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Gastroenterologie compact

Alles für Klinik und Praxis

Herausgegeben von
Irmtraut Koop

Mit Beiträgen von


K. Beckh
H. Koop
I. Koop
P. G. Lankisch
J. Mayerle
G. Pommer

3., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

43 Abbildungen

Georg Thieme Verlag


Stuttgart · New York
Impressum
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ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klini-
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publi- sche Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesonde-
kation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte re was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt.
bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation
de abrufbar. erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Au-
toren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt
1. Auflage 2002 haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstel-
2. Auflage 2010 lung des Werkes entspricht.
Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikations-
formen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen
werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige
Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und ge-
gebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustel-
len, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder
die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Anga-
be in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist beson-
ders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen,
die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung
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Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa
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Zeichnungen: Karin Baum, Paphos, Zypern cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe
Umschlaggrafik: Martina Berge, Bad König
Redaktion: Dr. Susanne Meinrenken, Bremen
Satz: medionet Publishing Services Ltd., Berlin
gesetzt aus Adobe InDesign CS5
Druck: Grafisches Centrum Cuno, Calbe

ISBN 978-3-13-126313-1 123456

Auch erhältlich als E-Book:


eISBN (PDF) 978-3-13-157073-4
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Vorwort zur 3. Auflage


Vor Ihnen liegt die nun zum dritten Mal überar- Buch für den täglichen Gebrauch, für den Einsatz
beitete, ergänzte und umgestaltete Ausgabe von am Patienten verbessert werden kann, sind auch
„Gastroenterologie compact“. In kürzester Zeit hat viele Zuschriften von praktisch tätigen Gastroen-
sich die Medizin weiterentwickelt, so dass wir be- terologen in Praxis und Krankenhaus eingeflossen.
reits nach wenigen Jahren eine Neuauflage für un-
abdingbar hielten. Die Weiterentwicklung des Bu- Mein ganz besonderer Dank gilt dem unermüdli-
ches betrifft das Hinzufügen ganzer Kapitel, kom- chen Einsatz meiner Co-Autoren, die auch dieses
plette Einarbeitung der neuesten Leitlinien sowie Mal mit sehr großer Tatkraft an der Überarbeitung
die Überarbeitung von Diagnostik- und Therapie- und dem Gelingen der 3. Auflage beigetragen ha-
Algorithmen. Für das Pankreas-Kapitel konnte ben. Nicht zuletzt danke ich dem Thieme-Verlag
eine zusätzliche Autorin gewonnen werden. Dank für die kontinuierliche Begleitung des Projektes
der Zustimmung vieler Leser und Benutzer des Bu- und seine intensive Unterstützung in allen verlags-
ches, aber auch durch Zusendung von Kritik und technischen Belangen.
vor allem wohlgemeinten Ratschlägen, ist uns die
Aktualisierung in dieser Form gelungen. Parallel zu Hamburg, März 2013 Irmtraut Koop
den Überlegungen der einzelnen Autoren, wie das
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Anschriften
Herausgeber
Koop, Irmtraut, Prof. Dr. med.
Klinik für Allgemeine Innere Medizin
und Gastroenterologie
Ev. Amalie Sieveking-Krankenhaus
Haselkamp 33
22359 Hamburg

Mitarbeiter
Beckh, Karlheinz, Prof. Dr. med.
Medizinische Klinik II
Klinikum Worms gGmbH
Gabriel-von-Seidl-Str. 81
67550 Worms

Koop, Herbert, Prof. Dr. med.


HELIOS Klinikum Berlin
Klinik für Allgemeine Innere Medizin
und Gastroenterologie
Schwanebecker Chaussee 50
13125 Berlin

Lankisch, Paul G., Prof. Dr. med., FRCP, FACG


Reiherstieg 23
21337 Lüneburg

Mayerle, Julia, Prof. Dr. med.


Universitätsklinikum Greifswald
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A
Ferdinand-Sauerbruch-Straße
17475 Greifswald

Pommer, Gerd, Dr. med.


Lasiusstr. 29
26122 Oldenburg
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Inhaltsverzeichnis
Gastro­enterologische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1.1 Dysphagie . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.10 Bauchschmerzen . . . . . . . . . . . . . 30


H. Koop H. Koop

1.10.1 Akute Bauchschmerzen . . . . . . . . . . 30


1.2 Odynophagie . . . . . . . . . . . . . . . 20
1.10.2 Chronische Bauchschmerzen . . . . . . . 34
H. Koop

1.11 Akutes Abdomen . . . . . . . . . . . . . 35


1.3 Sodbrennen/retrosternaler
H. Koop
(nicht kardialer) Schmerz . . . . . . . . 21
H. Koop
1.12 Blähungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
I. Koop
1.4 Foetor ex ore und Halitosis . . . . . . 22
H. Koop
1.13 Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
I. Koop
1.5 Singultus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
H. Koop 1.13.1 Akute Diarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . 39
1.13.2 Chronische Diarrhö . . . . . . . . . . . . 40
1.6 Übelkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
H. Koop 1.14 Obstipation . . . . . . . . . . . . . . . . 43
I. Koop
1.7 Erbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
H. Koop 1.15 Ikterus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
K. Beckh
1.8 Hämatemesis . . . . . . . . . . . . . . . 26
H. Koop 1.16 Aszites . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
K. Beckh
1.9 Peranaler Blutabgang:
Hämatochezie, Meläna, ­ 1.17 Anorexie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
okkulte Blutung . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Koop
H. Koop
1.18 Gewichtsverlust . . . . . . . . . . . . . . 50
K. Beckh

Gastro­enterologische Krankheitsbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

2 Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
H. Koop

2.1 Anatomie und physiologische 2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen . . . 59


Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.4 Störungen der Motilität . . . . . . . . 64
2.2 Anatomische Läsionen . . . . . . . . . 54 2.4.1 Achalasie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
2.2.1 Divertikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4.2 Hyperkontraktile Motilitätsstörungen . 66
2.2.2 Hiatushernien . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.4.3 Sekundäre Motilitätsstörungen . . . . . 68
2.2.3 Ringe und Webs . . . . . . . . . . . . . . 58
10  Inhaltsverzeichnis

2.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit . 70 2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse . . . 92


2.8.1 Lokale, medikamentös bedingte
2.6 Infektionen des Ösophagus . . . . . . 77 Läsionen („Pillenösophagitis“) . . . . . . 92
2.6.1 Bakterielle und parasitäre 2.8.2 Mukositis bei Chemotherapie . . . . . . 94
Infektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2.8.3 Strahlenbedingte Schäden . . . . . . . . 95
2.6.2 Virale Infektionen . . . . . . . . . . . . . 78 2.8.4 Chemische Verätzungen . . . . . . . . . 96
2.6.3 Pilzinfektionen . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.8.5 Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . . 97

2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, 2.9 Entzündliche, nicht


benigne und maligne Tumoren . . . . 80 infektiöse Erkrankungen mit
2.7.1 Barrett-Ösophagus . . . . . . . . . . . . . 80 Ösophagusbeteiligung . . . . . . . . . . 98
2.7.2 Präkanzerosen . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.9.1 Eosinophile Ösophagitis . . . . . . . . . . 98
2.7.3 Plattenepithelkarzinom 2.9.2 Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . . 99
des Ösophagus . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.9.3 Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . . . 100
2.7.4 Adenokarzinom des Ösophagus . . . . . 88
2.7.5 Benigne Mukosatumoren . . . . . . . . . 91 2.10 Sonstige Ösophaguserkrankungen 101
2.7.6 Mesenchymale Tumoren . . . . . . . . . 92 2.10.1 Glykogenakanthose . . . . . . . . . . . . 101

3 Magen und Duodenum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102


H. Koop

3.1 Anatomie und physiologische 3.10 Seltene Ursachen gastrointesti­-


Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 naler Blutungen aus Magen
und Duodenum . . . . . . . . . . . . . 125
3.2 Anatomische Läsionen . . . . . . . . . 104
3.2.1 Divertikel von Magen und Duodenum 104 3.11 Reizmagen – funktionelle
3.2.2 Volvulus des Magens . . . . . . . . . . 105 Dyspepsie . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

3.3 Motilitätsstörungen . . . . . . . . . . 106 3.12 Tumoren des Magens . . . . . . . . . 131


3.12.1 Gutartige Neubildungen . . . . . . . . 131
3.4 Magenausgangsstenose . . . . . . . 108 3.12.2 Mesenchymale Tumoren . . . . . . . . 132
3.12.3 Magenkarzinom . . . . . . . . . . . . . 136
3.5 Mallory-Weiss-Syndrom . . . . . . . 109 3.12.4 Magenlymphom . . . . . . . . . . . . . 141

3.6 Akute Gastritis . . . . . . . . . . . . . 110 3.13 Verätzungen und mechanische


3.6.1 Akute Gastritis und Gastropathie . . . 110 Läsionen des Magens und
3.6.2 Infektionen des Magens (außer Duodenums . . . . . . . . . . . . . . . 143
Helicobacter-pylori-Infektion) . . . . . 111
3.14 Amyloidose . . . . . . . . . . . . . . . 144
3.7 Chronische Gastritis . . . . . . . . . . 112
3.7.1 Helicobacter-pylori-Infektion . . . . . 112 3.15 Operationsfolgen . . . . . . . . . . . . 145
3.7.2 Autoimmune Gastritis . . . . . . . . . . 115 3.15.1 Dumping-Syndrom . . . . . . . . . . . . 145
3.7.3 Gallereflux-Gastropathie . . . . . . . . 116 3.15.2 Syndrom der zuführenden Schlinge . . 147
3.7.4 Eosinophile Gastroenteritis . . . . . . 116 3.15.3 Diarrhö nach Magenoperationen . . . 147
3.7.5 Granulomatöse Gastritis . . . . . . . . 118 3.15.4 Metabolische Folgen der
Magenchirurgie . . . . . . . . . . . . . . 148
3.8 Hypertrophe Gastropathie/
Morbus Ménétrier . . . . . . . . . . . 119 3.16 Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.16.1 Verschlucken verschiedener
3.9 Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi 120 Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . 149
3.16.2 Bezoare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Inhaltsverzeichnis  11

4 Darm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
I. Koop

4.1 Anatomie und physiologische 4.16 Toxisches Megakolon . . . . . . . . . 229


Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 151
4.17 Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . 230
4.2 Kongenitale Anomalien und
anatomische Varianten . . . . . . . . 156 4.18 Mikroskopische Kolitis (kollagene
4.2.1 Meckel-Divertikel . . . . . . . . . . . . 156 und lymphozytäre Kolitis) . . . . . . 232
4.2.2 Volvulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
4.2.3 Weitere Anomalien und Fehlbildungen 158 4.19 Eosinophile Gastroenteritis . . . . . 233

4.3 Dünndarmdivertikel . . . . . . . . . . 163 4.20 Eiweißverlust-Gastroenteropathie . 234

4.4 Bakterielle Fehlbesiedlung . . . . . . 164 4.21 Intestinale Lymphangiektasie


(primäre Form) . . . . . . . . . . . . . 235
4.5 Malabsorptionssyndrom . . . . . . . 165
4.22 Abetalipoproteinämie . . . . . . . . . 236
4.6 Kurzdarmsyndrom . . . . . . . . . . . 168
4.23 Graft-versus-Host-Disease . . . . . . 237
4.7 Gallensäureverlustsyndrom . . . . . 169
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome
4.8 Laktoseintoleranz . . . . . . . . . . . 170 des Dünndarms und des Kolons . . 238
4.24.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 238
4.9 Andere Formen der 4.24.2 Adenom (solitär oder multipel) . . . . 241
Kohlenhydratmalabsorption . . . . 171 4.24.3 Hyperplastische Polypen . . . . . . . . 241
4.24.4 Entzündliche Polypen . . . . . . . . . . 242
4.10 Nahrungsmittelunverträglichkeit . 172 4.24.5 Hereditäre Polyposis-Syndrome . . . . 243
4.24.6 Submukosale/mesenchymale Polypen 249
4.11 Systemische Mastozytose . . . . . . 175
4.25 Colitis cystica profunda . . . . . . . . 250
4.12 Reizdarmsyndrom (RDS) . . . . . . . 177
4.26 Pneumatosis cystoides intestinalis . 250
4.13 Infektionserkrankungen
des Dünn- und Dickdarms . . . . . . 180 4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms
4.13.1 Akute infektiöse Enteritis . . . . . . . . 180 und des Kolons . . . . . . . . . . . . . 251
4.13.2 Reisediarrhö . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.27.1 Dünndarmtumoren allgemein . . . . . 251
4.13.3 Andere Enteritiserreger: Bakterien, 4.27.2 Dünndarm(adeno)karzinom . . . . . . 252
Pilze, Parasiten (Auswahl) . . . . . . . 194 4.27.3 Karzinoid des Darms . . . . . . . . . . . 254
4.13.4 Tropische Sprue . . . . . . . . . . . . . . 198 4.27.4 Gastrointestinales Lymphom . . . . . . 254
4.13.5 Morbus Whipple . . . . . . . . . . . . . 198 4.27.5 Kolorektales Karzinom . . . . . . . . . 258
4.13.6 HIV-Enteropathie . . . . . . . . . . . . . 201 4.27.6 Appendixkarzinom und
4.13.7 AIDS-assoziierte Infektionen Pseudomyxoma peritonei . . . . . . . . 272
des Intestinaltrakts . . . . . . . . . . . 201 4.27.7 Andere maligne Darmtumoren . . . . . 274
4.13.8 Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . 204
4.28 Appendizitis . . . . . . . . . . . . . . . 276
4.14 Zöliakie (Einheimische Sprue) . . . 205
4.29 Hernien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
4.15 Chronisch entzündliche Darm­
erkrankungen: Morbus Crohn 4.30 Divertikulose –
und Colitis ulcerosa . . . . . . . . . . 210 Divertikelkrankheit . . . . . . . . . . . 279
4.15.1 Morbus Crohn . . . . . . . . . . . . . . . 210 4.30.1 Divertikulitis . . . . . . . . . . . . . . . 281
4.15.2 Colitis ulcerosa . . . . . . . . . . . . . . 221 4.30.2 Divertikelblutung . . . . . . . . . . . . 285
12  Inhaltsverzeichnis

4.31 Mechanischer Ileus . . . . . . . . . . . 285 4.37 Vaskuläre Erkrankungen


des Dünn- und Dickdarms . . . . . . 300
4.32 Paralytischer Ileus . . . . . . . . . . . 288 4.37.1 Akute mesenteriale Ischämie . . . . . 301
4.37.2 Chronische intestinale Ischämie . . . . 304
4.33 Motilitätsstörungen des Darms . . 289 4.37.3 Ischämische Kolitis . . . . . . . . . . . . 305
4.33.1 Morbus Hirschsprung und andere
primäre ­neuromyopathische 4.38 Darmbeteiligung bei
Erkrankungen des Darms . . . . . . . . 291 Systemerkrankungen . . . . . . . . . 307
4.33.2 Megakolon . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4.38.1 Amyloidose . . . . . . . . . . . . . . . . 307
4.33.3 Akute kolonische 4.38.2 Sarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . 308
Pseudoobstruktion (ACPO) . . . . . . . 293 4.38.3 Systemische Vaskulitiden und
4.33.4 Chronische intestinale Kollagenosen . . . . . . . . . . . . . . . 308
Pseudoobstruktion (CIPO) . . . . . . . 295 4.38.4 Immundefekte . . . . . . . . . . . . . . 314
4.38.5 Endokrinologische Erkrankungen . . . 314
4.34 Diversionskolitis . . . . . . . . . . . . 297
4.39 Malakoplakie . . . . . . . . . . . . . . 315
4.35 Strahlenenterokolitis . . . . . . . . . 297
4.40 Endometriose . . . . . . . . . . . . . . 316
4.36 NSAR induzierte Dünn- und
Dickdarmläsionen . . . . . . . . . . . 299 4.41 Melanosis coli . . . . . . . . . . . . . . 316

5 Anorektum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317
G. Pommer

5.1 Anatomie und Physiologie . . . . . . 317 5.14 Analfissur . . . . . . . . . . . . . . . . . 326

5.2 Proktologische Untersuchung . . . 319 5.15 Hämorrhoiden . . . . . . . . . . . . . 327

5.3 Marisken . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 5.16 Analfistel . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

5.4 Analekzem . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5.17 Analabszess . . . . . . . . . . . . . . . 330

5.5 Erythrasma . . . . . . . . . . . . . . . . 321 5.18 Analkarzinom . . . . . . . . . . . . . . 330

5.6 Morbus Bowen . . . . . . . . . . . . . 321 5.19 Funktionsstörung des


Beckenbodens – Inkontinenz . . . . 332
5.7 Morbus Paget . . . . . . . . . . . . . . 321
5.20 Anorektale Entleerungsstörung
5.8 Streptokokkendermatitis . . . . . . 322 (Outlet-Obstipation) . . . . . . . . . . 333

5.9 Virusbedingte anale Erkrankungen 322 5.21 Anorektale Prolapsformen . . . . . . 334


5.9.1 Feigwarzen (Condylomata acuminata; 5.21.1 Analprolaps . . . . . . . . . . . . . . . . 334
spitze Kondylome) . . . . . . . . . . . . 322 5.21.2 Mukosaprolaps (Rektumvorderwand-
5.9.2 Herpes zoster . . . . . . . . . . . . . . . 323 Prolaps mit Ulcus recti simplex) . . . . 334
5.9.3 Herpes simplex . . . . . . . . . . . . . . 323 5.21.3 Rektozele (Descensus perinei) . . . . . 335
5.21.4 Rektumprolaps . . . . . . . . . . . . . . 335
5.10 Acne inversa . . . . . . . . . . . . . . . 324
5.22 Proktalgia fugax . . . . . . . . . . . . 336
5.11 Sinus pilonidalis . . . . . . . . . . . . . 324
5.23 Kokzygodynie . . . . . . . . . . . . . . 336
5.12 Anale Tinea . . . . . . . . . . . . . . . . 325
5.24 Pruritus ani . . . . . . . . . . . . . . . . 337
5.13 Analthrombose . . . . . . . . . . . . . 325
Inhaltsverzeichnis  13

6 Pankreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340
J. Mayerle, P. G. Lankisch

6.1 Anatomie, Embryologie und 6.7 Adenokarzinom des Pankreas . . . 367


Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . 340
6.1.1 Exokrine Pankreassekretion . . . . . . 340 6.8 Seltene solide Pankreastumoren . . 373
6.8.1 Azinuszellkarzinom . . . . . . . . . . . 373
6.2 Angeborene Fehlbildungen . . . . . 341 6.8.2 Pankreatoblastom . . . . . . . . . . . . 373
6.8.3 Metastasen . . . . . . . . . . . . . . . . 373
6.3 Seltene Syndrome mit
Pankreasbeteiligung . . . . . . . . . . 342 6.9 Zystische Pankreasläsionen . . . . . 373
6.3.1 Shwachman-Syndrom . . . . . . . . . . 342 6.9.1 Intraduktale papillär-muzinöse
6.3.2 Johanson-Blizzard-Syndrom . . . . . . 342 Neoplasie (IPMN) . . . . . . . . . . . . . 374
6.3.3 Sideroblastische Anämie . . . . . . . . 342 6.9.2 Muzinös-zystische Neoplasie . . . . . 375
6.3.4 Isolierte Enzymdefekte . . . . . . . . . 342 6.9.3 Serös-zystische Neoplasie . . . . . . . 375
6.3.5 Angeborene Stoffwechseldefekte . . . 343 6.9.4 Solide pseudopapilläre Neoplasie
(SPN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
6.4 Akute Pankreatitis . . . . . . . . . . . 343 6.9.5 Pseudozysten . . . . . . . . . . . . . . . 376
6.9.6 Zystische Läsionen: diagnostisches
6.5 Chronische Pankreatitis . . . . . . . 354 und differenzialdiagnostisches
Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
6.6 Autoimmunpankreatitis . . . . . . . 365

7 Leber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
K. Beckh

7.1 Anatomie und physiologische 7.4.5 HIV-Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . . 405


Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 7.4.6 Varizella-Zoster-Hepatitis . . . . . . . . 406
7.4.7 Rubella-Hepatitis . . . . . . . . . . . . . 406
7.2 Differenzialdiagnostisches 7.4.8 FSME-Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . 406
Vorgehen bei pathologischen 7.4.9 Marburg-Virus-Krankheit . . . . . . . . 406
Laborbefunden . . . . . . . . . . . . . . 382 7.4.10 Weitere virale Erkrankungen mit
7.2.1 Transaminasenerhöhung . . . . . . . . 382 Leberbeteiligung . . . . . . . . . . . . . 406
7.2.2 Cholestasewerte . . . . . . . . . . . . . . 382
7.5 Bakterielle Infektionen . . . . . . . . 407
7.3 Akute und chronische 7.5.1 Leberabszess . . . . . . . . . . . . . . . . 407
Virushepatitis . . . . . . . . . . . . . . 383 7.5.2 Leptospirose (Morbus Weil) . . . . . . . 408
7.3.1 Akute Hepatitis A . . . . . . . . . . . . . 383 7.5.3 Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . 408
7.3.2 Akute Hepatitis B . . . . . . . . . . . . . 386 7.5.4 Weitere bakterielle Erkrankungen
7.3.3 Chronische Hepatitis B . . . . . . . . . . 390 mit Leberbeteiligung . . . . . . . . . . . 409
7.3.4 Akute Hepatitis C . . . . . . . . . . . . . 393
7.3.5 Chronische Hepatitis C . . . . . . . . . . 395 7.6 Pilzerkrankungen . . . . . . . . . . . . 409
7.3.6 Akute Hepatitis D . . . . . . . . . . . . . 399 7.6.1 Candidiasis . . . . . . . . . . . . . . . . . 409
7.3.7 Chronische Hepatitis D . . . . . . . . . . 400 7.6.2 Aspergillose . . . . . . . . . . . . . . . . 410
7.3.8 Akute Hepatitis E . . . . . . . . . . . . . 401 7.6.3 Kryptokokkose . . . . . . . . . . . . . . 410
7.3.9 Akute Hepatitis G . . . . . . . . . . . . . 402 7.6.4 Andere Pilzerkrankungen . . . . . . . . 410

7.4 Andere virale Infektionen . . . . . . . 403 7.7 Parasitäre Erkrankungen . . . . . . . 410


7.4.1 CMV-Hepatitis . . . . . . . . . . . . . . . 403 7.7.1 Protozoonosen . . . . . . . . . . . . . . . 410
7.4.2 Herpes-simplex-Hepatitis . . . . . . . . 403 7.7.2 Helminthosen . . . . . . . . . . . . . . . 413
7.4.3 Epstein-Barr-Virus-Hepatitis . . . . . . 404 7.7.3 Nematoden . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
7.4.4 Masern-Hepatitis . . . . . . . . . . . . . 405
14  Inhaltsverzeichnis

7.8 Hereditäre Lebererkrankungen . . 417 7.15 Maligne Tumoren der Leber . . . . . 453
7.8.1 Krankheiten des 7.15.1 Hepatozelluläres Karzinom . . . . . . . 453
Kohlenhydratstoffwechsels . . . . . . . 417 7.15.2 Fibrolamelläres Karzinom . . . . . . . 458
7.8.2 Alpha1-Antitrypsin-Mangel . . . . . . . 420 7.15.3 Hepatoblastom . . . . . . . . . . . . . . 459
7.8.3 Mukoviszidose . . . . . . . . . . . . . . 422 7.15.4 Angiosarkom . . . . . . . . . . . . . . . 459
7.8.4 Störungen des 7.15.5 Lebermetastasen . . . . . . . . . . . . . 460
Aminosäurenstoffwechsels . . . . . . . 423
7.8.5 Störungen des Harnstoffzyklus . . . . 424 7.16 Autoimmunhepatitis . . . . . . . . . 461
7.8.6 Lipidspeicherkrankheiten . . . . . . . . 425
7.8.7 Angeborene Störungen der Gallen- 7.17 Primär biliäre Zirrhose . . . . . . . . 463
wege und der Gallenbiosynthese . . . 428
7.8.8 Familiäre nicht hämolytische 7.18 Primär sklerosierende Cholangitis . 465
Hyperbilirubinämien . . . . . . . . . . 430
7.8.9 Gefäßmalformationen . . . . . . . . . . 432 7.19 Alkoholhepatitis . . . . . . . . . . . . 467

7.9 Porphyrien . . . . . . . . . . . . . . . . 433 7.20 Nicht alkoholische Fettleber


7.9.1 Erythropoetische Porphyrien . . . . . 433 und Fettleberhepatitis . . . . . . . . 468
7.9.2 Akute hepatische Porphyrien . . . . . 433
7.9.3 Nicht akute hepatische Porphyrie . . . 436 7.21 Leberzirrhose . . . . . . . . . . . . . . 469

7.10 Hämochromatose . . . . . . . . . . . 437 7.22 Portale Hypertension und


gastrointestinale ­Blutung . . . . . . 471
7.11 Morbus Wilson . . . . . . . . . . . . . 439
7.23 Aszites (hepatogen) . . . . . . . . . . 475
7.12 Schwangerschaftsassoziierte
Lebererkrankungen . . . . . . . . . . 441 7.24 Hepatischer Hydrothorax . . . . . . 477
7.12.1 Intrahepatische Schwangerschafts­
cholestase (idiopathischer 7.25 Spontan bakterielle Peritonitis . . . 477
Schwangerschaftsikterus) . . . . . . . 441
7.12.2 Präeklampsie . . . . . . . . . . . . . . . 442 7.26 Hepatorenales Syndrom . . . . . . . 479
7.12.3 HELLP-Syndrom . . . . . . . . . . . . . 443
7.12.4 Akute Schwangerschaftsfettleber . . . 443 7.27 Hepatische Enzephalopathie . . . . 480

7.13 Probleme von Lebererkrankungen 7.28 Akutes Leberversagen . . . . . . . . 482


in der Schwangerschaft . . . . . . . 445
7.13.1 Akute Virushepatitis (HAV bis HEV, 7.29 Leberbeteiligung bei
Herpes simplex) . . . . . . . . . . . . . 445 Systemerkrankungen . . . . . . . . . 483
7.13.2 Morbus Wilson . . . . . . . . . . . . . . 446 7.29.1 Sarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
7.13.3 Andere chronische Lebererkran- 7.29.2 Panarteriitis nodosa . . . . . . . . . . . 484
kungen in der Schwangerschaft . . . . 446 7.29.3 Amyloidose . . . . . . . . . . . . . . . . 484
7.29.4 Postoperative Cholestase . . . . . . . . 485
7.14 Benigne Tumoren der Leber . . . . . 447 7.29.5 Hämatologische Systemerkrankungen 485
7.14.1 Fokal noduläre Hyperplasie . . . . . . 447 7.29.6 Lymphatische Systemerkrankungen . 486
7.14.2 Adenom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 7.29.7 Sonstige Systemerkrankungen . . . . . 486
7.14.3 Kavernöses Hämangiom . . . . . . . . 449
7.14.4 Benignes Hämangioendotheliom . . . 450 7.30 Chemisch-toxischer Leberschaden . 486
7.14.5 Leberzysten . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7.30.1 Medikamentös-toxischer
7.14.6 Polyzystische Lebererkrankung . . . . 452 Leberschaden . . . . . . . . . . . . . . . 487
7.14.7 Von-Meyenburg-Komplex . . . . . . . 452
7.14.8 Peliosis hepatis . . . . . . . . . . . . . . 453 7.31 Vanishing-Bile-Duct-Syndrom . . . 488
Inhaltsverzeichnis  15

7.32 Vaskuläre Erkrankungen der Leber 488 7.32.4 Schockleber . . . . . . . . . . . . . . . . 491


7.32.1 Budd-Chiari-Syndrom . . . . . . . . . . 488 7.32.5 Stauungsleber . . . . . . . . . . . . . . . 492
7.32.2 Veno-occlusive-Disease . . . . . . . . . 489 7.32.6 Erkrankungen der Leberarterien . . . 492
7.32.3 Pfortaderthrombose . . . . . . . . . . . 490
7.33 Lebertransplantation . . . . . . . . . 493

8 Gallenblase und Gallenwege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495


K. Beckh

8.1 Anatomie und physiologische 8.5 Motilitätsstörungen des Ductus


Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 choledochus und des Sphinkter
8.1.1 Anatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Oddi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503
8.1.2 Physiologische Funktion . . . . . . . . 495
8.6 Cholangitis . . . . . . . . . . . . . . . . 504
8.2 Hereditäre Erkrankungen
der Gallenwege . . . . . . . . . . . . . 495 8.7 Benigne Neubildungen . . . . . . . . 505
8.2.1 Gallengangatresie . . . . . . . . . . . . 495 8.7.1 Gallenblasenadenom . . . . . . . . . . 505
8.2.2 Gallengangszysten . . . . . . . . . . . . 496 8.7.2 Adenomyomatose der Gallenblase . . 506
8.2.3 Caroli-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . 497 8.7.3 Cholesterinpolypen . . . . . . . . . . . 506
8.7.4 Gallengangpapillomatose . . . . . . . . 506
8.3 Gallensteinerkrankung . . . . . . . . 498 8.7.5 Papillenadenom . . . . . . . . . . . . . 507
8.3.1 Choledocho- und Cholangiolithiasis . . 498
8.3.2 Cholezystolithiasis . . . . . . . . . . . . 500 8.8 Gallenblasenkarzinom . . . . . . . . 507
8.3.3 Mirizzi-Syndrom . . . . . . . . . . . . . 501
8.9 Cholangiozelluläres Karzinom . . . 508
8.4 Cholezystitis . . . . . . . . . . . . . . . 502
8.10 Papillenkarzinom . . . . . . . . . . . . 513

9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des G


­ astrointestinaltrakts . . . . . . . . . 515
H. Koop

9.1 Allgemeine Prinzipien . . . . . . . . . 515 9.5 NET von Dünndarm und


Dickdarm . . . . . . . . . . . . . . . . . 525
9.2 Funktionell inaktive
neuroendokrine Tumoren . . . . . . 519 9.6 Verner-Morrison-Syndrom . . . . . . 527

9.3 Insulinom . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 9.7 Glukagonom . . . . . . . . . . . . . . . 528

9.4 Zollinger-Ellison-Syndrom . . . . . . 523 9.8 Somatostatinom . . . . . . . . . . . . 528

Gastro­enterologische Spezialdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531

10 Funktionsuntersuchungen von Ösophagus und Magen . . . . . . . . . . . . 533


H. Koop

10.1 pH-Metrie und Impedanzmessung 10.3 Manometrie des Ösophagus . . . . 535


des Ösophagus . . . . . . . . . . . . . 533
10.4 Magensekretionsanalyse . . . . . . . 536
10.2 pH-Metrie des Magens . . . . . . . . 535
16  Inhaltsverzeichnis

11 Pankreasfunktionsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538
J. Mayerle

11.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 538 11.3 Indirekte Testverfahren . . . . . . . . 539


11.3.1 Elastase im Stuhl . . . . . . . . . . . . . 539
11.2 Direktes Testverfahren . . . . . . . . 539 11.3.2 Pankreolauryltest . . . . . . . . . . . . 540
11.2.1 Sekretin-Pankreozymin-Test . . . . . . 539 11.3.3 Stuhlfettbestimmung . . . . . . . . . . 540

12 Leberfunktionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
K. Beckh

12.1 Galaktose-Eliminationskapazität . . 541 12.3 Methacetintest . . . . . . . . . . . . . 542

12.2 MEGX-Test . . . . . . . . . . . . . . . . 541

13 Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543


I. Koop

14 Dünndarmfunktionsdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545
I. Koop

14.1 H2-Atemtests . . . . . . . . . . . . . . 545 14.2 Fäkale Alpha1-Antitrypsin-


14.1.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 545 Clearance . . . . . . . . . . . . . . . . . 548
14.1.2 Laktose-H2-Atemtest . . . . . . . . . . 546
14.1.3 Glukose-H2-Atemtest . . . . . . . . . . 546 14.3 Dünndarmmanometrie . . . . . . . . 549
14.1.4 Laktulose-H2-Atemtest . . . . . . . . . 547
14.1.5 Fruktose-H2-Atemtest . . . . . . . . . . 548

Wissenswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

15 Enterale und parenterale Ernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553


I. Koop

15.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 15.3 Parenterale Ernährung . . . . . . . . 557

15.2 Enterale Ernährung . . . . . . . . . . 553

16 Prophylaxe und Therapie spezieller gastrointestinaler Symptome


im Rahmen onkologischer Erkrankungen und Therapien . . . . . . . . . . . 559
I. Koop

16.1 Orale Mukositis, Diarrhö . . . . . . . 559 16.3 Gastrointestinale Obstruktion . . . 562

16.2 Nausea und Emesis . . . . . . . . . . . 561 16.4 Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . 563

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564
Gastro­
enterologische
Symptome
  19

1 Differenzialdiagnose
wichtiger Leitsymptome

1.1 Dysphagie  H. Koop

Definition Störung des Schluckvorgangs und des transösophagealen Transports für feste und/
oder flüssige Speisen.
Oropharyngeale Dysphagie: Die Patienten verschlucken sich, husten beim Essen
oder verweigern sich aus Angst vor Aspiration dem Essen und Trinken.
Ösophageale Dysphagie: Gefühl des Steckenbleibens der Nahrung hinter dem
Brustbein oder im Epigastrium. Häufig erfolgt Linderung durch Trinken, Essens-
pausen, auch Hüpfen, oder aber durch Erbrechen: Erbrochenes ist nicht sauer. Bei
ausgeprägter Stase sind nächtliche Aspirationen möglich (Husten, Räuspern etc.).

Mögliche Oropharyngeale Dysphagie:


Ursachen ██neurologische Erkrankungen:
–– ZNS: nach Schlaganfall, Morbus Parkinson etc.
–– peripher: Neuropathien
–– Muskelerkrankungen (Muskeldystrophie, metabolisch), Myasthenia gravis
(Frühsymptom!)
██Tumoren des Oropharynx einschließlich des proximalen Ösophagus
██Infektionen des Oropharynx einschließlich Abszesse, Tbc
██Störungen des oberen Ösophagussphinkters
██funktionell (z. B. Globusgefühl)

Ösophageale Dysphagie:
██Refluxkrankheit (wenn ohne peptische Stenose: eher eosinophile Ösophagitis?)
██eosinophile Ösophagitis (hier ist Dysphagie und rezidivierender Bolus Leitsym-
ptom)
██Motilitätsstörungen (Achalasie, Sklerodermie, diffuser Ösophagospasmus)
██Karzinome (ösophageal, extraösophageal via Kompression oder Ösophagus-
wand-Metastasen)
██Divertikel
██benigne Stenosen (gutartige Tumoren, Ringe bzw. Webs, Pseudodivertikulose,
Anastomosenstrikturen)
██Fremdkörper; Kompression von außen (Gefäße, spinaler Sporn)
██postoperativ (Fundoplicatio)
██funktionell

Differenzial­ Anamnese von zentraler Bedeutung, mit wenigen gezielten Fragen (Dauer der Dys-
diagnostisches phagie, Aspirationen, Bolusobstruktionen, Dysphagie für flüssige und / oder feste
Vorgehen Speisen, Odynophagie, Begleiterkrankungen etc) kann Verdachtsdiagnose gestellt
werden und zielgerichtete Diagnostik erfolgen.
Abb. 1.1 zeigt den Algorithmus der differenzialdiagnostischen Vorgehensweise bei
Dysphagie.
20  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

oropharyngeal Dysphagie ösophageal

Endoskopie
Inspektion (Soor, Tu)
unklarer
o. B. Befund

spezifische Therapie
Röntgen (KM)
Röntgen (KM)
unklarer
HNO / Endoskopie
Befund

unklarer
Manometrie
Befund
PEG
spezifische Diagnostik (spezifische Therapie)

weitere Diagnostik
z. B.
Myasthenie o. B. o. B.

funktionelle
spezifische Therapie Symptomatik Therapieversuch

Abb. 1.1 Algorithmus bei Dysphagie (KM = Kontrastmittel; PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie).

Oropharyngeale Dysphagie:
██HNO-ärztliche Untersuchung bzw. Endoskopie
██Röntenuntersuchung mit wasserlöslichem Kontrastmittel (dabei detaillierte
Darstellung des Einschluckakts)
██Röntgen: Thorax, HWS
██Manometrie des oberen Ösophagussphinkters

Ösophageale Dysphagie:
██Endoskopie, Biopsie (eosinophile Ösophagitis)
██Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel
██Manometrie
██Szintigrafie
██Röntgen: Thorax, BWS

1.2 Odynophagie  H. Koop

Definition Anhaltende, teils auch krampfartige Schmerzen beim Schlucken. Primär retroster-
nal lokalisiert, häufig in Rücken, Hals und Unterkiefer ausstrahlend und mit Dys-
phagie kombiniert. Abgrenzung der Symptome zu Angina-pectoris-Beschwerden
häufig schwierig bis unmöglich.
1.3 Sodbrennen/retrosternaler (nicht kardialer) Schmerz   21

Mögliche
██ Infektionen: am häufigsten Soor, zudem andere Infektionen, teils mit Ulzera
Ursachen (HIV, CMV, Herpes, Tuberkulose)
██ Medikamentenulzera („Pillenösophagitis“)
██ Morbus Crohn
██ Tumoren
██ hypermotile Motilitätsstörungen; Refluxkrankheit (selten)

Differenzial­ ██ klinisches Gesamtbild (z. B. AIDS, Immunstatus)


diagnostisches ██ Medikamentenanamnese (z. B. Antibiotika, inhalative Steroide)
Vorgehen ██ Endoskopie: wichtigste apparative Maßnahme (einschließlich Biopsie, evtl. mit
Kultur)
██ Manometrie

1.3 Sodbrennen/retrosternaler
(nicht kardialer) Schmerz  H. Koop

Definition Von epigastral aufsteigender, brennender Schmerz hinter dem Brustbein, der u. U.
bis in den Hals und in den Pharynx ausstrahlt, häufig assoziiert mit saurem Aufsto-
ßen und saurer Regurgitation. Auslöser ist der Rückfluss von Säure in den Ösopha-
gus, aber auch duodenogastroösophagealer Reflux; in letzterem Fall meist bitteres
Aufstoßen bzw. gallige Regurgitation. Fließende Übergänge vom Sodbrennen zum
rein retrosternalen Schmerz.

Mögliche ██ Leitsymptom der Refluxkrankheit (s. Kap. 2.5 Gastroösophageale Refluxkrank-


Ursachen heit)
██ funktionelles Sodbrennen (infolge Perzeptionsstörung des Ösophagus, mehr
durch andere intraösophageale Stimuli wie Dehnungsreize induziert als durch
Säure) oder hypersensitiver Ösophagus (durch Reflux geringfügiger Säuremen-
gen bei aber insgesamt normaler Säureexposition)
██ hypermotile Motilitätsstörungen (Begleitsymptom)
██ Achalasie (nicht durch Säure bedingt)

Differenzial­ Wird Sodbrennen als führendes Symptom angegeben, ist eine gastroösophagea-
diagnostisches le Refluxkrankheit sehr wahrscheinlich; ist es dagegen untergeordnetes Symptom
Vorgehen bei anderen im Oberbauch lokalisierten Beschwerden, kommt Sodbrennen keine
für die Diagnostik wegweisende Bedeutung zu. Refluxkrankheit kann mehr (ret-
rosternalen) Thoraxschmerz auslösen, für Patienten u. U. schwer vom Sodbrennen
abzugrenzen.
Wichtigste weiterführende Untersuchungen:
██ Endoskopie bzw.
██ Probetherapie mit Protonenpumpenblocker, bei Patienten mit (nicht kardialem)
Thoraxschmerz: NNT [number needed to treat] = 3!
██ EKG in Ruhe und unter Belastung: zum Ausschluss einer KHK
██ Manometrie: in seltenen Fällen
██ Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel: zur Klärung von Motilitätsstörungen

Literatur Koop H, Benter T. Gastroösophageale Refluxkrankheit – Klinik, Diagnostik und Therapie. Gastroenterol
up2date 2008; 2: 117–137
22  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

1.4 Foetor ex ore und Halitosis  H. Koop

Definition Übler Mundgeruch, der sowohl objektivierbar sein kann als auch nur vom Patien-
ten subjektiv empfunden wird, ohne dass sich pathologische Befunde erheben las-
sen. Beim Foetor ex ore sind Ursachen im Oro- und Nasopharynx, bei der Halitosis
in tiefer gelegenen Organen (Lunge, oberer Gastrointestinaltrakt) lokalisiert.

Mögliche Lokalisation in Oro- oder Nasopharynx: Foetor ex ore und Halitosis durch bakte-
Ursachen rielle Abbauprodukte:
██ mangelnde Mundhygiene/Zahnbeläge/Karies/schlecht sitzende Prothesen
██ massive (borkige) Beläge auf Zunge und Mundschleimhaut
██ akute und chronische Entzündungen im HNO-Bereich (Rhinitis, Angina tonsil-
laris etc.)
██ Tumoren in Oro- und Nasopharynx
██ gestörte Selbstreinigung (z. B. beim Sicca-Syndrom)

Lokalisation in tiefer gelegenen Organen:


██(meist chronische) Infektionen der Lunge (Bronchiektasen, chronisch eitrige
Bronchitis), Tumoren der Lunge und des Larynx sowie ausgeprägtes Rauchen
██Nahrungsmittelretention im oberen Gastrointestinaltrakt (Achalasie, Divertikel,
Magenentleerungsstörung, Ösophagus- und Magentumoren)
██metabolische Erkrankungen (Coma diabeticum, Urämie, Leberinsuffizienz); die-
se Entitäten machen selten differenzialdiagnostische Schwierigkeiten
██spezielle Nahrungsmittel (z. B. Knoblauch, Zwiebeln) oder Medikamente

Beachte: Nicht objektivierbarer Mundgeruch ohne pathologische Organbefunde


findet sich bei verschiedenen funktionellen bzw. psychiatrischen Erkrankungen.

Differenzial­ ██ Inspektion des Oropharynx; HNO-ärztliche Untersuchung, ggf. mit mikrobiellen


diagnostisches Zusatzuntersuchungen; zahnärztliche Untersuchung
Vorgehen ██ Röntgenuntersuchung des Thorax, Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts
██ Nahrungsmittel- und Medikamentenanamnese

1.5 Singultus  H. Koop

Definition Singultus oder Schluckauf kommt durch unwillkürliche spastische rhythmische


Kontraktionen des Zwerchfells und der inspiriratorischen Interkostalmuskulatur
zustande, in deren Gefolge eine plötzliche Inspiration erfolgt. Der Vorgang endet
mit einem abrupten Verschluss der Glottis.
██persistierender Singultus: Dauer mehr als 48 h
██therapierefraktärer Singultus: Dauer mehr als 2 Monate

Mögliche Im Einzelfall ist abzuwägen, wie weit ggf. die diagnostische Abklärung möglicher
Ursachen Ursachen betrieben wird. Es folgt eine Auswahl möglicher Ursachen, häufige sind
mit einem Stern * markiert.
██Irritation des N. vagus oder N. phrenicus:
–– Pharyngitis, Laryngitis, HNO-Tumoren
–– Struma*
–– intrathorakale Prozesse (entzündlich, tumorös)
–– Hiatushernie, Refluxkrankheit*
1.6 Übelkeit  23

–– gastrointestinale Tumoren
██ Erkrankungen des Zentralnervensystems:
–– Schädel-Hirn-Trauma*
–– Schlaganfall*
██ toxisch oder durch Medikamente induziert:
–– Alkohol(intoxikation)*
–– Anästhetika
–– Benzodiazepine
–– kurz wirksame Barbiturate
██ psychogen:
–– Stress
–– Angstzustände
–– Aufregung

Therapie ██ Therapie der Grundkrankheit, soweit möglich


██ nicht medikamentöse Verfahren („Hausmittel“, Effektivität nicht systematisch
geprüft; wirken vermutlich über nasopharyngeale Stimulation und starken va-
galen Reiz):
–– Luft anhalten
–– Valsalva-Versuch
–– Schlucken von 1 Teelöffel Zucker
██ Medikamente:
–– Baclofen 3-mal 5–10 mg/Tag (nebenwirkungsarm)
–– Chlorpromazin 3- bis 4-mal 25–50 mg/Tag
–– Protonenpumpenblocker (bei refluxinduziertem Schluckauf)
–– Gabapentin 3-mal 300 mg/Tag
–– Metoclopramid 3- bis 4-mal 10 mg/Tag

Literatur Hernández JL, Pajarón M, García-Regata O et al. Gabapentin for intractable hiccup. Am J Med 2004; 117: 279–281
Ramirez FC, Graham DY. Treatment of intractable hiccup with baclofen: results of a double-blind rando-
mized, controlled, cross-over study. Am J Gastroenterol 1992; 87: 1789–1791
Becker DE. Nausea, vomitting, and hiccups: a review of mechanisms and treatment. Anesth Prog 2010; 57:
150–157

1.6 Übelkeit  H. Koop

Definition Gefühl eines drohenden Erbrechens und die damit verbundene Unfähigkeit, Nah-
rung zu sich zu nehmen. Neben dem im oberen Verdauungstrakt und Pharynx lo-
kalisierten subjektiven Krankheitsgefühl finden sich häufig begleitend vegetative
Symptome wie Tachykardie und Schwitzen.

Mögliche (Unbewusste) Stimulation des Brechzentrums, dessen Reizschwelle interindividu-


Ursachen ell stark variabel ist. Chronische Übelkeit (v. a. morgens) ohne Erbrechen und Ge-
wichtsverlust wird auch als dominierendes oder einziges Symptom von Patienten
(überwiegend Frauen) mit funktionellen Beschwerden und/oder depressiver Sym-
ptomatik angegeben, andererseits Begleitsymptom einer Tumorerkrankung (z. B.
Pankreaskarzinom).

Differenzial­ ██ exakte Anamnese einschließlich Medikamentenanamnese (z. B. Digitalis, Mor-


diagnostisches phine, aber auch den oberen Gastrointestinaltrakt schädigende Pharmaka wie
Vorgehen Antirheumatika, Azetylsalizylsäure)
24  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ bei andauernder Übelkeit Endoskopie; die dann häufig diagnostizierte chroni-


sche Gastritis, ggf. auch mit einzelnen Erosionen, erklärt die Übelkeit nicht. Wei-
tere Diagnostik nach Begleitsymptomen (s. Kap. 1.7, Erbrechen).

Therapie Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Störung.

Literatur Becker DE: Nausea, vomitting, and hiccups: a review of mechanisms and treatment. Anesth Prog 2010; 57:
150–157

1.7 Erbrechen  H. Koop

Definition Das durch Muskelkraft induzierte Hochtreten von Nahrung aus dem Magen oder
Ösophagus. Fehlt die aktive Beteiligung der Muskelkraft, spricht man besser von
einer Regurgitation.
Dem Erbrechen liegt ein komplexes Geschehen zugrunde, an dem das Tiefertreten
des Zwerchfells, die Anspannung der Bauchmuskulatur, der Verschluss des Pylorus
und eine Relaxation von Fundus und Kardia beteiligt sind. Durch die Muskelkraft
wird die Nahrung in die Mundhöhle gepresst, während durch Glottis und Naso-
pharynx die Abdichtung des Nasenraumes erfolgt. Häufig, aber nicht unabdingbar
geht dem Erbrechen eine Übelkeit voraus; in aller Regel ist es begleitet von Zeichen
vagaler Aktivität (z. B. Speichelfluss).
Das Brechzentrum liegt in der Formatio reticularis der Medulla oblongata und ko-
ordiniert den komplexen Brechvorgang; von dort erfolgt die Aktivierung des N.
phrenicus (zum Zwerchfell), von Spinalnerven (zur Bauchwand und intestinalen
Muskeln) und viszeraler efferenter Vagusfasern (zu Larynx und Pharynx).
Eine Sonderform ist Miserere: Es handelt sich um das Erbrechen von Stuhl oder in
Geruch und Farbe ähnlicher Flüssigkeit.

Mögliche Eine Aktivierung des Brechzentrums kann durch unterschiedliche Störungen erfol-
Ursachen gen; dabei ist eine Abgrenzung der einzelnen Angriffspunkte nicht immer möglich,
sondern das Erbrechen kann Folge einer Interaktion auf mehreren Ebenen sein.
Lokale Ursachen im oberen Gastrointestinaltrakt: Die häufigsten Ursachen sind
akute Erkrankungen wie Ulcus pepticum (insbesondere mit Ausbildung einer Ma-
genausgangsstenose), akute (nicht chronische!) Gastritis, (infektiöse) Gastroente-
ritis, aber auch ein Reizmagen. Eine Obstruktion im oberen Gastrointestinaltrakt
durch Tumoren, Volvulus oder bei der Achalasie führt ebenfalls zu Erbrechen. Es
kann aber auch führendes Symptom einer anderen akuten Oberbaucherkrankung
(z. B. akute Pankreatitis, Gallenkolik) oder einer Irritation des Pharynx sein. Über-
dehnung des Magens (akute Blutung, Gastroparese) bzw. des Ösophagus (Achala-
sie, Bolusobstruktion) führt zu einem reflektorischen Erbrechen.
Zentrale Ursachen: Sowohl starke Schmerzen (Gallen- und Nierenkolik, Myokard-
infarkt, Migräne), Schock, Sepsis oder Gefäßveränderungen (z. B. Migräne, hyper-
tone Krise, Kleinhirninfarkt) als auch eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks
(z. B. Subarachnoidalblutung) können das Brechzentrum aktivieren. Bei zentralen
Ursachen fehlt häufig die vorausgehende Übelkeit. Es kommt vielmehr zu einem
unvorbereiteten schwallartigen Erbrechen. Emotionale Reaktionen wie Stress oder
Überforderungsangst können zu einem psychogenen Erbrechen führen. Nicht selten
kommt es zu einer Konditionierung (z. B. nach einer emetogenen Chemotherapie),
sodass das Erbrechen auch bei Umstellung auf nicht emetogene Therapie oder be-
reits bei bevorstehendem Krankenhausaufenthalt oder Arztbesuch einsetzt. Ekel-
1.7 Erbrechen  25

erregende Eindrücke können über Auge, Nase und Mund das Brechzentrum akti-
vieren.
Toxische Ursachen: Medikamente können das Brechzentrum oder die Chemore-
zeptor-Triggerzone aktivieren; hier sind in erster Linie Digitalispräparate, Morphin
und seine Derivate und Chemotherapeutika zu nennen; letztlich können aber na-
hezu alle Pharmaka im Einzelfall emetogen wirken. Erbrechen kann nicht nur Sym-
ptom einer Überdosierung sein, sondern auch bereits bei üblichen Dosierungen
bzw. bei normalen Serumspiegeln auftreten. Neben einem direkten Angriffspunkt
im ZNS kann das Erbrechen auch durch eine Irritation der Mukosa im oberen Gas-
trointestinaltrakt hervorgerufen werden (z. B. Salizylate, Antirheumatika). Schwe-
re metabolische Entgleisungen (z. B. Coma oder Praecoma diabeticum, Leberkoma,
Addison-Krise, Thyreotoxikose, Urämie) und hoch fieberhafte Erkrankungen füh-
ren über Toxine und/oder Anhäufung von Stoffwechselprodukten zum Erbrechen.
Vestibuläre Ursachen: Eine Aktivierung des Vestibularisapparats (z. B. im Rahmen
der Seekrankheit), aber auch organische Erkrankungen des Labyrinths (Morbus
Menière, paroxysmaler benigner Lagerungsschwindel, Vestibulariskrise, Otitis me-
dia, vaskuläre Erkrankungen) können zum Erbrechen führen.
Weitere unterschiedliche Ursachen: Die Frühphase einer Gravidität kann mit hef-
tigem Erbrechen einhergehen.
Miserere ist ein Symptom des fortgeschritteneren, weiter distal gelegenen Ileus
(mechanisch oder paralytisch). Ursachen sind u. a. Tumoren im mittleren oder dis-
talen Dünndarm und Kolon, ein Bridenileus oder intestinale Ischämie (Mesenteri-
alvenenthrombose, Embolie in die A. mesenterica superior).

Differenzial­ Die klinische Konstellation, in die das Erbrechen eingebettet ist, erlaubt häufig we-
diagnostisches sentliche Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Störung. Daher kommt der Ana-
Vorgehen mnese eine zentrale Rolle zu. Faktoren, wie Dauer und Zeitpunkt des Erbrechens,
Aussehen, Geschmack und Geruch des Erbrochenen, sind ebenso wichtig wie die
gesamten Begleitumstände.
Das weitere Handeln wird bestimmt durch den Grad der Gefährdung des Patien-
ten: Länger anhaltendes Erbrechen führt zu Dehydratation, Elektrolytentgleisung,
Malnutrition und sekundären Mukosaschäden an Ösophagus (Ösophagitis) und
Kardia (Mallory-Weiss-Syndrom); Bluterbrechen führt u. U. zum hypovolämischen
Schock. Mit zunehmender Verschlechterung des Zustands können zusätzliche
Komplikationen hinzukommen (z. B. Aspiration). In solchen Fällen ist naturge-
mäß rasche Abklärung erforderlich. Entsprechend der möglichen zugrunde liegen-
den Ursache wird eine bildgebende (in erster Linie endoskopische) Diagnostik
des oberen Gastrointestinaltrakts erfolgen oder Laboruntersuchungen (ggf. ein-
schließlich Spiegelbestimmung von relevanten Medikamenten, Schwangerschafts-
test). Bei Verdacht auf ZNS-Erkrankungen sind Computertomografie, Kernspinto-
mografie, EEG oder Lumbalpunktion indiziert. Schließlich ist ggf. eine psychiatri-
sche Evaluation erforderlich (Bulimie, psychogenes Erbrechen, Anorexia nervosa).

Literatur Hasler WM, Chey WD. Clinical management. Nausea and vomiting. Gastroenterology 2003; 125: 1860–1867
Quigley EM, Hasler WL, Parkman HP. AGA technical review on nausea and vomiting. Gastroenterology 2001;
120: 263–285
26  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

1.8 Hämatemesis  H. Koop

Definition „Blut(er)brechen“, Erbrechen von Blut oder kaffeesatzähnlicher Flüssigkeit; Symp-


tom einer oberen Gastrointestinalblutung.

Mögliche Ein Stern * kennzeichnet häufige Ursachen:


Ursachen ██gastroduodenale Ulzera* (Ulcera ventriculi häufiger als Ulcera duodeni)
██Varizen* (Ösophagus, Fundus)
██Refluxösophagitis*; Mallory-Weiss-Syndrom
██Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts
██hämorrhagische Gastritis; Angiodysplasien; Ulcus Dieulafoy
██iatrogene Blutungen (nach endoskopisch-therapeutischen Eingriffen)
██andere seltene Ursachen oder (z. B. verschlucktes Blut aus HNO-/Bronchialbe-
reich)
██zunehmende Häufigkeit: Blutungen unter dualer Thrombozytenaggregations-
hemmung* (z. B. Azetylsalizylsäure + Clodipogrel), ggf. noch zusätzlich Anti-
koagulation mit Cumarinderivaten oder neuen oralen Antikoagulanzien wie
Thrombin-Inhibitoren: dann häufig keine fassbare Blutungsquelle

Differenzial­ Anamnese:
diagnostisches ██Art des Erbrochenen (hellrotes Blut, Kaffeesatz), Dauer der Symptome
Vorgehen ██geschätzter Blutverlust (Angaben des Patienten aber häufig unzuverlässig und
zu hoch eingestuft)
██zusätzlich Meläna
██Ulkusvorgeschichte bzw. ulzerogene Medikamente
██Lebererkrankungen

Klinische Untersuchungsbefunde:
██Inspektion: Leberhautzeichen
██Schockzeichen und andere Indikatoren der Blutungsintensität (Puls, Blutdruck)
██klinische Befunde ansonsten zumeist wenig aussagekräftig

(Notfall-)Endoskopie:
██vorrangig vor Endoskopie ist Stabilisierung des Patienten (großlumige venöse
Zugänge, Volumengabe, ggf. Transfusion)
██Endoskopie vermutlich schwierig (Sedierung bei unruhigem Patienten, Intubati-
on bei massiver Blutung etc.): Durchführung auf Intensivstation
██bei vermutlich hoher Blutungsintensität bzw. mit Koageln austamponierter Ma-
gen: Erythromycin 250 mg i. v. zur Entleerung des Magens vor Endoskopie
██Endoskopie wichtigste diagnostische Maßnahme zur Identifikation der Blutungs-
quelle; bei unübersichtlichen Verhältnissen (Speisereste, viel ältere Koagel etc.)
muss Endoskopie (ggf. nach Spülung) wiederholt werden
██therapeutische Maßnahme bei Endoskopie: ggf. endoskopische Blutstillung
██bei geringfügiger Blutungsintensität und hämodynamischer Stabilität (oft Re-
fluxösophagitis: typisch bei geriatrischen/dementen Patienten ohne ulzerogene
Pharmaka und/oder Antikoagulanzien): Endoskopie elektiv, Protonenpumpen-
blocker

Abb. 1.2 veranschaulicht die differenzialdiagnostische Vorgehensweise bei Häma-


temesis.
1.9 Peranaler Blutabgang: Hämatochezie, Meläna, ­okkulte Blutung   27

Abb. 1.2
+lPDWHPHVLV
Algo­rithmus
der differenzial­
diagnostischen %OXWXQJVLQWHQVLWlWDEVFKlW]HQ
Vorgehensweise .OLQLN.UHLVODXISDUDPHWHU%OXWELOG
bei Hämatemesis.
PRGHUDWELVKRFK JHULQJ

.UHLVODXIVWDELOLVLHUXQJ
9ROXPHQ7UDQVIXVLRQ
(U\WKURP\FLQLY

VWDELOLVLHUW

1RWIDOO(QGRVNRSLH hEHUZDFKXQJ
JJIPLW%OXWVWLOOXQJ (QGRVNRSLHHOHNWLY

Literatur Pohl H, Rösch T. Die obere gastrointestinale Blutung: Differentialdiagnose und Therapie. Gastroenterol up-
2date 2005; 2: 167–184
Fischbach W et al. Gleichzeitige Anwendung von Thrombozytenaggregationshemmern und Protonenpum-
peninhibitoren (PPI): Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-
krankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Z Gastroenterol 2010; 48:
1156–1163

1.9 P
 eranaler Blutabgang:
Hämatochezie, Meläna, ­okkulte Blutung  I. Koop

Definitionen Nach Art/Intensität des Blutverlusts:


██overte Blutung:
–– Hämatochezie: Blutstuhl, hell- bis dunkelrote Blutbeimengungen im Stuhl, in
80–90 % Ursache im Kolon
–– Meläna: Teerstuhl, dunkelgrauer bis schwarzer, klebriger, übel riechender
Stuhlgang (Farbveränderung des Bluts entsteht durch Einwirkung von Säure
und/oder bakteriellen Abbau von Hämatin), Ursache meist im oberen Gastro-
intestinaltrakt, selten Dünndarm/Zökum/Colon ascendens
██okkulte Blutung: Stuhlgang makroskopisch unverändert, Blutverlust nur mit
Stuhltest auf okkultes Blut (FOBT) nachweisbar, ggf. kombiniert mit oder nur
(Eisenmangel-)Anämie durch chronischen Blutverlust

Nach Lokalisation:
██obere gastrointestinale Blutung: 80–90 %, bis zur Duodenalpapille, für das Gast-
roskop erreichbar, je nach Lage und Intensität auch mit Hämatemesis, s. Kap. 1.8
██mittlere gastrointestinale Blutung: 3–5 %, distal der Papille bis Ileozökalklappe
(Einsatz Kapselendoskopie, Ballonendoskopie)
██untere gastrointestinale Blutung: 10–15 %, von Ileozökalklappe bis Anus, für Ko-
loskop erreichbar. Männer > Frauen, mit zunehmendem Alter häufiger
██obskure Blutung: Blutungsquelle nicht lokalisierbar
28  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

Mögliche Overte Blutung:


Ursachen
██Blutungsquelle proximal des Treitz-Bandes:
–– häufig: Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni (50–60 %), Ösophagus- bzw. Fundus-
varizen (15–20 %), Mallory-Weiss-Läsion
–– selten: schwere Refluxösophagitis, Ulcus Dieulafoy, „Wassermelonenmagen“
(GAVE: gastric antral vascular ectasia), Angiodysplasien, Karzinom, GIST, Hä-
mobilie und Hämosuccus pancreaticus (Gallengang-/Pankreastumoren, sehr
selten), Morbus Crohn
██Blutungsquelle distal des Treitz-Bandes:
–– häufig: Kolondivertikel, Kolontumor/-polyp, Angiodysplasien (Kolon und
Dünndarm), chronisch entzündliche Darmerkrankung, infektiöse Enteritis
(Campylobacter jejuni, EHEC, Shigellen), Hämorrhoiden, NSAR-Läsionen (?),
keine erkennbare Ursache (obskure Blutung)
–– selten: nach Polypektomie (kurze Anamnese!), Meckel-Divertikel (junge Pati-
enten), Amyloidose, Endometriose, Dünndarmvarizen, Vaskulitis (Polyarterii-
tis nodosa, Purpura Schönlein-Henoch), aortoenterische Fistel (meist massive
Blutung, insbesondere bei Aortenaneurysma, Zustand nach Aneurysmaope-
ration), Mesenterialinfarkt, ischämische Kolitis, Strahlenkolitis

Okkulte Blutung: ca. 30 % im Kolon lokalisiert: Tumor, Polyp, Angiodysplasie; gro-


ße Hiatushernie (evtl. mit „Cameron-Ulkus“), schwere Refluxösophagitis, NSAR-
Läsionen, Karzinom, Lymphom, GIST, GAVE, Morbus Crohn, ulzerative Jejunitis,
auch an verschlucktes Blut aus HNO-Bereich und Lunge denken! Im Dünndarm
häufigste Ursache: Angiodysplasien (50 %), Ulzera, Tumor/Polyp, Morbus Crohn

Differenzial­ Cave: Je dunkler das peranale Blut, desto weiter kranial die Blutungsquelle (weite-
diagnostisches rer Einflussfaktor: je länger die Passagezeit, desto mehr Schwarzverfärbung). Blutun-
Vorgehen gen aus dem oberen Gastrointestinaltrakt sind häufiger akut kreislaufwirksam und
lebensbedrohlich, aus dem unteren Gastrointestinaltrakt seltener akut bedrohlich.
Anamnese: Teerstuhl, aber auch Hämatemesis können verzögert auftreten, Kol-
laps/Synkope u. U. erstes Symptom! Bauchschmerzen untypisch; sonstige Anam-
nese: s. Ursachen. Medikamente: Antikoagulanzien, Azetylsalizylsäure, Clopidog-
rel, NSAR, v. a. in Kombination angewandt, können im gesamten Gastrointestinal-
trakt zu Blutungen führen.
Untersuchung: Einschließlich rektal-digital (cave: Verwechslung Teerstuhl mit an-
thrazitfarbenem Stuhl bei Eiseneinnahme; Nahrungsmittel: Blaubeeren, rote Bee-
te); Blutnachweis im Stuhl „bedside“ kann Zusatzinformation geben; vgl. Kap. 13,
Fäkale okkulte Bluttestung; ggf. auch gynäkologische, urologische, HNO-Untersu-
chung.
Diagnostische Verfahren:
██Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD): falls okkulte Blutung bzw. Eisenmange-
lanämie: plus Duodenalbiopsien (Zöliakie). Ausnahme: hellroter Blutabgang nach
dem Stuhlgang macht Blutungsquelle im Analbereich wahrscheinlich, dann als
erstes Prokto-/Sigmoidoskopie. Falls keine Ursache gefunden möglichst zeitnah
██Ileokoloskopie: vorher rasche Darmsäuberung mittels orthograder Lavage hilf-
reich; Zeitpunkt von Schwere der Blutung abhängig, bei massiver Blutung kann
notfallmäßige Mesenterikografie/Angio-CT sinnvoller sein
–– cave: ÖGD und Koloskopie weisen nicht absolut zuverlässig eine Blutungs-
quelle nach (intermittierende Blutung),
–– ggf. großzügig Wiederholung der Untersuchungen
██Sonografie: ergänzend, Darmsonografie (Tumor), Aortenaneurysma, Leberzir-
rhose
1.9 Peranaler Blutabgang: Hämatochezie, Meläna, ­okkulte Blutung   29

SHUDQDOHU%OXWYHUOXVW

+lPDWRFKH]LH 0HOlQD RNNXOWH%OXWXQJ )2%7SRVLWLY


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Abb. 1.3 Algorithmus der differenzialdiagnostischen Vorgehensweise bei peranalem Blutverlust (ÖGD = Ösophago­
gastroduodenoskopie).

██ Kapselendoskopie:
–– Indikation: Verdacht auf mittlere GI-Blutung, nachdem mindestens einmal
ÖGD und Ileokoloskopie ohne Befund waren. Diagnostische Ausbeute: ca.
60 %, korreliert mit guter Patientenselektion. Praediktive Faktoren für positi-
ve Ausbeute: overte, anhaltende Blutung (bis 90 %), NSAR/Antikoagulanzien-
einnahme, begleitende Lebererkrankung
–– Kontraindikation: Schwangerschaft; Schluckstörungen, Stenose im GI-Trakt
(Gefahr des Steckenbleibens): Anamnese! Ggf. vor der Untersuchung eine
„Patency-Kapsel“ schlucken lassen (Kapsel, die sich im Falle des Hängenblei-
bens auflöst); elektromedizinisches Implantat (Herzschrittmacher): bislang
jedoch keine Interferenzen gesehen, Patienten aufklären! Ggf. stationäre
Beobachtung und SM-Kontrolle.
–– Möglichst zeitnah zur Blutung durchführen, Ausbeute höher
–– Vorteil: wenig belastend, ambulant durchführbar, Untersuchung des gesamten
Dünndarms; Nachteil: Biopsieentnahme und lokale Therapie nicht möglich
–– cave: keine MR-Tomografie vor dem Ausscheiden der Kapsel
30  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ Doppelballonenteroskopie (DBE): im Vergleich zur Kapselendoskopie ver-


gleichbare Ausbeute.
–– Vorteil: Biopsie und therapeutische Intervention (Polypektomie, APC von
Angiodysplasien) in einer Sitzung möglich.
–– Nachteil: Untersuchung in Sedierung/Narkose, langwierig, für Inspektion des
gesamten Dünndarms in ca. 90 % oraler und analer Zugang notwendig (alter-
nativ: Push-Enteroskopie mit langem Gastroskop ohne Ballon, jedoch be-
grenzte Einsicht; neu: Single-Ballon-Enteroskopie, Spiralenteroskopie)
██ Angio-CT, Mesenterikografie: bei Blutungsintensität >0,5 ml/min direkter Kon-
trastmittelaustritt nachweisbar; ansonsten: Gefäßmalformationen darstellbar;
Einsatz selten, bei fulminanter Blutung – wenn ÖGD und Koloskopie ohne Be-
fund; interventionelle Therapie im Rahmen der Mesenterikografie möglich
██ MR-Enterografie: zum Nachweis akuter Blutungsquelle selten hilfreich; bei
Morbus Crohn, Verdacht auf Tumor, Stenose indiziert; wenn Kapselendoskopie
nicht sofort verfügbar und Verdacht auf intermittierende mittlere GI-Blutung
vorliegt kann MR-Enterografie hilfreich sein
██ Erythrozytenszintigramm: bei subakuter Blutung, Indikation selten, fraglich
noch sinnvoll
██ Technetiumszintigramm: zum Nachweis säureproduzierender Mukosa bei Ver-
dacht auf Meckel-Divertikel, falls Kapselendoskopie o. B.
██ Laparotomie mit intraoperativer Intestinoskopie: bei Verdacht auf Blutung im
mittleren GIT, nach Kapselendoskopie und DBE nur noch sehr selten erforderlich,
bezüglich Ausbeute mit Kapselendoskopie vergleichbar

Therapie Allgemeinmaßnahmen bei Blutung s. Kap.1.8, Hämatemesis.

Literatur May A et al. Kapselendoskopie in der Diagnostik von Dünndarmerkrankungen. Update des Positionspapiers
der Sektion Endoskopie der DGVS. Z Gastroenterol 2010; 48: 1384–1404
Albert JG et al. Untere gastrointestinale Blutung. Gastro up2date 2010; 6: 265–278
Raju GS et al. American Gastroenterological Association (AGA) Institute Technical Review on obscure
gastrointestinal bleeding. Gastroenterology 2007; 133: 1697–1717 (www.gastro.org → search: obscure
gastrointestinal bleeding)

1.10 Bauchschmerzen  H. Koop

Definition Schmerzen entweder im gesamten Abdomen oder auf bestimmte Regionen be-
schränkt. Cave: Schmerzursache muss nicht im Abdomen liegen! Die Grenze zwi-
schen akuten und chronischen Bauchschmerzen ist fließend.

Differenzial­ Schmerzen können akut auftreten, dann größere Differenzialdiagnose, aber auch
diagnostisches chronisch oder chronisch-rezidivierend verlaufen. Sowohl für akute als auch chro-
Vorgehen nische Bauchschmerzen gilt: gezielte Anamnese und körperliche Untersuchungs-
befund sind Schlüssel für (Verdachts)Diagnose bzw. zielgerichtete Diagnostik.

1.10.1 Akute Bauchschmerzen


Evaluation des Schmerzes in der Anamnese (Abb. 1.4, Tab. 1.1).
Man unterscheidet:
██viszeraler Schmerz: meist dumpf oder Druck, manchmal kolikartig, nur grobe
Lokalisation möglich (z. B. akute Cholezystitis oder Appendizitis ohne Peritoni-
tis)
1.10 Bauchschmerzen  31

Tab. 1.1 Eigenschaft Was ist zu erfragen?


Schmerzevalua­
tion: Anamnese. Lokalisation Lokalisiert? diffus? punktförmig? ausstrahlend (wenn ja, wohin)?

Dynamik Beginn (schleichend? abrupt? auf den Moment erinnerlich?), Verlauf


(zu- oder abnehmend? gleichbleibend? wechselnde Intensität? maxi­
mal vom Beginn an?); vorausgehende Ereignisse erfragen

Charakter Dauerschmerz? krampfartig? dumpf? stechend?

Intensität Schmerzstärke über den Verlauf exakt erfragen (indirekte Hinweis


auch durch Begleitsymptome, z. B. Ohnmacht bei starken Schmer­
zen); cave: temporäre Besserung bei akutem Beginn bei Perforation
und Ischämie!

Modulierende Was bessert/verschlechtert die Schmerzen: Nahrungsaufnahme?


Faktoren bestimmte Nahrungsmittel? Körperlage (Liegen, Sitzen, Laufen)?
Bewegung? Defäkation? Erbrechen?

Begleitsymptome Erbrechen, Stuhlunregelmäßigkeiten, Gewichtsverlust, Ikterus etc;


aber auch ggf. vegetative Begleitsymptome (z. B. Schwindel, Ohn­
macht bei heftigen Schmerzen) erfragen

Bei Frauen Regelanamnese, Sexualpraktiken

Abb. 1.4
6FKPHU]W\S 'LDJQRVH
Schmerztypen
verschiedener 8ONXVSHUIRUDWLRQ 0HVHQWHULDO *DOOHQEODVHQ
LQIDUNW SHUIRUDWLRQ
akuter abdo­
minaler Erkran­
kungen (Quelle:
Klinggräff 2008).
3HUIRUDWLRQ

*DOOHQNROLN 8UHWHUVWHLQNROLN ,OHXV

.ROLN
$SSHQGL]LWLV 3DQNUHDWLWLV &KROH]\VWLWLV

(QW]QGXQJ

██ parietaler Schmerz: scharf, kann umschrieben sein (dann vom Patienten gut
zu benennen), aber auch generalisiert das ganze Abdomen betreffen (diffuse
Peritonitis), wird typischerweise durch Bewegung (und Palpation!) verstärkt.
Parietaler Schmerz kann sich aus viszeralem Schmerz entwickeln (viszeraler
Schmerz bei Appendizitis → nach Perforation mit konsekutiver Peritonitis → pa-
rietaler Schmerz)
32  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

Tab. 1.2 Mit Bauchschmerzen einhergehende Erkrankungen in Abhängigkeit von ihrer dominierenden Schmerzloka­
lisation.

Schmerz­ Erkrankung Anmerkung


lokalisation

Oberbauch (eine Akute Gastritis Anamnese (Alkoholexzess, Medikamente)


Seite kann bevor­
Refluxösophagitis Meist besteht auch Sodbrennen
zugt sein
Ulcus ventriculi Lokalisation variabel

Ulcus duodeni Mehr rechtsseitig, teils Rückenschmerzen

Pankreatitis Ausstrahlend in Flanke(n) und/oder Rücken

Volvulus/Inkarzeration einer Häufig parallel thorakaler Schmerz und/oder (teils blutiges)


Hernie Erbrechen

Subphrenischer Abszess Kann als Oberbauch-Peritonitis imponieren

Basale Pleuritis Kann als Oberbauch-Peritonitis imponieren

Myokardinfarkt V. a. beim Hinterwandinfarkt

Rechter Oberbauch Cholezystitis Parallel auch Schulterschmerz rechts möglich

Gallenkolik Ggf. begleitend Ikterus

Stauungsleber Zugleich weitere Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz

Linker Oberbauch Milzinfarkt/-abszess Parallel auch Schulterschmerz links möglich

Unterbauch (eine Zystitis/Blasenhochstand Schmerz meist oberhalb der Symphyse


Seite kann bevor­
Nierenkolik Ausstrahlend in Hoden/Leiste
zugt sein)
Meckel-Divertikel Mehr in jüngerem Alter, DD Appendizitis

Gynäkologische Ursachen: Bei entsprechender Möglichkeit gynäkologisches Konsil


Adnexitis, Tubentorsion, Extra­
uteringravidität, Endometriose

Rechter Unterbauch Appendizitis Beginnt oft zunächst paraumbilikal

Ileitis terminalis Morbus Crohn sowie infektiös (Yersiniose)

Linker Unterbauch Divertikulitis Meist im Verlauf des Colon sigmoideum; cave: rechtsseiti­
ge Divertikulitis kann wie Appendizitis imponieren

Diffuser Bauch­ Mesenterialischämie (arteriell Schmerz initial heftig, dann zunächst Besserung, mit Peri­
schmerz (teils und venös) tonitis wieder massiv
schlecht lokalisier­
Ileus Lokalisation je nach Ort der Obstruktion
bar oder Lokalisati­
on variabel) Aortendissektion Heftiger Schmerz (wie Messerstich)

Perforation (Ulkus, Gallenblase, Nach heftigem Akutschmerz u. U. kurzfristig besser, mit


Darm) Peritonitis wieder massiver

Peritonitis (Ursachen vielfältig) Beginn häufig lokal, im Verlauf (ohne Therapie) mehr diffus

Erkrankungen in der Bauch­ Symptomatik abhängig von Ursache: Trauma, Bauchdec­


wand kenabszess etc.

Metabolisch z. B. Pseudoperitonitis diabetica, Porphyrie


1.10 Bauchschmerzen  33

██ projizierter Schmerz (z. B. bei vertebrogener Ursache, Herpes zoster): meist auf
Körperoberfläche projiziert ähnlich parietalem Schmerz, es fehlt aber die peri-
tonitische Komponente

Schmerztherapie: Insbesondere bei starken Schmerzen ist die Gabe von Analgeti-
ka dringend geboten. Falls operativer Eingriff wahrscheinlich ist, sollte – soweit die
Schmerzintensität dies zulässt – auf Opiate verzichtet werden (Fähigkeit zur Ein-
willigung in Operation ansonsten eingeschränkt).
Untersuchung (Tab. 1.2):
██Allgemeiner Eindruck: Körperhaltung, Schock- bzw. Sepsiszeichen, Unruhe,
Hautveränderungen etc.
██Inspektion des Abdomens: gebläht, aufgetrieben, Hinweis für Bauchwandher-
nien
██Auskultation (stets vor weiterer Untersuchung): Beurteilung der Darmgeräu-
sche (normal, hochgestellt, vermindert, fehlend)
██Palpation/Perkussion: zunächst leichtes Klopfen (Fingerspitzen) auf Zeichen einer
floriden Peritonitis; Perkussion (Aszites, vermehrter Gasgehalt etc); Prüfung auf
Abwehrspannung mit zunehmend tieferer Palpation, soweit möglich (z. B. „Gum-
mibauch“ bei Pankreatitis), Prüfung auf Loslassschmerz, auf Hernien achten
██Prüfung auf Bauchwandschmerz durch Carnett-Test (Abb. 1.5):
–– Differenzialdiagnose zwischen viszeralem (intraabdominell bedingtem)
Schmerz und von Bauchwand ausgehender Problematik; Vorgehen:
Schmerzpunkt aufsuchen und kräftige Palpatation (meist mit einem Finger
██

ausreichend), dann Anspannen der Bauchwand (durch Kopf anheben ohne


Hilfe durch Arme oder durch Anheben beider Beine): Schmerz nimmt an
Palpationsstelle zu bei Bauchwandschmerz, wird dagegen weniger bei
viszeraler Ursache.
██Additive Untersuchungen des Abdomens bei Verdacht auf definierte Organ­
erkrankung:
–– Kehr-Zeichen: in linker Schulter auftretender Schmerz bei akutem Abdomen,
das im linken Oberbauch inkl. Zwerchfell seine Ursache hat (Milzruptur, Ma-
genperforation, subphrenischer Abszess etc.)

Abb. 1.5
Carnett-Test bei Bauchwandschmerz (Carnett-Test)
Bauchwand­
schmerz (Quelle:
Lankisch et al.
2006).
positiv negativ

Ursachen in der Bauchwand suchen intraabdominale Ursache suchen

traumatisierter Nerv?
Hernie?
frei bewegliche Rippe?
posttraumatisches
Muskelscheidensyndrom?
34  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

–– Murphy-Zeichen: bei tiefer Palpation unter rechten Rippenbogen wird Inspi-


ration wegen Schmerzen abgebrochen (bei Cholezystitis)
–– Psoasschmerz: Schmerzen bei Aktivierung des M. psoas (Beuger im Hüft-
gelenk) → positiv, wenn Krankheitsherd dem Psoas angrenzt (Appendizitis,
Divertikulitis) oder direkt im Psoas lokalisiert ist (Abszess, Einblutung)
–– Blumberg-Zeichen: gekreuzter Loslassschmerz → Unterbauchschmerz rechts
bei abrupt beendeter Palpation im linken Unterbauch (bei Appendizitis)
–– Rovsing-Zeichen: Schmerzzunahme im rechten Unterbauch, wenn Kolon ret-
rograd in Richtung Ileozökalregion ausgestrichen wird (bei Appendizitis und
anderen schweren Erkrankungen im Ileozökalbereich)
██ Suche nach extraabdominalen Ursachen:
–– Haut: Blässe: Anämie; lokale Rötung: Bauchdeckenabszess, Herpes zoster;
Pigmentierung: Morbus Addison; Ödeme: Stauungsleber bei Rechtsherzin-
suffizienz
–– Foetor ex ore: alkoholassoziierte Erkrankung? Pseudoperitonitis bei Ketoazi-
dose?
–– Thorax: basale Pleuritis (ggf. mit Pneumonie)
–– Gefäße: generalisierte Artherosklerose
–– Wirbelsäule: vertebrogene Ursachen, auch Interkostalneuralgien

Apparative Diagnostik: Die Wahl der geeigneten labormedizinischen und appara-


tiven Untersuchungsmethoden orientiert sich an der Verdachtsdiagnose bzw. den
differenzialdiagnostisch zu erwägenden Erkrankungen. Sie wird in den entspre-
chenden Beschreibungen der Krankheitsbilder aufgeführt, daher hier nur orien-
tierende Darstellung:
██ Labor: stets notwendig, aber Spektrum an Parametern je nach vermuteter Ur-
sache. Standard: CRP, Blutbild, Elektrolyte, Kreatitin, ALAT (GPT), yGT, Bilirubin,
INR. Weitere Parameter situationsabhängig.
██ Abdomensonografie: meist primäres bildgebendes Verfahren, jedoch abhän-
gig von Kompetenz des Untersuchers und vom Krankheitsbild (z. B. Pankreas
schlecht beurteilbar bei schwerer Pankreatitis), kann aber selbst dann wertvolle
zusätzliche Befunde liefern (freie Flüssigkeit, Cholelithiasis etc.)
██ ggf. Abdomenübersicht im Stehen bzw. in Linksseitenlage: Aussage begrenzt,
wird heute frühzeitiger durch Comutertomografie ersetzt (CT ist zur Erkennung
freier Luft, freier Flüssigkeit etc. sensitiver). Stets Röntgen-Thorax parallel an-
fertigen.
██ Computertomografie, meist als Angio-CT: bei schweren Krankheitsbildern heu-
te oft primäre Bildgebung (nicht immer zu Recht), aber eröffnet Beuteilung vieler
sonst nur sehr schwer zu diagnostizierender Erkrankungen (Beispiele: mesen-
teriale Ischämie, Einblutungen etc.). Angio-CT kann unmöglich sein, wenn Nie-
renfunktion eingeschränkt, natives CT hat aber nur begrenzte Aussagefähigkeit.
██ Endoskopie: bei bestimmten Erkrankungen sinnvoll (peptische Läsionen im
oberen Verdauungstrakt, ischämische Colitis etc.), sonst eher zur Abklärung
chronischer Bauchschmerzen
██ EKG: bei möglichem Herzinfarkt

1.10.2 Chronische Bauchschmerzen


Lokalisation und mögliche Erkrankungen: Tab. 1.3.
Häufigste Ursache (ca. 50 %) chronischer abdomineller Beschwerden sind funkti-
onelle Störungen (Reizmagen, irritables Darm-Syndrom etc.)! Insbesondere bei
1.11 Akutes Abdomen  35

Tab. 1.3 Schmerzlokalisation Mögliche Erkrankungen


Häufigste
­Ursachen chro­ Oberbauch Funktionelle Dyspepsie
nischer Bauch­ Ulkuskrankheit
schmerzen: Cholelithiasis
Lokalisation und chronische Pankreatitis
mögliche Erkran­ „Postcholezystektomie-Syndrom“, biliäre Dyskinesien
kungen (weitere Magenkarzinom
Diagnostik siehe Unterbauch Reizdarmsyndrom
in den jeweiligen Divertikulose?
Textabschnitten). Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
Kolonkarzinom
Nephrolithiasis

Diffus Chronische (non-okklusive) Ischämie inkl. Angina abdominalis

Vgl. Tab. 1.2; viele der dort dargestellten Ursachen können auch zu chronischen Beschwerden
führen

Patienten über ca. 45 Jahre ist der Ausschluss einer organischen Erkrankung not-
wendig, aber bei langjährigem Verlauf und typischer Klinik ohne Symptomwandel
stetige Wiederholung der Diagnostik vermeiden.

Literatur Klinggräff G v. Akutes Abdomen. In: Seitz KH, Schuler A, Rettenmaier G, Hrsg. Klinische Sonographie und
sonographische Differenzialdiagnose. Bd. 2. Stuttgart: Thieme Verlag 2008: 817 ff
Lankisch PG et al. Das akute Abdomen aus internistischer Sicht (Zertifizierte medizinische Fortbildung).
Dtsch Ärztebl 2006; 103: A2179–2187
Thomas SH, Silen W. Effect on diagnostic efficiency of analgesia for undifferentiated abdominal pain. Br J
Surg 2003; 90: 5–9

1.11 Akutes Abdomen  H. Koop

Definition Deskriptive Bezeichnung für einen bedrohlichen Zustand mit (sehr) starken Bauch-
schmerzen und Verdacht auf abdominelle Ursache, die schnellstens zu klären ist,
da häufig ein chirurgischer Notfalleingriff erforderlich ist und/oder die Prognose
bei schleppender Diagnostik sich rasch verschlechtern kann. Klinisch bestehen ne-
ben den massiven Abdominalschmerzen meist eine Abwehrspannung, reduzierte
(ggf. auch hochgestellte) Darmgeräusche und insgesamt ein schweres allgemeines
Krankheitsbild (ggf. mit Kreislaufinstabilität).

Mögliche ██ entzündliche Ursache (ggf. mit Peritonitis): Appendizitis, Divertikulitis, Pankre-


Ursachen atitis, akute Gastritis, peptisches Ulkus, Morbus Crohn
██ Perforation:
–– Perforation führt zur Peritonitis und damit zum akuten Abdomen
–– Ulkus, Pankreaspseudozyste, Karzinome der Hohlorgane inkl. Tube
–– iatrogen (Koloskopie, Einläufe etc.)
██ Ileus:
–– Briden, Volvulus, Invagination, Malignome, Kompression von extraintestinal
–– paralytischer Ileus meist Folge anderer Ursachen des akuten Abdomens
██ Trauma
██ vaskuläre Erkrankungen: Mesenteriale Ischämie, Aortenaneurysma, schwere
Blutungen im Bauchraum oder Gastrointestinaltrakt
██ Extraabdominelle Ursachen: Myokardinfarkt, basale Pleuritis, Pneumonie (basal)
36  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ Retroperitoneale Ursachen: Nephrolithiasis, Niereninfarkt


██ Ursachen an Wirbelsäule: Wirbelkörperfraktur, Nervenwurzelirritation
██ Ursachen in der Bauchwand: Herpes zoster (sine herpes), Hämatom (meist unter
Antikoagulanzien), Abszess
██ hämatologische/metabolische Erkrankungen: Hämolytische Krisen, Porphyrie,
Ketoazidose, Morbus Addison, Urämie
██ rheumatische Erkrankungen: Panarteritis nodosa, Lupus erythematodes
██ Intoxikationen: Bleivergiftung, Thalliumvergiftung

Differenzial­ Wichtig: Über 90 % der Fälle eines akuten Abdomens verteilen sich auf folgende 10
diagnostisches Krankheitsbilder (Miettinen et al. 1996) (Tab. 1.4):
Vorgehen ██akute Appendizitis
██akute Cholezystitis
██akute Divertikulitis
██Ileus
██gynäkologische Erkrankungen
██akute Pankreatitis
██Nierenkolik
██(perforiertes) Ulcus pepticum
██Karzinome im Magen-Darm-Trakt
██Cave: In 30 % uncharakteristische Bauchschmerzen, die innerhalb von 48 h
spontan abklingen

Gezielte Anamnese und körperliche Untersuchung, einschließlich rektaler Un-


tersuchung, dabei epidemiologische Aspekte beachten (z. B. Appendizitis eher bei
Jugendlichen, gynäkologische Ursache bei jüngeren Frauen, Divertikulitis und tu-
morbedingte Perforationen im höheren Lebensalter). Weitere Diagnostik siehe
spezifische Krankheitsbilder.

Tab. 1.4 Verdachtsdiagnose Wichtigste(s) diagnostische(s) Verfahren


Wichtigste
Diagnostik Akute Appendizitis Klinische Untersuchung, (Labor)
beim akuten Akute Cholezystitis Klinische Untersuchung, Ultraschall
Abdomen je
nach häufigsten Akute Divertikulitis Klinische Untersuchung, CT/Ultraschall
Verdachtsdiag­
Ileus CT
nosen (Anamnese
und klinische Gynäkologische Ursache Gynäkologisches Konsil, (CT)
Untersuchung
stets wichtig, ist Akute Pankreatitis Klinische Untersuchung, Lipase im Serum, (CT)
aber immer dann
Nierenkolik Anamnese, CT nativ
aufgeführt, wenn
sie die entschei­ Perforiertes Ulkus CT
dende diagnosti­
sche Maßnahme Karzinome CT
darstellt). Seltene Ursachen, aber schnelle Diagnosesicherung (und Therapie) für Prognose
­entscheidend

Mesenteriale Ischämie (A. mesen­ Dran denken (Risikoprofil der Patienten)!, Angio-CT
terica superior) (Verdacht für Indikation ausreichend)

Aortendissektion Anamnese (typische Schmerzschilderung), Angio-CT


(Verdacht für Indikation ausreichend)
1.12 Blähungen  37

Nach Anamnese und klinischer Untersuchung führt als Bildgebung die Computer-
tomografie am schnellsten zur Klärung, daher ist frühzeitiges CT in Notfallzent-
ren häufig Teil eines standardisierten Ablaufs für Triage (Tab. 1.4; in einigen Fällen
ist kompetente Ultraschalluntersuchung gleichwertiges bildgebendes Verfahren);
dennoch: stets Indikation zum CT zugunsten alternativer Verfahren hinterfragen
(Strahlenbelastung!). Bei möglicher vaskulärer Ursache sollte möglichst ein Angio-
CT durchgeführt werden. Labor nur selten wegweisend, aber insbesondere für Ver-
laufsbeurteilung wichtig.

Tipps und Tricks ██ Interdisziplinarität: Akutes Abdomen ist immer ein interdisziplinärer Fall für
Gastroenterologen/Internist, Viszeral-/Allgemeinchirurg, ggf. Gynäkologe
██ Immunsuppressive Therapie: Symptomatik kann erheblich reduziert sein (we-
niger Schmerzen, kein Fieber etc.) gegenüber vergleichbarer Situation beim im-
mungesunden Patienten. Schwelle für weitergehende Diagnostik (und ggf. Ope-
ration) muss daher viel geringer sein. Gleiches gilt für Patienten unter Antirheu-
matika bzw. stark wirksamen Analgetika.
██ Atypische Schmerzangabe: Schmerzen im Oberbauch aufgrund einer Appendi-
zitis bei hochgeschlagener Appendix oder in fortgeschrittener Schwangerschaft.
Oberbauchperitonitis bei basaler Pleuritis.

Literatur Lankisch PG et al. Das akute Abdomen aus internistischer Sicht (Zertifizierte medizinische Fortbildung).
Dtsch Ärztebl 2006; 103: A2179–2187
Miettinen P et al. Acute abdominal pain in adults. Ann Chir Gynaecol 1996; 85: 5–9
Klar E et al. Akute mesenteriale Ischämie – ein vaskulärer Notfall. Dtsch Ärztebl 2012; 109: 249–256

1.12 Blähungen  I. Koop

Synonyma Meteorismus, intestinale Gasbildung, „Winde“, Flatulenz (Luftabgang).

Definition Keine einheitliche Definition: tatsächliche oder subjektiv empfundene Ver-


mehrung intestinalen Gases mit den Beschwerden Aufgetriebensein, vermehrte
Darmaktivität und -geräusche, vermehrter peranaler Luftabgang (Flatulenz). Phy-
siologischerweise bilden sich abhängig von der Nahrungsaufnahme, Medikamen-
ten und Komorbiditäten täglich 500–1000 ml Gas im Darm.
Problem: Objektivierung routinemäßig nicht möglich, da zu aufwendig.
Cave: Blähungsbeschwerden korrelieren nicht mit wirklichem Darmgasgehalt!

