese, über- 556
381 brückende 382, 383 – bei pertrochantärer Femurfraktur
– proximale Unterdruckwundtherapie 22 630
– – komplexe 362 Unterschenkel, neurovaskuläre Ventrikelseptumdefekt 940 f
– – – Spontanreposition 362 Strukturen 786 Verbrennung, Hautersatzmaterial 15
– – mit Olekranonfraktur 362 Unterschenkelfasziotomie 53, 54 ff Verbrugge-Zange 103, 105
– mit Radiusfraktur s. Unterarm- – eine Inzision 56, 57, 59 Verletzung
fraktur – laterale 54, 55, 57 f – knöcherne, thorakale 177
– Zugang 374, 375, 377 – mediale 54, 55 f, 56 – kraniozervikale 113 ff
– Zugschraube 379 f, 380 f – zwei Inzisionen 54 f, 54 ff, 55, 58 – – Harborview-Klassifikation 114
Ulnaquerfraktur 381, 382 – neurologische, intraoperative 220
Sachverzeichnis 989

– neurovaskuläre 2 Weichteilmanagement 15 – – Therapie


– patellofemorale 658 – bei Kalkaneusfraktur 895 f, 904 – – – konservative 197
– perilunäre 418, 420 – bei Phalanxfraktur 452 – – – minimalinvasive 219
– – Diagnostik 436 f Weichteilpräparation 6 – – – operative 214 f
– – umgekehrte 421 – minimale 6 – – – Ziel 197
– transskaphoidale 426 f Weichteilretraktion, No-touch-Tech- – – Zugang
Verriegelungsklingenplatte bei sub- nik 6 f, 8 – – – posteriorer 203 f
trochantärer Femurfraktur 651 Weichteilschwellung 2 – – – ventraler 204, 205
Verriegelungsnagel 292 Weichteilspreizung, stumpfe 6, 6 – transversale, thorakolumbale 198
Verriegelungsplatte 89, 783, 783 Weichteilverletzung (s. auch Wunde) Wirbelhinterkantenkompression bei
Verriegelungsschraube 273, 793 1f lumbaler Flexions-/Distraktionsver-
– femorale 627, 627 – AO-Klassifikation 1 f, 2 letzung 213, 214
– Tibiamarknagel 810 – Erstversorgung 4 Wirbelkeilfraktur 198
Vertebroplastie, thorakale 183 f, 191 – Infektion 22 Wirbelkörperfraktur, Hinterkanten-
Vessel-Loops 15 – Klassifikation 1 f, 2, 801 beteiligung 185, 195, 196
VISI-Fehlstellung, karpale 422 – Operationsindikation 2 f Wirbelsäule, 3-Säulen-Konzept 195
Visualisierungsmöglichkeit, intraope- – Operationsplanung 4 – kurzstreckige posteriore Instru-
rative 485 – Rückfuß 895, 896, 904 mentierung 199
Vitamin C, präoperatives, bei Kom- – schwerverletzter Patient 925, 941, Wirbelsäulendeformität
partmentsyndrom 61 942, 943 – frakturbedingte 199
Volkmann-Dreieck 869 – Tscherne-Klassifikation 1 – posttraumatische 217
– Fraktur 869 f – bei Verletzung der Lisfranc-Gelenk- – – thorakolumbale 218
– – dislozierte 869 reihe 914 – Reposition 203 f
– – Immobilisation 869 Weichteilverschluss 812 Wirbelsäulenspreizer, Facetten-
– Zugang 869, 871 Whirly Bird 701 gelenksreposition 166
Volkmann-Fragment 832 Windquist-I-Fraktur 668 Wirbelsäulenstabilisation, Indikation
– Fixation 869 f Windquist-II-Fraktur 668 197
– Größe 869 Windquist/Hanssen-Klassifikation, Fe- Wirbelsäulenstabilität, Whitesides-
– Reposition 869, 870 murschaftfraktur 658 Definition 197
Volkmann-Kontraktur nach Kompart- Windschlag-Beckendeformität 503, Wirbelsinterung 199 f
mentsyndrom 60 504 Wirbelspaltfraktur 198
Vorfußfraktur 883 Winkeldeformität 92 Wirbelzertrümmerung 197, 199, 216
Winkelplatte – bei lumbaler Berstungsfraktur 207,
– Femurfehlstellungskorrektur, dis- 216
W tale 95 f, 96 Wundbehandlung nach Fasziotomie
Wachstumsfaktoren 220 – bei pertrochantärer Femurfraktur 59 f
– Frakturheilung 107 618 f Wunddébridement 3 f, 22 f
– Knochentransplantat 37 – bei Schenkelhalsfraktur 585 Wunde
– Thrombozytenkonzentrat, auto- 95º-Winkelplatte – Dynamik 2, 4
genes 40 – bei Schenkelhalspseudarthrose – Erstversorgung 4
Watson-Jones-Zugang bei Schenkel- 102 f – Nekrosenentfernung 4
halsfraktur 591, 591 f, 596 – bei subtrochantärer Femurfraktur – Untersuchung 5
Weber-Klemme 538 639 Wundhaken 6
Weber-Zange Wirbelberstungsfraktur 198 Wundheilung, Zytokine 16
– Azetabulumquerfraktur-Reposition Wirbeldeckplattenimpaktion 198 Wundheilungsstörung 1
531 Wirbelfraktur Wundhöhlendistraktion nach Korpor-
– Iliosakralgelenkreposition 493 – Fragmentstellung 199 ektomie 210, 210
– Sakrumfragmentreposition 501 – neurologische Verschlechterung, Wundinfektion
– Symphysenreposition 489 postoperative 219 – nach Lendenwirbelsäulenfraktur
Weichteilbehandlung 1 ff – thorakolumbale 195 ff 216 f
– Ergebnisse 16 f – – AO-Klassifikation 198 – bei pertrochantärer Femurfraktur
– konservative 2 – – Beinvenenthrombose, tiefe 217 630
– operative 2 ff – – dislozierte 201 – tiefe 1
Weichteildefekt 4 f – – Instrumentierungssystem, mini- Wundranddehiszenz 907
– Deckung 5 malinvasives 219 Wundrandexzision 5
– – bei chronischer Osteitis 36 – – Komplikation 217 ff Wundrandnekrose 907
– – Zeitpunkt 6 – – Operationsindikation 201 Wundverkleinerung 15
– Komplikation 17 f – – Operationszeitpunkt 204 f
Weichteilkomplikation, postoperative – – posttraumatische Deformität 218,
908 218
990 Sachverzeichnis