Mögliche ██ Reizdarmsyndrom (häufiges subjektives Symptom)


Ursachen ██ Aerophagie (Luft schlucken): emotional oder psychisch bedingt
██ Kohlenhydrat-Malabsorption:
–– angeborene oder erworbene Laktoseintoleranz
–– Zöliakie
–– Zuckeraustauschstoffe wie Sorbitol (auch häufig in Kaugummi), Nahrungs-
mittel (Ballaststoffe, Hülsenfrüchte, Backobst, gashaltige Getränke etc.), Me-
dikamente (Laktulose, Acarbose, Metformin)
–– Fruktoseintoleranz: Individuell unterschiedliche Fruktoseverträglichkeit.
Früchte mit dem höchsten Fruktosegehalt: Äpfel, Birnen
██ bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms (Divertikel, postoperativ: „Blindsack-
syndrom“, perientzündlich, Stenosen: z. B. bei Morbus Crohn, Tumoren; andere
mechanische Hindernisse: Briden, Invagination etc.) – dadurch Verstoffwechs-
lung von Kohlenhydraten mit Gasbildung statt Resorption
38  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ Motilitätsstörungen: intestinale Pseudoobstruktion, autonome Neuropathie


bei Diabetes mellitus, Morbus Crohn, chronische intestinale Ischämie, Morbus
Hirschsprung
██ Diffusionsstörungen: generell Zirkulationsstörungen im Intestinalbereich,
Rechts­präkordialstau, portale Hypertension

Differenzial­ Anamnese:
diagnostisches ██Ernährung (Zuckeraustauschstoffe! Auch Bonbons, Kaugummi), Medikamen-
Vorgehen te, Milchunverträglichkeit, sonstige Abdominalbeschwerden, Gewichtsverlust,
Operationen, Diabetes mellitus.

Körperliche Untersuchung:
██Gasgefülltes Abdomen, atypische Form; Aszites, Lymphome; rektal-digitale Auf-
fälligkeit.

Labor:
██CRP, BB, GPT, Protein, BZ; ggf. Laktose-H2-Atemtest.

Weiterführende Diagnostik:
bei Verdacht auf organische Ursache (Stenose) Röntgen-Abdomenübersicht,
██

Sonografie, (auch Rechtspräkordialstau?), Arteriosklerose (chronische mesente-


██

riale Ischämie)
obere/untere Endoskopie mit Biopsien aus Duodenum (Zöliakie)
██

selten: MR-Enterografie, weitere Funktions- oder Motilitätsdiagnostik


██

Therapie Behandlung der Grundkrankheit/Ursache; symptomatisch: Ernährungsanpassung,


Versuch mit oberflächenaktiven Substanzen (Lefax, Sab simplex).
Aufklärung über physiologische Gasbildung

Literatur Harder H et al. Meteorismus – Ursachen und gezielte Therapieansätze. Dtsch Ärztebl 2005; 102: A3264–
3270
Lembcke B. Intestinale Gasbildung. In: Hahn EG, Riemann JF, Hrsg. Klinische Gastroenterologie. Stuttgart:
Thieme Verlag 2000: 375–380

1.13 Diarrhö  I. Koop

Definition Diarrhö (Durchfall) liegt vor, wenn:


██die tägliche Stuhlfrequenz >3 und
██Stuhlkonsistenz vermindert (breiig bis flüssig) oder Stuhlgewicht >200 g/Tag.
Abgrenzung: akute Diarrhö kann chronische Diarrhö einleiten.
██akute Diarrhö: Dauer <2(–4) Wochen, meistens infektiös bedingt, plötzlich hef-
tig einsetzend
██chronische Diarrhö: >2–4 Wochen (Definition nicht einheitlich)

Sonderformen, ██ falsche Diarrhö: Erhöhte Stuhlfrequenz bei normalem Stuhlgewicht (z. B. Reiz-
weitere magen-/Reizdarmsyndrom, Proktitis, fäkale Inkontinenz)
Symptome ██ paradoxe Diarrhö: Breiiger bis flüssiger Stuhl obwohl eine (meist distale) Ob-
struktion vorliegt (Koprostase/Stuhlimpaktation, Kolon-/Rektumstenose durch
Tumor oder entzündliche Stenose); auch Wechsel von Obstipation und Durchfall
möglich
1.13 Diarrhö  39

██ weitere Symptome: Blutige Diarrhö, krampfartige Bauchschmerzen, Fieber, De-


hydratation mit Kreislaufproblemen bis zum Nierenversagen

1.13.1 Akute Diarrhö


Mögliche In der Regel infektiöse Genese; insbesondere bei älteren Patienten immer auch an
Ursachen nichtinfektiöse Ursache wie ischämische Kolitis, mesenteriale Ischämie, Diverti-
kulitis, Appendizitis denken, bei jüngeren Patienten auch Erstmanifestation einer
chronisch entzündlichen Darmerkrankung oder Purpura Schönlein-Henoch (Pur-
pura der Extremitäten).
██infektiöse Ursachen: Bakterien, Viren oder Parasiten (s. Kap. 4.13, Infektions-
krankheiten des Dünn- und Dickdarms), meist plötzlicher und heftiger Symp-
tombeginn mit wässrigen Diarrhöen, je nach Erreger blutig und/oder mit Fie-
ber, Erbrechen, Übelkeit, Dehydratation (die Krankenhausaufenthalt notwendig
macht), Nierenversagen; häufig: Noro-, Rotaviren, Clostridien difficile, Campylo-
bacter jejuni, Salmonellen etc. Seltener: ETEC, E. coli, EHEC, Shigella, Giardia lam-
blia, Yersinien; sehr selten: Cryptosporidium, Entamoeba histolytica, Isospora
belli, CMV; insgesamt hohe Dunkelziffer, da ambulante Durchfallerkrankungen
häufig nicht erregerspezifisch diagnostiziert werden.
██nichtinfektiöse Ursachen: ischämische Kolitis, Mesenterialinfarkt, paradoxe Di-
arrhö bei Tumorstenose oder Koprostase, Divertikulitis, Appendizitis, Colitis ul-
cerosa (Morbus Crohn), Purpura Schönlein-Henoch (akute Diarrhö kann Beginn
einer chronischen Diarrhö sein), Nebenwirkung Chemotherapie (Mukositis)

Differenzial­ ██ Indikation zu weiterer Diagnostik (und Therapie): Bei älteren Patienten immer
diagnostisches an Mesenterialischämie denken! Im Zweifel: sofortige stationäre Einweisung.
Vorgehen Ansonsten: Wenn Symptomatik >48 h persistiert, starke Bauchschmerzen, blu-
tige Diarrhöen, hohes Fieber bestehen, Patienten mit Immunsuppression, Gefahr
von Exsikkose, Nierenversagen, individuell nach Reiseanamnese, Differenzialdi-
agnose nichtinfektiöse Diarrhö (s. Ursachen)
██ je nach Anamnese (Abb. 1.6 Anamnestisch begründete differenzialdiagnostische
Überlegungen zur akuten infektiösen Diarrhö (Auflistung potenzieller Keime nicht
vollständig).), Art des Durchfalls und weiteren Symptomen, dadurch Korrelati-
on zu bestimmten Erregern möglich:
–– wässriger Durchfall mit Übelkeit/Erbrechen, mäßig Bauchschmerz, selten Fie-
ber: Toxininduzierte Gastroenteritis durch Staph. aureus, Bacillus cereus,
Clostridium perfringens, Vibrio cholerae, ETEC, Klebsiella pneumoniae, Aero-
monas spp.
–– wässriger Durchfall mit Bauchschmerz, Fieber, auch Übelkeit/Erbrechen:
██ häufig Norovirus, Rotavirus
██ selten und wenig Erbrechen: enteropathogene E. coli, Giardia,
Kryptosporidien, Helminthen
–– wässrig/blutiger Durchfall mit Bauchschmerz und Fieber: Clostridium difficile
(selten blutig), hämorrhagische E. coli (EHEC), Salmonellen, Yersinien; häufig
blutig: Campylobacter, Shigellen, enteroinvasive E. coli, Entamoeba histolytica
██ Stuhluntersuchung:
–– ohne Auslandsaufenthalt: in Abhängigkeit von Anamnese und Wahrschein-
lichkeit des infektiösen Agens: Stuhl auf Salmonellen, Campylobacter, Yersi-
nien, Clostridium-difficile-Toxin A+B und/oder Noro-/Rotaviren, EHEC
–– mit Auslandsaufenthalt: entsprechend landestypischer Infektionsvorkom-
men, evtl. Rücksprache mit Tropeninstitut
40  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

Anamnestisch begründete, differenzialdiagnostische Überlegungen zur akuten infektiösen Diarrhö

Alter/Umfeld/ Nahrungs- Medikamente, Freizeit/Reise/


Arbeit/Unter- anamnese Sonstiges Auslandsanamnese
bringung – Kantine – Antibiotika – Schwimmbad
– Altersheim – Restaurant (auch Wochen – Tierkontakt
– Gemeinschafts- – eihaltige Speisen zuvor!) – Camping/Wasser
unterbringung – Fleisch – frühere Cl.-difficile- – Entwicklungsländer
– Schule/Kinder- – Fisch/Schalentiere Diarrhö – Tropen
garten – potenziell konta- – Immunsuppressiva
– Krankenhaus miniertes Wasser – Chemotherapie
– AIDS
– Homosexuelle

Norovirus Salmonellen Cl. difficile bakterielle Erreger


Rotavirus Staphylokokken alle bakteriellen Giardia lamblia
(Kinder > Er- Campylobacter Erreger Parasiten
wachsene) Listerien (Käse) Kryptosporidien tropische Sprue
Cl. difficile Bandwurm (Fleisch) Kryptokokken
Salmonellen (Noro, Rota) Isospora belli
CMV, Noro, Rota

Abb. 1.6 Anamnestisch begründete differenzialdiagnostische Überlegungen zur akuten infektiösen Diarrhö (Auflis­
tung potenzieller Keime nicht vollständig).

██ Blutuntersuchung: Blutbild, Differenzialblutbild, CRP, Elektrolyte, Kreatinin,


GOT, GPT
██ Sonografie Abdomen/Darm: insbesondere bei älteren Patienten: Differenzialdi-
agnose nicht infektiöse Genese (s. o.)
██ Sigmoidoskopie/Koloskopie: bei persistierenden Diarrhöen, bei infektiöser
Genese in der Regel nicht erforderlich; bei Verdacht auf Clostridium-difficile-
Infektion: Endoskopisch Blickdiagnose der pseudomembranösen Kolitis ohne
Zeitverzögerung
██ Röntgen-Abdomen: nur bei Entwicklung eines akuten Abdomens, Verdacht auf
toxisches Megakolon, Verdacht auf Ileus, dann ggf. auch CT-Abdomen

Akutversorgung Bei Exsikkose, schlechtem Allgemeinzustand und/oder Risikofaktoren (Immun-


suppression, Chemotherapie, Herz-, Nierenerkrankungen) Indikation zur statio-
nären Aufnahme sowie Flüssigkeits- oder Elektrolytsubstitution frühzeitig stellen.

1.13.2 Chronische Diarrhö


Ausmaß, Häufigkeit der Stuhlentleerungen und Beschaffenheit richten sich nach
der Ursache und bei Dünn-/Dickdarmerkrankung nach der Ausdehnung des Darm-
befalls; Dünndarmstühle sind i. d.R. großvolumig, evtl. Steatorrhö, Dickdarmdiar-
rhö häufig wässrig, viele kleinere Portionen, mit Schleim- und/oder Blutbeimen-
gung; nächtliche Durchfälle auch bei entzündlichen Ursachen (CED, infektiöse Gas-
troenteritis, Vaskulitis etc.) oder den seltenen hormonproduzierenden Tumoren.
1.13 Diarrhö  41

Mögliche Eingrenzung durch subtile Anamnese (s. a. akute Diarrhö) der Beschwerden, von
Ursachen Nahrungsgewohnheiten, chronischem Alkoholkonsum, Medikamenten (auch
selbst gekaufte in Apotheken, Drogerien, Internet!), Nahrungsergänzungsmitteln,
Vorerkrankungen, insbesondere Operationen an Magen und Dünndarm (Kurz-
darm, „blinde Schlinge“, Fistel; auch 10 % der Patienten nach Cholezystektomie
erleiden Durchfall), abdominellen Bestrahlungen (gynäkologisch, Prostata, Lym-
phom etc.) und durch Familienanamnese (Tumoren, Zöliakie, chronisch entzündli-
che Darmerkrankung) (Abb. 1.7).

Differenzial­ Das praktische Vorgehen richtet sich nach:


diagnostisches ██Anamnese/Alter des Patienten (ältere: Kolonneoplasie > mikroskopische Kolitis
Vorgehen > Reizdarmsyndrom)
██Prävalenz der Erkrankungen (z. B. Reizdarmsyndrom > Laktoseintoleranz > Zö-
liakie)
██Kosten/Aufwand der Untersuchung (gering: TSH, Transglutaminase-AK, Lakto-
se-H2-Atemtest)

Die pathophysiologische Einteilung in osmotische Diarrhö, sekretorische Diarrhö,


entzündliche Diarrhö, malabsorptive, motilitätsstörungsbedingte Diarrhö, selbst-
induzierte Diarrhö ist im klinischen Alltag wenig hilfreich, insbesondere da Über-
lappungen häufig sind.

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Abb. 1.7 Mögliche Ursachen chronischer Diarrhö nach Organgebieten.


42  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

Im ambulanten Bereich ist das Reizdarmsyndrom (RDS) häufig und steht daher
nach der normalen Basisuntersuchung an nächster Stelle der Differenzialdiagnose;
cave: im Zweifelsfall weiterführende Diagnostik!
Abb. 1.8 zeigt einen Algorithmus zur weiterführenden Diagnostik bei chronischer
Diarrhö.
██Cave: Im Zweifelsfall frühzeitige Ileokoloskopie zum Ausschluss Neoplasie (auch
unabhängig vom Alter, v. a. auch bei positiver Familienanamnese), dann auch im-
mer Biopsien aus terminalem Ileum (Zöliakie, Lamblien etc.) und Kolon (mikro-
skopische Kolitis)

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Abb. 1.8 Algorithmus zur weiterführenden Diagnostik bei chronischer Diarrhö.


1.14 Obstipation  43

██ Laxanzienabusus: Urinuntersuchung in Speziallabor auf: Antrachinone, Bisaco-


dyl, Phenolphthalein; Stuhluntersuchung auf Magnesium und Phosphat
██ Stuhlosmolalität: Entspricht normalerweise der Serumosmolalität, erniedrigte
Stuhlosmolalität spricht für Stuhlverdünnung durch Urin, Wasser oder Einnah-
me hypotoner Lösungen
██ osmotische Lücke: Selten notwendige Bestimmung, sekretorische versus osmo-
tische Diarrhö, Verdacht auf Diarrhoea factitia; Stuhluntersuchung auf Natrium-
und Kalium-Ausscheidung, Berechnung der osmotischen Lücke nach der Formel:
290–2×(Natrium- + Kalium-Konzentration)
–– sekretorische Diarrhö (Wasserverlust durch nicht absorbierte bzw. sezernier-
te Elektrolyte): osmotische Lücke <50 mosm/kg
–– osmotische Diarrhö (Wasserverlust durch luminale osmotisch aktive Subs-
tanzen): >125 mosm/kg
██ Fastentest: 48 h (besser 72 h) keine orale Flüssigkeits-/Nahrungs- oder Medika-
mentenzufuhr; parenterale Flüssigkeitsgabe. Bei nächtlicher Persistenz der Di-
arrhöen: Sekretorische oder entzündliche Ursache (selten erforderlich)

Literatur Lankisch PG et al. Leitsymptom Diarrhö. Dtsch Ärztebl 2006; 103: A261–268
Thomas PD et al. Guidelines for the investigation of chronic diarrhoea. 2nd ed. GUT 2003; 52 (Suppl. V):
v1–15
WGO Practice guidelines. Acute diarrhea in adults (2007) (www.worldgastroenterology.org)

1.14 Obstipation  I. Koop

Definition Akute Obstipation: Fehlende Stuhlentleerung über mehrere Tage bei zuvor regel-
mäßigem Stuhlgang.
Chronische Obstipation:
██objektiv: Weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche
██subjektiv: Häufig werden zusätzliche bzw. andere Beschwerden berichtet: zu ge-
ringe Stuhlmenge, harter Stuhl, starkes Pressen bei der Stuhlentleerung notwen-
dig, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung, zu seltene Stuhlentleerung ge-
messen an subjektivem Empfinden und Erwartung

Mögliche ██ organische Stenose: Tumor, entzündliche Stenose (Morbus Crohn, Divertikuli-


Ursachen tis, ischämisch), narbige Stenose (Morbus Crohn, chronisch ischämisch, Zustand
nachRadiatio), Volvulus, Bride, eingeklemmte Hernie
██ Medikamente: Opiate, trizyklische Antidepressiva, Kalziumantagonisten, Cloni-
din, Antazida, Anticholinergika, Antikonvulsiva, Parkinson-Medikamente, Eisen,
Diuretika, Gestagene, Analgetika
██ peripher neurogen: Morbus Hirschsprung, Diabetes mellitus, paraneoplastische
autonome Neuropathie, Guillain-Barré-Syndrom, Ganglioneuromatose, Pseu-
doobstruktion
██ zentral neurogen: Morbus Parkinson, Tumoren, zerebrovaskuläre Erkrankungen,
Insult, Encephalitis disseminata, Spina bifida, Tumoren oder Verletzungen des
Spinalmarks oder von Nerven des Spinalmarks, Neurofibromatose Recklinghau-
sen, Tabes dorsalis, Shy-Drager-Syndrom
██ Bettlägerigkeit, postoperative Phase: Insbesondere nach Abdominaloperationen
██ endokrine Ursachen: Hypothyreose, Hyperparathyreoidismus, Phäochromozy-
tom, Schwangerschaft, 2. Menstruationszyklus-Hälfte
██ Erkrankungen des Anorektums (s. Kap. 5 ff): Rektozele, innerer Rektumprolaps,
Beckenbodendysfunktion/Outlet-Syndrom, Anismus, Analfissur, -stenose
44  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ Reizdarmsyndrom
██ habituelle Obstipation, Colon elongatum

Differenzial­ Cave: Je kürzer und alarmierender die Anamnese, desto wahrscheinlicher ist eine
diagnostisches organische Ursache und desto dringender die Abklärung! Bei akuter Obstipation
Vorgehen Abklärung s. a. Kap. 1.10 ff Bauchschmerzen/akutes Abdomen/Ileus.
Anamnese: Dauer der Obstipation, Stuhlverhalten, -konsistenz; Probleme beim
Pressen; Schmerzen im Analbereich oder bei Defäkation (Vermeidung der Stuhl-
entleerung!); Blut im Stuhl; Gewichtsverlust; Bauchschmerzen; Zusammentreffen
mit Veränderung von Lebensgewohnheiten bzw. -umständen, Medikamenten, Er-
nährung, Voroperationen, sonstige Erkrankungen.
Körperliche Untersuchung: vollständige(!), insbesondere digital-rektale Austas-
tung: Sphinkterdruck, Resistenz, stuhlgefüllte oder leere Ampulle, Stuhlbeschaf-
fenheit; Stuhlvisite.
Labor: BSG, BB, Na, K, Ca, Krea, BZ, (HbA1c), TSH.
Diagnostische Verfahren:
██Sonografie: Peristaltik, Darminhalt, Darmdistension, Darmwandverdickung, Ko-
karde
██Röntgen-Abdomenübersicht: Darmgasverteilung, Spiegel, Stuhlverteilung
██Koloskopie: Stenosen, Entzündung, Divertikel
██Kolon-Transitzeitbestimmung mit röntgendichten Markern: Hinton-Test, bei Ver-
dacht auf habituelle Obstipation, Colon elongatum, Outlet-Syndrom, „slow tran-
sit constipation“
██CT-Abdomen mit retrograder/oraler und intravenöser KM-Gabe (falls Koloskopie
nicht möglich)
██Kolon-Manometrie: Sehr selten indiziert, s. Leitlinie Motilitätsstörungen bzw.
Kap. 4.33 (vor Kolonresektion wegen Obstipation)
██Defäkografie: Verdacht auf Rektozele, innerer Rektumprolaps, Outlet-Syndrom,
Beckenbodendysfunktion

Therapie ██ Therapie des Grundleidens


██ Stufentherapie bei chronischer Obstipation organischer oder funktioneller Ursa-
che (außer: chronische Stenose):
–– begrenzte Wirksamkeit: ballaststoffreiche Kost (Obst, Gemüse, Vollkornpro-
dukte), viel trinken, körperliche Bewegung; ggf. Medikamentenumstellung;
Weizenkleie oder Plantago-ovata-Samen 20–30 g/Tag
–– Wirksamkeit osmotisch aktiver Substanzen nachgewiesen:
██ Polyethylenglykol (Makrogol, Movicol) 1 Btl. in 125 ml Wasser: 1- bis
4-mal/Tag
██ Laktulose: 1- bis 3-mal 10–20 ml/Tag steigern bis zum gewünschten Effekt,
Nebenwirkung: Blähungen
██ andere Laxanzien selten erforderlich; cave: Nebenwirkungen bei
dauerhaftem Gebrauch
–– Prucaloprid (5-HT4-Rezeptorantagonist): für Frauen zugelassen, die mit her-
kömmlichen Laxanzien nicht ausreichend therapiert sind
–– Linaclotide (c-GMP-Aktivator): noch nicht zugelassen
–– Klistiere, Einläufe (selten bei jungen Menschen erforderlich, Einsatz bei Quer-
schnittgelähmten, schwerer Morbus Parkinson u. a.)
–– Darm-(teil-)resektion: Morbus Hirschsprung und andere primäre neuromyo-
pathische Motilitätsstörungen
1.15 Ikterus  45

Keller J. et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
Literatur
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z.Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de
Lee-Robichaud H et al. Lactulose versus Polyethylene Glycol for Chronic Constipation. Cochrane Database
Syst Rev. 2010; (7): CD007570

1.15 Ikterus  K. Beckh

Definition Gelbfärbung der Haut (Hautikterus) und/oder der Skleren (Sklerenikterus) infolge
einer Erhöhung des Serumbilirubins auf über 2,5 mg/dl (Hautikterus) bzw. 1,8 mg/
dl (Sklerenikterus).

Mögliche Prähepatischer Ikterus:


Ursachen ██Erhöhung des unkonjugierten (indirekten) Bilirubins:
Bilirubinüberproduktion:
–– Hämolyse
–– Dyserythropoese
–– Resorption von Hämatomen
–– Bluttransfusion

Intrahepatischer Ikterus:
██Erhöhung des unkonjugierten (indirekten) Bilirubins:
Reduktion der hepatozellulären Bilirubinaufnahme:
–– Sepsis
–– Rechtsherzinsuffizienz
–– Gilbert-Meulengracht-Syndrom
██Reduktion der hepatozellulären Bilirubinkonjugation:
–– angeborene Erkrankungen:
Crigler-Najjar-Syndrom I und II
██

Gilbert-Meulengracht-Syndrom
██

Icterus neonatorum
██

–– erworbene Störungen:
Hyperthyreose
██

medikamentös-toxisch
██

hepatozelluläre Erkrankungen
██

██Erhöhung des konjugierten (direkten) Bilirubins:


Reduktion der hepatozellulären biliären Bilirubinexkretion:
–– angeborene Erkrankungen:
Dubin-Johnson-Syndrom
██

Rotor-Syndrom
██

benigne rekurrierende Cholestase (Summerskill-Tygstrup)


██

–– erworbene Störungen:
fulminantes Leberversagen
██

akute und chronische Lebererkrankungen (alkoholisch, viral, toxisch)


██

intrahepatische Schwangerschaftscholestase
██

medikamenteninduzierte Cholestase
██

Sepsis
██

postoperativer Status
██

totale parenterale Ernährung


██

primär biliäre Zirrhose (PBC)


██
46  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

██ primär sklerosierende Cholangitis (PSC)


██ sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC)
██ IgG4-assoziierte Cholangitis (IAC)

Posthepatischer Ikterus:
██Cholangiolithiasis
██Gallengangsstriktur
██Gallengangsatresie
██AIDS-Cholangiopathie
██Parasiten (Clonorchiasis, Askariasis)
██cholangiozelluläres Karzinom
██Papillenkarzinom
██Choledochuszyste
██Kompression des Gallengangs:
–– akute oder chronische Pankreatitis
–– Pankreaskarzinom
–– Lymphom bzw. Metastasen der portalen Lymphknoten
–– Duodenaldivertikel

Differenzial­ Wegweisend: Laborparameter (GOT, GPT, alkalische Phosphatase [AP], γ-Glutamyl-


diagnostisches Transferase [γ-GT], direktes bzw. indirektes Bilirubin) und Oberbauchsonografie.
Vorgehen ██bei normalen Transaminasen/AP und normalen Gallenwegen im Sonogramm:
–– Abklärung prähepatischer Ikterus: indirektes Bilirubin relativ hoch
Hämolyse (Laktatdehydrogenase [LDH], Haptoglobin)
██

hereditäre Hyperbilirubinämien
██

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 $XWRLPPXQKHSDWLWLV

Abb. 1.9 Algorithmus zur Abklärung eines Ikterus.


1.16 Aszites  47

██ bei erhöhten Transaminasen/AP und normalen Gallenwegen im Sonogramm:


–– Abklärung intrahepatischer Ikterus (s. a. mögliche Ursachen): direktes Biliru-
bin höher als indirektes
██ primär biliäre Zirrhose (AMA, Histologie)
██ primär sklerosierende Cholangitis (MRCP/ERCP, Histologie)
██ alkoholische Lebererkrankung (Anamnese, CDT)
██ akute/chronische Virushepatitis (Anti-HAV-IgM, HBs-Ag, Anti-HBc, Anti-
HCV, Anti-HEV)
██ toxische Hepatitis (Anamnese)
██ Hämochromatose (Ferritin, Transferrinsättigung, C282Y-Mutation)
██ Morbus Wilson (Coeruloplasmin, Kupfer in Urin und Serum)
██ bei erhöhter AP und dilatierten Gallenwegen im Sonogramm:
–– Abklärung posthepatischer Ikterus (siehe mögliche Ursachen) mittels MRCP,
Endosonografie, CT (ERCP nur mit therapeutischem Ansatz): direktes Biliru-
bin höher als indirektes (Abb. 1.9)

Literatur Jüngst C, Lammert F. Differenzialdiagnose der Cholestase. Gastroenterologie Up2date 2011; 7: 87–101

1.16 Aszites  K. Beckh

Definition Intraperitoneale Ansammlung von in der Regel seröser Flüssigkeit.

Mögliche ██ Leberzirrhose, Alkoholhepatitis, fulminantes Leberversagen


Ursachen ██ Budd-Chiari-Syndrom, Pfortaderthrombose, „veno-occlusive disease“
██ akute Schwangerschaftsfettleber
██ Neoplasma: primäres Leberneoplasma (z. B. hepatozelluläres Karzinom), Leber-
metastasen, Peritonealkarzinose
██ tuberkulöse Peritonitis, eitrige Peritonitis
██ Serositis bei Kollagenosen
██ Ileus, Mesenterialinfarkt
██ Herzinsuffizienz
██ Hypoproteinämie
██ nephrotisches Syndrom
██ akute oder chronische Pankreatitis
██ Myxödem

Differenzial­ Anamnese (Abb. 1.10):


diagnostisches ██Hinweise für präexistente Lebererkrankung
Vorgehen ██Alkoholabhängigkeit, Drogenabusus
██Tumorerkrankung (Gewichtsabnahme), Tumor in der Anamnese
██präexistente Herzerkrankung
██Diabetes mellitus (nephrotisches Syndrom)

Körperliche Untersuchung:
██Leberhautzeichen: Spider naevi, Palmarerythem, vermehrte Zeichnung der
Bauchwandvenen
██periphere Ödeme bzw. Anasarka
██gestaute Jugularvenen
48  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

$V]LWHV

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3HULWRQLWLV
VHNXQGlU
EDNWHULHOOH
3HULWRQLWLV

Abb. 1.10 Algorithmus zur Diagnostik des Aszites.

Sonografie zur Eingrenzung der Ätiologie:


██hepatogen:
–– Zeichen der Leberzirrhose: inhomogene Struktur, wellige Kontur, Rarefizie-
rung der Lebervenen, Dilatation der V. portae (>13 mm), Splenomegalie
–– fokale Raumforderung/en: Metastasen; Primärtumor, z. B. hepatozelluläres
Karzinom
██peritoneal: mesenteriale oder paraaortale Lymphknoten-Vergrößerungen,
Darmkokarde (Hinweis für Darmtumor), Magenwandverschwellung (Hinweis
für Magen-Neoplasie)
██pankreatogen: vergrößertes Organ, Exsudationen, Nekrosestraßen, Magenwand-
verschwellung als Zeichen einer Mitreaktion bei akuter Pankreatitis, fokale
Raumforderung als Hinweis auf Pankreastumor
██Unterbauch: Hinweis für Uterus- oder Adnextumor
██kardial: dilatierte V. cava inferior, fehlender inspiratorischer Kollaps der V. cava
inferior, dilatierter rechter Vorhof (häufig im Vierkammerblick auch von subkos-
tal zu beurteilen)
██nephrogen: sonografische Zeichen der chronischen Glomerulonephritis (kleine
Nieren)
██diagnostische Punktion: zur makroskopischen Beurteilung: klar – trübe – san-
guinolent

Obligate Labordiagnostik im Aszites:


Zellzahl mit Zelldifferenzierung: Grenzwert 500 Zellen/μl bzw. 250 segmentker-
██

nige Granulozyten/μl
Gesamteiweiß <3 g/dl: Transsudat, >3 g/dl Exsudat
██

Bakterienkultur: Inokulation von aeroben und anaeroben Blutkulturflaschen


██

(10–20 ml Aszites)
Zytologie: maligne Zellen (bei Verdacht auf malignen Aszites), Sensitivität 83 %,
██

bei 3 Proben 97 %
1.17 Anorexie  49

Optionale Labordiagnostik im Aszites:


Cholesterin: Grenzwert 45 mg/dl (bei Verdacht auf malignen Aszites)
██

CEA: (bei Verdacht auf malignen Aszites)


██

Protein-/Albumingehalt mit Bestimmung des Serumaszites-Albumin-Gradien-


██

ten:
–– Gradient >1,1 g/dl (Proteingehalt meist <3 g/dl): Zirrhose, Alkoholhepati-
tis, Lebermetastasen, fulminantes Leberversagen, Budd-Chiari-Syndrom,
Pfortaderthrombose, „veno-occlusive disease“, kardialer Aszites, Myxödem,
Schwangerschaftsfettleber
–– Gradient <1,1 g/dl (Proteingehalt meist >3 g/dl): Peritonealkarzinose, tuber-
kulöse Peritonitis, pankreatischer Aszites, Mesenterialinfarkt, nephrotisches
Syndrom, postoperatives lymphatisches Leck, Serositis bei Kollagenosen
Amylase
██

CEA: karzinoembryonales Antigen, Grenzwert 5 ng/ml


██

LDH (>400 U/l)


██

Literatur Appenrodt B, Trebicka J, Sauerbruch T. Komplikationen der Leberzirrhose. DMW 2011; 136: 1601–1604
Borst MM, Meyer, FJ. Diagnostik und Therapie der Rechtsherzinsuffizienz. Kardio up 2009; 5: 123–138
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779

1.17 Anorexie  I. Koop

Definition Appetitverlust, fehlender Wunsch nach Nahrungsaufnahme (selten alleiniges Sym-


ptom).

Mögliche ██ Tumorerkrankungen, akute und chronische Erkrankungen des Gastrointestinal-


Ursachen trakts, Infektionserkrankungen (z. B. Pneumonie, Hepatitis)
██ Medikamente (Digitalis, Antibiotika, Chemotherapeutika, Sulfasalazin, Narkoti-
ka wie Kodein, Morphin), Alkoholismus, Urämie, Hypothyreose, Nebennieren-
rinden-Insuffizienz, perniziöse Anämie, Leukämie, Radio-/Chemotherapie, chro-
nischer Schmerz, Erkrankungen des ZNS, Depression, andere psychische oder
emotionale Gründe, Anorexia nervosa

Differenzial­ ██ Anamnese: Dauer, Ausmaß des Gewichtsverlusts, sonstige Beschwerden, Medi-


diagnostisches kamente, Vorgeschichte
Vorgehen ██ Klinische Untersuchung: Anämie, Ikterus, Lymphome, Tumor
██ Labor: BSG, CRP, BB, Diff.-BB, Kreatinin, Harnstoff, Na, K, Ca, GPT, LDH, γ-GT, TSH
basal, Protein i. S.
██ Sonografie Abdomen: Tumor, Leberveränderungen
██ Röntgen-Thorax
██ Weitere Abklärung: ggf. mittels Ösophagogastroskopie bzw. symptom- und be-
fundbezogener Untersuchungen
50  1 Differenzialdiagnose wichtiger Leitsymptome

1.18 Gewichtsverlust  K. Beckh

Definition Ungewollter Verlust an Körpersubstanz über 3 bzw. 6 Monate, der über 5 bzw. 10 %
des ursprünglichen Körpergewichts hinausgeht.

Mögliche Mit normalem bzw. gesteigertem Appetit:


Ursachen Malabsorption (z. B. Zöliakie), Maldigestion (z. B. exokrine Pankreasinsuffizienz)
██

Diabetes mellitus (in der Regel Erstmanifestation oder Sekundärversagen), Hy-


██

perthyreose, Karzinoidsyndrom, Phäochromozytom

Mit Appetitverlust:
Malignome
██

Hepatopathie, Urämie, Morbus Addison


██

chronische Infektionen, HIV-Infektion


██

Kollagenosen, hämatologische Erkrankungen


██

Medikamente, Alkoholabusus, psychiatrische Erkrankungen


██

Mit Sitophobie:
Ulkusleiden, Magenkarzinom
██

Morbus Crohn, Colitis ulcerosa


██

chronische Pankreatitis
██

Angina abdominalis
██

postoperativer Zustand
██

Differenzial­ Im Vordergrund steht das Fahnden nach einem zusätzlichen Symptom, das einen
diagnostisches Organbezug und eine gezielte Diagnostik ermöglicht. Bei monosymptomatischen
Vorgehen Fällen weiteres Vorgehen:
Anamnese und körperliche Untersuchung
Diagnostisches Basisprogramm:
██Labor:
–– BSG, Blutbild, Quick-Wert (INR)
–– AST (GOT), ALT (GPT), γ-GT, LDH
–– AP
–– Bilirubin
–– Gesamtprotein, Elektrophorese
–– CRP (C-reaktives Protein)
–– Natrium, Kalium, Kalzium
–– Kreatinin, Harnstoff
–– Blutglukose
–– TSH
██Ultraschall des Abdomens
██Röntgen-Thorax-Aufnahme
██Stuhluntersuchung (Hämokkult, Wurmeier)
██evtl. Koloskopie, Gastroskopie

Ergibt sich aus diesem diagnostischen Programm keine Fährte, bleiben ca. 25 % der
Fälle (mit guter Prognose) ungeklärt. Vor allem im Alter kann eine Mangelernährung
auch durch soziale Isolation, Armut und psychische Erkrankungen bedingt sein.

Literatur Beckh K, Adler G. Leitsymptom: Gewichtsverlust. In: Schölmerich J, Bischoff SC, Mann MP (Hrsg.) Diagnostik
in der Gastroenterologie und Hepatologie. Stuttgart: Thieme Verlag 1997
Löser C, Lübbers H, Mahlke R, Lankisch PG. Der ungewollte Gewichtsverlust des alten Menschen. Dt Ärzte-
blatt 2007; 104(49); A 3411–3420
Gastro­
enterologische
Krankheitsbilder
  53

2 Ösophagus
H. Koop

2.1 Anatomie und physiologische Funktion

Definition Schlauchförmige Verbindung zwischen Pharynx und Magen.

Aufbau Die Wand besteht aus Mukosa, Submukosa sowie Muskelschicht. Intrathorakal be-
grenzt die Adventitia, intraabdominell das Peritoneum den Ösophagus gegenüber
umgebenden Strukturen. Man unterscheidet einen zervikalen, thorakalen und ab-
dominellen Abschnitt des Ösophagus.

Struktur Schleimhaut: vielschichtiges, nicht verhornendes Plattenepithel, kräftige Lamina


muscularis mucosa.
Submukosa: reichlich Glandulae oesophagae, nehmen nach aboral an Zahl zu, se-
zernieren auf luminale Reize.
Muskelschicht: im oberen Teil quer gestreifter Muskel, der bis zur Mitte in glatte
Muskulatur übergeht; innere Schicht aus Ringmuskeln, äußere Schicht aus längs
ausgerichteten, schraubenförmig angeordneten Fasern; durch diese Anordnung ist
parallele Erschlaffung und Kontraktion möglich.
Oberer Ösophagussphinkter: besteht aus Fasern des M. cricopharyngeus, dichtet
den Ösophagus zum Pharynx ab.
Unterer Ösophagussphinkter: Ventil nach distal. Sphinkterapparat komplex auf-
gebaut aus schraubenförmig angeordneten Fasern der Ringmuskulatur und Mus-
keln zwischen Hiatus oesophagei und His-Winkel. Verschluss zusätzlich durch Ve-
nenpolster, die ihrerseits bei Pfortaderdruckerhöhung Anlass zu Varizenblutungen
geben können.

Gefäß­ Arterien: Zervikal aus Ästen der A. thyreoidea (seltener A. carotis oder subclavia),
versorgung thorakal direkt aus Ästen der Aorta und abdominell aus der A. gastrica sinistra.
Venen: Zervikal in die V. thyreoidea, thorakal in die Vv. azygos und hemiazygos,
abdominell partiell über die thorakalen Venen oder über die V. gastrica sinistra.
Lymphgefäße: Proximal über supraklavikuläre Lymphknoten, nach distal über pe-
rigastrische Lymphknoten hin zu Lymphknoten am Truncus coeliacus.

Innervation Extrinsisch: Aus Fasern des N. vagus, in die postganglionäre sympathische Fasern
eingewoben sind.
Intrinsisch: Durch ein verzweigtes System autonomer Fasern.
Funktionell arbeiten extrinsischer und intrinsischer Anteil komplex zusammen.
Während vagale Fasern direkt zum oberen Ösophagussphinkter und zur quer ge-
streiften Muskulatur ziehen, erfolgt im tubulären Ösophagus eine Verschaltung in
den intramuralen Plexus. Postganglionäre muskarinerge Innervation führt zu Kon-
traktionen, Stickstoffmonoxid (NO) und vasoaktives intestinales Polypeptid (VIP)
zur Relaxation.
54  2 Ösophagus

Funktion Ösophagusmotorik: Im tubulären Ösophagus wird infolge des Schluckaktes eine


distal gerichtete propulsive Peristaltik erzeugt. Dabei nimmt die Höhe der Kontrak-
tionen nach distal hin zu. Diese komplexe Steuerung unterliegt sowohl zentralen
als auch intrinsischen Regulationsmechanismen.
██ primäre Kontraktionen: Durch Schluckakt induziert, äußern sich in Form einer
gerichteten propulsiven Peristaltik
██ sekundäre Kontraktionen: Durch retinierte Nahrung oder Refluat aus dem Magen
induziert („Reinigungsfunktion“), propulsiv
██ tertiäre Kontraktionen: Simultane, nicht propulsiv wirkende Kontraktionen, sind
beim Gesunden selten
Oberer Ösophagussphinkter: durch vagale Stimulation unter Ruhebedingungen
konstanter Druck von 40–120 mmHg. Im Schlaf erfolgt Druckabfall, jedoch bleibt
ein positiver Gradient bestehen. Der Schluckakt löst im Oropharynx eine kurzfris-
tige Unterbrechung der vagalen Aktivität und damit Erschlaffung des Sphinkters
aus. Auch plötzlicher Druckanstieg in der Speiseröhre, z. B. beim Aufstoßen und
Erbrechen, senkt kurzfristig den Druck.
Unterer Ösophagussphinkter: Ruhedruck von 10–30 mmHg. Mit Beginn der peri-
staltischen Welle in der proximalen Speiseröhre fällt der Druck über mehrere Se-
kunden ab. Diese Relaxation wird im Wesentlichen durch Stickstoffmonoxid (NO)
vermittelt.
Spontane, d. h. nicht schluckreflektorische Relaxationen, sind die wichtigste Ursa-
che für einen gastroösophagealen Reflux.

2.2 Anatomische Läsionen

2.2.1 Divertikel
Definition Über das Wandniveau hinausgehende Ausbuchtungen der gesamten Ösophagus-
wand bzw. Ausstülpungen von Wandanteilen (Mukosa bzw. Submukosa) durch
präformierte Muskellücken. Man unterscheidet:
██Pulsionsdivertikel:
–– zervikal gelegenes Zenker-Divertikel (häufigste Form der Ösophagusdiverti-
kel, auch asymptomatisch)
–– im distalen Ösophagus lokalisiertes epiphrenisches Divertikel (sehr selten)
██Traktionsdivertikel (parabronchiales Divertikel; selten)
██Pseudodivertikel (intramurale Taschenbildungen, keine Divertikel im eigentli-
chen Sinne) häufig mit Stenose am oberen Rand der Veränderungen kombiniert
(sehr selten)

Anmerkung: Der Begriff „funktionelle Divertikel“ (z. B. beim radiologischen Bild


des diffusen Ösophagospasmus) sollte nicht verwendet werden.

Patho­ Pulsionsdivertikel: Ausstülpung von Mukosa bzw. Submukosa durch Muskellücken


mechanismus aufgrund eines erhöhten intraluminalen Drucks.
██zervikales Zenker-Divertikel: Muskellücke in der linksseitigen Rachenhinter-
wand (Killian-Dreieck); Druckerhöhung im Hypopharynx als Folge einer Funk-
tions- oder Koordinationsstörung im oberen Ösophagussphinkter
██epiphrenisches Divertikel:
–– intraluminale Druckerhöhung durch gesteigerten Tonus im unteren Ösopha-
gusspinkter (in ca. 50 % der Fälle besteht Achalasie) und/oder durch hyper-
motile Motilitätsstörungen im tubulären Ösophagus
2.2 Anatomische Läsionen  55

–– die pathophysiologischen Störungen sind denen der Achalasie sehr oder nahe
verwandt: hypertensiver unterer Ösophagussphinkter, fehlende schluckre-
flektorische Erschlaffung, fehlende propulsive Peristaltik im tubulären Öso-
phagus, gehäuft tertiäre Kontraktionen; daher sehr ähnliche Therapiekon-
zepte wie bei Achalasie

Traktionsdivertikel:
██Entstehung durch erhöhten intraluminalen Druck wahrscheinlich am häufigsten
(Motilitätsstörungen wie bei Pulsionsdivertikeln)
██kongenitale Faktoren: Ösophagotracheale Bindegewebsbrücken als Reste von
Fisteln zwischen Ösophagus und Bronchialsystem; deshalb durch Zugwirkung
von außen Divertikelentstehung möglich
██Traktion durch schrumpfende entzündliche Mediastinalprozesse vermutlich
wenig bedeutend

Pseudodivertikulose: Aussackungen erweiterter und chronisch entzündeter Aus-


führungsgänge ösophagealer Drüsen. Warum häufig eine davon proximal gelege-
ne, meist sehr derbe Ösophagusstenose besteht, ist noch unklar.

Pathologie Divertikelwand kann entweder aus allen Wandschichten oder nur aus Mukosa und
Submukosa bestehen. Durch Nahrungsretention teils sekundäre Mukosaläsionen
im Bruchsack.
Bei der Pseudodivertikulose besteht häufig eine Pilzbesiedlung.

Epidemiologie Im unausgewählten Krankengut sind Divertikel selten (ca. 0,1 % der Bevölkerung).
Zervikale Zenker-Divertikel (70 %; Inzidenz 2 pro 100 000 Einwohner) dominieren,
parabronchiale (22 %) und epiphrenische Divertikel (8 %) sind seltener.

Klinische Kleinere und v. a. im mittleren Drittel lokalisierte Divertikel sind oft asymptoma-
Charakteristika tisch. Leitsymptom der Divertikel ist ansonsten Dysphagie.
Zenker-Divertikel: Häufig Kloß- oder Fremdkörpergefühl im Halsbereich.
Parabronchiale Traktionsdivertikel sowie größere Zenker-Divertikel: Retention
und konsekutiv Regurgitation von Nahrungsresten. Daher u. U. nächtliche Aspirati-
onen und morgendliche Heiserkeit.
Epiphrenische Divertikel: Meist symptomatisch mit Leitsymptomen: Dysphagie
(mitbedingt durch Störungen der Motilität), thorakale Schmerzen und Regurgitati-
on mit der Gefahr der Aspiration.
Ösophageale Pseudodivertikulose: Dysphagie und Odynophagie dominieren.

Wegweisende In erster Linie Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel:


Diagnostik ██bei Verdacht auf Aspiration (vorher: Thoraxübersicht) Anwendung wasserlösli-
cher Kontrastmittel, ansonsten Bariumsulfat
██neben der Divertikeldarstellung Motilität mitbeurteilen (einschließlich Ein-
schluckakt)
Ergänzend immer auch Endoskopie, wenngleich kleine und zervikale Divertikel
dem Endoskopiker entgehen können.

Zusatz­ Manometrie des Ösophagus insbesondere beim epiphrenischen Divertikel sinnvoll:


diagnostik Nachweis von achalasietypischen Motilitätsstörungen legt Therapieversuch mit-
tels pneumatischer Dilatation nahe.
Differenzial­
diagnose Alle mit Dysphagie einhergehenden Erkrankungen.
56  2 Ösophagus

Therapie­ Symptomatische Fälle; Wahl des Vorgehens dabei abhängig von der Lokalisation
indikation des Divertikels und der Operationsfähigkeit.

Therapie Zenker-Divertikel:
██in symptomatischen Fällen ist in der Regel eine Myotomie und Divertikelresekti-
on anzustreben; Operation nur geringes Risiko
██bei hohem Narkoserisiko ist alleinige Myotomie des oberen Ösophagussphink-
ters (auch endoskopisch) oder chirurgische Durchtrennung des Septums zwi-
schen Divertikel und Ösophagus möglich

Große parabronchiale Divertikel: chirurgische Therapie erforderlich, wenn symp-


tomatisch (z. B. bei Aspiration).
Epiphrenisches Divertikel:
██je nach Symptomatik Versuch der Ballon-Dilatation des unteren Ösophagus-
spinkters gerechtfertigt
██bei Versagen der Dilatationsbehandlung und großen symptomatischen Diverti-
keln OP-Indikation gegeben (Myotomie des unteren Ösophagusspinkters und/
oder Divertikelresektion), aber höheres OP-Risiko

Pseudodivertikulose: konservativ mit Dilatation von Stenosen; bei Candidiasis


Gabe von Fluconazol.

Verlauf In der Regel chronisch, aber abhängig von therapeutischen Maßnahmen (diese
können definitive oder temporäre Besserung bringen).

Langzeit­ ██ Perforation: meist iatrogen im Rahmen von diagnostischen Eingriffen (Endosko-


komplikationen pie, Manometrie); seltener spontan
██ Aspiration: v. a. nächtlich auftretend mit sekundären Komplikationen wie Pneu-
monie, Lungenabszess etc.
██ Malignom: erhöhte Inzidenz fraglich
██ Blutung, Fistel: selten

Literatur Baker ME et al. Esophageal diverticula: patient assessment. Semin Thorac Cardiovasc Surg 1999; 11:
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Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45
Levine MS et al. Esophageal intramural pseudodiverticulosis: A reevaluation. AJR 1996; 147: 1165–1170

2.2.2 Hiatushernien
Definition Verlagerung von Kardia oder proximalen Magenanteilen in den Thoraxraum (Abb.
2.1a–e).

Patho­ Axiale Gleithernie: Die Kardia gleitet durch eine Erweiterung des Hiatus oesopha-
mechanismus gei im Zwerchfell und durch Nachgeben der phrenoösophagealen Membran in den
Thoraxraum (Abb. 2.1b).
Paraösophageale Hernie: Bei lokalisiertem Defekt der paraösophagealen Memb-
ran treten bei fixierter Kardia Anteile von Fundus und Korpus des Magens über,
in seltenen Fällen nahezu der gesamte Magen (upside-down stomach) und/oder
andere intraabominelle Organe (Abb. 2.1d+e).
Mischformen sind nicht selten.
2.2 Anatomische Läsionen  57

a b c d e

Abb. 2.1a–e Typen und Entwicklung von Hiatushernien.

Epidemiologie Axiale Hiatushernien sind weitaus häufiger als paraösophageale Hernien (Verhält-
nis 20:1). Angaben zur Häufigkeit variieren enorm; bei über 65-Jährigen und sub-
tiler Diagnostik Gleithernie in mehr als 50 %.

Assoziierte Refluxkrankheit: Bei der überwiegenden Zahl der Patienten mit Refluxkrankheit
Erkrankungen besteht eine Hiatushernie (meistens Gleithernie, selten gemischte Hernien).

Klinische Gleithernien: in der Regel asymptomatisch, nur etwa 5–10 % mit einer Reflux-
Charakteristika krankheit assoziiert. Auch ohne gleichzeitige Refluxkrankheit kann sich Eisenman-
gelanämie entwickeln.
Selten sind Ulzera in der Hernie in Höhe der Zwerchfellzwinge (Cameron-Ulzera),
die zu akuten Blutungen führen können, evtl. auch eine chronische Blutungsquelle
darstellen.
Paraösophageale Hernien: oft asymptomatisch, schwerwiegende Symptome sind
postprandiale Schmerzen und Erbrechen, (rezidivierende) Blutungen oder eine Ei-
senmangelanämie. Bei Verlagerung größerer Magenanteile und insbesondere wei-
terer abdomineller Organe kann belastungsabhängige Dyspnoe hinzukommen. Ein
Volvulus des Magens kann die Magenpassage komplett unterbrechen.

Wegweisende ██ Thorax-Übersichtsaufnahme: im seitlichen Bild Aufhellung mit Spiegelbildung


Diagnostik ██ Röntgen-Kontrastmittel-Untersuchung: sensitivste Methode zur Darstellung
einer Hernie
██ Endoskopie: bei kleinen Hernien (<3 cm) zwar radiologischen Verfahren unter-
legen, erlaubt aber Beurteilung der Schleimhaut (für Diagnose der Refluxkrank-
heit, Ulzerationen in der Hernie etc. wichtig)

Differenzial­ Abgrenzung der einzelnen Formen der Hiatushernie wegen unterschiedlicher the-
diagnose rapeutischer Konsequenzen wichtig. Radiologischer Reflux kein verlässlicher Indi-
kator für Refluxkrankheit.

Therapie­ Axiale Gleithernie:


indikation ██wenn asymptomatisch, keine Therapie
██bei gleichzeitiger Refluxkrankheit gelten die Richtlinien der Refluxtherapie (s.
Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrankheit)
Paraösophageale Hernien:
██wenn symptomatisch (Ulzerationen, Einklemmungen, Passagestörungen, Blu-
tungen): Indikation zur chirurgischen Therapie
58  2 Ösophagus

██ ansonsten kann auf Operation (auch bei großen asymptomatischen paraösopha-


gealen Hernien) verzichtet werden

Therapie Verschiedene Operationsverfahren bei paraösophagealen Hernien möglich (z. T.


kombiniert): Rückverlagerung hernierter Organe, Resektion des Herniensacks,
Verschluss des Hiatus, Gastropexie, Antirefluxoperation.

Verlauf Rezidive nach chirurgischen Eingriffen häufig (25–40 %), daher Zurückhaltung bei
Indikationsstellung zur Operation bei asymptomatischen Patienten.

Langzeit­ Bei großen paraösophagealen Hernien und Übertritt weiterer Oberbauchorgane


komplikationen sind (durch Kompression der Lunge) respiratorische Komplikationen möglich, da-
neben Eisenmangelanämie.

Literatur Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45

2.2.3 Ringe und Webs


Definition Kurzstreckige, membranartige Stenosen im Ösophagus ohne entzündliche Muko-
saveränderungen oder Einwirkung von außen.
Schatzki-Ring am häufigsten, lokalisiert zwischen Platten- und Zylinderepithel am
gastroösophagealen Übergang.

Patho­ Pathomechanismen weitgehend unbekannt. Ursächlich Fehlbildung möglich, am


mechanismus distalen Ösophagus auch als postentzündliche Veränderungen (z. B. durch Reflux).

Pathologie Matrix der Membranen ist Bindegewebe. Webs im oberen und mittleren Drittel
von Plattenepithel bekleidet. Schatzki-Ring: In der Regel auf der oralen Seite Plat-
ten-, auf der aboralen Seite Zylinderepithel; häufig mit Hiatushernie kombiniert.

Epidemiologie Ein Schatzki-Ring in 5–10 % aller Röntgenuntersuchungen des Ösophagus, aber bis
auf wenige Ausnahmen (<0,5 % der Untersuchten) asymptomatisch. Webs sind au-
ßerordentlich selten, exakte Zahlen fehlen.

Assoziierte Für Webs im proximalen Drittel wird ein Zusammenhang mit Schilddrüsenerkran-
Erkrankungen kungen und dem Zenker-Divertikel postuliert, für Webs im mittleren Drittel dage-
gen mit Hautkrankheiten. Schatzki-Ring häufig assoziiert mit Hiatushernie.

Klinische In der Mehrzahl keine Symptome, Diagnose wird zufällig gestellt. Ansonsten Leit-
Charakteristika symptom Dysphagie. Intensität der Beschwerden abhängig vom Ausmaß der Ein-
engung: Lumenweite <13 mm führt beim Schatzki-Ring meist zu intermittieren-
den Symptomen, meist Impaktation von Speisebolus.

Wegweisende Röntgenuntersuchung Methode der Wahl, jedoch prinzipiell ebenso gut endosko-
Diagnostik pisch möglich. Minimale Einengungen des Lumens (d. h. bei problemloser Passage
mit dem Endoskop) werden vom Endoskopiker in der Regel nicht registriert.

Differenzial­ Alle Erkrankungen, die zu Dysphagie führen: beim Schatzki-Ring zuerst die pepti-
diagnose sche Stenose, im oralen Ösophagus das Karzinom.

Therapie ██ Therapie nur in symptomatischen Fällen


2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen  59

██ Bereits bei der Endoskopie kommt es häufig zur Zerreißung der Membranen;
ansonsten ist die Dilatation mittels Bougies oder Ballon die Methode der Wahl.
██ Beim Schatzki-Ring Durchtrennung auch mit Laser oder Nadelmesser möglich.

Verlauf Hohe Rezidivrate, diese aber vielfach asymptomatisch. Durch Protonenpumpen-


blocker kann Rezidivrate gesenkt werden, optimale Dauer der Therapie noch un-
geklärt.

Literatur Eckardt VF et al. Single dilation of symptomatic Schatzki ring. A prospective evaluation of its effectiveness.
Dig Dis Sci 1992; 37: 577
Koop H, Kurz C. Befunde am gastroösophagealen Übergang. Gastroenterol up2date 2007; 3: 33–45

2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen

Siehe auch Kap. 7.22, Portale Hypertension und gastrointestinale Blutung.

Definition Dilatierte, ins Lumen des Ösophagus ragende, subepitheliale und submuköse Ve-
nen. Bei Flussbehinderung im oberen Hohlvenenbereich können so genannte
„Downhill-Varizen“ entstehen. Varizen können auch am gastroösophagealen Über-
gang und im Fundus lokalisiert sein (Fundusvarizen).

Patho­ Ösophagusvarizen entstehen bei Pfortaderhochdruck, dadurch ergibt sich die Klas-
mechanismus sifikation:
Prähepatischer Block: meist durch Pfortaderthrombose, angeborene Fehlbildungen
sind sehr selten. Gastrale Varizen können Folgen einer Milzvenenthrombose sein.
Ursachen der Pfortaderthrombose:
██ postnatal im Gefolge einer Nabelvenensepsis
██ chronische Pankreatitis
██ Tumoren des Pankreas und im Lig. hepatoduodenale
██ nach Operationen
██ nach Milztrauma oder Splenektomie
██ myeloproliferative Erkrankungen, insbesondere Polycythaemia vera und Osteo-
myelofibrose
██ plasmatische Gerinnungsstörungen (Faktor-V-Leiden, Prothrombinmutation,
Protein-S- und Protein-C-Mangel u. a.)

Intrahepatischer Block:
██präsinusoidal (selten)
██sinusoidal (Leberzirrhose)
██postsinusoidal (Leberzirrhose, Hämochromatose, Morbus Wilson, Thrombose
der intrahepatischen Venen)

Posthepatischer Block:
██Verschluss der V. hepatica (Budd-Chiari-Syndrom)
██Obstruktion der V. cava inferior
██Erkrankungen mit ausgeprägter Rechtsherzinsuffizienz (Pericarditis constricti-
va, Klappenfehler etc.)

Bei Druckerhöhungen im Pfortadergebiet Weitergabe des Drucks in die portosys-


temischen Kollateralen (Venen des Ösophagus) unabhängig von der zugrunde lie-
genden Ursache. Zufluss v. a. durch Vv. gastricae breves und V. coronaria ventriculi.
60  2 Ösophagus

Infolge Druckerhöhung zunehmende Dilatation der Venen und sukzessives Hin-


einragen in das Ösophaguslumen. Ähnliche Dilatation der Venen im Fundus des
Magens (Fundusvarizen).
Schwerste Komplikation von Ösophagus- und Fundusvarizen ist die Blutung.

Pathologie Varizen v. a. im distalen Ösophagus auftretend, aber auch bis in das proximale Drit-
tel reichend. Weite nimmt nach distal hin zu. Blutungen am häufigsten in der Über-
gangszone lokalisiert, d. h. 2–6 cm oberhalb des gastroösophagealen Übergangs.

Epidemiologie Angeborene Varizen sind sehr selten. Auch Downhill-Varizen sind selten (praktisch
nie Ursache gastrointestinaler Blutungen). Ösophagusvarizen sind fast immer Fol-
ge einer portalen Hypertension; wichtigste Ursache: Leberzirrhose. Etwa jeder 3.
Patient mit Leberzirrhose erlebt Varizenblutung.

Assoziierte Siehe Pathomechanismus.


Erkrankungen
Klinische Cave: Ösophagusvarizen sind – außer bei der Blutung – ohne klinische Zeichen
Charakteristika oder Beschwerden! Das klinische Bild wird dominiert von der Grundkrankheit.
Das Risiko einer Blutung steigt mit Verschlechterung der Leberfunktion (Child-
Klassifikation), der Größenzunahme der Varizen und dem Auftreten endoskopi-
scher Zeichen (s. u.).
Blutungs- und begleitende Symptome:
██Hämatemesis
██in manchen Fällen ausschließlich Meläna
██hämorrhagischer Schock abhängig von der Blutungsintensität
██bei Leberzirrhose oft Verschlechterung der Leberfunktion
██Leberkoma bzw. portale Enzephalopathie

Wegweisende Endoskopie:
Diagnostik ██stets komplette Endoskopie bis zum unteren Duodenalknie durchführen, da bei
jedem 3. Varizenträger noch andere Blutungsquellen vorliegen. Fundusvarizen
können mit Magenfalten verwechselt werden, ggf. gelingt Diagnose mit Endoso-
nografie (cave: Kompression der Varizen durch gefüllten Ballon am Gerät)
██Ziele der Endoskopie:
–– Identifikation der Blutungsquelle
–– Blutstillung
–– Sicherung der Diagnose Ösophagusvarizen und Klassifizierung
██verschiedene Klassifikationen zur Einteilung des Schweregrades, sehr stark un-
tersucherabhängig:
–– praktisch: Durchmesser der Varizen (klein: <3 mm; mittel: 3–5 mm; groß:
>5 mm)
–– Klassifikation:
██ Grad I = im Mukosaniveau liegende Stränge
██ Grad II = Größe <5 mm und/oder weniger als ein Drittel des Lumens
einnehmend
██ Grad III = Größe >5 mm und/oder mehr als ein Drittel des Lumens
einnehmend
██ Grad IV = Varizen mit Blutungsstigmata und/oder mehr als zwei Drittel des
Lumens einnehmend
–– Dokumentation von Zeichen prognostischer Bedeutung (z. B. „red cherry
spots“ [rote Flecken auf Varizen], „red whale markings“ oder „red colour
sign“ [rote Stränge])
2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen  61

██ cave: nach erheblichen Blutverlusten kann Größe der Varizen unterschätzt werden!
██ cave: vor Endoskopie ausreichend stabile Kreislaufverhältnisse herstellen!

Varizen bluten meist nur intermittierend, häufig sistiert die Blutung nach größe-
rem Blutverlust (Blutung). Bei Fehlen anderer Blutungsursachen muss Varizenblu-
tung angenommen werden, auch wenn kein direkter Blutungsnachweis geführt
werden kann und sich u. U. kein Blut mehr im Magen befindet.

Zusatz­ ██ radiologische Verfahren heute obsolet (enttäuschende Sensitivität)


diagnostik ██ ggf. diagnostische Schritte zur Abklärung des Pfortaderhochdrucks (s. Kap. 7.22,
Portale Hypertension und gastrointestinale Blutung)

Differenzial­ ██ Ösophagusvarizen in der Regel ohne Schwierigkeiten zu diagnostizieren; bei


diagnose Fundusvarizen Abgrenzung zu Magenfalten gelegentlich schwierig
██ andere Ursachen einer oberen gastrointestinalen Blutung ausschließen, insbe-
sondere Abgrenzung zum Mallory-Weiss-Syndrom gelegentlich schwierig; ggf.
Endoskopie wiederholen

Therapie­ Endoskopische Therapie bei bzw. nach Varizenblutung immer indiziert (Sekundär-
indikation prophylaxe). Primärprophylaxe prinzipiell und Wahl der geeigneten Methode um-
stritten.

Allgemeine ██ mehrere, möglichst große venöse Zugänge inkl. ZVK


Notfall­ ██ Labor: Blutbild, Blutgruppe, Kreuzblut, Gerinnungsstatus, Elektrolyte, Transami-
maßnahmen nasen, Bilirubin, Ammoniak
██ orientierende Anamnese (v. a. Klärung der Genese der Lebererkrankung)
██ bei Bewusstseinsverlust bzw. Koma: Intubation (cave: Aspirationsgefahr!)
██ Volumenersatz und Stabilisierung der Gerinnung (Elektrolytlösungen, FFP,
HAES, Humanalbumin; keine Dextrane). Cave: Übersubstitution: dadurch An-
steigen des Pfortaderdruckes mit höherer Rezidivblutungsgefahr! Ggf. Erythro­
zytenkonzentrate
██ Magenspülung, Laxanzien, Einläufe, Laktulose (als Komaprophylaxe)
██ Kontrolle der Diurese
██ bei begründetem Verdacht auf Varizenblutung medikamentöse Pfortaderdruck-
senkung durch Terlipressin (1–2 mg initial, dann 1 mg alle 4–6 h als Kurzinfusion)
schon vor Endoskopie; Maßnahme insbesondere sinnvoll, wenn rasche Endosko-
pie nicht zur Verfügung steht oder nicht möglich ist. Cave: extrasplanchnische
Vasokonstriktion mit Infarktrisiko an Herz, Hirn, Intestinum und Extremitäten!
██ Alternative der medikamentösen Pfortaderdrucksenkung: Octreotid (Soma-
tostatinanalogon) 500 μg als Bolus i. v., dann 50–500 μg/h (höhere Dosis wohl
wirksamer; Nebenwirkungen geringer als bei Terlipressin)

Lokale Der Einsatz der Endoskopie erfolgt sowohl diagnostisch als auch ggf. therapeutisch
­Behandlung (Blutstillung). Die Endoskopie sollte zur Vermeidung einer bakteriellen Transloka-
tion immer mit einer Antibiotikatherapie kombiniert werden, z. B. mit Ciproflo-
xacin (2-mal 250 mg i. v.) oder Ceftriaxon (2 g/Tag i. v.), Dauer der Antibiotikagabe
über 5–7 Tage.
Endoskopische Blutstillung:
██ Varizenligatur heute dominierende Methode; Sklerosierung weitgehend verlassen
██ Varizenligatur: endoskopische Platzierung von Gummibandligaturen um Vari-
zen, auch primär zur Blutstillung eingesetzt; posttherapeutische Ulzera meist
nur oberflächlich, daher weniger komplikationsträchtig
62  2 Ösophagus

██ paravasale Injektion von Polidocanol (Äthoxysklerol): führt über Fibrose (Narbe)


zur Varizenokklusion; Komplikation: tiefe Ulzera, die ihrerseits bluten können
██ intravasale Injektion von Cyanoacrylat (Histoacryl): härtet im Gefäßlumen aus
und unterbricht so den Fluss; führt ebenfalls zu Ulzera. Dominierender Einsatz
bei Fundusvarizen
██ medikamentöse Pfortader-Drucksenkung – in Kombination mit endoskopischer
Blutstillung (Ligatur) – über 5 Tage fortführen

Ballonsonden (Sengstaken-, Linton-Sonde):


██wirksam, aber hohe Rezidivblutungsrate; allenfalls als überbrückende Therapie
██bei unkorrekter Anwendung (häufig!) erhebliche Komplikationsgefahr (Perfora-
tion, Aspiration)
██Einsatz weitgehend verlassen (bei refraktären Blutungen aus Ösophagusvarizen
ist Shunt [TIPS] bzw. Stent wahrscheinlich sinnvollere Alternative)

Stents:
██beschichtete, extrahierbare, selbstexpandierende Metall-Stents: komprimieren
Varizen analog zu Ballonsonden, okkludieren aber nicht das Lumen
██in kleinen Fallserien hohe Wirksamkeit bei refraktärer Ösophagusvarizenblu-
tung (80–90 % Blutungsstopp)
██Entfernung des Stents nach ca. 8–10 Tagen
██insgesamt bisher wenig Daten, noch experimentelle Therapie
██hohe Kosten

Systemische Vasoaktive Medikamente (s. o.):


­Behandlung ██Terlipressin, Vasopressin, Nitroglycerin, Somatostatin(analoga): Senken Pfort-
aderdruck
██falls keine Notfallendoskopie verfügbar: am ehesten Anwendung von Octreotid
oder Terlipressin (Somatostatin-Analogon mit minimalen Nebenwirkungen)

Therapie­ Selbstexpandierende Stents (s. o.)


refraktäre Shunts:
Blutung ██transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS):
–– Indikation bei unstillbarer und rasch rezidivierender Blutung
–– wenig verbreitet
–– verbessert Prognose, wenn frühzeitiger Einsatz bei Patienten mit hohem Re-
zidivblutungsrisiko (z. B. Child C und große Varizen)
██portosystemische Shuntchirurgie:
–– z. B. portokavale End-zu-Seit-Anastomose (PCA)
–– wirksames Verfahren, Letalität bei Notfall aber sehr hoch
–– insgesamt keine Verbesserung der Prognose

Ösophagusdissektion: vollständige chirurgische Durchtrennung der gesamten


Ösophaguswand (unterbricht Blutfluss) und Reanastomosierung; heute selten ein-
gesetzt.

Leitfaden im ██ Kreislaufstabilisierung
Einzelfall ██ medikamentöse Pfortaderdrucksenkung, wenn Varizenblutung wahrscheinlich:
Octreotid oder Terlipressin (s. o.)
██ nach Kreislaufstabilisierung: Notfallendoskopie und endoskopische Blutstillung
(Ligatur) kombiniert mit antibiotischer Therapie
2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen  63

██ bei früher Rezidivblutung nach Endoskopie (<24 h): Stentplatzierung, ggf. Bal-
lontamponade
██ bei Rezidivblutung nach >24–48 h: erneute Endoskopie und Blutstillung, ggf.
Stent; medikamentöse Pfortader-Drucksenkung fortführen; TIPS erwägen (falls
verfügbar)
██ bei Fundusvarizen: Cyanoacrylat-Injektion, evtl. TIPS
██ bei häufigen Blutungsrezidiven in kurzen Intervallen (wenn gute Leberfunkti-
on): TIPS oder Chirurgie
██ Lebertransplantation als Therapie der Grundkrankheit

Verlauf und Therapieversager = anhaltende Blutung bei Endoskopie und/oder keine Stabilisie-
Prophylaxe rung des Kreislaufs trotz Substitution und/oder weiterer hoher Transfusionsbedarf
(>4 Erythrozytenkonzentrate innerhalb von 6 h):
██medikamentöse Pfortader-Drucksenkung mit Octreotid oder Terlipressin (s. o.)
██beschichtete Stents (wirken analog zu Ballontamponaden, erhalten aber das Lu-
men und verringern damit Aspirationsgefahr; abschließendes Urteil mangels
größerer Studien noch nicht möglich)
██TIPS (wenn verfügbar)
██Ballonsonden (s. o.)
Innerhalb eines Jahres kommt es ohne weitere Therapie in ca. 70 % der Fälle zur
Rezidivblutung, davon bei der Hälfte innerhalb von 6 Wochen. Maßnahmen zur
Rezidivprophylaxe sind deshalb obligat.
██Sekundärprophylaxe:
–– Varizeneradikation: immer nach erfolgreicher Blutstillung, vorzugsweise
durch Ligaturbehandlung
–– unselektive Betablocker (Propranolol) als Alternative: Dosierung einschlei-
chend, bis Herzfrequenz um 25–30 % gesenkt
–– prognostisch bedeutsam v. a. Schwere der Grunderkrankung (Child-Klassifi-
kation)
██Primärprophylaxe:
–– sinnvoll bei Patienten mit hohem Risiko einer baldigen Varizenblutung; Risi-
kofaktoren sind:
große Varizen
██

endoskopische Zeichen einer drohenden Blutung („red spots“, „red colour


██

sign“)
schlechte Leberfunktion (Child-Klassifikation)
██

–– Alternativen (je nach Verfügbarkeit und Kontraindikationen)


nichtselektive β-Blocker: wirksam, aber Compliance-Probleme; Carvedilol
██

viel versprechende Alternative (weitere Studien notwendig)


Varizenligatur
██

keine Shunts oder Sklerosierung


██

keine Prophylaxe bei ausschließlichen Fundusvarizen


██

Langzeit­ Im natürlichen Verlauf kommt es häufig zu Rezidivblutungen, daher sind Sekun-


komplikationen därprophylaxe und regelmäßige endoskopische Kontrollen indiziert.
Abhängig von Behandlungsmaßnahmen sind folgende therapiebezogene Kompli-
kationen möglich:
██Sklerosierung: Strikturen, Motilitätsstörungen
██TIPS: portale Enzephalopathie, Shuntverschluss
██Shuntchirurgie: Enzephalopathie
64  2 Ösophagus

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2.4 Störungen der Motilität

2.4.1 Achalasie
Definition Neuromuskuläre Erkrankung, die gekennzeichnet ist durch
██fehlende oder ungenügende schluckreflektorische Erschlaffung des unteren
Ösophagussphinkters
██fehlende propulsive Peristaltik im tubulären Ösophagus
██Unterteilung in Typ I bis Typ III nach Kriterien der hochauflösenden Manometrie
vorgeschlagen

Patho­ Verlust der inhibitorischen, NO-produzierenden Innervation der Ösophagusmus-


mechanismus kulatur, weitere Defekte in der autonomen Regulation (auch außerhalb des Gastro-
intestinaltrakts). Ursache unbekannt: Autoimmunerkrankung, Infektion?
Klinisch vergleichbares Bild bei Chagas-Krankheit durch Infektion mit Trypanoso-
ma cruzi (Süd- und Zentralamerika).

Pathologie ██ Mikroskopisch: Degeneration inhibitorischer Ganglienzellen im Plexus myente-


ricus mit umgebender inflammatorischer Infiltration. Cholinerge Ganglienzellen
weitgehend intakt.
██ Makroskopisch: im Erkrankungsverlauf massive Dilatation und Abknickung
(„kinking“) der Speiseröhre. Speiseretention nahezu obligat, Pilzbesiedlung sehr
häufig.
██ „Pseudoachalasie“: Tumor mit Infiltration der Nervenplexus im gastroösopha-
gealen Übergang kann Achalasie imitieren.

Epidemiologie Etwa 1 Erkrankung pro 100 000 Einwohner, Geschlechter gleich betroffen. Mani-
festation in jedem Alter möglich, überwiegend zwischen 25. und 60. Lebensjahr.

Assoziierte Bei Kindern: Allgrove-Syndrom (Nebennierenrinden-Insuffizienz, Alakrimie).


Erkrankungen

Klinische Leitsymptome: Dysphagie für feste und flüssige Speisen (ca. 90 %), dabei Dyspha-
Charakteristika gie für flüssige Nahrung wegweisend; Unfähigkeit aufzustoßen; retrosternale
Schmerzen insbesondere bei hochamplitudigen tertiären Kontraktionen („vigo-
rous achalasia“, entspricht Typ III der Chicago-Klassifikation).
Weiterer Krankheitsverlauf: Regurgitation mit Gefahr der Aspiration; postpran-
diales oder nächtliches (nicht saures) Erbrechen; bronchopulmonale Symptome
können häufig im Vordergrund stehen (Bronchitis, Pneumonie).
2.4 Störungen der Motilität  65

Weitere häufige Symptome: Schluckauf, Sodbrennen (in frühen Krankheitspha-


sen), Globusgefühl, langsame Nahrungsaufnahme aufgrund Anpassung der Essge-
wohnheiten, Gewichtsverlust.

Wegweisende Frühphase: schwierig, oft Fehlinterpretation. Manometrie essenziell (fehlende


Diagnostik oder nicht ausreichende schluckreflektorische Erschlaffung des unteren Ösopha-
gussphinkters). Hochauflösende Manometrie unterscheidet Typ I (klassische Acha-
lasie mit niedrigem intraösophagealen Druck), Typ II mit erhöhtem intraösophage-
alem Druck und Typ III mit spastischen Kontraktionen („vigorous achalasia“)
Spätphase: Thoraxaufnahme (dilatierter Ösophagus durch Mediastinalverbreite-
rung auffallend).
Wichtigste Maßnahme: Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (Dilatation vor
spitz zulaufender Stenose im terminalen Ösophagus, Kontrastmittelretention, ggf.
spastische Kontraktionen).

Zusatz­ ██ Endoskopie: obligat zum Ausschluss anderer Erkrankungen (Ösophagus- oder


diagnostik Kardiakarzinom, „Pseudoachalasie“) bzw. zur Diagnostik einer sekundären Soo-
rösophagitis; in Frühphase kann Endoskopiebefund vollkommen unauffällig
sein (Diagnose nur manometrisch zu stellen)
██ Endosonografie: in Zweifelsfällen zum Ausschluss einer Tumorerkrankung

Differenzial­ ██ Karzinome, die auf gastroösophagealen Übergang übergreifen („Pseudoacha-


diagnose lasie“): wichtigste Differenzialdiagnose. Dabei kurze Anamnese als wesentliches
Unterscheidungsmerkmal. Cave: Achalasie mit erhöhtem Risiko für sekundäre
Karzinome!
██ Systemerkrankungen: achalasieähnliche Symptome bei Amyloidose, Neurofib-
romatose, Sarkoidose, chonischer idiopathischer intestinaler Pseudoobstruktion,
Sjögren-Syndrom, eosinophiler Gastroenteritis und Anderson-Fabry-Syndrom

Therapie­ Jede Form der symptomatischen Achalasie bedarf der Therapie. Eine kausale The-
indikation rapie gibt es bisher allerdings nicht.

Therapie Medikamentöse Therapie:


██Nitrate und Kalziumantagonisten bewirken Drucksenkung im unteren Ösopha-
gussphinkter, aber nur beschränkter Therapieeffekt ggf. in Anfangsphase, Lang-
zeitergebnis enttäuschend
Pneumatische Dilatation:
██Therapie der Wahl zur Dehnungsbehandlung des unteren Ösophagussphinkters
██Besserung der Dysphagie in 60–85 % nach einmaliger Sitzung; Wiederholung in
ca. 50 % notwendig
██keine Einigkeit über Form des Ballons (Durchmesser), angewandten Druck und
Dauer der Dilatation
██nach eigener Erfahrung Blockung des Ballons (3,5 cm Durchmesser) mit 250–
400 mmHg Druck (abhängig vom Dilatationseffekt unter Durchleuchtungskont-
rolle) 2- bis 3-mal über je 1 min
██postprozedurale Senkung des Sphinkterdrucks determiniert das Rezidivrisiko,
aber bei zusätzlichen spastischen (tertiären) Kontraktionen (Typ III) sind Lang-
zeitergebnisse schlechter (gilt auch für Myotomie)
██Komplikationen:
–– Perforation (ca. 2 %; Mortalität 0,2 %), daher nach pneumatischer Dilatation
stets Röntgenkontrolle mit wasserlöslichem Kontrastmittel
–– temporäre Herzrhythmusstörungen
66  2 Ösophagus

Endoskopische Injektion von Botulinumtoxin:


██Therapiekonzept meist nur kurzzeitig effektiv, häufig frühes Rezidiv, teuer
██Injektionsort unterer Ösophagussphinkter (dort Hemmung der Acetylcholinfrei-
setzung und dadurch Abnahme des Sphinktertonus)
██weniger effektiv als pneumatische Dilatation; Dilatation nach mehrfacher Injek-
tion problematisch aufgrund von Narben im Sphinkter

Versagen der Chirurgische (“Heller’sche”) Myotomie:


konservativen ██Indikation insbesondere bei Therapieversagern der pneumatischen Dilatation
Therapie ██Spaltung der Muskulatur des distalen Ösophagus auf einer Länge von 4–5 cm
██Durchführung zunehmend mittels laparoskopischer Technik
██Kombination des Eingriffs mit Antirefluxmaßnahme (Fundoplikatio) umstritten
Perorale endoskopische Myotomie (POEM):
██neues Verfahren: endoskopisch durchgeführte partielle oder vollständige Myo-
tomie
██transluminaler Zugang, Myotomie analog zum operativen Verfahren mit ESD-
Messer
██noch experimentelles Verfahren ohne Langzeitbeobachtungen
██geeignete Patienten und Risiken aufgrund bisher geringer Fallzahlen noch un-
klar

Verlauf Restbeschwerden häufig trotz prinzipiell deutlicher Besserung. Rezidiv der Symp-
tomatik mit konsekutiver Re-Therapie in 50 % der Fälle. Ungünstige Langzeitergeb-
nisse der Ballondilatation insbesondere bei jüngeren Patienten, deshalb hier groß-
zügigere Indikationsstellung zur Operation ebenso wie bei raschen Rezidiven bzw.
nur geringer Drucksenkung nach Dilatation.
Im Verlauf einer behandelten Achalasie oft Refluxösophagitis, nach Myotomie häu-
figer als nach pneumatischer Dilatation bzw. Botulinumtoxin-Injektion. Behand-
lung nach den üblichen Grundsätzen (s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrank-
heit).

Langzeit­ Bei langjährigem Verlauf Risiko für Plattenepithelkarzinom 16-fach erhöht (kann
komplikationen in allen Abschnitten des Ösophagus auftreten).
Regelmäßige endoskopische Überwachung nach >15 Jahren Krankheitsverlauf
sinnvoll, wenngleich Empfehlung nicht gesichert.

Literatur Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resoluti-
on esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(1): 57–65
de las Casas C et al. Pharmacological options in achalasia. Aliment Pharmacol Ther 1999; 13: 1391–1396
Eckhardt VF et al. Predictors of outcome in patients with achalasia treated by pneumatic dilatation. Gastro-
enterology 1992; 103: 1732–1738
Boeckxstaens GE et al. Pneumatic dilation vs. laparoscopic Heller’s myotomy for idiopathic achalasia. N Engl
J Med 2011; 364: 1807–1816
von Renteln R et al. Peroral endoscopic myotomy for the treatment of achalasia: a prospective single center
study. Am J Gastroenterol 2012; 107: 411–417

2.4.2 Hyperkontraktile Motilitätsstörungen


Definition Hyperkontraktile Motilitätsstörungen gehören zu den primären Störungen der
ösophagealen Motorik:
██Nussknacker-Ösophagus: Erhaltene propulsive Peristaltik, aber abnorm hohe
Kontraktionen im distalen Ösophagus (Amplitude >180 mmHg)
2.4 Störungen der Motilität  67

██ diffuser Ösophagospasmus: Vermehrte simultane Kontraktionen (mehr als 20 %


bei Wasserschlucken), verlängerte Kontraktionsdauer (>6 s), repetitive Kontrak-
tionen
██ hypertensiver unterer Ösophagussphinkter: Erhöhter Ruhedruck über
45 mmHg, ggf. unzureichende schluckreflektorische Erschlaffung mit residuel-
lem Druck über 8 mmHg

Kriterien des hypersensitiven Ösophagussphinkters häufig bei Nussknacker-Öso-


phagus und diffusem Ösophagospasmus formal erfüllt.
Nach der Chicago-Klassifikation werden zusätzlich Varianten der Achalasie defi-
niert (z. B. „EGJ outflow obstruction“), klinische Relevanz und therapeutische Im-
plikationen noch weitgehend unklar.

Patho­ Weitestgehend unbekannt; bisher sind keine pathophysiologischen Konzepte all-


mechanismus gemein akzeptiert. Es ist kontrovers, ob manometrische Befunde allein bereits kli-
nische Relevanz besitzen.

Pathologie Weitestgehend unbekannt; Veränderungen an Meißner- und Auerbach-Plexus pa-


thophysiologisch fraglich relevant.

Epidemiologie Diffuser Ösophagospasmus selten (<0,2 Erkrankungen pro 100 000 Einwohner).
Über die Prävalenz des Nussknacker-Ösophagus keine exakten Angaben, formale
Kriterien in ca. 10 % der Patienten mit Thoraxschmerzen ohne erkennbare organi-
sche Ursache („non-cardiac chest pain“) erfüllt.

Klinische Dominierende Symptome: präkordiale oder retrosternale Schmerzen („non-cardi-


Charakteristika ac chest pain“), Dysphagie und/oder Odynophagie, Sodbrennen. Symptome oft nur
intermittierend auftretend, teils während Nahrungsaufnahme, oft nahrungsunab-
hängig und sogar nachts. Beziehung zu Situationen starker körperlicher oder psy-
chischer Belastung nicht selten.

Wegweisende Röntgenuntersuchung: beim Bariumschluck typischerweise korkenzieher- oder


Diagnostik sägezahnartig gewundener Ösophagus. Kontrastmittelpassage kann verlangsamt
sein. Sensitivität der Röntgenuntersuchung unbekannt.
Manometrie: spezifische Störungen erfassbar (s. o.), ggf. auch frühe Formen der Er-
krankungen (vor radiologisch nachweisbaren Veränderungen) zu dokumentieren.
Offen, ob (bei intermittierender Klinik) immer o. g. spezifische Phänomene nach-
weisbar sein müssen bzw. ob stets bei erfüllten formalen Kriterien die Diagnose
eines diffusen Ösophagospasmus oder Nussknacker-Ösophagus zutrifft. Hochauf-
lösende Manometrie führt zur weiteren Differenzierung von Veränderungen der
Motilität (Chicago-Klassifikation), aber Einfluss auf Therapie noch unklar.

Zusatz­ Endoskopie: zuweilen hilfreich in der Abgrenzung der Refluxkrankheit oder von
diagnostik Tumoren (v. a. bei Dysphagie und Sodbrennen); bei dominierenden Thoraxschmer-
zen subtile kardiale Diagnostik.

Differenzial­ Koronare Herzkrankheit, aber auch Refluxkrankheit und Achalasie; manometri-


diagnose sche Abgrenzung der einzelnen Formen.

Therapie Indikation zu Therapie bei Patienten mit Symptomen. Therapie im Wesentlichen


empirisch, gute kontrollierte Studien sind rar.
68  2 Ösophagus

Vorgehensweise im Einzelfall:
██bei dominierender Dysphagie: Gabe von Nitraten (z. B. Nitro-Spray) oder Kalzi-
umantagonisten (z. B. Nifedipin 10 mg vorzugsweise sublingual; cave bei älteren
Patienten)
██bei Leitsymptom Thoraxschmerz: Diltiazem als Retardpräparat
██bei Sodbrennen: Versuch mit Protonenpumpenblockern (ggf. temporär höher
dosieren, um Effekt der Säuresuppression beurteilen zu können)
██trizyklische Antidepressiva: hier reichen in Einzelfällen niedrige Dosen (z. B.
Amitriptylin 10–20 mg), teils müssen aber antidepressiv wirksame Dosen ein-
gesetzt werden
██Injektion von Botulinumtoxin in den unteren Ösophagussphinkter bisher rein
experimentell

Verlauf Chronisch rezidivierend, Langzeitkomplikationen jedoch nicht bekannt.

Selbsthilfe Meiden sehr heißer oder sehr kalter Getränke, Nahrungsaufnahme unter ruhigen
Rahmenbedingungen.

Literatur Clouse RE. Spastic disorders of the esophagus. Gastroenterologist 1997; 5: 112–127
Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resoluti-
on esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24(1): 57–65

2.4.3 Sekundäre Motilitätsstörungen


Definition Sekundäre Motilitätsstörungen bei Vielzahl von Erkrankungen vorkommend (s. u.);
je nach zugrunde liegender Störung kann proximaler Ösophagus (quer gestreifte
Muskulatur) und oberer Ösophagussphinkter oder distaler tubulärer Ösophagus
(glatte Muskulatur) und unterer Ösophagussphinkter betroffen sein. Zumeist hy-
pokontraktile Störungen.
Existenz des Presbyösophagus (hypomotile Störungen im hohen Lebensalter) muss
heute bezweifelt werden.

Patho­ Kollagenosen:
mechanismus ██systemische Sklerose (Sklerodermie):
und klinische –– Manifestation: schwere hypo- bis amotile Störung im distalen Ösophagus
Charakteristika bzw. unteren Ösophagussphinkter (manometrisch bei 90 % nachweisbar, aber
häufig asymptomatisch); oropharyngeale Beteiligung ebenfalls häufig (ca.
25 %)
–– Klinik: ösophageale Dysphagie, schwere Refluxösophagitis ggf. mit Striktu-
ren; seltener oropharyngeale Dysphagie
██Lupus erythematodes, Panarteriitis nodosa, rheumatoide Arthritis, Mischkollage-
nosen:
–– Manifestation: ähnlich wie bei systemischer Sklerose, aber seltener und
meist von geringerer Ausprägung
–– Klinik: ösophageale Dysphagie, Refluxsymptomatik
██Polymyositis, Dermatomyositis:
–– Manifestation: Befall der quer gestreiften Muskulatur im Oropharynx, des
oberen Ösophagussphinkters und des zervikalen Ösophagus
–– Klinik: oropharyngeale Dysphagie, rezidivierende Aspirationen
2.4 Störungen der Motilität  69

Erkrankungen des zentralen Nervensystems:


██Insult, Pseudobulbärparalyse, Chorea, multiple Sklerose, amyotrophe Lateralskle-
rose:
–– Manifestation: häufig Störungen der neurogenen Koordination im Oropha-
rynx, oberen Ösophagussphinkter und proximalen Ösophagus; hypomotile
Störungen im distalen Ösophagus und unteren Ösophagussphinkter sind
dagegen seltener
–– Klinik: oropharyngeale Dysphagie, rezidivierende Aspirationen; seltener öso-
phageale Dysphagie und Refluxkrankheit

Erkrankungen des peripheren Nervensystems:


██Guillain-Barré-Syndrom, Poliomyelitis:
–– Manifestation: hypomotile Störungen in der glatten Muskulatur des distalen
Ösophagus und unteren Ösophagussphinkters
–– Klinik: ösophageale Dysphagie, Refluxkrankheit (insgesamt sehr selten)

Muskelerkrankungen:
Muskeldystrophien, Myasthenia gravis, Botulismus:
██

–– Manifestation: hypomotile Störungen in der quer gestreiften Muskulatur des


proximalen Ösophagus und oberen Ösophagussphinkters
–– Klinik: oropharyngeale Dysphagie, Aspiration
chronische idiopathische Pseudoobstruktion:
██

–– myogene Form: hypo- bis amotile Störung im tubulären Ösophagus und unte-
ren Ösophagussphinkter
–– neurogene Form: meist unauffällige Kontraktionen, aber fehlende Koordinati-
on; gehäuft auftretende simultane Kontraktionen möglich
–– Klinik: ösophageale Symptome eher selten; Symptomatik wird durch Ob­
struktion im Dünndarm und Kolon dominiert

Diabetes mellitus:
██Manifestation: hypomotile Störung im distalen Ösophagus und unteren Ösopha-
gussphinkter
██Klinik: meistens asymptomatisch

Amyloidose (s. Kap. 3.14, Amyloidose und Kap. 4.38, Darmbeteiligung bei Syste-
merkrankungen):
hypomotile Störung
██

Leitsymptom Dysphagie
██

Wegweisende ██ Anamnese: ggf. einschließlich Fremdanamnese je nach Grunderkrankung


Diagnostik ██ Diagnostik/Befunde der Grunderkrankung
██ Endoskopie: zusätzliche Durchführung obligat

Zusatz­ ██ Röntgenuntersuchung (bei oropharyngealer Dysphagie Dokumentation des Ein-


diagnostik schluckakts)
██ Manometrie (in Abhängigkeit von Symptomatik)

Differenzial­ Siehe oben; meist anhand der Grunderkrankung zu diagnostizieren.


diagnose

Therapie­ Symptomatische Patienten.


indikation
70  2 Ösophagus

Therapie
██ Behandlung der Grundkrankheit
██ Besserung insbesondere der Motilitätsstörung häufig nicht erreichbar, daher oft
Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie (evtl. jejunale Katheter-
position bei fortbestehendem Reflux und Aspiration) erforderlich.
██ Hypomotile Formen häufig kompliziert durch Soorösophagitis (insbesondere bei
paralleler Steroidtherapie); Behandlung nach üblichen Prinzipien (s. Kap. 2.6.3,
Pilzinfektionen)
██ bei Refluxkrankheit: Behandlung s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrankheit
██ ggf. Therapie einer begleitenden Entleerungsstörung des Magens (s. dort)

Verlauf Prognose in der Regel durch Grundkrankheit bestimmt.

Literatur Weston et al. Clinical and upper gastrointestinal motility features in systemic sclerosis and related disor-
ders. Am J Gastroenterol 1998; 93: 1085–1089

2.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit

Definition Beschwerden und/oder Läsionen bedingt durch pathologischen gastroösophagea-


len Reflux verbunden mit einer Einschränkung der Lebensqualität; bei ca. 30 % der
Refluxkranken besteht Refluxösophagitis mit erosiven bzw. ulzerösen Läsionen.
Nach Endoskopiebefund wird unterschieden zwischen:
██erosiver Refluxkrankheit („erosive reflux disease“, ERD) und
██nichterosiver Refluxkrankheit (NERD)

Durch Impedanzmessung mit pH-Metrie kann neuerdings saurer von schwach


oder nicht saurem Reflux differenziert werden (s. u.).

GERD ist eine Erkrankung, bei der Reflux von Mageninhalt


belästigende Symptome und/oder Läsionen verursacht

ösophageale Syndrome extraösophageale Syndrome

symptomatische Syndrome mit etablierte mögliche


Syndrome Ösophagusläsionen Assoziationen Assoziationen

typisches Refluxösophagitis Refluxhusten Sinusitis


Refluxsyndrom

Refluxstriktur Refluxlaryngitis Pharyngitis

Reflux-Thorax- Barrett-Ösophagus Refluxasthma pulmonale Fibrose


Schmerz-Syndrom

Refluxkarzinom dentale Erosionen rezidivierende Otitis media

Abb. 2.2 Montreal-Klassifikation der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD).


2.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit  71

Das Spektrum der Refluxkrankheit wird in der Montreal-Klassifikation unterglie-


dert (Abb. 2.2).

Patho­ Primäre Refluxkrankheit mit multifaktorieller Genese; Schädigung und Symptom­


mechanismus induktion im Wesentlichen durch Säure (und Pepsin) aufgrund folgender Fakto-
und Einteilung ren:
██spontane Relaxationen des unteren Ösophagussphinkters (pathophysiologisch
wichtigster Faktor)
██unzureichende Clearance durch verminderte propulsive Peristaltik im tubulären
Ösophagus
██Hiatushernie: schwächt Verschlussmechanismus im gastroösophagealen Über-
gang
██Übergewicht
██Medikamente, die Druck im unteren Ösophagussphinkter reduzieren, z. B. Nitra-
te, Kalziumantagonisten, Theophyllin (fraglich), Anticholinergika bzw. Medika-
mente mit anticholinergen Nebenwirkungen
Sekundäre Refluxkrankheit mit spezifischer Genese:
██erniedrigter Druck im unteren Ösophagussphinkter: Schwangerschaft (zusätzlich
Auswirkungen durch erhöhten intraabdominellen Druck)
██Hypomotilität des tubulären Ösophagus: Kollagenosen
██operative Eingriffe an Kardia: Myotomie bei Achalasie, Kardiaresektion
██Magenentleerungsstörung: funktionelle Entleerungsstörung, Gastroparese, Ma-
genausgangsstenose
██iatrogene Begünstigung des gastroösophagealen Refluxes: länger liegende Magen-
sonden
Alkalische Refluxkrankheit:
██nach partieller und totaler Gastrektomie intestinoösophagealer Reflux von Gal-
lensäuren und (Lyso-)Lecithin
██eher nach proximaler als nach distaler Magenteilresektion starker duodenogast-
roösophagealer Reflux bei wenig Säure und insuffizientem gastroösophagealem
Sphinkterapparat

Pathologie Veränderungen reichen von unauffälliger Schleimhaut („Refluxkrankheit ohne


Ösophagitis“, NERD) über Erosionen (häufigste Form der Refluxösophagitis, ERD)
bis zu tiefen Ulzera.
Barrett-Ulzera sind vollständig von Barrett-Epithel umgeben, ansonsten Ulzera
überwiegend am Übergang von Platten- zum Zylinderepithel lokalisiert.
Durch narbige Veränderungen entstehen peptische Stenosen; floride Entzündungs-
komponente kann Einengung noch verstärken.
Diagnostische Aussagekraft histologischer Befunde mit verbreiterter Basalzell-
schicht und Papillen bei makroskopisch negativer Refluxkrankheit wird kontro-
vers beurteilt.
Refluxkrankheit wesentlichste Ursache für Zylinderzellmetaplasie (Barrett-Öso-
phagus; s. Kap. 2.7.1, Barrett-Ösophagus).
Am Übergang vom Platten- zum Zylinderepithel bildet sich bei einem kleinen Teil
der Patienten – fast immer am aboralen Rand einer Erosion – ein „Refluxpolyp“
(histologisch Granulationsgewebe).

Genetik Unbekannt; familiäre Häufung aber durch Studien belegt.


72  2 Ösophagus

Epidemiologie Häufige Erkrankung, aber im Wesentlichen beschränkt auf Industrieländer; Inzi-


denz und Prävalenz zunehmend. Ebenfalls häufige Selbstmedikation (Antazida)
ohne Arztkonsultation.
Prävalenz (abhängig von Intensität der Symptome):
██Refluxsymptome mehrmals wöchentlich bis täglich ca. 4–7 %, mindestens ein-
mal pro Woche bis zu 20–25 %
██Refluxösophagitis 10–15 % der Bevölkerung (in einem Drittel der Fälle ohne
Symptome)
Geschlechtsverteilung:
██Refluxkrankheit ohne Ösophagitis: 1:1
██bei Refluxösophagitis: Männer bevorzugt (ca. 3:1)

Alkalische Refluxkrankheit: selten, zudem abhängig vom operativen Verfahren


(häufig bei Billroth-I und -II, selten bei Anlegen einer Y-Roux-Anastomose der zu-
führenden Schlinge).

Assoziierte ██ Husten: häufiges Begleitsymptom zu Sodbrennen, aber ohne Sodbrennen wird


Erkrankungen Husten sehr selten durch Reflux ausgelöst.
██ Posteriore Laryngitis: induziert durch Aufsteigen sauren Refluats bis in den La-
rynx, Häufigkeit wird wahrscheinlich überschätzt, bei Fehlen ösophagealer Sym-
ptome ist Refluxgenese selten.
██ Refluxassoziiertes Asthma: entweder durch (Mikro-)Aspiration oder über öso-
phagopulmonale Reflexe induzierte Bronchialobstruktion. Prävalenz unbekannt,
wahrscheinlich selten. Refluxkrankheit bei Asthmakranken dagegen sehr häufig
(30–50 %)!
██ Herzrhythmusstörungen, Koronarspasmen: über ösophagokardiale Reflexe
ausgelöst, selten.
██ Eisenmangelanämie: auch bei fehlender ösophagealer Symptomatik als Folge
chronischen Blutverlusts (v. a. in höherem Lebensalter) möglich.

Klinische Leitsymptome: Sodbrennen (aufsteigende brennende retrosternale Schmerzen,


Charakteristika Druckgefühl hinter dem Processus xiphoideus), saure Regurgitation, aber auch
nicht saure Regurgitation möglich. Weiterhin Manifestation in Form rein epigas-
trischer oder thorakaler Schmerzen.
Weitere Symptome: epigastrische Schmerzen, Dysphagie (auch ohne Stenose),
Odynophagie, Erbrechen.
Extraösophageale Manifestationen: Husten, Heiserkeit, Räuspern, Laryngitis.
Charakteristik der Beschwerden:
██ Auftreten in aufrechter Körperhaltung (Beschwerden überwiegend tags, post-
prandial) oder im Liegen (dann nächtliche Symptome) individuell verschieden,
kein Einfluss auf den Schweregrad
██ Verstärkung der Symptome beim Bücken und Pressen, durch Stress und durch
bestimmte Nahrungsmittel (säurehaltige Getränke wie Weißwein oder Zitrus-
säfte, Kaffee, süße Speisen)
██ keine Korrelation zwischen Intensität der Symptome und endoskopischem
Schweregrad (eher Tendenz zur inversen Korrelation), im Alter häufig nur gerin-
ge Symptomintensität bei hohen Schweregraden
██ bei alkalischer Refluxösophagitis überwiegend gallig-bittere Regurgitation
██ Dysphagie wird Leitsymptom bei Stenose (dann meist wenig Sodbrennen), aber
auch Dysphagie ohne Obstruktion durch Hypomotilität (differentialdiagnostisch
an eosinophile Ösophagitis denken, zeigt Überlappung mit Refluxkrankheit)
2.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit  73

██ bei refluxassoziierten pharyngealen Symptomen (Husten, morgendliche Heiser-


keit, Räuspern) und refluxassoziiertem Asthma (nicht saisonale, v. a. nächtliche
Asthmaanfälle) Fehlen ösophagealer Symptome möglich, aber selten

Wegweisende Anamnese! Wichtig: Refluxkrankheit sehr wahrscheinlich bei folgenden anamnes-


Diagnostik tischen Hinweisen: Sodbrennen als Leitsymptom, häufige Einnahme von und gutes
Ansprechen auf Antazida.
Endoskopie:
██ positive Diagnose bei bestehender Ösophagitis
██ Bestimmung des Schweregrades als wesentlicher prognostischer Parameter
(Tab. 2.1, Tab. 2.2, Tab. 2.3)
██ hat nur geringen Einfluss auf die Therapie, daher bei unkomplizierter Sympto-
matik ohne Alarmsymptome (Gewichtsabnahme, Dysphagie, Anämie etc.) zu-
nächst aufschiebbar zugunsten einer probatorischen Therapie, aber bei Alarm-
symptomen ist sofortige Endoskopie zwingend
██ Ausschluss anderer Oberbaucherkrankungen (Ulkus etc.)
██ dient der Diagnostik des Barrett-Ösophagus (Aussage beim behandelten Patien-
ten am zuverlässigsten), s. Kap. 2.7.1, Barrett-Ösophagus.
██ bislang keine endoskopische Klassifikation allgemein akzeptiert

Tab. 2.1 Klassifi­ Stadium Charakteristika


kation modifiziert
0 Refluxkrankheit ohne Ösophagitis
nach Savary &
Miller. 1 Umschriebene Erosionen (a = nicht fibrinbelegt, b = mit Fibrinbelägen)

2 Konfluierende Erosionen (a/b wie Stadium 1)

3 Zirkumferenzielle Erosionen

4 Komplikationen (Ulkus, Stenose)

Barrett-Ösophagus wird separat erfasst

Tab. 2.2 MUSE- Merkmal Ausprägung


Klassifikation.
M = Metaplasie 0 = fehlend 1 = finger-/zungenförmig 2 = ausgedehnt

U = Ulkus 0 = fehlend 1 = Größe <1 cm 2 = Größe


>1 cm

S = Stenose 0 = fehlend 1 = mit Endoskop pas­ 2 = unpassier­


sierbar bar

E = Erosion 0 = fehlend 1 = umschrieben 2 = konfluie­


rend

Tab. 2.3 Los- Stadium Charakteristika


Angeles-Klassifi­
kation. A Erosionen bis 5 mm Länge nur auf Faltenkämmen

B Erosionen über 5 mm nur auf Faltenkämmen

C Erosionen von Faltenkämmen über mindestens ein Faltental reichend


(<75 % der Zirumferenz)

D Erosionen erstreckend über mindestens 75 % der Zirkumferenz


74  2 Ösophagus

Alle Klassifikationen können prinzipiell verwendet werden, die jeweils verwen-


dete Klassifikation ist anzugeben. Los-Angeles-Klassifikation als einzige evaluiert.
Zusätzlich Hiatushernie sehr häufig. Gelegentlich Polyp mit inflammatorischem
Granulationsgewebe am aboralen Rand einer Erosion („Refluxpolyp“).

Zusatz­ ██ pH-Metrie: bei Therapieversagern zur Klärung persistierender Refluxbeschwer-


diagnostik den unter adäquater Behandlung, vor Antirefluxchirurgie; keine Indikation zur
Sicherung der Refluxkrankheit ohne Ösophagitis (NERD)
██ Probetherapie: aufgrund hoher Wirksamkeit von Protonenpumpenblockern
ähnliche Aussagekraft wie pH-Metrie
██ simultane Messung von Impedanz und pH-Metrie: erlaubt Differenzierung der
Regurgitation von Säure, nicht sauren Flüssigkeiten und Luft (Einfluss der Mess-
ergebnisse für weiteres therapeutisches Vorgehen noch nicht definiert)
██ Manometrie: selten indiziert, nur präoperativ oder zur Diagnostik einer primä-
ren Motilitätsstörung mit sekundärer Refluxkrankheit; Ergebnis ohne Einfluss
auf medikamentöse Therapie
██ Bilirubin-Detektion: beim alkalischen Reflux (Bilitec) ähnlich der pH-Metrie,
klinische Bedeutung fraglich
██ Bernstein-Test: Säureperfusion des Ösophagus, heute obsolet

Differenzial­ ██ Retrosternale Schmerzen: koronare Herzkrankheit; Reizmagen vom Refluxtyp,


diagnose „Pillenösophagitis“
██ Regurgitation: Luftaufstoßen bei Aerophagie
██ Dysphagie: Eosinophile Ösophagitis, Achalasie, Ösophaguskarzinom, Stenosen
anderer Genese
██ Odynophagie: „Pillenösophagitis“, Nussknacker-Ösophagus, diffuser Ösophago-
spasmus, Infektionen
██ Erbrechen: Magenausgangsstenose
██ Oberbauchschmerzen: Ulkuskrankheit, Reizmagen, Magentumoren
██ Husten: Infektionen des Rachens, chronische Bronchitis

Therapie­ Symptomatische Refluxkrankheit:


indikation ██ösophageale Symptome: Sodbrennen etc.
██extraösophageale Symptome: Husten, Heiserkeit
██Eisenmangel, Blutungen

Allgemeine Allgemeinmaßnahmen: Gewichtsreduktion bei Übergewicht; bei Symptomen im


Therapie Liegen: Abstand zwischen Abendessen und Schlafengehen mindestens 4 h; an-
sonsten „Allgemeinmaßnahmen“ wie Kopfende des Bettes anheben, Nahrungsum-
stellung allenfalls gering wirksam, ggf. im Einzelfall zu empfehlen.
Medikamente:
██bei sporadischen Refluxsymptomen (keine Refluxkrankheit!) bedarfsadaptierte
Gabe von Antazida
██Häufigere Refluxsymptome sind Indikation für Protonenpumpenblocker (PPI),
unabhängig vom Nachweis von Erosionen (sowohl bei ERD als auch bei NERD):
–– Prinzipiell wird „Step-down-Therapie“ empfohlen: Beginn mit PPI in Stan-
darddosierung, Dosisreduktion solange beschwerdefrei; evtl. für längerfristi-
ge Therapie bei symptomatischer Wirksamkeit auch H2-Blocker (eher selten
möglich).
–– praktisches Vorgehen: Omeprazol 20 mg, Esomeprazol 40 mg, Lansoprazol
30 mg, Pantoprazol 40 mg, Rabeprazol 20 mg; Dauer bei NERD bis Beschwer-
defreiheit, in der Regel 2–4 Wochen; bei ERD in niedrigen Schweregraden:
2.5 Gastroösophageale Refluxkrankheit  75

4(–6) Wochen, bei hohen Schweregraden: 8–12 Wochen; nicht endoskopier-


te Refluxkrankheit: 4 Wochen
–– bei unzureichender Wirksamkeit Dosis verdoppeln; falls unter 2- bis 3-facher
Standarddosis keine oder nur unwesentliche Beschwerdebesserung erzielt
wird, ist säureinduzierte Symptomatik sehr unwahrscheinlich (Diagnose
überprüfen)
–– in der Langzeittherapie Dosis anhand der Symptomatik heruntertitrieren, in-
termittierende Dosierung an Symptomen orientiert (bedarfsadaptiert) häufig
ausreichend; höhere Schweregrade erfordern fast immer kontinuierliche
Langzeittherapie mit PPI; medikamentöse Therapie gilt als sicher, nur gerin-
ge Nebenwirkungsrate
██ Vorgehen bei Patienten mit dominierendem schwach oder nichtsaurem Reflux
noch unklar: PPI kaum wirksam, evtl. Operation (optimale Methode der Patien-
tenselektion noch unklar; cave: unkritische Indikationsstellung zur Operation
(Therapieerfolg chirurgischer Maßnahmen unter den therapierefraktären Pati-
enten selten!)
██ bei alkalischer Refluxkrankheit medikamentöse Therapie (Antazida, Sucralfat,
Metoclopramid, Gallensäurebinder) meist unbefriedigend, daher oft operativer
Eingriff einzige Möglichkeit für effektive Therapie (Y-Roux-Anastomose für zu-
führende Schlinge)

Zusätzliche Bei peptischen Stenosen: Bougierung, vorzugsweise mit Savary-Gilliard-Bougies,


Maßnahmen evtl. mit Ballon – zusätzlich zu höher dosierter PPI-Therapie.
Bei Blutung: Prinzipien der Blutstillung wie bei blutenden Gastroduodenalulzera.
Beim „Refluxpolyp“: nur Biopsie (Granulationspolyp; makroskopisch anhand der
Befundkonstellation relativ eindeutig erkennbar); keine Polypektomie indiziert.
Chirurgie: 360 °-Fundoplikatio nach Nissen und Rosetti, heute fast ausschließlich
mittels laparoskopischer Technik. Multiple Modifikationen (180 °-, 270 °-Man-
schette u. a.). Bevorzugt bei Patienten mit Volumenreflux und (seltener) Unver-
träglichkeit der medikamentösen Therapie; Patientenwunsch relative Indikation.
Wichtiger prädiktiver Faktor für Therapieerfolg der Antirefluxoperation: Patholo-
gische pH-Metrie, Ansprechen und gute Symptomkontrolle durch PPI. In ca. 30 %
postoperativ Dysphagie, aber in der Mehrzahl nach 3 Monaten zurückgebildet
(Dysphagierate bei partieller Fundoplikatio geringer). Postoperative Probleme bei
5–10 %, konservativ oft schwierig behandelbar, s. u.
Endoskopische Techniken: mehrere Verfahren bereits wieder vom Markt genom-
men; endoskopisch angelegte Vollwandplikation derzeit einzige verfügbare Tech-
nik, kaum verfügbar, keine Langzeitdaten bzw. kein Vergleich mit etablierten Ver-
fahren (OP).

Therapie­ ██ Ursache: unzureichende Dosierung (am häufigsten bei peptischer Stenose und
versagen Hypomotilität) → Maßnahme: Dosissteigerung
██ Ursache: unzureichende Säurehemmung (evtl. mittels pH-Metrie überprüfen)
→ Maßnahme: von H2-Blocker auf PPI umsetzen, ansonsten PPI-Dosis erhöhen
██ Ursache: mangelnde Patienten-Compliance (eher selten, wenn effektive Phar-
maka verordnet wurden) → Maßnahme: Patienten aufklären bzw. motivieren,
ansonsten wirksame Pharmakotherapie (s. o.)
██ Ursache: falscher Einnahmezeitpunkt → Maßnahme: Einnahme nüchtern, Zeit-
punkt wird bestimmt durch maximale Symptomintensität (bei nächtlichem
Sodbrennen PPI-Einnahme vor Abendessen, sonst vor dem Frühstück; Einnah-
me vor dem Schlafengehen weniger wirksam). Höhere als Standarddosen geteilt
morgens und abends verabreichen.
76  2 Ösophagus

██ Ursache: unzureichendes Operationsergebnis → Maßnahme: pathophysiologi-


sches Problem identifizieren (falsche Indikation? mangelnde Erfahrung des Ope-
rateurs?); konservative Behandlungsmöglichkeit prüfen; evtl. Re-Operation
██ Ursache: falsche Diagnose → Maßnahme: falls durch 2- bis 3-fache PPI-Dosis kei-
ne nennenswerte Beeinflussung der Refluxsymptomatik erzielt wird, liegt meist
keine säureinduzierte Refluxkrankheit vor (z. B. funktionelles Sodbrennen, So-
matisierungsstörung, eosinophile Ösophagitis, alkalische Refluxkrankheit, evtl.
schwach saurer Reflux); ggf. weitere Diagnostik (pH-Metrie, Impedanz-/pH-
Messung), alternative Therapiekonzepte (wie Antidepressiva als Schmerzmodu-
latoren bei funktionellem Sodbrennen)

Postoperative ██ Rezidiv der Refluxkrankheit: konservative Therapie (PPI)


Probleme ██ Gas-Bloat-Syndrom: konservative Therapie schwierig, Dimethicon meist ohne
Erfolg
██ Dysphagie: Versuch mit Ballondilatation (vorsichtig durchführen, Erfolg inkon-
stant)
██ Teleskopphänomen: abhängig von Symptomen, ggf. Re-Operation
██ Falsche Diagnose, z. B. KHK, hypersensitiver Ösophagus, funktionelles Sodbren-
nen: richtige Diagnose stellen und entsprechend behandeln

Verlauf Sehr variabel, von sporadischen Symptomen über schubweisen Verlauf bis zu chro-
nisch-persistierenden Beschwerden.

Langzeit­ ██ unbekannt (Entstehung des Ösophaguskarzinoms auch ohne Zylinderzellmeta-


komplikationen plasie?)
██ Barrett-Ösophagus (s. Kap. 2.7.1, Barrett-Ösophagus) keine Langzeitkomplikati-
on im eigentlichen Sinn

Selbsthilfe ██ Einnahme von Antazida (cave: bei täglicher Antazida-Einnahme liegt meist Re-
fluxösophagitis vor)
██ Meiden refluxfördernder Nahrungsmittel (süße Speisen; Kaffee, Wein, Obst-,
v. a. Zitrussäfte)
██ Änderung der Essgewohnheiten: Keine voluminösen Mahlzeiten, keine Mahlzei-
ten vor dem Zubettgehen
██ nach Essen nicht hinlegen (kein „Mittagsschlaf“)
██ Kopfende des Betts anheben zur Reduktion des nächtlichen Refluxes
██ Gewichtsabnahme (bei Übergewicht)

Literatur Dent J et al. An evidence-based appraisal of reflux disease management: the Geneval workshop report. Gut
1999; Suppl. 2: 1–16
Kahrilas P et al. American Gastroenterological Association medical position statement on the management
of gastroesophageal reflux disease. Gastroenterology 2008; 135: 1381–1391
Kahrilas PJ. Gastroesophageal reflux disease. N Engl J Med 2008; 359: 1700-1700
Koop H et al. Gastroösophageale Refluxkrankheit: Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz-
der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43:
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Sifrim D et al. Review article: acidity and volume of the refluxate in the genesis of gastro-oesophageal reflux
disease. Aliment Pharmacol Ther 2007; 25: 1003–1017
Vakil N et al. The Montreal definition and classification of gastroesophageal reflux disease: a global
evidence-based consensus. Am J Gastroenterol 2006; 101: 1900–1920
Stefanidis D et al. Guidelines for surgical treatment of gastroesophageal reflux disease. Surg Endosc 2010;
24: 2647–2669
2.6 Infektionen des Ösophagus  77

2.6 Infektionen des Ösophagus

2.6.1 Bakterielle und parasitäre Infektionen


Definition Schleimhautveränderungen im Ösophagus hervorgerufen durch Bakterien bzw.
Parasiten. Alleiniger Nachweis von Keimen (insbesondere der Mundflora) ohne
Mukosaläsionen ohne klinische Bedeutung.

Patho­ Bakterielle Infektionen:


mechanismus ██überwiegend bei immuninkompetenten Patienten
██ansonsten häufig vorausgehende primäre Schädigung durch Magensonden, Che-
motherapie, Bestrahlung bzw. durch ösophageale Erkrankung, z. B. Refluxöso-
phagitis
██vorzugsweise grampositive Erreger (Streptococcus viridans, Staphylokokken
u. a.) oder Mycobacterium tuberculosis (bei AIDS häufiger atypische Mykobakte-
rien, wie M. avium); Infektionen mit Treponema pallidum heute praktisch nicht
mehr vorkommend

Parasitäre Infektionen:
██Ausdruck einer systemischem Manifestation
██Erreger: Kryptosporidien, Pneumocystis jiroveci

Pathologie Makroskopisch: Veränderungen mit weitem Spektrum – vom geringen Erythem


bis zu Ulzera, Pseudomembranen oder Blutungen.
Mikroskopisch: Inflammatorisches Infiltrat teils auf Mukosa beschränkt, teils
transmurale Ausbreitung.
Bei Tuberkulose: Perforationen und Fisteln zum Bronchialsystem (von hilären
Lymphknoten auf Ösophagus übergreifend).
Assoziierte Erkrankungen:
██Erkrankungen des hämatopoetischen oder lymphatischen Systems, Tumorer-
krankungen unter Chemotherapie, HIV-Infektion
██ösophageale Tuberkulose fast immer mit pulmonaler Manifestation kombiniert
██parasitäre Infektion des Ösophagus selten und nur bei AIDS

Klinische ██ Leitsymptome: Dysphagie und/oder Odynophagie


Charakteristika ██ Fieber inkonstant auftretend (zudem vielfältiges Erscheinen bei entsprechenden
Grundleiden)
██ Husten bzw. Expektoration von Nahrung bei bronchoösophagealen Fisteln

Wegweisende ██ Anamnese bei klinischem Gesamtbild


Diagnostik ██ Endoskopie mit Biopsie (für Histologie und Kultur)

Differenzial­ Infektionen mit anderen Erregern (Pilze, Viren), Tumoren.


diagnose
Therapie­ Symptomatischer Patient.
indikation
Therapie Möglichst gemäß Antibiogramm (meist nosokomial erworben, daher häufig un-
klare Resistenzlage):
██M. tuberculosis: 4-fach-Kombination mit INH (5 mg/kg), Rifampicin (10 mg/kg),
Pyrazinamid (30 mg/kg) und Ethambutol (15 mg/kg)
██M. avium: Clarithromycin 2-mal 0,5 g, Rifabutin 4-mal 300 mg, Ethambutol
25 mg/kg/Tag für 2 Monate, dann 15 mg/kg/Tag
78  2 Ösophagus

██ Kryptosporidien: Paromomycin 1,5–2,25 g/Tag in 3–6 Einzeldosen, Dauer 2 (4–


8) Wochen
██ Pneumocystis jiroveci: Cotrimoxazol 4-mal 2 g i. v., alternativ Pentamidin 4 mg/
kg/Tag über 2–3 Wochen

Verlauf Durch Grundkrankheit bestimmt.

2.6.2 Virale Infektionen


Definition Veränderungen der Ösophagusschleimhaut durch Viren.

Patho­ ██ Befall des Ösophagus durch hämatogene Streuung.


mechanismus ██ Wichtigste Erreger: Zytomegalie-Virus (CMV), Herpes simplex Typ 1 (HSV), Hu-
manes Immunschwäche-Virus (HIV), Epstein-Barr-Virus (EBV).

Pathologie Makroskopisch:
HSV: Initial kleine Bläschen oder aphthöse Veränderungen, die an Größe zuneh-
██

men und exulzerieren; wenn multiple Läsionen konfluieren, können großflächi-


ge Ulzerationen entstehen
CMV: Einzelne oder mehrere zumeist tiefe Ulzera, z. T. bis in die Muscularis rei-
██

chend
HIV, EBV: Ulzera
██

Mikroskopisch: Die Erreger verursachen ein charakteristisches Bild (z. B. Ein-


schlusskörper bei CMV- und HSV-Ösophagitis).

Epidemiologie Bei Immunkompetenten selten vorkommend. Im Rahmen von AIDS häufig (im Ver-
lauf bei jedem 3. Patienten ösophageale Beteiligung).

Assoziierte HIV, Immunsuppression nach Transplantation, Chemotherapie.


Erkrankungen
Klinische Leitsymptom (oft massive) Odynophagie, aber auch heftige spontane Schmerzen;
Charakteristika Dysphagie eher gering ausgeprägt; Zeichen der jeweiligen Grundkrankheit.

Diagnostik ██ wegweisend: Endoskopie mit Biopsie


██ zusätzlich: Serologische Untersuchungen bzw. Diagnostik der Grundkrankheit,
wenn bisher nicht bekannt

Differenzial­ ██ andere Formen der infektiösen Ösophagitis (Odynophagie weniger ausgeprägt)


diagnose ██ medikamenteninduzierte Ösophagitis (Anamnese)

Therapie­ Bei immunsupprimierten und HIV-Patienten immer, dagegen bei HSV-Infektion


indikation eines immunkompetenten Patienten Therapie häufig nicht erforderlich.

Therapie ██ CMV: Ganciclovir 5 mg/kg i. v. alle 12 h oder Foscarnet 90 mg/kg i. v. alle 12 h;


Dauer 3–6 Wochen. Bei Rezidiv evtl. Langzeittherapie (einmal tägliche Gabe,
evtl. nur an 3–6 Tagen/Woche) mit Valganciclovir oral
██ HSV: Aciclovir 5–10 mg/kg alle 8 h oder Aciclovir 400 mg oral 5-mal tgl. für 7–10
Tage
██ HIV: Wie Grunderkrankung
2.6 Infektionen des Ösophagus  79

Verlauf Superinfektion möglich, ansonsten bei immunkompetenten bzw. temporär im-


munsupprimierten Patienten häufig komplettes Ausheilen.

Langzeit­ Insbesondere bei AIDS chronisch-rezidivierende Verläufe, dann Langzeittherapie


komplikationen erforderlich.

Literatur Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Hrsg. Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009
Whitley RJ, Jacobson MA, Friedberg DN et al. Guidelines for the treatment of cytomegalovirus diseases in
patients with AIDS in the era of potent antiretroviral therapy: recommendations of an international pa-
nel. Arch Intern Med 1998; 158: 957–969

2.6.3 Pilzinfektionen
Definition Läsionen der Ösophagusmukosa durch Pilze. Der alleinige Nachweis von Pilzen im
Ösophagus ohne Läsionen und/oder Symptome ist ohne Relevanz.

Patho­ Erreger: Überwiegend Candida albicans, seltener C. tropicalis, C. parapsylosis,


mechanismus Torulopsis glabrata (Bestandteil der normalen Flora und unter Kontrolle von Bak-
terien). Aspergillus fumigatus, Blastomyces und Histoplasma capsulatus sind auch
bei AIDS-Patienten Raritäten.
Invasive Pilzinfektion: Entsteht, wenn die bakterielle Flora geschädigt wird (z. B.
durch Antibiotika) oder die Funktion des Immunsystems beeinträchtigt ist (z. B.
durch AIDS, hämatologische Systemerkrankungen, Immunsuppression, auch inha-
lative Steroide).

Pathologie Spektrum variiert von kleinen weißlichen Plaques bis zu ausgedehnten, die ganze
Zirkumferenz umfassenden Pseudomembranen mit darunter liegenden Ulzeratio-
nen. Gelegentlich Strikturen.

Epidemiologie Bei 30–40 % der AIDS-Patienten im Verlauf der Erkrankung, ansonsten keine Daten
verfügbar.

Assoziierte ██ Erkrankungen bzw. deren Therapien, die mit gestörter Immunabwehr einher-
Erkrankungen gehen (s. o.)
██ Diabetes, Alkoholkrankheit
██ Aspergillus fumigatus gelegentlich bei fortgeschrittenen Tumorleiden

Klinische Dominierende Symptome sind Schluckbeschwerden wie Odynophagie, seltener


Charakteristika Dysphagie und retrosternaler Druck; in leichten Fällen auch asymptomatisch. Fie-
ber kann Folge der Grundkrankheit sein. Blutungskomplikationen oder Perforati-
onen sind sehr selten.

Diagnostik ██ Anamnese
██ Inspektion der Mundhöhle (in 50 % ebenfalls Soor nachweisbar)
██ Endoskopie mit Biopsie für Zytologie, Histologie
██ Kultur und Resistenzprüfung (in der Regel nicht erforderlich)

Differenzial­ Virale Erkrankungen des Ösophagus, Refluxösophagitis.


diagnose
80  2 Ösophagus

Therapie Sporadische Soorösophagitis:


██Azol-Antimykotika sind lokal wirksamen Substanzen überlegen
██Fluconazol 200 mg am 1. Tag, dann 100 mg tgl. für 10–14 Tage
██Itraconazol gleich wirksam, aber mehr Nebenwirkungen und höheres Interakti-
onspotenzial; Ketoconazol schwächer wirksam
██Nystatin oral 6-mal tgl., Therapie der 2. Wahl
██evtl. begünstigende Medikamente ab- oder umsetzen (z. B. inhalative Steroide:
Spacer, Mundspülung nach Verabreichung)

Immunsupprimierte Patienten, insbesondere bei AIDS: systemische Therapie mit


Fluconazol; Ketoconazol 2-mal 200 mg tgl. für 2 Wochen

Therapie­ Amphotericin B i. v. 0,1–0,5 (–1) mg/kg tgl. über 2–4 Wochen.


versagen
Verlauf ██ bei immunkompetenten Patienten Prognose gut, ansonsten Rezidive häufig
██ AIDS: evtl. langfristige Suppressionstherapie mit Fluconazol 100 mg 3-mal pro
Woche

Langzeit­ Fisteln in das Bronchialsystem.


komplikationen

Literatur Darouiche RO. Oropharyngeal and esophageal candidiasis in immunocompromised patients: Treatment
issues. Clin Infect 1998; 26: 259
Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Hrsg. Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009

2.7 M
 etaplasien, Präkanzerosen, benigne und
maligne Tumoren

2.7.1 Barrett-Ösophagus
Definition Auskleidung des distalen Ösophagus mit metaplastischem Zylinderepithel.
„Endobrachyösophagus“: Da das Plattenepithel als „zu kurz“ erscheint, wurde
dieser Begriff geprägt; heute weitgehend verlassen.
„Barrett-Ösophagus“: wurde bisher überwiegend auf Fälle mit histologisch be-
stätigtem intestinalem („spezialisiertem“) Epithel bezogen (nur dieser Typ stellt
vermutlich präkanzeröse Läsion dar), nach Montréal-Klassifikation gilt aber jede
Zylinderepithelmetaplasie als Barrett: bei endoskopischem Verdacht auf meta-
plastisches Epithel „endoskopisch verdächtiger Barrett-Ösophagus“; nach histolo-
gischer Sicherung ist das Ergebnis aufzuführen (Barrett-Ösophagus, gastraler Typ
bzw. intestinaler Typ).
Klassifikation: Prag- oder CM-Klassifikation. Jeweils die größte Längenausdehnung
des zirkulären Anteils („C“) und die maximale Länge einschließlich zungenförmi-
ger Ausläufer („M“) werden in cm angegeben. Diese Klassifikation hat die arbiträre
Kategorisierung in langen und kurzen Barrett-Ösophagus (Long-segment-Barrett/
Short-Barrett; Grenze: 3 cm Länge) abgelöst.

Patho­ Vermutlich Reparaturmechanismus bei Schädigung des ortständigen (Platten-)


mechanismus Epithels mit konsekutivem Ersatz durch säureresistenteres (Zylinder-)Epithel; ob
einmaliger schwerer Schaden oder chronischer Schädigungsmechanismus zum
Barrett-Epithel führt, ist nicht geklärt; kurze Zungen mit Zylinderepithelmeta-
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   81

plasie scheinen keine nennenswerte Assoziation zum Reflux (und wahrscheinlich


auch zum Karzinom) aufzuweisen.
Schädigungsmechanismen:
██pathologisch erhöhter Reflux von Säure (dominierender Faktor)
██galliger Reflux
██massiv erniedrigter Druck im unteren Ösophagussphinkter
██hypokontraktile Motilität mit verminderter Selbstreinigung des Ösophagus
██verminderte Schmerzperzeption (bei Reflux)
██ggf. unzureichende Speichelkonzentration von „epidermal growth factor“ (EGF,
verzögert Heilung von Läsionen)

Pathologie Makroskopischer Befund:


Beschreibung der Längenausdehnung nach der Prag-Klassifikation (s. o.)
██

„mikroskopischer“ Barrett-Ösophagus: histologischer Nachweis von gastralem


██

und/oder spezialisiertem Epithel an ösophagogastraler Grenze („Z-Linie“) ohne


makroskopische Hinweise für eine Zylinderzellmetaplasie, klinisch ohne Bedeu-
tung

Gastroösophagealer Übergang keine klar erkennbare anatomische Struktur, kor-


rekte Lage in Höhe des proximalen Endes der Magenschleimhautfalten anzuneh-
men; zusätzlich muss ggf. die Hiatushernie bei der Längenbestimmung des Barrett
berücksichtigt werden.
Zylinderzellmetaplasie histologisch mit buntem Bild verschiedener Zellen bzw.
Strukturen mit stark variabler Differenzierung: Enterozyten, Becherzellen, neuro-
endokrine Zellen, Paneth-Körnerzellen etc.
Im Wesentlichen dominieren 3 histologische Typen:
██Schleimhaut vom „Fundustyp“: Mukus produzierende Zellen an der Oberfläche
mit Drüsenkörpern, die Haupt- und Parietalzellen enthalten
██Schleimhaut vom „Kardiatyp“: Schleim produzierende Zellen bis in die Drüsen-
schläuche
██Schleimhaut vom „intestinalen“ oder „spezialisierten“ Typ: Strukturelle Verwandt-
schaft mit intestinalem Epithel, d. h. villösen Anteilen, Becherzellen, endokrinen
Zellen und Paneth-Körnerzellen; präkanzeröse Läsion!

Die Schleimhauttypen kommen nebeneinander vor, wobei der intestinale Typ eher
in den proximalen Anteilen des Barrett-Ösophagus zu finden ist und relativ be-
trachtet mit der Länge des Barrett-Ösophagus zunimmt.
Intraepitheliale Neoplasie (IEN; früherer Begriff: Dysplasie): sind bereits meist
bei Indexendoskopie nachweisbar, treten dagegen im Verlauf seltener auf; leichte
(„low grade“) und hochgradige („high grade“) IEN sind zu unterscheiden. Typische
Zeichen: vermehrte Basophilie, Verlust der Mukusproduktion. Bei hochgradiger
IEN häufig parallel invasives Karzinom. Molekulare Marker (p53, CDKN2A; Aneup-
loidie) bisher (noch) nicht als klinische Marker der malignen Transformation ein-
setzbar.

Genetik Verwandte 1. Grades mit höherem Risiko für Barrett-Ösophagus, familiäre Häu-
fung der wesentlichsten Ursache (Refluxkrankheit) gilt in gleicher Weise.

Epidemiologie Männer sind 5- bis 7-mal häufiger betroffen als Frauen. Prävalenz steigt mit dem
6. Lebensjahrzehnt deutlich an. Häufigkeit längerstreckiger Barrett-Segmente im
Sektionsgut: ca. 400 Fälle auf 100 000. Häufigkeit kurzer Barrett-Zungen im Kol-
lektiv der Refluxkranken bzw. endoskopierter Patienten: ca. 5–15 %. Barrett-Öso-
82  2 Ösophagus

phagus meist bei Indexendoskopie nachweisbar, Ausbildung eines Barrett unter


endoskopischer Überwachung selten.

Assoziierte ██ Gastroösophageale Refluxkrankheit; biliärer Reflux nach Gastrektomie


Erkrankungen ██ Folgeerkrankung: Adenokarzinom der Speiseröhre (und evtl. Kardia)

Klinische In zwei Drittel der Fälle Symptome der gastroösophagealen Refluxkrankheit, in ei-
Charakteristika nem Drittel ohne Symptomatik (aber häufig Refluxbeschwerden in der Anamnese).

Diagnostik ██ Endoskopie und Biopsie


██ bei Metaplasien geringen Ausmaßes (weniger als C0 M1 nach Prag-Klassifikati-
on) vermutlich nicht sinnvoll, wenn makroskopisch ansonsten unauffällig
██ bei längeren Segmenten zuerst Biopsie auffälliger Bezirke (wenn fokal Farbab-
weichungen, Reliefunterschiede, verändertes Gefäßmuster etc.), danach Vier-
Quadranten-Biopsie in Abständen von 1 (–2) cm („Seattle-Protokoll“)
██ Wertigkeit der Chromoendoskopie (s. Kap. 2.7.3, Plattenepithelkarzinom des
Ösophagus) und der Vergrößerungsendoskopie umstritten; neben Färbemetho-
den zur besseren Erkennung von hochgradigen IEN mittels Methylenblau wird
neuerdings zunehmend Essigsäure eingesetzt (ermöglicht schärfere Darstellung
der Oberflächenstrukturen). Nach Meta-Analysen führt Chromoendoskopie zu
keinen relevanten neuen Erkenntnisse im Vergleich zur subtilen alleinigen Vi-
deoendoskopie mit konsequenten Vier-Quadranten-Biopsien; Gleiches gilt für
elektronische („virtuelle“) Chromoendoskopie (NBI, FICE etc.) der Endoskopie-
prozessoren.
██ bei Verdacht auf maligne Transformation: Endosonografie

Differenzial­ Differenzierung zwischen entzündlichen Veränderungen und Barrett-Ösophagus


diagnose manchmal schwierig; histologische Klärung oder Kontrolle nach wirksamer Be-
handlung der Refluxkrankheit mit Protonenpumpenblockern.

Therapie Barrett-Ösophagus ohne IEN: keine etablierte Therapie: weder durch Antireflux­
operation noch durch medikamentöse Refluxtherapie kommt es zur auch nur an-
nähernd vollständigen Regression des Barrett-Epithels, wenngleich sich unter
wirksamer Therapie Längenreduktionen (<10 %) und häufiger Plattenepithelinseln
in der Barrett-Mukosa entwickeln. Stellenwert der prophylaktischen Ablation der
Barrett-Mukosa (KTP-Laser, Argon-Plasma-Koagulation, Radiofrequenzablation)
nicht geklärt, derzeit experimentelle Verfahren und keine generelle Indikation.
Barrett-Ösophagus mit IEN:
██Barrett-Ösophagus mit niedriggradiger IEN: In der Regel kurzfristigere Kontrol-
lendoskopien, da Rückbildung häufig; bei nodulären Veränderungen endosko-
pische Mukosaresektion (EMR). Entwicklung einer hochgradigen IEN in ca. 10 %
(Häufigkeit der Progression möglicherweise überschätzt).
██Barrett-Ösophagus mit hochgradiger IEN: Cave: parallel zur hochgradigen IEN
findet sich im Barrett häufig schon ein manifestes Karzinom! Umschriebene
hochgradige IEN: EMR oder Submukosadissektion (ESD) bevorzugte Verfahren,
histologische Untersuchung des Resektats möglich; bei multifokaler IEN ggf. Ra-
diofrequenzablation (RFA), photodynamische Therapie (PDT). Wichtigste Kom-
plikation beider Verfahren: posttherapeutische Strikturen (Komplikationsrate
nach RFA wohl geringer).
Probleme:
██Komplikationen der Therapie (z. B. Perforationen, Blutungen, Stenosen)
██residuale metaplastische Mukosa unter Plattenepithel (Malignitätsrisiko?)
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   83

██ optimale medikamentöse Therapie zur Sekundärprävention des wiederkehren-


den Barrett-Epithels (komplette Elimination des pathologischen Refluxes pH-
metrisch überprüfen?)

Verlauf Barrett-Epithel ist Präkanzerose: gilt offenbar nur für spezialisierten Typ. Risiko
des Adenokarzinoms bei Barrett-Ösophagus mindestens 30-fach erhöht. Rate ma-
ligner Transformation kontinuierlich rückläufig von ca. 0,5 auf zuletzt 0,1–0,2 %
pro Jahr beim langstreckigen Barrett-Ösophagus, aber nicht linear (Risiko ohne IEN
im Verlauf rückläufig). Kosten-Nutzen-Effekt von Überwachungsstrategien mit in-
tensiven endoskopisch-bioptischen Kontrollen zur frühzeitigen Erkennung von
Karzinomen bisher nicht evaluiert, diesbezügliches Vorgehen derzeit kontrovers
diskutiert. Überwachung kleiner Barrett-Zungen strittig, Risiko maligner Transfor-
mation wahrscheinlich gering. Bislang spekulativ, ob wirksame Antirefluxtherapie
(medikamentös, chirurgisch) maligne Transformation verlangsamt.
Praktisches Vorgehen mit Kontrolluntersuchungen nach DGVS-Leitlinie:
██ ohne IEN: Kontrolle alle 3 Jahre (kurzer Barrett <3 cm Länge: alle 4 Jahre)
██ mit leichten IEN: Kontrolle alle 6–12 Monate
██ mit hochgradigen IEN: Beurteilung der Präparate durch Referenzpathologen;
wenn Bestätigung der hochgradigen IEN: therapeutische Maßnahmen nach sub-
tilem Staging inkl. Endosonografie (bevorzugtes Therapieverfahren ist EMR bzw.
ESD zur histologischer Überprüfung, alternativ thermische Destruktion mittels
Laser, Argon-Plasma-Koagulation, Radiofrequenzablation bzw. operative Verfah-
ren)
██ Barrett-Frühkarzinom: s. Adenokarzinom des Ösophagus (Kap. 2.7.4)
██ Überwachung nur bei Patienten, bei denen sich ggf. auch therapeutische Konse-
quenzen ergeben würden!

Literatur Koop H et al. Gastroösophageale Refluxkrankheit: Ergebnisse einer evidenzbasierten Konsensuskonferenz-


der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Z Gastroenterol 2005; 43:
163–194
Spechler SJ et al. American Gastroenterological Association technical review on the management of Barrett’s
esophagus. Gastroenterology 2011; 140: e18–e52
Dent J. Barrett’s esophagus: a historical perspective, an update on core practicalities and predictions on
future evolutionsof management. J Gastroenterol Hepatol 2011; 26(1): 11–30
Hvid-Jensen F et al. Incidence of adenocarcinoma among patients with Barrett’s esophagus. N Engl J Med
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Wani S et al. Risk factor for progression of low-grade dysplasia in Barrett’s esophagus. Gastroenterology
2011; 141: 1179–1186

2.7.2 Präkanzerosen
Präkanzeröse Achalasie: s. Kap. 2.4.1, Achalasie
Läsionen für Verätzung: s. Kap. 2.8.4, Chemische Verätzungen.
Plattenepithel­ Tylosis: Hyperkeratose der Handinnenflächen und Fußsohlen; autosomal-domi-
karzinom nant vererbt (Mutation eines Tumorsuppressorgens auf Chromosom 17q25.1);
95 % entwickeln Ösophaguskarzinom bis zum 65. Lebensjahr; Vorsorgeprogramm
für Verwandte empfohlen.
Plummer-Vinson-Syndrom: Eisenmangel (evtl. Anämie), ösophageale Ringe (pro-
ximal) mit konsekutiver Dysphagie, Koilonychie („Löffelnägel“: schüsselförmige
Nagelplattenvertiefung v. a. der Fingernägel).
Präkanzeröse
Läsion für ██ Barrett-Ösophagus: s. Kap. 2.7.1, Barrett-Ösophagus
Adenokarzinom ██ Refluxkrankheit (?): s. Kap. 2.5, Gastroösophageale Refluxkrankheit
84  2 Ösophagus

2.7.3 Plattenepithelkarzinom des Ösophagus


Definition Bösartiger Tumor, der vom ortständigen Epithel ausgeht.

Patho­ Wichtigste Faktoren:


mechanismus in 90 % der Fälle Alkohol- und Tabakkonsum
██

andere Umweltfaktoren (relevant für erhebliche geografische Unterschiede): N-


██

Nitrosoreiche Nahrungsmittel, Selenmangel der Nahrung, massiver Konsum von


heißem (>65 °C) Tee u. a.
Humanes Papillom-Virus (HPV): eher pathogenetische Bedeutung bei Papillomen
██

Pathologie Häufigste Lokalisation:


██proximales Drittel 20 %
██mittleres Drittel 40–50 %
██unteres Drittel 35 %

Epidemiologie Große regionale Unterschiede (sogar innerhalb einer umschriebenen Region).


Schwarze in den USA mit 5-fach höherem Risiko als Weiße. Männer (Inzidenz 3
pro 100 000 Einwohner pro Jahr) 3-mal häufiger betroffen als Frauen.

Assoziierte ██ Achalasie (s. Kap. 2.4.1, Achalasie)


Erkrankungen ██ Strikturen nach Verätzungen des Ösophagus (zumeist nach mehr als 40 Jahren;
siehe Kap. 2.8.4, Chemische Verätzungen)
██ Tylosis
██ Plummer-Vinson-Syndrom
██ Plattenepithelkarzinome des Pharynx und Larynx (gleiche Risikofaktoren)

Klinische Im Frühstadium: asymptomatisch bzw. geringe, unspezifische Beschwerden, z. B.


Charakteristika leichtes retrosternales Druckgefühl beim Essen.
Bei fortschreitendem Wachstum: Dysphagie (>90 %), Odynophagie; Appetitlosig-
keit, Gewichtsverlust; restrosternale Schmerzen, die in den Rücken ausstrahlen
können.
Bei zunehmender Obstruktion des Ösophaguslumens: Heiserkeit, vermehrtes
Husten; rezidivierende Pneumonien (Aspiration).
In weit fortgeschrittenem Stadium: Kachexie; ösophagobronchiale Fisteln; Rekur-
rensparese; Thrombosen der oberen Hohlvene; Arrosionsblutungen der Aorta.

Wegweisende Endoskopie und Biopsie:


Diagnostik ██in Frühstadien sieht man im Mukosaniveau Dyskolorierungen, sehr flache Ulzera
oder Unregelmäßigkeiten des Schleimhautreliefs
██Sensitivität verbessert durch Farbstoffe (Chromoendoskopie): nach Aufsprühen
von Lugol-Lösung, die mit Glykogen der Mukosa reagiert, bleiben Tumorareale
ungefärbt
██in fortgeschrittenen Stadien teils exophytische, teils ulzeröse Veränderungen

Röntgenkontrastuntersuchung: wenn Passage mit Endoskop wegen Stenose nicht


mehr möglich

Zusatz­ Tumorstaging:
diagnostik ██Primärtumor:
–– Endosonografie wichtigstes Verfahren, wegen Stenose des Lumens in fortge-
schrittenen Tumorstadien häufig nicht mehr möglich, dadurch ggf. Diagnose
eines falsch niedrigen Tumorstadiums
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   85

–– Computertomografie (CT), Kernspintomografie (MRT)


██ Lymphknotenstatus: Endosonografie insgesamt besser als CT und MRT
██ Fernmetastasen:
–– CT des Thorax und Abdomens
–– MRT ohne wesentliche zusätzliche Informationen
██ Erfolgskontrolle bei neoadjuvanter Radiochemotherapie: Positronenemis­
sionstomografie (PET) frühzeitig sehr aussagekräftig

Klassifikation TNM-Stadien nach UICC-Klassifikation 2010 (Tab. 2.4 – Tab. 2.6).

Tab. 2.4 TNM- TNM Primärtumor


Klassifikation.
Tx Keine Beurteilung des Tumorstadiums möglich

T0 Kein Primärtumor nachweisbar

Tis Carcinoma in situ

T1 Tumor auf Mukosa und Submukosa beschränkt

T1a Infiltration der Lamina propria oder Muscularis mucosae

T1b Infiltration der Submukosa

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria

T3 Tumor infiltriert die Adventitia

T4a Tumor infiltriert Nachbarorgane (resektabler Tumor mit Invasion von Pleura,
Perikard oder Zwerchfell

T4b Tumor infiltriert Nachbarorgane (nicht resektabler Tumor mit Invasion anderer
Organe wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea etc.)

Regionäre Lymphknoten

Nx Keine Beurteilung des Lymphknotenbefalls möglich

N0 Keine Lymphknoten befallen

N1 Tumorbefall von 1–2 regionären Lymphknoten

N2 Tumorbefall von 3–6 regionären Lymphknoten

N3 Tumorbefall von 7 und mehr regionären Lymphknoten

Fernmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 2.5 Grading. Stadium Charakteristika

Gx Grad kann nicht bestimmt werden

G1 Gut differenzierter Tumor

G2 Mäßig differenzierter Tumor

G3 Schlecht differenzierter Tumor

G4 Undifferenzierter Tumor
86  2 Ösophagus

Tab. 2.6 Prognosegruppe T N M Grad Lokalisation*


Prognostische
Gruppen­ 0 Tis N0 M0 1, X Alle
einteilung. Ia T1 N0 M0 1, X Alle

Ib T1 N0 M0 2, 3 Alle
T2, T3 1, X Mitte, distal, X

IIA T2, T3 N0 M0 1, X Proximal, Mitte


2, 3 Distal

IIB T2, T3 N0 M0 2, 3 Proximal, Mitte


T1, T2 N1 Jeder Alle

IIIA T1, T2 N2 M0 Jeder Alle


T3 N1
T4a N0

IIIB T3 N2 M0 Jeder Alle

IIIC T4a N1, N2 M0 Jeder Alle


T4b Jedes N
Jedes T N3

IV Jedes T Jedes N M1 Jeder Alle

*bestimmt durch proximalen Tumorrand

Subklassifizierung: Im Hinblick auf lokal-ablative Therapiekonzepte wurde vor-


geschlagen, das Stadium pT1a je nach Tiefenausdehnung des Tumors mit dem
Zusatz m1 (Befall ausschließlich der Epithelzellschicht), m2 (Befall der Lamina
propria) und m3 (Invasion in, aber nicht durch die Lamina muscularis muco-
sae hindurch) zu versehen; analog Unterteilung der Infiltration der Submukosa
(pT1b) nur des oberen Drittels (Zusatz: sm1), bis ins mittlere Drittel (sm2) und
bis ins untere Drittel (sm3). Hintergrund der Unterteilung ist der stadienabhän-
gig ansteigende Lymphknotenbefall von 0 % (m1, m2) über ca. 5 % (m3) bis zu
47 % (sm3).

Differenzial­ Alle Ursachen der Dysphagie!


diagnose Cave: Das Symptom Dysphagie bedarf immer der endoskopischen Abklärung!

Therapie Kurative Radiochemotherapie:


██bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen dem kombinierten Verfahren (Radioche-
motherapie + Chirurgie) mindestens ebenbürtige Behandlungsoption (Überle-
ben gleich)
██wichtigster prognostischer Faktor: Ansprechen auf Therapie (daher ggf. Zwi-
schenstaging nach 40–45 Gy und bei Nichtansprechen Umstieg auf Operation,
falls kurative Resektion möglich erscheint)
██therapiebezogene Mortalität geringer (im Vergleich zu Operation mit/ohne neo-
adjuvante Behandlung
██höhere Rate an lokoregionären Rezidiven verglichen mit additiver chirurgischer
Therapie (deshalb mehr palliative Maßnahmen erforderlich wie Stents)
██heute Verfahren der 1. Wahl für Mehrheit der Patienten
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   87

Radikalchirurgische Resektion:
██stadienabhängig operativer Eingriff immer unter kurativer Zielsetzung, aber nur
bei kleinen Tumoren möglich, nur in Ausnahmefällen bei Tumoren des zervika-
len Ösophagus (hier Therapiekonzepte wie bei Karzinomen im HNO-Bereich mit
ausschließlich kombinierter Radiochemotherapie)
██subtotale Ösophagektomie mit Magenhochzug
██bei Mehrzahl besteht Stadium mit prospektiv hoher postoperativer Rezidivrate,
daher heute meist kombinierte Radiochemotherapie bevorzugte Therapie
Neoadjuvante Therapiekonzepte:
██Prinzip: präoperative kombinierte Radiochemotherapie zum „Down-Staging“ pri-
mär nicht operabler Tumorstadien
██alleinige präoperative Radiotherapie oder Chemotherapie verlängert zwar Über-
lebenszeit, kombinierte Radiochemotherapie offenbar effektiver (Aussage aber
eingeschränkt, weil in vielen Studien nicht zwischen Plattenepithel- und Adeno-
karzinom unterschieden wurde)
██kontroverse Diskussion, ob nach neoadjuvanten Therapien mehr postoperative
Komplikationen, aber insbesondere für Patienten in noch gutem Ernährungszu-
stand zu erwägen
██Indikationsstellung wird oft eingeschränkt durch bestehende Begleiterkrankun-
gen (Leberzirrhose, fortgeschrittene obstruktive Lungenerkrankung etc.)
██insgesamt Indikation für chirurgische Therapie heute eher selten
Neue, aber noch experimentelle Therapieansätze:
██endoskopische Mukosaresektion beim Frühkarzinom (pT1a): Im Gegensatz zum
Barrett-Karzinom bisher nur kleine Kollektive über ausreichend lange Zeiträu-
me untersucht.
██photodynamische Therapie
Palliative Therapie:
██selbstexpandierende Metallstents (und neuerdings auch selbstexpandierende
Plastikstents) wichtigste Methode zur Beseitigung der Dysphagie:
–– palliative Lasertherapie dadurch vielfach verdrängt
–– wenn Stent von Tumor durchwuchert, Anwendung thermischer Verfahren
(Laser, Argon-Beamer)
–– beschichtete Metallstents zum Verschluss von Fisteln zum Bronchialsystem
–– wesentliche Komplikation: Dislokation und Migration
██Plastikendoprothesen: nur noch seltene Anwendung
██palliative Bestrahlung
██kombinierte Radiochemotherapie (Komplikationen: Fisteln zum Bronchialsys-
tem)
██intrakavitäre Bestrahlungssysteme („Afterloading“)
██Wert der alleinigen Chemotherapie schwierig beurteilbar (wenige Daten)
██Bougierung bessert zwar Dysphagie, zeigt jedoch nur kurze Wirkung (meist nur
wenige Tage bis 2–3 Wochen)
██perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG): Anlage in weit fortgeschrittenen
Fällen, sofern der Tumor endoskopisch passierbar ist, ansonsten ggf. perkutane
Punktionssysteme unter Ultraschallkontrolle einsetzen
Wichtig: Begleitend ist stets eine adäquate Schmerztherapie durchzuführen!

Verlauf Prognose trotz der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten bei Mehrzahl der Pati-
enten ungünstig (Diagnose überwiegend noch zu spät gestellt); besonders ungüns-
tige Prognose bei Lokalisation im oberen Ösophagusdrittel.
88  2 Ösophagus

Gebski V, Burmeister B, Smithers B et al. Survival benefits from neoadjuvant chemoradiotherapy or chemo-
Literatur
therapy in oesophageal carcinoma: a meta-analysis. Lancet Oncol 2007; 8: 226–234
Koop H, Adamietz IA. Palliative Therapie des Ösophaguskarzinoms. Onkologe 2004; 10: 1191–1201
Lordick F, Hölscher AH. Chirurgische und internistische Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms.
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Pöttgen C, Stuschke M. Radiotherapy versus surgery within multimodality protocols for esophageal cancer –
a meta-analysis of the randomized trials. Cancer Treatment Rev 2012; 38(6): 599–604
Kranzfelder M et al. A meta-analysis of neoadjuvant treatment modalities and definitive non-surgical thera-
py for oesophageal squamous cell cancer. Brit J Surg 2011; 198: 768–783

2.7.4 Adenokarzinom des Ösophagus


Definition Bösartiger Tumor, ganz überwiegend vom Barrett-Epithel ausgehend und zumeist
in der distalen Speiseröhre lokalisiert.

Patho­ Wichtigste Ursache ist die Refluxkrankheit mit konsekutiver Ausbildung eines Bar-
mechanismus rett-Ösophagus, Ausgangspunkt von Mukosadrüsen oder Zylinderzell-Heterotopi-
en hingegen sehr selten. Es ist unklar, ob die Refluxkrankheit direkt zum Adeno-
karzinom führt, also ohne Barrett-Schleimhaut als Zwischenschritt.

Pathologie Überwiegend in der distalen Speiseröhre lokalisiert (fraglich ähnliche Pathophy-


siologie wie das Kardiakarzinom). Mikroskopisch adenoide Strukturen unter-
schiedlichen Differenzierungsgrades; quantitativ geringe vom Plattenepithel ab-
leitbare Strukturen möglich.

Epidemiologie Überwiegend Weiße in westlichen Ländern. Am schnellsten zunehmender Tumor


mit Verdopplung der Inzidenz alle 10–15 Jahre. Männer 5-mal häufiger betroffen
als Frauen (Inzidenz 2–3 pro 100 000 Einwohner).

Assoziierte Barrett-Ösophagus, gastroösophageale Refluxkrankheit.


Erkrankungen
Klinische Wie beim Plattenepithelkarzinom; im Rahmen der Primärdiagnostik und (selte-
Charakteristika ner) bei der Überwachung des Barrett-Ösophagus werden asymptomatische Pati-
enten mit frühen Tumorstadien entdeckt.

Diagnostik ██ Endoskopie und Biopsie wie beim Plattenepithelkarzinom


██ Chromoendoskopie: mit Methylenblau (aufwendiger als mit Lugol-Lösung beim
Plattenepithelkarzinom), alternativ mit Essigsäure (verbessert Darstellung der
Oberflächenstrukturen); nach Metaanalysen kein diagnostischer Zugewinn
durch Chromoendoskopie bzw. virtueller Färbung (NBI, FICE u. a.) im Vergleich
mit subtiler Videoendoskopie
██ Staging wie beim Plattenepithelkarzinom
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   89

TNM-Stadien nach UICC-Klassifikation 2010 (Tab. 2.7 – Tab. 2.9).

Tab. 2.7 Tumor­ TNM Primärtumor


ausbreitung/
Primärtumor. Tx Tumorausbreitung kann nicht bestimmt werden

T0 Kein Primärtumor nachweisbar

Tis Hochgradige Neoplasie

T1 Tumor auf Mukosa und Submukosa beschränkt

T1a Tumor infiltriert Lamina propria oder Muscularis mucosae

T1b Infiltration der Submukosa

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria

T3 Tumor infiltriert die Adventitia

T4a Tumor infiltriert Nachbarorgane (resektabler Tumor mit Invasion von Pleura,
Perikard oder Zwerchfell

T4b Tumor infiltriert Nachbarorgane (nicht resektabler Tumor mit Invasion anderer
Organe wie Aorta, Wirbelkörper oder Trachea etc.)

Regionäre Lymphknoten

N0 Keine Lymphknoten befallen

N1 Tumorbefall von 1–2 regionären Lymphknoten

N2 Tumorbefall von 3–6 regionären Lymphknoten

N3 Tumorbefall von 7 und mehr regionären Lymphknoten

Nx Keine Beurteilung des Lymphknotenbefalls möglich

Fernmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 2.8 Grading. Charakteristika

Gx Grad kann nicht bestimmt werden

G1 Gut differenzierter Tumor

G2 Mäßig differenzierter Tumor

G3 Schlecht differenzierter Tumor

G4 Undifferenzierter Tumor (wird als G3 eines Plattenepithels gewertet


90  2 Ösophagus

Tab. 2.9 Prog­ Prognosegruppe T N M Grad


nostische
Gruppen­ 0 Tis N0 M0 1
einteilung. Ia T1 N0 M0 1, 2, X

Ib T1 N0 M0 3
T2 1, 2, X

IIA T2 N0 M0 3

IIB T3 N0 M0 Jeder
T1, T2 N1

IIIA T1, T2 N2 M0 Jeder


T3 N1
T4a N0

IIIB T3 N2 M0 Jeder

IIIC T4a N1, N2 M0 Jeder


T4b Jedes N
Jedes T N3

IV Jedes T Jedes N M1 Jeder

Differenzial­ Alle Erkrankungen, die zur Dysphagie führen.


diagnose

Therapie Frühkarzinome (pT1a): endoskopisch-ablative Verfahren; endoskopische Muko-


saresektion bzw. Submukosadissektion bevorzugt (falls Tumor lokalisierbar), weil
histologische Überprüfung des Resektats möglich, ansonsten Radiofrequenzablati-
on (RFA; dieses Verfahren aber v. a. für Ablation des verbliebenen Barrett-Ösopha-
gus); thermische Ablation (Laser) und photodynamische Therapie verlieren durch
RFA an Bedeutung. Unklar ist, ob geringe Überschreitung der Mukosagrenze (pT1b
sm1) noch mittels endoskopischer Therapie nach onkologischen Kriterien behan-
delt werden kann.
Frühkarzinome mit Tumorinvasion in die Submukosa: Operation mit D2-Lymph-
adenektomie.
Lokal fortgeschrittene Karzinome (T2/T3) ohne Fernmetastasen: Operation. Falls
Zustand des Patienten es erlaubt (je nach Ernährungszustand, Begleiterkrankun-
gen), neoadjuvante Chemotherapie ratsam: 3 Zyklen ECF (Epirubicin, Cisplatin und
5-Fluoruracil), anschließend Operation (für Adenokarzinome des Ösophagus aber
weniger gut belegt als für Magenkarzinome). Wahrscheinlich keine wesentliche
Verbesserung des Operationserfolges durch neoadjuvante kombinierte Radioche-
motherapie.
Bestimmung der Tumorregression mittels PET nach 1. Chemotherapiezyklus unzu-
verlässig, daher keine generelle Empfehlung.
Lokal inoperable oder metastasierende Tumoren: palliative Chemotherapie mit
ECF, Modifikationen mit Ersatz von Cisplatin durch Oxaliplatin bzw. von 5-FU durch
Capecitabin (EOX). Andere Therapieprotokolle: PLF, ELF (Chemotherapieschemata
s. Magenkarzinom, Kap. 4).
Sonstige palliative Maßnahmen: s. Plattenepithelkarzinom.
2.7 Metaplasien, Präkanzerosen, benigne und maligne Tumoren   91

Verlauf Prognose hängt vom Stadium ab, aber überwiegend ungünstig, da frühzeitige Me-
tastasierung. Kleine, auf Mukosa beschränkte Tumoren (z. B. bei Überwachung des
Barrett-Ösophagus entdeckt) mit guter Prognose (5-Jahres-Überlebensrate >80 %).

Literatur Cunningham D, Starling N, Rao S et al. Capecitabine and oxaliplatin for advanced esophagogastric cancer. N
Engl J Med 2008; 358: 36–46
Pech O et al. Comparison between endoscopic and surgical resection of mucosal esophageal adenocarcino-
ma in Barrett’s esophagus et two high-volume centers. Ann Surg 2011; 254; 67–72
Rouw RE et al. Efficacy of radiofrequency ablation combined with endoscopic resection for barrett’s esopha-
gus with early neoplasia. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 23–29
Lordick F, Hölscher AH. Chirurgische und internistische Diagnostik und Therapie des Ösophaguskarzinoms.
Gastroenterol up2date 2007; 3: 293–314
Behrens A et al. Barrett-Karzinom der Speiseröhre. Dt Ärztebl 2011; 108: 313–319
Reynolds JV et al. Multimodality therapy for adenocarcinoma of the esophagus, gastric cardia, and upper
gastric third. Recent Results Cancer Res 2010; 182: 155–166

2.7.5 Benigne Mukosatumoren


Definition Sehr seltene, gutartige Tumoren, die von der Mukosa ausgehen.

Pathologie Adenome:
██von Schleim-bildenden Drüsen oder Gangepithel der Drüsen ausgehend
██kleine, meist bis 5 mm große, sessile Strukturen, histologisch reifes Plattenepi-
thel und Stroma
██Pathomechanismus: Fragliche Infektion durch Humanpapillomvirus (HPV), frag-
liche Folge eines gastroösophagealen Refluxes

Papillome:
██vom Plattenepithel ausgehend
██Polypen, histologisch papillotubuläre Strukturen
██Pathomechanismus: Unbekannt

Klinische Meist asymptomatisch, Zufallsbefunde bei Endoskopie.


Charakteristika
Diagnostik Endoskopie und Biopsie, evtl. ergänzend Endosonografie.

Differenzial­ ██ Karzinome des Ösophagus


diagnose ██ intramurale Metastasen
██ extraösophageale Tumoren (z. B. Bronchialkarzinom)
██ andere gutartige Ösophagustumoren
██ Refluxpolyp

Therapie Ggf. endoskopische Resektion (Polypektomie).

Verlauf Weitgehend unbekannt, Risiko der malignen Transformation wahrscheinlich sehr


gering.

Literatur Carr NJ et al. Squamous cell papillomas of the esophagus. Am J Gastroenterol 1994; 89: 245–248
92  2 Ösophagus

2.7.6 Mesenchymale Tumoren


Definition Nicht epitheliale, nicht lymphoide mesenchymale Tumoren (s. Kap. 3.12.2, Mes-
enchymale Tumoren), prinzipiell im gesamten Gastrointestinaltrakt vorkommend;
im Ösophagus fast ausschließlich Leiomyome.

Pathologie Bei ösophagealen mesenchymalen Tumoren dominieren histologisch Charakteris-


tika von glatten Muskelzellen: Leiomyome. GIST selten (Details s. Kap. 3.12.2, Gas-
trointestinale Stromatumoren).
Verhältnis benigner zu maligner Tumoren 5:1. Größe beträgt meist 2–5 cm, intra-
mural überwiegend im distalen Ösophagus bzw. im gastroösophagealen Übergang
gelegen. Leiomyosarkome sind selten (Dignitätsbestimmung s. Kap. 3.12.2, Mesen-
chymale Tumoren).

Epidemiologie Häufigster benigner ösophagealer Tumor, meist aber endoskopischer Zufallsbe-


fund. Vorkommen insgesamt selten.

Klinische In der Mehrzahl ohne klinische Symptomatik; Manifestation möglich mit Dyspha-
Charakteristika gie (raumfordernde Wirkung größerer Tumoren), retrosternalem Schmerz bzw.
Druckgefühl oder durch eine obere gastrointestinale Blutung.

Wegweisende Endoskopie: submuköse Raumforderung unterschiedlicher Größe mit unauffälli-


Diagnostik ger Schleimhaut. Größere (insbesondere blutende) Tumoren mit zentralem einge-
senktem Nabel. Mesenchymale Tumoren histologisch häufig nicht zu erfassen, da
intramural gelegen; Knopflochbiopsie ggf. erfolgreich.
Endosonografie: zur Diagnosesicherung; zeigt Größe, mögliche Invasion, Zuord-
nung zu Muskelschichten.

Differenzial­ ██ Karzinome des Ösophagus


diagnose ██ intramurale Metastasen (Bronchial-, Mammakarzinom, malignes Melanom)
██ extraösophageale, auf Speiseröhre übergreifende Tumoren (z. B. Bronchialkar-
zinom)
██ andere gutartige Ösophagustumoren

Therapie­ Klinische Symptomatik (Dysphagie, Blutung) sowie progredientes Wachstum mit


indikation Verdacht auf Malignität.

Therapie Operation; endoskopische Resektion wegen hoher Perforationsgefahr kontrovers


beurteilt. Bei GIST s. Kap. 3.12.2, Mesenchymale Tumoren.

Verlauf In der Regel stationär, kaum Wachstum. Verlaufskontrolle bei kleinen Tumoren
(<1 cm) in 6- bis 12-monatigen Abständen, bei fehlendem Wachstum in längeren
Intervallen ausreichend.

2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse

2.8.1 L okale, medikamentös bedingte Läsionen


(„Pillenösophagitis“)
Definition
Durch Medikamente induzierte Schädigung der Ösophagusmukosa; Leitsymptom
Odynophagie.
2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse  93

Patho­ Schleimhautschaden durch längeres Haften oder Verweilen von potenziell ulzero-
mechanismus genen Medikamenten.
Begünstigende Faktoren: Einnahme mit (zu) wenig Flüssigkeit, bei Einnahme lie-
gende Position; selten: hypomotile Motilitätsstörungen.
Typische Medikamente als Auslöser: Antibiotika (Tetracyclin, Doxycyclin, Clin-
damycin), Alendronat (andere Biphosphonate fraglich), Kaliumpräparate, Anti-
rheumatika (ASS), Eisenpräparate, Vitamin C.

Pathologie Lokalisation:
██meist im mittleren Drittel (Enge durch Aortenbogen)
██seltener im distalen Ösophagus (bei Störungen des unteren Ösophagussphink-
ters)

Art der Läsion:


██von oberflächlichen Erosionen bis zu tiefen Ulzera
██als Folgekomplikationen Perforationen und Strikturen möglich
██unter Alendronat z. T. ausgedehnte ulzerative Veränderungen

Epidemiologie Seltene Erkrankung, aber wahrscheinlich hohe Rate nicht diagnostizierter Fälle.

Assoziierte Multimorbidität, Bettlägerigkeit.


Erkrankungen
Klinische Odynophagie und Dysphagie: abrupt einsetzend, häufig über mehrere Wochen
Charakteristika und über die Abheilung der Läsion hinaus anhaltend
██kontinuierlicher retrosternaler Dauerschmerz, besonders zu Beginn
██Blutungen und Perforationen (selten)

Diagnostik Sorgfältige Medikamentenanamnese (s. o.), Endoskopie, bei unpassierbaren Strik-


turen ggf. Röntgenuntersuchung.

Differenzial­ Koronare Herzkrankheit, Refluxkrankheit, Infektionen des Ösophagus (v. a. mit


diagnose CMV).

Therapie Wirksame Therapie bislang nicht etabliert. Bei erheblichen Symptomen Versuch
gerechtfertigt mit Lidocain-Gel (topisch), lokalanästhetikahaltige Antazida, Suc-
ralfat; therapeutischer Beitrag häufig eingesetzter Säurehemmer wahrscheinlich
gering.

Verlauf Heilt überwiegend innerhalb weniger Tage bis Wochen spontan aus, jedoch ist an-
haltende Symptomatik über weitere Wochen möglich; Strikturen als Langzeitkom-
plikationen sind selten.

Selbsthilfe Ausreichend Flüssigkeit parallel zur Einnahme von Medikamenten, insbesondere


bei Bettlägerigkeit; bei Alendronat besonders sorgfältige Beachtung der Empfeh-
lungen zur Medikamenteneinnahme.

Literatur Kikendall JW. Pill esophagitis. J Clin Gastroenterol 1999; 28: 298–305
Kikendall JW. Pill esophagitis. Gastroenterol Hepatol (N. Y.) 2007; 3: 275–276
94  2 Ösophagus

2.8.2 Mukositis bei Chemotherapie


Definition Direkte toxische Schleimhautschädigung, hervorgerufen durch antineoplastische
Substanzen.

Patho­ Synergistische Beeinträchtigung der physiologischen Schleimhautfunktion, -dif-


mechanismus ferenzierung und -regeneration. Verstärkung durch zusätzliche Strahlentherapie.

Pathologie Diffuse Rötung, Ödem, seltener Ulzera und Blutungen; auch Pseudomembranen;
Abheilung innerhalb von 2–3 Wochen spontan ohne Narben oder Funktionsstö-
rungen.

Epidemiologie Ösophagus in der Regel weniger häufig und schwer befallen als Mundschleimhaut;
Häufigkeit stark abhängig von Therapieintensität, Kombination der antineoplasti-
schen Substanzen etc.

Klinische Dysphagie, z. T. sehr starke Odynophagie; ausgeprägte Appetitlosigkeit mit konse-


Charakteristika kutivem Gewichtsverlust sowie Anorexie.
Symptome können 3–5 Tage nach Therapieeinleitung beginnen.

Diagnostik ██ Tumoranamnese, klinisches Beschwerdebild, Inspektion der Mundhöhle (hier


häufig begleitende Mukositis), Endoskopie
██ zusätzlich: Histologie und Kultur zur Abgrenzung sekundärer Läsionen; s. u.

Differenzial­ Indirekte Schädigung während der neutropenischen Phase mit v. a. opportunisti-


diagnose schen Infektionen (Viren und Pilze, seltener bakterielle Infektionen; s. dort); tritt
später auf als Mukositis (während der Neutropenie).

Therapie und Allgemein verbindliche Therapieform: bislang nicht bekannt.


Prophylaxe Medikamentös: Versuch mit Lokalanästhestika (z. B. Xylocain Viscös) denkbar. Die
Wirksamkeit von Antazida bzw. Säurehemmern (Protonenpumpenblocker, H2-Re-
zeptorantagonisten) oder mukosaprotektiven Substanzen (Sucralfat) ist gänzlich
ungesichert. Anticholinergika bei Einsatz von in den Speichel sezernierten Zytos-
tatika (Methotrexat, Etoposid) möglich, aber ebenfalls nicht gesichert.
Bei vorbestehenden Refluxsymptomen: großzügige Gabe von Protonenpumpen-
blockern.
Prophylaxe: ebenfalls weitgehend ungesichert; gebräuchlich ist Anwendung von
Nystatin oder Antazida, Effizienz ist jedoch fraglich.

Selbsthilfe Auf mukosaaggressive (z. B. scharfe oder sehr salzige) Speisen und Getränke ver-
zichten; zu festen Speisen ausreichend Flüssigkeit einnehmen.

Verlauf Spontane Ausheilung, aber erhebliche Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme


und des Befindens.

Literatur Holtmann MH et al. Gastroenterologische Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. Gastroenterologe


2009; 4: 64–73
2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse  95

2.8.3 Strahlenbedingte Schäden


Definition Ösophagusläsionen durch ionisierende Strahlen.

Patho­ ██ akute Ösophagitis während Bestrahlungsbehandlung


mechanismus ██ ischämiebedingte Läsionen oder Fibrose >2 Monate nach Abschluss der Radiatio
██ Motilitätsstörungen: eher von geringer Bedeutung

Pathologie ██ Akut: oberflächliche Ösophagitis, mikroskopisch Basalzellnekrosen und Ödem


██ Im Gefolge der Radiatio: Ulzerationen, Stenosen; auch Fisteln (z. B. zum Bron-
chialsystem)

Lokalisation ██ bei Bestrahlung von HNO-Tumoren: im proximalen Drittel des Ösophagus


██ bei Ösophagus- bzw. Bronchialkarzinomen sowie hämatologischen Systemer-
krankungen (Morbus Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphom): variabel

Epidemiologie Häufigkeit stark abhängig von zugrunde liegendem Tumorleiden, Dosis und Art
der Bestrahlung (perkutan, intraluminal); Häufigkeit wird bis zu 40 % angegeben
(heute aber eher geringer).

Assoziierte Entsprechende Tumorerkrankungen als Indikation für Strahlentherapie.


Erkrankungen
Klinische ██ Akute Strahlenösophagitis: Odynophagie, Dysphagie
Charakteristika ██ Chronische Ulzera/Strikturen: Dysphagie, Odynophagie, ggf. rezidivierende As-
pirationen (bei Fisteln)

Diagnostik Klinisches Beschwerdebild in Zusammenhang mit vorangegangener oder laufen-


der Bestrahlung, Endoskopie, ggf. Röntgen (hochgradige Stenosen, Fisteln).

Differenzial­ Tumorprogression, Tumoreinbruch, (sekundäre) Refluxkrankheit bei massivem Er-


diagnose brechen.

Therapie Allgemein verbindliche Therapieform: bislang nicht bekannt.


Symptomatisch: Analgetika, topisch wirksame Lokalanästhetika (auch als Kombi-
nationspräparate mit Antazida).
Medikamentös: Versuche möglich, Effektivität jedoch weder hinsichtlich Proto-
nenpumpenblockern gesichert (bei distalen Läsionen zur Ausschaltung zusätzli-
cher Schädigung durch Reflux) noch hinsichtlich mukosaprotektiven Substanzen
(Sucralfat, Alginsäure).
Bougierung: bei Strikturen indiziert, jedoch häufig nur vorübergehende Wirkung,
deshalb meist wiederholt erforderlich; evtl. Einlage von (bei Fisteln beschichteten)
Metallstents.

Selbsthilfe Meiden scharfer und sehr salziger Speisen und Getränke.

Verlauf Prognose in der Regel durch Grundleiden bestimmt.

Langzeit­ Strikturen, Fisteln, Plattenepithelkarzinom.


komplikationen
Literatur Holtmann MH et al. Gastroenterologische Symptomkontrolle in der Palliativmedizin. Gastroenterologe
2009; 4: 64–73
Zimmermann FB et al. Therapy and prophylaxis of acute and radiation-induced sequelae of the esophagus.
Strahlenther Onkol 1998; Suppl. 3: 78–81
96  2 Ösophagus

2.8.4 Chemische Verätzungen


Definition Läsionen des Ösophagus durch absichtlich oder versehentlich eingenommene ät-
zende Substanzen (überwiegend Laugen, seltener Säuren).

Patho­ Je nach Art, Menge und Konzentration oberflächliche Läsionen bis tiefe Ulzera-
mechanismus tionen; bei Laugen im Verlauf Verstärkung der Nekrosen durch Thrombosen der
Wandgefäße; sekundär bakterielle Besiedlung und Keiminvasion bzw. während
Heilung zunehmende Fibrosierung.

Pathologie Unterschiedliche Schweregrade (s. o.), in physiologischen Engen sowie distal be-
sonders starke Ausprägung.

Epidemiologie Verätzungen überwiegend bei Kindern unter 3 Jahren, meist durch frei zugängli-
che Haushaltsreiniger bedingt.

Klinische Je nach Schweregrad: sehr variabel von Rotfärbung der Schleimhaut bis schwere
Charakteristika Blutung
Komplikationen: durch Einbeziehung von Nachbarorganen (z. B. Mediastinitis, Ar-
rosion der Aorta; evtl. auch Oberbauchsymptomatik durch Verätzung des Magens)

Wegweisende ██ Anamnese: Art der eingenommenen Substanz, Menge und Zeitpunkt


Diagnostik ██ Inspektion der Mundhöhle und Laryngoskopie (cave: Mundhöhle in einem
Drittel der Fälle nicht betroffen trotz schwerer ösophagealer Läsionen)
██ Röntgen-Thorax
██ Endoskopie: Aufgrund Perforationsgefahr erfahrener Untersucher erforderlich;
Patient muss kooperativ sein, deshalb großzügig Sedativa verabreichen bzw. bei
Kindern ggf. Narkose durchführen

Zusatz­ Später evtl. Manometrie.


diagnostik
Differenzial­ Unterscheidung zwischen Laugen- und Säureverätzung.
diagnose
Therapie­ Bei geringer Ausprägung der Verätzung (endoskopisch keine oder minimale Läsi-
indikation onen) Abwarten möglich, bei schweren Fällen grundsätzlich intensivmedizinische
Behandlung.

Therapie Akutmaßnahme: Spülung (mit Wasser), jedoch nur innerhalb der ersten 10–
20 min sinnvoll, cave: Perforation: kein Erbrechen provozieren, keinen Magen-
schlauch „blind“ schieben!
Stationäre Maßnahmen:
██Überwachung der Vitalparameter (Gefahren: hämorrhagischer Schock, Verle-
gung der Atemwege)
██Korrektur von Defiziten (Volumen, Säure-Base-Haushalt, Gerinnung), ggf. O2-
Gabe
██effektive Schmerztherapie
██Wirksamkeit von Steroiden ungesichert
██Antibiotika bei schweren Fällen mit tiefen Läsionen bzw. Fisteln, ansonsten pro-
phylaktische Gabe umstritten
██frühzeitige Bougierung zur Verhinderung der Strikturentstehung
██ggf. (bei Perforation) Operation mit Ösophagusersatz
2.8 Läsionen durch äußere Einflüsse  97

Verlauf Endoskopische Kontrollen:


██initial: erforderlich zur Therapiesteuerung
██im Langzeitverlauf: erforderlich zur Früherkennung von Ösophaguskarzinomen

Komplikationen Frühkomplikation:
██Perforation; neben chirurgischer Therapie in Einzelfällen möglicherweise auch
intensive konservative Therapie erfolgreich.

Langzeitkomplikationen:
██Strikturen, Fisteln, Motilitätsstörungen
██Barrett-Ösophagus (sehr selten)
██Plattenepithelkarzinome (Risiko ca. 5 %, lange Latenz mit 40 Jahren), nahezu kei-
ne Adenokarzinome

Literatur Ramasamy K, Gumaste VV: Corrosive Ingestion in Adults. J Clin Gastroenterol 2003; 37: 119–124

2.8.5 Fremdkörper
Definition Oral (selten nasal) aufgenommene Gegenstände oder Nahrungsbestandteile, die
im Ösophagus stecken bleiben und sekundär Läsionen induzieren.

Patho­ ██ Fremdkörper, die aufgrund ihrer Größe oder Beschaffenheit meist die physiolo-
mechanismus gischen Engen des Ösophagus nicht passieren und/oder aufgrund gefährlicher
Inhaltsstoffe eine Schädigung der Ösophaguswand hervorrufen; betroffene Pati-
enten sind zumeist Kinder oder psychisch Kranke.
██ Große Fleischbrocken, die den Ösophagus in Höhe der physiologischen Engen
oder präexistenter Stenosen obstruieren (z. B. peptische Stenosen, Ringe, Acha-
lasie etc.), aber auch bei ausgeprägten Motilitätsstörungen (Obstruktion dann
meist distal); Vorkommen v. a. bei älteren Patienten.

Pathologie ██ Läsionen durch Fremdkörper selbst, z. B. scharfkantige Gegenstände, aber auch


durch ätzende Inhaltsstoffe: beispielsweise von Batterien
██ Läsionen durch lokalen Druck auf die Mukosa: Schäden variieren von diskreten
oberflächlichen, rasch abheilenden Erosionen bis zu tiefen, u. U. penetrierenden
Ulzera

Epidemiologie Unbekannt; hohe Dunkelziffer, da letztlich oft spontane Passage durch Verdau-
ungstrakt.

Assoziierte Eosinophile Ösophagitis, hypomotile Störungen, psychiatrische Erkrankungen.


Erkrankungen
Klinische Akute Bolussymptomatik: akut einsetzende Dysphagie für feste und flüssige Spei-
Charakteristika sen, retrosternaler Schmerz, Odynophagie, Hypersalivation durch Vagusreiz, Er-
brechen.

Wegweisende ██ Röntgenübersicht des Thorax in 2 Ebenen bei röntgendichten Fremdkörpern, an-


Diagnostik sonsten ggf. Röntgenuntersuchung mit (wasserlöslichem) Kontrastmittel
██ Endoskopie (zugleich therapeutisch)

Differenzial­ Aufgrund der Anamnese (plötzlicher Beginn) meist eindeutig; gelegentlich muss
diagnose „Pillenösophagitis“ mit ähnlichen Beschwerden abgegrenzt werden.
98  2 Ösophagus

Therapie­ Jedes symptomatische Ereignis, insbesondere bei Fremdkörpern mit gefahrvollen


indikation Inhaltsstoffen.

Therapie Endoskopie: Bergung der Fremdkörper (mittels endoskopischer Hilfsmittel wie


Zange, Körbchen etc.), bei Fleischbolus Extraktionsversuch oder instrumentelle
Desintegration, die zum spontanen Übertritt in den Magen führt (Bolus nicht blind
in den Magen vorschieben!).
Abwarten: Bei ungefährlichen Fremdkörpern (z. B. Münzen) kann bei prozedur-
bezogener Passage in den Magen im Einzelfall auch die weitere Passage durch den
Verdauungskanal abgewartet werden.

Komplikationen Frühkomplikatinen: Perforation, Penetration, Blutungen, Aspiration. Deshalb


möglichst rasche Extraktion bzw. Beseitigung der Obstruktion!
Langzeitkomplikationen: sehr selten; Läsionen heilen im Allgemeinen ab. Persis-
tierende Veränderungen waren zumeist präexistent (z. B. Ringe, peptische Stenose
etc.)

2.9 E
 ntzündliche, nicht infektiöse Erkrankungen mit
Ösophagusbeteiligung

2.9.1 Eosinophile Ösophagitis


Definition Chronische, immun-/antigenvermittelte Erkrankung des Ösophagus, die klinisch
durch Funktionsstörungen des Ösophagus charakterisiert ist und histologisch mit
einer von eosinophilen Granulozyten geprägten Entzündung einhergeht. Diagnose
beruht sowohl auf klinischem Bild als auch auf histologischen Kriterien.

Patho­ Nur teilweise bekannt; nach vorliegenden Befunden liegt dem Krankheitsbild eine
mechanismus pathologische Immunreaktion bzw. Allergenantwort zugrunde (allergische Beglei-
terkrankungen in bis zu 50 % der Fälle; evtl. bei Kindern von größerer Bedeutung).
Möglicherweise bei Kindern als Auslöser oral aufgenommene Nahrungsallergene
dominierend, bei Erwachsenen dagegen inhalierte Allergene. Vermehrte Expres-
sion von Eotaxin-3, das zusammen mit IL-5 eosinophile Granulozyten aktiviert.

Pathologie Histologisches Kriterium ist die Vermehrung eosinophiler Granulozyten in der


Mukosa (>15 Eosinophile pro high power field in mindestens 1 Biopsie), dazu eo-
sinophile Mikroabszesse, subepitheliale Fibrose; teils fokales Verteilungsmuster.
Makroskopische Befunde bei der Endoskopie: Stenosen, geriffelte Schleimhaut
(„Trachealisation“), multiple weißliche Flecken, längliche Rinnen, vermehrte Be-
rührungsempfindlichkeit, Mukosa kann aber normal erscheinen (trotz ausgepräg-
ter Infiltration).
Eine vermehrte Infiltration kann auch bei der Refluxkrankheit beobachtet werden,
zudem kann Infiltration mit eosinophilen Granulozyten unter PPI zurückgehen;
daher fließende Übergänge zur Refluxkrankheit. Möglichweise Abgrenzung in Zu-
kunft durch Genexpressionsanalysen.

Epidemiologie Erkrankung eher selten, aber zunehmend häufig diagnostiziert (echte Zunahme?
Diagnose nur häufiger gestellt als früher?). Altersgipfel in der 3. und 4. Dekade,
15–20 % der Fälle bei Kindern. Männer häufiger betroffen als Frauen (Verhältnis
ca. 3:1).
2.9 Entzündliche, nicht infektiöse Erkrankungen mit Ösophagusbeteiligung  99

Klinische
██ Dysphagie, Nahrungsimpaktation im Ösophagus
Charakteristika
██ Sodbrennen, Odynophagie und/oder thorakaler Schmerz
██ ausbleibende Besserung auf Protonenpumpenblocker wichtiges diagnostisches
Merkmal, da vermehrte eosinophile Infiltration auch bei Refluxkrankheit vor-
kommen kann

Wegweisende Endoskopie und Biopsie (5–8 Biopsien aus verschiedenen Höhen des Ösophagus,
Diagnostik da ungleichmäßige Verteilung). Biopsien auch bei unauffälligem Ösophagus, falls
klinischer Verdacht besteht.
Parallel sollte eine allergologische Diagnostik erfolgen, insbesondere auf Lebens-
mittelallergene (klinische Relevanz der Ergebnisse aber noch unklar).

Differenzial­ Refluxkrankheit, Obstruktion des Ösophagus jedweder Genese, Medikamentenul-


diagnose zera.

Therapie­ Klinische Symptomatik. Optimale Therapieziele aber bisher noch nicht definiert
indikation (Symptomatik oder histologische Befunde oder beides?)

Therapie Topische Steroide: Fluticason 2- bis 3-mal 250 μg oder Budenosid 2 mg tgl. in
den Mund sprühen und verschlucken; anschließend Mund ausspülen (Gefahr der
Soorbesiedlung), Nahrungsaufnahme nach 60 min. In schweren Fällen systemische
Kortikosteroide (Prednisolon 1 mg/kg, im Verlauf Dosisreduktion).
Wirksamkeit einer alleinigen Eliminationsdiät nach entsprechenden Hauttests
oder allergenarme Diät (keine Nüsse, Eier, Milch, Soja etc.) bei Kindern offenbar
hoch; Wirksamkeit diätetischer Maßnahmen bei Erwachsenen weitgehend unbe-
kannt, nach Leitlinie aber empfohlen.
Bougierung erst nach adäquater Therapie (Verletzungs- und Perforationsgefahr
hoch!).
Studien mit monoklonalen Antikörpern gegen IL-5 zeigten zwar einen Rückgang
der eosinophilen Infiltration und eine teilweise Rückbildung der endoskopischen
Befunde, aber kaum klinische Besserung im Vergleich zu Plazebo (galt gleicherma-
ßen für Kinder und Erwachsene).
Andere Therapiemodalitäten (z. B. Immunsuppressiva, Chromoglycinsäure, Leuko-
trien-Antagonisten) nicht empfohlen.

Verlauf Chronischer Verlauf; Rezidive nach Absetzen der Steroidtherapie. Langzeitverlauf


aber noch unzureichend charakterisiert.

Literatur Lisacouras CA et al. Eosinophilic esophagitis: updated consensus recommendations for children and adults. J
Allergy Clin Immunol 2011; 128: 3–20
Straumann A et al. Pediatric and adult eosinophilic esophagitis: similarities and differences. Allergy 2012;
67: 477–490
Sgouros SN, Bergele C, Mantides A. Eosinophilic esophagitis: a systemativ review. Eur J Gastroenterol Hepa-
tol 2006; 18: 211–217

2.9.2 Morbus Crohn


Definition Befall des Ösophagus im Rahmen eines Morbus Crohn.

Patho­ Siehe Kap. 4.15.1, Morbus Crohn.


mechanismus
100  2 Ösophagus

Pathologie Veränderungen wie im übrigen Gastrointestinaltrakt: Fissuren und Aphthen bis


zu transmuraler Entzündung mit Fistelbildung in benachbarte Organe oder Steno-
sen. Mikroskopischer Nachweis von Granulomen ohne makroskopischen Befund
möglich. Fast immer besteht ein Befall anderer Anteile des Gastrointestinaltrakts.

Epidemiologie Ösophagusbefall sehr selten, keine verlässlichen Zahlen; wohl deutlich weniger als
1 % der Crohn-Patienten betroffen.