– – medialer 686 f, 686 f, 689 f, 786 – Azetabulumquerfraktur-Reposition


Z – – – Blutversorgung 746 532
Zanca-Röntgenaufnahme 226 – – – bei retrograder Femurnagelung – bei distaler Tibiafraktur 836
Z-Effekt 631 698 – bei distaler Tibiaschaftfraktur 816
Zehenfraktur 921 – – medianer 776 – bei Fraktur des vorderen Azetabu-
Zervikalstütze 112 – nach Pfannenstiel s. Pfannenstiel- lumpfeilers 541
Zervikothorakaler Übergang Zugang – interfragmentäre, bei Ulnafraktur
– Computertomografie 153 – radialer 430, 431 379 f, 380 f
– Röntgenaufnahme 153 – submandibulärer retropharyn- – bei kombinierter Zwei-Pfeiler-
Zespol-System 66 gealer 129 Fraktur 540
Zielbügel, femoraler 759, 759 f – transoraler 130 – bei Patellalängsfraktur 727
Zugang – transpedikulärer 184 Zwei-Pfeiler-Fraktur 511, 512, 513,
– akromialer, anteriorer 299 f, 299 ff – ulnarer 374 514
– deltopektoraler 267, 268 720º-Zugang zur Halswirbelsäule 165 – kombinierte
– iliofemoraler, erweiterter 526 f, 527, Zugbehandlung, knöcherne, zervikale – – 3D-Rekonstruktion 545
543 ff 143 – – Reposition 544, 545, 545
– – bei Femurkopffraktur 571 Zuggurtungsnagel bei Patellafraktur – – – Zwei-Schrauben-Technik 544 f
– – modifizierter 592 729 – – Zugschraubenosteosynthese 540
– ilioinguinaler 484, 522 ff, 524 f Zuggurtungsosteosynthese – Operationsindikation 516
– – Nervenschädigung 557 – bei hypertropher Pseudarthrose – Reposition 538 hf , 544
– nach Kocher-Langenbeck s. Kocher- 100 – sekundäre Kongruenz 516
Langenbeck-Zugang – modifizierte 724 f, 726 – Zugang 522
– palmarer 374 f, 376 f, 384 f – Olekranonrefixation 320, 356 ff, – – erweiterter iliofemoraler 544
– parapatellarer 359 ff – – ilioinguinaler, erweiterter 543
– – lateraler 686, 688 f, 689 f, 705, – Patella 722 f, 722 f, 724 f, 725 Zytokine
776 – Processus styloideus ulnae 431, 433 – Wundheilung 16
– – – Blutversorgung 746 Zugschraube – zirkulierende 926 f
III

Am Ende eines jeden Kapitels, vor dem Literaturverzeichnis, finden Sie eine Auflistung der Videos, die die in dem
jeweiligen Kapitel beschriebenen Techniken zeigen; s. vordere Umschlagsseite für die Inhalte der DVDs 1 und 2.