Klinische ██ Diskrete Veränderungen häufig asymptomatisch


Charakteristika ██ Bei Ulzera: retrosternale Schmerzen, evtl. Odynophagie
██ Bei Stenosen: Dysphagie, Übelkeit, Gewichtsverlust
██ Durch Einbeziehung von Nachbarorganen: ggf. zusätzliche (oder dominierende)
Symptome

Wegweisende Anamnese (Befall anderer Anteile des Darmtrakts, insbesondere Ileokolon), Endo-
Diagnostik skopie, Biopsie.

Zusatz­ Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (zur Darstellung von Fisteln), Röntgen-


diagnostik Thorax und CT-Thorax.

Differenzial­ Medikamentenulzera, Refluxkrankheit, Morbus Behçet.


diagnose
Therapie­ Klinische Symptomatik.
indikation
Therapie Im Wesentlichen wie bei Befall des unteren Gastrointestinaltrakts, aber 5-ASA-
Präparate (Mesalazin) nicht sinnvoll (s. Kap. 4.15.1, Morbus Crohn). Bei Stenosen
Dilatation; evtl. Chirurgie.

Verlauf Gesicherte Daten zum Verlauf bei Ösophagusbefall sehr spärlich; chronischer
schubweiser Verlauf möglich.

Literatur D’Haens G et al. The natural history of esophageal Crohn’s disease. Gastrointest Endosc 1994; 40: 296–300

2.9.3 Morbus Behçet


Siehe Kap. 4.17, Morbus Behçet.

Definition Befall des Ösophagus im Rahmen eines Morbus Behçet (selten).

Pathologie ██ Makroskopisch: teils unterminierte Ulzera, (v. a. proximal gelegene) Strikturen,


Fisteln; Perforationen kommen vor
██ Mikroskopisch: unspezifisches Entzündungsinfiltrat, selten Nachweis einer Vas-
kulitis

Klinische ██ Ösophageale Symptome: retrosternale Schmerzen, Odynophagie, Dysphagie,


Charakteristika Übelkeit, Gewichtsverlust
██ Befall anderer Organe: es dominieren die Symptome in Mundhöhle, Augen, Ge-
nitale, Haut
2.10 Sonstige Ösophaguserkrankungen  101

Diagnostik
██ wegweisend: Endoskopie mit Biopsie
██ bei Fisteln bzw. Perforationen Röntgenuntersuchung mit wasserlöslichem Kon-
trastmittel

Differenzial­ Vor allem Abgrenzung zu Morbus Crohn wichtig (Klinik, Histologie).


diagnose
Therapie Bei symptomatischen Fällen Gabe von Steroiden, Chlorambucil, Azathioprin, Cyc-
losporin A etc. (s. Kap. 4.17, Morbus Behçet).

Langzeit­ Striktur, Perforation.


komplikationen
Literatur Bayraktar Y et al. Gastrointestinal manifestations of Behcet’s disease. J Clin Gastroenterol 2000; 30: 144–154
Sakane T et al. Behcet’s disease. N Engl J Med 1999; 341: 1284–1291

2.10 Sonstige Ösophaguserkrankungen

2.10.1 Glykogenakanthose
Definition Hyperplasien mit Einlagerung von Glykogen.

Pathologie Bis linsengroße, leicht erhabene Plaques im Ösophagus, nicht konfluierend; im di-
stalen etwas häufiger als im proximalen Ösophagus.

Epidemiologie Häufiger Nebenbefund bei der Endoskopie, in ca. 15–20 % zu beobachten.

Klinische Keine Symptome.


Charakteristika
Diagnostik Endoskopie, meist Zufallsbefund; bei typischem Aussehen keine Biopsie erforder-
lich, ansonsten ggf. Biopsie.

Differenzial­ Soorösophagitis.
diagnose
Therapie­ Keine.
indikation
Verlauf Unkompliziert, keine Entartung.
102  

3 Magen und Duodenum


H. Koop

3.1 Anatomie und physiologische Funktion

Definition Der Magen ist ein schlauchartiges, J-förmig erweitertes Hohlorgan zwischen Öso-
phagus und Duodenum. Er fungiert als Reservoir, das sukzessive zerkleinerte und
angedaute Nahrungsbestandteile in kleinen Portionen in das Duodenum abgibt.
Das anschließende Duodenum vom Pylorus bis zum Jejunum ist eine C-förmig ge-
wundene Schlinge, die den Pankreaskopf umschließt. Im Duodenum werden der
Nahrung Sekrete aus der Duodenalmukosa sowie Galle- und Pankreassaft zuge-
führt.

Aufbau Die Magenwand besteht aus Mukosa, Submukosa, Muskelschicht und Peritoneum
(das Duodenum liegt mit der Pars II retroperitoneal). Anatomische Regionen sind
Kardia, Fundus bzw. Korpus und Antrum.
Die Duodenalwand zeigt einen ähnlichen Aufbau, jedoch nur eine zirkuläre und
longitudinale Muskelschicht. Man unterscheidet 4 Anteile des Duodenums:
██Pars I: Bulbus duodeni
██Pars II: Absteigendes Duodenum (bis zum unteren Duodenalknie)
██Pars III: Quer verlaufendes Duodenum (vom unteren Duodenalknie bis zur Mit-
tellinie)
██Pars IV: Bis zum Treitz-Band

Struktur Die Schleimhaut im Magen trägt ein vielschichtiges Zylinderepithel und wird ge-
prägt durch Drüsenschläuche, deren zelluläre Zusammensetzung in den verschie-
denen Magenregionen variiert. Im Drüsenhals befinden sich in allen Magenantei-
len überwiegend Mukuszellen. Drüsen in der Kardia sind verzweigt und bestehen
aus endokrinen und undifferenzierten Zellen. In Fundus und Korpus dominieren
Drüsenstrukturen mit Parietalzellen (Belegzellen) sowie endokrinen Zellen (So-
matostatin [D-], Histamin [ECL-Zellen]), im Antrum mit endokrinen Zellen (Gas-
trin [G-Zellen]).
Die Lamina muscularis mucosae begrenzt die Mukosa zur Submukosa, die aus Bin-
degewebe (Kollagen- und Elastinfasern), Gefäßen, Nerven, aber auch eingewan-
derten Zellen (Lymphozyten, Plasmazellen) besteht. Die dreischichtige Muskel-
schicht aus glatter Muskulatur weist longitudinale, zirkuläre und schraubenförmig
angeordnete Fasern auf. Nach außen begrenzt das Peritoneum (Serosa) den Magen.
Im Duodenum ist die Mukosa völlig anders gestaltet: Villöser Aufbau mit Lieber-
kühn-Krypten. Das einreihige Zylinderepithel besteht aus resorptiven Zellen, Mu-
kus- und endokrinen Zellen sowie Paneth-Körnerzellen. In der Submukosa befin-
den sich Brunner-Drüsen.

Gefäß­ Arterien: Magen aus Truncus coeliacus über kleine und große Kurvatur: A. gastrica
versorgung dextra und A. gastroduodenalis (aus A. hepatica) via kleine Kurvatur, rechte und
linke Aa. gastricoepiploicae sowie Aa. gastricae breves (aus A. lienalis).
3.1 Anatomie und physiologische Funktion  103

Proximales Duodenum: A. gastroduodenalis (aus Truncus coeliacus via A. hepatica),


distales Duodenum aus Ästen der A. mesenterica superior.
Venen: Parallel zu den Arterien, Drainage in das Portalvenensystem. V. gastrica si-
nistra (= V. coronaria ventriculi) und V. gastrica dextra drainieren kleine Kurvatur,
Vv. gastroepiploicae (große Kurvatur, distaler Magen), V. pancreaticoduodenalis
(Duodenum).
Lymphgefäße: Magen: Drainage in regionäre perigastrische Lymphknoten zu
Lymphknoten am Truncus coeliacus. Duodenum: Über pankreatikoduodenale
Lymphknoten zu Lymphknoten im Leberhilus oder Lymphknoten am Abgang der
A. mesenterica superior.

Innervation Magen: extrinsisch aus Fasern des N. vagus (parasympathischer Anteil) und Fasern
aus dem Plexus coeliacus (Th 6–8; sympathischer Anteil), intrinsisch durch ein ver-
zweigtes System autonomer Fasern. Funktionell arbeiten extrinsische und intrinsi-
sche Anteile komplex zusammen.
Duodenum: parasympathisch aus dem Leberast des anterioren N. vagus, sympa-
thisch aus Nerven des Ganglion coeliacum sowie mesenterialen Ganglien. Ver-
schaltung im Meissner- und Auerbach-Plexus.

Funktion Magen:
Reservoirfunktion: nimmt Nahrung auf durch Relaxation des Magenfundus (Ak-
██

komodation der Magenwand); langsames Wiederherstellen des ursprünglichen


Tonus der Magenwand im Fundus ist treibende Kraft für Magenentleerung
Abtötung von Mikroorganismen: durch Säure, da fast alle Organismen in niedri-
██

gem pH nicht überlebensfähig (in zivilisierten Ländern aber ohne große klini-
sche Relevanz)
Zerkleinerung: durch kontinuierliche Propulsion der Nahrung in Richtung Py-
██

lorus wird Nahrungsbrei vermischt, durch hochamplitudige Kontraktionen im


Antrum zerkleinert („Antrummühle“) und dann in den proximalen Magen zu-
rückgeworfen
Verdauung: Ansäuerung und beginnende Aufspaltung der Nahrung durch Pep-
██

sin (quantitativ aber wenig bedeutsam, ohne Säure und Pepsin keine gestörte
Resorption)
gezielte Magenentleerung: 1–2 mm große Nahrungspartikel werden ans Duode-
██

num abgegeben. Unverdauliche größere Partikel verlassen Magen durch interdi-


gestive Motilität. Magenentleerung zudem gesteuert durch Kaloriendichte der
entleerten Portionen und Art der Nahrung (Beispiel: Fett hemmt Magenentlee-
rung via Inhibitoren aus Dünndarm). Entleerung von Flüssigkeiten teils passiv
(durch Druckgefälle zum Duodenum) und schneller als bei fester Nahrung

Duodenum:
██Neutralisation der aus dem Magen entleerten Partikel
██Zugabe und Vermischung mit Galle- bzw. Pankreassekret
██Digestion (Laktase, Lysozyme)
██Resorption
██Transport des Darminhalts und Steuerung des Darms (durch Freisetzung von
Motilin)
104  3 Magen und Duodenum

3.2 Anatomische Läsionen

3.2.1 Divertikel von Magen und Duodenum


Siehe auch Kap. 4.3, Duodenal- und Jejunaldivertikel.

Definition Über das Wandniveau hinausgehende Ausbuchtungen der gesamten Wand bzw.
Ausstülpungen von Wandanteilen (Mukosa/Submukosa) durch präformierte Mus-
kellücken.

Pathologie Magen: juxtakardiale Divertikel, posterior an kleiner Kurvatur gelegen; meist sin-
gulär vorkommend, bis 3 cm groß. Intramurale Divertikel meist im Antrum bzw. an
großer Kurvatur gelegen; überschreiten nicht die Magenwand.
Duodenum: extraluminale Divertikel von unterschiedlicher Größe, teils multipel.
Herniation durch Lücken von großen Gefäßen oder Galle- bzw. Pankreasgang. 75 %
in engster Lagebeziehung zur Papilla vateri („juxtapapillär“). Intramurale Divertikel
wie am Magen.
Jejunum/Ileum: Divertikel überwiegend im oralen Jejunum gelegen, meist multi-
pel.

Epidemiologie Gastrale Divertikel: insgesamt sehr selten, exakte Angaben zur Häufigkeit fehlen.
Juxtakardiale Divertikel am häufigsten (ca. 75 %).
Duodenaldivertikel: häufig: 6–22 % (Autopsie), bis 6 % (Röntgen) bzw. 10 % (ERCP);
Lokalisation im Duodenum von allen Dünndarmdivertikeln am häufigsten (80 %),
dagegen 20 % in Jejunum und/oder Ileum. Zunahme mit steigendem Lebensalter.
Intramurale Divertikel sehr selten.
Jejunal-/Ileumdivertikel: ca. 2 % Prävalenz.

Assoziierte Deformitäten des Magen durch benigne oder maligne Erkrankungen können gas-
Erkrankungen trale Divertikelbildung evtl. fördern. Bei Duodenaldivertikeln statistisch häufiger
Gallengangsteine (Pigmentsteine) und Cholangitis. Jejunaldivertikel: Erkrankungen
mit gestörter intestinaler Motorik (Sklerodermie, Myopathien, viszerale Neuropa-
thien).

Klinische Magendivertikel: in 90 % klinisch stumm; ggf. Schmerzen im Epigastrium oder lin-


Charakteristika ken Oberbauch, Völlegefühl (kausale Zuordnung zu Divertikel oft fraglich); Kom-
plikationen (Blutung, Perforation) sehr selten.
Duodenaldivertikel: meist asymptomatisch; gelegentlich paraumbilikale und/
oder in den Rücken ausstrahlende Schmerzen; zusätzliches Fieber und Übelkeit
können Komplikationen (Perforation) anzeigen; erhöhte Inzidenz einer Choledo-
cholithiasis bzw. Cholangitis.
Jejunaldivertikel: bis zu 50 % asymptomatisch; abdominelle Schmerzen, Sympto-
me des Malassimilationssyndroms (durch bakterielle Besiedlung); Symptome ggf.
auch durch begleitende Motilitätsstörung bedingt.

Wegweisende ██ Endoskopie (Magen, Duodenum), Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel (Jeju-


Diagnostik num, Ileum)
██ Cave: in Schnittbildverfahren (Sonografie, CT) ggf. als Pankreaspseudozyste fehl-
gedeutet

Zusatz­ Siehe Kap. 4.4, Bakterielle Fehlbesiedlung.


diagnostik
3.2 Anatomische Läsionen  105

Therapie
██ zurückhaltend: nur 1–2 % der Divertikel benötigt definitive Therapie; therapie-
bedürftige Magendivertikel sind eine Rarität
██ biliäre Erkrankungen bei Duodenaldivertikeln entsprechend dem üblichen Vor-
gehen (s. dort).
██ chirurgische Divertikelresektion nur bei Komplikationen (cave: Läsionen von Pa-
pille und Gangsystemen)
██ Malassimilationssyndrom bei Jejunaldivertikel s. 4.3, Duodenal- und Jejunaldi-
vertikel, Divertikelresektion nur bei Komplikationen

Literatur Velanovich V. Gastric diverticulum. Endoscopic and radiologic appearance. Surg Endosc 1994; 8: 1338–1339

3.2.2 Volvulus des Magens


Definition Rotation des Magens um sich selbst. Primärer Magenvolvulus, wenn Magen sich
vollständig unterhalb des Zwerchfells befindet, sekundärer Volvulus bei paraöso-
phagealer Hernie oder Zwerchfelldefekten. Ein Volvulus kann entlang der Längs-
(organoaxialer Volvulus) oder Querachse (mesenteroaxialer Volvulus) rotieren.

Patho­ Begünstigung der Rotation durch Lockerung des Bandapparats und/oder Zwerch-
mechanismus fellanomalien.

Pathologie Volvulus kann temporär auftreten mit spontaner Rückbildung. Je nach Typ und
Ausprägung Störung der Blutzufuhr und Gefahr der Gangrän, auch Blutung mög-
lich.

Epidemiologie Bis zu 20 % der Fälle im Kindesalter (insbesondere bei angeborenen Zwerchfellde-


fekten), ansonsten Altersschwerpunkt um 50 Jahre; kein Geschlechtsunterschied;
Inzidenz unbekannt; chronisch rezidivierender Volvulus evtl. in Häufigkeit unter-
schätzt.

Assoziierte Paraösophageale Hernie, andere Zwerchfelldefekte (angeboren oder erworben);


Erkrankungen anatomische Änderungen des Magens (die Magen punktuell fixieren) können Vol-
vulus begünstigen.

Klinische Akuter Volvulus: heftiger, akut einsetzender Schmerz im Oberbauch (primärer


Charakteristika Volvulus) oder Thorax (sekundärer Volvulus); Würgen ohne größeres Erbrechen,
Bluterbrechen (selten, deutet auf Ischämie); Oberbauch (bei sekundärem Volvulus)
bzw. Unterbauch bemerkenswert unauffällig.
Chronischer (rezidivierender) Volvulus: ggf. nur milde intermittierende Sympto-
matik; leichte bis mäßige epigastrische Schmerzen; Völlegefühl, Aufstoßen, Gur-
geln.

Wegweisende Röntgenleeraufnahme des Abdomens, ggf. zusätzliche Untersuchung mit Kontrast-


Diagnostik mittel.

Differenzial­ ██ Akuter Volvulus: Magenausgangsstenose, perforiertes Ulkus, Herzinfarkt,


diagnose Lungen­embolie
██ Chronischer Volvulus: Reizmagen, peptisches Ulkus

Therapie­ Akuter Volvulus; chronischer Volvulus nur, wenn Beschwerden sicher durch Vol-
indikation vulus bedingt.
106  3 Magen und Duodenum

Therapie Akuter Volvulus: Operation; bei Hochrisikopatienten ggf. Versuch der Repositi-
on mittels Gastroskopie, u. U. einschließlich Fixation des Magens an der vorderen
Bauchwand (z. B. durch perkutane endoskopische Gastrostomie, PEG).
Chronischer Volvulus: meist keine Therapie; in seltenen Fällen chirurgische The-
rapie (z. B. Gastropexie, Verschluss des Hiatus etc.) oder Fixation mittels PEG.

Komplikationen Akuter Volvulus: Ruptur, Blutung, Gangrän.

Selbsthilfe Bei chronischem Volvulus selbstinduziertes Erbrechen oder Änderungen der Kör-
perlage.

Literatur Wasselle JA, Norman J. Acute gastric volvulus: pathogenesis, diagnosis and treatment. Am J Gastroenterol
1993; 88: 1780–1784

3.3 Motilitätsstörungen

Definition Verzögerte Entleerung des Magens aufgrund gestörter Motilität.

Patho­ Ätiologisch führen zu Entleerungsstörungen:


mechanismus ██Diabetes mellitus
██Kollagenosen (insbesondere Sklerodermie)
██iatrogen (Vagotomie: proximale Vagotomie heute obsolet, daher Vagusschädi-
gung heute überwiegend nach radikaler Tumorchirurgie [Ösophaguskarzinom]
oder als Komplikation, z. B. Antirefluxchirurgie, Magenresektion)
██Medikamente: Anticholinerg wirkende Pharmaka (z. B. Neuroleptika, Antide-
pressiva)
██neurologische Erkrankungen (Parkinson-Krankheit, multiple Sklerose, Hirn-
stammprozesse etc.)
██psychiatrische Erkrankungen (Abgrenzung zu Essstörungen oft schwierig)
██Infektionen, viral (meist bei jüngeren Patienten, Prognose günstig, aber langer
Verlauf)

Störungen der Magenentleerung meist durch Kombination mehrerer pathophysio-


logischer Mechanismen:
██Compliance des proximalen Magens gestört (reduziert: durch Vagotomie, „Au-
tovagotomie“ bei Diabetes, Magenteilresektion; erhöht: bei diabetischer Gast-
roparese)
██antrale Motorik gestört: Frequenz reduziert (bei diabetischer Gastroparese),
Amplitude vermindert (bei Sklerodermie), isolierte antrale Druckerhöhungen
(funktionell „Pylorospasmus“; bei Diabetes, Kollagenosen)
██gestörter gastraler Schrittmacher (Bradygastrie, Tachygastrie, Bradytachygast-
rie; bei Diabetes, Schwangerschaftserbrechen, Anorexia nervosa)
██Störung der antroduodenalen Koordination (bei Diabetes)

Cave: Hyperglykämie allein induziert die antrale Hypomotilität und die Zunahme
der Compliance im Fundus, was eine verzögerte Magenentleerung bedingt.

Pathologie Makroskopisch bei Endoskopie Speisereste im Magen, aber unzuverlässiges Symp-


tom (und Hinweis für fortgeschrittenes Stadium).
3.3 Motilitätsstörungen  107

Epidemiologie Diabetes mit 10–20 Jahren Erkrankungsdauer: In 30–60 % Zeichen einer viszera-
len Neuropathie; zahlenmäßig wichtigste Ursache der Gastroparese; idiopathische
Form überwiegend bei (jüngeren) Frauen; zu anderen Entitäten kaum epidemio-
logische Daten verfügbar.

Assoziierte Diabetes mellitus, Kollagenosen (insbesondere Sklerodermie), neurologische bzw.


Erkrankungen psychiatrische Erkrankungen.

Klinische Dyspeptische Beschwerden: Übelkeit, v. a. postprandiales Völlegefühl, Blähung,


Charakteristika weniger Erbrechen; keine strenge Korrelation zwischen subjektiven Symptomen
und Ausprägung der Entleerungsstörung.

Wegweisende Anamnese: einschließlich subtiler Medikamentenanamnese


Diagnostik Endoskopie: Ausschluss organischer Läsionen
Marker-Technik: Röntgen-Abdomenübersicht 5 h nach Einnahme von ca. 20 rönt-
genpositiven Markern (>80 % der Marker sollten sich nicht mehr auf Magen proji-
zieren); erlaubt Beurteilung der Magenentleerung für feste Speisen
Röntgen-Konstrastmittel-Untersuchung des Magens: kann falsch-normale Be-
funde ergeben, da Entleerung von Flüssigkeiten (noch) normal bei schon gestörter
Entleerung für feste Speisen

Zusatz­ ██ Atemteste mit stabilen Isotopen (13C-Octanoat, 13C-Acetat): Messung von 13CO2
diagnostik in Exspirationsluft; Verfahren aussagekräftig, aber wenig verbreitet
██ Messung der Magenentleerung mittels Ultraschall, Szintigrafie (früher „Gold-
standard“), MRT

Differenzial­ Organische Oberbaucherkrankungen (peptisches Ulkus, Refluxkrankheit, Magen-


diagnose ausgangsstenose).

Therapie­ Symptomatische Formen.


indikation
Therapie Diätetische Maßnahmen: fettarme Ernährung, wenig Ballaststoffe, gutes Kauen
mit ausreichend Flüssigkeit; in schweren Fällen ggf. flüssige oder passierte Nah-
rung; Optimierung der Diabetes-Einstellung! Wirkung diätetischer Maßnahmen
aber begrenzt.
Medikamente: in Frühphasen Metoclopramid (MCP) 40–80 mg/Tag in mehreren
Einzeldosen. MCP setzt endogene Transmitter aus enterischem Nervensystem frei,
daher in fortgeschrittenen Fällen keine Effektivität der klassischen Prokinetika. Ta-
chyphylaxie bei MCP.

Therapie­ Schwere Fälle: Erythromycin wirkt als Agonist an Motilinrezeptoren und damit
versagen unabhängig vom enterischen Nervensystem; bisher allerdings kein prokinetisch
wirksames Erythromycinderivat ohne antibiotische Wirkung verfügbar. Verfahren
nur für ausgesuchte Fälle (Langzeitsicherheit noch unzureichend geklärt). Im Ein-
zelfall endoskopische Jejunostomie hilfreich. Bei Denervierung des Antrums evtl.
Pyloroplastik, ansonsten chirurgische Therapie wenig hilfreich.
Gastraler elektrischer Schrittmacher noch experimentell, scheint bei diabetischer
Gastroparese wirksamer zu sein als bei idiopathischer Form, optimale Patienten­
selektion und technische Aspekte derzeit in weiterer Entwicklung.
Injektion von Botulinumtoxin in den Pylorus (experimentell, nur Fallberichte).
108  3 Magen und Duodenum

Verlauf
██ diabetische Gastroparese häufig im Verlauf progredient, aber klinisch nicht im-
mer relevant
██ Sklerodermie: Magen eher selten befallen, oft lange symptomarme Intervalle
██ nach proximaler Vagotomie (heute obsolet) partielle Besserung der Magenent-
leerungsstörung nach 3–6 Monaten möglich
██ idiopathische Gastroparese: Prognose unsicher, in Teil der Fälle protrahierte
Normalisierung

Langzeit­ Bildung eines Bezoars (s. Kap. 3.16.2, Bezoare); Prävention: Verzicht auf nicht ver-
komplikationen daubare Ballaststoffe).

Literatur Hornbuckle K, Barnett JL. The diagnosis and work-up of the patient with gastroparesis. J Clin Gastroenterol
2000; 30: 117–124
Parkman HP, Yates K, Hasler WL, et al. Similarities and differences between diabetic and idiopathic gastro-
parasis. Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9: 1056–1064
Chu H, Lin Z, Zhong L, et al. A meta-analysis: the treatment of high-frequency gastric electrical stimulation
for gastroparesis. J Gastroenterol Hepatol 2012; 27(6): 1017–1026

3.4 Magenausgangsstenose

Definition Stenose im Bereich des Magenausgangs oder proximalen Duodenums.

Ursachen ██ chronisch-rezidivierendes Ulcus duodeni oder Ulcus ad pylorum


██ distales Magenkarzinom, primäres Duodenalkarzinom (selten)
██ Tumoreinbruch in das proximale Duodenum oder durch Kompression des Duo-
denums von extraintestinal (Pankreas-, Gallengang- oder Gallenblasen-Karzino-
me)
██ eosinophile Gastroenteritis (s. Kap. 3.7.4, Eosinophile Gastroenteritis); Morbus
Crohn (s. Kap. 4.15.1, Morbus Crohn)
██ postoperative Anastomosenstriktur, postradiogene Stenose
██ Pankreas anulare; chronische Pankreatitis; Pankreaszyste

Pathologie Abhängig von der Ursache.

Epidemiologie Magenausgangsstenose früher dominiert durch chronische Ulkuskrankheit, heute


andere Ursachen relativ häufiger (v. a. Malignome).

Assoziierte Siehe Ursachen.


Erkrankungen
Klinische Saures, im Verlauf großvolumiges Erbrechen, zunächst überwiegend für feste Spei-
Charakteristika sen, in fortgeschrittenen Fällen auch für Flüssigkeiten; Völlegefühl, (postprandiale)
Schmerzen.

Wegweisende ██ Anamnese
Diagnostik ██ Endoskopie: Häufig zunächst Absaugen des Mageninhalts mit großlumigem Ma-
genschlauch erforderlich (Speisereste!); Biopsie
██ Ultraschall und Computertomografie: v. a. bei Verdacht auf extraintestinale Ur-
sache (Tumorverdacht)

Zusatz­ Röntgen-Durchleuchtung mit Kontrastmittel („Röntgen-Magen“) ergänzend bei


diagnostik Unpassierbarkeit der Stenose; wasserlösliche Kontrastmittel.
3.5 Mallory-Weiss-Syndrom  109

Differenzial­ Magenentleerungsstörung.
diagnose
Therapie Magenschlauch mit Ablauf; Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten. Weite-
res Vorgehen abhängig von der Ursache:
██Stenose durch rezidivierendes Ulkus: Versuch der Ballondilatation gerechtfertig
mit hochdosierter Säurehemmung; falls frische Ulzeration: Abnahme der Ste-
nose mit Ulkusheilung möglich, ansonsten oft Operation (meist Pyloroplastik)
erforderlich
██Tumorstenose: Operativ (kurativ; wenn inoperabel: palliative Gastroenterosto-
mie); Implantation von selbstexpandierenden Metallstents (palliativ)
██Stenose bei eosinophiler Gastroenteritis: Versuch der konservativen Therapie
(Steroide), meist aber Operation erforderlich (häufig auch zur Diagnosesiche-
rung)
██übrige Erkrankungen: s. dort

Verlauf Abhängig von Grundleiden.

Literatur ASGE Standards of Practice Commettee: the role of endoscopy in gastroduodenal obstruction and gastropa-
resis. Gastroint Endosc 2011; 74: 13–21

3.5 Mallory-Weiss-Syndrom

Definition Schleimhauteinriss in der Kardia infolge plötzlicher heftiger intraabdomineller


Druckerhöhung (überwiegend durch Erbrechen).

Patho­ ██ Schleimhauteinriss: konsekutiv infolge Druckerhöhung


mechanismus ██ Akuter Anstieg des intraabdominellen Drucks: durch Erbrechen, Würgen
(Gastro­skopie, Sondenplatzierung); Schluckauf, Husten; epileptischer Anfall;
stumpfes Bauchtrauma

Pathologie Longitunaler Einriss (intramurale Dissektion) der Mukosa im distalen Ösophagus


und/oder proximalen Magen; Blutung durch Eröffnung submuköser Gefäße. Bei
wiederholtem Erbrechen sehr selten Ruptur möglich (Boerhave-Syndrom).

Epidemiologie Dunkelziffer hoch, da Arztkontakt meist nur bei Blutung; ca. 5 % der gastrointesti-
nalen Blutung durch Mallory-Weiss-Syndrom bedingt.

Assoziierte In der Mehrzahl der Patienten Hiatushernie; Alkoholiker bevorzugt betroffen.


Erkrankungen
Klinische ██ Bluterbrechen: meist nach zunächst unblutigem Erbrechen
Charakteristika ██ Blutung: meist gering, aber transfusionspflichtige Intensität möglich
██ Schmerzen: wenn spürbar, dann in Epigastrium oder Rücken

Wegweisende ██ Anamnese (!)


Diagnostik ██ Endoskopie: Typische Läsion, in ca. 25 % multipel auftretend, evtl. mit Thrombus
(oft am besten in Inversion zu sehen)

Differenzial­ Ulzera im gastroösophagealen Übergang, Refluxösophagitis (häufig begleitend


diagnose vorhanden), Ösophagusvarizenblutung.
110  3 Magen und Duodenum

Therapie­ Anhaltende Blutung.


indikation
Therapie Endoskopische Therapie: nur bei akut blutenden Läsionen; bei spontanem Blu-
tungsstillstand nicht erforderlich:
██Clip-Applikation
██Injektionstechniken (Adrenalinlösung, evtl. Fibrinkleber)
██Ligatur (analog zur Varizenligatur)
██thermische Techniken (Argon-Plasma-Koagulation, bipolare Sonden); cave bei
gleichzeitig bestehender portaler Hypertension), im Zeitalter der Clips kaum
noch eingesetzt

Säurehemmende Therapie (PPI): begleitende kurzfristige Maßnahme, führt u. U.


zu beschleunigter Heilung, Nutzen insgesamt nicht gesichert.

Verlauf Prognose in der Regel günstig, aber Rezidivblutungen möglich (v. a. bei Gerin-
nungsstörungen und/oder portaler Hypertension).

Literatur Bharucha et al. Clinical and endoscopic risk factors in the Mallory-Weiss syndrome. Am J Gastroenterol
1997; 92: 805–808
Pohl H, Rösch T. Die obere gastrointestinale Blutung: Differenzialdiagnose und Therapie. Gastroenterologie
up2date 2005; 1: 167–184
Yuan Y, Wang C, Hunt RH. Endoscopic clipping for nonvariceal upper GI bleeding: a meta-analysis and criti-
cal appraisal of randomized controlled trials. Gastrointest Endosc 2008; 68: 339–351

3.6 Akute Gastritis

3.6.1 Akute Gastritis und Gastropathie


Definition Oberflächliche Schleimhautläsionen, gekennzeichnet durch Schädigung und Rege-
neration des Epithels; oft keine begleitenden entzündlichen Infiltrate (Begriff Gas-
tritis daher irreführend, sollte durch Begriff Gastropathie ersetzt werden).

Patho­ Auslöser: exogene Noxen wie Alkohol, Medikamente (Antirheumatika, Zytostati-


mechanismus ka), Gallensäuren; Hypoxie (z. B. bei Traumen, Verbrennungen); lokale Schädigung
(Magensonde, Prolaps, Bestrahlung). Durch Zusammenbruch der defensiven Bar-
riere (Mukus, Bikarbonat, Epithel) Eindringen von aggressiven Substanzen (Säure,
Proteasen, Gallensäuren) und konsekutive Zellschädigung. Antirheumatikaindu-
zierte Läsionen zusätzlich durch Hemmung der Prostaglandinsynthese.

Pathologie Makroskopisch: Multiple petechiale Hämorrhagien; hypoxieinduzierte Läsionen


meist im proximalen Magen; Schädigung durch Medikamente und Alkohol im ge-
samten Magen mit Betonung im Antrum. Lokale Schädigung mit umschriebenen
Läsionen an der großen Kurvatur (Magensonde) oder im Fundus (Prolaps).
Histologisch: Geringe Veränderungen; meist keine entzündlichen Infiltrate, oft
nur indirekte Zeichen der Regeneration; frappierende Diskrepanz zwischen aus-
geprägten endoskopischen Veränderungen und minimalem Histologiebefund ty-
pisch. Multiple kleine Ulzerationen können v. a. bei Hypoxiegenese vorkommen.

Epidemiologie Häufig vorkommend, exakte Zahlen jedoch nicht verfügbar. Oft keine Diagnostik,
da selbstlimitierend.
3.6 Akute Gastritis  111

Klinische Ausgesprochen große Variabilität von Beschwerdefreiheit bis zu heftigsten Ober-


Charakteristika bauchschmerzen mit Übelkeit und (ggf. massiv blutigem) Erbrechen.

Wegweisende Anamnese (Medikamente, Alkoholabusus!), Endoskopie; ggf. Labor (Blutbild, Ge-


Diagnostik rinnung); Zusatzdiagnostik in der Regel überflüssig.

Differenzial­ Peptisches Ulkus (bei Hämatemesis) inkl. Ulkusperforation (bei heftigen Schmer-
diagnose zen), Wassermelonenmagen.

Therapie­ Nicht eindeutig definiert; vermutlich bei schwereren Formen sinnvoll.


indikation
Therapie Häufig keine spezifische Therapie erforderlich, da spontan rasche Heilung. Möglich
ist Gabe von Antazida oder Protonenpumpenblockern (Nutzen unbewiesen; zudem
Säuresekretion in Akutphase vermutlich erheblich herabgesetzt).
Auch bei schweren Blutungen meist spontane Ausheilung, ggf. Transfusionen; en-
doskopische Therapie erfolglos.

Prävention Protonenpumpenblocker (bei Antirheumatika-Einnahme, Chemotherapie etc.),


aber präventive Wirkung der PPI nicht für alle möglichen Ursachen gesichert.

Literatur Carpenter HA, Talley NJ. Gastroscopy is incomplete without biopsy: Clinical relevance of distinguishing gast-
ropathy from gastritis. Gastroenterology 1995; 108: 917–924
Dixon MF, Genta RM, Yardley JH et al. Classification and grading of gastritis. The updated Sydney System.
Am J Surg Pathol 1996; 20: 1161–1181

3.6.2 Infektionen des Magens


(außer Helicobacter-pylori-Infektion)
Die Helicobacter-pylori-Infektion wird in Kap. 3.7.1 besprochen.

Definition Durch Erreger bedingte entzündliche Veränderungen der Magenschleimhaut.

Patho­ ██ Bakterien: α-hämolysierende Streptokokken, Mycobacterium tuberculosis, Tre-


mechanismus ponema pallidum
██ Viren: Zytomegalievirus (CMV), Herpes-simplex-Virus (HSV)
██ Pilze: Candida, Torulopsis glabrata, Histoplasmose
██ Würmer: Anisakidosis, Strongoloides

Pathologie Infektionen ganz überwiegend bei immunkompromittierten Patienten (v. a. bei


HIV-Infektion, immunsuppressiver Therapie etc.):
██Streptokokken: phlegmonöse purulente Entzündung mit submuköser Ausbrei-
tung ggf. im gesamten Magen
██CMV: tiefe Wandschichten einbeziehendes Entzündungsmuster
██HSV: meist oberflächliche Gastritis (Erosionen)
██Candida: meist sekundäre Besiedlung von Mukosaläsionen, ohne klinische Re-
levanz
██Wurminfektionen: variable Mukosadefekte, Würmer u. U. sichtbar (und endos-
kopisch zu entfernen für Diagnostik)

Epidemiologie Infektionen ganz überwiegend bei immuninkompetenten Patienten, insgesamt


sehr selten.
112  3 Magen und Duodenum

Assoziierte HIV-Infektion, immunsuppressive Therapie, nach Transplantationen.


Erkrankungen
Klinische Variabel: Von diskreten Oberbauchsymptomen bis zum schweren allgemeinen
Charakteristika Krankheitsbild (v. a. bei phlegmonöser Gastritis); Symptome der Grundkrankheit
(Immundefekt).

Wegweisende Endoskopie mit Biopsie für Histologie und Kultur.


Diagnostik
Therapie Erregerspezifische Therapie, wenn angezeigt. Cave: Antimykotische Therapie bei
Pilzbesiedlung von Ulzera überflüssig!

Literatur Goodgame RW. Gastrointestinal cytomegalovirus disease. Ann Intern Med 1993; 119: 924–935
Koop H. Erkrankungen des Ösophagus. In: Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (Hrsg.) Arz-
neiverordnungen. 22. Aufl. Neu-Isenburg: MMI Verlag: 2009

3.7 Chronische Gastritis

3.7.1 Helicobacter-pylori-Infektion
Definition Durch Helicobacter pylori (H. p.) hervorgerufene, nahezu regelhaft chronisch ver-
laufende Gastritis.

Patho­ Infektion in der Kindheit; akut dyspeptisches Krankheitsbild mit passagerer


mechanismus Achlorhydrie, dann entweder Ausheilung oder (in der Mehrzahl) Immunreaktion
mit Entwicklung einer chronischen Gastritis; Infektion persistiert ohne Therapie
meist lebenslang. Adhärenz von Helicobacter pylori an Mukosa, aber keine Inva-
sion. Wichtigstes Enzym von Helicobacter pylori: Urease (spaltet Harnstoff), wird
diagnostisch genutzt (s. u.). Virulenzfaktoren: CagA und VacA; VacA erhöht die Per-
meabilität des Magenepithels für Harnstoff; Stämme mit VacA- und CagA-Produk-
tion führen zu verstärkter Entzündungsreaktion.
Vermutlich je nach Parietalzellmasse (= Säuresekretionskapazität) bzw. Virulenz-
faktoren Ausbildung einer (antrumbetonten) Oberflächengastritis oder einer sich
zur Atrophie entwickelnden (Pan-)Gastritis. Induktion von Antikörpern gegen
Parietalzellen möglich (analog autoimmuner Gastritis), dann Entwicklung einer
Achlorhydrie möglich, Bild ähnlich einer autoimmunen Gastritis (s. Kap. 3.7.2).

Pathologie Makroskopisch: keine verlässlichen Charakteristika der chronischen Gastritis,


aber im Kindesalter lymphatische Hyperplasie typisch („Gänsehautmagen“).
Histologisch: neben Infiltration mit Lymphozyten und Plasmazellen (bestimmt
Schweregrad der Gastritis) ist granulozytäre Infiltration charakteristisch (Aktivität
der Gastritis). Grad und Aktivität der Gastritis parallel zu Dichte der Helicobacter-
pylori-Besiedlung. Bild einer Oberflächengastritis oder (oft multifokalen) atrophi-
schen Gastritis.

Genetik Lewis-b-Blutgruppenantigen (bei Blutgruppe 0) begünstigt Adhärenz von Helico-


bacter pylori; somit indirekter Effekt.

Epidemiologie Weltweit häufigste Infektion, global abnehmend; Durchseuchung abhängig vom


Geburtsjahr (Kohortenphänomen): Erwachsene noch zu 25 % besiedelt, Kinder in
5 %, Infektionsrate bei Migranten deutlich höher (35–85 %). Starke regionale Unter-
schiede: Durchseuchung in Ost- und Südosteuropa deutlich höher, in Westeuropa
3.7 Chronische Gastritis  113

dagegen wie in Deutschland. Neben geografischen Unterschieden haben ethnische


Zugehörigkeit und sozioökonomischer Status Einfluss auf Durchseuchung mit He-
licobacter pylori.
Risikofaktoren für Infektion: zum Zeitpunkt der Infektion enge räumliche Wohn-
verhältnisse, niedriger sozialer Status (höhere Prävalenz von Helicobacter pylori
bei Immigranten!). Infektion meist intrafamiliär von Mensch zu Mensch entweder
oral-oral, gastral-oral und/oder fäkal-oral. Reinfektionen nach erfolgreicher Thera-
pie bei Erwachsenen selten.

Assoziierte Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi, niedrigmalignes Marginalzonen-B-Zell-Lymphom


Erkrankungen vom MALT-Typ des Magens, Magenkarzinom, Riesenfaltengastritis; relevante Be-
deutung von Helicobacter pylori beim Reizmagen äußerst fraglich.

Klinische Akute Infektion mit uncharakteristischem dyspeptischem Bild wird fast nie erfasst.
Charakteristika Weitere Symptomatik je nach Ausbildung der Folgeerkrankungen (Ulkuskrankheit,
Malignom). Symptomatik allein durch Gastritis strittig, zumindest ist übergroße
Mehrzahl der Helicobacter-pylori-Infizierten asymptomatisch.

Wegweisende Endoskopie und biopsiebezogene Tests: Ureasetest, Histologie (erlaubt neben He-
Diagnostik licobacter-pylori- bzw. Gastritisdiagnose auch Erfassung von Folgeerkrankungen);
beide Verfahren ähnlich aussagekräftig. Diagnose erfordert 2 positive Tests (z. B.
Ureasetest und Histologie).
██ Ureasetest: Einbringen von je 2 Biopsien aus Antrum und Korpus; durch Urease
erfolgt Spaltung von gepuffertem Harnstoff in Bikarbonat und Ammonium, er-
gibt Umschlag von anwesendem Indikator durch pH-Anhebung (Rotverfärbung
des Tests). Reaktion bei hoher Keimdichte schnell, aber Ureasetest unter laufen-
der starker Säuresuppression (z. B. mit PPI) weniger sensitiv (v. a. in Antrum­
schleimhaut), frühzeitig nach erfolgloser Helicobacter-pylori-Therapie ebenfalls
unzuverlässig (Keimdichte zu gering); daher: mindestens 2-wöchige Pause von
PPI und/oder Antibiotika vor Helicobacter-pylori-Tests, zur Eradikationskontrol-
le >4-wöchige Pause. Urease-Test in akuter Blutung oft falsch-negativ.
██ Histologie: je 2 Biopsien aus Antrum und Korpus; Nachweis von Helicobacter
pylori direkt und der chronischen Gastritis, ggf. weiterer Befunde. Aussagekraft
abhängig von Pathologen; Spezialfärbungen möglich. Helicobacter pylori nicht
zu finden auf intestinalen Metaplasien (bei Biopsie berücksichtigen).
██ Nichtinvasive Tests: für Therapiekontrolle (und für Primärdiagnostik bei Kin-
dern) 13C-Harnstoff-Atemtest: Messung der 13CO2-Exhalation vor und 30 min
nach Gabe von 13C-Harnstoff (13C ist stabiles Kohlenstoffisotop, 14C-Harnstoff-
Atemteste (radioaktiv) inzwischen obsolet)
██ Stuhltest: immunologischer Nachweis von Helicobacter-pylori-Antigen in
Stuhlproben; Sensitivität über 90 %, aber Spezifität nur 80–90 %
██ Serologie: Nachweis von Antikörpern gegen Helicobacter pylori im Serum für
klinische Diagnostik nicht sinnvoll, da Antikörper nach Helicobacter-pylori-Era-
dikation persistieren (auch wenn Titer abfällt).

Zusatz­ Kultur: Störanfällig, in Primärdiagnostik verzichtbar; bedeutsam nach fehlgeschla-


diagnostik gener Eradikationstherapie zur Prüfung auf Antibiotikaresistenz; Versand in spezi-
ellen Transportmedien erforderlich.
Serologischer Test: Für klinische Belange ungeeignet; bevorzugt für epidemiolo-
gische Studien.
PCR: Zum Helicobacter-pylori-Nachweis und (v. a.) resistenzassoziierten Mutatio-
nen des Erregers (alternativ zum E-Test).
114  3 Magen und Duodenum

Bestimmung von Virulenzfaktoren (VacA, CagA): Bisher ohne klinische Bedeu-


tung.

Therapie­ Indikation zur Diagnostik: Nur bei therapeutischer Konsequenz.


indikation Asymptomatische Helicobacter-pylori-Gastritis keine Indikation zur Therapie
– außer bei ausdrücklichem Wunsch des Patienten. Indikation bei funktioneller
Dyspepsie umstritten (Studien ganz überwiegend negativ, s. Kap. 3.11, Reizmagen
– funktionelle Dyspepsie). Ansonsten s. Folgekrankheiten (Ulkuskrankheit, Lym-
phom, Reizmagen etc.).
Aufgrund zunehmender primärer Antibiotikaresistenzen (auf Clarithromycin, v. a.
bei Kindern) sinkt Rate erfolgreicher Helicobacter-pylori-Eradikation der Triple-
Therapie auf derzeit 60–70 %; mögliche Alternative daher sequenzielle Therapie
(allerdings kompliziert, Effektivität in Routine außerhalb von Studien noch un-
klar); daher möglicherweise zukünftig Renaissance der auf Wismut basierten The-
rapie.
Allzu großzügige Indikationsstellung sollte angesichts Nebenwirkungen der anti-
biotischen Therapie, v. a. der mit Cl. difficile assoziierten Colitis kritisch hinterfragt
werden.

Therapie „Italienische Triple-Therapie“: 2-mal Standarddosis Protonenpumpenblocker (PPI;


Ausnahme: Esomeprazol: 2-mal halbe Standarddosis), vor dem Essen; Clarithro-
mycin 2-mal 250 mg; Metronidazol 2-mal 500 mg. Kombinationstherapie jeweils
für 7 Tage.
„Französische Triple-Therapie“: 2-mal PPI (wie oben); Clarithromycin 2-mal
500 mg, Amoxicillin 2-mal 1 g. Kombinationstherapie für jeweils 7 Tage.
Sequenzielle Therapie: Tag 1–5 2-mal PPI; 2-mal 1 g Amoxicillin; Tag 6–10: 2-mal
PPI, Clarithromycin 2-mal 500 mg, Metronidazol 2-mal 500 mg. Problem: Schema
zwar wirksamer (Eradikationsraten über 90 % in Studien) als Triple-Therapien,
aber kompliziert, wahrscheinlich für breiten Einsatz nur bedingt geeignet.
Antibiotikaresistenzen: Prätherapeutisch steigend, bei Kindern heute schon bis
20 % der Helicobacter-pylori-Isolate (in Zentraleuropa) für Clarithromycin, ca. 25–
35 % für Nitroimidazole (Metronidazol, Tinidazol); posttherapeutisch bis zu 50 %
für Clarithromycin, 70–100 % für Nitroimidazole. Resistenz gegen Nitroimidazole
senkt Effektivität von Kombinationen mit Metronidazol um ca. 20 %.
Therapieversagen: Vorgehen s. Kap. 3.9, Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi.

Verlauf Spontane Heilung der Helicobacter-pylori-Gastritis selten, aber bei antibiotischer


Therapie (Monotherapie) selten möglich. Reinfektionen selten (wenn nach Eradi-
kation wieder Helicobacter-pylori nachweisbar, dann ganz überwiegend Rekru-
deszenz des Erregers).
Im Verlauf kann sich eine atrophische Gastritis mit Achlorhydrie entwickeln.

Langzeit­ In ca. 15 % der Infizierten Entwicklung von Folgekrankheiten: Ulcus ventriculi, Ul-
komplikationen cus duodeni, Magenkarzinom, MALT-Lymphom des Magens, Riesefaltengastritis (s.
dort).

Literatur Fischbach W et al. S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit“. Z Gastroenterol
2009; 47: 68–102
Fox JG, Wang TC. Inflammation, atrophy, and gastric cancer. J Clin Invest 2007; 117: 60–69
Graham DY, Shiotani A. New concepts of resistance in the treatment of Helicobacter pylori infection. Nature
Clin Pract Gastroenterol Hepatol 2008; 5: 321–331
Malfertheiner P, Megraud F, O’Morain C et al. Current concepts in the management of Helicobacter pylori
infection: The Maastricht III Consensus resport. Gut 2007; 56: 772–781
Selgrad M, Malfertheiner P. Treatment of Helicobacter pylori. Curr Opin Gastroenterol 2011; 27: 565–570
3.7 Chronische Gastritis  115

3.7.2 Autoimmune Gastritis


Definition Durch Antikörper gegen Parietalzellen induzierte atrophische Gastritis in Korpus
und Fundus. Alte Nomenklatur: Typ-A-Gastritis.

Patho­ Autoimmunerkrankung: Antikörper gegen Protonenpumpe (H+/K+-ATPase), kon-


mechanismus sekutiv durch CD4+-T-Zellen vermittelter Untergang der Belegzellen. Parallel zu-
nehmende Reduktion der Säuresekretion: führt zu Achlorhydrie; zugleich Verlust
der Intrinsic-Faktor-Synthese: führt zu perniziöser Anämie. Antrumschleimhaut
normal, daher ausgeprägte Hypergastrinämie.

Pathologie ██ Makroskopisch: keine verlässlichen Zeichen


██ Histologisch: Mukosa-Atrophie mit Verlust von Parietalzellen und Ersatz durch
intestinale Metaplasie; Antrumschleimhaut normal

Genetik Familiäre Häufung, hohe Konkordanz bei eineiigen Zwillingen; exakter Mechanis-
mus unklar (keine Assoziation zu bestimmten HLA-Antigenen).

Epidemiologie Ca. 2 % von Personen über 60 Jahre haben perniziöse Anämie, aber nur kleinerer
Teil bedingt durch autoimmune Gastritis (Mehrzahl hat Helicobacter-pylori-asso-
ziierte atrophische Gastritis, s. Kap. 3.7.1). Geografische Unterschiede (am häufigs-
ten in Nordeuropa).

Assoziierte Andere Autoimmunerkrankungen: Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Addison, Dia-


Erkrankungen betes mellitus, Myasthenie etc.

Klinische Achlorhydrie allein klinisch stumm, aber klinisch relevant durch Vitamin-B12-Ver-
Charakteristika armung: bedingt perniziöse Anämie; seltener auch Eisenmangel assoziiert.

Wegweisende Gastrinbestimmung, Gastroskopie und Biopsie.


Diagnostik
Zusatz­ Schilling-Test (mit Intrinsic Factor).
diagnostik
Differenzial­ Histologie: isolierte Atrophie in Korpus und Fundus; Abgrenzung zur Helicobac-
diagnose ter-pylori-induzierten Atrophie durch Aussparen des Antrums.
Anämie: andere Formen der megaloblastären Anämien: Vitamin-B12-Mangel
durch Antikörper gegen Intrinsic Factor, gestörte Resorption im Ileum (Morbus
Crohn, Ileumresektion), unzureichende Zufuhr (oft kombiniert mit Folsäureman-
gel); myelodysplastische Syndrome; direkte alkoholtoxische Effekte auf Erythro-
poese.

Therapie­ Manifeste perniziöse Anämie.


indikation
Therapie Parenterale Vitamin-B12-Gabe (anfangs mehrmals pro Woche, nach Auffüllen der
Speicher alle 6–8 Wochen; Verabreichung von Säure- und/ oder Pepsinpräparaten
obsolet.

Langzeit­ Bis zu 25-fach erhöhtes Magenkarzinomrisiko (dennoch Screening-Untersuchun-


komplikationen gen nicht sinnvoll); zudem neuroendokrine Tumoren Typ 1 durch Hypergastrin­
ämie (s. Kap. 9.2, Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren) und gehäuft
­hyperplastische Polypen (s. Kap. 4.24, Polypen und Polyposis-Syndrome).

Literatur Toh BH et al. Pernicious anemia. N Engl J Med 1997; 337: 1441–1448
116  3 Magen und Duodenum

3.7.3 Gallereflux-Gastropathie
Definition Schädigung der Mukosa induziert durch (beträchtlichen) Gallereflux in den Ma-
gen; fast nur nach Magenoperationen zu beobachten (wenige Ausnahmen, z. B.
schwere Motilitätsstörungen).

Patho­ Durch Eingriffe am Pylorus (Pyloroplastik, distale Magenresektion) beträchtlicher


mechanismus duodeno/intestino-gastraler Reflux. Aufgrund von Detergenzien- bzw. zytotoxi-
schen Effekten Schädigung der Schleimschicht und konsekutiv der Mukosa.

Pathologie In distalen bzw. anastomosenahen Magenanteilen makroskopisch hochrote Mu-


kosa, z. T. mit helleren Flecken (entsprechen mikroskopisch intestinalen Metapla-
sien); wenig entzündliche Veränderungen, daher besser Gallereflux-Gastropathie
statt Gastritis zu nennen.

Assoziierte Magenerkrankungen, die zur Operation geführt haben; schwere Motilitätsstörun-


Erkrankungen gen des Magens.

Klinische Klinische Relevanz ist umstritten: bisher ist unklar, ob und in welchem Maße
Charakteristika Gallereflux Beschwerden induziert; mögliche Symptome: Oberbauchschmerzen
(nüchtern, postprandial), Übelkeit, Erbrechen. Die Mehrheit der Patienten mit Gal-
lereflux-Gastropathie ist symptomfrei (oder zeigt andere Symptome des operier-
ten Magens; s. Kap. 3.15, Operationsfolgen). Beschwerden können überlagert sein
durch fortgeleiteten Reflux in den Ösophagus.

Wegweisende Anamnese (!), Endoskopie und Biopsie.


Diagnostik
Differenzial­ Akute Gastritis, Wassermelonenmagen.
diagnose
Therapie Bei Beschwerden ohne andere fassbare Ursache Therapieversuch gerechtfertigt:
am ehesten mit modernen Antazida (diese binden Gallensäuren). Bei ausgeprägten
Beschwerden oder symptomatischem duodenogastroösophagealem Reflux (alka-
lische Refluxösophagitis) kann operative Korrektur (Roux-Y-Anastamose) sinnvoll
sein (sichere Entscheidungskriterien fehlen; Individualentscheidung).

Langzeit­ Intestinale Metaplasie: unklar, ob diese (oder die fast immer präexistente Heli-
komplikationen cobacter-pylori-Infektion der operationswürdigen Grunderkrankung) für erhöhtes
Malignomrisiko im Restmagen verantwortlich ist.

Literatur Dixon MF et al. Reflux gastritis – distinct histological entity? J Clin Pathol 1986; 39: 524–530
Kojima K, Yamada H, Inokuchi M et al. A comparison of Roux-en-Y and Billroth-I reconstruction after
laparoscopy-assisted distal gastrectomy. Ann Surg 2008; 247: 962–967

3.7.4 Eosinophile Gastroenteritis


Definition Trias mit gastrointestinalen Beschwerden, eosinophiler Infiltration unterschiedli-
cher Abschnitte des Gastrointestinaltrakts und Fehlen anderer Gründe für Eosino-
philie (z. B. Parasiten, extraintestinale Erkrankungen). Befall der Mukosa, der Lami-
na muscularis oder der Subserosa möglich.
3.7 Chronische Gastritis  117

Patho­ Keine gesicherten Konzepte; diskutiert werden allergische Reaktionen, aber we-
mechanismus niger gut belegt im Vergleich zur eosinophilen Ösophagitis. Th2-proinflammatori-
sche Zytokine und Eotaxin vermutlich von zentraler Bedeutung.

Pathologie Mukosaler Typ: Infiltration der Mukosa mit eosinophilen Granulozyten (>20 Eosi-
nophile pro Gesichtsfeld bei hoher Vergrößerung), makroskopisches Bild aber häu-
fig normal. Bluteosinophilie bei bis zu 80 % der Patienten.
Muskulärer Typ: Stenose des betreffenden Segments, Schleimhautrelief unregel-
mäßig, aber keine Ulzera. Histologisch eosinophile Infiltration der Lamina muscu-
laris, Mukosa aber zumeist frei von eosinophilen Infiltrationen. Keine Eosinophilie
im Blutbild.
Subserosaler Typ: subserosale eosinophile Infiltrate ohne Beteiligung der Lamina
muscularis bzw. Mukosa; begleitend meist ausgeprägte Bluteosinophilie.

Epidemiologie Weitgehend unbekannt, kommt in allen Altersgruppen vor, Männer allenfalls ge-
ring häufiger betroffen, insgesamt selten; bevorzugter Befall des Magens und pro-
ximalen Dünndarms reflektiert vermutlich bessere Zugänglichkeit für Diagnostik.

Assoziierte Allergische Erkrankungen (Asthma bronchiale, Ekzeme, allergische Rhinitis) in ca.


Erkrankungen 50 %.

Klinische Klinisches Bild variabel je nach befallenem Anteil des Gastrointestinaltrakts und
Charakteristika Typ der Infiltration:
██Mukosaler Typ: Diarrhöen, Malabsorption, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust
██Muskulärer Typ: Obstruktion des betroffenen Segments (Pseudoachalasie, Ma-
genausgangsstenose, Duodenalstenose, selten distalere Stenosen)
██Subserosaler Typ: Aszites, Pleuraerguss

Wegweisende ██ Mukosaler Typ: Endoskopie und extensive Biopsie (auch nicht befallener Area-
Diagnostik le), Blutbild
██ Muskulärer Typ: Endoskopie, Sonografie, Endosonografie, transmurale Biopsie
(per Endosonografie oder perkutan); eindeutige Diagnose oft nur am chirurgi-
schen Resektat
██ Subserosaler Typ: Blutbild, Zytologie in Exsudaten (Aszites, Pleuraerguss)

Zusatz­ ██ Ausführliche Allergie- und Unverträglichkeitsanamnese


diagnostik ██ Röntgen- bzw. Funktionsuntersuchungen des Dünndarms (Xylosetest, H2-Atem-
tests), Koloskopie (je nach Befall)

Differenzial­ Reizdarmsyndrom, hypereosinophiles Syndrom mit Befall des Gastrointestinal-


diagnose trakts, Parasitosen, Malignome, Morbus Crohn, Panarteriitis nodosa, eosinophiles
Granulom des Antrums, Frühmanifestation einer Vaskulitis, Churg-Strauss-Syn-
drom, Morbus Wegener.

Therapie­ Symptomatische Fälle.


indikation
Therapie ██ Steroide (Prednisolon (1 mg/kg) in absteigender Dosis): Dauer der Therapie vari-
abel je nach Klinik, längerfristige Therapie bei schnellem Rezidiv
██ symptomatisch: Antidiarrhoika (Loperamid), Substitution von Mangelzustän-
den
██ Ketotifen, Chromoglycinsäure: vereinzelt positive Berichte über Wirkung
118  3 Magen und Duodenum

██ chirurgisches Vorgehen: oft unumgänglich, wenn bei Stenosen medikamentöse


Behandlung unzureichend wirksam
██ Diät: Wirksamkeit einer allergenarmen Diät unklar

Verlauf Variabel: spontane Remissionen, aber auch Progression möglich.

Literatur Rothenberg ME. Eosinophilic gastrointestinal disorders (EGID). J Allergy Clin Immunol 2004; 113: 11–28
Khan S. Eosinophilic gastroenteritis. Best Pract Res Clin Gastroenterol 2005; 19:177–198
Chang JY et al. A shift in the clinical spectrum of eosinophilic gastroenteritis toward the mucosal disease
type. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8:669–675

3.7.5 Granulomatöse Gastritis


Definition Formen einer chronischen granulomatösen Gastritis unterschiedlicher Ätiologie:
Morbus Crohn, Sarkoidose, Tuberkulose.

Patho­ Erreger können granulomatöse Gastritis hervorrufen (z. B. Mycobacterium tuber-


mechanismus culosis, aber auch Helicobacter pylori), ansonsten Ätiologie der granulomatösen
Gastritiden unbekannt.

Pathologie Granulomatöse (nicht infektiöse) Gastritis: Einbeziehung des Magens in Grundlei-


den: bei disseminierter Sarkoidose bis zu 10 %, bei Morbus Crohn bis zu 25 % (vor-
wiegend Antrum) betroffen. Extragastrale Manifestation sollte vorliegen, um Gas-
tritis dem Grundleiden zuzuordnen. Makroskopisch besteht eine weite Variati-
onsbreite von normaler Mukosa über Aphthen bzw. Erosionen bis zu Ulzera und
raumfordernden Prozessen.

Assoziierte Entsprechende Grundleiden.


Erkrankungen
Klinische Sehr variabel; Befall des Magens häufig klinisch stumm; bei Gastritis bei Morbus
Charakteristika Crohn oft parallel Befall des Duodenums.

Wegweisende Endoskopie und Biopsie: Mukosa ohne Pathologika, aber auch Aphthen und kleine
Diagnostik Ulzera können vorkommen.

Zusatz­ Diagnostik des Grundleidens.


diagnostik

Differenzial­ Infektiöse Gastritis (Tuberkulose, Syphilis, Parasiten), s. Kap. 3.6.2, Infektionen des
diagnose Magens.

Therapie­ Symptomatische Formen.


indikation

Therapie Helicobacter pylori: s. Kap. 3.7.1, Helicobacter-pylori-Infektion.


Morbus Crohn: systemisch Steroide (Prednisolon, Methylprednisolon), ggf. andere
Immunsuppressiva (s. Kap. 4.15.1, Morbus Crohn; Dosierung abhängig von indi-
vidueller Konstellation (häufig Therapieentscheidungen dominiert von Aktivität
anderer Lokalisationen). Alleiniger Nachweis von Granulomen keine zwingende
Therapieindikation. Crohn-Befall des Duodenums häufiger und klinisch relevanter
durch Ausbildung von Stenosen und Einbeziehung der Papilla vateri (Obstruktion
von Gallen- und Pankreasgang).
3.8 Hypertrophe Gastropathie/Morbus Ménétrier  119

Sarkoidose: Therapie bestimmt durch Befall anderer Organe. In erster Linie Kor-
tikosteroide, aber bei schwereren Verlaufsformen in Einzelfällen auch Immunsup-
pressiva (Azathioprin, MTX) oder TNF-α-Blocker.

Verlauf Variabel.

Langzeit­ Morbus Crohn: Stenosen, Fisteln (selten).


komplikationen

Literatur Maeng L, Lee A, Choi K et al. Granulomatous gastritis: a clinicopathologic analysis of 18 biopsy cases. Am J
Surg Pathol 2004; 28: 941–945
Thomas KW, Hunninghake GW: Sarcoidosis. JAMA 2003; 289: 3300–3303
Ebert EC et al: Gastrointestinal and hepatic manifestations of sarcoidosis. Am J Gastroenterol 2008; 103:
3184–3192

3.8 Hypertrophe Gastropathie/Morbus Ménétrier

Definition Deskriptiv für vergrößerte Falten und verdickte Mukosa bzw. Submukosa („Rie-
senfaltengastritis“) im Korpus. Terminus hypertrophe Gastropathie steht für unter-
schiedliche Erkrankungen.

Patho­ Morbus Ménétrier: wahrscheinlich Folge erhöhter Produktion von Transforming


mechanismus Growth Factor α (TGF-α). Zytomegalievirus-Infektion via TGF-α auch möglich, v. a.
bei Kindern. Neben foveolärer Hyperplasie Ausbildung einer exsudativen Entero-
pathie mit Hypoproteinämie. Bisher unklar, ob Helicobacter pylori an Initiierung
der Erkrankung beteiligt ist.
Glanduläre Hyperplasie: Zunahme der Belegzellmasse unter tropher Wirkung des
Gastrins (bei Patienten mit Zollinger-Ellison-Syndrom).
Helicobacter pylori induziert Ausbildung von Lymphfollikeln im Magen; bisher
ungeklärt, warum (in einigen Fällen) Bildung stark verdickter („Riesen-“)Falten.

Pathologie Foveoläre Hyperplasie: mit zystischer Aufweitung ohne wesentliche Infiltration


mit Entzündungszellen, Vermehrung der Mukus- und oberflächlichen Epithelzel-
len; glandulärer Anteil normal oder atrophisch → Morbus Ménétrier. Glanduläre
Hyperplasie: v. a. durch Parietalzell-Hyperplasie → Zollinger-Ellison-Syndrom.
Keine foveoläre oder glanduläre Hyperplasie: chronische Gastritis mit lymphati-
scher Hyperplasie (überwiegend durch Helicobacter pylori).

Epidemiologie Hypertrophe Gastropathie insgesamt sehr selten; in Gesamtheit nur bei ca. 10 %
„klassischer“ Morbus Ménétrier, in 10–15 % Zollinger-Ellison-Syndrom. Überwie-
gende Zahl mit Helicobacter-pylori-Gastritis. Alter meist >50 Jahre, Männer häu-
figer betroffen.

Assoziierte Helicobacter-pylori-Gastritis (s. o.).


Erkrankungen

Klinische Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Ödeme, Erbrechen.


Charakteristika

Diagnostik ██ Endoskopie und Biopsie: „Jumbo-Zange“, ggf. Schlingenbiopsie


██ Endosonografie: Ausschluss von Karzinom und Lymphom
120  3 Magen und Duodenum

Differenzial­ Magentumoren (szirrhöses Karzinom, Magenwandmetastasen), Lymphom.


diagnose
Therapie Stets zunächst Versuch einer Helicobacter-pylori-Eradikation, wenn Helicobacter
pylori nachweisbar. Falls unveränderter Status nach erfolgreicher Helicobacter-
pylori-Eradikation oder falls primär Helicobacter-pylori-negativ: keine allgemein
etablierte Therapie bekannt; Prednisolon, Säurehemmer, Anticholinergika ohne
nachhaltigen Erfolg. Positive Fallberichte über Erfolg durch Cetuximab (Antikörper
gegen TGF-α). In Ausnahmefällen (ausgeprägter Proteinverlust) subtotale oder to-
tale Gastrektomie.

Verlauf Morbus Ménétrier kann über Jahrzehnte bestehen, Spontanheilungen kommen vor.

Langzeit­ Magenkarzinomrate deutlich erhöht (Lebenszeitrisiko 2–15 %), daher Überwa-


komplikationen chungsprogramm möglicherweise sinnvoll (Endosonografie hier häufig unver-
zichtbar); möglicherweise auch erhöhtes Risiko für Sepsis und thromboemboli-
sche Ereignisse.

Literatur Komorowski RA et al. The morphologic spectrum of large gastric folds. Gastrointest Endosc 1986; 32:
190–192
Nomura S, Settle SH, Leys CM et al. Evidence for repatterning of the gastric fundic epithelium associated
with Menetrier’s disease and TGF-alpha overexpression. Gastroenterology 2005; 128: 1292–1305
Fiske WH et al. Efficacy of cetuximab in the treatment of Menetrier’s disease. Sci Transl Med 2009; 1: 8ra18
Lambrecht NW. Menetrier’s disease of the stomach: a clinical challenge. Curr Gastroenterol Rep 2011; 13:
513–517

3.9 Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi

Definition Schleimhautdefekte im Magen (Ulcus ventriculi) bzw. Bulbus duodeni (Ulcus duo-
deni), welche die Lamina muscularis mucosae überschreiten.

Patho­ ██ heute bei 50–75 % (früher bei 95 %) der Ulcera duodeni und <50 % der Ulcera
mechanismus ventriculi (ebenfalls rückläufig) Infektion mit Helicobacter pylori; bei Magenul-
zera (seltener bei Duodenalulzera) auch Einnahme von ulzerogenen Substanzen
(nichtsteroidale Antirheumatika, Azetylsalizylsäure)
██ Mukosadefekte durch Helicobacter pylori bzw. ulzerogene Pharmaka (Schwä-
chung defensiver Mechanismen durch Hemmung der Prostaglandinsynthese)
werden durch Säureeinwirkung zu Ulzera. Beim Ulcus duodeni Annahme der
Ulkusentstehung auf dem Boden einer mit Helicobacter pylori besiedelten ant-
ralen Metaplasie. Die Gründe für Ulkusentwicklung bei nur ca. 10–15 % der He-
licobacter-pylori-Infizierten bzw. für schubweisen Verlauf mit zwischenzeitlich
spontaner Heilung – bei konstanter Helicobacter-pylori-Infektion – sind unbe-
kannt. Ohne Säure kein Ulkus, aber auch ohne Helicobacter pylori (fast) kein
Ulkus, wenn keine ulzerogenen Pharmaka eingenommen werden.
██ Pathomechanismen bei Helicobacter-pylori-negativen Ulzera ohne Einnahme
ulzerogener Pharmaka weitgehend unbekannt (vaskuläre Faktoren?)
██ zahlreiche modulierende Faktoren (Rauchen, Schwerarbeit), die Spontanverlauf
beeinflussen, sind ohne Helicobacter pylori nicht mehr wirksam
██ bei kleiner Zahl der Ulkuspatienten (<1 %) besteht Säurehypersekretion: Zollin-
ger-Ellison-Syndrom bzw. antrale G-Zell-Überfunktion (Mechanismus unbe-
kannt; fraglich defekte Hemmung der Gastrinzelle durch unzureichende Soma-
tostatinsekretion), möglicherweise andere Formen einer Säurehypersekretion
3.9 Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi  121

Pathologie Schleimhautdefekte in tiefere Wandschichten reichend; Ulkusgrund mit Fibrin-


belägen. Läsion mindestens 5 mm groß (kleiner: nur Erosion). Perforationen bzw.
Penetration in Nachbarorgane als Komplikation. Helicobacter-pylori-Nachweis im
Ulkus seltener zu führen (deshalb parallele Biopsie der intakten Mukosa für Heli-
cobacter-pylori-Diagnostik erforderlich). Typische Ulkuslokalisation: kleine Kurva-
tur, präpylorisches Antrum, Bulbus duodeni; andere Lokalisationen verdächtig auf
Malignität.
Antrumbetonte Gastritis (mit leicht gesteigerter Säuresekretion) beim Ulcus duo-
deni, Pangastritis ggf. mit geringer Atrophie bevorzugt beim Ulcus ventriculi.
Blutung durch Arosion von Gefäßen; ausgeprägte Blutungsintensität bei Ulzera
hochsitzend an der kleinen Kurvatur (A. gastrica sinistra) oder an der Hinterwand
des Bulbus duodeni (A. gastroduodenalis).
Komplikationen durch freie Perforation in die Bauchhöhle oder gedeckt in Pankreas
oder Leber.

Genetik Gehäuftes Auftreten von Ulcera duodeni bei Blutgruppe 0 wahrscheinlich bedingt
durch begünstigte Adhärenz von Helicobacter pylori an Lewis-B-Blutgruppenanti-
gen, somit genetische Disposition zum Ulkus sehr fraglich.

Epidemiologie ██ Duodenalulkus: Inzidenz stark rückläufig (schon vor Helicobacter-pylori-Thera-


pie, aber durch Eradikationsbehandlung beschleunigt).
██ Magenulkus: Inzidenz relativ konstant, aber Verschiebung vom mit Helicobacter
pylori assoziierten zugunsten des mit Antirheumatika assoziierten Ulkus.
██ Ulkuskomplikationen: Allenfalls geringer Rückgang, Verschiebung in höhere Al-
tersgruppen

Assoziierte Helicobacter-pylori-Gastritis, Zollinger-Ellison-Syndrom.


Erkrankungen

Klinische Oberbauchschmerzen: Leitsymptom; postprandial oder Nüchternschmerz (er-


Charakteristika laubt keine verlässliche Differenzierung zwischen gastraler und duodenaler Ulkus-
lokalisation), aber bei Duodenalulkus auch in Rücken ausstrahlend. Insbesondere
bei mit Antirheumatika assoziierten Ulzera sowie bei Blutung nur geringe oder gar
fehlende Schmerzsymptomatik. Bei Perforation zumeist Peritonitis mit heftigsten
Schmerzen, brettharten Bauchdecken (kann bei Antirheumatika-Ulzera aber we-
niger stark sein). Bei freier Perforation akutes Abdomen, bei gedeckter Perforation
mit Schmerzen wechselnder Intensität (gelegentlich nur Rückenschmerzen bei Pe-
netration ins Pankreas).
Blutung: unterschiedliche Stärke bis zum Blutungsschock möglich, dann abhängig
von Schwere der Blutung Hämatemesis, Meläna, Schwindel, Tachykardie, Schock.

Wegweisende Endoskopie: mit bioptischer Helicobacter-pylori-Diagnostik (Ureasetest und His-


Diagnostik tologie) aus normaler Mukosa, für beide Methoden je 2 Biopsien aus Antrum und
Korpus zusätzlich zu Biopsien aus Ulkus beim Ulcus ventriculi. Beim Ulcus duode-
ni reicht ein Test, Biopsie aus Ulkus verzichtbar (aber notwendig, wenn atypisches
Ulkus: Lokalisation außerhalb des Bulbus, Konfiguration unregelmäßig, Tumorver-
dacht).
Bei Blutung: Erst Kreislaufstabilisierung! Helicobacter-pylori-Diagnostik mittels
Histologie (Ureasetest kann falsch negativ ausfallen).
Bei Verdacht auf Perforation: Abdomenübersicht; Sonografie in geübten Händen
gleich sensitiv, ggf. Computertomografie.
122  3 Magen und Duodenum

Tab. 3.1 Forrest- Grad Charakteristika


Klassifikation.
I Aktive Blutung
●● Ia ●●spritzende arterielle Blutung
●● Ib ●● Sickerblutung

II Blutungsstigmata
●● IIa ●●sichtbarer Gefäßstumpf
●● IIb ●● anhaftendes Koagel (möglichst Koagel entfernen und danach Zuordnung zu Sta­
dium IIa (hohe Rezidivblutungsgefahr) oder IIc (geringes Rezidivblutungsrisiko)
●● IIc ●● Hämatin im Ulkusgrund

III Ulkus als potenzielle Blutungsquelle

Bei Ulcus ventriculi: stets ausreichende Biopsien aus Ulkus (8–10 Biopsien aus
Randbereich und Ulkusgrund); Ulkusheilung muss endoskopisch dokumentiert
werden (Ausschluss malignes Ulkus); auch bei Kontrollendoskopien Biopsien für
histologische Untersuchungen.
Bei Ulcus duodeni: da auch Ulcera duodeni zunehmend Helicobacter-pylori-nega-
tiv: immer Helicobacter-pylori-Diagnostik wie oben.
Blutungsintensität: wird aufgrund endoskopischer Kriterien nach der Forrest-
Klassifikation bestimmt (Tab. 3.1).

Zusatz­ ██ Verdacht auf Gastrinom: Gastrinbestimmung (rasch rezidivierendes bzw. thera-


diagnostik pieresistentes Ulkus), basale Säuresekretion; pH-Metrie s. u.
██ Verdacht auf okkulten Schmerzmittelabusus: Bestimmung des Salizylatspie-
gels im Blut (aber nur positiv, wenn azetylsalizylsäurehaltige Analgetika einge-
nommen werden)

Differenzial­ Refluxkrankheit (kann nur epigastrische Schmerzen auslösen!), Reizmagen, Ma-


diagnose genkarzinom, Gallensteinleiden, akute Pankreatitis.

Therapie Helicobacter-pylori-negatives Ulkus:


██Protonenpumpenblocker (PPI) in Standarddosis für 4–8 Wochen; ulzerogene Me-
dikamente absetzen, wenn möglich. Heilung des Ulcus ventriculi muss endosko-
pisch dokumentiert werden.
██bei Therapieversagen: PPI-Dosis erhöhen, bei therapierefraktären Ulzera Effek-
tivität der Säurehemmung pH-metrisch kontrollieren; bei Persistenz des Ulcus
ventriculi nach 3-monatiger konservativer PPI-Therapie Ulkusexzision erwä-
gen (malignes Ulkus möglich); ggf. okkulten Konsum von ulzerogenen Medi-
kamenten (azetylsalizylsäurehaltige Analgetika, v. a. wegen Kopfschmerzen) in
Betracht ziehen

Helicobacter-pylori-positives Ulkus: Eradikationstherapie für jeweils 7 Tage:


██„italienische Triple-Therapie“: Vorteile: etwas preiswerter, gering weniger Ne-
benwirkungen als französische Triple-Therapie. Nachteil: bei beiden Antibiotika
Resistenzprobleme (s. Helicobacter-pylori-Gastritis)
–– 2-mal Standarddosis PPI (Ausnahme Esomeprazol: halbe Standarddosis), vor
dem Essen
–– Clarithromycin 2-mal 250 mg
–– Metronidazol 2-mal 500 mg
3.9 Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi  123

██ „französische Triple-Therapie“: Vorteil: keine Amoxicillinresistenz. Nachteil: ge-


ring höhere Nebenwirkungsrate (höhere Clarithromycindosis, Amoxicillinaller-
gie)
–– 2-mal Standarddosis PPI (wie oben)
–– Clarithromycin 2-mal 500 mg
–– Amoxicillin 2-mal 1 g
██ „sequenzielle Therapie“: Vorteile: höhere Effektivität angesichts sinkender Era-
dikationsraten bei französischer und italienischer Triple-Therapie aufgrund von
Primärresistenzen; Nachteil: komplizierter Ablauf
–– für 5 Tage duale Therapie
██ 2-mal Standarddosis PPI (wie oben)
██ Amoxicillin 2-mal 1 g
–– anschließend für 5 Tage italienische Triple-Therapie
██ 2-mal Standarddosis PPI (wie oben)
██ Clarythromycin 2-mal 500 mg
██ Metronidazol 2-mal 400 mg
██ „Quadruple-Therapie“: Vorteile: höhere Effektivität angesichts sinkender Eradi-
kationsraten; Nachteil: mit 3 Antibiotika bzw. 2 Antibiotika und Wismut mehr
Nebenwirkungspotenzial
–– Variante 1: „Hybrid“ aus italienischer und französischer Triple-Therapie; Dauer
10 Tage
██ PPI 2-mal Standarddosis
██ Amoxicillin 2-mal 1 g
██ Metronidazol 2-mal 500 mg
██ Clarithromycin 2-mal 500 mg
–– Variante 2: wismutbasierte Quadruple-Therapie; Dauer 10–14 Tage
██ PPI 2-mal Standarddosis
██ Tetrazyklin 2-mal 250 mg bis 4-mal 500 mg
██ Metronidazol 2-mal 250 mg bis 3-mal 500 mg
██ Wismut 4-mal tgl. (Problem: derzeit Wismut als Medikament nur schwer
zu beschaffen)
██ bei Therapieversagen: nach Versagen der ersten Eradikationstherapie: Entnah-
me von Biopsien für Kultur und Resistenzbestimmung. Reserveschemata: ent-
weder levofloxacinbasierte Schemata oder RAP-Schema:
–– Levofloxacinbasierte Triple-Therapie (mindestens 7–10 Tage): (noch) wenig
Resistenzprobleme auf Levofloxacin, obwohl zunehmend
██ Levofloxacin 2-mal 500 mg
██ Amoxicillin 2-mal 1 g (oder Metronidazol 2-mal 500 mg bei
Amoxicillinallergie)
██ 2-mal PPI-Standarddosis
–– RAP-Schema (7 Tage): hohe Effektivität, geringe Nebenwirkungen. Nachteile:
begünstigt u. U. Resistenzentwicklung von Mykobakterien gegen Rifampicin
(daher strenge Indikationsstellung, nur anwenden bei gesicherter Indikation
zur Helicobacter-pylori-Therapie), Rotverfärbung von Körperflüssigkeiten
(auch Tränen: cave bei Kontaktlinsen)
██ 2-mal 150 mg Rifabutin
██ 2-mal 1 g Amoxicillin
██ 2-mal PPI-Standarddosis

Ulkusblutung:
██Notfallmaßnahmen: Kreislaufmonitoring, venöse Zugänge (großvolumig), Labor-
kontrolle (Hb, Gerinnung), Kreuzblut; Volumensubstitution, Kreislaufstabilisie-
124  3 Magen und Duodenum

rung; erst dann Notfallendoskopie! Schwere Blutung: Endoskopie auf Intensiv-


station (ggf. zuvor Intubation)
██ endoskopische Blutstillung: in Forrest-Stadien I und IIa; Stadium IIb durch Ent-
fernen des Thrombus in IIa (dann Therapie) oder IIc überführen; keine Therapie
gesichert in Forrest-Stadien IIc und III
██ Methoden der Blutstillung:
–– Injektionsmethoden, am gebräuchlichsten Injektion verdünnter Adrenalin-
lösungen (1:10 000), aber auch anderer Lösungen (physiologische oder hy-
pertone Kochsalzlösungen), Polidocanol eher ungünstig (kann selbst Ulzera
auslösen)
–– alternativ thermische Verfahren: mono- oder bipolare Elektrokoagulation,
Argon-Plasma-Koagulation, Laser
–– bei großem Gefäßstumpf (Forrest Ia und IIa): Clip, ist Injektionsmethode hier
überlegen. Überlegenheit von Fibrin umstritten, teuer
–– bei Rezidivblutung: erneute endoskopische Therapie gerechtfertigt, wenn
leicht durchführbar und Patient in gutem Zustand; ansonsten bei multimor-
biden Patienten und instabilem Zustand frühzeitiges operatives Vorgehen,
insbesondere bei Hochrisikoulzera an kleiner Kurvatur und Bulbushinter-
wand

Perforation: in aller Regel chirurgische Therapie unumgänglich (Übernähung),


heute keine weitergehende chirurgische Therapie (Vagotomie, Resektion), außer
wenn Malignitätsverdacht oder vorangegangene konservative Therapie erfolglos.

Verlauf Helicobacter-pylori-positive Ulzera: im Spontanverlauf häufige Rezidive, Rezi-


divrate beim Ulcus duodeni 80–90 %, beim Ulcus ventriculi ca. 50 % innerhalb von
12 Monaten. Nach erfolgreicher Helicobacter-pylori-Eradikation Rezidivrate <5 %
beim Ulcus duodeni; beim Ulcus ventriculi ähnlich, wenn Einnahme ulzerogener
Medikamente sicher ausgeschlossen ist.
Helicobacter-pylori-negative Ulzera: verlässliche Daten zur Rezidivneigung feh-
len, aber bei Antirheumatika-Ulzera Rezidivrate 20–40 %, wenn wieder Einnahme
ohne Prophylaxe.
Nach Ulkusblutung: im Spontanverlauf gehäuft Rezidive (bis 50 %), wenn keine
Helicobacter-pylori-Eradikation bzw. Prophylaxe bei ulzerogenen Medikamenten.

Prophylaxe ██ Helicobacter-pylori-positive Ulzera: Helicobacter-pylori-Eradikation


██ Helicobacter-pylori-negative Ulzera: Säurehemmung mittels PPI zumeist in hal-
ber Standarddosis; PPI bei Antirheumatika-Einnahme zur Prophylaxe wirksam;
bei Hochrisikopatienten ggf. PPI mit COX-2-Hemmern kombinieren (cave: kar-
diovaskuläre Nebenwirkungen der COX-2-Hemmer)
██ Risikofaktoren für Ulzera unter Antirheumatika oder ASS: Ulkusanamnese, Ul-
zera bei vorangegangener Gabe von Antirheumatika oder ASS, Komedikation mit
Steroiden, Antikoagulation mit Cumarinderivaten und Thrombin-Antagonisten
(Gatrane), Kombination Antirheumatika + Azetylsalizylsäure (ASS), weniger be-
deutsam Alter > 60 Jahre und männliches Geschlecht
██ Helicobacter-pylori und Antirheumatika: Helicobacter-pylori-Eradikation al-
lein nicht ausreichend, nach Ulkuskomplikation in jedem Fall Prophylaxe mit
PPI, wenn wieder Antirheumatika; prophylaktische Helicobacter-pylori-Eradi-
kation scheint aber Rate ASS-induzierter Läsionen einschließlich Ulzera deutlich
zu reduzieren
██ Helicobacter-pylori und (duale) Thrombozytenaggregationshemmung: Inter-
aktion zwischen Clopidogrel und PPI möglich, daher u. U. Abschwächung der
3.10 Seltene Ursachen gastrointestinaler Blutungen aus Magen und Duodenum   125

Plättchenhemmung und damit höheres Risiko für vaskuläre Komplikationen


(Myokardinfarkt etc.). Empfehlung der Fachgesellschaften in Abhängigkeit so-
wohl vom Ulkus- als auch vom kardiovaskulärem Risiko (Fischbach et al. 2010):
–– wenn Risikoprofil für Ulzera und/oder Blutung (s. oben) sehr hoch → Kome-
dikation mit PPI obligat
–– wenn gastrointestinales Risikoprofil hoch → Komedikation mit PPI sinnvoll
–– wenn Risikoprofil für GI-Komplikationen gering → Komedikation mit PPI
vermeiden (sehr hohes kardiovaskuläres Risiko, z. B. bei instabiler Angina
pectoris, Intervention am Hauptstamm etc.) bzw. möglich („nur“ hohes kar-
diovaskuläres Risiko)

Langzeit­ Magenausgangsstenose (bei Ulcera duodeni oder intra- bzw. parapylorischen Ulze-
komplikationen ra), Blutung und Perforation (s. o.).

Literatur Graham DY, Chan FKL. NSAIDs, riks, and gastroprotective strategiescurrent status and future. Gastroentero-
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Fischbach W et al. Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten –
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Fischbach W et al: Gleichzeitige Anwendung von Thrombozytenaggregationshemmern und Protonenpum-
peninhibitoren (PPI): Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechsel-
krankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). Z Gastroenterol 2010; 48:
1156–1163
Malfertheiner P et al. Helicobacter pylori eradication with a capsule containing bismuth subcitrate potassi-
um, metronidazole, and tetracycline given with omeprazole versus clarithromycin-based triple therapy:
a randomised, open-label, non-inferiority, phase 3 trial. Lancet 2011; 377: 905–913

3.10 S
 eltene Ursachen gastrointestinaler Blutungen
aus Magen und Duodenum

Definition Seltene Blutungsquellen in Magen und Duodenum, die entweder zu akuten oder
chronischen (auch okkulten) Blutungen führen. Andere (häufigere) Blutungsquel-
len siehe Kap. 2.3 Ösophagus- und Fundusvarizen, Kap. 3.5, Mallory-Weiss-Syn-
drom, Kap. 3.9, Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi, Kap. 3.12, Tumoren des Ma-
gens etc.

Patho­ Exulceratio Dieulafoy: aberrierendes dilatiertes Gefäß (Arterie oder Vene), das die
mechanismus Mukosa (ohne Ulkus) erodiert; Lokalisation meist proximal im Magen (kleine >
und Pathologie große Kurvatur), aber auch distaler Magen sowie Ösophagus und Duodenum kön-
nen betroffen sein.
Wassermelonenmagen (Synonym: gastrale antrale vaskuläre Ektasien, GAVE):
vaskuläre Ektasien im Antrum; endoskopisch streifenförmige Rötung (ähnlich ei-
ner Wassermelone). Entstehungsmechanismus unbekannt, aber bei einem Teil der
Patienten besteht portale Hypertension oder Kollagenose. Über Gefäßveränderun-
gen chronischer Blutverlust.
Portale hypertensive Gastropathie: bei Pfortaderhochdruck mehr proximal im
Magen dominierende ektatische Gefäße (fraglich durch Kongestion, durch ver-
126  3 Magen und Duodenum

mehrte NO-Synthese); selten alleinige Blutungsursache; gehäuftes Auftreten nach


Varizeneradikation.
Hämobilie: Blutung aus Gallenwegsystem, meist bei vorangegangenem Eingriff
(Leberbiopsie, Operation etc.) oder Trauma, aber auch Tumoren, Gallensteinleiden
oder Leberaneurysma.
Morbus Osler (Synonym: hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie): autosomal-
dominant vererbte Krankheit mit Teleangiektasien an Haut und Schleimhäuten.
Durchaus signifikante, aber selten lebensbedrohliche Blutungen.
Angiodysplasien: überwiegend in größerer Zahl vorkommende dünnwandige, ek-
tatische Gefäße, meist submuköse Venen. Ätiologie unklar (fraglich: angeboren,
Folge einer Ischämie, Angiogenese stimulierende Faktoren). In Magen und Duode-
num gehäuft bei terminaler Niereninsuffizienz.

Epidemiologie Wenig bekannt. Wassermelonenmagen: eher Frauen betroffen, höheres Lebensal-


ter.

Klinische Symptome der akuten Blutung: Hämatemesis, Meläna, Hämatochezie, dazu in


Charakteristika Abhängigkeit von der Blutungsintensität Hypotension mit Schwindel, Orthostase,
Herzrasen etc.
Symptome der Anämie bei chronischer Blutung: Blässe, allgemeine Abgeschla-
genheit, Leistungsminderung.
Exulceratio Dieulafoy: bei venösem Gefäß meist selbstlimitierende obere Gastro-
intestinalblutung, bei Arterie massive Blutungen möglich.
Wassermelonenmagen: chronischer Blutverlust, selten zu Teerstuhl führend; ge-
legentlicher, sehr selten hoher Transfusionsbedarf. Klinisch alle Zeichen der Eisen-
mangelanämie; ggf. zusätzlich Befunde einer portalen Hypertension oder Kolla-
genose.
Portale hypertensive Gastropathie: gefelderte Mukosa mit retikulärem Muster
(wie „Schlangenhaut“), Befund kann im Verlauf wechseln (Rückbildung oder neues
Auftreten). Profuse Blutungen kommen vor (10–15 %), aber überwiegend okkult:
somit Zeichen des chronischen Blutverlusts und Eisenmangelanämie.
Hämobilie: Gallenkolik, Obstruktionsikterus und Blutung (kein Bluterbrechen).
Morbus Osler: intermittierend Meläna, auch Epistaxis; typische Teleangiektasien
an Lippe und Mundschleimhaut einschließlich Zunge.
Angiodysplasien: meist chronischer Blutverlust mit Eisenmangelanämie, auch (ge-
legentlich schwere, hämodynamisch wirksame) akute Blutung.

Wegweisende Anamnese, klinische Untersuchung (Morbus Osler!), Endoskopie (bei Verdacht auf
Diagnostik Hämobilie mit Seitblickinstrument).

Differenzial­ Blutung bei Ulcus duodeni, Ulcus ventriculi, Ösophagusvarizenblutung, hämorrha-


diagnose gische Gastritis, Mallory-Weiss-Syndrom etc.

Therapie und Exulceratio Dieulafoy: endoskopische Blutstillung, vorzugsweise mit Clip, aber
Therapie­ auch Injektionstechniken möglich. Auch bei Rezidivblutungen endoskopische The-
versagen rapie gerechtfertigt, wenn Allgemeinzustand des Patienten ausreichend. Ansons-
ten operative Umstechung.
Wassermelonenmagen: unterschiedliche Therapiekonzepte mit thermischen Ver-
fahren (Argon-Plasma-Koagulation, mono- oder bipolare Elektrokoagulation, La-
ser) oder Injektionstechniken (Polidocanol 0,5 %ig, submuköse Injektionen). Effekti-
vität von Östrogen-/Gestagen-Präparat unsicher.
3.11 Reizmagen – funktionelle Dyspepsie  127

Portale hypertensive Gastropathie: Maßnahmen zur Drucksenkung im Pfortader-


gebiet wie Propranolol, transjugulärer intrahepatischer Shunt (TIPPS); aber nur in
ausgewählten Fällen notwendig; zudem andere Blutungsquellen bei Zirrhosepati-
enten berücksichtigen.
Hämobilie: je nach Ursache interventionell (z. B. Embolisation) oder chirurgisch.
Morbus Osler: endoskopische Therapie bei umschriebenen Blutungsquellen; medi-
kamentöse Therapie noch weitgehend ungesichert. In schweren Fällen Operation
mit Resektion.
Angiodysplasien: endoskopische Blutstillung, zumindest von aktuellen blutenden
Läsionen.

Verlauf Bei allen genannten Erkrankungen Rezidivrate erneuter Blutungen hoch (außer bei
Hämobilie).

Literatur Dulai GS, Jensen DM, Kovacs TO et al. Endoscopic treatment outcomes in watermelon stomach patients with
and without portal hypertension. Endoscopy 2004; 36: 68–72
Gretz JE, Achem SR. The watermelon stomach: clinical presentation, diagnosis, and treatment. Am J Gastro-
enterol 1998; 93: 890–895
Norton ID et al. Management and long-term prognosis of Dieulafoy lesion. Gastrointest Endosc 1999; 50:
762–767
Primignani M et al. Natural history of portal hypertensive gastropathy in patients with liver cirrhosis. Gast-
roenterology 2000; 119: 181–87

3.11 Reizmagen – funktionelle Dyspepsie

Synonyma Reizmagen, funktionelle Dyspepsie, funktionelle Oberbauchbeschwerden; der Be-


griff „non-ulcer dyspepsia“ (NUD) sollte nicht mehr verwendet werden.

Definition Dyspeptische Beschwerden über mehr als 3 Monate Dauer ohne Nachweis struktu-
reller bzw. biochemischer Läsionen.
Typische dyspeptische Symptome:
██epigastrischer Schmerz, Druck- oder Völlegefühl, frühzeitiges Sättigungsgefühl,
Übelkeit (Brechreiz)
██retrosternales Brennen (Sodbrennen), geblähter Leib (Aufgeblähtsein, Meteo-
rismus), Aufstoßen, Erbrechen; cave: diese Symptome sind allein nicht ausrei-
chend, sondern müssen mit anderen Symptomen kombiniert sein

Wichtig:
Sodbrennen bzw. saure Regurgitation isoliert: Zeichen einer Refluxkrankheit
██

der Begriff der funktionellen Dyspepsie ist scharf von der Dyspepsie im Allge-
██

meinen (d. h. von dyspeptischen Beschwerden) zu unterscheiden: kann auch or-


ganische Ursachen wie Ulkus haben
diabetische Gastroparese (s. Kap. 3.3, Motilitätsstörungen) stellt ein eigenstän-
██

diges Krankheitsbild dar

Patho­ Als ursächlich geltende Faktoren: viszerale Hyperalgesie bei gastraler Distension
mechanismus (postpranidal), Motilitätsstörungen (überwiegend verzögerte Magenentleerung),
unzureichende Akkommodation durch unzureichende Relaxation des Fundus nach
Nahrungsaufnahme. Es besteht nur eine schwache Korrelation zwischen dem Aus-
maß der jeweiligen pathophysiologischen Störung und der Intensität der Sympto-
matik.
128  3 Magen und Duodenum

Psychische Belastungen: nicht ätiologisch wirksam, können aber Symptomatik


durch veränderte Krankheitsverarbeitung beeinflussen, auch relevant für Inan-
spruchnahme ärztlicher Hilfe.
Helicobacter pylori: s. Kap. 3.7.1, Helicobacter-pylori-Infektion.
Aerophagie: unbewusstes Schlucken größerer Volumina von Luft (meist bei Schlu-
cken von Speichel oder bei Nahrungsaufnahme), die dann durch häufiges Aufsto-
ßen wieder regurgitiert wird; parallel bestehen oft Angststörungen (Krankheits-
bild keine funktionelle Dyspepsie im engeren Sinn).

Pathologie Das Fehlen pathologischer Veränderungen ist einerseits Voraussetzung für die Di-
agnose; andererseits schließt das Vorliegen einer chronischen Gastritis (autoim-
mun, Helicobacter pylori, chemisch) oder Cholezystolithiasis die Diagnose Reiz-
magen nicht aus.

Epidemiologie Prävalenz dyspeptischer Beschwerden in Deutschland bei 20–30 %; ärztliche Be-


handlung bei ca. jedem 2. Patienten: eine Hälfte mit organischen Läsionen (Reflux-
krankheit, peptische Ulzera, Malignome [selten] u. a.), andere Hälfte mit funktio-
nellen Beschwerden. Dyspeptische Beschwerden bei Männern und Frauen gleich
häufig auftretend, aber Frauen suchen häufiger ärztliche Hilfe.

Assoziierte Andere funktionelle Krankheitsbilder: am häufigsten Reizdarm – dann sind alle


Erkrankungen Symptome unter Reizdarm zu führen (laut Rom-III-Kriterien); außerdem asso-
ziiert: Fibromyalgie, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, funktionelle Herzbe-
schwerden, Schlafstörungen, psychiatrische Erkrankungen.

Klinische ██ Symptome (s. Definition!) in wechselnder Kombination, fluktuierende Intensi-


Charakteristika tät der Beschwerden, oft Verstärkung durch psychische Belastungen; häufig kein
ausgeprägtes Krankheitsgefühl, aber in Einzelfällen schweres Krankheitsbild
(stark beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, Gewichtsverlust etc.)
██ gehäuft Assoziation mit anderen funktionellen Beschwerden, insbesondere
Reizdarmsymptomen (s. o.). Beschwerdeschilderung oft reich an Adjektiven, de-
taillierte Beschreibung bzw. Protokolle über Symptome, latente Kanzerophobie
██ Charakterisierung anhand des individuellen Symptommusters in Dysmoti-
litätstyp (Druck-, Völlegefühl, schnelle Sättigung, Übelkeit), Ulkustyp (Ober-
bauchschmerzen, Nüchternschmerz), Refluxtyp (retrosternale Schmerzen, Sod-
brennen) und unspezifische Dyspepsie (kein Leitsymptom) gebräuchlich, aber
(wegen großer Überlappung) klinische Relevanz fraglich; auch nur beschränkt
hilfreich für therapeutisches Vorgehen
██ ausschließlich Sodbrennen, retrosternales Brennen und/oder saure Regurgitati-
on: Verdacht auf Refluxkrankheit
██ bei Aerophagie („Luftschlucker“) ständiges Aufstoßen von Luft; in schweren Fäl-
len mehrmaliges Aufstoßen pro Minute, dadurch erhebliche soziale Probleme
möglich

Wegweisende ██ Anamnese (!) einschließlich Medikamentenanamnese; klinische Untersuchung


Diagnostik ██ Basislabor: CRP, Blutbild, Leberwerte (ALAT, γ-GT), Amylase, Kreatinin ggf. Ur-
instatus
██ Endoskopie des oberen Gastrointestinaltrakts einschließlich Helicobacter-pylo-
ri-Diagnostik (bei jüngeren Patienten <40 Jahre zunächst probatorische Therapie
möglich)
3.11 Reizmagen – funktionelle Dyspepsie  129

██ primär nicht invasiver Test auf Helicobacter pylori (s. Kap. 3.7.1, Helicobacter-
pylori-Infektion; „test and treat“) anstatt Endoskopie aufgrund geringer Helico-
bacter-pylori-Durchseuchung nicht zu empfehlen.

Zusatz­ Sonografie des Abdomens, aber abhängig von Alter und Beschwerden; cave: Fehl-
diagnostik deutung einer Cholezystolithiasis als Ursache dyspeptischer Beschwerden.
Weitere Diagnostik je nach Symptomkonstellation (z. B. Laktosebelastung). Ab 50.
Lebensjahr großzügige Indikation zur Koloskopie. Andererseits Überdiagnostik
und v. a. ständige Wiederholung bei Normalbefunden unbedingt vermeiden, ledig-
lich bei Symptomwechsel (Hinweis auf organische Erkrankung) wieder Abklärung
anstreben. Dyspepsie keine Indikation für radiologische Verfahren einschließlich
CT.

Differenzial­ Peptische Ulzera, Refluxkrankheit, Malignome des oberen Verdauungstrakts, Gas-


diagnose troparese.

Therapie Aufklärung: über Ursachen und günstige Prognose, stets eingehend durchführen
(„explain and reassure“), ist wichtigste Maßnahme; bei Teil der Patienten allein
ausreichend (Diagnostik als Teil der Therapie). Ggf. weitere Allgemeinmaßnah-
men: Diätberatung (allerdings keine nachgewiesene Effektivität), Anleitung zu ge-
sunder Lebensführung (Wirkung jedoch umstritten).

Medikamente:
Säurehemmer: Protonenpumpenblocker (PPI) wirksamer als H2-Rezeptorantago-
██

nisten, aber bisher nur Kurzzeitstudien; wirksamstes Therapieprinzip. Mögli-


cherweise nur bei Patienten mit verdeckter Refluxkrankheit (NERD, s. Kap. 2.5,
Gastroösophageale Refluxkrankheit) wirksam.
Prokinetika: Dopaminantagonisten (Domperidon; Metoclopramid, MCP); in kli-
██

nischer Praxis weniger überzeugend als in Studien


Helicobacter-pylori-Eradikation: Therapie analog Ulkuskrankheit (s. Kap. 3.9,
██

Ulcus duodeni und Ulcus ventriculi), aber Wirksamkeit auf Symptome nur in
5–10 % der Fälle zu erwarten, Indikation fakultativ
Antidepressiva: Amitriptylin, Sulpirid (wirken hier v. a. als Schmerzmodulator)
██

weitere Pharmaka: Dimeticon, Phytotherapeutika (nur wenige Studien)


██

nicht ausreichend belegt: Pankreasenzympräparate, Spasmolytika, Kappa-Opiat-


██

agonisten, andere Psychopharmaka (cave Benzodiazepine: Suchtgefahr)

Psychosomatische Behandlung: „kleine Psychotherapie“ sollte jeder Arzt einbe-


ziehen; bei Ängstlichkeit und Depression frühzeitig professionelle psychosomati-
sche Mitbehandlung.

Praktisches Allgemein: Bei Erstvorstellung vor Diagnostik frühzeitig Möglichkeit des Vorliegens
Vorgehen einer funktionellen Dyspepsie ansprechen, aber Ergebnisoffenheit der Diagnostik
nicht infrage stellen. Ggf. ist primär ein zeitlich begrenzter Therapieversuch ge-
rechtfertigt (Alter <45 Jahre, keine Alarmsymptome etc.). Nach Diagnosestellung ist
Aufklärung über Natur und Prognose der Erkrankung von zentraler Bedeutung, po-
sitive Diagnose (Reizmagen!) vermitteln, begegnet auch (Krebs-)Ängsten des Pati-
enten; Vorbereitung des Patienten auf Chronizität der Symptome und beschränk-
te Wirksamkeit medikamentöser Therapieverfahren. Auch wenn keine organische
Störung vorliegt, Aussagen wie „Sie haben nichts“ unbedingt vermeiden. Intensität
der Zuwendung wie bei organischen Erkrankungen (z. B. Wiedervorstellungster-
mine vereinbaren).
130  3 Magen und Duodenum

Medikamentöse Therapie: an führenden Symptomen orientieren, auch wenn da-


durch Effizienzsteigerung nicht gesichert ist:
██bei eher säureassoziierten Symptomen: (Oberbauch- bzw. Nüchternschmerz, Sod-
brennen) mit Säurehemmern behandeln; übliche PPI-Standarddosen (Esome-
prazol 20–40 mg, Lansoprazol 30 mg, Pantoprazol 40 mg, Rabeprazol 20 mg),
zeitlich begrenzt über 4–6 Wochen, stets mit Auslassversuch; H2-Blocker weni-
ger effektiv, aber im Verlauf durchaus einsetzbar. Hohe Ansprechraten auf Pla-
zebo berücksichtigen!
██bei motilitätsassoziierten Symptomen: zunächst Domperidon oder MCP (40–
60 mg/Tag) präprandial
██Grundsätze der medikamentösen Therapie: Einsatz von Pharmaka stets zeitlich
limitieren, nur wenige Patienten benötigen Dauertherapie. Häufiger ist Präpa-
ratewechsel sinnvoll (Teil des Nutzens durch Plazeboeffekt); Patienten stets auf
limitierte Wirksamkeit der medikamentösen Therapie vorbereiten!
██Antidepressiva: Versuch auch bei Patienten ohne erkennbare depressive Symptome
als Reservetherapie einsetzbar (z. B. Amitriptylin-Tropfen 5–20 mg, selten höher)

Helicobacter-pylori-Eradikation: Indikation umstritten, in Studien ganz überwie-


gend keine Überlegenheit über Plazebo. Dennoch oft im Erkrankungsverlauf zum
Einsatz kommend (insbesondere bei hartnäckigen bzw. häufig rezidivierenden Fäl-
len; Helicobacter-pylori-Eradikation ist hier auch Ausdruck mangelnder Effizienz
der anderen medikamentösen Behandlungsverfahren).
Bei psychiatrischen Symptomen (Depression etc.): entsprechende psychiatrische
Mitbetreuung, ggf. Einsatz von Antidepressiva; Stellenwert v. a. bei schweren Ver-
läufen.
Therapie der Aerophagie: sehr schwierig, Therapieergebnisse unbefriedigend:
langsames Essen, keine kohlensäurehaltigen Getränke, kein Kaugummi; Versuch
des Schluckens am Ende der Exspiration wenig praktikabel; gelegentlich antide-
pressive Therapie hilfreich.

Verlauf Häufig chronisch-rezidivierender Verlauf über viele Jahre, beschwerdefreie Inter-


valle sind unterschiedlich lang; auch schwere therapierefraktäre Fälle möglich mit
erheblicher Beeinträchtigung der Lebensqualität und somatischen Folgen (z. B. Ge-
wichtsabnahme).
Wenn Diagnose sichergestellt, diese nicht durch stetige Wiederholung der Diag-
nostik infrage stellen, aber auf Symptomwandel achten (organische Zweiterkran-
kung ist aber eher selten). Bei gestörter Arzt-Patienten-Beziehung u. U. Wieder-
herstellen der Vertrauensbasis durch Hinzuziehen einer „Kapazität“ („august re-
ferral“), der die Kompetenz des Primärbehandelnden stützt bzw. wiederherstellt.

Langzeit­ Keine; Symptomwandel jedoch möglich und häufig (z. B. vom Gastrointestinaltrakt
komplikationen auf Thorax).

Selbsthilfe Autogenes Training, Entspannungsübungen, gesunde Lebensführung, körperli-


ches Training (Wirksamkeit nur empirisch aufgrund individueller Erfahrung, nicht
EBM).

Literatur Allescher HD. Funktionelle Dyspepsie. Gastroenterol up2date 2006; 2: 15–28


Tack J, Talley NJ, Camilleri M et al. Functional gastroduodenal disorders. Gastroenterology 2006; 130:
1466–1479
Moayyedi P et al. Pharmacological interventions for non-ulcer dyspepsia. Cochrane Database Syst Rev 2011;
2: CD 001960
Oustamanolakis P, Tack J. Dyspepsia: organic versus functional. J Clin Gastroenterol 2012; 46: 175–190
3.12 Tumoren des Magens  131

3.12 Tumoren des Magens

3.12.1 Gutartige Neubildungen


Definition Gutartige Veränderungen, entweder echte Neoplasien (Adenome) oder nicht neo-
plastische Veränderungen.

Patho­ Adenome: entsprechen analog zum Kolonkarzinom einer Stufe in der Adenom-
mechanismus Karzinom-Sequenz.
Hyperplastische Polypen: epitheliale Hyperregeneration (fraglich Auslöser); sehr
geringe Rate maligner Transformation.
Drüsenkörperzysten: keine Polypen im engeren Sinne, sondern Folge abnormer
Proliferation von Drüsen mit Ausbildung zystischer Polypen.

Pathologie An Gesamtheit aller gutartigen Magenpolypen: Adenome 10 %, Drüsenkörperzys-


ten 50–60 %, hyperplastische Polypen 25–30 %, andere <5 %.
Adenome: in 90 % tubuläre Adenome; tubulopapilläre (<10 %) bzw. papilläre (= vil-
löse) Adenome (1 %) seltener. Adenome im Fundus bzw. Korpus (60 %) etwas häufi-
ger als im Antrum. Risiko der Karzinomentwicklung.
Nicht neoplastische Polypen: Drüsenkörperzysten meist multipel, ausschließlich
im Korpus/Fundus; hyperplastische Polypen überwiegend im Antrum; ferner in-
flammatorische Polypen, Heterotopien (Brunner-Drüsen, exokrines Pankreas), Ha-
martome, juvenile Polypen.
Duodenalpolypen: ca. 5 % Adenome; Heterotopien (25 %), Regeneratschleimhaut
(25 %), Hyperplasien oder Adenome der Brunner-Drüsen (10 %), Lymphfollikel-Hy-
perplasien (15 %).

Epidemiologie Polypen bei 1–1,5 % der Endoskopien (davon in 25 % multipel). Mittleres Lebensal-
ter 60–70 Jahre.

Assoziierte ██ Gardner-Syndrom, familiäre Polyposis (FAP): duodenale bzw. peripapilläre


Erkrankungen (fraglich auch gastrale) Adenome, zugleich gehäuft Drüsenkörperzysten: in >50 %
██ Peutz-Jeghers-Syndrom: Hamartome

Klinische Magen: in aller Regel symptomlos. Symptome durch Obstruktion (bei Lokalisation
Charakteristika präpylorisch durch Prolaps in den Pylorus, sehr selten) oder durch obere gastroin-
testinale Blutung (meist okkult).
Duodenum: Obstruktion der Papille (meist jedoch erst bei maligner Transformati-
on), ansonsten auch hier überwiegend Zufallsbefunde.

Diagnostik ██ wegweisend: Endoskopie und Biopsie


██ zusätzlich: Koloskopie (bei Adenomen, insbesondere im Bereich der Papilla Va-
teri zwingend → FAP, Gardner-Syndrom; aber auch sonst Malignome im Kolon
etwas häufiger, daher grundsätzlich großzügige Indikation zur Koloskopie

Differenzial­ Magenkarzinom (in Adenomen >2 cm maligne Transformation in bis zu 10 % der


diagnose Fälle), gastrointestinale Stromatumoren.

Therapie­ Symptomatische Polypen; Polypen >2 cm; Adenome stets therapieren (außer bei
indikation betagten Patienten); Karzinomrisiko determiniert Therapieentscheidung, aber: Al-
ter des Patienten berücksichtigen!
132  3 Magen und Duodenum

Therapie Adenome: im Magen endoskopische Schlingenabtragung, im Duodenum endosko-


pisch oder operativ (endoskopische Abtragung von Papillenadenomen [„Papillek-
tomie“] noch experimentell, >20 % Rezidive) Adenome müssen vollständig abgetra-
gen werden (Histologie!), sonst OP.
Hyperplastische Polypen: bei größeren (>2 cm) Polypen endoskopische Schlingen-
abtragung, ansonsten Nutzen der Therapie ungewiss. Evtl. Eradikation von Helico-
bacter pylori (führt möglicherweise zu Rückbildung kleiner Polypen).
Drüsenkörperzysten: keine Therapie.

Verlauf Nutzen von Kontrollendoskopien ungesichert, bei unterbliebener Abtragung ggf.


sinnvoll (optimale Länge der Intervalle ungesichert).

Langzeit­ Karzinomrisiko (s. o.).


komplikationen
Literatur Stolte M et al. Frequency, location, age and sex distribution of different types of gastric polyps. Endoscopy
1994; 26: 659–665
ASGE Guideline: The role of endoscopy in the surveillance of premalignant conditions of the upper GI tract.
Gastrointest Endosc 2006; 63: 570–580
Koop H, Gatzky E: Polypen und präkonzeröse Läsionen im Magen. Gastroenterol Up2date 2013 (im Druck)

3.12.2 Mesenchymale Tumoren


██ Gastrointestinale Stromatumoren (GIST)

Definition Untergruppe der mesenchymalen nichtepithelialen Tumoren des Gastrointestinal-


trakts: gastrointestinale Stromatumoren (GIST) sind immunhistologisch positiv
für CD177 (c-KIT-positiv).

Patho­ Aktivierende Mutation im KIT- oder PDGFRA-Gen (platelet-derived growth factor


mechanismus receptor alpha). KIT-Protoonkogen wird dadurch abnorm aktiviert und führt zu
unkontrollierter Zellproliferation.

Pathologie Vorkommen in allen Anteilen des Gastrointestinaltrakts, vorzugsweise Magen,


Dünndarm, seltener Kolon und Ösophagus.
Makroskopisch: Tumoren unterschiedlicher Größe je nach Primärlokalisation (bis
10 cm im Magen, bis 20 cm im Dünndarm).
TNM-Klassifikation 2010 (Tab. 3.2).

Tab. 3.2 TNM- TNM Primärtumor


Klassifikation.
Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Anhalt für Primärtumor

T1 Tumor 2 cm oder weniger

T2 Tumor mehr als 2 cm, aber nicht mehr als 5 cm

T3 Tumor mehr als 5 cm, aber weniger als 10 cm

T4 Tumor mehr als 10 cm in größter Ausdehnung


3.12 Tumoren des Magens  133

Tab. 3.2 TNM- Regionäre Lymphknoten


Klassifikation.
(Fortsetzung) Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

Fern­metastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 3.3 Risiko für aggressives Wachstum Größe (cm) Mitoserate*


Abhängigkeit
Sehr niedrig <2 <5
des Risikos für
aggressives Niedrig 2–5 <5
Wachstum von
Tumorgröße und Intermediär 5–10 <5
Mitoserate. <5 >6–10

Hoch >5 >5


>10 Jede Mitoserate
Jede Größe >10

* Mitoserate pro 50 Gesichtsfelder bei hoher Vergrößerung

Histologisch: spindelzellig, epitheloid oder pleomorph.


Immunhistologie (für heutige Klassifikation maßgebend): obligat positiv für
CD117 (c-KIT; Tyrosinkinase, wird exprimiert in intestinalen Cajal-Zellen); in 70–
80 % auch positiv für CD34 (Marker für pluripotente mesenchymale Zellen).
Differenzierung zwischen benignen und malignen Tumoren: Kriterien sind Grö-
ße, invasives Wachstum, Nekrosen, Mitoserate, Zellularität, Kernveränderungen
(Tab. 3.3); Wertigkeit der Parameter abhängig von Lokalisation.

Genetik Bei GIST zahlreiche Mutationen der Tyrosinkinasen identifiziert, Ort der Mutation
scheint klinischen Verlauf zu bestimmen (Metastasen, Ansprechen auf Therapie
etc.), daher ggf. Mutationsanalyse sinnvoll (derzeit aber nicht routinemäßig).

Epidemiologie Inzidenz 1–2 Fälle pro 100 000; 1–3 % aller Magentumoren, 20 % der Dünndarmtu-
moren,<0,1 % der Kolontumoren (>80 % im Rektum lokalisiert).

Klinische Kleinere Tumoren meist asymptomatisch, dann zufällige Entdeckung bei Endos-
Charakteristika kopie; Manifestation möglich als gastrointestinale Blutung (durch Ulzeration);
in­
traabdominelle Raumforderung mit uncharakteristischen abdominellen Be-
schwerden (Druckgefühl, leichte Schmerzen, selten Passagestörung), größere GIST
können asymptomatisch sein.

Wegweisende Lokalisation im Ösophagus: s. Kap. 2.7.6, Mesenchymale Tumoren


Diagnostik Lokalisation im Magen: Blutende Tumoren zeigen meist eingesenkten „Nabel“; bei
kleineren intramuralen Tumoren nur Verdacht zu erheben, Diagnose dann durch
Endosonografie untermauern; evtl. histologische Sicherung durch Knopflochbiop-
sie (weitere Diagnostik selten erforderlich); bei extragastralem Wachstum kann
Endoskopie unauffällig sein.
134  3 Magen und Duodenum

Lokalisation in Dünn- bzw. Dickdarm: Ultraschall, ggf. mit Feinnadelpunktion


(hier aber meist OP), bei großen Tumoren Organzugehörigkeit häufig präoperativ
nicht zu bestimmen.

Zusatz­ ██ bei größeren Tumoren Schnittbilddiagnostik: CT, evtl. MRT bei Lokalisation im
diagnostik Rektum
██ Positronenemissionstomografie (PET)
██ Röntgenuntersuchung des Dünndarms bzw. Koloskopie (Ausschluss einer me-
chanischen Obstruktion)
██ rektale Endosonografie

Differenzial­ Intramural wachsendes Magenkarzinom bzw. -lymphom, Impression der Magen-


diagnose wand von außen; bei intraabdomineller Lokalisation gynäkologische Tumoren, Li-
posarkom, entzündliche Konglomerattumoren.

Therapie­ Größere Tumoren (>2 cm), symptomatische Tumoren (cave: Beschwerden bei klei-
indikation nen Tumoren oft durch andere Ursachen bedingt), gastrointestinale Blutung. Vor-
gehen bei GIST <2 cm umstritten (ggf. auch Therapieindikation).

Therapie ██ bei Fehlen von Metastasen bzw. Abgrenzbarkeit von Nachbarorganen: Operation
Therapie der Wahl
██ bei kleinen Tumoren meist lokale Exzision mit Organerhalt, dann ggf. Eingriff
auch laparoskopisch möglich
██ bei größeren Tumoren: evtl. Staging-Laparoskopie (zwecks Vorbehandlung, s. u.)
extensive Lymphknotenentfernung wohl nicht erforderlich
██ bei metastasierenden bzw. penetrierenden GIST: Behandlung mit Imatinib (Inhi-
bitor von c-KIT) 400 mg/Tag, bei Tumorprogression Dosissteigerung auf 800 mg
möglich, in Kurzzeittherapie hochwirksam – schaltet Tumorwachstum nahezu
konstant ab. Da Tumorgröße (wegen starkem Bindegewebsanteils) nur bei Teil
der Patienten und langsam rückläufig ist, ist PET die mit Abstand aussagekräf-
tigste Methode für Beurteilung des Therapieeffekts. Imatinib hat wenig NW
(Blutung). Rezidive nach Absetzen der Therapie. In ca. 25 % der Fälle primär kein
Ansprechen. Ggf. Imatinib als neoadjuvantes Therapiekonzept (falls komplette
Resektion fraglich). Adjuvante Therapie bei hohem Rezidivrisiko (Mitoserate,
Größe des Primärtumors). Langzeiterfahrungen noch beschränkt.
██ sekundäres Therapieversagen meist durch neue Mutationen der Tyrosinkinasen
KIT oder PDGFRA
██ andere Chemotherapie unwirksam

Verlauf Größe bei kleinen Tumoren häufig konstant; nach operativer Entfernung Spätme-
tastasen selten; bei (v. a. großen) GIST Metastasierung häufig, Verlauf variabel, bis-
her Prognose ungünstig (Escape-Phänomen der Therapie).

Langzeit­ Blutung, Spätmetastasierung.


komplikationen
Literatur Reichardt P, Schütte J: Gastrointestinale Stromatumoren (GIST). www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/
leitlinien/gastrointestinale-stromatumore-gist
Blanke CD, Rankin C, Demetri GD et al. Phase III randomized, intergroup trial assessing imatinib mesylate at
two dose levels in patients with unresectable or metastatic gastrointestinal stromal tumors expressing
the kit receptor tyrosine kinase: S0033. J Clin Oncol 2008; 26: 626–632
Fletcher CD, Berman JJ, Corless C et al. Diagnosis of gastrointestinal stromal tumors: a consensus approach.
Int J Surg Pathol 2002; 10: 81–89
3.12 Tumoren des Magens  135

Patil DT, Rubin BP. Gastrointestinal stroma tumors. Advances in diagnosis and management. Arch Pathol Lab
Med. 2011; 135: 1298–1310

██ Andere mesenchymale Tumoren

Definition Mesenchymale nichtepitheliale Tumoren des Gastrointestinaltrakts, die sich in der


Lamina muscularis entwickeln. Nach neuester Klassifikation werden unterschie-
den:
██gastrointestinale Stromatumoren (GIST; CD177-/c-KIT-positiv), ca. 80 % der me-
senchymalen Tumoren des Magens (s. Kap. 3.12.2)
██echt glattmuskuläre Tumoren (Leiomyome/Leiomyosarkome)
██Schwannome und Neurofibrome
Ein kleiner Teil der Tumoren ist nicht klassifizierbar (keine immunhistochemi-
schen Marker, s. u.; „Null-Phänotyp“).

Patho­ Unbekannt; angenommen wird eine Entwicklung aus pluripotenten Stammzellen


mechanismus des Mesenchyms.

Pathologie Makroskopisch: Tumoren unterschiedlicher Größe je nach Primärlokalisation,


überwiegend kleinere Tumoren Leiomyome: Ösophagus/Kardia, Magen, Kolon
(vorzugsweise Rektum).
Histologisch: spindelzellig, epitheloid oder pleomorph; lichtmikroskopisch keine
sichere Abgrenzung zum GIST möglich (nur über Immunhistologie).
Immunhistologie (für heutige Klassifikation maßgebend):
██ Leiomyome bzw. Leiomyosarkome: positiv für Desmin und „alpha smooth muscle
actin“, 10–15 % auch positiv für CD34, CD117-negativ
██ Schwannome und Neurofibrome: positiv für S100-Protein, CD117-negativ
Differenzierung zwischen benignen und malignen Tumoren: Kriterien sind Grö-
ße, invasives Wachstum, Nekrosen, Mitoserate, Zellularität, Kernveränderungen;
Wertigkeit der Parameter abhängig von Lokalisation.

Epidemiologie Inzidenz ca. 1 Fall pro 100 000. Mesenchymale Tumoren 1–3 % aller Magentumoren
(75 % benigne), <0,1 % der Kolontumoren (>80 % im Rektum lokalisiert). Gesamtheit
der mesenchymalen Tumoren: 50 % befinden sich im Magen. Insgesamt wenig epi-
demiologische Daten nach Etablierung der GIST-Definition.

Klinische Kleinere Tumoren meist asymptomatisch, dann zufällige Entdeckung bei Endosko-
Charakteristika pie; Manifestation möglich als gastrointestinale Blutung (durch Ulzeration); int-
raabdominelle Raumforderung mit uncharakteristischen abdominellen Beschwer-
den (Druckgefühl, leichte Schmerzen, selten Passagestörung), kann auch bei größe-
ren Tumoren asymptomatisch sein.

Wegweisende Lokalisation im Ösophagus: s. Kap. 2.7.6, Mesenchymale Tumoren


Diagnostik Lokalisation im Magen: Endoskopie: intramurale Raumforderung mit unauffälli-
gem Schleimhautüberzug, blutende Tumoren zeigen meist eingesenkten „Nabel“;
bei kleineren intramuralen Tumoren nur Verdacht zu erheben, Diagnose dann
durch Endosonografie untermauern; evtl. histologische Sicherung durch Knopfloch-
biopsie (weitere Diagnostik selten erforderlich).
Lokalisation in Dünn- bzw. Dickdarm: Ultraschall, ggf. mit Feinnadelpunktion (hier
aber meist OP).
136  3 Magen und Duodenum

Zusatz­
██ da überwiegend kleine Tumoren, ist weitere Diagnostik selten erforderlich
diagnostik
██ bei größeren Tumoren Schnittbilddiagnostik: CT, evtl. MRT bei Lokalisation im
Rektum
██ Röntgenuntersuchung des Dünndarms bzw. Koloskopie (Ausschluss einer mecha-
nischen Obstruktion)
██ rektale Endosonografie (wenn Tumor im Rektum)

Differenzial­ Intramural wachsendes Magenkarzinom bzw. -lymphom, Impression der Magen-


diagnose wand von außen; bei intraabdomineller Lokalisation gynäkologische Tumoren, Li-
posarkom, entzündliche Konglomerattumoren.

Therapie­ Größere Tumoren (>2 cm), symptomatische Tumoren (cave: Beschwerden bei klei-
indikation nen Tumoren oft durch andere Ursachen bedingt), Tumor als Ursache einer gastro-
intestinalen Blutung.

Therapie ██ bei Fehlen von Metastasen bzw. Abgrenzbarkeit von Nachbarorganen: Operation
Therapie der Wahl; bei kleinen Tumoren (insbesondere Leiomyomen) meist lo-
kale Exzision mit Organerhalt; alternativ ggf. endoskopische Abtragung (erhöh-
tes Perforationsrisiko!)
██ bei kleineren Tumoren: Eingriff laparoskopisch möglich

Verlauf Größe bei kleinen Tumoren häufig konstant; nach operativer Entfernung Spätme-
tastasen selten.

Literatur Fletcher CD, Berman JJ, Corless C et al. Diagnosis of gastrointestinal stromal tumors: a consensus approach.
Int J Surg Pathol 2002; 10: 81–89

3.12.3 Magenkarzinom
Definition Vom Magenepithel ausgehender maligner Tumor. Es sollten Magenkarzinome in
Antrum und Korpus von den Karzinomen des gastroösophagealen Übergangs un-
terschieden werden (AEG-Tumoren).

Patho­ Multifaktorielle Genese: genetische Faktoren, Helicobacter pylori, hoher Salzkon-


mechanismus sum, geringer Vitamin-C-Konsum.
Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für Magenkarzinom: atrophische Gastritis
(autoimmun, Helicobacter pylori) mit intestinaler Metaplasie, hypertrophe Gast-
ropathie (z. B. Morbus Ménétrier), Adenome der Magenschleimhaut
AEG-Tumoren haben anderes Risikoprofil: erhöhtes Risiko für Kardiakarzinom bei
Übergewicht und beim Barrett-Ösophagus, Helicobacter plyori spielt keine Rolle.

Pathologie Makroskopische Veränderungen:


beim Frühkarzinom: oft diskret: leichte Unregelmäßigkeiten im Relief (Einsen-
██

kung und/oder leichte Erhabenheit), Diskolorierung. Frühkarzinome sind auf


Mukosa und Submukosa beschränkt. Japanische Klassifikation: Typ I: erhaben,
polypös; Typ II: (nahe) im Mukosaniveau (IIa = diskret erhaben; IIb = unregelmä-
ßig im Niveau der Mukosa; IIc = diskret eingesenkt; Typ III: eingesenkt
beim fortgeschrittenen Karzinom: polypös mit Ulzerationen; szirrhöse Karzino-
██

me seltener, Schleimhautveränderungen dann gering, aber wandstarre Bezirke


(Linitis plastica)
3.12 Tumoren des Magens  137

Histologisch: ganz überwiegend Adenokarzinome vom intestinalen oder diffu-


sen Typ (Lauren-Klassifikation) bzw. vom expansiven oder infiltrativen Typ (Ming-
Klassifikation). Stets HER-2-Status bestimmen (Möglichkeit der Therapieerweite-
rung mittels des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab).
Metastasierung: in lokoregionäre Lymphknoten, Leber, entlang des Ductus tho-
racicus („Virchow-Drüse“), Peritoneum (Einbeziehung der Ovarien; „Krukenberg-
Tumoren“), Lunge, Knochen.

Genetik ██ Erhöhte Magenkarzinomrate bei Lynch-Syndrom Typ II, evtl. auch bei familiärer
Polypose; erhöhte Rate in einzelnen Familien; bei Blutgruppe A Risiko 3-fach
erhöht.
██ Hereditäres diffuses Magenkarzinom: Keimbahnmutation im E-Cadherin-Gen
(CDH1); hohes Lebenszeitrisiko bei Nachweis einer Mutation, daher genetische
Diagnostik, wenn 2 oder mehr Verwandte an einem Magenkarzinom erkranken,
davon bei einem vor dem 50. Lebensjahr.

Epidemiologie Inzidenz ca. 5–10 Fälle pro 100 000 Einwohner pro Jahr, jedoch ausgeprägte geo-
grafische Unterschiede (hohe Erkrankungsrate in Japan, Costa Rica, Russland, nied-
rige Rate in USA); Inzidenz des Karzinoms in Antrum und Korpus rückläufig, in der
Kardia zunehmend.

Assoziierte Siehe unter Pathomechanismus.


Erkrankungen

Klinische Frühkarzinom: teils asymptomastisch, teils mit Oberbauchschmerzen.


Charakteristika Fortgeschrittenes Karzinom: Gewichtsverlust, Oberbauchschmerzen, Leistungs-
knick, Inappetenz, Erbrechen, Hämatemesis, Symptome der Anämie.

Wegweisende Gastroskopie mit Biopsie: Die bioptische Erfassung szirrhöser Karzinome (intra-
Diagnostik mural wachsend) ist oft schwierig, bei Verdacht unbedingt Kontrolle und inten-
sivstes Biopsieren in unterschiedlichen Arealen. Stets Proben aus ulzerierten und
polypösen (Rand-)Bereichen.

Zusatz­ Staging: Endosonografie, Ultraschall des Abdomens, Computertomografie von Ab-


diagnostik domen und Thorax. Positronenemissionstomografie bei AEG-Tumoren und fragli-
cher kurativer Therapiemöglichkeit (Nachweis von befallenen nicht lokoregionä-
ren Lymphknoten), aber kein routinemäßiges PET. Laparoskopie (zum Ausschluss
einer Peritonealkarzinose) bei fraglicher Resektabilität; evtl. Knochenszintigramm.

Klassifikation TNM-Stadien nach der TNM-Klassifikation 2010 (Tab. 3.4, Tab. 3.5, Tab. 3.6).

Tab. 3.4 TNM- TNM Primärtumor


Klassifikation.
Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden

Tis Carcinoma in situ: intraepithelialer Tumor ohne Infiltration der Lamina propria

T1 Infiltration von Mukosa (T1a) bzw. Submukosa (T1b)

T2 Infiltration Muscularis propria

T3 Penetration der Subserosa

T4 Tumor penetriert Serosa (viszerales Peritoneum) ohne Infiltration angrenzender


Strukturen (pT4a); Tumor infiltriert angrenzende Strukturen (pT4b)
138  3 Magen und Duodenum

Tab. 3.4 TNM- Regionäre Lymphknoten


Klassifikation.
(Fortsetzung) Nx Regionale Lymphknoten können nicht beurteilt werden

N1 1–2 regionäre Lymphknoten

N2 3–6 regionäre Lymphknoten

N3 7–15 regionäre Lymphknoten (N3a) bzw. > 15 regionäre LN (N3b)

Fern­metastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 3.5 Stadium Charakteristika


R-Klassifikation.
R0 Kein Residualtumor

R1 Mikroskopisch Residualtumor

R2 Makroskopisch Residualtumor

Tab. 3.6 Stadium Primärtumor Regionäre lymphknoten Fernmetastasen


Stadien­
einteilung. Stadium 0 Tis N0 M0

Stadium IA T1 N0 M0

Stadium IB T1 N1 M0
T2 N0

Stadium IIA T3 N0 M0
T2 N1
T1 N2

Stadium IIB T4a N0 M0


T3 N1
T2 N2
T1 N3

Stadium IIIA T4a N1 M0


T3 N2
T2 N3

Stadium IIIB T4b N0, N1 M0


T4a N2
T3 N3

Stadium IIIC T4a N3 M0


T4b N2, N3

Stadium IV Jedes T Jedes N M1


3.12 Tumoren des Magens  139

Differenzial­ Benignes Ulcus ventriculi, metastatischer Magenbefall (Mamma- und Bronchial-


diagnose karzinome, maligne Melanome; meist szirrhöses Wachstum), Lymphom, GIST-Tu-
moren.

Therapie Stadienabhängiges Vorgehen: primär immer kurative Resektion anstreben; bei


fortgeschrittenen Tumoren jedoch oft nicht mehr möglich; Wert der palliativen li-
mitierten Resektion ungeklärt, bei asymptomatischen Patienten ohne Blutung nicht
empfohlen. Neue Therapieansätze beim Frühkarzinom Typ I (IIa/IIb?): endoskopi-
sche Mukosa- bzw. Submukosaresektion. Mehrzahl der Magenkarzinome bei Diag-
nosestellung bereits inoperabel bzw. Stadium mit einer prospektiv hohen postope-
rativen Rezidivrate.

Kurative Therapie:
██Frühkarzinome: endoskopische Therapie mittels Mukosa- bzw. Submukosare-
sektion. Voraussetzung: kleine Tumoren (<2 cm), hoher Differenzierungsgrad
(G1), intestinaler Typ, keine Lymphgefäß- und Veneninvasion (L0 und V0), Typ
I oder IIa (Wachstumsform erhaben), kein Ulkus, endosonografisch Tumor auf
Mukosa beschränkt; möglicherweise Erweiterung der Kriterien möglich (Nähe-
res siehe Leitlinie)
██Karzinome ohne Fernmetastasen: kurative Resektion einschließlich Lymphaden-
ektomie der Kompartimente D1 und D2; ab Stadium T3 und bei jedem N-Stadium
neoadjuvante Chemotherapie sinnvoll; offen, ob auch bei T2N0 Nutzen besteht
██neoadjuvante Therapiekonzepte: perioperative Chemotherapie (je 3 Zyklen ECF
prä- bzw. postoperativ); scheint Überleben bei Patienten mit potenziell resek-
tablen Tumoren (Stadium uT3 und uT4, keine Fernmetastasen) zu verbessern;
neoadjuvante Radiochemotherapie (5-Fluoruracil/Leucovorin plus 45 Gy) nicht
empfohlen. Durch neoadjuvante Chemotherapie mehr therapieassoziierte Kom-
plikationen (Neutropenie!), daher nur geeignet für Patienten mit noch gutem
Ernährungszustand. Optimale Auswahl der Patienten für neoadjuvante Therapie
weiter nicht abschließend geklärt.
██adjuvante Therapie: verschiedene Therapiekonzepte (Strahlen-, Chemo-, Ra-
diochemotherapie) geprüft; effektiv v. a. nach kurativer Resektion mit Lymph-
knotenbefall: Chemotherapie (in Studien häufig mit niedriger Strahlendosis
kombiniert) oder möglicherweise besser Radiochemotherapie. Überlebensvorteil
zeichnet sich ab, aber Patienten über Toxizität der Therapie hinreichend aufklä-
ren sowie möglichst in Studien einbringen! Problem: positive Studien aus USA
mit Operationen meist ohne Lymphadenektomie. Leitlinie: nach R0-Resektion
keine Indikation zur adjuvanten Therapie.

Palliative Therapie:
██palliative Chemotherapie, wenn noch guter Allgemeinzustand, verbessert Über-
leben. Ziel: Verbesserung der Lebensqualität. HER-2-Status bestimmen, bei star-
ker Expression kann Trastuzumab zu konventioneller Chemotherapie hinzuge-
fügt werden. Chemotherapieprotokolle: DCF, ECF (oder in Modifikation als EOX),
aber Komplikationsrate etwas höher als bei 2-fach-Kombinationen (PLF). Bei
Versagen kann Zweittherapie (je nach primärer Therapie) dem Patienten ange-
boten werden.
██stets adäquate Schmerztherapie
██palliative Stentimplantation (bei Stenosen)
██endoskopische Therapie mit Laser oder Argon-Plasma-Koagulation (bei Blutung;
häufig aber kein lang anhaltender Effekt, alternativ ist palliative Resektion zu
erwägen)
140  3 Magen und Duodenum

██ Parazentese bei Peritonealkarzinose


██ Ernährungsberatung
██ Chemotherapieprotokolle: verschiedene Schemata möglich (Tab. 3.7, Tab. 3.8,
Tab. 3.9, Tab. 3.10).

Verlauf ██ Prognose: abhängig von histologischem Typ, Tumorstadium (TNM), Blut- und
Lymphgefäßinvasion, Resektabilität; beim Frühkarzinom sehr günstig.
██ 5-Jahres-Überlebensrate: bei R0-Resektion von T3-Tumoren ohne LN-Befall
31 %, mit LN-Befall 6 %.

Langzeit­ Nach Gastrektomie lebenslange Vitamin-B12-Substitution notwendig; Malnutriti-


komplikationen on nicht selten, Gewichtsverlust häufig; sekundäre Auswirkungen auf Knochen-
stoffwechsel; Gabe von Säure- und/oder Pepsinpräparaten obsolet. Ernährungsbe-
ratung postoperativ wichtig, im Verlauf auf mögliche Defizite und Probleme der
Ernährung achten und ggf. korrigieren.
Nachsorge zur Aufdeckung von Funktionsstörungen sowie Problemen der Ernäh-
rung, psychischen Stabilisierung und Beurteilung der Behandlungsergebnisse. Sinn

Tab. 3.7 Wirkstoff Applikation und Dosis


DCF-Schema.
Docetaxel 75 mg/m2 Infusion über 60 min; Tag 1

Cisplatin 75 mg/m2 Infusion über 1–3 h, Tag1

5-Fluoruracil 750 mg/m2/Tag Kontinuierliche Infusion; Tag 1–5

Wiederholung an Tag 22

Tab. 3.8 Wirkstoff Applikation und Dosis


ECF-Schema.
Epirubicin 50 mg/m2 Infusion über 60 min, Tag 1

Cisplatin 60 mg/m2 Infusion über 60 min, Tag 1

5-Fluoruracil 200 mg/m2/Tag Kontinuierliche Infusion Tag 1–21

Wiederholung: Tag 22

Tab. 3.9 Wirkstoff Applikation und Dosis


EOX-Schema.
Epirubicin 50 mg/m2 Infusion über 60 min, Tag 1

Oxaliplatin* 130 mg/m2 Infusion über 120 min, Tag 1

Capecitabine* 625 mg/m2 2-mal tgl., Tag 1–21

Wiederholung: Tag 22

Tab. 3.10 Wirkstoff Applikation und Dosis


PLF-Schema.
Folinsäure 500 mg/m2 Infusion über 120 min; wöchentlich; 6 Wochen

5-Fluoruracil 2,0 g/m2 Infusion über 24 h; wöchentlich; 6 Wochen

Cisplatin 50 mg/m2 Infusion über 15 min; Tag 1, 15, 29

Wiederholung: in Woche 8
3.12 Tumoren des Magens  141

eines strukturierten Nachsorgeprogramms (inkl. Tumormarkern, Bildgebung etc)


nicht gesichert.

Literatur Cunningham D et al. Perioperative chemotherapy versus surgery alone for resectable gastroesophageal
cancer. N Engl J Med 2006; 355: 11–20
Cunningham D et al. Capecitabine and oxaliplatin for advanced esophagogastric cancer. N Engl J Med 2008;
358: 36–46
van Cutsem E et al. Phase III study of docetaxel and cisplatin plus fluouracil compared with cisplatin and
fluouracil as first-line therapy for advanced gastric cancer: a report of the V325 Study Group. J Clin Oncol
2006; 24: 4991–4997
Möhler M et al. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“. Diagnostik und Therapie des Adenokarzinoms des Magens
und des gastroösophagealen Übergangs (AWMF-Regist.-Nr. 032-009-OL). Z Gastroenterol 2011; 49:
461–531
Rau B, Koop H. Mechanismen der Mangelernährung nach Gastrektomie. Chir Gastroenterol 2000; Suppl. 2:
1–7

3.12.4 Magenlymphom
S. auch Kap. 4.27.4, Gastrointestinales Lymphom

Definition Primäres Magenlymphom: auch als MALT-Lymphome bezeichnet, da vom muko-


saassoziierten lymphatischen Gewebe (MALT) ausgehend, entspricht Marginalzo-
nen-B-Zell-Lymphom. Diffuse großzellige Lymphome des Magens haben Charak-
teristika der hochmalignen Lymphome. Andere Lymphomentitäten (Mantelzell-
lymphome, follikuläre Lymphome, T-Zelllymphome) machen <10 % der gastralen
Lymphome aus.
Sekundärer Magenbefall nodaler Lymphome (Gastrointestinaltrakt häufigster Ort
extranodalen Befalls).

Patho­ Helicobacter pylori macht Magen generell zum lymphatischen Organ (z. B. Ausbil-
mechanismus dung von Lymphfollikeln); Helicobacter pylori kann die Proliferation von B-Zell-
klonen via T-Zellen induzieren (Helicobacter pylori ist in diesem Stadium trophi-
scher Faktor). In Abhängigkeit von genetischen Alterationen variiert Ansprechen
auf Helicobacter-pylori-Eradikation und Transformation in hochmaligne Formen.
Hochmaligne Lymphome können sich auch unabhängig von Helicobacter pylori
entwickeln.

Pathologie Makroskopisch polypöse Raumforderung, Ulkus oder diffuse Wandinfiltration.


Frühlymphome mit ähnlichen Charakteristika wie Magenfrühkarzinome; histolo-
gische Klassifikation s. 4.27.4, Gastrointestinales Lymphom.

Epidemiologie Primäre Magenlymphome sind selten, nur ca. 5 % der gastralen Malignome sind
Lymphome. Sekundäre Einbeziehung des Magens bei (insbesondere fortgeschritte-
nen) nodalen Lymphomen dagegen häufig.

Assoziierte ██ bei primärem Magenlymphom: chronische Gastritis durch Helicobacter pylori


Erkrankungen (90 %)
██ bei überwiegend sekundärem Magenbefall: HIV-Infektion; immunsuppressive
Therapie

Klinische Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, chronische Blutungs-


Charakteristika anämie (selten Hämatemesis), Gewichtsverlust.
142  3 Magen und Duodenum

Diagnostik
██ Endoskopie (wegweisend): mit ausgiebiger Biopsie aller Magenregionen (Map-
ping) sowie des Ösophagus und Duodenum, Helicobacter pylori-Diagnostik
██ zusätzlich: Endosonografie; Koloskopie und Untersuchung des Dünndarms (Sel-
link-CT oder -MRT, ermöglicht zugleich auch Beurteilung der Lymphomausbrei-
tung intraabdominell)

Stadieneinteilung (Tab. 3.11).

Differenzial­ Magenkarzinom, benigne Ulzera.


diagnose
Therapie Abhängig von Stadium und histologischem Typ (Details s. Kap. 4.27.4, Gastrointes-
tinales Lymphom); bisher gibt es keine verbindlichen Empfehlungen zur Therapie,
daher Einschluss in Studien anstreben.
Marginalzonen-B-Tell-Lymphom vom MALT-Typ (niedrigmaligne Lymphome):
██ In Stadium I 1 und I 2 (75 % der Magenlymphome) Helicobacter pylori-Eradikati-
on, damit Heilung in 80 % möglich, im Verlauf sorgfältiges, engmaschiges Moni-
toring inkl. Endosonografie.
██ In anderen Stadien Bestrahlung (Stadium I und II bei primär Helicobacter-py-
lori-negativen Lymphomen, Therapieversagern sowie bei Lymphknotenbefall in
Stadien E II 1–2), Chemotherapie (Stadium III und IV); Operation weitgehend zu
vermeiden; nur bei Komplikationen.
Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (hochmaligne Lymphome):
██ primäre Chemotherapie (CHOP) ggf. mit anschließender Bestrahlung; gilt auch für
gemischte Lymphome (niedrigmaligne Lymphome mit hochmalignen Anteilen);
Operation dagegen verlassen
██ Rituximab (Anti-CD 20-Antikörper) heute zusätzlich zu CHOP („R-CHOP“ ana-
log zu nodalen Lymphomen) empfohlen, aber bisher kaum Daten für gastrale
Lymphome
██ Operation nur noch in Ausnahmefällen (therapierefraktäre Blutung, Perforation)
Magenbefall bei extranodalen Lymphomen: Therapie gemäß entsprechendem
Lymphomtyp im Stadium IV.

Tab. 3.11 Modifizierte Ann-Arbor- TNM-Klassifikation Lymphomausbreitung


Stadien­einteilung Klassifikation
des Magenlym­
EI1 T1 N0 M0 Mukosa, Submukosa
phoms (Quelle:
Fischbach et al. EI2 T2 N0 M0 Muscularis propria, Subserosa
2009).
EI2 T3 N0 M0 Serosainfiltration

EI2 T4 N0 M0 Übergreifen auf ­benachbarte Organe

E II 1 T1–4 N1 M0 Befall regionaler Lymphknoten (Kom­


partiment I und II)

E II 2 T1–4 N2 M0 Befall entfernter Lymphknoten (Kom­


partiment III inkl. retroperitonealer,
mesenterialer und paraaortaler
Lymphknoten)

E III T1–4 N3 M0 Befall von Lymphknoten beiderseits


des Zwerchfells

E IV T1–4 N0–3 M1 Diffuser oder disseminierter Befall


extragastrointestinaler Organe
3.13 Verätzungen und mechanische Läsionen des Magens und Duodenums   143

Verlauf Prognose abhängig von Stadium und Typ:


██niedrigmaligne Lymphome: 5-Jahres-Überlebensrate 75 %
██hochmaligne Lymphome: 5-Jahres-Überlebensrate 50 %

Langzeit­ Nach Operation: alle Postgastrektomie-Syndrome; nach konservativer Therapie:


komplikationen Wandstarre mit Entleerungsstörungen, Ulzerationen (v. a. nach zusätzlicher Be-
strahlung).

Literatur Fischbach W et al. Konsensus-Konferenz der DGVS über Helicobacter pylori. Z Gastroenterol 2009; 47:
68–102
Fischbach W et al. Outcome and quality of life favour a conservative treatment of patients with primary
gastric lymphoma. Z Gastroenterol 2011; 49: 430–435
Rouskone-Fourmestraux A et al. EGILS consensus report. Gastric extranodal marginal zone B-cell lymphoma
of MALT. Gut 2011; 60: 747–758

3.13 V
 erätzungen und mechanische Läsionen
des Magens und Duodenums

Definition Schädigung durch Chemikalien oder physikalische Einwirkungen.

Patho­ Alkalische Substanzen: Schädigung v. a. des Ösophagus, weniger des Magens (dort
mechanismus Neutralisation durch Säure), Duodenum seltener betroffen (<30 %). Kolliquations-
nekrosen mit Perforation, Peritonitis und Tod. Abhängig von Konsistenz großflächi-
ge (flüssige Alkali) bzw. umschriebene Läsionen (feste Stoffe, z. B. Batterien; diese
induzieren aber häufiger ösophageale Manifestation).
Säuren: Koagulationsnekrosen, durch Pylorospasmus längere Retention im Magen.
Antral betonte Läsionen. Wegen sauren Geschmacks Mengen jedoch meist gerin-
ger als bei Alkali, da Stopp der Ingestion bzw. Ausspucken. Speisereste im Magen
reduzieren ätzende Wirkung. Perforationen und Peritonitis bei größeren Quanti-
täten möglich.
Physikalische Läsionen: Auslöser wie Reanimation, stumpfes Bauchtrauma, hef-
tigstes Würgen, verschluckte scharfrandige Fremdkörper, selten spontan (Neu-
geborene). Iatrogen durch Endoskope und andere Instrumente (Bougies, Sonden)
sehr selten, dann häufiger im Ösophagus als im Magen. Läsionen bei thermischen
Verfahren (Laser) relativ häufiger.

Pathologie Schädigung durch Chemikalien – Gradeinteilung:


██Verätzung 1. Grades: Ödem, Erythem, Hämorrhagien
██Verätzung 2. Grades: Ulzeration bis in tiefere Wandschichten, Exsudationen, im
Verlauf bindegewebige Umwandlung mit Narben und Strikturen
██Verätzung 3. Grades: transmurale Läsion mit Perforation
Physikalische Läsionen: Einrisse überwiegend an der großen oder kleinen Kurva-
tur, meist proximal im Magen.

Epidemiologie Verätzung: v. a. bei Kindern und psychisch Kranken.

Assoziierte Psychiatrische Erkrankungen.


Erkrankungen

Klinische Klinisches Bild variabel in Abhängigkeit von Art, Menge, Konsistenz der Chemika-
Charakteristika lie; von leichten retrosternalen und Oberbauchschmerzen, Erbrechen über Bluter-
144  3 Magen und Duodenum

brechen bis zu schwerstem Krankheitsbild mit heftigsten Schmerzen und Schock;


evtl. auch laryngeale Symptome; keine verlässliche Korrelation zwischen Ausmaß
der Schädigung und Beschwerdeintensität; bei Riss der Magenwand: akutes Abdo-
men!

Wegweisende ██ Anamnese; Inspektion der Mundhöhle, Röntgen-Abdomenübersicht


Diagnostik ██ Endoskopie: wenn ausreichender Allgemeinzustand (kreislauf- und respirato-
risch stabil, v. a. kein Anhalt für Perforation)

Zusatz­ Je nach Schweregrad: CT-Thorax, CT-Abdomen.


diagnostik

Differenzial­ Andere Ursachen des akuten Abdomens, Herzinfarkt; cave: oft keine verlässlichen
diagnose Angaben bei Kindern und psychisch Kranken.

Therapie ██ intensivmedizinische Überwachung und Therapie, Nahrungskarenz, parenteral


Flüssigkeit
██ bei Perforationen: chirurgische Therapie
██ obsolet: Erbrechen induzieren bzw. Emetika, Magensonden

Verlauf Abhängig von Schwere der Schädigung.

Langzeit­ Am Magen nicht bekannt.


komplikationen

Literatur Loeb PM, Eisenstein AM. Caustic injury to the upper gastrointestinal tractin. In: Feldman M (ed.) Gastroin-
testinal and liver disease. Philadelphia: Saunders; 1997: 335–342

3.14 Amyloidose

Definition Extrazelluläre Ablagerung schwer löslicher fibrillärer Proteine mit antiparalleler


Faltblattstruktur in verschiedenen Organen (auch außerhalb des Gastrointestinal-
trakts).
██Primäre Amyloidose: Ablagerung von Fibrillen monoklonaler Leichtketten
██Sekundäre Amyloidose: Amyloidablagerungen bei chronischen Erkrankungen,
insbesondere chronisch-entzündlichen Gelenkerkrankungen (s. u.).

Patho­ Befall der intramuralen Ganglien induziert unkoordinierte Kontraktionen, bei In-
mechanismus filtration bzw. partiellem Ersatz der Muskelschicht verzögerter Transit mit Zeichen
der Gastroparese bzw. intestinalen Pseudoobstruktion, bakteriellen Fehlbesied-
lung und Malassimilation.

Pathologie Befall der gastrointestinalen Mukosa: am häufigsten betroffen sind absteigendes


Duodenum, Magen und Kolon (90 %) sowie Ösophagus (70 %); Mukosa granulär
bzw. polypös verändert, Erosionen, z. T. auch Ulzera sowie erhöhte Fragilität.
Neuromuskulärer Befall: zunächst intrinsisches Nervensystem des Gastrointesti-
naltrakts (Plexus myentericus), später auch Muskelschicht.

Epidemiologie In ca. 60 % Befall des Gastrointestinaltrakts. Chronisch-entzündliche Erkrankungen


und assoziierte (insbesondere Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis), Tumorerkrankun-
Erkrankungen gen (Typ AA, ca. 90 % der Patienten mit gastrointestinaler Amyloidose), primäre
Amyloidose, auch bei Patienten mit Plasmozytom bzw. Morbus Waldenström (Typ
3.15 Operationsfolgen  145

AL; <10 %), chronische Niereninsuffizienz mit Langzeitdialyse (Deposition von β2-
Mikroglobulin, selten).

Klinische Übelkeit, Erbrechen, gastrointestinale Blutung, Malassimilationssyndrom durch


Charakteristika reduzierte Absorption und/oder bakterielle Fehlbesiedlung; intestinaler Eiweiß-
verlust (cave: kann durch nephrotisches Syndrom überdeckt sein), selten Obstruk-
tion (s. entsprechende Kapitel).

Wegweisende ██ Anamnese: assoziierte Erkrankungen mit langer Krankheitsdauer, Multiorgan-


Diagnostik befall unklarer Ätiologie etc.
██ Histologischer Nachweis in Biopsiematerial: am häufigsten Rektumbiopsie,
aber auch Biopsien aus Duodenum und Magen möglich, gezielte Frage an Patho-
logen, da Spezialfärbung notwendig (Kongorot)

Zusatz­ ██ Immunelektrophorese: in Serum und Urin


diagnostik ██ Radiologische Diagnostik des Gastrointestinaltrakts: nur spezielle Fragestel-
lungen, generell hier wenig hilfreich

Differenzial­ Sklerodermie, andere Systemerkrankungen mit Befall des Gastrointestinaltrakts.


diagnose

Therapie­ Symptomatische Formen.


indikation

Therapie Therapie der Grundkrankheit als wichtigster Faktor. Spezielle Therapieansätze:


██Bei Gastroparese und intestinaler Hypomotilität: Prokinetika (Metoclopramid
[gering wirksam], Erythromycin), s. Kap. 3.3, Motilitätsstörungen
██bei Blutung: Versuch der endoskopischen Blutstillung (soweit isolierte Blu-
tungsquelle)
██bei bakterieller Fehlbesiedlung: Antibiotika (s. Kap. 4.4, Bakterielle Fehlbesied-
lung)
██bei Malassimilationssyndrom: s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom
██bei Obstruktion: ggf. Operation

Verlauf Chronischer Verlauf, aber Prognose bestimmt durch Befall anderer Organe (Niere,
Herz).

Literatur Friedman S, Janowitz HD. Systemic amyloidosis and the gastrointestinal tract. Gastroenterol Clin N Am
1998; 27: 595–614

3.15 Operationsfolgen

3.15.1 Dumping-Syndrom
Definition Gastrointestinale, kardiovaskuläre und/oder vasomotorische Beschwerden nach
Nahrungsaufnahme im Gefolge von Operationen am Magen, in der Mehrzahl nach
Eingriffen am Pylorus (Resektion bzw. Pyloroplastik). Man unterscheidet Früh-
und Spätdumping.

Patho­ Frühdumping: rasche („Sturz-“)Entleerung von hyperosmolarer Nahrung in den


mechanismus Dünndarm führt zu Distension der nachgeschalteten Darmsegmente (abdominelle
Schmerzen); durch Flüssigkeitseinstrom in das Darmlumen kommt es zu Verschie-
146  3 Magen und Duodenum

bung größerer intravasaler Volumina in den Darm (Schwindel, Schweißausbruch,


Tachykardie).
Spätdumping: reaktive Hypoglykämie durch vorangegangene massive Insulinfrei-
setzung (aufgrund Hyperglykämie durch raschen Übertritt größerer Kohlenhyd-
ratmengen vom Magen in den Darm).

Epidemiologie Dumping-Symptome früh nach Operation (bis zu 50 %) sehr viel häufiger als im
Verlauf (3–15 %); auch abhängig von Art der Operation (nach Billroth II [B-II] häufi-
ger als nach B-I); Frühdumping deutlich häufiger als Spätdumping.

Assoziierte Erkrankungen, die zur Magenchirurgie führten: Ulkuskrankheit (stark abneh-


Erkrankungen mend), Tumorchirurgie. Rekonstruktionen nach B-I (Erhalt der Duodenalpassage),
B-II (Gastrojejunostomie) bzw. trunkuläre Vagotomie (mit Pyloroplastik); nach se-
lektiv-proximaler Vagotomie ohne Pyloroplastik selten.

Klinische Frühdumping: Symptome ca. 10–20 min nach Nahrungsaufnahme; Kombination


Charakteristika gastrointestinaler Symptome (Völlegefühl, krampfartige Bauchschmerzen, Übel-
keit, ggf. Erbrechen) mit kardialen und vasomotorischen Beschwerden (Tachykar-
die, Palpitationen, Schwindel, Schweißausbruch, Hitzegefühl, allgemeine Schwä-
che); Intensität variiert beträchtlich, überwiegend jedoch eher mild.
Spätdumping: Auftreten ca. 2–3 h nach Nahrungsaufnahme, vasomotorische Sym-
ptome ähnlich denen des Frühdumpings, zusätzlich Heißhunger (Symptom der
Hypoglykämie).

Wegweisende Anamnese: Voroperation, Symptome.


Diagnostik

Zusatz­ ██ oraler Glukosetoleranztest: bei Verdacht auf Spätdumping Testdauer mit Be-
diagnostik stimmungen von Blutzucker und ggf. Insulin auf 4 h verlängern
██ Endoskopie: zum Ausschluss pathologischer Veränderungen u. U. sinnvoll; Rönt-
genuntersuchung meist überflüssig

Differenzial­ Syndrom der zuführenden Schlinge (Afferent-loop-Syndrom), funktionelle Hypo-


diagnose glykämie (psychosomatisches Krankheitsbild).

Therapie Medikamentöse Behandlung: schwierig, Versuch mit Octreotid (Frühdumping)


oder Acarbose (Spätdumping) möglich; ggf. Umwandlungsoperation von B-II in
B-I bzw. antiperistaltisches Jejunuminterponat bei schwersten therapierefraktä-
ren Fällen.
Beratung: Patienten dazu anhalten, Zusammenhang zwischen Ernährungsweise
(insbesondere Nahrungsmitteln) und Symptomen zu beobachten und daraus Ess-
gewohnheiten anzupassen:
██ kleine, aber dafür häufige Mahlzeiten; keine oder wenig Flüssigkeit zu Mahlzei-
ten
██ Vermeiden von rasch aufschließbaren Kohlehydraten (Mono-, Disaccharide); ei-
weißreiche Nahrung sowie reichlich Ballaststoffe

Verlauf Im Verlauf meist abnehmende Intensität (auch durch Umstellung der Ernährungs-
gewohnheiten durch Patienten selbst).

Selbsthilfe S. Therapie (Beratung).

Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465
3.15 Operationsfolgen  147

3.15.2 Syndrom der zuführenden Schlinge


Definition Nach resezierender Magenchirurgie kommt es zur Magenentleerung in die zufüh-
rende (statt abführende) Schlinge aufgrund unzureichender Operationstechnik
(Typ I). Selten Abflussbehinderung aus zuführender Schlinge (Typ II) durch Stenose.

Patho­ Typ I: postprandial massive Füllung der zuführenden Schlinge (Beschwerden) und
mechanismus reaktives (galliges) Erbrechen.
Typ II: Distension der zuführenden Schlinge durch Galle-/Pankreassekret bei ge-
störter Entleerung.

Pathologie Fehlangelegte Anastomose führt zur Entleerung des Restmagens in zuführende


Schlinge; evtl. Stenose an der abführenden Schlinge (dann auch als Syndrom der
abführenden Schlinge bezeichnet [Efferent-loop-Syndrom]) lenkt Nahrung in zu-
führende Schlinge. Abknickung oder Stenose der (zu langen) zuführenden Schlin-
ge, aber auch durch Tumorrezidiv möglich.

Epidemiologie Insgesamt sehr selten; Prävalenz durch folgende Maßnahmen weiter reduziert:
weniger resezierende Magenchirurgie, Fußpunkt-Anastomose nach Braun, mehr
Operationen nach B-I statt B-II, häufigere Rekonstruktion mittels Y-Roux-Schlinge.

Klinische Postprandial teils Druck, teils krampfartige Schmerzen im Oberbauch, Übelkeit;


Charakteristika bei Typ I schwallartiges, galliges Erbrechen (das dann Linderung bringt); bei Typ
II Schmerzen rechtsseitig bis in den Rücken, evtl. rezidivierende Cholangitis und
intermittierender Ikterus (aufsteigende Infektion!); Pankreatitis; Diarrhöen und
­Malassimilationssyndrom kommen vor (bakterielle Fehlbesiedlung).

Wegweisende Typ I: Anamnese, Röntgenuntersuchung (Bariumkontrastmittel).


Diagnostik Typ II: Sonografie, evtl. Computertomografie des Abdomens (Darstellung der di-
latierten Schlinge); bei Röntgenuntersuchung (Barium) obligat: keine Darstellung
der dilatierten zuführenden Schlinge.

Therapie Bei symptomatischen Formen operative Korrektur.

Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465

3.15.3 Diarrhö nach Magenoperationen


Definition Diarrhö nach Eingriffen am Magen; da vorzugsweise nach trunkulärer Vagotomie
auftretend, auch als „Postvagotomie-Diarrhö“ bezeichnet.

Patho­ Multiple Faktoren beteiligt, individuelles Gewicht unklar: rascher intestinaler


mechanismus Transit, reduzierte Absorption („osmotische Diarrhö“), vermehrte Gallensäurese-
kretion.

Epidemiologie In der frühen postoperativen Phase häufig, im Verlauf aber abnehmend; Inzidenz
abhängig vom Operationsverfahren: am häufigsten (20–30 %) nach trunkulärer Va-
gotomie mit Pyloroplastik, bei selektiv proximaler Vagotomie selten (<5 %); kommt
auch nach resezierender Magenchirurgie vor: bis 10 %. Wichtig: auch Tumorchirur-
gie am Ösophagus führt oft zur trunkulären Vagotomie.
148  3 Magen und Duodenum

Klinische Diarrhö, nicht nur postprandial, sondern auch unabhängig (teils auch nachts).
Charakteristika
Diagnostik ██ Anamnese und Symptomkonstellation
██ Bestimmung der Transitzeit (H2-Atemtest mit Laktulose), evtl. Röntgenuntersu-
chung (Magen-Darm-Passage)

Differenzial­ Diarrhö anderer Genese.


diagnose

Therapie­ Nur ca. 10–20 % suchen ärztliche Hilfe; Therapie bei symptomatischen Patienten.
indikation

Therapie Medikamentös: Loperamid; Cholestyramin (cave: Folsäuremangel, Interaktion mit


Medikamenten), Versuch der Dosisreduktion im Verlauf; Diphenoxylat (derzeit
nicht verfügbar).
Bei Therapieversagen: antiperistaltische Operationen in verzweifelten Fällen.

Verlauf Meist in der Frühphase nach Operation häufiger und ausgeprägter, Intensität geht
innerhalb einiger Monate zurück.

Literatur Eagon JC et al. Postgastrectomy syndromes. Surg Clin N Am 1992; 72: 445–465

3.15.4 Metabolische Folgen der Magenchirurgie


Definition Folgen operativer Eingriffe am Magen auf Stoffwechselfunktionen.

Patho­ Reduzierte Absorption nach resezierender Magenchirurgie von


mechanismus ██Eisen: unzureichende Umwandlung von Fe3+ in Fe2+
██Vitamin B12: Fehlen von Intrinsic Factor (Vitamin-B12-Speicher halten viele Jah-
re!)
██Kalzium und Vitamin D: Ausschaltung des Duodenums, schnelle Passage durch
Intestinum, Fettmalassimilation; Laktoseintoleranz verstärkt Kalziummangel

Wichtig: reduzierte Aufnahme aufgrund Ernährungsumstellung bzw. geringerer


Mengen berücksichtigen!

Epidemiologie Häufig: 10 Jahre postoperativ reduzierter Kalksalzgehalt bei 25 % der magenope-


rierten Patienten, 15 % Vitamin-B12-Defizit nach partieller Magenresektion.

Klinische Eisenmangelanämie; megaloblastäre Anämie: allgemeine Schwäche, Blässe, Leis-


Charakteristika tungsminderung; Knochenschmerzen (Osteomalazie).

Wegweisende ██ Blutbild, Fe-Spiegel im Serum, Ferritin


Diagnostik ██ Vitamin-B12-Spiegel; ersatzweise Vitamin-B12-Substitution alle 1–2 Jahre auch
vertretbar (spart Kosten)
██ Kalzium im Serum, alkalische Phosphatase; 25OH-Vitamin-D3; Röntgen (proxi-
maler Femur, Tibia)

Zusatz­ Fe-Resorptionstest; Schilling-Test; Knochendichtemessung.


diagnostik
Differenzial­ Alle Formen der Anämie; Osteoporose, andere Formen der Osteomalazie.
diagnose
3.16 Fremdkörper  149

Therapie Bei Mangelzuständen (cave: nicht auf klinische Symptomatik warten!): orale Ei-
sensubstitution; regelmäßige Gabe von Vitamin B12 parenteral; Kalzium und Vita-
min D oral, ggf. Vitamin D parenteral.

Therapie­ Persistierender Eisenmangel trotz oral verabreichter Fe-Präparate: Eisensubstitu-


versagen tion parenteral.

Literatur Rau B, Koop H. Mechanismen der Mangelernährung nach Gastrektomie. Chir Gastroenterol 2000; Suppl. 2:
1–7

3.16 Fremdkörper

3.16.1 Verschlucken verschiedener Fremdkörper


Definition Absichtlich oder unabsichtlich verschluckte Gegenstände.

Patho­ Versehentlich: v. a. Kinder <5 Jahre, bei Erwachsenen selten, meist im Alkohol-
mechanismus rausch.
Absichtlich: psychisch Kranke, Schmuggler, Strafgefangene (erhoffen Abwechs-
lung, Straferleichterung, Sedativa zur Extraktion).

Pathologie Bei spitzen Gegenständen schwerwiegende Läsionen möglich (dann aber meist im
Ösophagus), ansonsten Erosionen häufig; Perforationen sehr selten.

Klinische Symptome meist bei Ösophaguspassage (s. Kap. 2.8.5, Fremdkörper), nach Passage
Charakteristika in den Magen fast immer symptomlos; bei Perforation akutes Abdomen!

Diagnostik Anamnese; Endoskopie, Röntgenübersichtsaufnahme des Abdomens.

Therapie­ Fremdkörper, die für Passage durch Gastrointestinaltrakt zu groß sind (Ileusge-
indikation fahr) oder die toxische Substanzen freisetzen können (z. B. Batterien).

Therapie ██ bei ungefährlichen und kleineren Fremdkörpern (z. B. Münzen): normale Passa-
ge per Via naturalis abwarten, ggf. zusätzlich faserreiche Kost geben (z. B. Sauer-
kraut, zusätzlicher Nutzen nicht gesichert)
██ ansonsten Versuch der endoskopischen Extraktion
██ bei misslungener Extraktion und Gefahr bei physiologischer Passage: operative
Entfernung durch Gastrostomie

Selbsthilfe Gabe von faserreicher Kost (s. o.).

Literatur Webb WA. Management of foreign bodies in the upper gastrointestinal tract: Update. Gastrointest Endosc
1995; 41: 39–51

3.16.2 Bezoare
Definition Im Magen zusammenklumpende, unverdauliche Gebilde.

Patho­ Trichobezoar: aus verschluckten Haaren und/oder Nägeln; Ursache: Trichotilloma-


mechanismus nie, Trichophagie.
150  3 Magen und Duodenum

Phytobezoar: aus pflanzlichen Bestandteilen; häufig: Diospyrobezoar bei größe-


rem Konsum von Datteln.
Pharmakobezoar: aus klumpenden Tabletten, insbesondere solche mit resorpti-
onsverzögernder Galenik (z. B. Theophyllin, Nifedipin, Azetylsalizylsäure), aber
auch Mg- und Ca-Karbonat (bei Achlorhydrie) oder Sucralfat (bei Magenausgangs-
stenose).

Pathologie Intragastral gelegen, aber häufig sekundäre Schleimhautdefekte (Erosionen, Ulze-


ra) infolge Druckwirkung.

Epidemiologie Insgesamt sehr selten; Trichobezoare vorzugsweise bei jungen (20–30 Jahre) Frau-
en; Phytobezoare und Pharmakobezoare: mittleres oder höheres Lebensalter.

Assoziierte Magenentleerungsstörungen (Vagotomie, Gastroparese etc.), auch nach Magen-


Erkrankungen operationen.

Klinische Symptomfrei über viele Jahre; dann zunehmend Völlegefühl, Oberbauchschmer-


Charakteristika zen, schnelle Sättigung, Übelkeit, Erbrechen sowie Gewichtsverlust; bei Trichobe-
zoaren fauliges Aufstoßen (Retention von Nahrung im Bezoar).

Wegweisende Endoskopie, ggf. Röntgenuntersuchung.


Diagnostik
Differenzial­ Reizmagen, Ulkuskrankheit, Malignome; relativer Anteil der zugrunde liegenden
diagnose Störung und des Bezoars für Symptomatik häufig nicht zu differenzieren.

Therapie Stets Versuch der endoskopischen Extraktion, zuvor meist Zerkleinerung (z. B. mit
Schlinge oder Dormia-Körbchen) erforderlich; Versuch der enzymatischen Degra-
dation (Cellulase, Acetylcystein u. a.) möglich; ansonsten operative Entfernung.

Verlauf Rezidive möglich (begünstigende Erkrankungen persistieren).

Langzeit­ Gastrointestinale Blutung (aus Ulkus; kann zur Erstdiagnose eines Bezoars füh-
komplikationen ren); Obstruktion des Pylorus (bei Einklemmung) selten, bei Passage in den Dünn-
darm ggf. mechanischer Ileus möglich.

Literatur Lee J. Bezoars and foreign bodies of the stomach. Gastrointest Endosc Clin N Am 1996; 6: 605–619
  151

4 Darm
I. Koop

4.1 Anatomie und physiologische Funktion

Anatomie Der Dünndarm besteht aus Duodenum, Jejunum und Ileum. Das Duodenum beginnt
unmittelbar nach dem Pylorus mit dem Bulbus duodeni, verläuft ab hier retrope-
ritoneal in Form eines „C“ (im mittleren Teil liegt die Papilla vateri), um nach etwa
25 cm im linken Oberbauch am Treitz-Band wieder nach intraperitoneal zu treten.
An dieser Stelle beginnt das Jejunum (ca. 40 % des mobilen Dünndarms), gefolgt
vom Ileum (60 % des Dünndarms). Der Dünndarm wird von einer inneren Ring-
und einer äußeren Längsmuskelschicht bewegt. Die Schleimhaut liegt insbeson-
dere im Jejunum, nach distal abnehmend in Falten (Plicae circulares, Kerckring-
Falten). Im rechten Unterbauch mündet der Dünndarm mit der Bauhin-Klappe im
90 °-Winkel in den Dickdarm.
Der Dickdarm (das Kolon) beginnt im rechten Unterbauch mit dem Zökum (Blind-
darm; Durchmesser bis zu 6–8 cm), an dessen Ende die Appendix liegt. Nach kau-
dal schließen sich an: Colon ascendens (Länge ca. 25 cm, retroperitoneal fixiert),
Colon transversum (ca. 50 cm, intraperitoneal), Colon descendens (ca. 25 cm, ret-
roperitoneal), Sigma (ca. 45 cm, intraperitoneal, schmalste Stelle des Kolon, Durch-
messer ca. 2,5 cm) und Rektum (16 cm). Der Dickdarm endet mit dem Anus (s. Kap.
5 Anorektum). Tänien und Haustren geben dem Dickdarm ihr typisches Aussehen.
Die drei Tänien sind Bänder aus Längsmuskulatur, die zueinander im 120 °-Winkel
liegen. Dazwischen wechseln sich Haustren (Ausbuchtungen) mit Semilunarfalten
ab, die beide je nach Kontraktions- und Motilitätszustand variabel sind.

Gefäß­ Die A. mesenterica superior versorgt das distale Duodenum, Jejunum, Ileum und
versorgung das Kolon bis zur Mitte des Colon transversum bzw. bis zur linken Flexur. Das dis-
tale Kolon wird von der A. mesenterica inferior versorgt (individuell jedoch Unter-
schiede). In die Dünndarmzotten ziehen jeweils eine oder zwei Arteriolen bis zur
Spitze, verzweigen sich dort und münden in ein Venengeflecht.

Lymphdrainage Lymphgefäße in der Lamina propria der Dünndarmzotten drainieren in die Mesen-
teriallymphknoten. Im Kolon verlaufen sie zirkulär in der Submukosa und münden
in die epi- und perikolischen Lymphknoten. Die Lymphe drainiert über die zölia-
kalen und präaortalen Lymphknoten und den linken Ductus thoracicus in die linke
V. subclavia.

Histologie Dünndarm: Die Darmwand besteht aus Serosa, Muskularis, Submukosa und Mu-
kosa. Die Serosa besteht aus einschichtigen mesothelialen Zellen, die Ausläufer des
Peritoneums darstellen. Die Muskularis wird vom äußeren Longitudinalmuskel
und von der inneren zirkulären Muskelschicht gebildet. Dazwischen liegen die An-
teile des myenterischen (Auerbach-)Plexus. In der Submukosa findet sich eine he-
terogene Zellpopulation bestehend aus Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen,
Eosinophilen, Fibroblasten und Mastzellen, die je nach Erkrankung variieren. Im
152  4 Darm

distalen Dünndarm liegen zusätzlich Anhäufungen lymphatischen Gewebes ein-


zeln als Solitärfollikel oder als Aggregate (Peyer-Plaques). Des Weiteren durchzieht
ein Netzwerk von Nervenfasern, Ganglien (Meissner-Plexus), Blut- und Lymphge-
fäßen die Submukosa. Die Mukosa besteht aus 3 Teilen: die Muscularis mucosae
bildet eine dünne Muskelschicht, an die sich die Lamina propria als Bindegewebs-
schicht mit lockerem Zellinhalt vergleichbar der Submukosa anschließt. Den Ab-
schluss zum Darmlumen hin bildet das hochspezialisierte intestinale Epithel, das
die lebenswichtigen Funktionen der Absorption und Sekretion vollzieht.
Duodenum: s. Jejunum und Ileum; zusätzlich: Brunner-Drüsen (Glandulae duo-
denales, tubuloalveoläre Drüsen) in der Submukosa unterhalb der Muscularis
propria mit Ausführungsgang in die Krypten; nehmen an Zahl nach distal ab und
enden an der Flexura duodenojejunalis. Brunner-Drüsen sezernieren Bikarbonat
und Glykoproteine und schützen damit vermutlich die Duodenalschleimhaut vor
saurem Magensaft.
Jejunum und Ileum: Charakteristisch sind fingerförmige Ausbuchtungen der Mu-
kosa (Zotten, 0,5–1 mm Länge) mit dazwischen liegenden Vertiefungen (Krypten,
etwas kürzer), sodass die Oberfläche um das 7- bis 14-Fache vergrößert wird (Ver-
hältnis Zotten zu Krypten = 1:7–10).
Das Epithel der Zotten besteht zum größten Teil aus absorptiven Enterozyten, an
deren Oberfläche Mikrovilli zur weiteren Oberflächenvergrößerung liegen (14- bis
40-fach). Enterozyten produzieren zahlreiche Verdauungsenzyme (z. B. Laktase,
Enterokinase), besitzen Transportproteine für Kohlenhydrate, Aminosäuren, Pep-
tide, Natrium und ermöglichen die Absorption sämtlicher Nahrungsbestandteile.
Intraepithelial liegen T- und B-Lymphozyten (Rolle bei Erkennung bzw. Abwehr
luminaler Agenzien; z. B. stark vermehrt bei Zöliakie).
Zwischen den Enterozyten liegen einzelne Becher-Zellen („goblet-cells“; Schleimbil-
dung). An der Basis der Krypten sitzen Stammzellen, die proliferieren und sich zu
verschiedenen Zellen differenzieren. Sie können nicht von den übrigen undifferen-
zierten Zellen in den intestinalen Krypten unterschieden werden, die Wasser und
Chlorid in das Darmlumen sezernieren und ebenfalls stark proliferieren. Paneth-
Zellen (basophiles Zytoplasma, eosinophile Granula) sind ebenfalls an der Basis der
Krypten lokalisiert und sezernieren Wachstumsfaktoren, Enzyme und antimikro-
bielle Peptide (Defensine).
Die M-Zellen liegen im Epithel, das die Peyer-Plaques überzieht. Sie nehmen lumi-
nale Antigene (Bakterien, Viren) und andere Makromoleküle auf und transportie-
ren sie zu immunkompetenten Zellen.
Enteroendokrine Zellen (auch: argentaffine oder argyrophile Zellen) liegen im ge-
samten Epithel des Darms (größtes endokrines Organ!). Die neuroendokrinen
Peptide werden entweder von enteroendokrinen Epithelzellen oder Nervenzellen
oder meistens in beiden Zellarten produziert und sezerniert. Ein Peptid kann somit
gleichzeitig ein Hormon darstellen und als Neurotransmitter fungieren. Somato-
statin (D-Zelle) wird entlang des gesamten Darms, Gastrin (G-Zelle) nur im Duode-
num (und Magenantrum!) gebildet, Cholezystokinin und Sekretin im Duodenum
und oberen Jejunum, Serotonin (enterochromaffine Zelle) entlang des gesamten
Darms in EC-Zellen. Weitere enteroendokrine Peptide: Enteroglukagon, Substanz
P, GIP, GLP-1, Neurotensin, vasoaktives intestinales Polypeptid, Bombesin, PYY, PHI
etc.
Häufig werden mehrere Peptide in einer Zelle koexprimiert. Die Sekretionspro-
dukte werden parakrin (v. a. Somatostatin) oder endokrin sezerniert, selten au-
tokrin, und sind in die Regulation v. a. exokriner Sekretion (Gastrin: Magensäure;
Cholezystokinin, Sekretin: Pankreassekretion, Gallenblasenkontraktion), Insulin-
4.1 Anatomie und physiologische Funktion  153

sekretion (GIP, GLP-1), und der Motilität (Serotonin, Substanz P, Cholezystokinin,


Motilin) beteiligt.
Dickdarm: Charakteristisch sind Krypten, in deren Epithelschicht Epithelzellen,
Becherzellen (Schleimproduktion!), enteroendokrine Zellen und undifferenzierte
Stammzellen liegen; Zotten und Plicae circulares fehlen.
Unterhalb der Epithelschicht liegt eine dünne Basalmembran aus Kollagen, die
durchlässig für Ionen, Proteine und Lymphozyten ist (verdickt bei kollagener Koli-
tis). Es folgt die Lamina propria mucosae, die kollagene Fasern und reichlich Blutge-
fäße enthält – jedoch fast keine Lymphgefäße, was entscheidend ist für die Karzi-
nom-Stadieneinteilung: Erst ab einer Invasionstiefe über die Muscularis mucosae
hinaus in die Submukosa wird von einem invasivem Karzinom gesprochen, da die
lymphogene Aussaat ab hier zunimmt. Zellen der Lamina propria: Plasmazellen
(B-Zellen, produzieren überwiegend IgA), T-Lymphozyten (auch in Epithelschicht),
weniger Makrophagen, eosinophile Granulozyten und Gewebsmastzellen.
Die Submukosa besteht überwiegend aus kollagenem und retikulärem Bindege-
webe, Fettzellen, Blut- und Lymphgefäßen, Nervenfasern und Ganglienzellen. Es
folgt die innere Ring- und äußere Längsmuskelschicht (Muscularis propria) und
die Serosa. Im Bereich der Bauhin-Klappe ist die Ringmuskulatur ähnlich einem
Sphinkter verdickt und dient offenbar der periodisch kontrollierten Abgabe von
Dünndarminhalt in das Kolon, verhindert Rückfluss vom Kolon in den Dünndarm
und bildet so eine bakterielle Barriere.
Appendix: Der Wandaufbau entspricht dem des Dickdarms, weist jedoch mehr
Lymphfollikel in der Lamina propria auf. Das Epithel besteht aus Epithelzellen, Be-
cherzellen, neuroendokrinen Zellen (Serotonin – häufig Sitz von Karzinoiden).

Innervation Alle Darmabschnitte erhalten sympathische und parasympathische Nervenfasern


und sind so mit dem ZNS verbunden.
Duodenum: kranial vom Plexus coeliacus, kaudal vom Plexus mesentericus supe-
rior.
Dünndarm: parasympathische Fasern aus dem N. vagus, sympathische Fasern aus
dem oberen thorakalen Rückenmark.
Dickdarm: sympathische Fasern aus thorakalem Rückenmark, präganglionäre pa-
rasympathische Fasern für das proximale Kolon aus dem N. vagus, für das distale
Kolon aus dem Plexus sacralis (2.–4. Sakralsegment).
Der Plexus myentericus (Auerbach) scheint für Kolonmotorik, der Plexus submuco-
sus (Meißner) für die Regulierung der Sekretion zuständig zu sein.

Absorption von Wasser: im Dünndarm täglich passive Absorption von etwa 9 l Wasser mit Elektro-
Wasser und lyten und Verdauungsprodukten. 1–2 l Wasser erreichen den Dickdarm, ca. 100 ml
Elektrolyten werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Natriumionen sind die treibende und ent-
scheidende Kraft für die Flüssigkeitsabsorption.
Natrium: im Dünndarm elektrogener Na-Transport (durch so genannte Symporter:
Na-Glukose-Kotransport, Na-L-Aminosäuren-Kotransport) an der Bürstensaum-
membran vom Lumen in die Epithelzelle, intrazellulär Aufrechterhaltung einer
geringen Natriumkonzentration (14 mmol) durch aktiven Na-Transport (Na-K-AT-
Pase) nach extrazellulär (hohe Natriumkonzentration: 140 mmol) an der basola-
teralen Membran. Na-Kotransporter bleiben bei Durchfallerkrankungen erhalten
und sind so für die Rehydrierungstherapie essenziell (s. Kap. 4.13.1, Akute infek-
tiöse Enteritis). Im Kolon erfolgt Na-Absorption über amiloridsensitiven Na-Kanal,
der bei Entzündungen geschädigt wird, gleichzeitig nimmt die Permeabilität für
Kalium und Chlorid zu.
154  4 Darm

██ Endogene Stimuli der Natriumabsorption: Aldosteron, Glukokortikoide, alphaad-


renerge Agonisten, Enkephaline, Somatostatin, Angiotensin, Peptid YY, Neuro-
peptid Y, Prolactin, Wachstumshormon, kurzkettige Triglyzeride.
██ Pharmakologische Stimuli: Mineralo-/Glukokortikoide, Octreotid/Somatostatin,
Zyklooxygenase-Inhibitoren, Clonidin, Propranolol, Opiate, Lithium, Berberin.

Kalzium, Magnesium und Phosphat werden mittels 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3-


sensitivem Transporter absorbiert. Kalzium: Duodenum und proximales Kolon,
Verminderung durch Glukokortikoide; Magnesium: Ileum, Jejunum und Kolon;
Phosphat: Dünndarm.

Sekretion von Sekretorische Vorgänge in das Darmlumen finden in den Epithelzellen der Kryp-
Wasser und ten statt:
Elektrolyten Wasser und Elektrolyte: Chloridionen sind die treibende Kraft für die Flüssigkeits-
sekretion. Elektrogene Chloridsekretion am Bürstensaum entlang elektrochemi-
schem Gradienten (hohe intrazelluläre Konzentration). Physiologisch geringe Se-
kretion, bei sekretorischen Diarrhöen steigern cAMP und Kalzium die Permeabili-
tät für Chlorid und damit für Natrium und Wasser.
██Endogene und luminale Stimuli der Chloridsekretion: Prostaglandine, Leukotrie-
ne, Neuropeptide und Neurotransmitter (VIP, Sekretin, PHI, Substanz P, Neu-
rotensin, Gastrin, GIP, Motilin, Bombesin, Serotonin, Acetylcholin), Adenosin,
Guanylin, NO, freie Sauerstoffradikale, Bakterientoxine (E. coli, V. cholerae, Sal-
monellen, Shigellen, Yersinien, Clostridium-difficile-Toxin A), Gallensäuren, La-
xanzien, langkettige Triglyzeride.
██Stimulation der Bikarbonatsekretion: kurzkettige Fettsäuren.