DVD 3 DVD 4
21–1 ORIF of Infrafoveal Femoral Head Fracture 28–1 Double-Bundle Inlay Posterior Cruciate Ligament
21–2 ORIF of a Pipkin II Femoral Head Fracture Using (PCL) Reconstruction
the Smith-Petersen Approach 28–2 Hamstring Anterior Cruciate Ligament (ACL)
22–1 Watson-Jones Approach for ORIF of Femoral Neck Reconstruction
22–2 Closed Reduction and Pinning of a Femoral Neck 28–3 Posterolateral Corner Reconstruction
Fracture 28–4 Posteromedial Corner Reconstruction with
22–3 ORIF of Femoral Neck and Subtrochanteric Femur Autograft
Fracture with Locking Proximal Femur Plate 28–5 Posteromedial Corner Reconstruction with
22–4 Hemiarthroplasty of a Displaced Femoral Neck Allograft
Fracture 28–6 Placement of Compass Knee Hinge External
22–5 Hemiarthroplasty of a Displaced Femoral Neck Fixator
Fracture via the Anterior Approach 28–7 Bone-Patellar Tendon-Bone (BTB) ACL
23–1 ORIF of an Intertrochanteric Fracture Using Reconstruction with Bioabsorbable Pins
Sliding Screw and Side Plate 28–8 Double-Bundle Anatomical ACL Reconstruction
23–2 Intramedullary Nailing of an Unstable 28–9 Posterolateral Bundle of the ACL Reconstruction
Intertrochanteric Fracture 29–1 Rules of Locked Plating [see Video 4–1, Disk 1]
24–1 Unreamed Femoral Nailing To Treat Bilateral 29–2 ORIF of a Bicondylar Tibial Plateau Fracture with
Femur Fractures in a Multitrauma Patient the Less Invasive Stabilization System (LISS)
24–2 Trochanteric Nail for Reverse Oblique Internal Fixator [see Video 4–5, Disk 1]
Subtrochanteric Fracture 29–3 Submuscular Locked Fixation of a Combined C3
24–3 Blade Plate Fixation for a Russell-Taylor IA Distal Femur and C3 Proximal Tibial Fracture
Proximal Femur Fracture [see Video 26–6, Disk 3]
24–4 Proximal Femoral Locked Plating for Osteoporotic 29–4 ORIF of a Medial Tibial Plateau Fracture
Subtrochanteric Femur Fracture Dislocation with Locked Plating
24–5 ORIF of Femoral Neck and Subtrochanteric Femur 29–5 Arthroscopic-Assisted ORIF of a Tibial Plateau
Fracture with Locking Proximal Femur Plate Fracture
[see Video 22–3, Disk 3] 29–6 ORIF with a Small Wire Circular External Fixator
25–1 Tips and Tricks for Femoral Nailing [see Video 2–2, Disk 1]
25–2 Percutaneous Antegrade Femoral Nailing 29–7 Placement of Compass Knee Hinge External
25–3 Trochanteric Antegrade Nailing of the Femur Fixator [see Video 28–6, Disk 4]
25–4 Flexible Elastic Nail for Pediatric Femur Fracture 30–1 Intramedullary Nailing of a Tibia Fracture
25–5 Retrograde Intramedullary Nail for an A Type 30–2 Anterolateral Percutaneous Plating of a Spiral
Supracondylar Femur Fracture Distal Tibial Shaft Fracture
25–6 Retrograde Intramedullary Nailing of the Femur 30–3 External Fixation of the Tibia
25–7 ORIF of a Femoral Neck and Shaft Fracture 31–1 Application of an Ankle-Spanning External Fixator
25–8 Compression Plating of a Femur Nonunion 31–2 ORIF of a Partial Articular (Type B) Pilon Fracture
[see Video 5–2, Disk 1] 31–3 ORIF of a Pilon Fracture with a Periarticular
26–1 Minimally Invasive Percutaneous Plate Nonlocking Plate
Osteosynthesis of the Distal Femur 31–4 Locked Plating of a Pilon Fracture [see Video 4–6,
[see Video 4–2, Disk 1] Disk 1]
26–2 Retrograde Intramedullary Nail for A Type 31–5 ORIF of a Pilon Fracture Using a Posterior
Supracondylar Femur Fracture [see Video 25–5, Approach
Disk 3] 32–1 ORIF of an Open Ankle Fracture
26–3 Retrograde Intramedullary Nailing of the Distal 33–1 ORIF of a Talus Fracture
Femur [see Video 25–6, Disk 3] 33–2 ORIF of a Calcaneus Fracture
26–4 Arthroscopic-Assisted Removal of a Retrograde 33–3 Closed Reduction and External Fixation of a
Nail Cuboid (Lateral Column) Fracture
26–5 ORIF of a C2 Distal Femur Fracture with 33–4 ORIF of a Lisfranc Fracture Dislocation
Submuscular Locked Plating [see Video 4–4, Disk 1] 34–1 Unreamed Femoral Nailing To Treat Bilateral
26–6 Submuscular Locked Fixation of a Combined C3 Femur Fractures in a Multitrauma Patient
Distal Femur and C3 Proximal Tibial Fracture [see Video 24–1, Disk 3]
26–7 ORIF of a Periprosthetic Fracture with Submuscular 34–2 Application of an Ankle-Spanning External Fixator
Locked Plating [see Video 4–3, Disk 1] [see Video 31–1, Disk 4]
27–1 Tension Band Wire and ORIF of a Patella Fracture 34–3 The Use of a Reamer-Irrigator-Aspirator in a
with Minifragment Screws Multitrauma Patient [see Video 5–3, Disk 1]
27–2 Patella Nonunion

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