Digestion und Kohlenhydrate: Speichel- und hauptsächlich Pankreasamylase spalten Polysac-


Absorption von charide zu Oligosacchariden, Maltotriose, Maltose und Dextrinen. Die im Bürsten-
Nährstoffen, saum lokalisierten Enzyme Laktase, Maltase, Sukrase-Isomaltase und Trehalase
Vitaminen (gering) führen zur Bildung von Monosacchariden (Glukose, Galaktose und Frukto-
und Spuren­ se). Glukose und Galaktose werden mit je 2 Na+ über den SGLT-1-Transporter in die
elementen Zelle aufgenommen. Insbesondere Laktasemangel (angeboren oder sekundär bei
einheimischer Zöliakie, Darminfektionen, Colitis ulcerosa etc.) ist häufig und führt
zu Laktoseintoleranz (s. Kap. 4.8). Mutationen im Na-Glukose-Transporter-Gen auf
Chromosom 22 führen zur familiären Glukose/ Galaktose-Malabsorption.
Fette: Langkettige Triglyzeride („long-chain triglycerides“, LCT; mit gesättigten
Fettsäuren: Oleat und Palmeat; ungesättigt = essenziell: Linol- und Linolensäu-
re) und Phospholipide sind Hauptbestandteil der Nahrungsfette. Fettdigestion
beginnt im Magen mit Emulgierung durch Phospholipide und durch Magenlipase
freigesetzte Fettsäuren. Im Duodenum Mizellbildung durch weitere Phospholipide,
Cholesterin und Gallensäuren, die den idealen Angriffspunkt für die Pankreaslipa-
se (zusammen mit Ko-Lipase, Bikarbonat, pH-Optimum >6) bilden. Es entstehen
langkettige Fettsäuren und Monoglyzeride, die größtenteils passiv durch die Bürs-
tensaummembran diffundieren. Triglyzeride werden im Duodenum und oberen
bzw. mittleren Jejunum absorbiert, Cholesterin entlang des gesamten Dünndarms.
Intrazellulär werden Fettsäuren, Monoglyzeride und Cholesterin reesterifiziert, an
Apoproteine gebunden und als VLDL oder Chylomikronen an der basolateralen Sei-
te der Enterozyten in die Lymphbahnen ausgeschleust (mittelkettige Triglyzeride
werden in das Portalsystem ausgeschleust).
Protein: Im Magen spaltet Pepsin Protein zu Peptiden und (wenig) Aminosäuren.
Die im Darmlumen aktivierten Pankreasproteasen Trypsin, Chymotrypsin, Elas-
tase, Carboxypeptidase A und B spalten Peptide weiter zu Aminosäuren, Di- und
4.1 Anatomie und physiologische Funktion  155

Tab. 4.1 Vitamine Tägliche Absorption


Absorption Aufnahme
wasser­löslicher
Vitamine Vitamin C (Ascorbinsäure) 40 mg Dünndarm: aktiver Na-Transporter
(Quelle: Marsh u. Folsäure 200–400 mg Dünndarm: nach Hydrolyse durch Folsäu­
Riley 1998). rekonjugase Aufnahme über Na-Trans­
porter; Hydrolyse inhibiert durch Ethanol,
Diphenylhydantoin, Sulfasalazin

Vitamin B12 (Kobalamin) 12 µg Terminales Ileum: Haptocorrin (R-Protein)


aus Speichel transportiert B12 ins Duode­
num, hier Bindung an Intrinsic Factor (aus
Parietalzelle des Magens), Absorption
über spez. Rezeptoren

Thiamine (B1) 1 mg Dünndarm: alle (außer Pyridoxin) mittels


spezifischem Na-abhängigem Transporter
Nikotinsäure 18 mg

Riboflavin 1,3 mg

Pantothensäure 3–7 mg

Biotin 10–200 µg

Pyridoxin 1,5 mg

Tripeptiden. Im Bürstensaum und intrazellulär lokalisierte Peptidasen spalten ab-


sorbierte Di- und Oligopeptide zu Aminosäuren. L-Aminosäuren werden mittels
Na-abhängigem Transporter absorbiert, Peptide mittels Oligopeptid-H+-Sympor-
ter. Etwa 60 % des Nahrungsproteins wird im oberen Dünndarm, bis zu 40 % im
Ileum absorbiert.
Wasserlösliche Vitamine: Tab. 4.1.
Fettlösliche Vitamine: alle fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K) werden im oberen
und mittleren Dünndarm zusammen mit Fett absorbiert (A, D, E, K2 durch passive
Diffusion, K1 mittels Transporter):
██ Vitamin A (Retinol): 700 µg tgl. Aufnahme
██ Vitamin D (Cholecalciferol): 10 µg tgl. Aufnahme
██ Vitamin E (-Tocopherol): >4 mg tgl. Aufnahme
██ Vitamin K: 1 µg/kg tägliche Aufnahme

Eisen: Absorption von Fe2+ (Fe3+ wird zu Fe2+ reduziert) durch divalenten Metall-
transporter DMT1 im oberen Dünndarm). Eisenaufnahme und -verlust beträgt
1 mg/Tag. Verminderte Absorption durch vermehrtes Eisenangebot; gesteigerte
Absorption bei Eisenmangel, Hypoxie, Schwangerschaft, gesteigerter Erythropo-
ese.
Spurenelemente: Zink, Kupfer, Selen, Iod sind lebenswichtige Spurenelemente,
deren Mangel bei Morbus Crohn, Kurzdarmsyndrom und anderen Dünndarmer-
krankungen mit Malabsorption auftreten kann.
Gallensäuren: s. Kap. 7.1, Anatomie und physiologische Funktion sowie Kap. ▶ Kap.
4.7, Gallensäureverlustsyndrom.

Barrierefunk­ Hauptaufgabe ist die Ausgrenzung luminaler infektiöser und toxischer Substan-
tion des Darms zen. Entscheidend sind intakte Zellmembranen und Tight Junctions, sowie das mu-
kosaassoziierte Immunsystem des Darms (größtes Kompartiment des Körpers für
156  4 Darm

Immunzellen, auch GALT: „gut associated lymphoid tissue“). Erkennung und Selek-
tionierung luminaler Substanzen erfolgt über M-Zellen, die z. B. infektiöse Antige-
ne aufnehmen und mittels Bindung an HLA-Antigene benachbarten Immunzellen
(T-Lymphozyten) der Peyer-Plaques präsentieren. Es folgt die T-Zell-Aktivierung
sowie Initiierung einer Immunreaktion, an der zahlreiche Zytokine und Mediator-
stoffe beteiligt sind. In den B-Lymphozyten des Darms wird überwiegend IgA ge-
bildet. Erkrankungen mit gestörter intestinaler Immunreaktion sind z. B. Morbus
Crohn, Colitis ulcerosa, Zöliakie, IgA-Mangel.

Motilität Dünndarm: der Nüchternzustand ist durch den „migrating motor complex“ (MMC)
charakterisiert, der postprandial ersetzt wird durch stationäre (80 %, Durchmi-
schung von Darminhalt) und propulsive Peristaltik (20 %, Transport des Darmin-
halts). Ein MMC-Zyklus dauert 1–3 h, besteht aus drei Phasen und beginnt 4–6 h
postprandial.
Dickdarm: hier treten Kontraktionswellen zirkadian (nachts weniger, tags mehr)
und prandial getriggert auf. Mehrmals pro Tag kommt es zu lumenobturierenden
Kontraktionen. Akute (infektiöse) Durchfallerkrankungen führen zu forcierter Mo-
tilität, chronische Durchfallerkrankungen können bei Hypomotilität (z. B. Morbus
Crohn) oder Hypermotilität (z. B. Reizdarmsyndrom) auftreten. Absorption, Sekre-
tion und Motilität beeinflussen sich wechselseitig über intrinsische Reflexbögen.

Literatur Marsh MN, Riley SA. Digestion and absorption of nutrients and vitamins. In: Feldmann M, Scharschmidt BF,
Sleisinger MH, eds. Gastrointestinal and liver disease. 6th ed. Philadelphia: Saunders; 1998: 1471–1500

4.2 Kongenitale Anomalien und anatomische Varianten

4.2.1 Meckel-Divertikel
Definition Aussackung des Dünndarms im Bereich des früheren (Embryonalzeit) omphalo-
mesenterialen Gangs, der den Darm mit dem fetalen Dottersack verbindet.

Patho­ Fehlender Verschluss des omphalomesenterialen Gangs, der normalerweise in der


mechanismus 7.–8. Gestationswoche erfolgt.

Pathologie Echtes Divertikel, das alle Wandschichten enthält, meist innerhalb 100 cm von der
Bauhin-Klappe entfernt. Größe: 1–10 cm, auch Riesendivertikel bis 100 cm lang
(Typ I) oder ovalär (Typ II). Beinhaltet in 50 % versprengtes atypisches Gewebe: Ma-
genmukosa, auch Helicobacter-pylori-Besiedlung möglich, exokrines Pankreas;
selten: Leber-, Kolonmukosa.

Epidemiologie Häufigste kongenitale Anomalie des Gastrointestinaltraktes. Autopsieserien: 2–3 %


Prävalenz; bei Männern 2- bis 3-mal häufiger mit Beschwerden.

Klinische Meistens asymptomatisch; in 4–40 % Beschwerden/Komplikationen, bei Kindern


Charakteristika häufiger als bei Erwachsenen
██Peranale Blutungen (okkult oder overt) aus Ulkus der Säure produzierenden
Mukosa im Divertikel
██Bauchschmerzen:
–– kolikartik, Stenosesymptomatik, Ileussymptomatik durch Intussuszeption,
Divertikeldrehung, Enterolithen, Neoplasie im Divertikel
–– Peritonitis durch Divertikulitis, Perforation
4.2 Kongenitale Anomalien und anatomische Varianten  157

Wegweisende
██ Darstellung des Divertikels: Röntgen-Dünndarm nach Sellink (Enteroklysma),
Diagnostik MR-Sellink
██ Blutung: wenn Gastroskopie/Koloskopie o. B.:Kapselendoskopie/Doppelballon-
Endoskopie (s. Kap. 1.9, Peranaler Blutabgang: Hämatochezie, Meläna, okkulte
Blutung), Angio-CT
██ Intussuszeption, Divertikulitis: Sonografie, CT
██ Technetiumszintigramm: nur Nachweis ektoper Magenschleimhaut (Mukuszel-
len sezernieren Technetium)

Zusatz­ Angiografie in Einzelfällen (Blutungsdiagnostik)


diagnostik

Differenzial­ ██ Blutung: andere Blutungsursachen


diagnose ██ Obstruktion: Tumor, entzündliche Darmerkrankung, Appendizitis, Divertikuli-
tis, Differenzialdiagnose mechanischer Ileus

Therapie Operative Entfernung bei Blutung, obstruktiver Symptomatik, Divertikulitis, Tu-


mor.

Verlauf Häufig asymptomatischer Verlauf; cave: jedoch mögliche Komplikationen: Blu-


tung, Obstruktion, Perforation, Divertikulitis.

Langzeit­ Tumor im Divertikel: Karzinoid, Leiomyom, Leiomyosarkom, GIST u. a.


komplikationen

Literatur Nies et al. Carcinoid tumors of Meckel’s diverticula. Report of two cases and review of the literature. Dis
Colon Rectum 1992; 35: 589
Elsayes K et al. Imaging Manifestations of Meckel´s Diverticulum. AJR 2007; 189: 81–88

4.2.2 Volvulus
Definition Drehung eines Darmsegments um die eigene Achse mit Abklemmung des Mesen-
terialstiels und dadurch bedingten Komplikationen.

Ätio­ Prädisposition: stark luftgefüllte, hypomotile Darmsegmente mit kurzem Mesen-


pathogenese terialstiel; Obstipation, Laxanzienabusus, Hypomotilität des Kolons.

Epidemiologie 10 % aller Kolonobstruktionen, davon:


██Sigmavolvulus: 60 % aller Volvulusformen; Vorkommen: meist ältere, bettläge-
rige Patienten
██Zökumvolvulus: 20 % aller Volvulusformen, meist jüngere mit Coecum mobile

Klinische Akut: Zeichen der Darmobstruktion bzw. Gangrän: heftige Bauchschmerzen,


Charakteristika Stuhlverhalt, Erbrechen, Peritonitis im Verlauf, peranaler Blutabgang.
Chronisch: Bauchschmerzen, Durchfall oder Obstipation, Bauchumfangszunahme;
entsprechend rezidivierende Verläufe.

Wegweisende Röntgen-Abdomen-Übersicht:
Diagnostik ██Sigmavolvulus: isolierte, charakteristisch „aufgestellte“ , teils grotesk dilatierte
Kolonschlinge, „coffee-bean-sign“
██Zökumvolvulus: luftgefülltes, distendiertes Zökum im linken Oberbauch (nur
30 % der Patienten), Zeichen des tief sitzenden Dünndarmileus, fehlende Luft im
aboralen Kolon
158  4 Darm

Zusatz­
██ CT-Abdomen mit retrogradem Kontrastmittel: Dilatation der betroffenen Darm-
diagnostik schlinge (bis >10 cm möglich), X-förmige Verdrehung der betroffenen und da-
durch obstruierten Darmsegmente
██ Retrograder Kontrasteinlauf (nur im Initialstadium, nicht bei Peritonitis)

Differenzial­ Obstruktionen anderer Genese.


diagnose

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie Sigmavolvulus: Sigmoidoskopie mit flexiblem Endoskop: Versuch der Dekompres-


sion und Beseitigung des Volvulus (ca. 45 % Rezidive) – jedoch nur wenn keine Zei-
chen der Peritonitis bzw. Gangrän vorliegen.
Anschließend sowie bei Peritonitis, Darmwand-Ischämie/-Gangrän sowie als pri-
märe Therapie bei Zökumvolvulus: operative Resektion des betroffenen Darmab-
schnitts bzw. als Minimaleingriff: laparaskopisch-assistierte Sigmoidopexie (Sig-
mavolvulus).

Verlauf Mortalität abhängig vom Ausmaß der Darmwandischämie.

Literatur Levsky J et al. CT finding of sigmoid volvulus. AJR 2010; 194: 136–143

4.2.3 Weitere Anomalien und Fehlbildungen


██ Malrotation

Definition Sehr seltene inkomplette Rotation des Dünn- und Dickdarms unterschiedlicher
Ausprägung während der Embryogenese mit mangelnder Fixation der Darmantei-
le im Abdomen und dadurch erhöhter Gefahr von Volvulus bzw. Obstruktion.

Pathologie Situs inversus partialis oder totalis: Die einzelnen Dünn- und Dickdarmanteile lie-
gen atypisch (z. B. Dünndarm rechts, Kolon links; Zökum unter der Leber oder sub-
pylorisch).

Klinische Beim Erwachsenen in der Regel Zufallsbefund.


Charakteristika

██ Coecum mobile

Definition Zökum haftet retroperitoneal nicht an.

Epidemiologie Diagnosestellung zu 50–80 % während des Kleinkindalters.

Assoziierte Darmatresien und Stenosen, Omphalozele, Zwerchfellhernie, angeborene Herzer-


Erkrankungen krankungen.

Klinische ██ Kinder: Zeichen der intestinalen Obstruktion, peranaler Blutabgang, Obstipation


Charakteristika ██ Erwachsene: Präsentation mit Volvulus, s. Kap. 4.2.2, Volvulus (mechanische
Obstruktion)
4.2 Kongenitale Anomalien und anatomische Varianten  159

Wegweisende
██ Röntgen-Abdomenübersicht: Zeichen der Darmobstruktion, Überblähung
Diagnostik
██ Enteroklysma oder CT-Abdomen: abnorme Zökumlage (u. U. linker Oberbauch),
Verdrehung des betroffenen Darmabschnitts

Zusatz­ Abdomen-Ultraschall, CT-Abdomen: Darmobstruktion, Differenzialdiagnose ent-


diagnostik zündliche Darmerkrankung, Tumor, Lymphome.

Differenzial­ Andere Ursachen für mechanische Obstruktion.


diagnose

Therapie Operation: Indikation sowohl akuter Volvulus als auch chronisch rezidivierende
Beschwerden.

Verlauf Bei protrahiertem präoperativem Verlauf sind aufgrund chronischer Motilitätsstö-


rung auch postoperativ Beschwerden häufig (Übelkeit, Erbrechen).

Literatur Sheridan R. Nonrotation of the midgut presenting in the adolescent and adult. Am J Gastroenterol 1989; 84:
670
Rosenblat J et al. Findings of cecal volvulus at CT. Radiology 2010; 256: 169–175

██ Duplikaturen

Definition Seltene zystische Anomalie, die eine Duplikatur eines Abschnitts des Verdauungs-
kanals – bevorzugt des Dünndarms – darstellt, mit oder ohne Anschluss an das ei-
gentliche Darmlumen.

Pathogenese Unbekannt; Hypothesen: intrauterine Ischämie, abortive Zwillingsbildung, aber-


rante Rekanalisation des Darms während der Morphogenese.

Pathologie Ausgekleidet meistens mit intestinaler Mukosa, seltener möglich ist aber auch ek-
tope Schleimhaut aus Magen, Pankreas, Plattenepithel; Schilddrüse, Bronchialsys-
tem.

Assoziierte Intestinale Atresie.


Erkrankungen

Klinische Diagnosestellung meist im (Klein-)Kindesalter: Bauchschmerzen, Erbrechen, pera-


Charakteristika nale Blutung, Zeichen der Obstruktion.

Wegweisende ██ Röntgen-Dünndarm nach Sellink: Duplikatur nur sichtbar, wenn sie mit Darm-
Diagnostik lumen kommuniziert.

Zusatz­ Abdomen-Ultraschall bzw. CT-Abdomen: zystische Struktur (im Erwachsenenal-


diagnostik ter: Zufallsbefund – maligne Entartung beschrieben, insbesondere bei rektalen Du-
plikaturen).

Differenzial­ Obstruktion bzw. Blutung anderer Genese.


diagnose

Therapie Operative Entfernung; Indikation bei Beschwerden bzw. bei rektalen Duplikaturen
immer.
160  4 Darm

Verlauf Blutungen bzw. Obstruktionen können auftreten (vgl. Klinische Charakteristika),


als Langzeitkomplikationen sind Karzinoide oder karzinomatöse Entartung mög-
lich.

Literatur Blank G et al. Adenocarcinoma arising in a cystic duplication of the small bowel: case report and review of
literature World J Surg Oncol 2012; 10: 55

██ Intestinale Atresien und Stenosen

Definition Atresie, d. h. komplette Okklusion, bzw. Stenose, d. h. partielle Okklusion des


Darmlumens.

Patho­ Hypothesen: intrauterine Ischämie durch z. B. Volvulus, Invagination, arterieller


mechanismus Verschluss; Ergotamineinnahme der Mutter; neonatale Immunschwäche.

Pathologie ██ Lokalisation: möglich von Ösophagus bis Rektum


██ Typ I: Membran bzw. Septum aus Mukosa bzw. Submukosa obstruiert das Lu-
men
██ Typ II: zwei blind endende Darmlumina, verbunden mit einem fibrösen Strang
██ Typ IIIa: zwei blind endende Darmlumina mit separiertem Mesenterium
██ Typ IIIb: Atresie des proximalen Dünndarms, Abwesenheit der distalen A. me-
senterica superior
██ Typ IV: multiple Atresien entlang dem Dünndarm

Genetik Fraglich autosomal-rezessiv, familiäre Häufung beschrieben.

Epidemiologie Häufige Ursache für intestinale Obstruktion beim Neugeborenen; Inzidenz: 1:3000
bis 1:5000.

Assoziierte Bei Duodenalatresie: Down-Syndrom, Malrotation des mittleren Darms, Ösopha-


Erkrankungen gusatresie, Pankreas anulare, verschlossener Anus, intrauterine Wachstumsretar-
dierung.

Klinische Polyhydramnion des Fetus; Neugeborene: Zeichen der Obstruktion innerhalb der
Charakteristika ersten 3 Tage, Ikterus bei sehr kranieller Atresie.

Wegweisende Fetaler Ultraschall; post partum: Röntgen-Abdomenübersicht (Spiegel), Abdo-


Diagnostik men-Ultraschall.

Zusatz­ Kolonkontrasteinlauf.
diagnostik

Differenzial­ Morbus Hirschsprung, Malrotation, Mekoniumileus, Duplikatur, Invagination, Me-


diagnose ckel-Divertikel.

Therapie Primär chirurgische Intervention (cave: multiple Atresien möglich).

Verlauf Mortalität: 11–17 %; Prognose abhängig von Begleitzuständen: weitere Anomali-


en, Sepsis, Leberversagen, Thrombose.

Langzeit­ Kurzdarmsyndrom.
komplikationen
4.2 Kongenitale Anomalien und anatomische Varianten  161

Wesson D. Congenital anomalies. In: Walker WA, (ed.) Pediatric gastrointestinal disease: pathophysiology,
Literatur
diagnosis, management. Philadelphia: Decker; 1991: 477

██ Gastroschisis

Definition Intrauterin sich entwickelnder Bauchwanddefekt, durch den unterschiedlich gro-


ße Darmanteile und andere Organe heraustreten.

Patho­ Hypothese: zeitliche Diskordanz der Gefäßversorgung der rechten Bauchwand bei
mechanismus zu früher oder zu später Involution der rechten Umbilikalvene.

Pathologie Bauchwanddefekt meist rechts neben dem regelrecht verschlossenen Nabel-


ring, durch den z. T. große Anteile der abdominellen Organe ohne Membran oder
Bruchsack austreten. Der Darm ist mit Amnionflüssigkeit in Berührung gekom-
men, häufig verdickt, mit Auflagerungen.

Epidemiologie 1:5 000 bis 1:14 000, häufig Frühgeburten.

Assoziierte Nonrotation, Malrotation, Darmatresien.


Erkrankungen

Klinische Herniation abdomineller Organe vor die Bauchwand.


Charakteristika

Wegweisende Pränatal: Sonografie.


Diagnostik

Therapie Operativer Verschluss der Hernie unmittelbar postpartal.

Verlauf Überlebensrate 70–90 %.

Langzeit­ Motilitätsstörungen, Kurzdarmsyndrom bei Notwendigkeit ausgedehnter Darmre-


komplikationen sektion.

██ Omphalozele

Definition Vollständiger Defekt der vorderen Bauchwand und dadurch bedingte Herniation
von Darm und anderen Organen vor die Bauchwand.

Patho­ Persistenz des Bauchstiels und der physiologischen Nabelhernie; fragliches Risiko:
mechanismus Schwangerschaftstoxikose.

Pathologie Die hernierten Organe sind von Peritoneum parietale überzogen, die äußere Mem-
bran besteht aus Amnion, der Zwischenraum wird von mesenchymalem Bindege-
webe gefüllt. Die Nabelschnur geht direkt in den Bruchsack über.

Genetik Chromosomenaberrationen in 5–40 %, meistens Trisomie 13 oder 18; Beckwith-


Wiedemann-Syndrom (Makroglossie, Makrosomie, Viszeromegalie).

Epidemiologie Vergleichbar Gastroschisis.


162  4 Darm

Assoziierte Weitere Anomalien in zwei Dritteln der Fälle: kardiale Fehlbildungen (ca. 50 %),
Erkrankungen Malrotation, Darmatresien.

Klinische Bruchsack in typischer Position.


Charakteristika

Therapie Operative Korrektur.

Prognose Schlecht wegen zusätzlicher Anomalien: ca. 25 % Totgeburten; 45 % sterben früh


nach der Geburt.

Literatur Meller JL et al. Gastrochisis and omphalocele. Clin Perinatol 1989; 16: 113

██ Imperforierter Anus

Definition Kongenital fehlende Analöffnung. Einteilung nach Lagebeziehung des Rektums


zum M. levator ani:
██hohe Läsion: Mündung des Rektums in die prostatische Harnröhre beim Jungen,
m>w
██untere Läsion: Mündung des Rektums blind oder als Fistel in Perineum oder
Vagina, w>m

Klinische Mekoniumileus, sofern keine Fistel vorhanden bzw. sakrale und genitourethrale
Charakteristika Anomalien, wenn verbunden mit anderen Anomalien (50 %).

Wegweisende Neugeborenenuntersuchung; Fisteldarstellung, besser: MRT des Beckenbodens.


Diagnostik

Therapie ██ untere Läsionen mit Fistelbildung: Fisteldehnung häufig ausreichend


██ hohe Läsion: initial Kolostoma, später operative Rekonstruktion (70–80 % Erfolg).

██ Dolichokolon

Definition Abnorm langes, geschlängeltes Kolonsegment (meistens Sigma) ohne eigentlichen


Krankheitswert.

Klinische Obstipationsneigung (Motilitätsstörung).


Charakteristika

Therapie Therapie der Obstipation; nur bei anhaltenden Beschwerden Resektion erwägen.

██ Chilaiditi-Syndrom

Definition Interposition des rechtsseitigen Kolons zwischen Leber und Zwerchfell.

Klinische Meistens asymptomatisch; Druckgefühl im rechten Oberbauch, Obstipation.


Charakteristika

Therapie Keine.
4.3 Dünndarmdivertikel  163

4.3 Dünndarmdivertikel

Siehe auch Kap. 3.2.1, Divertikel von Magen und Duodenum.

Definition Erworbene, solitär oder multipel auftretende Ausstülpungen der Mukosa und Sub-
mukosa (Pseudodivertikel) oder der gesamten Darmwand (selten, meist Meckeldi-
vertikel) nach extraintestinal, sehr selten intraluminal (nur im Duodenum).

Patho­ Durch intraluminale Druckerhöhung sich ausbildende Herniationen entlang von


mechanismus Schwachstellen der Darmwand (Durchtrittsstellen der Blutgefäße, im Bereich der
Papilla vateri).

Pathologie Duodenal häufiger als jejunal; Durchmesser variabel von wenigen Millimetern bis
zu 10 cm; 75 % der Duodenaldivertikel liegen 2 cm von der Papille entfernt (juxta-
papilläres Divertikel), im Jejunum Divertikel meist proximal, selten bis ins Ileum.

Assoziierte ██ Duodenaldivertikel: gehäuftes Auftreten von Gallengangsteinen (Pigmentstei-


Erkrankungen nen), Pankreatitis, Cholangitis, Verschlussikterus
██ bakterielle Fehlbesiedlung der Divertikel, dadurch Diarrhö
██ intestinale Motilitätsstörung: progressive systemische Sklerose, Myasthenia
gravis, viszerale Myopathien (muskuläre Atrophie und Fibrose) und viszerale
Neuropathien (s. Kap. 4.33, Angeborene und erworbene Innervations- und Mo-
tilitätsstörungen des Darms)

Klinische Häufig asymptomatisch (ca. 40 %), Zufallsbefund; keine eindeutig wegweisenden


Charakteristika Symptome
██Duodenal-Divertikel/juxtapapilläres Divertikel/Papille im Divertikel: Bauch-
schmerzen, Ikterus, Fieber durch Cholangitis, Choledocholithiasis, Pankreatitis;
rezidivierende Bauchschmerzen
██Divertikel im Jejunum/Ileum: Durchfall (bakterielle Fehlbesiedlung), Fieber/
Bauchschmerzen (Divertikulitis, Perforation), Blutung

Wegweisende ██ CT-Abdomen, ggf. Angio-CT: KM-gefüllte Divertikel, Divertikulitis, Perforation,


Diagnostik Blutung
██ Enteroklysma: lediglich Divertikeldarstellung, Zufallsbefund

Zusatz­ ██ Sonografie: Diagnose schwierig, Verwechslung mit Pankreaszyste bzw. -tumor,


diagnostik andere Raumforderungen möglich
██ Endoskopie: Duodenaldivertikel, ERCP
██ Kapselendoskopie, Ballonendoskopie ?
██ Glukose-H2-Atemtest: (bakterielle Fehlbesiedlung)

Therapie­ Bei rezidivierenden oder chronischen Beschwerden sowie bei Komplikationen.


indikation

Therapie Behandlung der bakteriellen Fehlbesiedlung: s. Kap. 4.4.


Behandlung der Divertikulitis: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg für 5–10 Tage, Met-
ronidazol 3-mal 400 mg für 5–10 Tage (empirisch, analog Kolondivertikulitis), s.
Kap. 4.30.1.
Operative Intervention: nur bei Komplikationen (Blutung, Perforation) angezeigt.
Therapie von Duodenaldivertikulitis u. U. schwierig, da Resektion im Einzelfall nur
unter Mitnahme von Pankreas möglich.
164  4 Darm

Verlauf Häufig asymptomatisch; Jejunaldivertikel häufiger symptomatisch als Duodenaldi-


vertikel, fast immer konservative Behandlung möglich.

Langzeit­ Bakterielle Fehlbesiedlung mit Malabsorption, Divertikulitis, Divertikeldrehung,


komplikationen Obstruktion, chronische Motilitätsstörungen mit Pseudoobstruktion, Ileus, Perfo-
ration.

Literatur Albert JG et al. Die Divertikelkranheit des Dünndarms im Zeitalter der Dünndarmendoskopie. Z Gastroente-
rol 2009; 47: 674–681
Mantas D. et al. Small intestine diverticula: Is there anything new? W J Gastrointest Surg 2011; 3: 49–53

4.4 Bakterielle Fehlbesiedlung

Definition Überwucherung des oberen Gastrointestinaltraktes, insbesondere des Dünndarms,


mit Bakterien, Pilzen oder Protozoen (small intestinal bacterial overgrowth, SIBO).

Patho­ ██ Wenig gesichert, gestörte defensive Mechanismen? Häufig Anaerobier


mechanismus ██ Stase von Darminhalt: postoperativ z. B. „blind-loop“, Kurzdarm; Stenosen (z. B.
Morbus Crohn, post Radiatio, Anastomose, Tumor); Dünndarmdivertikel
██ Motilitätsstörungen: Diabetes mellitus, Sklerodermie, post Radiatio, chronisch
intestinale Pseudoobstruktion, Amyloidose, lang dauernde motilitätshemmen-
de Medikation (Opiate, Anticholinergika)
██ Fistelbildung zwischen oberem und unterem Gastrointestinaltrakt, Resektion
der Bauhin-Klappe (Keimaszension aus dem Kolon)
██ Immuninkompetenz: AIDS, Steroidtherapie, immunsuppressive Therapie,
Hypo-/Agammaglobulinämie
██ multifaktoriell: chronische Pankreatitis, Leberzirrhose, Alkoholismus, terminale
Niereninsuffizienz; ältere, bettlägerige Menschen

Pathologie Histologisch sehr variabel: sehr geringe entzündliche Infiltration bis subtotale Zot-
tenatrophie des Dünndarms.

Assoziierte S. auch Pathomechanismus


Erkrankungen ██ Fraglich: Reizdarmsyndrom, Restless-legs-Syndrom
██ Keine Assoziation nachgewiesen: PPI

Klinische Durchfall, Gewichtsabnahme, Blähungen, Bauchschmerzen, Fieber, Malabsorpti-


Charakteristika onssyndrom, makrozytäre Anämie.

Wegweisende Anamnese: praktisch keine spontane Erkrankung ohne zugrunde liegende Ursa-
Diagnostik che; siehe Pathomechanismus
Erregerkultur: im duodenalen bzw. jejunalen Aspirat; Goldstandard (aber auch
Fehlerquote, da Kontamination oder Ort der bakteriellen Fehlbesiedlung weiter di-
stal und somit nicht erreicht)
Glukose-H2-Atemtest: Bakterien im Dünndarm spalten Glukose unter Bildung von
H2, bevor Glukose resorbiert werden kann (s. Kap. 14.2, Glukose-H2-Atemtest)

Zusatz­ MR-Enteroklysma, (Röntgen-Sellink), CT-Abdomen bei Verdacht auf Dünndarmdi-


diagnostik vertikel, postoperative Veränderungen, Stenosen bei Morbus Crohn, Tumor, Fisteln
██Sonografie Pankreas, Darm, Leber
4.5 Malabsorptionssyndrom  165

██ Abklärung Diabetes mellitus, exokrine Pankreasinsuffizienz und Malabsorption,


Eiweißverlustsyndrom

Differenzial­ Sämtliche Durchfallerkrankungen (s. Kap. 1.13, Diarrhö).


diagnose

Therapie­ Bei Beschwerden, Folgeerscheinungen.


indikation

Therapie ██ bei Nachweis von spezifischem Agens entsprechend Antibiogramm


██ empirisch/traditionell ohne Nachweis eines Agens: Doxycyclin 1-mal 100 mg
über 10 Tage oder Metronidazol 2-mal 500 mg/Tag (Resistenzentwicklung),
Amoxicillin-Clavulansäure 2-mal 850 mg/5–10 Tage oder Norfloxacin 2-mal
400 mg/Tag. So genannte „rotierende“ Schemata werden empfohlen, keine gute
Studienlage
██ Rifaximin 3-mal 400 mg in einer plazebokontrollierten Studie wirksam, bislang
keine Zulassung in Deutschland für diese Indikation
██ Nach Möglichkeit Beseitigung der Ursache anstreben

Verlauf In mehr als 90 % Ansprechen auf Amoxicillin-Clavulansäure; Rezidive häufig, wenn


ursächlich assoziierte Erkrankung fortbesteht.

Langzeit­ Dauerhafte Fehlbesiedlung bei AIDS, verbleibenden anatomischen Veränderungen


komplikationen oder Motilitätsstörungen.

Literatur Bouhnik et al. Bacterial populations contaminating the upper gut of patients with small intestinal bacterial
overgrowth syndrome. Am J Gastroenterol 1999; 94: 1327
Stein JM, Schneider AR. Bakterielle Fehlbesiedlung. Z Gastroenterol 2007; 45: 620–628

4.5 Malabsorptionssyndrom

Definition Störung bzw. Fehlen der Absorption einzelner oder multipler Nahrungsendpro-
dukte (im Dünndarm); s. auch Kap. 1.13, Chronische Diarrhö, inkl. Algorithmus.

Patho­ Störung in verschiedenen Bereichen möglich, isoliert oder kombiniert:


mechanismus ██luminales und mukosales Processing von Nahrungsbestandteilen: mangeln-
de Digestion (z. B. exokrine Pankreasinsuffizienz; selten: Gastrinom mit Inak-
tivierung von Pankreasenzymen durch Magensäure; Laktasemangel, sonstiger
Enzymmangel, bakterielle Fehlbesiedlung, Gallensäuremangel bei chronischer
Cholestase bei primär biliärer Zirrhose); Malabsorption und Maldigestion wer-
den auch unter dem Begriff Malassimilation zusammengefasst
██Fehlfunktion spezifischer Transporter (angeboren oder erworben)
██Verminderung der resorptiven Dünndarmoberfläche: nach Resektion, auch
Kurzdarmsyndrom: <1 m Dünndarm erhalten (s. Kap. 4.6); enteroentera-
le Fistel mit Ausschaltung langer Dünndarmstrecken; im Rahmen ausgedehn-
ter entzündlicher Erkrankungen: Morbus Crohn, Zöliakie, Morbus Whipp-
le, Lamblieninfektion; Lymphom, chronischer Strahlenschaden; eosinophile
Gastroenteritis,chronisch mesenteriale Ischämie: arteriosklerotisch/entzünd-
lich (Darmbefall bei Vaskulitiden, Kollagenosen), selten: AIDS, Cronkhite-Cana-
da-Syndrom, „microvillus inclusion disease“
██Abflussbehinderung: Abetalipoproteinämie, intestinale Lymphangiektasie, me-
senteriale/intestinale Tbc
166  4 Darm

Pathologie Histologische Veränderungen des Dünndarms entsprechend der zugrunde liegen-


den erworbenen oder angeborenen Erkrankung (z. B. Zöliakie, Morbus Whipp-
le, Abetalipoproteinämie u. a.); Auswirkungen auf Malabsorption einzelner Nah-
rungsendprodukte entsprechend der physiologischen Absorptionslokalisation (s.
Kap. 4.1, Anatomie und physiologische Funktion).

Genetik Transporterdefekte, angeborener Disaccharidasemangel (Galaktose-Glukose, Lak-


tase), Abetalipoproteinämie (autosomal-rezessiv).

Epidemiologie Etwa 5 % der Patienten mit Durchfällen von mehr als 4 Wochen Dauer leiden an ei-
nem Malabsorptionssyndrom.

Klinische Klassische klinische Symptome: Durchfall unterschiedlichen Ausmaßes, evtl. Ste-


­Charakteristika atorrhö, Blähungen, ungewollter Gewichtsverlust, Schwäche, Adynamie, Eiweiß-
und mangelödeme (auch Gesicht, obere Extremität, Aszites, Pleuraerguss), Knochen-
weg­weisende schmerzen durch Osteoporose/-malazie, Frakturen (Hypokalzämie/Vitamin-D-
Diagnostik Mangel), Blutungsneigung (Vitamin-K-Mangel).
Häufig bestehen nur 1 oder wenige Symptome.
Weitere Symptome: Bauchschmerzen, Anämie (Eisen- und/oder Vitamin-B12-
Mangel, Folsäuremangel), Nachtblindheit (Vitamin-A-Mangel), Parästhesien, Mus-
kelkrämpfe/Tetanien (Hypokalzämie), Mundbrennen, Stomatitis (Eisen-, B12-, Fol-
säuremangel).
Anamnestische Hinweise:
██vorausgegangene Darmoperation oder bestehende Erkrankung: Morbus Crohn,
Pankreaserkrankung, Zöliakie, Morbus Whipple, Osteoporose, Frakturen; Reisen
██Gewichtsverlust trotz gleich bleibender oder gesteigerter Nahrungsaufnahme
(nachfragen!)
██Stuhlanamnese: breiige, fettige Stühle → Steatorrhö, auch voluminös, übel rie-
chend
██Blähungen, Bauchschmerzen (Kohlenhydratmalabsorption)
██Unverträglichkeit von Milch- und Milchprodukten (Laktasemangel)
██Alkoholkonsum (Mangelernährung, exokrine Pankreasinsuffizienz)
██Andere ischämische Erkrankungen: KHK, pAVK etc.

Laborchemische Untersuchungen: bei Verdacht auf Malabsorption: Blutbild, Fer-


ritin, Vitamin B12, Folsäure, Protein, Albumin, Kalzium, INR, Protein im Urin. Ent-
sprechend klinischen Symptomen:
██ Ödeme, Aszites, Pleuraerguss, Muskelatrophie: Proteinmangel, Hypoproteinä-
mie, Hypalbuminämie; Differenzialdiagnose:
–– Mangelernährung: Anamnese! Dies ist bei alten Menschen häufige Ursache.
–– mangelnde Absorption: Eiweißausscheidung im Urin nicht vermehrt!
–– mangelnde Albuminsynthese: Leberzirrhose
–– intestinaler Eiweißverlust: langstreckige entzündliche Erkrankungen, z. B.
Morbus Crohn, Lymphom, exsudative Enteropathie: α1-Antitrypsin-Clearance
–– renaler Eiweißverlust: Ausschluss intestinale Ursache
██ Durchfall, Steatorrhö (s. auch Kap. 1.13, Diarrhö): Stuhlvisite durchführen, Vor-
gehen stark von Anamnese abhängig, Ursache einer malabsorptionsinduzierten
Diarrhö/Steatorrhö kann nicht durch Stuhluntersuchung diagnostiziert werden
██ Anämie: Hb, Hk
–– mikrozytär, hypochrom: Eisenmangel, Serumferritin erniedrigt, isoliert z. B.
bei Zöliakie, Erkrankungen des Jejunums
4.5 Malabsorptionssyndrom  167

–– makrozytär: Vitamin-B12-/Folsäuremangel, Serumspiegel erniedrigt, isoliert


z. B. bei atropher Gastritis, Erkrankungen des Ileums
██ Knochenschmerzen, Osteoporose, Frakturen, Tetanien, Parästhesien:
–– Vitamin-D-Mangel: 1,25(OH)2-Cholecalciferol im Serum erniedrigt
–– Hypokalzämie: Serumkalzium und 24-h-Ausscheidung von Kalzium ernied-
rigt, alkalische Phosphatase evtl. erhöht, Parathormon sekundär erhöht
██ Hämatome, Blutungsneigung: Vitamin-K-Mangel: INR erhöht, Vitamin-K-ab-
hängige Gerinnungsfaktoren erniedrigt
██ Nachtblindheit, follikuläre Hyperkeratose: Vitamin-A-Mangel: β-Carotin im
Serum erniedrigt
██ Akrodermatitis, schmerzlose Glossitis, Cheilose: Vitamin-B-Mangel
██ andere Hautveränderungen: Dermatitis herpetiformis (Zöliakie), Erythema no-
dosum (chronisch entzündliche Darmerkrankungen), Akrodermatitis (Zinkman-
gel z. B. bei Morbus Crohn)
██ Endoskopie mit Duodenal/Dünndarmbiopsien: multiple Biopsien an verschie-
denen Stellen, da uneinheitliche Befallsmuster möglich; beim Pathologen auch
gezielt nachfragen, da z. T. spezielle Färbungen notwendig (Zöliakie, Morbus
Whipple, Amyloidose, Abetalipoproteinämie, Agammaglobulinämie, eosinophi-
le Enteritis, Mastozytose, Morbus Crohn, intestinale Lymphangiektasie, intesti-
nales Lymphom, AIDS-Enteropathie, Kryptosporidien, Mikrosporidien, kollage-
ne Zöliakie, tropische Zöliakie, Lambliasis).

Zusatz­ Steatorrhö: Untersuchung auf Stuhlfettausscheidung: 3 Tage Stuhl sammeln, an-


diagnostik schließend Fettbestimmung. Problem: Stuhlsammeln, Bestimmung nur in weni-
gen Labors möglich, Ursache nicht eindeutig (pankreatogen oder intestinale Ur-
sache möglich); alternativ: 13C-Triolein-Test. Falls Steatorrhö vorhanden, muss die
Ursache weiter abgeklärt werden, d. h. Differenzialdiagnostik muss sich in jedem
Fall anschließen. Daher pragmatisches Vorgehen: in der Regel verzichtbare Diag-
nostik, da Malabsorption/Steatorrhö anderweitig geklärt wird.
Pankreatogene Ursache: s. auch Kap. 11 Pankreasfunktionstests
██Elastase-Ausscheidung im Stuhl
██Sonografie des Pankreas: Verkalkungen, Pankreasgangerweiterung, Tumor mit
Obstruktion des Pankreasgangs
Intestinale Ursache:
██Sonografie des Abdomens: Darm (wandverdickte Dünndarmschlingen, Morbus
Crohn mit/ohne enteroenterale Fisteln mit funktionellem Kurzdarm, patholo-
gische Darmfüllung, „Waschmaschinenphänomen“ bei Zöliakie), abdominelle
Lymphome (malignes Lymphom, Yersinienenteritis), Leber, Aszites, Pleuraerguss
██Dünndarmdarstellung: MR-Enteroklysma mit Aussage über Umgebung: diffuses
Lymphom, Dünndarmdivertikel, Morbus Crohn, enteroenterale Fisteln (alterna-
tiv: Röntgen-Dünndarm nach Sellink, geringere Aussagekraft)
██Kapselendoskopie bzw. Ballonendoskopie: nur bei konkretem Verdacht, der an-
ders nicht bestätigt werden kann z. B. Morbus Crohn oder Lymphom im Jejunum
██Laktose-H2-Atemtest: Laktasemangel (s. Kap. 4.8)
██Glukose-H2-Atemtest: bakterielle Fehlbesiedlung (s. Kap. 4.4)
██Schilling-Test: Vitamin-B12-Resorptionsstörung; direkter und indirekter Test (sel-
ten indiziert)
██SeCAT-Test: Gallensäureverlustsyndrom (s. Kap. 4.7)

Therapie­ Bei klinischer Symptomatik und bei klinischen und laborchemischen Mangeler-
indikation scheinungen.
168  4 Darm

Therapie
██ Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung (in der Regel dadurch kausale The-
rapie möglich)
██ Substitution der fehlenden Nahrungsbestandteile: Eisen oral oder intravenös
(z. B. Venofer 100–400 mg/Woche i. v.), Vitamine (fettlösliche und Vitamin B12/
Folsäure) oral, selten intravenös erforderlich; Zinksubstitution oral/i. v.; Ersatz
von Spurenelementen (z. B. Biometalle, fraglich)
██ Substitution von Pankreasenzymen bei exokriner Pankreasinsuffizienz
██ Adaptation der Nahrungsaufnahme (ausführliche Ernährungsberatung):
–– bei exokriner Pankreasinsuffizienz, Morbus Crohn: Reduktion langkettiger
Triglyzeride
–– bei absolutem oder funktionellem Kurzdarmsyndrom mit Steatorrhö: Ersatz
langkettiger durch mittelkettige Triglyzeride (MCT-Fette)
–– bei Zöliakie: glutenfreie Kost; bei Laktoseintoleranz: Meiden von Laktose,
ggf. Einnahme von Laktaseenzymkapseln
–– bei Gallensäureverlustsyndrom: Colestyramin 3-mal 2–4 g/Tag
–– bei Kurzdarmsyndrom: u. U. lebenslange parenterale Substitution und/oder
Ernährung notwendig

Langzeit­ Komplikationen bedingt durch persistierende Mangelzustände (s. klinische Cha-


komplikationen rakteristika); bei Zöliakie: Lymphom bzw. Karzinom.

Selbsthilfe Selbsthilfegruppen s. spezifische Krankheitsbilder.

Literatur Mason JB, Milovic, V. Malabsorption – Clinical features and diagnosis of malabsorption. www.Uptodate.com
version 19.2, 2011

4.6 Kurzdarmsyndrom

Definition Echte Verkürzung (nach Darmteilresektion) oder funktionelle Verkürzung des


Dünndarms (z. B. Morbus Crohn mit ausgedehntem Dünndarmbefall) mit Reduk-
tion auf weniger als 1–2 m Länge und daraus resultierendem Malabsorptionssyn-
drom (s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom).

Patho­ Dünndarmresektion aufgrund von: Darmischämie, abdominellem Trauma, Mor-


mechanismus bus Crohn, Lymphom, Karzinom.
Funktionelles Kurzdarmsyndrom, z. B. ausgedehnter Dünndarmbefall bei Morbus
Crohn, enteroenterale Fistel, Strahlenfolge, Bypasschirurgie in der Adipositasbe-
handlung.

Klinische ██ akut postoperativ: starker Flüssigkeits- und Elektrolytverlust, Diarrhö (häufig


Charakteristika wässrig), Gewichtsverlust
██ Adaptationsphase: weiterhin Diarrhö, enteraler Kostaufbau
██ chronische Phase: maximale Adaptation des verbliebenen Dünndarms, evtl.
chronische Diarrhö durch unzureichende Kompensationsmöglichkeit des Rest-
darms, Steatorrhö, Malabsorption unterschiedlicher Ausprägung

Wegweisende ██ Anamnese (Dünndarmresektion, OP-Bericht, Angabe des Chirurgen über ver-


Diagnostik bliebene Darmlänge)
██ Nachweis Dünndarmbefall bei Morbus Crohn oder Fisteln (Röntgen-Dünndarm
nach Sellink, besser: MR-Enteroklysma)
██ Laborwerte (s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom)
4.7 Gallensäureverlustsyndrom  169

Therapie­
██ Indikation: immer
indikation und
██ Ziel: komplette orale Ernährung. Erreichbarkeit abhängig von: Länge und Lo-
-ziel kalisation (Jejunum/Ileum) des Dünndarms, Kolon und Bauhin-Klappe intakt,
intestinaler Adaptation

Therapie Totale parenterale Ernährung (TPE): initial nach Darmresektion und je nach ver-
bliebener Darmlänge u. U. über Wochen erforderlich.
Orale Ernährung: sollte zügig begonnen werden, da der Darm nur durch enterale
Ernährung adaptieren kann; hochkalorisch, viele kleine Mahlzeiten, bis zu 6000–
8000 kcal/Tag notwendig, bis zu 40 % Fett der zugeführten Kalorien, MCT-Fette,
möglichst wenig freies Wasser (evtl. mit Elotrans oder Oralyt versetzen), keine
hochosmolaren Getränke, oxalsäurearme Kost; Ernährungsberatung.
Vollbilanzierte Sondennahrung (immer MCT-Sondennahrung): falls orale Ernäh-
rung nicht ausreichend, Zufuhr oral oder über nasogastrale Sonde und kontinuier-
lich über Pumpe; Beginn mit 40 ml/h, steigern nach klinischem Befund (Auftreten
bzw. Zunahme von Durchfall); s. Kap.15
Ausgleich von Mangelzuständen: häufig zusätzlich notwendig (s. Kap. 4.5, Malab-
sorptionsyndrom).
Protonenpumpenhemmer: zur Magensäurereduktion (Reduktion intestinaler
Flüssigkeitsmenge, Verhinderung von Pankreasenzymdestruktion).
Pankreasenzymsubstitution: da Enzyme durch schnelle Darmpassage verloren ge-
hen.
Gallensäureverlust: Colestyramin (s. Kap. 4.7, Gallensäureverlustsyndrom).
Antidiarrhoika: Loperamid; Tinctura opii.

Therapie­ ██ dauerhaft total parenterale Ernährung über implantierten Katheter (Port), am-
versagen bulant zu Hause durchführbar, spezielle kommerzielle Anbieter sowie Spezial-
pflegedienste (meist auch für enterale Sondenernährung) vermitteln Handha-
bung und Assistenz
██ Dünndarmtransplantation

Verlauf Dünndarm adaptiert (verbliebene Mukosa hypertrophiert) langsam über Monate


bis zu 1 Jahr, daher lang dauernder Versuch mit enteraler Ernährung. Je kürzer der
Rest-Dünndarm, desto ungünstiger die Prognose.

Langzeit­ ██ Mangelzustände
komplikationen ██ parenterale Ernährung: Kathetersepsis, -thrombose; Dysbalancen in der Nah-
rungszufuhr (Hyperglykämie, Hypophosphatämie, Hyponatriämie, Hypervolä-
mie); Fettleber (zu hohe Glukose- bzw. Fettzufuhr); bakterielle Fehlbesiedlung,
Steatosis hepatis, Gallensteine, Hyperoxalurie, Laktatazidose

4.7 Gallensäureverlustsyndrom

Definition Enteraler Verlust von Gallensäuren durch fehlende Absorption im Ileum mit kon-
sekutiven Diarrhöen:
██Kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Verlust geringer als Neusynthese
der Leber, wässrige Diarrhö bedingt durch toxische Wirkung der Gallensäuren
am Kolon
██Dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Verlust größer als Neusynthese,
dadurch Fettmalabsorption und Steatorrhö
170  4 Darm

Patho­ Reduktion der absorptiven Kapazität im Ileum: nach operativer partieller/totaler


mechanismus Resektion des Ileums, bei ausgedehntem Befall des Ileums z. B. bei Morbus Crohn,
post Radiatio als Strahlenenteritis
Bakterielle Fehlbesiedlung: Dekonjugation von Gallensäuren, die für die Fettemul-
gierung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Klinische ██ wässrige teils schaumige oder breiige (fettige) Diarrhöen


Charakteristika ██ Neigung zu Oxalatsteinen der ableitenden Harnwege:
–– vermehrte Absorption von Oxalsäure im Kolon v. a. bei chronisch entzündli-
chen Darmerkrankungen
–– vermehrte Absorption von Oxalsäure im Ileum, wenn Kalzium, das Oxalsäure
bindet, bei Steatorrhö an Fett gebunden wird und für die luminale Oxalsäure-
bindung nicht mehr zur Verfügung steht

Wegweisende Anamnese: Zustand nach Dünndarmresektion, Morbus Crohn mit Ileumbefall


Diagnostik SeHCAT-Test: Messung der Gallensäureresorption nach oraler Einnahme einer ra-
dioaktiv markierten Gallensäure
Glukose-H2-Atemtest: bakterielle Fehlbesiedlung (s. Kap. 4.4)
ex juvantibus: Gabe des Gallensäurebinders Colestyramin (2–4 g/Mahlzeit)
██Besserung der Symptomatik = kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom
██Verschlechterung der Symptomatik plus Steatorrhö = dekompensiertes Gallen-
säureverlustsyndrom

Zusatz­ Nachweis einer Steatorrhö (Fettausscheidung im Stuhl)


diagnostik
Differenzial­ Andere Formen der Diarrhö (s. Kap. 1.13), sofern Anamnese nicht eindeutig.
diagnose
Therapie Indikation: immer.
Kompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Gallensäurebinder (Ionenaustausch­
erharz) Colestyramin 3-mal 2–4 g.
Dekompensiertes Gallensäureverlustsyndrom: Austausch der Nahrungsfette (lang-
kettige Triglyzeride) gegen mittelkettige Triglyzeride (MCT-Fette, Ceres-Produkte),
die ohne Gallensäuren resorbiert werden; bei weiterhin bestehendem Durchfall:
chologene Diarrhö möglich, Therapie: Colestyramin, cave: Colestyramin führt u. U.
zur Verstärkung der Steatorrhö! Colestyramin bindet sehr viele Medikamente: ca.
2 h Abstand zwischen Colestyramin- und Medikamenteneinnahme
Therapie der Grundkrankheit: sofern möglich.

4.8 Laktoseintoleranz

Definition Angeborener (primärer) oder erworbener (sekundärer) Laktasemangel mit resul-


tierender Milchzucker-(Laktose-)Unverträglichkeit.

Patho­ Fehlen des Bürstensaumenzyms Laktase: Laktose kann nicht in Glukose und Ga-
mechanismus laktose gespalten werden (führt zu osmotischer Diarrhö) und wird im Kolon bak-
teriell gespalten (H2-Bildung und -Exhalation, vermehrte Gasbildung, Flatulenz).
██Primäre Laktoseintoleranz: Mutationen des Laktasegens
██Sekundäre Laktoseintoleranz: nach Infektionserkrankungen des Dünndarms
(z. T. persistierend), im Rahmen von Erkrankungen mit Zottenatrophie (Zöliakie,
Morbus Crohn etc.).
4.9 Andere Formen der Kohlenhydratmalabsorption  171

Epidemiologie Prävalenz: Nordeuropa: 5–15 %; Nordamerika, Weiße: 10–25 %, Farbige: 45–80 %;


Afrika: 85–100 %; Asien: 90–100 %

Assoziierte Infektionserkrankungen des Dünndarms, Zöliakie, Colitis ulcerosa (fraglich).


Erkrankungen

Klinische Unverträglichkeit von Milch und Milchprodukten (aber auch anderen laktosehal-
Charakteristika tigen Nahrungsmitteln – Laktosegehalt häufig nicht bekannt) mit Auftreten von
Durchfällen, Bauchschmerzen, Blähungen bzw. Flatulenz. Auftreten der Beschwer-
den in zeitlichem Zusammenhang mit Laktoseeinnahme! (30–120 min).
██ Primäre Laktoseintoleranz: führt bei Säuglingen zu Milchunverträglichkeit
██ Sekundäre Laktoseintoleranz: Beschwerden der Laktoseintoleranz in Abhängig-
keit der Darmmukosaschädigung

Wegweisende ██ Anamnese: s. Klinische Charakteristika


Diagnostik ██ Laktose-H2-Atemtest: Laktosebelastung mit gleichzeitiger Bestimmung der ex-
halierten H2-Menge, allerdings 15 % Non-Responder (s. Kap. 14.1.1)

Differenzial­ Vgl. Diarrhö (s. Kap. 1.13).


diagnose

Therapie Ernährungsberatung: laktosefreie Kost; laktosefreie Milchprodukte häufig in Su-


permärkten erhältlich; evtl. Laktasesubstitution zu den Mahlzeiten (Lactase Kap-
seln, Lactrase ), ggf. Kalzium-/Vitamin-D-Substitution zur Osteoporoseprophylaxe.

Verlauf Unter Einhaltung der Therapie gut; bei konsequenter Vermeidung von Milchpro-
dukten Gefahr von Kalzium-/Vitamin-D-Mangel und Osteoporose.

4.9 Andere Formen der Kohlenhydratmalabsorption

Fruktoseintoleranz: nicht resorbierte Fruktose wird bakteriell fermentiert, führt


zu intestinaler Gasbildung, klinisch relevant wahrscheinlich nur in Kombination
mit Reizdarmsyndrom; diagnostischer Fruktoseatemtest nicht ausreichend vali-
diert; Fruktoseabsorption wird durch andere Kohlenhydrate gefördert, durch Sor-
bitol vermindert. Bei Verdacht auf Fruktoseintoleranz: Ernährungsberatung (Äpfel,
Birnen, Cola reich an Fruktose!). (Selten: hereditäre Fruktoseintoleranz: Diagnose
im Säuglingsalter, Defekt der Fruktose-1-Phosphataldolase B: strikte Elimination
von Fruktose aus der Nahrung)
Saccharose-Isomaltose-Intoleranz: angeborener Enzymmangel betrifft Sacchara-
se-Isomaltase; Symptome sind Durchfall, Blähungen nach Aufnahme von Rohrzu-
cker; Symptomatik meist im Kindesalter, aber auch bei Erwachsenen; Diagnostik:
Saccharosebelastungstest, Messung von Blutzucker und H2 in Ausatemluft (wie H2-
Laktosetest).
Trehaloseintoleranz: erworbener oder angeborener Enzymmangel betrifft Treha-
lase; Trehalose kommt nur in Pilzen vor, daher Durchfall nach Pilzgenuss.
Glukose-Galaktose-Intoleranz: angeborener Mangel des Glukose-/Galaktose-
Transporters; Erkrankung des Säuglings; kann mit Laktoseintoleranz verwechselt
werden.
172  4 Darm

4.10 Nahrungsmittelunverträglichkeit

Definition Durch Aufnahme definierter Nahrungsmittel bzw. Nahrungsmittelinhaltsstoffe


ausgelöste Symptome des Gastrointestinaltraktes (und/oder anderer Organsyste-
me), die durch strukturelle Veränderungen, toxische, nichtimmunologische oder
immunologisch vermittelte Reaktionen hervorgerufen werden.

Einteilung Cave: Überlappungen der Reaktionstypen häufig, im klinischen Alltag klare Zuord-
nung häufig schwierig.

Patho­ Immunologisch (IgE-vermittelte) Nahrungsmittelallergie vom Sofort-Typ (nur


mechanismus 2–5 % der Nahrungsmittelunverträglichkeiten des Erwachsenen!):
██Sensibilisierung meist in der Kindheit; Überangebot an Nahrungsantigen trifft
auf hyperreagibles mukosales Immunsystem, induziert IgE-vermittelte Typ-I-
Reaktion sowie Th2-Zytokin-Antwort. Fakultativ auch verzögerte Reaktionen
mit chronischen Veränderungen einzelner Organsysteme.
██bislang ca. 1000 Major-Antigene bzw. -Epitope identifiziert, Kreuzreaktionen
werden zunehmend erklärbar (www.allergome. de). Hauptauslöser von NMA bei
Erwachsenen: Nüsse, Obst, Soja, Mehle, Milch, Ei, Fleisch, Fisch, Krustentiere, Ge-
müse, Gewürze; bei Kindern: Ei, Nüsse, Milch, Soja, Senf, Fisch, Mehle, Obst. Häu-
fig Kreuzreaktionen durch Pollenallergie, z. B. Birke – Apfel/Karotte/Sellerie oder
Kreuzallergie zwischen Naturlatex – Avocado/Banane/Kiwi/Walnuss
██nahrungseiweißinduzierte Enteropathie: häufig zellulär vermittelte Immunre-
aktion, meist bei Kindern; Auslöser: Kuhmilch, Soja, Eier, Fisch u. a.; Verstärker
anaphylaktischer Reaktionen: körperliche Anstrengung, NSAR, Azetylsalizylate.
Chronische Reaktionen können zu Organmanifestationen wie eosinophiler Öso-
phagitis oder Gastroenteritis, Enterokolitis/Proktitis führen

Nicht immunologisch vermittelte Nahrungsmittelunverträglichkeit


██bakterielle Toxine: Campylobacter, Salmonellen, Shigella, E. coli (s. Kap. 4.13.1,
Akute infektiöse Enteritis); IgA-Mangel prädisponiert zu rezidivierenden Infek-
tionen
██Enzymmangel: Laktoseintoleranz bei Laktasemangel häufigste Form (s. Kap. 4.8,
Laktoseintoleranz); Histaminintoleranz durch gestörten Histaminabbau bei Di-
aminooxidasemangel: geringste Mengen Histamin (in Rotwein, Käse, Fisch, Sau-
erkraut, Champagner etc.) führen zu gastrointestinalen und neurologischen Be-
schwerden
██Intoleranz gegen andere biogene Amine: Glutamat („Chinasyndrom“, da Glutamat
häufig in chinesischem Essen), Serotonin (Banane, Walnüsse, Ananas), Tyramin
(Schokolade, Rotwein, Käse)
██pseudoallergische Reaktion durch unspezifische Mastzelldegranulation, jedoch
ohne IgE-Erhöhung, ähnelt der Hypersensitivität vom Soforttyp (z. B. Erdbeeren,
Zitrusfrüchte, Tomaten, Krustentiere, Nahrungszusatzstoffe wie Benzoat), Sali-
zylatintoleranz: Cyclooxygenase-1-Inhibition, Prostaglandinsyntheseinhibition
und Aktivierung des Leukotrienmetabolismus (Medikamente oder in Nahrungs-
mitteln: Curry, Paprika, Oregano, Senf, Pfeffer, Rosinen, Orangen)
██psychisch vermittelte Reaktionen, z. B. nach Essenszwängen in der Kindheit
██physiologische Nahrungsmittelunverträglichkeiten: physiologische Unfähigkeit
des Gastrointestinaltraktes, sämtliche Nahrungsbestandteile ausreichend zu
verdauen (z. B. Gemüse, Salate, Ballaststoffe, Sorbit etc.). Folge: intestinale Gas-
produktion, Blähbeschwerden, Bauchschmerzen. Fettreiche Mahlzeiten hem-
men die Magenentleerung, können zu Völlegefühl, Aufstoßen und vermehrtem
4.10 Nahrungsmittelunverträglichkeit  173

gastroösophagealen Reflux führen. Angaben über so genannte physiologische


NMU werden häufig von Patienten mit Reizdarmsyndrom und Dyspepsie ge-
macht, u. a. aber auch bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Epidemiologie Mehrzahl der Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist nicht immunologisch vermit-


telt. Subjektiv berichten 20–45 % der Bevölkerung über Unverträglichkeiten von
Nahrungsmitteln.
Prävalenz der Nahrungsmittelallergie (NMA): 2–5 % bei Erwachsenen, 5–10 % bei
Kindern: bei Kindern NMA vermehrt bei Atopikern, NMA verliert sich häufig beim
Erwachsenen. Bei NMA leiden 30 % an gastrointestinalen Symptomen.
Prävalenz der Salizylat-Intoleranz: 2,5 %
Prävalenz der Erdnussallergie: 0,5–7 % der Erwachsenen in USA/UK

Assoziierte Atopie, Ekzem, Asthma, Arthritis, Migräne.


Erkrankungen

Klinische Nahrungsmittelallergie:
Charakteristika ██Gastrointestinaltrakt: innerhalb von Minuten bis Stunden in unterschiedlicher
Heftigkeit auftretend; häufig Beginn mit Kribbeln im Lippen- bzw. Mundbereich,
Ödem der Nasen-Mund-Rachen-Schleimhaut (OAS: orales Allergiesyndrom, bei
Erwachsenen am häufigsten), Übelkeit, Erbrechen, Blähungen, Diarrhö, Bauch-
schmerzen (IAS: intestinales Allergiesyndrom); chronisch auch: eosinophile
Gastroenteritis
██Haut: Urtikaria, Quincke-Ödem, atopische Dermatitis
██Atemwege: Rhinitis, Heuschnupfen, Asthma, Otitis
██Anaphylaxie, Schocksymptomatik
██Sonstige: Migräne, anhaltende Müdigkeit, Arthritis, Ödeme
██Kinder: typischerweise Ekzem und Magen-Darm-Beschwerden; Proktitiden, En-
teropathien bis zu Malassimilation, eosinophile Ösophagitis; OAS seltener als
bei Erwachsenen, Rhinokonjunktivitis, Urtikaria/Angioödem, Anaphylaxie

Nahrungsmittelunverträglichkeiten, nicht immunologisch vermittelt:


██Laktoseintoleranz/Laktasemangel: Blähungen, Flatulenz, Diarrhö, Bauchschmer-
zen (s. Kap. 4.8, Laktoseintoleranz)
██Histaminintoleranz und Intoleranz gegen andere biogene Amine: Kopfschmerzen,
Hypotension, Erythem, gastrointestinale Beschwerden
██pseudoallergische Reaktionen: z. B. Glutamat verursacht bei Betroffenen Hitze-
wallungen, Engegefühl, Kopfschmerzen, epigastrische Beschwerden
██Salizylatintoleranz: Rhinitis, laufende Nase, Bronchialasthma, Blähungen, Diar-
rhö, Darmstrikturen
██psychologische NMU: gleichzeitig häufig Somatisierungen, Hypochondrie, Hys-
terie, anamnestisch negative Esserfahrungen, keine Bestätigung im Provokati-
onstest

Wegweisende Keine spezifische, beweisende Diagnostik bekannt. Da NMU sehr viel häufiger als
Diagnostik NMA, sollten Laktoseintoleranz und andere nicht immunologisch vermittelte Ur-
sachen (Anamnese!) zunächst ausgeschlossen werden.
Stufendiagnostik NMA:
██sorgfältige Nahrungsanamnese (Fachkraft für Ernährungsberatung), sonstige
Anamnese inkl. psychosozialer Aspekte
██Führen eines Ernährungs- und Symptomtagebuchs über 2–4 Wochen (Problem:
versteckte Nahrungsallergene)
174  4 Darm

██ Labor: IgE im Serum und Radioallergosorbent-Test (RAST) unspezifisch und kein


Beweis, Kreuzreaktionen möglich. Wenn allerdings eindeutige Zuordnung Sym-
ptom zu auslösendem Nahrungsmittel und spezifischem IgE möglich, dann kei-
ne weitere Diagnostik

Zusatz­ ██ Pricktest der Haut: geringer positiver prädiktiver Wert; wenig standardisiert.
diagnostik Zunehmend rekombinante Antigene für Testung, alternativ Prick-to-Prick-Test:
Lanzette wird zunächst in zu testendes Nahrungsmittel gehalten, dann die Haut
des Patienten geprickt
██ orale Provokation (Durchführung siehe DGAI-Leitlinien): „Goldstandard“, dop-
pelblinde, plazebokontrollierte orale Nahrungsmittelprovokation, sehr aufwen-
dig!
██ COLAP-Test (koloskopische Allergenprovokation): koloskopisch geführte Injek-
tion des vermuteten (gereinigten) Antigens in die Kolonschleimhaut mit Aus-
lösung einer lokalen Reaktion (Test in Erprobung, nur in wenigen Zentren an-
geboten)
██ Nicht empfohlen, da kein Allergienachweis: IgG4-Antikörper im Serum gegen
Nahrungsmittel, DAO- und Histaminbestimmung i. S. sind nicht validiert

Differenzial­ Entsprechend der Abdominalsymptome: z. B. Zöliakie, chronisch entzündliche


diagnose Darmerkrankungen, mikroskopische Kolitis, Darmstenose, infektiöse Enterokoli-
tis, Dyspepsie, Reizdarmsyndrom; s. auch Kap. 1.10, Bauchschmerzen sowie Kap.
1.13, Diarrhö, eosinophile Gastroenteritis
Differenzialdiagnose NMA: Angioödem (C1-Esteraseinhibitor-Mangel), Karzinoid-
Syndrom und andere Neuroendokrine Tumoren, Phäochromozytom, Mastozytose
(Kap. 4.11), T-Zell-Lymphom

Therapie­ ██ bei nachgewiesener immunologisch vermittelter Nahrungsmittelallergie: immer


indikation ██ bei nicht immunologisch vermittelter Nahrungsmittelunverträglichkeit: ent-
sprechend der Beschwerdeintensität

Therapie Nahrungsmittelallergie:
██bei klarer Allergenidentifikation: Allergenelimination aus der Nahrung
██bei unklarer Allergenidentifikation: Implementierung einer oligoallergenen Ba-
sisdiät, falls nach 5–7 Tagen keine Besserung der Symptome: Allergie unwahr-
scheinlich; falls Besserung: Reintroduktion einzelner Nahrungsmittel bis Symp-
tome auftreten, dann Allergenelimination (Allergie-/Ernährungsfachkraft!)
██supplementär: Cromoglicinsäure 4-mal 100 mg (prophylaktisch); selten Predni-
solon
██bei Anaphylaxieanamnese: Notfallset für Betroffenen: Adrenalin-Autoinjektor,
Prednisolon, Antihistaminikum (Einweisung in Handhabung!)
██keine Studien zu Desensibilisierung, lokalen Steroiden (Budesonid), prophylak-
tischer medikamentöser Therapie
Sonstige Nahrungsmittelunverträglichkeit:
██toxische Auslöser: meistens spontane Besserung
██sonstige: Elimination der auslösenden Substanzen/Nahrungsbestandteile; cave:
bei Eliminationsdiät Ausbildung von Mangelerscheinungen möglich!

Verlauf Wenn Allergenelimination möglich: gute Prognose. NMA selten, aber potenziell le-
bensbedrohlich (Anaphylaxie).
4.11 Systemische Mastozytose  175

Langzeit­ Schwere allergische Reaktionen durch versteckte Nahrungsmittelallergene; Man-


komplikationen gelerscheinungen bei Eliminationsdiät; Ausbildung chronischer Organmanifestati-
onen wie eosinophile Ösophagitis oder Gastroenteritis.

Selbsthilfe http://www.aktionsplan-allergien.de/nn_461942/DE/07_SHG/nachTaetigkeits-
Schwerpunkt/SHG_node.html?_nnn=true

Literatur Zopf et al. The differential diagnosis of food intolerance. Dtsch Ärztebl Int 2009; 106: 359–370
Bischoff SC. Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Gatroenterol up2date 2012; 8: 143–161
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie: Standardisierung von
oralen Provokationstests bei IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien. Allergo J 2006; 15: 262–270
(www.awmf.de)

4.11 Systemische Mastozytose

Definition Infiltration unterschiedlicher Organe mit pathologischen Mastzellen, die insbe-


sondere durch exogene Auslöser aktiviert werden und zu Diarrhö, abdominellen
Krämpfen, gastrointestinalen Ulzera, Flush, Tachykardie, Kopfschmerzen, Hypo-
tension, Asthma bronchiale, typischem Exanthem u. a. führen können.

Patho­ Aktivierende Mutation v. a. in den Tyrosinkinasen KIT und platelet-derived growth


mechanismus factor receptor alpha (PDGFR α) führt zu Daueraktivierung von Mastzellen mit
überschießender Sekretion multipler Mastzellmediatoren (Histamin, Serotonin,
Leukotriene, PAF, VIP, Proteasen etc.) in den mit Mastzellen infiltrierten Organen.
Die Mutationen stellen möglicherweise einen „first hit“ dar. Infektionen können
als „second hit“ vermutlich den Phänotyp mitbestimmen.

Pathologie Unterschiedliche Infiltration von Magen, Darm (Submukosa?), Leber, Milz, v. a.


Knochenmark mit Mastzellen. Da keine klaren Definitionen der histologischen
Mastzelldichte vorliegen, ist die Diagnose im Einzelfall schwierig.
Einteilung nach WHO-Konsensus:
██indolente systemische Mastozytose: mäßige Infiltration von Knochenmark und
anderen Organen ohne Dysfunktionen (häufigste und gutartigste Form)
██Infiltration des Knochenmarks und anderer Organe mit Mastzellen plus Ent-
wicklung weiterer hämatologischer proliferativer Erkrankungen (myelodysplas-
tisches oder -proliferatives Syndrom), Prognose wird von hämatologischer Er-
krankung bestimmt
██aggressive Mastozytose mit starker Mastzellinfiltration und konsekutiver Funk-
tionseinschränkung (Malabsorption, Hepatomegalie, Aszites, Kachexie, Osteoly-
sen)
██Mastzellleukämie (ungünstigste Prognose), Mastzellsarkom, extrakutanes Mas-
tozytom

Epidemiologie Keine Angaben, wahrscheinlich hohe Dunkelziffer.

Assoziierte Reizdarmsyndrom, gastrointestinale Infektionen.


Erkrankungen

Klinische ██ gastrointestinal: Durchfall (kontinuierlich oder episodisch, häufig in immer


Charakteristika kürzeren Abständen), abdominelle Krämpfe, Bauchschmerzen (gastrointestinale
Ulzera), Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust
176  4 Darm

██ extragastrointestinal: Urticaria pigmentosa, positives Darrier-Zeichen (Kratzen


auf der Haut verursacht Schwellung und Blasenbildung), asthmoide Beschwer-
den, Kopfschmerzen, Konjunktivitis, Flush, Herzrasen (SV-Tachykardie) bis zu
Hypotonie

Wegweisende ██ Tryptase im Serum (>20 ng/ml pathologisch) – wenn erhöht, dann


Diagnostik ██ Knochenmarkbiopsie (>15 zusammenliegende Mastzellen), Tryptaseantikörper,
mit Nachweis der c-Kit-Punktmutation in Codon 816, Nachweis von CD2 und/
oder CD25
██ Biopsie aus weiterem extrakutanem Organ (Darm, Magen), Tryptasefärbung

WHO- Eine systemische Mastozytose liegt vor, wenn entweder 1 Haupt- (HK) und 1 Ne-
Diagnose­ benkriterium (NK) oder 3 NK zutreffen: 1 HK + 1 NK oder 3 NK = systemische Mas-
kriterien tozytose
Hauptkriterium: multifokale, dichte Mastzellinfiltrate (>15 Mastzellen) in der
Knochenmark-(KM-)Biopsie und/oder Biopsie aus anderen extrakutanen Organen.
Nebenkriterien:
██25 % der Mastzellen im KM-Ausstrich sind atypisch oder >25 % der Mastzellen in
Infiltraten viszeraler Organe sind spindelförmig
██c-Kit-Punktmutation in Codon 816 in Mastzellen aus KM oder extrakutanem
Organ
██Mastzellen aus KM oder extrakutanem Organ produzieren CD2 und/oder CD25
██basale Tryptasekonzentration >20 ng/ml (nicht bei myeloischer Neoplasie)

Differenzial­ Nahrungsmittelallergie, hypereosinophiles Syndrom, mikroskopische Kolitis.


diagnose
Therapie Vorbeugung unabdingbar! Vermeidung von Auslösern, wie Medikamente (Nar-
kotika, Lokalanästhetika, Opioide, Thiamin, Dipyridamol, Scopalamin, ASS, NSAR,
jodhaltige Kontrastmittel, Betablocker,Amphotericin B), Konservierungsstoffe, wie
Parabene, Alkohol, Hitze/Kälte, Hungern, Schlafentzug, Stress, individuelle Nah-
rungsmittel (heiße, scharfe Speisen, Lebensmittel mit hohem Gehalt an biogenen
Aminen), Insektengifte!
Cave: vor OP müssen Anästhesist und Operateur informiert sein!
Basistherapie medikamentös: Cromoglicinsäure, bis zu 2000 mg/Tag, Ketotifen 1-
bis 4-mal 1 mg/Tag, H1-Antihistaminika (z. B. Fexofenadin 120 mg/Tag), H2-Anti-
histaminika (z. B. Ranitidin bis 3-mal 150 mg/Tag), retardiertes Vitamin C (500 mg/
Tag oral).
Bei nicht ausreichendem Ansprechen: Flunitrazepam 0,5–2 mg/Tag oral für 3–4
Tage, Vitamin C i. v. 500–1000 mg/Tag, Prednisolon 40–60 mg/Tag. Evtl. andere Im-
munsuppressiva (Azathioprin, Cyclosporin), Hemmstoffe der Kinasen (Imitamib
bei Mutation auf Exon 17 nicht wirksam). Weitere Tyrosinkinase-Inhibitoren in
Erprobung. Die aggressive Form erfordert u. U. Interferon.
Notfallset für Betroffene.

Verlauf und Die indolente Mastozytose verläuft gutartig, ohne Organdysfunktionen. Die ande-
Prognose ren Formen der Mastozytose werden durch die hämatologischen Begleiterkran-
kungen und die Organinfiltration limitiert.

Selbsthilfe www.mastozytose.de

Literatur www.ecnm.net (European competence network on mastocytosis)


Molderings et al. Systemische Mastozytose als Grund für chronische gastrointestinale Beschwerden: Praxis-
orientierte Hinweise zu Diagnostik und Therapie. Dtsch Ärztebl 2005; 102: A1744–1749
4.12 Reizdarmsyndrom (RDS)  177

4.12 Reizdarmsyndrom (RDS)

Synonym Irritable bowel syndrome (IBS), Irritables Darmsyndrom (IDS)

Definition Alle 3 Punkte müssen erfüllt sein:


██Es bestehen chronische, d. h. >3 Monate anhaltende Beschwerden (z. B. Bauch-
schmerzen, Blähungen), die vom Patient und Arzt auf den Darm bezogen werden
und in der Regel mit Stuhlgangsveränderungen einhergehen.
██Die Beschwerden sollen begründen, dass der Patient deswegen Hilfe sucht und/
oder sich sorgt und so stark sein, dass die Lebensqualität hierdurch relevant be-
einträchtigt wird.
██Voraussetzung ist, dass keine für andere Krankheitsbilder charakteristischen
Veränderungen vorliegen, die wahrscheinlich für diese Symptome verantwort-
lich sind.

(Beim RDS des Erwachsenen sind die bisherigen „Rom-III-Kriterien“ abgelöst! Bei
Kindern und Jugendlichen kommen sie weiter zur Anwendung, s. DGVS-Leitlinie)

Patho­ Bislang lediglich assoziierte Veränderungen beschrieben, keine kausalen Zusam-


physiologie menhänge nachgewiesen: Störung der Motilität, der intestinalen Barriere/Sekre-
tion und viszeralen Sensibilität. Unterschiedliche Einflüsse werden diskutiert:
genetische Prädisposition, luminale Faktoren (Bakterien, Nahrungsinhaltsstoffe,
Allergene), postinfektiöse Neuromodulation (bis zu 30 % der Patienten nach Gas-
troenteritis können ein RDS entwickeln), mukosale Immunaktivierung, Mastzell­
aktivierung, Dysregulation von ZNS und ENS (enterisches Nervensystem), psycho-
soziale Belastungen (z. B. sexueller Missbrauch in der Anamnese), Stressfaktoren,
mit nachfolgend unterschiedlich ausgeprägter gastrointestinaler oder zerebraler/
psychischer Symptomatik.

Epidemiologie Je nach Studie und Kriterien sind die Daten stark variabel.
Prävalenz: ca.14–24 % aller Frauen, 5–19 % aller Männer; Alter: 30–64 Jahre: 17 %,
65–93 Jahre: 11 %.
Inzidenz: ca. 1 % pro Jahr; RDS mit überwiegend Obstipation häufig bei Frauen;
nur ca. 5 % suchen Arzt auf. Postinfektiöses Reizdarmsyndrom: 4–31 % nach Gast-
roenteritis.

Assoziierte Andere funktionelle Erkrankungen (Reizmagen, s. auch Kap. 3.11, Reizmagen –


Erkrankungen funktionelle Dyspepsie: nachgewiesen ca. 15 %, geschätzt 30–40 %), nicht kardialer
Thoraxschmerz, Hyperventilationssyndrom, Fibromyalgiesyndrom, Dysmenorrhö,
chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS), multiple Chemikalienunverträglichkeit,
Harnentleerungsstörungen. Fraglich: Laktoseintoleranz (ca. 15 %); psychische Al-
terationen wie Angststörungen, Depressionen.

Klinische Bauchschmerzen: krampfartig, meistens Besserung mit dem Stuhlgang, auch


Charakteristika „Brennen“ im Abdomen, häufig periumbilikal oder im gesamten Bauch
Blähungen, Aufgeblähtsein, vermehrt empfundener peranaler Luftabgang
Stuhlveränderungen: Obstipation (harter Stuhl, „schafskotartig“), Durchfall,
Wechsel von Obstipation und Durchfall, Wechsel der Stuhlfrequenz, Schleimab-
gang, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung (Abb. 4.1).
178  4 Darm

Abb. 4.1 Bristol-


Stuhlform-Skala:
1–2 = Obstipa­
tion,
6–7 = Diarrhö.

Subtypen des Reizdarmsyndroms (RDS):


██RDS-C (Obstipation): harter oder klumpiger Stuhl ≥25 % und weicher oder wäss-
riger Stuhl ≤25 % aller Darmentleerungen
██RDS-D (Diarrhö): weicher oder wässriger Stuhl ≥25 % und harter oder klumpiger
Stuhl ≤25 % aller Darmentleerungen
██RDS-M (Mischform): harter oder klumpiger Stuhl ≥25 % und weicher oder wäss-
riger Stuhl ≥25 % aller Darmentleerungen
██RDS-U (nicht eindeutig zuzuordnen): nicht ausreichende Abnormalität der
Stuhlkonsistenz, um als RDS-C, -D oder -M klassifiziert zu werden
Rom-III-Kriterien zur Diagnosestellung des RDS (insbesondere bei Kindern/Ju-
gendlichen):
██wiederkehrende abdominelle Schmerzen oder abdominelles Unbehagen (un-
komfortables Gefühl, kein Schmerz) über mindestens 3 Tage pro Monat in den
letzten 3 Monaten, assoziiert mit 2 oder mehr der folgenden Kriterien:
–– gebessert nach Defäkation
–– mit Änderung der Stuhlfrequenz verbunden
–– mit Änderung der Stuhlkonsistenz verbunden
██Kriterien müssen in den letzten 3 Monaten erfüllt sein, mit Beginn der Sympto-
me mindestens 6 Monate vor der Diagnose.

Gegen ein Reizdarmsyndrom sprechen Alarmsymptome: Blut im Stuhl, Ge-


wichtsverlust, Änderung der Symptomatik, kurze Symptomdauer.

Wegweisende Anamnese entscheidend: s. „Definition“ und „Klinische Charakteristika“; auch


Diagnostik Frage nach Laxanzienabusus bei Durchfall, Ernährungsgewohnheiten, Zuckeraus-
tauschstoffe, Medikamentennebenwirkung?! Ausschlussdiagnose; Angaben, die
eher für funktionelle Beschwerden sprechen: lange Dauer der Beschwerden, wech-
selnd an Lokalisation und Stärke, abhängig von Stress/„life events“, Schlaf selten
gestört durch Beschwerden, kein Gewichtsverlust, weitere (vegetative) Symptome
4.12 Reizdarmsyndrom (RDS)  179

██Klinische Untersuchung des Abdomens ist beim RDS ohne Befund


██bei dominierender Obstipation: Abklärung Stenose/Malignom durch Kolosko-
pie, insbesondere bei Alter > 40 Jahre
██bei dominierendem Durchfall: TSH, Laktoseintoleranz abklären, Zöliakie? (IgA-
Transglutaminase-Ak), Stuhl auf pathogene Keime oder Parasiten (Lamblien),
Malabsorption?; ggf. tiefe Dünndarmbiopsie, Koloskopie inkl. Biopsie: Frage
nach Amyloidose, kollagener/lymphogener Kolitis, s. auch Kap. 1.13, Diarrhö
Beachte: es gibt keinen spezifischen Biomarker zum Nachweis eines RDS

Zusatz­ Basisprogramm zum Ausschluss anderweitiger Erkrankungen: Sonografie, gynä-


diagnostik kologische Untersuchung, U-Status, CRP, Blutbild, Glukose, Leberwerte, Kreatinin
██bei Obstipation und Verdacht auf Störung im Bereich des Beckenbodens, gestörte
Relaxation, Outlet-Syndrom, Rektozele: Defäkografie, evtl. rektale Manometrie,
Kolontransitzeit-Bestimmung
██bei Durchfall: s. Kap. 1.13, Diarrhö

Differenzial­ ██ Organische Ursachen: Kolonstenose, Divertikulose, Störung im Bereich des Be-


diagnose ckenbodens, Infektionen, Malabsorption, u. U. gesamte Differenzialdiagnose
Durchfall (s. Kap. 1.13)
██ Blähungen (s. Kap. 1.12): Metformin, Zuckeraustauschstoffe, bakterielle Fehlbe-
siedlung, Laktose/Fruktoseintoleranz, Divertikulose (s. Kap. 4.30)
██ Bauchschmerz: s. Kap. 1.10

Therapie­ Auf Wunsch des Patienten, abhängig vom Leidensdruck.


indikation
Therapie Aufklärung des Patienten: über Art der Erkrankung („erhöhte viszerale Sensibili-
tät“, funktionell, benigne); dabei Ernstnehmen der Beschwerden, nicht bagatelli-
sieren; beruhigend einwirken, „kleine Psychotherapie“, Triggerfaktoren?
Ernährung und Lebensweise:
██ bei Obstipation: ballaststoffreich, Gemüse, Obst, Leinsamen, Weizenkleie, Tro-
ckenobst; viel trinken; aktive Bewegung, Sport
██ bei Durchfall: pektinhaltige Nahrungsmittel bzw. Medikamente, Vermeidung
stuhlfördernder Substanzen/Medikamente, Vermeidung von Zuckerersatzstof-
fen (Sorbitol!)
██ Vermeidung von Stressoren

Medikamente:
bei Obstipation: Movicol 1- bis 3-mal 1 Btl.; Lactulose 1- bis 3-mal 10–20 ml/Tag;
██

Psyllium/Flohsamen (z. B. Mukofalk, Agiolax), Prucaloprid 1-mal 2 mg (Resolor):


nur bei Frauen zugelassen, deren Obstipation durch Laxanzien nicht gebessert ist
bei Durchfall: Loperamid 2–16 mg/Tag, Colestyramin 1- bis 3-mal 4 g/Tag, Floh-
██

samen 2- bis 6-mal 5 g; Scopalamin (Buscopan), Probiotika (Lactobacillus, Sac-


charomyces b.), 5-HT-3-Antagonisten (Ondansetron)
bei Schmerzen: Scopalamin 20–40 mg, Mebeverin (Duspatal) 3-mal 10 mg, tri-
██

zyklische Antidepressiva (Amitriptylin 10–20 mg/Tag als Anticholinergikum:


Wirkungseintritt erst nach 10–14 Tagen! Cave: möglichst nicht bei Obstipation),
SSRI (Citalopram, Fluoxetin u. a.) 5-HT-3-Antagonisten (Ondansetron)
Blähungen: Behandlung von Obstipation oder Diarrhö bessert häufig auch Blä-
██

hungen; Probiotika, Rifaximin 3-mal 400 mg (in Deutschland bislang nicht zuge-
lassen für diese Indikation)
alle RDS-Formen: Phytotherapeutika: STW5/Iberogast 3-mal 20 Trpf.
██
180  4 Darm

Psychotherapie: positiver Effekt von Hypnotherapie und kognitiver Verhaltens-


therapie mit Studien belegt.
Jedes erfolgreiche Therapieregime kann fortgesetzt werden!

Alternativ­ Werden häufig in Anspruch genommen (Akupunktur, Phytotherapien u. a.), da o. g.


therapien Therapie zu wenig effektiv, kein Erfolgsnachweis in Studien.

Therapie­ Häufig vorkommend, daher viele Therapieversuche, häufig Nachlassen der thera-
versagen peutischen Wirkung; Überweisung zu Konsiliararzt, Einholen einer 2. Meinung,
„reassurance“ des Patienten, neuer Therapieversuch. Cave: bei Nichtansprechen
der Therapie immer auch an Differenzialdiagnosen denken!

Verlauf Wechselnde Intensität der Beschwerden, häufig lebenslange Persistenz unter-


schiedlichen Ausmaßes.

Langzeit­ Nur in Ausnahmefällen; Verstärkung der Obstipation.


komplikationen

Selbsthilfe Deutsche Reizdarmhilfe e. V., Mörikeweg 2, 31303 Burgdorf, Tel.: 05136/896106


(www.reizdarmselbsthilfe.de)

Literatur Layer P et al: S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom. Z Gastroenterol 2011; 49: 237–293 (www.dgvs.de), AWMF-
Reg. r.: 021/016
Böhm SK, Kruis W. Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms. Gastroenterol up2date 2006; 2:
271–306
Longstreth GF et al. Functional bowel disorders. Gastroenterology 2006; 130: 1480–1491

4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms

4.13.1 Akute infektiöse Enteritis


Siehe Kap. 1.13, Diarrhö.

Synonym Enteritis infectiosa

Definition Akut einsetzende, durch unterschiedlichste Erreger bedingte und meist selbstli-
mitierende Durchfallerkrankung von hoher Variabilität bezüglich Häufigkeit der
Durchfälle (bis zu 20- bis 30-mal, auch nachts), Schwere (wässrig/blutig, Grad der
Bauchschmerzen, Fieber, Nierenversagen oder andere Komplikationen), Dauer und
Verlauf (in Mitteleuropa meist selbstlimitierend, selten fatal).
Einflussfaktoren: Erregervirulenz und -dosis, Alter des Patienten (ältere und junge
Menschen mehr gefährdet), reduzierte Immunlage des Patienten.

Patho­ Diarrhö wird hervorgerufen durch Leckage bzw. sekretorischem Elektrolyt- und
mechanismus Flüssigkeitsverlust.
Epithelschädigung durch:
██Mukosainvasion durch Erreger (invasive Enteritis: Yersinien, Shigellen, Campylo-
bacter, Salmonella typhi und paratyphi)
██erregerspezifisches Toxin (nichtinvasive Enteritis: ETEC, Staphylococcus aureus,
Campylobacter, Salmonella-Arten, Vibrio cholerae)
██zytotoxische Erreger: Noro-, Rotaviren, Clostridium difficile, Campylobacter,
EHEC, Shigella dysenteriae, Yersinien
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  181

Pathologie Variabel: Mukosa- bzw. Darmwandödem, Epithelzellnekrosen, Ulzera, Endothel-


schädigung, transmurale Entzündung.
Erkrankung des Kolons: Cl. difficile, Campylobacter, Shigellen, E. coli, Amöben
Erkrankung des Dünndarms: Noro-, Rotaviren, Campylobacter, Salmonellen, Yer-
sinien, Giardia lambliasis

Epidemiologie Häufiges Kranheitsbild: eine Episode pro Person pro Jahr! Weltweit hohe Morbidi-
tät und Mortalität (v. a. in Afrika und Asien).
Deutschland: laut Erregerstatistik 2011 des Robert-Koch-Instituts pro 100 000
Einwohner ca. 350 gemeldete Erkrankungen, jedoch hohe Dunkelziffer! davon
Noroviren: 140 (rückläufig, 2007: 244), Rotaviren 65, Salmonellen 29, Campylo-
bacter 86, EHEC 6, andere E. coli 10, übrige Erreger ca. 6.

Anamnese Bezüglich Infektionsquelle:


██Nahrungsmittel: Milchprodukte, Geflügel, Eier, rohes Fleisch, Fisch (Noro-, Rota-
virus, Salmonellen, Campylobacter, EHEC)
██kürzlich zurückliegende Reisen: Salmonellen, Shigellen, Amöben, ETEC, EHEC,
Lamblien
██Beruf; häusliches Umfeld: Altenheim, Kindergarten, Schule (Rota-, Norovirus, Sal-
monellen, EHEC)
██kürzlich zurückliegende Antibiotikaeinnahme: Clostridium difficile
██Erkrankung weiterer Personen im Umfeld
██Tierkontakte

Bezüglich reduzierter Immunlage und/oder sonstiger Erkrankungen:


██positiver HIV-Status, Glukokortikoid- oder Immunsuppressiva-Therapie, Che-
motherapie, Diabetes mellitus, Immunglobulinmangel (insbesondere IgA, aber
auch Agammaglobulinämie), Tumorerkrankung, Asplenie, chronisch entzündli-
che Darmerkrankung.

Erreger und Hinweise auf Erreger ergeben sich anhand:


Klinische ██Anamnese (s. o.)
Charakteristika ██Symptombeginn: <6 h: nahrungsmittelbedingtes Staphylococcus-aureus-Toxin;
6–48 h: Noroviren; >14 h: ETEC, EHEC; 5–72 h: Rotaviren, Salmonellen; 2–7
Tage: Campylobacter
██Symptomart:
–– wässrige Durchfälle, Bauchkrämpfe, Erbrechen, Fieber, Exsikkose, Nierenin-
suffizienz: Noroviren, Rotaviren, Salmonellen, Shigellen
–– blutige Durchfälle, Bauchkrämpfe, Fieber: Campylobacter jejuni, Shigellen,
EHEC
–– wässrig-schleimige Durchfälle: Cl. difficile
–– rechtsseitige Unterbauchschmerzen plus Arthritis, Erythema nodosum und
sonografisch mesenteriale Lymphknoten: Yersinien
██Warnsymptome, stationäre Einweisung: anhaltende Durchfälle (>6/Tag), persis-
tierendes hohes Fieber, Dehydratation, massives Erbrechen, stark blutig-schlei-
mige Diarrhöen

Andere seltene bakterielle Enteritiserreger: Aeromonas, Edwardsiella, Vibrio pa-


rahaemolyticus, Vibrio cholerae, Staphylococcus aureus, Streptococcus haemoly-
ticus, Citrobacter freundii, Bacillus cereus, Clostridium perfringens, Plesiomonas
shigelloides, Listerien, Pseudomonas aeruginosa, Proteus, Legionellen, Spirochä-
ten.
182  4 Darm

Wegweisende Mikrobiologische Stuhluntersuchung auf:


Diagnostik Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Yersinien, EHEC (Anamnese: Reise etc.)
██

Clostridium-difficile-Toxin A und B (zurückliegende Antibiotikaeinnahme, älte-


██

re Menschen, u. U. schweres Krankheitsbild)


Noroviren (häufigster Erreger in den Wintermonaten!) und Rotaviren (beson-
██

ders Kinder, aber auch Erwachsene)


Zysten, Wurmeier, Würmer (Reise, Tiere, Eosinophilie)
██

wichtig: bei ambulantem, unkompliziertem Verlauf in der Regel keine Erregerdi-


██

agnostik, da selbstlimitierend

Zusatz­ ██ Labor: BB, Diff-BB, BZ, Krea, Elektrolyte, Hst, IgA, evtl. HIV-Status
diagnostik ██ Sonografie des Abdomens: wandverdickte Darmsegmente, Lokalisation (Kolon,
terminales Ileum), dilatierte Darmschlingen, Ileuszeichen, Lymphknoten (Yersi-
nien!), evtl. Farbdoppler/Duplex der Mesenterialgefäße
██ Rektosigmoido- oder Ileokoloskopie: bei pseudomembranöser Kolitis (Cl. dif-
ficile) pathognomonische Veränderungen, schnelle Diagnose, ansonsten meist
entbehrlich

Differenzial­ Durchfall nicht infektiöser Ursache(s. Kap. 1.13, Akute Diarrhö), insbesondere
diagnose chronisch entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), isch-
ämische Kolitis, seltene Erreger bei Immungeschwächten: CMV, Adenoviren, Lam-
blien etc.)

Therapie­ Allgemeine Therapie: immer, cave: Exsikkose/Niereninsuffizienz, insbesondere


indikation auch bei Reisediarrhö (s. Kap. 4.13.2)
Spezifische antibiotische Therapie: bei immungeschwächten bzw. immuninkom-
petenten Patienten oder bei protrahiertem Verlauf, s. auch spezifische Erreger.

Therapie­ Orale Rehydratations-Therapie (ORT) nach WHO:


allgemein ██Indiziert bei starken Durchfällen
██In leichten Fällen: „Cola und Salzstangen“, reichlich Flüssigkeitszufuhr
██(Wirkprinzip: H2O-Aufnahme im Dünndarm erfolgt osmotisch über die Na-
Transporter-gesteuerte Glukoseaufnahme)
██Bei kompliziertem, prolongiertem Verlauf: stationäre Behandlung.

Spezifische antibiotische Therapie: s. spezifische Erreger


Probiotika: Cochrane-Analyse 2010: Tendenz zu schneller abklingendem Verlauf

Verlauf Meist selbstlimitierendes Krankheitbild; jedoch erhöhte Komplikationsgefahr (Ex-


sikkose, Nierenversagen, toxisches Megakolon, Sepsis) bei reduzierter Immunla-
ge, bei älteren Patienten oder Kindern; Mortalität in Deutschland gering, weltweit
wegen mangelnder Rehydratation hoch (v. a. bei Kindern).

Meldepflicht Siehe §6 u. §7 Infektionsschutzgesetz vom 1.1.2001 (www.rki.de > Infektions-


nach IfSG schutz > Infektionsschutzgesetz > Gesetzestext) sowie www.rki.de > Infektions-
krankheiten A–Z):
██beachte: Personen, die beruflich mit Lebensmitteln in Berührung kommen (z. B.
in Küchen, Herstellung, Restauration, Krankenhäusern etc.), müssen beruflich
Karenzzeit einlegen
██bei Verdacht auf 2 oder mehr gleichartige Erkrankungsfälle, bei denen ein epide-
mischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, muss Meldung
ans Gesundheitsamt erfolgen
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  183

Meldung durch das den Erreger bzw. das Toxin nachweisende Labor muss bei je-
dem Fall infektiöser Enteritis erfolgen.

Literatur Robert-Koch-Institut, Epidemiologisches Bulletin 3/2012 (www.rki.de , Startseite > Infektionsschutz > Epi-
demiologisches Bulletin > 2012
Epple HJ, Zeitz M. Enteritis infectiosa. Internist 2011; 52: 1038–1046
www.eurosurveillance.org

██ Salmonellen als Enteritiserreger

Erkrankung Salmonellose, Salmonella-Enteritis.

Erreger Gramnegative Enterobacteriaceae; verschiedene Serovare: S. enteritidis (ca. 65 %),


S. typhimurium (ca. 20 %), S. flexneri. Salmonellentoxin verantwortlich für Symp-
tomatik.
(Wichtig: S. typhi und S. paratyphi Erreger schwerer Allgemeininfektion: nicht pri-
mär Enteritis, Dünndarm lediglich als Eintrittspforte)

Übertragung Durch Geflügel, Eier, Milchprodukte, Schweinefleisch, Futtermittel, selten von


Mensch zu Mensch; Inkubationszeit: 5–72 h; geringer Manifestationsindex (20 %);
Infektionsrisiko für HIV-Infizierte deutlich höher.

Epidemiologie Salmonellen vierthäufigster Auslöser infektiöser Enteritis 2011 in Deutschland (29


gemeldete Erkrankte pro 100 000 Einwohner), Schätzung: Anzahl der Gemeldeten
entspricht ca. 10 % der tatsächlich Erkrankten.

Klinische ██ Wässrige bzw. breiige Durchfälle, Bauchkrämpfe, Erbrechen (Kinder!), Fieber


Charakteristika ██ Komplikationen (bis 5 %): Endokarditis, Arthritis, Sepsis, Meningitis, Osteomye-
litis, Nierenversagen, Cholezystitis, Abszesse.

Diagnostik Erregernachweis im Stuhl, in Erbrochenem, Blut (Kultur)

Therapie Supportive Maßnahmen, Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution; Antibiotika bei


immunsupprimierten oder -inkompetenten Patienten, älteren Personen, Kinder
bis 1 Jahr oder bei Bakteriämie/septischem Verlauf: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg/
Tag; alternativ: Cotrim forte 2-mal 1, Ampicillin 3-mal 1 g (Kinder etc. mit ange-
passter Dosis), Ceftriaxon 2 g 1-mal/Tag

Verlauf Meist selbstlimitierend, Bakteriämie bzw. Sepsis möglich; Dauerausscheider sel-


ten.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Salmonellose.


Meldepflicht,
Prophylaxe
██ Salmonella typhi und paratyphi

Erkrankung Typhus und Paratyphus: schwere Allgemeinerkrankung, primär keine Darmer-


krankungen.

Erreger Salmonella typhi bzw. paratyphi: die Dünndarmwand penetrierende Erreger, bil-
den ein Endotoxin, das für die schwere Allgemeinerkrankung verantwortlich ist;
184  4 Darm

seltene Erkrankung in Deutschland (2011: je 58 gemeldete Fälle), überwiegend im


Ausland erworben (Pakistan, Indien, Nepal, Türkei).

Übertragung Von Mensch zu Mensch, Schmierinfektionen, fäkal-oral, kontaminiertes Geflügel


und andere Nahrungsmittel; Inkubationszeit: Typhus 7–14 Tage (3–60 Tage), Pa-
ratyphus: 1–10 Tage.

Klinische ██Stadium 1: Kopf-, Bauchschmerzen, hohes Fieber, relative Bradykardie, Obsti-


Charakteristika pation
██Stadium 2: Kontinua, Splenomegalie, Roseolen, relative Leukopenie, Eintrübung
des Sensoriums
██Stadium 3: schweres septisches Krankheitsbild, erbsbreiartige Durchfälle,
Darmblutung (20 %)
██Stadium 4: Rückbildung der Symptome
Paratyphus verläuft meist weniger schwer.

Diagnostik ██ Kultur: Blutkultur, (Stuhlkultur erst nach 3–4 Wochen positiv)


██ Labor: Leukopenie, Linksverschiebung, Aneosinophilie, leichte CRP-Erhöhung

Therapie Immer Antibiotika: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg für 14 Tage, alternativ Ceftriaxon
2 g 1-mal/Tag i. v. über 14 Tage.

Komplikationen Organversagen im Rahmen der Sepsis, Pneumonie, Darmperforation, Abszesse,


septische Arthritis, Osteomyelitis, Alopezie.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Typhus


Meldepflicht,
Prophylaxe
██ Campylobacter

Erreger Gramnegative Stäbchen mit spiralförmiger Gestalt: viele Spezies, C. jejuni (95 %), C.
coli, C. lari, C. fetus ssp. fetus u. a., verursachen ca. 10 % der infektiösen Enteritiden;
häufig Reisediarrhö, Kinder und Jugendliche vermehrt, m>w; Campylobacter sind
invasive Erreger, bilden auch Entero- und Zytotoxin, genauer Pathomechanismus
ist unklar. Inzidenz in Deutschland 2011: 86/100 000 Einwohner (zweithäufigster
Erreger nach Noro).

Übertragung Nahrungsmittel, Geflügel, Milchprodukte, Trinkwasser, infizierte Haustiere; In-


kubationszeit: 2–7 Tage; Infektiosität: solange Erreger im Stuhl; Erregerausschei-
dung: über 2–4 Wochen, bei immunkompromittierten Patienten länger. Reservoir:
als enteraler Kommensale ubiquitär in Wild- und Haustieren.

Klinische Prodromi: Fieber, Arthralgien, Kopfschmerzen, 1–2 Tage zuvor.


­Charakeristika Vollbild: breiig-wässrige, auch blutige Durchfälle, Bauchschmerzen.
Selten: Arthritis, Erythema nodosum, Meningitis, Cholezystitis, Begleitnephritis,
Endokarditis, Myokarditis, Guillain-Barré-Syndrom.

Diagnostik Stuhlkultur

Therapie Symptomatisch; Antibiotika nur bei Bakteriämie, bei immunkompromittierten Pa-


tienten und bei Verlauf >7 Tage: 1. Erythromycin 20–30 mg/kg KG/Tag über 7 Tage,
2. Tetrazykline, Chinolone (cave: Resistenzentwicklung!).
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  185

Verlauf Dauer 2–7 Tage, selbstlimitierendes Krankheitsbild außer bei immunkompromit-


tierten Patienten; Komplikation: Guillain-Barré-Syndrom.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Campylobacter


Meldepflicht,
Prophylaxe
██ Shigellen

Erreger Gramnegative Enterobacteriaceae; Shigella sonnei (70–80 %), S. flexneri (10–20 %),
S. dysenteriae, S. boydii; geringe Erregermenge hoch infektiös, Vermehrung im
Dünndarm, Mukosaschädigung im Kolon; Enterotoxinbildner (S. flexneri, sonnei),
S. dysenteriae bildet zytotoxisches Shiga-Toxin, das auch von anderen Bakterien
gebildet wird (S. typhimurium, S. flexneri, Vibrio cholerae, E. coli O157:H7, E. coli
O104:H4).

Übertragung Ausschließlich Mensch-zu-Mensch, anooral. Inkubationszeit: 12–96 h.

Epidemiologie Meist Reisekrankheit: Ägypten, Tunesien u. a.; endemisch geringes Auftreten, Er-
krankungen 1–2/100 000, Auftreten in Heimen und Kindertagesstätten; weltweit:
signifikante Infektionserkrankung.

Klinische Durchfälle: wässrig (40 %), blutig (40 %), schleimig (80 %); kolikartige Bauch-
Charakteristika schmerzen (85 %), hohes Fieber (35 %); Symptomatik meistens spontan nach 2–7
Tagen sistierend
Schwerer Verlauf mit Bakteriämie: meist durch Shiga-Toxin verursacht; Konjunk-
tivitis, Gelenkbeteiligung, Iridozyklitis möglich
In Entwicklungsländern Shigellenenteritis mit Stenosebildung beobachtet,
schlechte Prognose, möglich sind toxisches Megakolon, Krampfanfälle (Fieber),
hämolytisch-urämisches Syndrom, leukämoide Reaktion

Diagnostik Stuhlkultur

Therapie Antibiotika empfohlen (möglichst nach Antibiogramm, Resistenzen!) wegen ho-


her Infektiosität: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg/7 Tage, alternativ Cotrim, Azithromy-
cin; bei weniger schwerem Verlauf auch allein supportive Therapie.

Verlauf Selbstlimitierend, Ausnahme immunkompromittierte Personen.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Shigellose


Meldepflicht,
Prophylaxe
██ E. coli (enteropathogene Erreger)

Erreger Gramnegative Enterobacteriaceae (Stäbchen). Pathogene E. coli unterscheiden sich


von E. coli der normalen Darmflora durch Ausbildung von Virulenzfaktoren:
██enterohämorrhagische E. coli (EHEC) bzw. Shiga-Toxin produzierende E. coli
(STEC):
–– häufigster Serovar bislang: 0157:H7; charakteristisch ist die Produktion/Sekre-
tion von Shiga-Toxinen (Stx1+2), die an spezielle Zellwandrezeptoren binden,
v. a. im kapillaren Endothel, die Proteinsynthese blockieren und zum Zelltod
führen. EHEC können mittels so genannter Typ-III-Sekretionsapparate weitere
zelltoxische bzw. -modulierende Proteine direkt in die Zielzelle applizieren.
Shigatoxin 2 aktiviert zudem rezeptorunabhängig die Komplementkaskade.
186  4 Darm

–– Als Auslöser des EHEC-Ausbruchs in Deutschland 2011 wurde der Serovar


O104:H4 identifiziert. Der Keim zeichnet sich durch Gene, die typisch sind
für enteroaggregative E. coli, und durch ein Gen für die Shiga-Toxin 2 Vari-
ante (Stx2a) aus. Er ist zudem resistent gegen beta-Laktam-Antibiotika und
Cephalosporine der 3. Generation (und ist somit ein ESBL) und partiell gegen
Fluorochinolone.
██ enterotoxische E. coli (ETEC) häufig Auslöser der „Reisediarrhö“ (s. Kap. 4.13.2)
██ enteropathische E. coli (EPEC): Säuglingsdiarrhö
██ enteroadhärente E. coli: Bedeutung unklar
██ enteroinvasive E. coli (EIEC): klinisch ähnlich den Shigellen, Vorkommen in Süd-
ostasien, Osteuropa, Nordamerika

Übertragung Fäkal-oral, kontaminiertes Fleisch (Heime, Kindertagesstätten, Altenheime, Kran-


kenhäuser); Inkubationszeit: 3–4 (1–10) Tage, Infektiosität: 5–10 Tage.
EHEC-Ausbruch 2011 (E.coli O104:H4): kontaminierte Sprossen. Inkubationszeit:
6–8 Tage

Vorkommen Weltweit, besonders in Ländern mit hochentwickelter Landwirtschaft; Reservoir:


Rinder, Schafe, Pferde, Hunde. Erkrankungen in Deutschland vor 2011: ca. 1000
EHEC-Meldungen pro Jahr, ca. 50 HUS, überwiegend Kinder.
EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: 3816 EHEC-Meldungen (Stand Juli 2011),
845 mit HUS (20 %), überwiegend Erwachsene, zwei Drittel Frauen.

Klinische Infektion häufig inapparent, oligosymptomatisch, ein Drittel erkrankt mit leichten
Charakteristika Durchfällen; ansonsten wässrig-blutige Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen, Bauch-
schmerzen, selten Fieber.
EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: blutige Diarrhöen (90 %), Bauchschmerzen
(90 %), Übelkeit/Erbrechen (bis 30 %), selten Fieber, hämolytisch-urämisches Syn-
drom (22 %), neurologische Symptomatik (ca. 15 %): Benommenheit, Agitiertheit,
Verwirrtheit, generalisierte Krampfanfälle, Koma.

Komplikationen ██ bei 10–20 % schwere hämorrhagische Kolitis: häufiger bei Kindern, alten Men-
schen und Immunkompromittierten, Perforation, neurologische Komplikatio-
nen (Schlaganfall, Krampfanfall)
██ in 5–10 % hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) bzw. thrombotisch-throm-
bozytopenische Purpura (TTP), dadurch im Kindesalter hohe Letalität; Nieren-
versagen meistens reversibel
██ EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: 22 % HUS (Thrombopenie <150 000, hä-
molytische Anämie, akute Niereninsuffizienz), davon 50 % mit (meist vorüberge-
hender) Dialysepflichtigkeit, ca. 50 % neurologische Symptome

Diagnostik Erregernachweis mit Toxin- und Toxingennachweis im Stuhl (PCR):


██Patienten mit Durchfall und
–– Alter <6 Jahre und hospitalisiert wegen Durchfall
–– mit blutig-wässrigen Durchfällen
–– mit endoskopisch nachgewiesener hämorrhagischer Kolitis, nekrotisierender
Kolitis
██wenn anamnestisch Durchfall und Hämolyse oder akutes Nierenversagen
██Patienten mit HUS oder TTP
██bei Ausbruch von Gastroenteritis in Gemeinschaftseinrichtungen
██Kontaktpersonen von HUS-Patienten
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  187

Labor: BB (Thrombopenie? Anämie? Fragmentozyten extra anfordern!), Kreatinin,


Harnstoff, Elektrolyte, LDH/Haptoglobin: Hämolyse?
Sonografie: bei EHEC-Ausbruch 2011 typischerweise bei 80–90 % Nachweis einer
ausgeprägten Linksseitenkolitis mit echogener Wandschwellung, selten Pankolitis,
Aszites. Andere EHEC-Infektionen: auch Rechtsseitenkolitis
Endoskopie: bei EHEC-Ausbruch 2011 typischerweise kontinuierliche, im Rektum
beginnende hämorrhagische Schleimhautschwellung, teils Ulzerationen und livi-
de Einblutungen in die Schleimhaut. Andere EHEC-Infektionen: auch rechtsseitige
hämorrhagische Kolitis.

Therapie Keine Antibiotikagabe, keine motilitätshemmenden Substanzen; supportive The-


rapie. Evtl. Dialyse, Plasmapherese notwendig, cave: Erniedrigung des Willebrand-
Cleavage-Faktors (→ immunsuppressive Therapie: Behandlung in Zentrum).
EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: aufgrund der hohen Resistenzentwicklung
keine Empfehlung für antibiotische Therapie, fraglich sogar Verschlechterung des
Verlaufs möglich. Supportive Therapie, Plasmapherese (obwohl nach Studien nicht
gut belegt), Dialyse; offene Studie: Therapie mit selektivem Komplement C5-Inhi-
bitor Eculizumab, Auswertung steht noch aus.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > EHEC-Infektionen


Meldepflicht,
Prophylaxe
Verlauf EHEC-Ausbruch 2011 in Deutschland: Gastroenteritis-Dauer bis 14 Tage möglich,
selten Perforation; hoher Anteil an HUS mit 50 % (überwiegend vorübergehender
Dialysepflichtigkeit), schwere neurologische Funktionsstörungen möglich, lang-
fristige intensivmedizinische Behandlungen; Mortalität: 4,2 % der Patienten mit
HUS; 0,6 % ohne HUS.

Literatur Frank C et al. Epidemic profile of Shiga-Toxin-producing Escherichia coli O104:H4 outbreak in Germany.
NEJM 2011; 365: 1771–1780

██ Clostridium difficile

Erkrankungen Clostridium-difficile-Infektion (CDI), Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö


(CDAD), antibiotikaassoziierte Kolitis, pseudomembranöse Kolitis.

Erreger Regulärer Keim der Darmflora im Kleinstkindalter, später Verlust der Darmkoloni-
sation. Anaerobier, grampositives, sporenbildendes Stäbchenbakterium, bildet En-
terotoxin (A) und Zytotoxin (B). Hohe genetische Variabilität. Neuer hochvirulenter
Stamm (Ribotyp O27) mit starker Toxinproduktion und z. T. schwerem klinischem
Verlauf auch in Deutschland nachgewiesen.

Patho­ Infektion meist nach antibiotischer Therapie (Clindamycin, Ampicillin, aber auch
mechanismus alle anderen Antibiotika inkl. Metronidazol und Vancomycin) durch Imbalance der
und Risiko­ regulären Darmflora als nosokomiale Infektion; bei ambulant erworbener Infekti-
faktoren on auch ohne vorausgegangene Antibiotikaeinnahme möglich.
Risikofaktoren: Immunschwäche, immunsuppressive Therapie, Chemotherapie,
postoperativ (nach Magen-/Darm-OP), Morbus Crohn/Colitis ulcerosa, Darmtu-
mor, Urämie, Verbrennungen, Wirbelsäulenverletzung, möglich: längerfristige PPI-
Einnahme.
188  4 Darm

Cl.-difficile-Toxine A+B verursachen Zellnekrosen mit unterschiedlicher Ausprä-


gung von Ulzera, Absonderung von Mukus, Zelldetritus (Pseudomembranen).

Epidemiologie Starker Anstieg der Erkrankungshäufigkeit: von 1,3/100 000 Krankenhausentlas-


sungen im Jahr 2000 auf 97,5/100 000 im Jahr 2006 (Statistisches Bundesamt). Bei
Krankenhausaufnahme: 3–7 % Träger von Cl. difficile, je nach Risikofaktor bis 33 %,
Patienten bleiben meist asymptomatisch. Wenn Keim im Krankenhaus erworben
wird, erkranken 15–70 %. Patienten >60 Jahre erkranken überproportional häufig.
Letalität bei Infektion mit Ribotyp O27 hoch (bis 50 %).

Übertragung Von Mensch zu Mensch; meist ältere Patienten, bei Tumor, Immunsuppression.

Klinische Wässrig-schleimige Durchfälle, Bauchschmerzen (meist entlang des Kolonrah-


­Charakeristika mens), Fieber bei Komplikationen. Breites Krankheitsspektrum: leichte Diarrhö,
Kolitis unterschiedlicher Ausprägung bis zur pseudomembranösen Kolitis (10–
20 %), sehr schwerer Verlauf mit Komplikationen.

Komplikationen Toxisches Megakolon, Ileus, Perforation.

Wegweisende ██ Anamnese (Antibiotika, s. Pathomechanismus)


Diagnostik ██ Nachweis Cl.-difficile-Toxine A/B in durchfälligem/ungeformtem Stuhl (ELISA:
38–94 % Sensitivität, 92–98 % Spezifität), Kontrolle des Therapieerfolgs nicht
empfohlen
██ Stuhlkultur auf Cl. difficile (immer bei schwerem Verlauf)
██ Endoskopie (Rekto-/Sigmoidoskopie) nur notwendig in Zweifelsfällen, bei drin-
gendem Verdacht trotz negativem Toxinnachweis, bei Therapieresistenz, bei
Komplikationen, Ausschluss einer anderweitig zugrunde liegenden Erkran-
kung (z. B. Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, ischämische Kolitis), Blickdiagnose/
patho­gnomonischer Befund: multiple, mit weißlich-gelblicher Kappe bedeckte
Schleimhautkegel, können auch konfluieren, Histologie: Pseudomembranen
██ Sonografie: unspezifisch ödematöse Wandverdickung

Therapie­ Bei Durchfällen und Nachweis von Cl.-difficile-Toxin A und/oder B und/oder po-
indikation sitiver Stuhlkultur, bei schweren und fortbestehenden Symptomen, älteren/CO-­
morbiden Patienten, bei fortgesetzter Antibiotikagabe.

Therapie und ██ Beginn der Erkrankung während Antibiotikagabe, aber auch noch bis 4 Wochen
Verlauf nach Absetzen von Antibiotika möglich.
██ Antibiotika absetzen, sofern möglich
██ Ersterkrankung: Metronidazol 4-mal 250 mg oral (oder 3-mal 500 mg) pro Tag (falls
unmöglich: i. v.) über mindestens 10 Tage; alternativ: Vancomycin 4-mal 125 mg
oral (teurer, i. v. ohne Wirkung). Rezidivgefahr ca. 20 % innerhalb von 3–21 Tagen
–– Primär Vancomycin: Kinder <10 Jahre, Schwangere, schwere Erkrankung
██ 1. Rezidiv: wie Ersterkrankung
██ >1. Rezidiv: Metronidazol oder Vancomycin oral 14–21 Tage plus Saccharomyces
boulardii (Perenterol)
██ sehr schwere Verläufe (toxisches Megakolon, Perforation, Peritonitis): Metroni-
dazol i. v. plus Vancomycin über Ernährungssonde; Indikation für Proktokolek-
tomie prüfen (Meldepflicht!)
██ neu: Fidaxomicin (2 × 200 mg für 10 Tage per os), gleich gut wirksam wie Van­
comycin, etwas weniger Rezidive; sehr teuer!
██ Stuhtransplantation: in Rezidivtherapie offenbar sehr gute vorläufige Ergebnisse
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  189

Hygiene,
██ www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Cl. difficile. Neu: Meldepflicht bei
Meldepflicht, schwer verlaufenden CDAD ans Gesundheitsamt.
Prophylaxe
██ Isolierung: nach >48 h nach Sistieren der Durchfälle Aufhebung der Isolierung

Literatur Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts 2008; 15: 117–122 (www.rki.de)
www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Cl. difficile (Stand 2013)
Schneider T et al. Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe. Dtsch Ärztebl 2007; 104: 1588–1594
Van Nood et al. Duodenal Infusion of donor feces for recurrent Clostridium difficile. NEJM 2013; 368:
407–415

██ Yersinien

Erkrankung Yersiniose, Pseudoappendizitis.

Erreger Gramnegative Stäbchen (Yersinia enterocolica, Serotyp O:3 (90 %) und O:9 bedeut-
sam; seltener Y. pseudotuberculosis), penetrieren über Dünndarmschleimhaut in
Peyer-Plaques und Lymphknoten.

Übertragung Oral über infiziertes Schweinefleisch (Hauptreservoir), insbesondere rohes


Schweinehackfleisch, Rohmilch, Geflügel, Salat, Trinkwasser, Haustiere; Inkubati-
onszeit 5 Tage (1–11 Tage).

Epidemiologie Erkrankung in gemäßigtem Klima, Europa > Nordamerika. Inzidenz Deutschland:


4/100 000 (2010), v. a. Kinder <5 Jahre und Jugendliche.

Klinische Trias: fieberhafte schmerzhafte, teils blutige Diarrhö, Erythema nodosum, akute
Charakteristika (Mon-)Arthritis; häufig auch rechtsseitige Unterbauchschmerzen („Pseudoappen-
dizitis“), Erbrechen, Anorexie, Gewichtsverlust, Kopfschmerzen, selten Sepsis.
Patienten mit Hämochromatose: häufigere und schwerere Infektion.

Diagnostik Stuhlkultur
Serologisch: IgA und IgM im Immunblot positiv in akuter und postakuter Phase,
nach 3–6 Monaten wieder negativ (auch falsch positive Ergebnisse möglich)
Sonografie: wandverdicktes terminales Ileum, zahlreiche mesenteriale Lymph-
knoten im rechten Unterbauch, aber auch in anderen Lymphknotenstationen, z. T.
sehr groß („mesenteriale Lymphadenitis“)
Endoskopie: uncharakteristische entzündliche Veränderungen im terminalen Ile-
um, vermehrt Lymphfollikel, Ulzera

Differenzial­ Akute Appendizitis, Morbus Crohn/Ileitis terminalis, Dünndarmlymphom.


diagnose

Therapie In der Regel selbstlimitierend, keine Therapie erforderlich; bei chronischem Ver-
lauf, immunkompromittierten Patienten, Hämochromatose, Septikämie oder
Komplikationen: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg über 4 Wochen, alternativ Ceftriaxon
2 g 1-mal/Tag i. v.

Verlauf Dauer des Durchfalls: 10–20 Tage, selbstlimitierend.


Komplikationen: fulminante Ileokolitis, toxisches Megakolon, Darmperforation,
Mesenterialvenenthrombose, Cholangitis, Abszessbildung (Milz, Leber, Niere, Lun-
ge), Endokarditis, Meningitis, Osteomyelitis, suppurative Lymphadenitis.
Folgeerscheinungen: Erythema nodosum, Morbus Reiter, Myokarditis, Arthritis.
190  4 Darm

Meldepflicht Erregernachweis (§7 IfSG).

Literatur Cover TL und Aber RC. Yersinia enterocolitica. N Engl J Med 1989; 321: 16–24
www.rki.de> Startseite > Infektionsschutz > Epidemiologisches Bulletin > 2012/6

██ Noroviren

Erreger Häufigster Erreger der infektiösen Gastroenteritis des Erwachsenen in Deutsch-


land.
Familie der Caliciviridae. Viruspartikel von Kapsid umgeben mit hoher Umweltre-
sistenz, einzelsträngiges RNA-Molekül, Vermehrung in der infizierten Zelle durch
eigene RNA-Polymerase ohne Korrekturfunktion: d. h. Mutationen häufig, hohe
genetische Diversität. Fünf Genogruppen (GG I–V).

Übertragung Hohe Kontagiosität, meist fäkal-oral oder oral-oral von Mensch zu Mensch, selte-
ner kontaminierte Speisen. Inkubationszeit: 6–48 h.

Patho­ Noroviren können an Oberflächenantigene auf Enterozyten binden.


mechanismus

Epidemiologie In den letzten Jahren zunehmend epidemieartiges Auftreten in den Wintermo-


naten; in Deutschland gemeldete Fälle 2001: 9300, im Jahr 2007: 200 000, 2011:
115 000. Personen >65 Jahre und Kinder besonders gefährdet/betroffen, Frauen >
Männer; meist Erkrankungsausbrüche in Altenheimen, Kliniken, Kurheimen, Kin-
dereinrichtungen. Zunehmend sporadisches Auftreten.

Klinische Plötzlich einsetzende Übelkeit, teils heftiges Erbrechen, Bauchschmerzen, wässri-


Charakteristika ger Durchfall, allgemeines Krankheitsgefühl; cave: Exsikkose des alten Menschen!

Diagnostik RT-PCR im Stuhl (hochsensitiv und spezifisch); alternativ: Enzymimmunoassay


zum Nachweis von Norovirusantigen.

Therapie Supportiv. Impfung derzeit nicht vorhanden.

Verlauf Meist Sistieren der Symptomatik innerhalb 24–48 h. Prolongierte Verläufe insbe-
sondere bei abwehrgeschwächten Menschen häufig. Mortalität: <0,1 % (v. a. alte
Menschen, Saison 2006/7 waren 79 % >80 Jahre). Keine Immunität.

Hygiene, Hygienemaßnahmen essenziell zur Ausbreitungsverhinderung! Im Krankenhaus:


Meldepflicht, Bei typischer Symptomatik und Verdacht auf Norovirusinfektion sofortige Isolie-
Prophylaxe rung, bis Ergebnis der Stuhluntersuchung vorliegt. Händehygiene, Schutzkittel,
Handschuhe, Mundschutz, Desinfektionsrichtlinien beachten (zum genauen Vor-
gehen in Krankenhäusern, Altenheimen etc. sowie zu Hause: s. www.rki.de > In-
fektionskrankheiten A–Z > Norovirus).

Literatur Schneider T et al. Norovirusinfektion – häufigste Ursache akuter Gastroentritiden in den Wintermonaten.
Dtsch Ärztebl 2005; 102: B2153–2157
Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch Instituts 2008; 6: 43–58 (www.rki.de)
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  191

██ Rotaviren

Erreger Familie der Reoviridae, 7 Serogruppen, doppelsträngige RNA; Viren vermehren


sich im Dünndarmepithel.

Übertragung Überwiegend fäkal-oral von Mensch zu Mensch, durch Wasser, durch kontami-
nierte Oberflächen; Auftreten zu 70 % in Winter und Frühjahr.

Epidemiologie Haupterkrankungsalter: 6 Monate bis 2 Jahre, bei Erwachsenen meist in Famili-


en, in denen Kinder erkrankt sind; bei >60-Jährigen Inzidenz steigend (Altenhei-
me, Krankenhäuser); häufigste Ursache der Gastroenteritiden bei Kindern (2006:
67 000 in Deutschland, weltweit ca. 100 Mio. Kinder, ca. 600 000 Todesfälle durch
Dehydratation).

Klinische Inkubationszeit: 1–3 Tage; Erbrechen und wässriger (schleimiger) Durchfall, 1–5
Charakteristika Tage. Dehydratation Indikation für stationäre Behandlung.

Diagnostik Stuhluntersuchung mittels EIA gegen Rotavirusantigen; PCR möglich.

Verlauf Sehr variabel, schwere Verläufe bei Kindern mit Immundefekt, Darminvagination
gehäuft, persistierender Laktasemangel möglich.

Therapie Supportiv, Flüssigkeitssubstitution.

Prophylaxe Seit 2006 oraler Impfstoff verfügbar, von STIKO derzeit nicht empfohlen: Stand 2012.

Hygiene, www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Rotaviren (2010)


Meldepflicht

██ Giardia lamblia

Erkrankung Lambliasis, Giardiasis.

Erreger Flagellatum, Parasit; zwei morphologische Formen: Zysten und Trophozoiten; Zys-
ten entsprechen infektiöser Form, können lange in feuchtem Milieu überleben; im
Dünndarm geben Zysten multiple begeißelte Trophozoiten frei, die sich an die Mu-
kosa anheften, aber nicht infiltrieren oder destruieren; im Kolon verkapseln sich
Trophozoiten wieder zu Zysten. Bei chronischem Verlauf Zottenatrophie möglich.

Vorkommen/ Weltweit, besonders Indien, Türkei, Ägypten, Spanien, Italien, aber auch USA und
Übertragung Deutschland: über Wasser und Nahrung und von Mensch zu Mensch (Vorkommen
in Wasser, auch natürlichen Gewässern und Gebirgsgewässern sowie Nahrung). In-
kubationszeit: 3–25 Tage. Inzidenz in Deutschland (RKI 2010): 4,9/100 000, Kinder
und jüngere Erwachsene.

Klinische Variabel: asymptomatisch bis zu heftigen schaumig-wässrigen Diarrhöen, Bauch-


Charakteristika schmerzen, Gewichtsverlust; chronischer Verlauf: Malabsorptionssyndrom (Ursa-
che unklar) inkl. Laktasemangel, selten Urtikaria, aphthöse Ulzerationen, reakti-
ve Arthritis; stark aggraviert bei Immunglobulinmangel; selten Leberbeteiligung
(Cholangitis), Pankreatitis; auch asymptomatische Zystenausscheider.

Diagnostik Zysten und Trophozoiten im frischen Stuhl, Duodenalsaftaspirat, Duodenalbiopsie;


Zottenatrophie selten möglich; Antigennachweis im Stuhl mittels ELISA.
192  4 Darm

Therapie­ Immer; bei asymptomatischen Personen, um die Weiterverbreitung zu unterbin-


indikation den.

Therapie Metronidazol 3-mal 400 mg für 5 Tage (80–95 % Erfolg), evtl. wiederholen; Alterna-
tive: Tinidazol einmalig 2 g.

Verlauf Meist akut und selbstlimitierend; chronischer Verlauf begünstigt durch Therapie-
resistenz, Immunschwäche/-suppression, Reinfektion mit wechselnder Diarrhö
und zunehmendem Malabsorptionssyndrom möglich.

Differenzial­ Bei chronischem Verlauf: Malabsorption anderer Ursache (s. Kap. 4.5, Malabsorp-
diagnose tionssyndrom), einheimische Zöliakie (Zottenatrophie), tropische Zöliakie (Anam-
nese).

Hygiene, Strikte Händehygiene, Vermeidung kontaminierten Trinkwassers/Lebensmittel.


Meldepflicht, Meldeplfichtig ist der Erregernachweis und die Erkrankung.
Prophylaxe

Literatur Beglinger C. Chronisch infektiöse Diarrhoe. Gastroenterol up2date 2007; 3: 51–65


Seltene und importierte Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut 2011. www.rki.de/cln_153/
nn_467546/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe_120606,templateId=raw,property=publicationFile.
pdf/Steckbriefe_120606.pdf

██ Amöben

Erkrankungen Infektion mit dem Protozoon Entamoeba histolytica („Amöbiasis“) mit asympto-
matischem, nichtinvasivem (auf den Darm beschränkten) oder invasivem Verlauf
mit ulzeröser Kolitis („Amöbenruhr“) und evtl. Amöbenabszess der Leber. Andere
Entamoeba-Arten (E. dispar, E. moshkovskii) sind für den Menschen klinisch nicht
bedeutsam.

Erreger und Entamoeba histolytica, Protozoon, Parasit; zwei morphologische Formen: Zysten
Verlauf und Trophozoiten; Zysten entsprechen infektiver Form, können lange in feuchtem
Milieu überleben. Orale Aufnahme von Zysten mit Wasser oder Nahrung, Übertra-
gung auch fäkal-oral. Im Dünndarm geben Zysten multiple Trophozoiten frei, die
sich im proximalen Kolon an die Mukosa anheften, zu Zellnekrosen und Ulzera
führen und die Darmwand penetrieren können. Im distalen Kolon erneute Enkap-
sulierung der Trophozoiten und Ausscheidung. In 80–90 % asymptomatische Infek-
tion. Invasive Form mit ulzerierender Kolitis und/oder extraintestinaler Erkran-
kung (Amöbenabszess der Leber in 95 %).

Epidemiologie Ca. 10 % weltweit infiziert, 40 000 Todesfälle; in Deutschland meist importierte Er-
krankung: ca. 0,25/100 000 Einwohner im Jahr 2000 (RKI); Vorkommen: Subtro-
pen und Tropen, überwiegend Indien, Afrika, Mexiko, Zentral- und Südamerika.
Inkubationszeit: Tage bis Monate; Latenz zwischen Aufnahme von Zysten und in-
vasiver Amöbiasis: Monate bis Jahre.

Klinische Variabel: 80–90 % asymptomatisch. Ansonsten: wenig bis massive Durchfälle,


Charakteristika wässrig-blutig-schleimig („Himbeergelee“), krampfartige Bauchschmerzen, Ge-
wichtsverlust, Fieber.
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  193

Diagnostik
██ E. histolytica-DNA-PCR im Stuhl; Nachweis von Zysten und Trophozoiten im fri-
schen Stuhl (gelingt nur in 70 %); Amöbenantigen im Stuhl; IgM-AK im Serum
██ Koloskopie: flache Ulzera mit erhabenem Rand; Histologie: unspezifisch oder
Trophozoitennachweis

Therapie Asymptomatische und nicht invasive Erkrankung: Zysteneradikation mit Paro-


momycin (Humatin) 25–30 mg/kg KG pro Tag (3 Einzeldosen) über 10 Tage; alter-
nativ: Diloxanidfuroat 3-mal 500 mg/Tag über 10 Tage.
Invasive Erkrankung: initial Metronidazol 3-mal 500 mg/Tag über 10 Tage (ca. 15 %
Therapieversager, alternativ: Tinidazol 3-mal 500 mg/Tag über 5 Tage) anschlie-
ßend Paromomycin (Humatin) 25–30 mg/kg KG pro Tag (3 Einzeldosen) über 10
Tage zur Zystenelimination aus dem Darm.

Verlauf und Neigung zu Chronizität und Rezidiven, hämatogene Streuung und lokale Penetrati-
Komplikationen on; Leberabszess: s. Kap. 7.5.1; Amöbom der Darmwand (selten); Kolonperforati-
on; Pleuraerguss rechts, selten Lungenabszess. Komplette Ausheilung nach Thera-
pie. In 10 % sonografisch Restzustände nach Leberabszess.

Nichtpathogene Entamoeba hartmanii, E. coli, E. polecki, E. dispar, Jodamoeba bütschlii, Blastocys-


Amöben tis hominis, Endolimax nana.

Literatur Burchard GD, Tannich E. Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Amöbiasis. Dtsch Ärztebl 2004; 101:
A3036–3040
Seltene und importierte Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut 2011. www.rki.de/cln_153/
nn_467546/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe__120606,templateId=raw,property=publicationFi
le.pdf/Steckbriefe_120606.pdf

4.13.2 Reisediarrhö
Definition Akute infektiöse Enteritis, die während oder nach Reisen typischerweise in Län-
dern mit reduziertem Hygienestandard auftreten (40–60 % der Reisenden in diese
Regionen entwickeln Diarrhö).

Ätiologie Meist bakterielle Ursache, ca. 10 % viral oder parasitär bedingt. Häufigster Auslöser:
enterotoxische E. coli (ETEC), Nachweis über auslösendes Agens in 70 % nicht zu füh-
ren. Übertragung durch kontaminierte Nahrung und Wasser. Infektion mit Giardia
lamblia (s. Kap. 4.13.1) auch durch kontaminiertes Wasser und natürliche Gewässer.

Epidemiologie Risikoregionen:
██geringes Risiko (<10 %): Nordeuropa, Australien, Neuseeland, USA, Kanada, Sin-
gapur
██mittleres Risiko (10–20 %): Mittelmeerregion, Südafrika, Karibik
██hohes Risiko (>30 %): Asien (außer Singapur), Afrika (außer Südafrika), Mittel-
und Südamerika, Mexiko

Klinische Plötzlich auftretender Durchfall, wässrig, selten blutig; Bauchschmerzen bis


Charakteristika -krämpfe; Übelkeit, Erbrechen; Beginn meistens zwischen 5.–15. Reisetag („Mon-
tezumas Rache“)

Therapie Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution: s. Kap. 4.13.1


Antibiotika: Indikation bei starken wässrigen Stühlen, Dehydratation, bei anhal-
tendem Fieber, bei Blut- bzw. Pusabgang im Stuhl: Ciprofloxacin 2-mal 500 mg für
3 Tage, Rifaximin 2-mal 400 mg für 3 Tage
194  4 Darm

Motilitätshemmende Medikamente: Einsatz umstritten; Loperamid sollte nur bei


sehr starken anhaltenden Durchfällen eingenommen werden; cave: Infektionen kön-
nen prolongieren (z. B. Shigellen); möglichst nur in Kombination mit Antibiotikum.

Verlauf Ohne Antibiotika erfolgt meist Besserung innerhalb 2–4 Tagen, durch Antibioti-
kum um 1–2 Tage früher.

Prophylaxe ██ Vermeidung von Infektionen durch sinnvolle Nahrungs- und Flüssigkeitsaus-


wahl
██ kalte Flüssigkeiten nur aus industriell abgepackten Flaschen (auch fürs Zähne-
putzen)
██ keine Obst-/Gemüsesalate, keine mayonnaisehaltigen oder Geflügelsalate („cook
it, peel it or leave it“)
██ Alkohol schützt nicht vor Infektion, keine Eiswürfel!
██ Preis des Hotels oder der Reise garantiert nicht Hygiene

Literatur DeBruyn G et al. Antibiotic treatment for travellers′diarrhoea. Cochrane Database Syst Rev 2000; 3:
CD002242
Rabenstein T et al. Rifaximin – ein nicht resorbierbares Antibiotikum mit vielfältigen Anwendungsmöglich-
keiten in der Gastroenterologie. Z Gastroenterologie 2011; 49: 211–224

4.13.3 A
 ndere Enteritiserreger: Bakterien, Pilze, Parasiten
(Auswahl)
Bakterien Vibrio cholerae (Cholera): gramnegatives Bakterium, bildet Choleratoxin, das über
Stimulation von cAMP zu exzessiver Wassersekretion ins Darmlumen führt; en-
demisch in Indien, Afrika, Zentral- und Südamerika; Infektionsquelle: infiziertes
Wasser; Inkubationszeit: wenige Stunden.
██Klinik: schwerste Diarrhö (Reiswasserstuhl) mit Hypovolämie, Hypotonie, Kol-
laps, massivem Elektrolytverlust; akutes Nierenversagen; Letalität >50 %!
██Nachweis: in Stuhlkultur und im Phasenkontrastmikroskop.
██Therapie: entscheidend ist Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution plus Doxycy-
clin 300 mg/Tag oder Erythromycin 4-mal 500 mg/Tag oder Cotrim forte 2-mal 1.

Pilze Candida albicans: Stuhluntersuchung auf Candida albicans ist überflüssig. Nach-
weis ist insbesondere bei älteren Menschen im Enddarm häufig positiv und hat
keinen Krankheitswert. Allenfalls bei immuninkompetenten Personen (Chemothe-
rapie, Granulozytopenie, Immunsuppression, HIV) kann Candida Krankheitswert
erhalten, allerdings fast ausschließlich in anderen Körperregionen (oropharynge-
al, Soorösophagitis, Pneumonie, Abszess, Candida-Sepsis). Alleiniger Nachweis von
Candida im Stuhl ist nicht behandlungsbedürftig.

Parasiten Askariden: intestinaler Fadenwurm, Ascaris lumbricoides (Gruppe: Nematoden);


über 20 cm lang; weltweite Verbreitung, überwiegend Tropen; Übertragung von
Eiern durch kontaminierte Nahrung oder Wasser; Inkubationszeit bis 2 Monate;
Larven schlüpfen im Duodenum, wandern transmural ins Portalsystem, durch die
Leber in die Lunge und verursachen eine Pneumonitis („flüchtiges Lungeninfilt-
rat“), wandern über Bronchien und Trachea in den Gastrointestinaltrakt, hier Ent-
wicklung zu reifen Würmern. Ein weiblicher Wurm setzt täglich ca. 200 000 Eier
frei. Überleben im Darm: 6–18 Monate.
██ klinische Charakteristika und Komplikationen:
–– Lungenstadium: Husten, Fieber, Auswurf inkl. Larven
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  195

–– intestinales Stadium mit Wurmreifung: kolikartige Bauchschmerzen, selten


Durchfall; Obstruktion durch Wurmmassen möglich, meist in Ileozökalre-
gion, Darmperforation möglich; Appendizitis, Cholestase bzw. Pankreatitis
durch Einwandern von Würmern in Gallen- bzw. Pankreasgang; Mangeler-
nährung insbesondere bei Kindern
–– allergische Reaktionen: Bronchoobstruktion, Urtikaria, Konjunktivitis
██ Diagnostik:
–– Eier, Larven und Würmer im Stuhl, Larven im Sputum
–– Röntgen-Thorax: Lungeninfiltrate wechselnd/wandernd
–– Labor: Eosinophilie (5–10 % der Leukozyten), Cholestase (AP, γ-GT, Bilirubin),
Zeichen der Pankreatitis
–– Röntgen-Darm: wurmartige Füllungsdefekte, Kontrastmitteldarstellung des
Verdauungstraktes des Wurms durch aufgenommenes Kontrastmittel
██ Therapie: Mebendazol (Vermox) 2-mal 100 mg für 3 Tage; alternativ: Pyrantel-
embonat (Helmex) 10 mg/kg Körpergewicht, maximal 1 g einmalig; Albendazol
(Eskazole) 400 mg einmalig

Balantidium coli: einziger menschenpathogener Ziliat, Vorkommen beim Schwein,


wärmeres Klima
██ Klinik: asymptomatisch bis schwere Durchfälle mit Tenesmen, Erbrechen, Ano-
rexie; Nachweis von Trophozoiten und Zysten im frischen Stuhl
██ Therapie: Tetrazyklin oder Metronidazol.
Nicht pathogene Flagellaten und Ziliaten: Trichomonas hominis, Trichomonax te-
nax, Chilomastix mesnili, Enteromonas hominis, Retortamonas intestinalis
Capillaria: Capillaria philippinensis, Vorkommen Thailand und Philippinen, Infek-
tion durch rohen Fisch; alle Stadien (Ei, Larven-, Wurm-) entwickeln sich in der
Dünndarmmukosa
██ Klinik: Malabsorptionssyndrom, Eiweißverlust-Enteropathie, Erbrechen, Durch-
fälle, Gewichtsverlust, gespanntes Abdomen, Ödeme, Hyporeflexie
██ Diagnostik: Stuhl auf Eier und Larven, besser Duodenalsekret; alle Zeichen der
Malabsorption im Labor
██ Therapie: Albendazol (Eskazole) 2-mal 200 mg für 10 Tage; Mebendazol (Verm-
ox) 2-mal 100 mg für 20 Tage; langfristige Therapie nötig, da nur reife Würmer,
nicht Larven getötet werden; Rezidivgefahr!

Echinokokkus: Echinococcus granulosus und E. multilocularis (s. Kap. 7.7)

Fasciolopsiasis: großer Darmegel, Fasciolopsis buski, heften sich an die Darmwand,


Ulcera, Verzehr roher Wasserpflanzen, roher Fisch, Dauer bis zum Auftreten von
Symptomen: 1–3 Wochen bis 3 Monate
██Klinik: Durchfall, Malabsorption, Gewichtsabnahme. Therapie: Praziquantel
(Biltizide) 25 mg/kg KG einmalig

Fischbandwurm: Diphyllobothrium latum, 3–10 m lang; Infektion über rohen Fisch,


hermaphroditer Wurm heftet sich an der distalen Dünndarmmukosa an
██ Klinik: Vitamin-B12-Mangelanämie, Folgen der Anämie: selten abdominelle
Symptome, Darmobstruktion
██ Diagnostik: Nachweis von Eiern oder Proglottiden im Stuhl
██ Therapie: Praziquantel (Biltizide) 25 mg/kg KG einmalig; alternativ: Niclosamid
(Yomesan) 2000 mg zerkaut als Einzeldosis
196  4 Darm

Hakenwürmer: Ankylostoma duodenale und Necator americanus, feuchtwarmes


Klima; filariforme Larven penetrieren die Haut, wandern über Lunge in den Intes-
tinaltrakt, wo sie an der Darmmukosa anhaften und zu Blutverlusten führen
██ Klinik: lokale Hautveränderungen siehe Strongyloides, pulmonale Symptome
seltener, Appetitverlust, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blä-
hungen, Eisenmangelanämie
██ Diagnostik: Stuhl, angereichert, auf Eier, hypochrome Anämie, Eosinophilie,
Hypalbuminämie
██ Therapie: Mebendazol (Vermox) 2-mal 100 mg über 3 Tage

Hundebandwurm: Dipylidiasis caninum, gelegentlich Auftreten beim Menschen


Klinik: Abdominalbeschwerden, Appetitlosigkeit
██

Diagnostik: Nachweis der Eier im Stuhl


██

Therapie: Praziquantel (Biltizide) 5–10 mg/kg KG einmalig


██

Oxyuris: Enterobius vermicularis (Oxyuris oxyura), moderates, kühles Klima; oral-


fäkale oder oral-anale Infektion mit Eiern, im Kolon reife Würmer, weibliche For-
men wandern zum Analbereich und legen Eier, selten Wanderung in Vagina und
Eileiter
██ Klinik: analer Juckreiz
██ Diagnostik: Abklatschpräparat vom Perianalbereich für Mikroskopie
██ Therapie: Mebendazol (Vermox) 100 mg einmalig

Rinderbandwurm: Taenia saginata, gemäßigte Breiten; Aufnahme der Larven über


rohes Rindfleisch, Länge bis zu 25 m
██Klinik: Konkurrenz des Wurms zum Wirt um die Nahrungsaufnahme, daher
Hunger oder Appetitverlust, Gewichtsverlust, Darmobstruktion möglich
██Diagnostik: Nachweis von Eiern und Proglottiden im Stuhl, Eosinophilie
██Therapie: Praziquantel (Biltizide) 5–10 mg/kg KG einmalig

Schistosoma (Schistosomiasis, Bilharziose; Gruppe: Trematoden): S. mansonii,


S. japonicum, S. intercalatum, S. mekongi (intestinale Bilharziose); S. haematobium
(Blasenbilharziose): Erkrankung der Tropen und Subtropen; Infektion über konta-
miniertes Wasser: Zerkarien, die sich in einer Schnecke als Zwischenwirt gebildet
haben, penetrieren die Haut, wandern über das Herz in die Zirkulation und errei-
chen auf unbekanntem Weg das intrahepatische Portalsystem und Urogenitalsys-
tem; die erwachsenen Würmer wandern in die mesenterialen Venolen, legen in
die Darmwand Eier, von denen 50 % durch die Wand in das Darmlumen arrodieren
und im Stuhl ausgeschieden werden; ausgeprägte entzündliche, teils granuloma-
töse (pseudotuberkulöse) Reaktion in der Mukosa und Submukosa.
██ Klinik: krampfartige Bauchschmerzen, blutig-schleimiger Durchfall, allergische
Reaktionen wie Urtikaria, Gesichtsschwellung, Fieber, Hepatosplenomegalie,
Lymphknotenvergrößerung, Zystitis, Hämaturie, Strikturen an Hohlorganen
██ Endoskopie: Mukosa ist hyperämisch mit kleinen Ulzera und leicht verletzlich;
auch Polypenbildung, Intussuszeption möglich, bei chronischer Schistosomiasis
Verdickung der Mukosa, Polypenbildung, auch Rektumprolaps und Kolonob­
struktion möglich, Penetration von Eiern durch die Serosa, auch Appendizitis;
aufgrund Leberfibrose bzw. -zirrhose und portaler Hypertension auch Ösopha-
gusvarizen möglich
██ Labordiagnostik: Stuhl und/oder Urin auf Eier, Rektum (Blasen-)biopsie (Eier),
Serologie weniger spezifisch, Eosinophilie
██ Therapie: Praziquantel (Biltrizide) 20 mg/kg KG 3-mal/Tag für 1 Tag
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  197

Schweinebandwurm: Taenia solium, Mexiko, Zentral-/Südamerika, Südwest-USA;


über rohes Schweinefleisch Aufnahme der Larven, deren Köpfe sich an die Dünn-
darmschleimhaut heften und zu Würmern reifen und bis 25 Jahre überleben kön-
nen; Zystizerkose, d. h. Larvenablagerung in Organen, entsteht durch Aufnahme
von T.-solium-Eiern, die über Magen und das Portalsystem in den Körper gelangen
(meist Subkutangewebe, Augen, Gehirn, Muskulatur, Herz, Leber, Lunge)
██Klinik: unspezifische Bauchschmerzen, Hungerschmerz, Durchfall, Symptome
abhängig von Organbefall bei Zystizerkose (Krampfanfälle, Paresen, Augensymp-
tome, Muskelschmerzen u. a.)
██Diagnostik: Nachweis von Proglottiden und Eiern im Stuhl, Diagnose einer Zysti-
zerkose durch Exzision des betroffenen Areals
██Therapie: Praziquantel (Biltizide) 5–10 mg/kg KG einmalig

Strongyloides: Zwergfadenwurm, Strongyloides stercoralis, (Gruppe: Nematoden);


immuninkompetente Personen besonders empfänglich; Vorkommen: Tropen,
Subtropen, selten gemäßigtere Zone; im Erdreich, starke fäkale Kontamination;
zwei Formen: eine frei lebende und eine filariforme, die Haut penetrierende Form;
filariforme Larven wandern durch die Haut über die Lunge, werden hochgehustet
und verschluckt; nach 1–2 Wochen im Dünndarm Freisetzung von Eiern. Durch
Darmwandpenetration und Wurmwanderung entstehen Beschwerden.
██ klinische Charakteristika:
–– Hauteintrittsstelle: Petechien, Erythem, Juckreiz, Ödem
–– Atemwege: Husten, Auswurf, Fieber, Hämoptysen
–– Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust,
Durchfall, Steatorrhö, Hepatomegalie, Ikterus, Darmobstruktion
██ Diagnostik: Duodenalsekret auf Larven (sensitivster Test!), Stuhl auf Larven (sel-
ten Eier), Leukozytose, Eosinophilie ca. 10 %, Eisenmangelanämie; Duodenalbi-
opsie wertlos
██ Therapie (immer, auch bei asymptomatischen Patienten): Ivermectin (Stromec-
tol) 2–3 Tage oral, Mebendazol (Vermox) 2-mal 100 mg für 3 Tage; Albendazol
(Eskazole) 2-mal 400 mg für 3 Tage; cave: immunsuppressive Therapie bzw. Si-
tuation verschärft das Krankheitsbild!

Trichuris: Trichuris trichiura (Peitschenwurm, Gruppe Nematoden), 3–5 cm lang,


Tropen und schlechte hygienische Verhältnisse (in USA geschätzt: 2 Mio. Infizier-
te), über infizierte Nahrung Aufnahme von Eiern, aus denen im Dünndarm Larven
schlüpfen, die in der Kolonmukosa heranreifen und Jahre überleben können
██Klinik: Durchfälle, abdominelle und rektale Krämpfe, Rektumprolaps möglich
██Diagnostik: Einachweis im Stuhl
██Therapie: Mebendazol (Vermox) 2-mal 100 mg über 3 Tage

Zwergbandwurm: Hymenolepis nana; gemäßigte Breiten, Infektion von Mensch zu


Mensch, Übertragung in Gemeinschaftseinrichtungen, Kindergärten bzw. -heimen
██Klinik: Allgemeinsymptome, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Appetitverlust, Juck-
reiz an Nase und Anus, Durchfälle, Abdominalbeschwerden
██Diagnostik: Nachweis von Eiern im Stuhl, Eosinophilie
██Therapie: Praziquantel (Biltizide) 25 mg/kg KG einmalig

Literatur Seltene und importierte Infektionskrankheiten. Robert-Koch-Institut 2011. www.rki.de/cln_153/


nn_467546/DE/Content/InfAZ/Steckbriefe/Steckbriefe__120606,templateId=raw,property=publicationFi
le.pdf/Steckbriefe_120606.pdf
198  4 Darm

4.13.4 Tropische Sprue


Definition In tropischen Regionen akquirierte Erkrankung, die durch Diarrhö und Malabsorp-
tionssyndrom, insbesondere Vitamin-B12- und Folsäuremangel gekennzeichnet ist.

Patho­ Vermutlich Infektionserkrankung, Erreger unbekannt; Gründe dafür: häufig vor-


mechanismus ausgehende Enteritis, endemisches Auftreten, bakterielle Überbesiedlung des obe-
ren Dünndarms mit Toxin produzierenden Klebsiellen, E. coli oder Enterobacter
nachgewiesen, Heilung durch Antibiotika.

Pathologie Zottenatrophie des Dünndarms, Kryptenhyperplasie, Infiltration durch Lymphozy-


ten, Plasmazellen, Eosinophile; oberer mehr als unterer Dünndarm betroffen; Zot-
tenatrophie weniger ausgeprägt als bei Zöliakie (glutensensitiver Enteropathie).

Epidemiologie/ Erkrankung ausschließlich der tropischen Regionen, v. a. Mittel-/Südamerika und


Übertragung Asien, Indien; auch endemisches Auftreten; erfasst auch Personen aus anderen
Ländern, die sich länger als 2 Wochen hier aufhalten; auch noch Erkrankung nach
Monaten möglich.

Klinische Durchfälle, Steatorrhö, Laktoseintoleranz, Anämie (megaloblastär), Gewichtsver-


Charakteristika lust, Ödeme; neurologische Symptomatik trotz Vitamin-B12-Mangel nicht vorhan-
den.

Wegweisende Duodenal- bzw. Jejunalbiopsie.


Diagnostik

Zusatz­ Laborchemischer Ausschluss anderer (Infektions-)Erkrankungen (s. Differenzialdi-


diagnostik agnose): megaloblastäre Anämie, Folsäure erniedrigt, Vitamin B12 erniedrigt, evtl.
Panzytopenie, Hypalbuminämie, Hypokalzämie, Hypophosphatämie, Vitamin D
erniedrigt.

Differenzial­ Zottenatrophie: Lambliasis, Cryptosporidium parvum, Morbus Whipple, AIDS-En-


diagnose teropathie, bakterielle Fehlbesiedlung, intestinales Lymphom, glutensensitive Zö-
liakie.

Therapie­ Symptomatische Erkrankung.


indikation

Therapie Folsäure 5 mg/Tag plus Tetrazyklin 4-mal 250 mg/Tag über 3–6 Monate.

Verlauf Folsäure allein normalisiert Anämie und klinisches Befinden in 50 %; trotz Tetrazy-
klintherapie bis zu 20 % Rezidive bei Personen, die weiter in Tropen leben.

Literatur Nath SK. Tropical sprue. Curr Gastroenterol Rep 2005; 7: 343–347

4.13.5 Morbus Whipple


Definition Sehr seltene bakterielle Infektion mit dem Erreger Tropheryma whipplei, die chro-
nisch und systemisch verläuft, den Darm befällt (Malabsorptionssyndrom), Gelen-
ke (wechselnde, rezidivierende Arthritis, häufig vor Darmsymptomen!), das ZNS
(häufig, auch ohne Symptome!) und andere Organe.
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  199

Ätiologie Erreger: Tropheryma whipplei (grampositives, stäbchenförmiges Bakterium, 16S-


und Patho­ rRNA-Gen sequenziert).
mechanismus Prädisposition: gehäuft bei beruflich mit Erdarbeiten/Tieren Exponierten; frag-
lich zelluläres Immundefizit (Hypothese), genetische Prädisposition (gehäuft HLA-
B27).
Pathomechanismus: unklar. Massive Infiltration betroffener Organe durch Mak-
rophagen; Replikation von T. whipplei in Monozyten und Makrophagen, Interleu-
kin-16 offenbar entscheidend.

Pathologie Kolonisation mit T. whipplei sowie Infiltration mit PAS-positiven Makrophagen


(PAS-positive Materialien entsprechen Bakterienwand, haben Sichelform, SPC-Zel-
len = „sickle form particles containing cells“) von:
██Gastrointestinaltrakt: verdickte, ödematöse Dünndarmmukosa mit massiver In-
filtration der Lamina propria des Darms (auch des Magens) mit PAS-positiven
Makrophagen („Schaumzellen“), Zottenverplumpung bis -atrophie, vermehrte
Fetteinlagerungen, geringe entzündliche Infiltration
██lymphoretikuläres System: Lymphknotenschwellung, Hepatosplenomegalie
(histologisch: nicht verkäsende Epitheloidzell-Granulome in 10 %) (seltener)
██ZNS: Meningen, Gehirn
██Serosa (Polyserositis): Aszites, Pleuritis mit Pleuraerguss, Perikarditis
██Herz: Endo-, Myo-, Perikard: Endokarditis mit Klappenfehler, Myokardinfiltrati-
on mit Herzinsuffizienz, Perikarditis
██Synovia: Arthritis
██Augen: Uveitis, Retinitis, Optikusneuritis
██Lunge; Knochenmark

Epidemiologie Sehr selten (ca. 1000 Fallberichte weltweit), ca. 85 % Männer überwiegend euro-
päischen Ursprungs betroffen (fraglich genetischer Hintergrund, 28–44 % HLA-B-
27-positiv), mittleres Alter 50 Jahre.

Assoziierte Malakoplakie (fraglich).


Erkrankungen

Klinische Anamnese: häufig lange Krankheitsdauer (zunächst Gelenkbeschwerden) über


Charakteristika Monate und Jahre bis zur Diagnosestellung
██Durchfall (Steatorrhö), Malabsorptionssyndrom (60–80 %)
██Gewichtsverlust (60–100 %)
██Arthralgien/Arthritis/Gelenkerguss: Knie, Knöchel, Hüfte, Finger- bzw. Handge-
lenke etc. (häufig Monate bis Jahre vor Durchfallbeginn, genaue Anamnese zeigt
bei 85 % zu Beginn der Arthralgien bereits Durchfälle), 60–80 %
██Anämie (90 %), Eisenmangel, selten Vitamin-B12-Mangel
██okkulter oder overter (selten) gastrointestinaler Blutverlust
██Ödeme, Aszites (Hypalbuminämie, Herzinsuffizienz, lymphatische Abflussstö-
rung)
██periphere (mesenteriale und mediastinale) Lymphknotenschwellung (50 %)
██Bauchschmerzen (25–60 %), gespanntes Abdomen (abdominelle Lymphknoten,
Aszites)
██Hepato-, Splenomegalie (0–20 %)
██Fieber (subfebril, 40 %)
██Husten, Dyspnoe (Lungenbefall, Pleuraerguss, Herzinsuffizienz)
██Herzgeräusch (25 %), kardiale Beteiligung insgesamt (40–60 %): Herzinsuffizienz,
Perikarditis, Endokarditis, Rhythmusstörungen, Hypotonie
200  4 Darm

██ neurologische Symptome: sehr variabel (demenzielle Entwicklung, Ophthal-


moplegie, Myoklonus: diagnostische Triade!), aber auch ZNS-Befall ohne Klinik
(30–40 %)
██ Hautpigmentierungen, Ursache unklar (30–60 %)
██ Augenbeteiligung: Uveitis, Retinitis, Keratitis, Papillenödem (6 %)

Wegweisende ██ Gastroduodenoskopie mit Duodenalbiopsie (mehrere an verschiedenen Stel-


Diagnostik len, fast immer positiv, auch wenn kein Durchfall vorliegt): endoskopisch u. U.
verplumpte Duodenalfalten, gelblich-weißliche granuläre (Fett-)Einlagerungen
in der Mukosa; Histologie: s. oben, PAS-positive Makrophagen jedoch nicht pa-
thognomonisch! Zusätzlich: PCR auf T. whipplei
██ Liquorpunktion: bei Verdacht auf ZNS-Befall, PCR auf T. whipplei

Zusatz­ Bei differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten sollte PCR auf T. whipplei an Biop-


diagnostik sien durchgeführt werden.
██ Labor: Anämie, Gesamteiweiß erniedrigt, Serum-Kalzium erniedrigt, Eisen er-
niedrigt, TPZ erniedrigt (Vitamin-K-Mangel), Stuhlfettausscheidung patholo-
gisch erhöht, Stuhl auf okkultes Blut positiv (80 %), selten: Thrombozytose, Pan-
zytopenie
██ Abdomen-Ultraschall: Lymphome (60 %), Hepato-, Splenomegalie, Aszites, Pleu-
raerguss
██ Herz-Ultraschall: Endokarditis, verminderte Pumpfunktion, Perikard-, Pleuraer-
guss
██ Röntgen-Skelett: konventionell: Zeichen der Osteoporose
██ kraniales CT oder MRT: evtl. Zeichen der Hirnatrophie, Hydrozephalus und/oder
fokale Läsionen

Differenzial­ ██ Malabsorptionssyndrom; malignes Lymphom; Sarkoidose, Kollagenose; Morbus


diagnose Addison (Hyperpigmentation und Hypotonie)
██ PAS-positiver Makrophagen-Infiltration: Infektion mit Mycobacterium avium
intracellulare bei HIV-Infektion, Rhodococcus-equi-Infekt, systemische Histo-
plasmose, Makroglobulinämie

Therapie Therapieindikation: immer


Ziele: 1. liquorgängige Antibiotika, 2. ausreichend lange Therapie
Ceftriaxon 2 g/Tag über 14 Tage (liquorgängig!), oder Meropenem 3 × 1 g/Tag über
14 Tage, dann Cotrimoxazol 2-mal 800 mg für mindestens 3(–12) Monate (liquor-
gängig)
Bei Sulfonamidallergie: Cefixim 2-mal 400 mg oder Doxycyclin 2-mal 100 mg für
1 Jahr (statt Cotrim)

Verlauf Unter Therapie verschwinden Symptome innerhalb Tagen bis Wochen, jedoch Re-
zidivgefahr bei zu kurzer Therapiedauer! Späte ZNS-Rezidive sind möglich (nach
mehr als 2 Jahren). Cave: histologisch können PAS-positive Infiltrate persistieren,
daher kein alleiniges Kriterium für Therapieerfolg.
Rezidivrate trotz adäquater Therapie: 2–33 % nach 5 Jahren.
5-Jahres-Überlebensrate unbehandelt: zu Beginn der Arthritis 83 %, bei Auftreten
von Diarrhö/Steatorrhö 20 %. Unbehandelt Letalität 100 %.

Langzeit­ Rezidive typischerweise mit neurologischer Symptomatik; Tod innerhalb von Jah-
komplikationen ren falls unbehandelt.
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  201

Fenollar F et al. Whipple’s disease. N Engl J Med 2007; 356: 55–66


Literatur
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– sulfamethoxazole in Whipple’s disease J Infect 2013; Jan 3

4.13.6 HIV-Enteropathie
Definition Im Rahmen einer HIV-Infektion auftretender Symptomenkomplex mit Durchfäl-
len, Gewichtsverlust, Malabsorption ohne Nachweis einer weiteren intestinalen
Infektion (20–30 % der AIDS-Patienten).

Patho­ ██ Schädigung der Dünndarmmukosa durch HIV wird vermutet, durch Abnahme
mechanismus aktivierter T-Helferzellen kann hyporegenerative Schleimhautatrophie erklärt
werden
██ Schädigung autonomer Nervenfasern möglich

Pathologie Mäßige Zottenatrophie; verminderte Mitoserate in Krypten.

Klinische Wässrig-breiige Durchfälle, Laktoseintoleranz, „Wasting-Syndrom“-Gewichtsver-


Charakteristika lust, Zeichen der Malabsorption unterschiedlicher Ausprägung.

Wegweisende HIV-Enteropathie ist Ausschlussdiagnose:


Diagnostik ██HIV-Nachweis!
██AIDS-assoziierte intestinale Infektionen ausschließen!

Zusatz­ ██ Laktose-H2-Atemtest, D-Xylosetest, Labor: s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom


diagnostik ██ Duodenalbiopsie: Zottenatrophie, nicht pathognomonisch

Differenzial­ AIDS-assoziierte Infektionen des Intestinaltraktes, Nebenwirkungen ART, Diarrhö


diagnose anderer Genese (s. Kap. 1.13, Diarrhö).

Therapie ART (antiretrovirale Therapie), symptomatisch: laktosefreie Ernährung, Lopera-


mid, Opiumtropfen, Sacharomyces boulardii.

Verlauf Schlechtes Ansprechen.

Selbsthilfe AIDS-Hilfe, s. Kap. 4.13.7, AIDS-assoziierte Infektionen des Intestinaltrakts.

4.13.7 AIDS-assoziierte Infektionen des Intestinaltrakts


Definition Sekundäre Infektionen mit opportunistischen und nicht opportunistischen Erre-
gern bei Patienten mit HIV-Infektion. Nach Einführen von ART deutlich seltener.

Patho­ Durch Verminderung der T-Helferzellen sowie der IgA-Sekretion aus B-Lymphozy-
mechanismus ten reduzierte intestinale Abwehr gegenüber ingestierten Keimen.

Klinische Durchfälle: wässrig/blutig/schleimig; Bauchschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust;


Charakteristika Malabsorptionssyndrom in unterschiedlicher Ausprägung.
202  4 Darm

Wegweisende
██ Anamnese: Medikamenten-NW
Diagnostik
██ Stuhluntersuchung (u. U. mehrfach durchführen!) auf pathogene Bakterien,
Clostridium-difficile-Toxin, Lamblien, Mikrosporidien und andere Protozoen,
Wurmeier, Pilze, Mykobakterien
██ Biopsie: aus jeweils betroffenem Organ (CMV, HSV)

Zusatz­ ██ Duodenalbiopsie (CMV, Kryptosporidiose)


diagnostik ██ Rekto-/Koloskopie: mit Biopsie, Untersuchung durch Pathologen, ggf. auch Vi-
rologen (CMV)
██ Cave: unbedingt Hinweis für Pathologen auf mögliche AIDS-assoziierte intesti-
nale Erkrankung geben!

Differenzial­ Ziel: Verbesserung des Immundefekts durch ART, Voraussetzung für Erregerelimi-
diagnose und nation.
Therapie Salmonellen, Shigellen, Campylobacter, Lamblien, Clostridium difficile, Strongy-
loides stercoralis: s. Kap. 4.13.1, Akute infektiöse Enteritis.
Mykobakterien (Mycobacterium-avium-Komplex, M. celatum, M. kansasii, M. xe-
nopi, M. genavese): typische opportunistische Infektion bei AIDS mit fortgeschrit-
tenem Immundefekt (CD4-Zellen <50/μl); histologisch Ähnlichkeit mit Morbus
Whipple; Nachweis histologisch oder kulturell im Stuhl; Therapie: Clarithromycin
oder Azithromycin plus Ethambutol und Rifabutin; ART.
Kryptosporidien: Cryptosporidium parvum, häufigstes Protozoon bei AIDS, Proto-
zoen häufigste Durchfallerreger bei AIDS; kontaminiertes Wasser, auch Mensch-
zu-Mensch-Übertragung
██ Nachweis der Sporen im Stuhl, sensitive ELISA zum Nachweis von Erregeranti-
genen im Stuhl, Biopsie: intraepithelialer Keimnachweis, Zottendistorsion; ex-
traintestinal: Cholezystitis, Cholangitis, Pankreatitis, Hepatitis
██ Therapie: ART
██ Verlauf: chronisch im Falle weiterbestehender Immuninkompetenz.

Mikrosporidien: häufig bei AIDS; Enterocytozoon bieneusi, Enzephalitozoon intes-


tinalis häufigste Erreger
██ Nachweis: Sporen im Stuhl, Duodenalsaft, -Biopsie, sicher nur elektronenmik-
roskopisch, auch PCR
██ Therapie: Versuch mit Albendazol (Eskazole) 2-mal 400 mg für 2–4 Wochen;
ART
██ Verlauf: wie Kryptosporidien

Blastocystis hominis: fraglich opportunistisch, fraglich pathogen; keine Therapie

Isospora belli: Protozoon, endemisch auf Haiti; akute Durchfallerkrankung bei Rei-
senden, bei AIDS-Patienten immer chronische Erkrankung
██Nachweis im Stuhl
██Therapie: Cotrimoxazol 2-mal 960 mg/Tag über 7 Tage, Erhaltungstherapie; al-
ternativ: Ciprofloxacin

Zytomegalievirus: generalisierte CMV-Infektion mit unterschiedlichem Organbe-


fall, meist erst bei CD4 <50/μl, durch ART abnehmende Inzidenz
██ histologisch: mukosale Entzündung, Nekrosen, Beteiligung des Gefäßendothels;
charakteristisch: Zytomegaliezellen („Eulenaugenzellen“), große Zellen mit eo-
sinophilen nukleären und basophilen zytoplasmatischen Einschlusskörperchen
4.13 Infektionserkrankungen des Dünn- und Dickdarms  203

██ klinische Charakeristika: Befall des gesamten Gastrointestinaltrakts mög-


lich, Kolon am häufigsten; entzündliche, ulzerierende Veränderungen auch im
Mund- und Analbereich, Bauchschmerzen, abdominelle Krämpfe, wässrig-bluti-
ge Durchfälle, Fieber, Gewichtsverlust; extraintestinal: CMV-Retinitis, neurolo-
gische Symptome, Pneumonie
██ Diagnostik: Endoskopie mit Kolonbiopsie: Nachweis der CMV-Zellen (s. o.), bei
CMV-Nachweis immer Screening auch auf Retinitis
██ Therapie: entscheidend und am effektivsten ist antiretrovirale Therapie; spe-
zifisch: Ganciclovir (alternativ: Foscarnet) 2-mal 5 mg/kg KG tgl. i. v. über 3–6
Wochen (NW: Neutropenie, Thrombopenie [Ganciclovir], Hypokalzämie, Krea-
tininanstieg [Foscarnet]).

Herpesvirus-Erkrankungen: überwiegend im Anorektum: Ulzera, Fissuren; häufig


auch im oberen Gastrointestinaltrakt (Mundhöhle und Ösophagus, s. Kap. 2.6, Vi-
rale Infektionen)
██Diagnose: IgM-HSV-Antikörper in Bläschen, Prokto-/Rektoskopie mit Biopsie
██Therapie: Aciclovir.

Histoplasma capsulatum: bei AIDS mit CD4-Lymphozytopenie (aber auch immun-


kompromittierte Patienten anderer Genese: Chemotherapie, TNF-α-Antikörper):
progressiv disseminierte Mykose durch Histoplasma capsulatum (Histoplasmose),
nach Einführung von ART deutlich seltener.
██Pathologie: Gewebsinfiltration durch mit Erregern beladene Makrophagen =
Histiozytose, Granulombildung; Befall vom Mund bis zum Anus möglich, Ulzera,
polypoide Formationen, Prädilektionsstelle: Ileozökalbereich; Leber-, Milzbe-
fall; extragastrointestinal: Lunge, Nebennieren, ZNS, Haut
██klinische Charakteristika: Fieber, Gewichtsverlust, schmerzhafte Ulzera im
Mund, Dysphagie, Bauchschmerzen, Blutungen, Anämie und Thrombopenie
(Knochenmarkinfiltration)
██Diagnostik: Histoplasma-Antigen im Urin (90 % positiv), im Serum (70 % positiv),
Blutkultur, Endoskopie, Erregernachweis in Biopsie
██Therapie: schwere Erkrankung: liposomales Amphotericin B 3–5 mg/kg KG pro
Tag, nach Ansprechen: Itraconazol-Dauertherapie, weniger schwere Erkrankung
(meist ambulant): Itraconazol 3-mal 200 mg/Tag für 3 Tage, dann 1- bis 2-mal
200 mg/Tag für 1–2 Jahre

Kokzidiomykose: bei AIDS-Patienten meist disseminierte Mykose durch Coccidio-


ides immitis, Leber- und peritonealer Befall, selten Gastrointestinaltrakt
██klinisch: Durchfälle, Bauchschmerzen, meist pulmonaler Befall im Vordergrund,
20 % Erythema nodosum;
██Diagnostik: direkter Erregernachweis oder PCR in Stuhl, Sputum, BAL; Kolonbi-
opsie, Serologie
██Therapie: Itraconazol und Posakonazol Mittel der 1. Wahl; schwerer Verlauf: li-
posomales Amphothericin B

Selbsthilfe Deutsche AIDS-Hilfe: www.aidshilfe.de


www.gib-aids-keine-chance.de
Deutsche AIDS-Stiftung: www.aids-stiftung.de

Literatur Epple HJ et al. Gastrointestinale Manifestationen der HIV-Infektion. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR,
Mössner J, Hrsg. Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme Verlag 2008: 1084–1109
www.aidsinfo.nih.gov
204  4 Darm

4.13.8 Tuberkulose
Definition Gastrointestinaler Befall mit Erreger des Mycobacterium-tuberculosis-Komplex
(M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum, M. microti, M. canetti) (Magen, Darm,
Peritoneum).

Patho­ Durch Verschlucken von Mykobakterien, miliare Aussaat oder direkte Infiltration
mechanismus durch benachbarte Organe verursachte Beteiligung des Gastrointestinaltrakts.

Pathologie Ulzerationen, Strikturen, polypöse Veränderungen meistens in der Ileozökalregi-


on; verdickte, entzündlich infiltrierte Darmwand mit Tuberkeln auf der Serosa; re-
gionaler Lymphknotenbefall (verkäsende Granulome); Aszites, peritoneale Verdi-
ckung, Nachweis säurefester Stäbchen.

Epidemiologie Selten in Europa; häufiger in Afrika, Asien; zunehmend in Nordamerika, UK; bei
Migranten bedenken! Alkoholismus.

Risikofaktoren AIDS, Alkoholkrankheit, sonstige Immunsuppression.

Klinische Appetitverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, peranaler Blutverlust, Gewichtsverlust,


Charakteristika Fieber, nächtliches Schwitzen; Resistenz im rechten Unterbauch (50 %), Stenose-
symptomatik bis zum Ileus.

Wegweisende ██ Mykobakteriennachweis und Kultur (!) in Magensaft, Stuhl, Aszites oder histo-
Diagnostik logisch in betroffenen Organen
██ Mykobakterien-PCR sensitiver als Bakteriennachweis, aber ersetzt nicht die Kul-
tur (Resistenzen!)
██ Quantiferon-Test (sensitiver als Tine-Test, nicht positiv bei Geimpften)
██ Ileokoloskopie: entzündliche, ulzerierende, auch polypoide Schleimhautverän-
derungen, entzündliche und narbige Stenosen; Biopsie: Mykobakterien, PCR

Zusatz­ ██ Abdomen-Sonografie, insbesondere Darm: Darmwandverdickung insbesondere


diagnostik im Ileozökalbereich, „Konglomerattumor“, Lymphome, Aszites
██ Röntgen-Thorax, evtl. CT-Abdomen, MR-Enteroklysma, explorative Laparasko-
pie (Peritonealtuberkulose)
██ HIV-Test

Differenzial­ Morbus Crohn, Amöbom, Karzinom, Infektion mit Mycobacterium-avium-Komplex.


diagnose
Therapie­ Immer.
indikation

Therapie Wie pulmonale Tbc: Vierfachkombination mit INH (300 mg/Tag), Rifampicin
(600 mg/Tag), Pyrazinamid, Ethambutol (15 mg/kg/Tag) über 2 Monate, dann Zwei-
fachkombination (INH, Rifampicin) für 4 Monate.

Verlauf ██ Komplikationen: Blutungen, Stenosen, Malabsorption (meist durch bakterielle


Fehlbesiedlung kranial der Stenose), Perforation.
██ Langzeitkomplikationen: Strikturen, Rezidiv

Meldepflicht www.rki.de > Infektionskrankheiten A–Z > Tuberkulose

Literatur Beglinger C. Chronisch infektiöse Diarrhoe. Gastroenterol up2date 2007; 3: 51–65


4.14 Zöliakie (Einheimische Sprue)  205

4.14 Zöliakie (Einheimische Sprue)

Synonyme Glutensensitive Sprue, gluteninduzierte Enteropathie.

Definition Immunologisch vermittelte Schädigung der Dünndarmschleimhaut bei genetisch


Prädisponierten durch das Getreideprotein Gluten (Vorkommen: Weizen, Gerste,
Roggen) mit konsekutivem Verlust der Dünndarmfunktion.

Patho­ Das mit der Nahrung aufgenommene Gluten bzw. die darin enthaltenen alkoholex-
mechanismus trahierbaren Prolamine (charakteristische Aminosäurezusammensetzung: >30 %
Glutamin, >15 % Prolin) enthält toxische Epitope, die bei Zöliakie intraepithelial
nicht degradiert werden bzw. durch defekte Tight Junctions hindurchgelangen.
Sub­epithelial bilden diese Epitope mit dem endomysialen Autoantigen Transglu-
taminase 2 einen Komplex, der von antigenpräsentierenden Zellen bei gleichzeiti-
gem Vorliegen von HLA-DQ8 bzw. DQ2 zur T-Zell-Aktivierung, Freisetzung zytoto-
xischer Mediatoren mit Zerstörung der Dünndarmmukosa führen.

Pathologie Vermehrung der intraepithelialen Lymphozyten (CD3-positiv) auf >40 pro 100
Epithelzellen, unterschiedliche Destruktion der Dünndarmmukosa bis zur kom-
pletten Zottenatrophie und reaktiver Hyperplasie der Krypten; große Variabilität
in Schwere und Ausdehnung der Veränderungen (maximal vom Duodenum bis
zum terminalen Ileum). Tab. 4.2 zeigt die modifizierte Einteilung der Zöliakie nach
Marsh.
Kollagene Sprue (Sonderform? Komplikation? Eigenständige Erkrankung?): sub­
epitheliales Kollagenband und Zottenatrophie
Cave: Zottenatrophie ist nicht beweisend für Zöliakie (s. Differenzialdiagnose)

Genetik In 95 % Nachweis von HLA-DQ2, restliche 5 % HLA-DQ8 (cave: 25 % der gesunden


Normalbevölkerung sind HLA-DQ2-Träger!); ca. 95 % heterozygot für DR3 oder
DR5 und DR7. Familiäre Häufung (Verwandte 1. Grades: 8–18 % Konkordanz), ein-
eiige Zwillinge (70 % Konkordanz). Vermutlich weitere genetische Marker.

Risikofaktoren Vermutung: Rotavireninfektion im Kleinkindesalter; vermehrte Glutenzufuhr in


den ersten 12 Lebensmonaten

Tab. 4.2 Modifi­ Marsh-Typ Intraepitheliale Krypten­ Zotten­


zierte Einteilung Lymphozyten hyperplasie atrophie
nach Marsh (nur pro 100 Epithelzellen
Marsh-Typen
0 normale Schleimhaut <40 Keine Keine
IIIa–c definitiv
vereinbar mit I infiltrativer Typ 30–40 Keine Keine
Zöliakie)
II hyperplastischer Typ >40 Ja Keine

III destruktiver Typ >40 Ja Ja

III a partielle Zottenatrophie Partiell

IIIb subtotale Zottenatrophie Subtotal

IIIc totale Zottenatrophie Total

IV hypoplastischer Typ >40 Keine Total


206  4 Darm

Epidemiologie
██ Prävalenz: 1–2 % (Daten aus Screeningstudien), Tendenz steigend, Verhältnis
Frauen zu Männer = 2:1
██ klinischer Beginn im Kindes- und Erwachsenenalter möglich (hohe Prävalenz
auch >65. Lebensjahr)
██ seltener bei chinesischer, japanischer sowie schwarzer Bevölkerung

Assoziierte Diabetes mellitus Typ 1: 5 %–7,8 % der Patienten mit Zöliakie erkranken gleichzei-
Erkrankungen tig an einem Typ-1-Diabetes; ca. 5 % der Typ-1-Diabetiker leiden an einer Zöliakie.
Autoimmunthyreoiditis: Schilddrüsendysfunktionen im Rahmen einer Autoim-
munthyreoiditis: 10–15 %.
Mikroskopische Kolitis: eine Studie zeigte in 14,8 % der lymphozytären bzw. 20 %
der kollagenen Kolitis das Vorliegen einer Zöliakie.
Autoimmunerkrankungen der Leber: Autoimmunhepatitis (6 %), primär biliäre
Zirrhose (6 %).
Weitere Assoziationen: IgA-Mangel (4 %), Sjögren-Syndrom, IgA-Nephropathie,
Morbus Addison, autoimmune atrophe Gastritis, Down-, Turner-, Williams-Syn-
drom, kongenitale Herzfehler, Kardiomyopathie

Klinische Klassische Symptomatik selten geworden (Diarrhö, großvolumige Fettstühle, Ge-


Charakteristika wichtsabnahme, Malabsorption), oligo-/monosymptomatische und extraintesti-
nale Symptomatik. Verschiedenste Varianten und Konstellationen möglich. Häufig
lange Latenz bis zur Diagnosestellung (insbesondere bei älteren Patienten!)
Gastrointestinal: (chronischer) Durchfall (mangelnde Resorption durch Zot-
tenatrophie, Laktoseintoleranz, exokrine Pankreasinsuffizienz durch fehlende
CCK-Sekretion der atrophen Dünndarmschleimhaut), Blähungen, Flatulenz, Mal-
absorptionssyndrom (selten, s. Kap. ▶ Kap. 4.5), Bauchschmerzen, Appetitverlust,
Erbrechen (Kinder), aphthöse Stomatitis.
Dermatitis herpetiformis: kutane Manifestation der Zöliakie, histologisch: IgA-
Ablagerungen in der Epidermis, Autoantigen: epidermale Transglutaminase; his-
tologische Veränderungen des Dünndarms finden sich weniger ausgeprägt als bei
Zöliakie ohne Dermatitis herpetiformis; klinisch treten seltener gastrointestinale
Beschwerden auf, weswegen die Patienten häufig die glutenfreie Kost nicht kon-
sequent einhalten.
Extraintestinal:
██Gewichtsabnahme, Gedeihstörungen (Kinder); mäßige Transaminasenerhö-
hung, Leistungsverlust, Anämie (Eisenmangel – häufig!), Folsäuremangel; Mus-
kelkrämpfe, Knochenschmerzen, Osteopenie, Osteoporose, Frakturen: Hypo-
kalzämie, Vitamin-D-Mangel; Zahnschmelzdefekte, Alopezie, Ödeme: Hypopro-
teinämie
██dermatologisch: Dermatitis herpetiformis (stark juckende bläschenbildende Ef-
floreszenzen an Ellenbogen, Knien, Gesicht, Hals, Stamm); Psoriasis, Atopie
██endokrinologisch/gynäkologisch: Infertilität (Frauen und Männer), erhöhte Ab-
ortrate
██neurologisch: Depression, Lustlosigkeit, Krampfanfälle, Sensibilitätsstörungen
(PNP), zerebelläre Ataxie, Muskelschwäche/Myopathie
██Lymphknoten (selten): intraabdominell, peripher; fraglich: reaktiv, unspezifische
Aktivierung des lymphatischen Systems

Wegweisende ÖGD mit Duodenalbiopsie:


Diagnostik Goldstandard (Abb. 4.2); makroskopisch Faltenreduktion, Zottenverlust, Einker-
██

bungen an der Oberfläche („scalloping“), Mosaikmuster; Entnahme von min-


destens 4–6 Biopsien aus verschiedenen Arealen des absteigenden Duodenums
(Histologie s. oben)
4.14 Zöliakie (Einheimische Sprue)  207

Abb. 4.2 Prakti­


NOLQLVFKHU9D=|OLDNLH
sches Vorgehen
bei Verdacht auf
Zöliakie. QLHGULJ KRFK

,J$DQWL7* $QWLN|USHUWHVWVQHJ 'XRGHQDOELRSVLH


XQG,J*DQWL'*3 ʺ*HVDPW,J$ SOXV,J$DQWL7*
XQG,J*DQWL'*3

,J$0DQJHO
ʪ,J*DQWL'*3

DOOH7HVWVQHJDWLY
NHLQ,J$0DQJHO
ʺNHLQH=|OLDNLH

'XRGHQDOELRSVLH

$N7HVWVSRVLWLY  +LVWRORJLH SRVLWLY QHJDWLY

6HURORJLH

SRVLWLY =|OLDNLH ²HUQHXWH%LRSVLH


  ²IDOVFKSRV6HURORJLH"
  ².RQWUROOHLQ0RQDWHQ
'XRGHQDOELRSVLH   ODWHQWH=|OLDNLH"

QHJDWLY =RWWHQDWURSKLH NHLQH=|OLDNLH


 'LIIHUHQ]LDOGLDJQRVH
 ]XP$XVVFKOXVV
 =|OLDNLH+/$'4

Serologischer Antikörpernachweis:
██IgA-Anti-Transglutaminase 2 (TG2): Nachweis von IgA-Antikörpern gegen das
endomysiale Autoantigen humane Gewebe-Transglutaminase (ELISA), Sensitivi-
tät und Spezifität ca. 98 %. Standardparameter bei klinischem Verdacht und als
Screeningparameter.
██IgA-Anti-Endomysium: nur wenn Transglutaminase-Ak negativ und IgA-Mangel
ausgeschlossen (hochsensitiver und -spezifischer Test, jedoch aufwendig und
wird nur in spezifischen Labors durchgeführt)
██IgA-Anti-Gliadin: wegen geringer Sensitivität und Spezifität nicht mehr indiziert
██IgA-Anti-deamidiertes Gliadin (DGP): IgA-Antikörper gegen deamidiertes Glia-
din, Sensitivität bis 85 %, Spezifität bis 95 %
██IgG-Anti-deamidiertes Gliadin (DGP): IgG-Antikörper gegen deamidiertes Glia-
din, Spezifität 98 %, indiziert bei IgA-Mangel, auch bei Kleinkindern hohe Spezi-
fität und Sensitivität
██beachte: falsch negative Befunde für IgA-Antikörper bei IgA-Mangel!

Genetische Untersuchung: nur zum Ausschluss einer Zöliakie geeignet

Zusatz­ ██ Labor: Hb, Hk, MCV, MCH, Leukozyten, Thrombozyten, Fe, Ferritin, Na, Kalium,
diagnostik Kalzium, Phosphat, Magnesium, Protein, Albumin, INR (evtl. Vitamin B12, Folsäu-
re, 1,25-Dihydroxycholecalciferol)
208  4 Darm

██ Sonografie: stark flüssigkeitsgefüllter Dünndarm mit sehr motilem Inhalt


(„Waschmaschinenphänomen“), Abflachung der Mukosa bzw. Kerckring-Falten,
mesenteriale und paravasale Lymphome
██ Kapselendoskopie: nur bei negativer Histologie und Serologie, aber klinisch
starkem Verdacht auf Zöliakie, zum Nachweis ulzerativer Jejunitis oder Lym-
phom als Komplikation (ggf. Ballonenteroskopie zur Biopsiegewinnung)
██ Knochendichtemessung: bei Verdacht auf Osteoporose
██ Ausschluss der Diagnose Zöliakie: HLA-DQ2 und DQ8 nicht nachweisbar!

Differenzial­ Durchfalldominantes Reizdarmsyndrom, postinfektiöses Reizdarmsyndrom, Lak-


diagnose toseintoleranz, mikroskopische Kolitis.
Bei histologischen Veränderungen (Marsh IIIa–c):, Kollagene Sprue, tropische
Sprue, eosinophile Gastroenteritis, Morbus Crohn, virale Gastroenteritis, HIV-En-
teropathie, Lambliasis,Tuberkulose, bakterielle Fehlbesiedlung, Strahlenenteritis,
Zollinger-Ellison-Syndrom, Kuhmilchintoleranz, CVID, Hypogammaglobulinämie,
Autoimmunenteropathie, malignes Lymphom.
Bei Malabsorption: s. Kap. 4.5 Malabsorptionssyndrom.

Klassifikationen Klassische (typische) Zöliakie: gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Blä-


der Zöliakie hungen, Gewichtsverlust; Histologie Marsh-Typ III, positive Serologie; Ansprechen
auf glutenfreie Kost.
Atypische Zöliakie (häufig): mono-/oligosymptomatische Form: wenig bis keine
gastrointestinalen Beschwerden, einzelne/wenige extraintestinale Symptome wie
Eisenmangelanämie u. a. (s. o.) Histologie Marsh-Typ III, Serologie positiv, Anspre-
chen auf glutenfreie Kost.
Silente Zöliakie: keine Beschwerden/Symptome, positive Serologie, Marsh-Typ III
(Nachweis meist im Rahmen von Screening)
Latente Zöliakie: keine Beschwerden unter glutenhaltiger Kost, nicht eindeutige
Veränderungen der Serologie und/oder Histologie; auch Patienten mit zöliakiety-
pischer Histologie und Serologie in der Vergangenheit und jetzt geringgradigen
Residuen unter glutenfreier Kost.
Transiente Zöliakie: positive Serologie und Marsh-Typ III, nach glutenfreier Kost
Normalisierung und kein erneutes Auftreten durch glutenhaltige Nahrung.
Refraktäre Zöliakie: kein Ansprechen auf strikt glutenfreie Kost trotz positiver
Histologie und Serologie bzw. erneutes Auftreten von Beschwerden nach initialer
Besserung unter glutenfreier Kost (2–5 % der Zöliakie-Patienten, Typ I ohne, Typ II
mit aberranten T-Zellen → schlechte Prognose).

Therapie­ ██ wenn histologische Zeichen der Zottenatrophie (Marsh-Typ III) vorliegen


indikation ██ bei zweifelhafter/grenzwertiger Serologie oder Histologie: Kontrolle in 6 Mona-
ten bzw. individuelle Absprache
██ da Einhaltung von glutenfreier Kost eine hohe Motivation voraussetzt und mit
Einschränkungen und Kosten verbunden ist, ist eindeutige Diagnose anzustre-
ben

Therapie ██ strikte glutenfreie Ernährung: glutenhaltige Getreide: Gerste, Weizen, Roggen,


Dinkel, Grünkern u. a. (Hafer wird von den meisten Betroffenen vertragen); cave:
verstecktes Gluten in Bindemittel, Joghurt, Schokolade etc.
██ laktosefreie Kost initial manchmal hilfreich
██ professionelle Ernährungsberatung, Kochkurs
██ Substitutionstherapie oral selten erforderlich: gleichzeitig mit glutenfreier Kost
initial z. B. Eisen (20–100 mg Eisen II pro Tag) bei nachgewiesenem Eisenmangel
4.14 Zöliakie (Einheimische Sprue)  209

██ Substitutionstherapie i. v. nur sehr selten bei schwerem Malabsorptionssyndrom


(s. Kap. 4.5) indiziert
██ Dermatitis herpetiformis: glutenfreie Ernährung (hierunter nahezu immer auch
Remission der Hautveränderungen!); bei starken Hautveränderungen mit Juck-
reiz: initial zusätzlich Dapsone (cave Nebenwirkungen)
██ Selbsthilfegruppen
██ Medikamentöse Therapieansätze (experimentell): bakteriell gewonnene Endo-
proteasen, die Gluten abbauen; Reduktion der erhöhten Permeabilität

Therapie­ Ernährungsanamnese: Überprüfen, ob glutenfreie Kost eingehalten wird (in 90 %


versagen ist Nichteinhalten der Diät die Ursache!), Kontrolle über TG2-AK.
Andere Ursachen für Symptompersistenz: falsche Diagnose, Laktose-/Fruktose-
Unverträglichkeit, Medikamentennebenwirkung (z. B. NSAR), exokrine Pankre-
asinsuffizienz, bakterielle Fehlbesiedlung, mikroskopische Kolitis, Reizdarmsyn-
drom, ulzerative Jejunitis, assoziiertes T-Zell-Lymphom, refraktäre Zöliakie.
Medikamentöse Therapie der refraktären Zöliakie:
██ Prednisolon: 0,5–1 mg/kg KG täglich morgens über 6 Wochen; falls Besserung
der Symptomatik bzw. Laborparameter Reduktion in 5-mg-Schritten, die jeweils
ca. 4 Wochen beibehalten werden (empirische Therapie), Budesonid 9 mg/Tag,
Mesalazin offenbar wirksam; insgesamt wenig sichere Daten; cave: Verstärkung
der Osteoporose
██ Azathioprin: 1–2 mg/kg Körpergewicht (empirisch, einzelne Fallberichte) bzw.
Cyclosporin (Fallberichte)
██ Cladribin und autologe Stammzelltransplantation in Erprobung

Komplette parenterale Ernährung: Substitutionstherapie bei refraktärer Zöliakie


(selten)

Verlauf Vor Diagnosestellung: sehr variabel, daher häufig verkannt; mono-/oligo-/poly-


symptomatisch (z. B. klinisch nur Eisenmangelanämie, Laktasemangel, Osteoporo-
se oder Infertilität).
Nach Diagnosestellung: in 95 % gutes und promptes Ansprechen auf glutenfreie
Ernährung, komplette Remission (= glutensensitive Zöliakie); Symptome rückläu-
fig innerhalb 2–6 Wochen, histologische Normalisierung dauert u. U. bis zu 6 Mo-
naten, Kontrolle mittels Histologie bei klinischem Ansprechen nicht erforderlich!
Rückgang/Normalisierung der Transglutaminase-Ak (nach 6–12 Monaten).
Bei Therapieversagen meistens Fehler in Ernährung, echte refraktäre Zöliakie sel-
ten!

Langzeit­ Osteoporose bzw. Frakturen,ulzeröse Jejunitis; Malignomrisiko 4fach erhöht bei


komplikationen unbehandelter Zöliakie: enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom (EATL), Dünn-
darmkarzinom (selten); Ösophaguskarzinom (selten).

Screening ██ Wer: Verwandte 1. Grades, eineiige Zwillinge; Frauen mit rezidivierenden Abor-
ten; Patienten mit Typ-1-Diabetes, Autoimmunthyreoiditis, unklarer Transami-
nasenerhöhung, mikroskopischer Kolitis, Reizdarmsyndrom, Sjögren-Syndrom,
Down- oder Turner-Syndrom, IgA-Mangel (s. Wegweisende Diagnostik)
██ Wie: IgA-anti-TG2-Antikörper, evtl. weitere Serologie (s. o.), falls positiv: Histo-
logie

Selbsthilfe Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. Filderhauptstr. 61, 70599 Stuttgart (www.dzg-


online.de)
210  4 Darm

Guideline for the diagnosis and treatment of celiac disease in children: recommendations of the North
Literatur
American Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr
2005; 40: 1–19
Green PH, Cellier C. Celiac disease. N Engl J Med 2007; 357: 1731–1743
Dieterich W, Schuppan D. Zöliakie. Gastroenterologie up2date 2010; 6: 97–112
Richter T. Determination of IgG and IgA antibodies against native Gliadin is not helpful for the diagnosis of
coeliac disease in children up to 2 years of age. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2012; 13
Rubio-Tapia A, Murray J. Classification and management of refractory celiac disease. Gut 2010; 59: 547–557

4.15 C
 hronisch entzündliche Darmerkrankungen:
Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

4.15.1 Morbus Crohn


Definition Der Morbus Crohn ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung unklarer Ätio-
logie, die alle Darmwandschichten betrifft. Prädilektionsort sind Ileozökalregion
und Kolon. Grundsätzlich kann der gesamte Gastrointestinaltrakt vom Mund bis
zum After befallen sein. Bei einem Teil der Betroffenen besteht zusätzlich eine ex-
traintestinale Manifestation wie Arthritis, Uveitis, Erythema nodosum, Pyoderma
gangraenosum und primär sklerosierende Cholangitis (PSC).

Ätiologie Hypothesen:
und Patho­ ██Defekte in der Bildung epithelial lokalisierter (Paneth-Zellen) antimikrobieller
mechanismus Peptide (Defensine) und dadurch ungenügende Abwehr gegen exogene Substan-
zen und Bakterien;
██Imbalance der intestinalen Immunabwehr mit Überwiegen einer Th1-Antwort
mit Nachweis proinflammatorischer Zytokine in der Mukosa. Unklar ist, ob die
Erkrankung durch einen primären Immundefekt (Autophagozytosedefekt) aus-
gelöst (und dies genetisch determiniert) ist oder ob die entzündlichen Verände-
rungen Reaktionen auf einen exogenen Auslöser sind. Ein spezifischer Krank-
heitskeim konnte bislang nicht nachgewiesen werden.

Genetik Familiäre Häufung in 5–10 % der Patienten; Risiko für Kinder von Erkrankten ca.
50-fach erhöht; Konkordanz bei eineiigen Zwillingen ca. 50 %, bei dizygoten 6 %;
polygene Vererbung. Krankheitsassoziierte Gene: NOD2 auf Chromosom 16 weist
gehäuft Mutationen auf und korreliert in ca. 30 % mit Dünndarmbefall (NOD2 er-
kennt Muramyldipeptid in Bakterienmembranen, durch Mutation offenbar defek-
te Abwehr); ATG16L1-Gen auf Chromosom 10;IL-23-Gen auf Chromosom 1.

Risikofaktoren Gesichert: Rauchen; erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Rauchern, erhöhtes Rezidiv-


risiko, schwererer Krankheitsverlauf. Appendektomie, positive Familienanamnese.
Fraglich: vorausgegangene infektiöse Gastroenteritis, vermehrte Hygiene in der
Kindheit, Kontrazeptiva, v. a. negative „life events“ im persönlichen und berufli-
chen Bereich können Morbus Crohn mit auslösen oder aggravieren.
Kein Risikofaktor: vermehrter Zuckerkonsum, mykobakterieller Befall des Darms,
spezifische Psychopathologie.

Epidemiologie Prävalenz: bis 0,2 % in Europa bzw. USA; Inzidenz in Deutschland: ca. 5,6/100 000;
Nord-Süd- und West-Ost-Gefälle in Europa; 3-fach höhere Prävalenz bei Juden in
Nordamerika und Europa im Vergleich zur übrigen Bevölkerung, 2- bis 3-fach hö-
here Prävalenz gegenüber Juden in Israel.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   211

Beginn der Erkrankung im Kindesalter möglich, Erkrankungsgipfel 15.–35. und


60.–80. Lebensjahr (Frauen/Männer: 1,3:1).

Pathologie Befallsmuster: diskontinuierliche transmurale Entzündung mit Befall aller Wand-


schichten. Im Intestinalsystem Befall von der Mundhöhle bis zum After möglich:
ca. 50 % ileozökal, 20 % nur terminales Ileum, 20 % nur Kolonbefall, selten andere
Regionen. Ausbildung von Fisteln (10–40 %): perianal, enteroenteral, enterokutan,
in andere Organe. Neigung zu Abszessbildungen.
Einteilung (Wien- bzw. Montreal-Klassifikation): a) penetrierend, b) strikturie-
rend, c) nicht penetrierend/nicht strikturierend. Verlauf häufig stabil einer Gruppe
zugehörig. Klinischer Verlauf und Therapie wird entscheidend durch Befallsmuster
bestimmt.
Makroskopisch: Aphthen, Schleimhautschwellung; gut abgrenzbare, teils tiefe,
wie ausgestanzt wirkende Ulzerationen; Fissuren, entzündliche und/oder narbige
Stenosen, Fisteln (meistens vor Stenosen). Typisch ist diskontinuierlicher Befall mit
gesunden Darmabschnitten zwischen entzündlich veränderten.
Mikroskopisch: diskontinuierliche, transmurale Entzündung; Wandödem, Ulzera,
Fissuren, Fisteln; Zeichen chronischer Entzündung mit Infiltration von Lymphozy-
ten, Plasmazellen, Makrophagen, Granulozyten; Kryptenirregularitäten, Schleim-
hautatrophie, nicht verkäsende Granulome im Darm, aber auch anderen Organen,
Angabe zur Entzündungsaktivität (korreliert nicht mit klinischer Aktivität).
Intraepitheliale Neoplasien (IEN): analog zur Colitis ulcerosa können IEN’s entste-
hen, die in niedrig- und hochgradig eingeteilt werden, Zweitbeurteilung notwen-
dig, therapeutisches Vorgehen s. Langzeitkomplikationen.
DALM (dysplasieassoziierte Läsion oder Masse): makroskopisch, aber auch histo-
logisch kann die Unterscheidung eines Adenoms von einer DALM u. U. schwierig
sein

Klinische Leitsymptome: Bauchschmerzen und Durchfall: Initial oft blande, sich spontan
Charakteristika bessernde Symptomatik; daher bis zur Diagnosestellung häufig jahrelange Latenz.
Erster entzündlicher Schub kann aber auch fulminant sein mit schwerer Entzün-
dung oder Ileus-/Darmperforation. Verwechslung mit Appendizitis bei Ileozökal-
befall möglich, Erstdiagnose dann zu 15 % im Rahmen einer Appendektomie. Der
abdominellen Symptomatik gehen in 20–30 % extraintestinale Symptome (s. un-
ten) voraus, insbesondere Arthritis. Tab. 4.3 vergleicht die Symptome bei Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa.
Diarrhöen: in unterschiedlicher Häufigkeit, auch nachts (bis 20-mal pro Tag) und
Ausprägung (wässrig/breiig/blutig/schleimig) mit daraus resultierenden Folgen.

Tab. 4.3 Symptom Häufigkeit (%) bei Morbus Crohn Häufigkeit (%) bei Colitis ulcerosa
Vergleich der
Symptome bei Bauchschmerzen 70–80 40–80
Morbus Crohn Durchfall 70–90 80–90
und Colitis ulce­
rosa. Blutiger ­Durchfall 20–25 90–100

Analfistel 10–40 0–5

Gewichtsverlust 50–60 20–40

Fieber 25–40 10–20

Anämie 20–30 20–50


212  4 Darm

Bauchschmerzen: bedingt durch Entzündung, Darmkrämpfe, Stenosesymptoma-


tik.
Gewichtsverlust: durch mangelnde Nahrungszufuhr, Durchfall, Katabolismus.
Mangelerscheinungen: Anämie, Hypoproteinämie, insbesondere bei Dünndarm-
befall: Malabsorption, Gallensäureverlustsyndrom.
Untersuchungsbefund: initial häufig blande! Betroffener Darmabschnitt kann je-
doch auch druckschmerzhaft sein mit tastbarer „Walze“ oder (entzündlichem) Tu-
mor; rektale Untersuchung nur schmerzhaft bei Befall, cave: perianaler/-rektaler
Abszess!, perianale Fisteln, Arthritis: Rötung/Schwellung der betroffenen Gelenke,
Sakroiliitis: Klopfschmerz; auf Hautveränderungen achten.

Akute ██ Fisteln: in benachbarte Organe wie Harnblase (Bakteriurie bzw. Pyurie, Pneuma-
­Komplikationen turie, Fäkalurie, Dysurie), Nieren, Hoden, Vagina; interenterisch, enteromesen-
terial, „fuchsbauartige“ Fistelsysteme, enterokutan, perianal
██ Abszesse: perianal, pararektal, intraabdominell z. B. durch blind endende ente-
romesenteriale Fistel, „Schlingenabszess“, Psoasabszess
██ Darmstenose/Ileus: bei 30–50 % der Patienten; akut entzündlich, auch chroni-
sche narbige Stenose; Lokalisation: Ileozökalregion wesentlich häufiger als an-
dere Darmabschnitte
██ Perforation: insbesondere vor Stenose
██ toxisches Megakolon: bei ausgedehntem Kolonbefall (selten, dann lebensbe-
drohlich)
██ lebensbedrohliche Blutung: 1–2 %

Extraintestinale Gelenke: Arthralgien, Arthritis, Spondylitis 20–40 % (kann Jahre vor Darmbeschwer-
Manifestationen den vorhanden sein): Monarthritis, Oligoarthritis; große Gelenke, Sprunggelenke,
Knie, Hüftgelenke, Ellenbogen; Sakroiliitis (selten bei Morbus Crohn): Schmerzen,
lokale Entzündungszeichen, Gelenkerguss. Einteilung: Typ I (pauciartikulär): we-
nige Gelenke parallel zu akutem Schub betroffen, Typ II (polyartikulär): mehrere
Gelenke unabhängig von akutem Schub befallen
Knochenstoffwechsel: Osteopenie (30–92 %); Osteoporose (4–35 %): Risikofakto-
ren: Steroidtherapie, niedriger BMI, Rauchen, Östrogenmangel, Laktoseintoleranz,
Dünndarmresektion; erhöhte Frakturgefahr; Diagnostik: Knochendichtemessung
mit DEXA.
Augen (5–15 %): Konjunktivitis, Iritis, Uveitis
Haut (5–10 %): Erythema nodosum (2–15 %), Pyoderma gangraenosum (1–2 %), Ak-
rodermatitis bei Zinkmangel.
Hepatobiliäres System (9–16 %): Fettleber am häufigsten; primär sklerosierende
Cholangitis (bis zu 9 %, v. a. bei Kolonbefall) mit allen Konsequenzen (bei Colitis ul-
cerosa häufiger als bei Morbus Crohn; s. Kap. 7.18); selten Autoimmunhepatitis als
Überlappungssyndrom bei PSC (10 %); Cholelithiasis (relatives Risiko: 3,5).
Niere: Albuminurie, Glomerulonephritis, korreliert mit Krankheitsaktivität, selten
klinische Signifikanz im Sinne progredienter Niereninsuffizienz, NW von Mesala-
zin; Oxalatsteine (bei ausgedehntem Ileumbefall oder Ileumresektion).
Pankreas: Pankreatitis (3,5 %) als Komplikation bei Cholelithiasis, NW von Mesala-
zin und Azathioprin, extraintestinale Manifestation.
Lunge (selten): reduzierte Diffusionskapazität, Restriktion, Vaskulitis; NW von
Mesalazin, Methotrexat.
Herz (selten): Perikarditis.
Thromboembolische Ereignisse: 1–6 %, Risiko für tiefe Beinvenenthrombose
4-fach erhöht.
Nervensystem: kasuistisch, im MRT kleine Gefäßläsionen, Bedeutung unklar.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   213

Sonstige: primäre oder sekundäre Amenorrhö (im akuten Schub); Amyloidose (se-
kundär bei lang dauernder Entzündung, selten); autoimmunhämolytische Anämie;
Vaskulitiden.

Wegweisende Die Etablierung der Diagnose Morbus Crohn folgt aus der Zusammenschau der
Diagnostik Befunde aus Endoskopie, Histologie, Sonografie (und andere Bildgebung), Abgren-
zung zur Colitis ulcerosa, ischämischer Kolitis u. a., Ausschluss anderer insbeson-
dere infektiöser Ursachen der Darmerkrankung.
Sonografie: immer! meistens erste Untersuchung und Verdachtsdiagnose; Be-
fund: entzündliche, echoarme Darmwandverschwellung, teils aufgehobene Wand-
schichtung (Morbus Crohn > Colitis ulcerosa), Haustrenverlust, insbesondere zur
Darstellung von Stenosen, Fisteln, Abszessen und umgebenden Organe; immer zur
Verlaufskontrolle und beim Rezidiv!
Ileokoloskopie: schmerzfreie Durchführung! grundsätzlich ausreichende Sedierung
(Propofol; Midazolam u. a.) anbieten/empfehlen, insbesondere auch bei Kindern und
Jugendlichen, um Traumatisierung zu vermeiden. Koloskopie-Vorbereitung mit Ab-
führlösungen (Moviprep, Endofalk, Oralav). Ileokoloskopie entscheidend, da dieser Be-
reich in mehr als 90 % betroffen; bei schwerem Schub erhöhte Perforationsgefahr, dann
initial nur Sigmoidoskopie, Ileokoloskopie später; Histologie in Ergänzung zum endo­
skopischen Befund, jedoch nie allein entscheidend! Biopsien (≥2) aus terminalem Ile-
um und jedem Kolonabschnitt (befallene und normale Areale). Cave: endoskopischer
Befund korreliert nicht immer mit klinischem Befund. Kontrollendoskopie: der Nach-
weis der „mukosalen Heilung“ ist in seiner Bedeutung abschließend nicht geklärt. Bei
erneutem Schub kann Ileokoloskopie sinnvoll sein, um Änderung in der Ausdehnung
der Entzündung festzustellen (z. B. Entscheidung lokale versus systemische Therapie).
Tab. 4.4 vergleicht die Endoskopiebefunde bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.
Histopathologie: s. Pathologie.

Tab. 4.4 Endos­ Endoskopischer Befund Morbus Crohn Colitis ulcerosa


kopische Befunde
bei Morbus Befall Diskontinuierlich Kontinuierlich
Crohn und Colitis Rektumbeteiligung 20 % Immer
ulcerosa.
Gefäßzeichnung Oft normal Verwaschen

Erythem/Ödem ++ +++

Verletzlichkeit + +++

Blutung + +++

Schleim/Eiter + ++

Aphthen +++ –

Definierte lokale Ulzera +++ (+)

Fissurartige Ulzera +++ –

Granuläre Mukosa (+) +++

Pflastersteinrelief +++ +

Pseudopolypen ++ +++

Strikturen ++ (+)

Fistelöffnungen ++ (+)
214  4 Darm

Zusatz­ Ösophagogastroduodenoskopie: immer bei Erstdiagnose zur Bestimmung des


diagnostik Befallsmusters bei Morbus Crohn, ggf. mit Histologiegewinnung; cave: Gastritis,
Ulzerationen und Erosionen im oberen Gastrointestinaltrakt nicht als Crohn-Be-
teiligung erkannt.
Dünndarmdarstellung: MR-Enteroklysma bzw. MR-Enterografie (Vorteil: keine
Strahlenbelastung, Darstellung auch der Umgebung), alternativ CT-Enteroklysma,
bei 10 % Dünndarmbefall kranial des terminalen Ileum: Bestimmung des Befalls-
musters (entzündliche Wandveränderungen, Ulzera, Spiculae, Stenosen, Striktu-
ren, Pflastersteinrelief, diskontinuierlicher Befall), Nachweis von Fisteln, Abszessen.
Stuhluntersuchung auf Keime: Ausschluss infektiöse Enteritis (immer bei akutem
Schub dran denken!): Clostridum difficile, EHEC, pathogene Keime (histologisch
auch CMV)
Rektale Endosonografie: Verlauf von Fisteln, Darstellung perianaler bzw. perirek-
taler Abszesse.
Direkte Fisteldarstellung: durch Einbringen von KM in die Fistelöffnung, weitge-
hend abgelöst durch rektale Endosonografie bzw. MRT.
MRT: Darstellung kleines Becken bei Verdacht auf Abszess, Fisteln, auch Verlauf
perianaler Fisteln.
Vorgehen bei Stenose (je nach Lokalisation): Sonografie, MR-Enteroklysma bzw.
MR- oder CT-Kolonografie, 2. Wahl: konventionelles Enteroklysma des Dünndarms
bzw. retrograder Doppelkontrasteinlauf des Kolons.
CT-Abdomen: selten indiziert, bei Verdacht auf Abszess, der anderweitig nicht
nachgewiesen werden kann, Stenose, Ileus, extraintestinale Organbeteiligung
(hohe Strahlenbelastung, bei jungen Patienten vermeiden).
Kapselendoskopie: Darstellung von Dünndarmbefall sensitiv, Indikation bei Ver-
dacht auf Dünndarmbefall, der sonografisch, endoskopisch oder im Schnittbild
nicht nachgewiesen werden konnte. Kontraindikation: Stenose.
Ballonenteroskopie: zur Biopsieentnahme aus verdächtigen Dünndarmarealen
oder Ballondilation von Stenosen
Labor: Es gibt keinen krankheitsspezifischen Parameter!
██Entzündungszeichen: CRP korreliert am ehesten mit Krankheitsaktivität, Leukozy-
tose, Thrombozytose; aber auch akuter Schub ohne Entzündungszeichen möglich
██Anämie: häufig Eisenmangel bzw. Blutverlust oder als Entzündungsanämie
██Hypalbuminämie: Mangelernährung, Resorptionsstörung, Eiweißverlust über
entzündeten Darm
██Vitaminmangel: EDKA, B12, Folsäure (insbesondere bei Ileumbefall)
██AP, γ-GT, GOT, GPT: Leberbeteiligung
██Mangel an Spurenelementen: Zink (Akrodermatitis)
██Entzündungsmarker im Stuhl: Calprotectin und Lactoferrin weisen akute Ent-
zündung nach (Neutrophilenmarker), können jedoch nicht die Ätiologie der Ent-
zündung unterscheiden; Bestimmung kann sinnvoll in Abgrenzung zum Reiz-
darmsyndrom sein. Guter Parameter zum Monitoring der Krankheitsaktivität
██Oxalsäure im Urin, cave: Oxalatsteine (insbesondere bei Befall des terminalen
Ileums)
██sonstige: wegen zu geringer Spezifität, Sensitivität oder fehlender therapeuti-
scher Konsequenzen gibt es keine Empfehlung zur Bestimmung von genetischen
Markern, serologischen Markern (ASCA, ANCA, ompC), Permeabilitätsmessung

Aktivitätsbeurteilung, Aktivitätsindizes: Einteilung in milden, mittleren, schwe-


ren, fulminanten Verlauf hilfreich für Therapieentscheidung:
██milder Schub: gering bis mäßige Beeinträchtigung des Befindens, mehrere Stüh-
le pro Tag, keine Anämie, kein Fieber, keine Obstruktion, keine wesentlichen
Schmerzen, ambulante Behandlung
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   215

██ mittelschwerer Schub: mäßiggradige Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens,


4–6–8 Stühle pro Tag; geringe bis keine Anämie, kein oder geringes Fieber,
Druckschmerz im Abdomen; evtl. Resistenz tastbar, aber kein bedrohlicher Ab-
dominalbefund; kann in der Regel ambulant behandelt werden
██ schwerer Schub: schwer krank wirkender und stark beeinträchtigter Patient; 10–
20 Stuhlentleerungen mit oder ohne Blut, Bauchschmerzen, Fieber, Nahrungs-
aufnahme stark beeinträchtigt bzw. nicht möglich, Erbrechen; bedrohlicher Ab-
dominalbefund („akutes Abdomen“). Immer stationäre Behandlung
██ „Crohn’s disease activity index“ nach Best (CDAI): in der Alltagssituation nicht re-
levant; Verwendung in Studien, bezieht Häufigkeit und Intensität der Durchfäl-
le, Bauchschmerzen, Wohlbefinden, Gewicht, Anämie, abdominelle Resistenzen
etc. in die Berechnung ein.

Bei extraintestinalem Befall: Röntgen bzw. Sonografie der Gelenke, augenärztliche


Untersuchung; bei entsprechenden Beschwerden und klinischem Verdacht gynä-
kologische und/oder dermatologische Untersuchung.

Differenzial­ ██ Morbus Crohn versus Colitis ulcerosa: bei auschließlichem Kolonbefall; Colitis
diagnose indeterminata (s. auch Tab. 4.4)
██ Infektiöse Enteritis bzw. Kolitis (immer daran denken bei erneutem Schub!):
Yersinien, Lamblien, Campylobacter jejuni, Salmonellen, Shigellen, EHEC, Clost-
ridium difficile, Amöben, Rotaviren, Noroviren; aber auch: CMV-Kolitis
██ Divertikulitis; Appendizitis
██ Stenose: Tumor, Karzinom, Lymphom
██ Unterbauchschmerzen: Douglasabszess, gynäkologische Ursachen
██ Strahlenenteritis; eosinophile Enteritis
██ mikroskopische Kolitis; ischämische Kolitis; NSAR-induzierte Kolitis
██ systemische Vaskuliltis
██ sonstige: solitäres Ulcus recti; Morbus Behçet; Reizdarmsyndrom; Diarrhoea
factitia

Diagnostisches Vorgehen beim akuten Schub bei bekanntem Morbus Crohn:


██Immer an Differenzialdiagnose denken, Anamnese: Ausland, NSAR (können
Schub auslösen). Infektiöse Genese ausschließen (Cl.-difficile-Toxin, Lamblien,
Noro-, Rotaviren, Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, EHEC; sel-
ten: CMV-Kolitis)
██Labor: Blutbild, CRP, Elektrolyte, Kreatinin, Leberwerte, Protein, U-Status
██Sonografie
██Endoskopie nur falls Therapieentscheidung davon abhängt
██MRT/CT bei Verdacht auf Abszess, der sonografisch nicht verifiziert werden
konnte, zur Fisteldarstellung (s. o.)

Therapie­ ██ Beschwerden
indikation ██ Komplikationen
██ Mangelerscheinungen
██ extraintestinale Manifestationen
██ Rezidivprophylaxe

Therapie­ Der Morbus Crohn ist nicht kausal therapierbar.


prinzipien Ziel ist die Therapie der Entzündung, der Komplikationen und der Mangelerschei-
nungen, um damit die Beschwerden zu lindern, Lebensqualität zu verbessern,
216  4 Darm

Komplikationen vorzubeugen sowie Rezidive zu verhindern. Neueste Studien deu-


ten darauf hin, dass mukosale Heilung ein prognostischer Parameter sein könnte.
Standardmedikamente sind Glukokortikoide, 5-Aminosalizylsäure (Mesalazin)/
Sulfasalazin, Immunsuppressiva wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin und Methotre-
xat sowie die anti-TNF-α-Antikörper Infliximab und Adalimumab.
Die chirurgische Therapie hat definierte Indikationen. Bei schweren Verläufen und
Komplikationen ist ein gemeinsames gastroenterologisch-viszeralchirurgisches
Vorgehen zu erarbeiten.
Ein „Step-up“-Vorgehen mit Therapieeskalation (s. u.) wird gegenüber einem „Top-
down“-Vorgehen diskutiert.

Medikamentöse Budesonid 9 mg/Tag: nur bei mildem/mäßigem Ileozökalbefall


Therapie (s. auch Glukokortikoide oral (ggf. i. v.): bei Nichtansprechen auf Budesonid, bei mäßigem
Abb. 4.3) bis schwerem Schub jeglicher Lokalisation: z. B. Prednisolon1 mg/kg KG zu Beginn,
beibehalten bis zur Symptombesserung, dann stufenweise Reduktion. Beispiel: 1.
Woche 60 mg/Tag, 2. Woche 50 mg/Tag, 3. Woche 40 mg/Tag, 4. Woche 30 mg/Tag,
5. Woche 20 mg/Tag, dann in 5 mg-Schritten reduzieren und absetzen. Osteoporo-
se-Prophylaxe! Glukokortikoide nicht geeignet zum Remissionserhalt, wirkt nicht
bei Fisteln.
Sulfasalazin 3–6 g bei mildem Kolonbefall. Bei distalem Kolonbefall Mesalazin oder
Steroide als Suppositorien, Schäume oder Klysmen (auch zusätzlich zu oraler Ste-
roid-Therapie)
Wichtig: Kombination aus oralem Mesalazin und Prednisolon ist alleiniger Predni-
solongabe nicht überlegen, keine Indikation für orales Mesalazin
Protonenpumpenblocker bei Ösophagus-/Magen-/Duodenal-Befall, falls kein Er-
folg: Glukokortikoide oder Immunsuppressiva
Ernährungstherapie additiv (Mangelernährung, Wachstumsverzögerung), nicht
alternativ (Ausnahme: bei Kindern/Jugendlichen auch als Therapie der 1. Wahl)
Antibiotika nicht zur Behandlung des akuten Schubs, sondern zur Therapie infek-
tiöser Komplikationen
Immunsuppressiva: beim akuten schweren Schub (insbesondere bei langstrecki-
gem Dünndarmbefall), bei Nichtansprechen auf Prednisolon innerhalb weniger
Tage, zum Remissionserhalt (Steroideinsparen)
██ Azathioprin 2–2,5 mg/kg KG/Tag; einschleichende Dosierung, da bei homozygo-
ter TPMT-Defizienz eine Agranulozytose auftreten kann (0,3 % der Bevölkerung,
daher generelles Screening vor Therapiebeginn nicht indiziert). Cave: Wirkungs-
eintritt im Einzelfall erst nach einigen Wochen; Nebenwirkungen: KM-Depres-
sion mit Agranulozytose, Pankreatitis, Transaminasenerhöhung, Fieber, langfris-
tig Lymphomrisiko; initital alle 1–2 Wochen Laborkontrollen. Schwangerschaft:
relative Kontraindikation
██ 6-Mercaptopurin 1–1,5 mg/kg KG/Tag; NW und Kontrollen wie Azathioprin
██ Methotrexat 1-mal 25 mg/Woche i. m., s. c. oder oral, einschleichende Dosierung,
plus 5 mg Folsäure nach 24 h. NW: KM-Depression, Agranulozytose, Transami-
nasenerhöhung, Pneumonitis. Schwangerschaft: Kontraindikation
██ TNFα-Antikörper: im akuten schweren Schub, wenn Prednisolon und Immun-
suppressiva ohne Erfolg, bei drohender Komplikation (Ileus, Perforation) auch
vor dem Einsatz von Immunsuppressiva, bei langstreckigem Dünndarmbefall.
Kombination mit Steroiden bzw. Immunsuppressiva effektiver als alleinige Gabe
(cave: erhöhtes Risiko schwerer opportunistischer Infektionen). Vor Beginn der
Therapie Ausschluss von Infektionen zwingend! Eingehende Aufklärung des Pa-
tienten über mögliche NW (akut allergische Reaktionen, Infektionen, vermehrt
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   217

Abb. 4.3
Algorithmus zur $NXWHU6FKXE
Therapie des $XVVFKOXVVLQIHNWL|VH8UVDFKH
akuten Schubs ,OHRFRHFDOXQG.RORQEHIDOO

PLOGH ²Pl‰LJH 6\PSWRPDWLNˁ D %XGHVRQLGPJGRGHU


 3UHGQLVRORQPJNJ.* ,OHRFRHFDOEHIDOO
E 6XOIDVDOD]LQ²JGRGHU
 3UHGQLVRORQPJNJ.* .RORQEHIDOO

Pl‰LJHVFKZHUH6\PSWRPDWLNˁ 3UHGQLVRORQ
1LFKWDQVSUHFKHQ
PJGRGHU
RGHU)UKUH]LGLY
PJNJ.*
]XVlW]OLFK

$]DWKLRSULQ
²PJNJ.*
$QVSUHFKHQ²
RGHU
LQ²:RFKHQ
0HUFDSWRSXULQ
²PJNJ.*
EHL8QYHUWUlJOLFKNHLW
0HWKRWUH[DW
PJ:RFKH

1LFKWDQVSUHFKHQ

,QIOL[LPDE
PJNJ.*RGHU
$GDOLPXPDE
RGHUFKLUXUJLVFKH
2SWLRQ

hepatosplenische T-Zell-Lymphome) sowie Ausschluss Hepatitis B und C, HIV,


Tuberkulose (Quantiferon-Test + Röntgen-Thorax), Kontrolluntersuchungen!
Absolute Kontraindikationen: Abszess, aktive Tuberkulose, Herzinsuffizienz NYHA
III–IV, narbige Stenose, Lymphom in der Anamnese, Multiple Sklerose, Optikus-
neuritis, bekannte unkontrollierte Infusionsreaktion.
Relative Kontraindikationen: Alter >65 Jahre, fehlende entzündliche Aktivität, Ko-
morbiditäten, Unwirksamkeit (spätestens nach 12 Wochen Reevaluation)
Wirkstoffe:
██ Infliximab 5 mg/kg KG i. v. Woche 0, 2, 6, dann alle 8 Wochen
██ Adalimumab 160 mg s. c. Woche 0, 80 mg Woche 2, dann 40 mg alle 2 Wochen
██ Certolizumab 400 mg s. c. Woche 0, 2, 4, dann alle 4 Wochen
218  4 Darm

Cave: Bei ambulant fortgesetzter Therapie mit Immunsuppressiva oder TNFα-


Antikörper sehr engmaschige Kontrolle und Überwachung des Patienten notwen-
dig (Infektionsrisiko steigt!!)
Die Bedeutung der Serum-Talspiegel bzw. der Serum-Antikörper gegen Infliximab
(Adalimumab) für die Therapieanpassung ist noch offen.
Impfungsempfehlungen beachten (www.kompetenznetz-ced.de und www.rki.de
> Startseite > Infektionsschutz > Impfen > Impfthemen A–Z > Immunsuppression
und Impfen)

Sonder­ ██ Ausgedehnter Dünndarmbefall: Prednisolon, bei Nichtansprechen/Verschlechte-


situationen rung: Immunsuppressiva oder frühzeitiger Einsatz von TNFα-Antikörper
██ Ösophagus-/Magen-/Duodenum-/Jejunum-Befall mit milder Ausprägung: PPI (au-
ßer Jejunum), ansonsten Prednisolon

Therapie je Durch Behandlung des akuten Schubs erreichen ca. 80–90 % eine Remission. Ein
nach Verlauf akut rezidivierender Verlauf tritt bei 40–50 % auf (<2 Schübe/Jahr, gutes Ansprechen
auf Steroide). Ein steroidabhängiger Verlauf liegt vor, wenn 2 Steroidreduktionsver-
suche scheitern (ca. 28–35 %). Ein steroidrefraktärer Verlauf liegt bei 16–20 % vor.
Therapie bei chronisch-aktivem, steroidabhängigem oder steroidrefraktärem
Verlauf:
██Azathioprin 2,5 mg/kg KG oder 6-Mercaptopurin 1,5 mg/kg KG; alternativ: Me-
thotrexat 25 mg/Woche Einschleichende Dosierung, langsamer Wirkungsein-
tritt (Wochen bis Monate); Therapie über mehrere Jahre
██Reduktion der Steroide (Steroide sind ungeeignet für Dauertherapie)
██Falls unzureichendes Ansprechen oder alternativ sofort zusätzlich zu Immun-
suppressivum TNF-α-Antikörper
██Operationsmöglichkeit diskutieren

Chirurgische ██ Frühzeitig gemeinsames gastroenterologisch-viszeralchirurgisches Vorgehen


Therapie planen. Ca. 60–80 % der Patienten müssen 1-mal operiert werden, ca. 20 % der
Patienten 2-mal oder mehr.
██ Präoperativ sollte das Befallsmuster bekannt sein! (Untersuchungen sollen nicht
länger als 6 Monate zurückliegen)
██ Grundsatz: Resektion so sparsam wie möglich, so ausgedehnt wie nötig: diffe-
renziertes, individuelles Vorgehen. Resektion befallener Darmabschnitte indi-
ziert, falls konservative Therapie nicht erfolgreich und gravierende Beschwer-
den persistieren oder Komplikationen drohen bzw. vorhanden:
–– Absolute OP-Indikationen: Perforation, symptomatische langstreckige (ins-
besondere narbige) Stenose, konservativ therapierefraktäre Blutung; en-
terovesikale, interenterische Fisteln mit funktionellem Kurzdarm, blind en-
dende enteroretroperitoneale Fisteln, Ileus (u. U. relative OP-Indikation, wenn
Prednisolon akut entzündliche Stenose öffnet)
–– Relative OP-Indikationen: Abszedierung (alternativ in Absprache: perkutane Ab-
szessdrainage), komplexes perianales Fistelleiden, ausgedehnter entzündlicher
Konglomerattumor, enterokutane/enterovaginale Fisteln, kurzstreckige narbige
Strikturen (Strikturoplastik möglich, alternativ: endoskopisch Ballondilatation).
Proktokolektomie selten indiziert, führt immer zu endgültiger Stoma-Anlage.
Pouch-Anlage bei Morbus Crohn nicht möglich, da alleinige Mukosektomie mit
Erhalt des analen Sphinkters obsolet (cave: Rezidive; transmurale Entzündung).
██ Einfluss von Steroiden auf postoperativen Verlauf nicht eindeutig geklärt, nach
Möglichkeit präoperativ Reduktion <20 mg/Tag. Präoperative Therapie mit TNF-
α-Antikörper bislang ohne negativen Effekt auf postoperatives Ergebnis.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   219

Therapie zum Nicht jeder Patient benötigt eine Therapie zum Remissionserhalt. Bei häufigen Re-
Remissions­ zidiven oder steroidabhängigem Verlauf sollte eine remissionserhaltende Therapie
erhalt erfolgen.
██Tabakrauchen einstellen, dadurch langfristig Halbierung der Rezidivrate!
██Mesalazin ist unwirksam (Ausnahme: postoperativ s. u.)
██Azathioprin (2–2,5 mg/kg KG), Dauer: mindestens 4 Jahre. Initial engmaschig
Blutbild und Transaminasenkontrolle, bei TPMT-Mutation Gefahr der Agranulo-
zytose. Alternativ: 6-Mercaptopurin 1,5 mg/kg KG. Tritt trotz immunsuppressi-
ver Behandlung ein Schub auf, sollte die Zuverlässigkeit der Medikamentenein-
nahme überprüft werden (6-TGN-Spiegel und 6-MMPR-Spiegel erniedrigt)
██Medikament der 2. Wahl: Methotrexat 1-mal 25 mg/Woche s. c., i. m. oder oral
██Alternativ: TNF-α-Antikörper allein oder in Kombination mit Azathioprin oder
6-MP. Dauer der sinnvollen TNF-α-Antikörper Therapie nicht klar.
██Steroide in Studien zum Remissionserhalt nicht wirksam, außerdem Nebenwir-
kungen!
██postoperativ nach Darmresektion: wenn präoperativ unkomplizierter Verlauf:
keine Rezidivprophylaxe. Alternativ: Mesalazin 3–4 g/Tag. Wenn präoperativ
komplizierter/langwieriger/chronisch-aktiver Verlauf vorlag, ist Rezidivprophy-
laxe mit Azathioprin oder 6-MP indiziert; optimale Dosis nicht klar, am ehesten
in Anlehnung an Remissionserhalt ohne vorherige OP. Risikofaktoren für post-
operatives Rezidiv: hohe präoperative Krankheitsaktivität, Tabakabusus, pene-
trierender Verlauf (Fisteln, Perforation), endoskopische Veränderungen an der
Anastomose, ausgedehnter Befall, junges Alter.

Therapie in Fisteln: Therapieindikation nur bei symptomatischen Fisteln. OP-Indikation s.


besonderen „Chirurgische Therapie“
Situationen Perianale Fisteln: Therapieindikation nur bei symptomatischen Fisteln. Hohe Re-
zidivquote; Metronidazol 2- bis 3-mal 400 mg per os; Therapieversagen: Azathi-
oprin 2 mg/kg KG; Therapieversagen: TNFα-Antikörper: akut mit gutem Anspre-
chen (40–60 % Fistelverschluss), Langzeittherapie: 20 % bleiben in Remission. Addi-
tiv/alternativ: Fadendrainage, interdisziplinäre Betreuung der Patienten! Absolute
OP-Indikation: Fistelverhalt, Abszess. Transsphinktäre Fisteln: Fadendrainage (kei-
ne Spaltung), cave: Kontinenzverlust!
Stenosen: Klärung, ob entzündliche oder narbige Stenose! Entzündliche Stenose:
Therapie wie akuter Schub. Narbige Stenose: kurzstreckig: endoskopische Ballon-
dilatation, alternativ: chirurgische Strikturoplastik
Abszess (Schlingenabszess, Psoasabszess etc.): konservative versus operative The-
rapie; wenn möglich sonografisch/CT-gesteuerte Drainage; Abszesse liegen häu-
fig innerhalb eines Konglomerattumors und sind für Punktion nicht zugänglich;
Breitspektrum-Antibiotika
Supplementierung bei Mangelerscheinungen bzw. erniedrigten Serumwerten:
██ Eisensubstitution per os oder i. v. (z. B. als Kurzinfusion, besser verträglich als
orale Eisenpräparate, z. B. 100 mg Ferrlecit in 100 ml 0,9 % NaCl); bei Anämie
trotz Eisentherapie: Erythropoetin-Gabe
██ Vitamine; Zink; Kalzium, Vitamin D bei Osteoporose; Vitamin B12 und Folsäure-
gabe bei entsprechenden Mangelzuständen (Ileumbefall, ausgedehnte Ileumre-
sektion)

Therapie Arthralgien/periphere Arthritis: Typ-I-Arthritis (einzelne große Gelenke, <5, meist


extraintestinaler schubassoziiert): Therapie des akuten Schubs. Typ-II-Arthritis (kleine Gelenke,
Manifestationen persistierend): Sulfasalazin 3-mal 1–2 g (Mesalazin allein nicht wirksam), Metho­
trexat oder TNF-α-Antikörper; cave: NSAR können Schub auslösen!
220  4 Darm

Axiale Arthritis (Spondylitis, Sakroiliitis): intensive Physiotherapie, NSAR (cave:


Verschlechterung des intestinalen Crohn), traditionelle antirheumatische Basis-
therapeutika wie Sulfasalazin, MTX oder Leflunomid sind nicht wirksam. TNFα-
Antikörper wirksam.
Osteoporose: Prophylaxe (Steroidtherapie) und Therapie mit Kalzium, Vitamin D,
bei nachgewiesenen Frakturen: Bisphosphonate
Primär sklerosierende Cholangitis: s. Kap. 7.18
Erythema nodosum: Therapie des akuten Schubs, häufig Prednisolon notwendig
Pyoderma gangraenosum: Steroide, evtl. Azathioprin, bei Therapieresistenz: TNF-
α-Antikörper, Cyclosporin oder Mycophenolat (insgesamt nur kleine Fallzahlen
publiziert). Keine chirurgische Therapie!

Supportive Ernährungshinweise, Ernährungstherapie: Es gibt keine spezifische Crohn- oder


Maßnahmen Kolitis-Diät. Ausgewogene Kost nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Er-
nährung. Patienten mit Kolonbefall vertragen häufig nicht: Zitrusfrüchte und -säf-
te, scharfe Gewürze, Alkohol, blähende Speisen. Ansonsten grundsätzlich alles er-
laubt.
██ Ausnahme: Empfehlung für ballaststoffarme Kost bei höhergradigen Stenosen;
Vermeidung oxalsäurehaltiger Nahrungsmittel bei ausgedehntem Dünndarmbe-
fall (Oxalatsteine der Niere).
██ Cave: Ausschluss- oder Spezialdiäten können zu Mangelernährung führen!

Psychosoziale bzw. psychosomatische Therapie und Betreuung: unterstützende


Betreuung durch behandelnden Arzt, Mitbetreuung durch Psychologen/Psycho-
therapeuten anbieten (Indikation: Depression, Angstzustände, starker Leidens-
druck, zwanghaftes Verhalten, Stressbewältigung), additiv zu medikamentöser
bzw. chirurgischer Therapie! Selbsthilfe-Organisationen sehr aktiv! Strukturierte
Rauchentwöhnung.
Komplementäre und alternative Therapien: nicht alternativ zu evidenzgesicher-
ten Therapiemaßnahmen. Akupunktur im akuten Schub zeigte in einer Studie ge-
ringgradigen Effekt, Omega-3-Fettsäuren ineffektiv, Boswellia serrata (Weihrauch)
ist im akuten Schub Mesalazin nicht unterlegen, Trichuris suis ovata (Schweine-
bandwurmeier) in Pilotstudie wirksam, derzeit nicht zugelassen und nicht emp-
fohlen, Probiotika derzeit ohne Wirksamkeitsnachweis.

Verlauf und Allgemein: Der Verlauf und damit die Prognose ist sehr variabel (s. Therapie). Ein-
Prognose teilung in akut-rezidivierenden, steroidrefraktären und steroidabhängigen Verlauf.
Es gibt Patienten mit sehr wenigen Schüben im Leben, 2–4 Schüben pro Jahr, mit
Daueraktivität (ca. 15 %); der Verlauf ist nicht vorhersehbar. Es sind keine zuver-
lässigen Prognosekriterien vorhanden. Hinweise für einen komplizierten Verlauf
können sein: junges Alter, Steroidtherapie des ersten Schubs, Raucher, ausgedehn-
ter Dünndarmbefall, perianales Fistelleiden, endoskopisch tiefe Ulzera. Ca. 60–80 %
aller Patienten werden wegen der Darmerkrankung oder einer Komplikation min-
destens 1-mal operiert. Die Erkrankung ist derzeit nicht heilbar.
Kinder: Wachstumsretardierung, Mangelernährung, Verzögerung der sexuellen
Entwicklung
Fertilität und Schwangerschaft: Der Morbus Crohn stellt keine Kontraindikation
gegen Schwangerschaft dar. Fertilität bei Männern durch Sulfasalazin reversibel
vermindert. Fertilität bei Frauen in Remission vergleichbar mit Nichterkrankten.
Tritt Empfängnis ein, ist Risiko für einen Schub vergleichbar mit Nichtschwan-
geren. Während erhöhter Krankheitsaktivität ist die Fertilität vermindert, tritt
Konzeption ein, wird sich die Krankheitsaktivität bei zwei Dritteln persistieren
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   221

bzw. verschlechtern. Die Schwangerschaft sollte in einer inaktiven Phase geplant


werden. Bei Eintreten einer Schwangerschaft sollte die Medikation mit Steroiden,
Mesalazin oder Azathioprin nicht zwangsläufig verändert werden, da Fetopathien
nicht nachgewiesen sind. Methotrexat ist kontraindiziert! Über TNF-α-Antikörper
liegen keine negativen Berichte vor, sollte aber 3 Monate vor Entbindung abgesetzt
werden (passiert Plazentaschranke, sodass Fetus immunsupprimiert ist). Die akti-
ve Erkrankung erhöht Frühgeburtlichkeit und niedriges Geburtsgewicht.

Langzeit­ Kurzdarmsyndrom (nach ausgedehnter Dünndarmresektion oder funktionell bei


komplikationen langstreckigem Ileumbefall), s. Malabsorptionssyndrom, Kurzdarmsyndrom
Kolorektales Karzinomrisiko: 2,5-fach erhöht.
Karzinomscreening: Bei ausgedehntem Kolonbefall Vorgehen analog zu Colitis ul-
cerosa (Kap. 4.15.2). Bei PSC und Morbus Crohn jährliche Koloskopie empfohlen.
██Intraepitheliale Neoplasie (IEN): kolitisassoziierte IEN bedürfen einer Zweitbe-
fundung durch weiteren Pathologen, stellen Vorstufen invasiver Karzinome dar.
Nachweis hochgradiger IEN (mit Bestätigung durch zweiten Pathologen) stellt
OP-Indikation dar
██DALM (Dysplasie-assoziierte Läsion oder Masse) stellt hochgradiges Karzinomri-
siko und damit OP-Indikation dar (differentes Vorgehen im Falle eines Adenoms)
Osteoporose: Prophylaxe mit Kalzium und Vitamin D konsequent durchführen
Opportunistische Infektion unter immunsuppressiver Therapie

Selbsthilfe Deutsche Crohn- und Colitis Vereinigung e. V., Paracelsusstraße 15, 51375 Leverku-
sen, Tel: 0214-876080, homepage: www.dccv.de
CED-Hilfe Hamburg
Deutsche Ileostomie-Colostomie-Urostomievereinigung ILCO e. V., Landshuter
Straße 30, 85356 Freising, Tel: 08161-934301, Homepage: www.ilco.de

Literatur S3-Leitlinie der DGVS. Hoffmann JC et al. Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn. Z Gastroenterol 2008;
46: 1094–1146. www.dgvs.de
Van Assche et al. The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: definitions and diagnosis. J Crohn’s and Colitis 2010; 4: 7–27. www.ecco-ibd.eu
Dignass A et al. The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: current management. J Crohn´s and Colitis 2010; 4: 28–62. www.ecco-ibd.eu
Caprilli R. et al.The second European evidence-based consensus on the diagnosis and management of
Crohn′s disease: special situations.J Crohn´s and Colitis 2010; 4: 63–101. www.ecco-ibd.eu
Rahier et al. European evidence based Consensus on the prevention, diagnosis and management of opportu-
nistic infections in inflammatory bowel disease. J Crohn’s and Colitis 2009; 3: 47–91 www.ecco-ibd.eu
www.kompetenznetz-ced.de

4.15.2 Colitis ulcerosa


Definition Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung unklarer
Ätiologie mit Befall der Kolonschleimhaut in unterschiedlicher Ausdehnung. Zu-
sätzlich können extraintestinale Manifestationen wie Arthritis, PSC, Pyoderma
gangraenosum, Uveitis bestehen.

Ätiologie Die Ätiologie ist unklar. Hypothesen ähnlich wie beim Morbus Crohn: Imbalance
und Patho­ der intestinalen Immunantwort auf ein möglicherweise luminales Agens, z. B. Bak-
mechanismus terien. Mukosal finden sich vermehrt atypische Th2-Zellen sowie Th17-Zellen mit
starker Sekretion von IL-13 bzw. IL-17.
222  4 Darm

Genetik und
██ Konkordanz bei eineiigen Zwillingen 6–16 %, bei zweieiigen 1–3 %. „Kolitisgen“
Risikofaktoren bislang nicht nachgewiesen, aber zahlreiche Risiko-Loci, davon einige mit Über-
lappung zum Morbus Crohn
██ Risikofaktoren: Nichtrauchen; hoher hygienischer Standard; vermindertes Risi-
ko: Appendektomie vor 20. Lebensjahr; kein Risiko: bestimmter psychopatholo-
gischer Typus.

Epidemiologie Prävalenz: 0,7–24/10 000; Inzidenz: 0,1–2:10 000. Wie bei Morbus Crohn Nord-
Süd- und West-Ost-Gefälle. Erkrankungsgipfel: 15.–35. und 60.–70. Lebensjahr
Alle Altersgruppen können betroffen sein, kein Geschlechtsunterschied. Erkran-
kungsrisiko für Geschwister Erkrankter 10-mal höher als Normalbevölkerung.

Pathologie Befallsmuster: kontinuierliche Entzündung der Kolonschleimhaut mit Beginn im


Rektum und unterschiedlicher Ausbreitung nach kranial:
██Proktitis (5 %)
██Linksseitenkolitis (ca. 75 %)
██Pankolitis (ca. 20 %), u. U. besteht eine „backwash ileitis“ als einzig möglicher
intestinaler Befall außerhalb des Kolons

Makroskopisch: Erythem, Ödem, granuläre Schleimhautoberfläche, netzartig inei-


nander fließende flache Ulzerationen, Pseudopolypen häufig. Veränderungen von
distal nach proximal abnehmend
Mikroskopisch: diffuse, kontinuierliche, panmukosale Entzündung mit (Lympho-
zyten, Plasmazellen) in Kombination mit einer Störung der Kryptenarchitektur/
Kryptenatrophie, Plasmozytose im basalen Schleimhautstroma, Panethzellmeta-
plasie distal der rechten Kolonflexur, reduzierte Becherzellzahl.
Intraepitheliale Neoplasie (IEN): Einteilung in niedrig- und hochgradige Neoplasie.
Beim Nachweis einer IEN ist die Einholung einer Zweitbegutachtung erforderlich
(s. auch „Karzinomvorsorge“)

Klinische Leitsymptome:meist blutige, wässrig-schleimige Durchfälle (auch nachts, bis 20–30/


Charakteristika Tag möglich) und meist krampfartige Bauchmerzen, die mit der Defäkation nach-
lassen sowie imperativer Stuhldrang. Die Symptomatik korreliert mit der Krank-
heitsausdehnung. Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust, Anämie
(Vergleich Colitis ulcerosa versus Morbus Crohn s. Kap. 4.15.1, Klinische Charakte-
ristika, Tab. 4.3). Fisteln und Stenosen treten im Vergleich zum Morbus Crohn sehr
selten auf. Erstmanifestation als Proktitis mit relativ geringen Beschwerden, aber
auch als fulminanter Verlauf mit Pankolitis möglich.
Einteilung klinischer Schweregrad: Anzahl der Diarrhöen, Stärke der Blutbei-
mengung, Entzündungszeichen, Anämie, Fieber, endoskopischer Befund und All-
gemeinbefinden. Kein etablierter Aktivitätsindex außerhalb von Studien. Anhalts-
punkte:
██ milde Aktivität: <4 Diarrhöen, wenig Blut, kein Fieber, keine Anämie/Entzün-
dungszeichen
██ mäßige Aktivität: 4–6 Diarrhöen mit Blut, kein Fieber, leichte Anämie/Entzün-
dungszeichen, leicht eingeschränktes Allgemeinbefinden
██ schwere Aktivität: >6 blutige Diarrhöen, Fieber, CRP↑, Hb <75 % der Norm, häufig
starke, Tachykardie, Allgemeinbefinden↓
██ fulminanter Verlauf: wie Symptomatik bei schwerem Verlauf, u. U. septisches/
toxisches Krankheitsbild, toxisches Megakolon
██ Aktivitätsindices: werden nur im Rahmen von Studien verwendet
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   223

Symptome durch extraintestinale Manifestationen:


██Arthralgien/Arthritis (20–30 %), meist große Gelenke (Typ-I-Arthritis: große Ge-
lenke <5 Gelenke; akute, selbstlimitierende Episoden; korreliert mit Kolitisschub
und häufig mit anderen extraintestinalen Manifestationen. Typ-II-Arthritis:
kleine Gelenke ≥5 Gelenke; Symptome über Monate/Jahre; korreliert nicht mit
Kolitissymptomatik; Assoziation nur mit Uveitis), Sakroiliitis, Spondylitis anky-
lopoetica
██Pyoderma gangraenosum (meist untere Extremität, tiefes, sich ausbreitendes
Geschwür)
██Erythema nodosum
██orale Aphthen (selten)
██primär sklerosierende Cholangitis (ca. 13 %; s. Kap. 7.18)
██Uveitis

Akute Kompli­ ██ toxisches Megakolon: ca. 5 % der Patienten, praktisch immer bei Pankolitis; Di-
kationen latation des Colon transversum auf >6 cm, hohe Perforationsgefahr! Durchwan-
derungsperitonitis, septisches Krankheitsbild. cave: blande Abdominalsympto-
matik unter immunsuppressiver Therapie!
██ Kolonperforation
██ lebensbedrohliche Blutung: bei Pankolitis

Wegweisende Ileokoloskopie (Durchführung: s. Kap. 4.15.1, Morbus Crohn, Wegweisende Dia-


Diagnostik gnostik):
██ essenziell für Diagnosestellung. Bei schwerem akutem Schub nur partielle Kolos-
kopie, da erhöhte Perforationsgefahr. Komplette Ileokoloskopie möglichst initial,
spätestens nach Besserung der Symptomatik.
–– Befund: kontinuierliche Entzündung, im Rektum beginnend (cave: bei Vor-
behandlung mit Mesalazin- oder Steroidsuppositorien/-klysmen kann das
Rektum „ausgespart“ sein), nach proximal geringer (Linksseitenkolitis) oder
bis ins Zökum (Pankolitis) nachweisbar, evtl. bis ins terminale Ileum („back-
wash ileitis“): Ödem, aufgehobene Gefäßzeichnung, granuläre Schleimhaut,
multiple, meist flache, ineinander fließende Ulzera, Pseudopolypen (regene-
rative Schleimhaut). Vergleich Colitis ulcerosa – Morbus Crohn: s. Kap. 4.15.1,
Tab. 4.4
██ Histopathologische Diagnostik: Entnahme von Stufenbiopsien, d. h. multiple
Biopsien aus dem terminalen Ileum und allen Kolonsegmenten (separate Gefä-
ße), Befunde s. „Pathologie“. Die Sensitivität und Spezifität für die Diagnosestel-
lung beträgt ca. je 70 %
██ Beachte: bei wiederholtem akuten Schub ist nicht jedes Mal Koloskopie erforder-
lich, nur bei Therapieresistenz, Verdacht auf verändertes Befallsmuster oder Vor-
liegen anderer Erkrankung (z. B. CMV-Kolitis). Bislang wird keine regelmäßige
Koloskopie zur Therapiekontrolle vor Beginn der Karzinomvorsorge empfohlen
██ Virtuelle Koloskopie, Kolon-Kapsel-Endoskopie: derzeit ohne Stellenwert
██ Kolonkarzinom-Screening: Koloskopie ist die Methode der Wahl, s. „Karzinom-
vorsorge“

Zusatz­ Ausschluss infektiöse Ursache bei Erstmanifestation, aber auch beim akuten
diagnostik Schub einer bekannten Colitis ulcerosa, insbesondere Cl.-difficile-Toxin im Stuhl,
ggf. Rekto-/Sigmoidoskopie; evtl. weitere Erreger. Bei schwerem Schub und bei
Nichtansprechen auf Therapie: CMV-Infektion ausschließen (CMV-PCR im Blut,
CMV-Nachweis in Kolonbiopsie)
Labor: Es gibt keinen pathognomonischen Laborwert.
224  4 Darm

██ Entzündungszeichen (unspezifisch): CRP, BSG, Blutbild, Diff-BB


██ Anämie: Eisenmangel (Ferritin) und/oder Entzündung
██ Hypalbuminämie: Gesamteiweiß, Albumin, Kreatinin: Eiweißverlust über den
Darm, mangelnde Zufuhr
██ Leberwerte: Alkalische Phosphatase, γ-GT, GOT, GPT (pANCA): PSC?
██ Autoantikörper: vermehrt nachweisbar (ASCA, pANCA), aber keiner pathogno-
monisch, prognostisch verwertbar oder therapeutisch relevant. In seltenen Fäl-
len bei Abgrenzung zum Morbus Crohn hilfreich („indeterminate colitis“)
██ Fäkale Neutrophilenmarker: Calprotectin, Lactoferrin im Stuhl korrelieren mit dem
Grad der Entzündung (sind jedoch nicht pathognomonisch). Die Bestimmung kann
zur Abgrenzung nicht-entzündlicher Ursachen der Beschwerden genutzt werden
██ Verlauf: CRP, BSG, BB, optional Calprotectin/Lactoferrin im Stuhl
██ Aktivitätsindizes (nach Truelove) nicht für klinische Routine sinnvoll

Sonografie: in geübter Hand wertvolle Methode sowohl bei der Erstmanifestation


und insbesondere zur Verlaufsbeurteilung. Grad der Entzündung (Wanddicke mit/
ohne Aufhebeung der Wandschichten) und Ausdehnung sind mit bis zu 90 % Sensi-
tivität bestimmbar; aufgehobene Haustrierung, Komplikationen (Ileus, Perforation,
freie Flüssigkeit), Differenzialdiagnosen (z. B. Morbus Crohn, Divertikulitis), dopp-
lersonografisch hyperämische Schleimhaut. Geringe Spezifität, vom rein morpholo-
gischen Bild schlechte Unterscheidung zum Morbus Crohn bzw. infektiöser Genese.
Diagnostik bei Kolonstenose: immer malignitätsverdächtig, ausgiebige Biopsieent-
nahme an der Stenose; bei unüberwindbarer Stenose weitere Abklärung mittels CT
oder MRT. Bei unklaren Befunden frühzeitig operative Resektion diskutieren!
Dünndarmdarstellung: MRT-Enteroklysma indiziert nur in Abgrenzung zum Mor-
bus Crohn
Ösophagogastroduodenoskopie: nur in Abgrenzung zum Morbus Crohn

Differenzial­ Morbus Crohn, infektiöse Kolitis, systemische Vaskulitis, ischämische Kolitis


diagnose

Therapieziele ██ Beschwerdefreiheit
und Indikation ██ Remissionserhalt/Rezidivprophylaxe
██ Vermeidung/Behandlung von akuten und chronischen (Karzinom) Komplika­
tionen
██ Vermeidung von Mangelerscheinungen und Nebenwirkungen der Therapie
██ Behandlung extraintestinaler Manifestationen
██ (Endoskopischer oder sonografischer Befund allein ist keine Therapieindikation)
██ Wichtig: Die Therapie richtet sich nach Ausdehnung und Schwere der Erkran-
kung

Medikamentöse Grundsatz: bei distaler Kolitis topische Therapie versuchen. Problem: Bei ausge-
Therapie prägten Durchfällen können Patienten die rektal verabreichte Substanz oft nicht
lange genug (1 h) einhalten (Schaum besser als Klysma). Bei Therapieversagen ora-
le Therapie. Initialtherapie bis zur Beschwerdebesserung, dann Reduktion von Ste-
roiden; Reduktion von 5-ASA/Mesalazin bis zur Erhaltungsdosis (s. u.: Remissions-
erhalt/Rezidivprophylaxe).
Proktitis: 5-ASA/Mesalazin 0,5–1,5 g/Tag als Suppositorien, bei Nichtansprechen:
5-ASA-Rektalschaum (Claversal, Salofalk) oder Budesonid-Rektalschaum 2 mg/Tag
(Budenofalk) oder Klysmen (5-ASA 1–4 g oder Budesonid 2 mg)
██ Bei Nichtansprechen: Kombination aus 5-ASA lokal plus Budenosid lokal oder plus
5-ASA oral (Behandlung wie Linksseitenkolitis). Bei weiterer Therapieresistenz
kann ein Versuch mit topisch appliziertem Tacrolimus unternommen werden.
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   225

Linksseitenkolitis: 5-ASA ≥1 g/Tag als Klysma oder Schaum in Kombination mit


oralem 5-ASA (≥3 g/Tag). Die alleinige orale Gabe ist weniger wirksam. Orale
5-ASA-Präparate können als einmalige Dosis (Retardpräparate) verabreicht wer-
den
██Bei Nichtansprechen: oral ≥3 g/Tag 5-ASA plus Steroide als Schaum (Budenofalk,
Colifoam) oder Klysma. Problem der Klysmentherapie: wegen Durchfall bzw.
Analbefall können Klysmen schlecht im Darm gehalten werden, deshalb Appli-
kation zur Nacht bzw. Umsteigen auf geringvolumigen Schaum empfohlen. Al-
ternativ: systemisch Prednisolon 0,5–1 mg/kg KG, Reduktion in 10 mg-Schritten
pro Woche und nach Klinik, nach Besserung ggf. Umsteigen auf lokale Therapie
Pankolitis: oral 5-ASA ≥3 g/Tag plus lokal ≥1 g/Tag 5-ASA
██Bei Nichtansprechen: wie Nichtansprechen bei Linksseitenkolitis

Schwerer Schub jeglicher Ausdehnung (Definition s. Klinische Charakteristika)


██Stationäre Behandlung
██bei sehr schwerem Verlauf, drohenden Komplikationen (insbesondere toxisches
Megakolon), Sepsis: frühzeitige Absprache zwischen dem Gastroenterologen
und Viszeralchirurgen. Ziel: rechtzeitige chirurgische Intervention bzw. Vermei-
dung der Notfallkolektomie
██Prednisolonäquivalent 1 mg/kg KG i. v. pro Tag
██Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit von Steroiden: Ciclosporin, Infli-
ximab oder Tacrolimus
██Antibiotika: Therapie von Komplikationen (drohende Durchwanderungsperito-
nitis, toxischer/septischer Verlauf, Clostridium-difficile-Infektion)
██parenterale Ernährung, Ausgleich von Mangelerscheinungen, ggf. Intensivüber-
wachung
██falls steroidrefraktär nach 4–7 Tagen bzw. bei fulminantem Verlauf: immer auch
die chirurgische Therapie (Kolektomie) diskutieren, Gefahr der verzögerten OP-
Indikationsstellung! Alternativ zu Steroiden (unter Beachtung Kontraindikati-
onen, Nebenwirkungsprofil und Infektionsprophylaxe!): Ciclosporin oder Ta-
crolimus oder Infliximab. Ciclosporin-Dauerinfusion 2 mg/kg KG/Tag über 3–7
Tage, dann orale Therapie über 3–6 Monate; zusätzlich/überlappend Azathio-
prin 2–2,5 mg/kg KG/Tag (Ansprechen: ca. 65 %, Vermeidung Notfallkolektomie).
Tacrolimus (0,05 mg/kg KG/Tag per os). Infliximab (5 mg/kg KG Woche 0,2 und 6
(Ansprechen: 40 %, Remissionsrate nach 46 Wochen: 20 %. Cave: NW, KI s. Kap.
▶ Kap. 4.15.1, Morbus Crohn, Therapie)

Nichtansprechen, Verschlechterung, Ausbildung von Komplikationen: differenzi-


aldiagnostisch Infektion ausschließen! (Clostridium difficile, Norovirus, CMV-Koli-
tis etc.); operatives Vorgehen diskutieren (Proktokolektomie mit Pouch)

Remissionserhalt/Rezidivprophylaxe (Tab. 4.5):


██Remission ist erreicht, wenn <3 ungeformte Stühle/Tag, kein sichtbares Blut
im Stuhl, keine durch Colitis bedingten intestinalen oder extraintestinalen Be-
schwerden vorliegen
██Immer Rezidivprophylaxe! Substanz der 1. Wahl: 5-ASA oral oder lokal über min-
destens 2 Jahre. Wegen häufigerer Nebenwirkungen ist Sulfasalazin 2.Wahl. Bei
Kontraindikation/Unverträglichkeit von 5-ASA: probiotische Therapie mit E. coli
Nissle (Mutaflor) 2-mal 100 mg/Tag (einschleichend dosieren, NW: Blähungen).
Keine Empfehlung für: Weihrauch, Budesonid, Omega-3-Fettsäuren („Fischöl“)
██Bei frühem Rezidiv : Erst Behandlung des akuten Schubs, dann Intensivierung der
Rezidivprophylaxe mit Kombination aus oralem und rektalem 5-ASA, Erhöhung
226  4 Darm

Tab. 4.5 Rezidiv­ Formulierung Tagesdosis (minimal)


prophylaxe/
Oral
Remis­sionserhalt
bei Colitis ulce­ 5-ASA als slow oder delayed release 1,5 g/Tag
rosa.
oder 5-ASA als MMX-Formulierung* 2,4 g/Tag

oder Olsalazin 1,0 g/Tag

oder Sulfasalazin 2,0 g/Tag

Rektal: bei Linksseitenkolitis

5-ASA-Klysma 1 g/Tag

oder 4 g jeden 3. Tag

oder 4 g/Tag jeweils an den ersten 7 Tagen des


Monats

Rektal: bei Proktitis

5-ASA-Suppositorium 2-mal 500 mg/Tag

oder 1 g/Tag 3-mal pro Woche

*Für die MMX-Formulierung ist die Wirksamkeit bei einmaliger Gabe/Tag belegt, ansonsten
Aufteilung der Tagesdosis in 2–3 Einzeldosen

orale 5-ASA-Dosis oder Therapie mit Azathioprin/6-Mercaptopurin oder Infli-


ximab (keine Empfehlung für MTX, Tacrolimus oder Steroide).

Chronisch aktiver/steroidabhängiger oder häufig rezidivierender Verlauf (steroi-


dabhängig: 2 fehlgeschlagene Versuche, Prednisolon <10 mg/Tag auszuschleichen, >2
Rezidive in 6 Monaten): immer operatives gegen konservatives Vorgehen abwägen.
Bei Steroidabhängigkeit soll primär Azathioprin/6-Mercaptopurin eingesetzt werden
(Azathioprin 1,5–2,5 mg/kg KG, 6-MP: 0,7–1,25 g/kg KG). Kombination aus Azathio-
prin plus Mesalazin nicht untersucht. Bei Nichtansprechen: Methotrexat 12,5–25 mg
1-mal/Woche s.c (wenig Daten). Infliximab bzw. Adalimumab ist alternativ möglich.
Infektionsrisiken, NW/KI aller Immunsuppressiva/TNFα-Antikörper: s. Kap.
4.15.1, Morbus Crohn, Therapie).

Chirurgische Bei etwa 20 % der Patienten wird eine Operation notwendig.


Therapie Indikation:
1. Notfallindikation: toxisches Megakolon (wenn anders nicht beherrschbar), Per-
foration, schwere Blutung (ca. 4 %, >4 Ery-Konzentrate/24 h, Kreislaufinstabili-
tät)
2. Elektive Operation: Karzinom, Kolonstenose unklarer Dignität, Therapiere-
sistenz mit hochgradiger Morbidität, Nebenwirkungen der medikamentösen
(Dauer-)Therapie, Patientenwunsch, Wachstumsstörungen bei Jugendlichen
mit chronisch aktiver Erkrankung. Höheres Alter keine Kontraindikation per se.

Operatives Vorgehen:
elektiv: Einzeitige restaurative Proktokolektomie (dadurch Heilung der Kolitis)
██

mit ileoanalem Pouch. Bei erhöhtem präoperativem Risiko (langfristige Steroid-


therapie, immunsuppressive Therapie, Behandlung mit TNF-Antikörpern, Man-
gelernährung, Komorbidität) wird 3-zeitiges operatives Vorgehen empfohlen:
4.15 Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Colitis ulcerosa   227

–– 1. subtotale Kolektomie mit endständigem Ileostoma


–– 2. Restproktomukosektomie mit ileoanaler Pouchanlage und doppelläufigem
Ileostoma
–– 3. Ileostomarückverlagerung
██ Bei 90 % der Operierten postoperativ 5–6 Stühle/Tag und Erhalt der Kontinenz.
Bei der ileoanalen Pouchanlage sollte die belassene Rektummukosa nicht länger
als 2 cm betragen (diese 2 cm sind wichtig für nächtliche Kontinenz! Aber: Prok-
titis möglich!)
██ Notoperation (Perforation, toxisches Megakolon): 3-zeitiges Vorgehen
██ präoperatives Vorgehen bei elektiver OP: eingehende Beratung des Patienten
durch erfahrenen Chirurgen. Bei Mangelernährung gezielte Ernährungstherapie

Postoperative Probleme nach Pouchanlage:


██Pouchitis (bis 50 %): Ätiologie nicht geklärt, Infektion und chirurgische Ursa-
chen abklären. Symptomatik: weiche/wässrige Stühle, Stuhldrang, abdominelle
Krämpfe; Einteilung in a) akute Pouchitis, b) akut-rezidivierende Pouchitis, c)
chronische Pouchitis (Dauer > 3 Monate). Endoskopisch finden sich Rötung, Ödem,
Erosionen, Ulzera, histologisch Ulzera, Kryptenabszesse, entzündliche Infiltration
mit Granulozyten (selten „irritables Pouchsyndrom ohne lokalen Befund). The-
rapieversuch mit 2- bis 3-mal 400 mg/Tag Metronidazol (70 % erfolgreich); al-
ternativ Ciprofloxacin 2-mal 250–500 mg; alternativ oder bei Nichtansprechen:
Kombination aus beidem, Budesonidschaum/-klysma; probiotische Milchsäure-
bakterienkombination VSL-3, 6 g/Tag (erhältlich als Nahrungsergänzungsmittel)
██Proktitis in belassener Rektummukosa: 5-ASA topisch, alternativ transanale Mu-
kosektomie
██Reoperation (10–20 %), Anastomoseninsuffizienz (10–20 %), Abszess bzw. Fistel
(5–12 %), Stenosen (10 %), Sexualfunktions- bzw. Blasenentleerungsstörung (bis
30 %)
██Kontrollendoskopie: jährlich empfohlen

Therapie s. Kap. 4.15.1, Morbus Crohn, Therapie


extraintestinaler
Manifestationen
Supportive Impfungen: durch immunsuppressive Therapien erhöhtes Infektionsrisiko!
Maßnahmen Vorgehen s. Leitlinie DGVS 2011 bzw. www.rki.de> Startseite > Infektionsschutz >
Impfen > Impfthemen A–Z > Immunsuppression und Impfen

Starke Diarrhöen ohne oder mit wenig Entzündungsaktivität: häufig bei lang-
jährigem Verlauf, „ausgebrannte“ Kolitis (Schleimhautatrophie, Wasser kann nicht
mehr resorbiert werden): Loperamid bis zu 3-mal 2 mg, Plantago ovata als Quell-
mittel, im Einzelfall: Opiumtropfen (10–60 mg/Tag, sehr individuelle Dosierung!).
Ernährungshinweise, -therapie: Es gibt keine spezifische Kolitisdiät. Ausgewoge-
ne Kost nach Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Patienten mit
Colitis ulcerosa vertragen häufig nicht: Zitrusfrüchte und -säfte, scharfe Gewürze,
Alkohol, blähende Speisen. Ansonsten grundsätzlich alles erlaubt. Ausnahme: bal-
laststoffarme Kost bei höhergradigen Stenosen empfohlen; cave: Ausschluss- oder
Spezialdiäten können zu Mangelernährung führen!
Psychosoziale bzw. psychosomatische Therapie und Betreuung: unterstützende
Betreuung durch behandelnden Arzt, Mitbetreuung durch Psychologen/ Psycho-
therapeuten anbieten (Indikation: Depression, Angstzustände, starker Leidens-
druck, zwanghaftes Verhalten, Stressbewältigung), jedoch kein Ersatz für medi-
kamentöse bzw. chirurgische Therapie! Auf Selbsthilfeorganisationen hinweisen.
228  4 Darm

Alternative/komplementäre Therapien: sollten nur in Ergänzung zur evidenz-ba-


sierten Therapie empfohlen werden. Arzt sollte mit Patient über komplementäre
Therapien sprechen und über sinnlosen und sinnvollen Einsatz aufklären! Cucur-
min, Plantago ovata, Mini-Body-Therapie, Akupunktur, Trichuris suis ovata können
komplementär in der Remissionserhaltung eingesetzt werden.

Verlauf Allgemein: sehr variabel (s. Therapie). Einteilung in akut-rezidivierenden, steroid-


refraktären und -abhängigen Verlauf. Es gibt Patienten mit sehr wenigen Schüben
im Leben, 2–4 Schüben pro Jahr, mit Daueraktivität (ca. 15 %); Verlauf nicht vorher-
sehbar; keine zuverlässigen Prognosekriterien vorhanden. Ca. 20 % aller Patienten
werden wegen Darmerkrankung oder Komplikation mindestens einmal operiert.
Colitis ulcerosa durch Proktokolektomie heilbar (unter Inkaufnahme OP-assoziier-
ter Nebenwirkungen), extraintestinale Manifestationen sind dadurch nicht beein-
flusst.
Kinder: Wachstumsretardierung, Verzögerung der sexuellen Entwicklung.
Fertilität und Schwangerschaft: Colitis ulcerosa stellt keine Kontraindikation ge-
gen Schwangerschaft dar. Allerdings sollte die Schwangerschaft in einer inaktiven
Phase geplant werden. Verlauf der Erkrankung variabel: zu je einem Drittel Exazer-
bation bzw. Verschlechterung, Besserung oder keine Änderung. Bei Eintreten einer
Schwangerschaft sollte die Medikation mit Steroiden, Mesalazin oder Azathioprin
nicht zwangsläufig verändert werden. Fetopathien nicht nachgewiesen, Methotre-
xat kontraindiziert! (s. Morbus Crohn, Kap. 4.15.1).

Karzinomrisiko Das Kolonkarzinomrisiko ist bei Colitis ulcerosa erhöht (außer Proktitis)und hängt
ab von der Ausdehnung, der Entzündungsintensität und der Dauer der Erkrankung.
Bei Patienten mit Pankolitis und Beginn der Erkrankung <30. Lebensjahr ist das
Risiko 20- bis 50-mal größer als bei der Normalbevölkerung. Risiko steigt frühes-
tens ab dem 8.–10. Krankheitsjahr an und erhöht sich (5-fach) bei gleichzeitigem
Vorliegen einer PSC.

Karzinom­ ██ Eine Kontrollkoloskopie soll 8 Jahre nach Beginn der Erkrankung unabhängig
vorsorge von der Krankheitsaktivität durchgeführt werden. Bei ausgedehnter Colitis soll
dann ab 8. Krankheitsjahr, bei Linksseitenkolitis ab 15. Jahr alle 1–2 Jahre eine
Kontrollkoloskopie mit Stufenbiopsien erfolgen (mindestens 4 Biopsien alle
10 cm) bzw. Biopsien auffälliger Bezirke, Untersuchung in Remissionsphase! Al-
ternativ: Chromoendoskopie mit gezielten Biopsien auffälliger Areale
██ Bei hochgradiger intraepithelialer Neoplasie (2.-Begutachtung durch Referenz-
pathologe!) oder Adenokarzinom besteht die Empfehlung zur Proktokolektomie
mit Pouchanlage
██ Bei niedriggradiger IEN (Zweitbegutachtung durch Referenzpathologe!) Bera-
tung des Patienten über Proktokolektomie versus engmaschige endoskopische
Kontrolle (3 Monate)
██ Bei Nachweis einer ALM (adenoma-like-mass) kann endoskopische Resektion
(oder operative Resektion) erfolgen, sofern in der Umgebung und im Restkolon
keine weiteren IEN nachweisbar sind.
██ Bei gleichzeitiger PSC Kontrollkoloskopie jährlich ab Diagnosestellung PSC
██ Pouchoskopie 1-mal pro Jahr
██ ASS kann zur Prophylaxe eingesetzt werden. Ursodesoxycholsäure (bei PSC)
scheint protektiv zu sein.

Selbsthilfe Siehe Kap. 4.15.1, Morbus Crohn


4.16 Toxisches Megakolon  229

Leitlinie der DGVS. Dignass A et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcerosa
Literatur
2011: Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. Z Gastroenterol 2011; 49: 1276–1341
(www.dgvs.de)
Dignass A et al. Second European evidence-based Consensus on the diagnosis and management of ulcerative
colitis. J Crohn’s Colitis 2012; 6: 991–1030. www.ecco-ibd.eu
Danese S, Fiocchi C. Ulcerative Colitis. N Engl J Med 2011; 365: 1713–1725
S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“. Z. Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)

4.16 Toxisches Megakolon

Definition Lebensbedrohliche, nicht obstruktive Dilatation des Kolons >6 cm mit systemi-
scher, toxischer Entzündungsreaktion.

Ätiologie ██ Komplikation bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn: häufigste Ursache, in
letzten Jahren jedoch seltener geworden, vermutlich aufgrund frühzeitigerer
Behandlung
██ Infektion mit Clostridium difficile: Risiko für toxische Verlaufsform der Kolitis:
COPD, immunsuppressive Therapie, antidiarrhöische Therapie, Nierenversagen,
Clindamycin und andere Antibiotika
██ andere Ursachen: Divertikulitis, Volvulus, Kolontumor, ischämische Kolitis;
CMV-Kolitis bei AIDS; selten andere Gastroenteritiserreger

Pathologie Transmurale Kolitis, Ausdünnung der Darmwand, Ulzera, Nekrosen, diffuse Infilt-
ration mit Entzündungszellen; Pseudomembranen bei Cl.-difficile-Infektion; ggf.
Nachweis von CMV bzw. infizierten Zellen („Eulenaugenzellen“) in der Mukosa
(Einschlusskörperchen).

Assoziierte Siehe Ätiologie.


Erkrankungen

Klinische Diarrhö, Hämatochezie (bis 100 %), Bauchschmerzen (ca. 80 %), Peritonitis, Darm-
Charakteristika überblähung (80 %), Übelkeit, Erbrechen (90 %), Fieber, Tachykardie, „toxisch“ wir-
kender Patient, Bewusstseinstrübung; cave: vorhergehende Therapie mit Steroi-
den oder Immunsuppressiva kann Symptomatik verschleiern!

Wegweisende Röntgen-Abdomenübersicht: Dilatation des Kolons (Durchmesser >6–15 cm!),


Diagnostik „thumb-printing“, d. h. kissenförmige Aussparungen entsprechend Verdickungen
der ödematösen Darmwand, freie Luft; tägliche Verlaufskontrolle.

Zusatz­ ██ Labor: Entzündungsparameter, Anämie, Elektrolytstörung


diagnostik ██ Stuhl: Clostridium-difficile-Toxin
██ Sonografie: chronisch entzündliche Darmerkrankung, Lymphome, freie Flüssig-
keit (Sicht wegen Überblähung häufig eingeschränkt)
██ CT: Abszess, Tumor, Lymphome
██ Endoskopie: nur in Absprache mit Chirurg, in Akutsituation stark erhöhte Ge-
fahr der Perforation, allenfalls Rekto- oder Sigmoidoskopie zur Diagnosestellung
(Colitis ulcerosa, pseudomembranöse Kolitis, CMV-Kolitis) sinnvoll, cave Luft-
insufflation, evtl. zur Dekompression

Differenzial­ Siehe Kap. 4.33.2, Megakolon.


diagnose
230  4 Darm

Therapie­ Immer; Ziele sind Therapie der Entzündung, Vermeidung einer Operation bzw.
indikation rechtzeitige Notfallkolektomie.

Therapie Allgemein: Entwicklung einer gemeinsamen Therapiestrategie durch Gastroente-


rologen und Chirurgen, tägliche Durchführung gemeinsamer Visiten; Nahrungs-
karenz, Magenablaufsonde; parenterale Ernährung mit Elektrolyt- und Flüssig-
keitssubstitution; intensivmedizinische Überwachung; Stoppen aller motilitäts-
hemmenden Medikamente (Narkotika, Atropin, Opiate, Loperamid, Buscopan,
Antidepressiva).
Operation: frühzeitig gemeinsam diskutieren, Kolektomie plus Ileostoma.
Antibiotika (empirisch): Metronidazol 1–1,5 g/Tag plus Ciprofloxacin 2-mal
400 mg/Tag oder andere Breitbandantibiotika
Bei Colitis ulcerosa: Prednisolon 100 mg/Tag i. v. (s. auch Kap. 4.15.2)
Bei Clostridium-difficile-Infektion: Metronidazol 1–1,5 g/Tag i. v., Vancomycin per
os meistens nicht möglich (oder über Magensonde), i. v. unwirksam!
Bei CMV-Kolitis (AIDS): frühzeitige Operation.
Endoskopische Dekompression: nur durch erfahrenen Untersucher, cave: Luft-
insufflation, Perforation.

Verlauf Engmaschige Überwachung des Patienten und Anpassung der Therapiestrategie;


Komplikationen sind Perforation, massive Blutung, Sepsis, toxisches kardiopulmo-
nales Versagen; Mortalität früher hoch, bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn auf
<2 % gesunken; bei Clostridium-difficile-Infektion gute Prognose, keine Rezidive;
bei CMV-Kolitis bei AIDS schlechte Prognose trotz frühzeitiger Operation. Rezidiv-
rate höher bei Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, daher elektive Ko-
lektomie diskutieren.

Literatur Bermann L et al. Defining surgical therapy for pseudomembranous colitis with toxic megacolon. J Clin Gas­
troenterol 2008; 42: 476–480
Leifeld L, Kruis W. Current management of toxic megacolon. Z Gastroenterol 2012; 50: 316–322

4.17 Morbus Behçet

Definition Chronisch rezidivierende, entzündliche Systemerkrankung mit Ausbildung von Ul-


zerationen in Mund, Gastrointestinal- und Genitalbereich, Augen sowie zahlrei-
chen weiteren Lokalisationen.

Patho­ Fraglich antigengetriggerte Autoimmunerkrankung mit okklusiver Immunvasku-


mechanismus litis.

Pathologie Aphthen und Ulzerationen: Mundbereich; Genitalbereich, Skrotum und Vulva;


Haut; Beteiligung von Augen (Uveitis), Gefäßen (Arteriits, Thrombosen), Nerven,
Gelenken, Herz, Nieren; Gastrointestinaltrakt gelegentlich beteiligt: Ulzera in der
Ileozökalregion, Colon ascendens.
Histologie: Vaskulitis; perivaskuläre Lymphozyteninfiltrate; leukozytoklastische
Vaskulitis.

Genetik Vermehrter Nachweis von HLA-B5 (mittlerer Osten), HLA-B51 bei 50–70 %; fami-
liäre Häufung fraglich.
4.17 Morbus Behçet  231

Epidemiologie Prävalenz Türkei: 80–370:100 000; Europa/USA: 1:100 000 (nach Deutschland
ausgewanderte Türken deutlich niedrigere Prävalenz), Männer etwas häufiger be-
troffen; Haupterkrankungsalter: 20.–40. Lebensjahr.

Klinische Orogastrointestinalbereich: schmerzhafte Aphthen und Ulzerationen im Mund


Charakteristika (80–90 %), Ösophagus, perianal, ileokolisch; selten: Peritonitis, Pylorusstenose, se-
kundäre Amyloidose.
Extragastrointestinal: Genitalulzera (75 %), Hautbereich (Erythema nodosum, Pa-
peln, Pusteln, Ulzera, Pyoderma gangraenosum: 50 %), Arthritis, Uveitis, Menin-
goenzephalitis; Allgemeinsymptome: Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Kopf-/
Muskelschmerzen, Fieber, Lymphknotenschwellung.

Wegweisende ██ Anamnese
Diagnostik ██ klinische Untersuchung (Mundhöhle, Augen, Haut)
██ Pathergietest: nach Nadelstich (Unterarm) Knotenbildung und Flüssigkeitsaus-
tritt nach 24–48 h
██ Histologie nicht beweisend, wichtig für DD: chronisch entzündliche Darmer-
krankung

Zusatz­ Ösophagogastroduodenoskopie, Ileokoloskopie inkl. Histologie, Echo (intrakavitä-


diagnostik re Thromben), BB, CRP, Krea, U-Status, ANA, ANCA, ENA, Dermatologe, Neurologe,
Augenarzt.

Differenzial­ ██ Mund- und Gastrointestinalbereich: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa.


diagnose ██ Mund: Herpes simplex, rheumatische Systemerkrankung.

Diagnose­ Majorkriterium plus 2 Minorkriterien erlauben Diagnose Morbus Behçet:


stellung Majorkriterium: Anamnese: 3-maliges Rezidiv im Mundbereich in 12 Monaten
██

Minorkriterien: rezidivierende urogenitale Aphthen/Ulzera, Augen-, Hautläsio-


██

nen, positiver Pathergietest (häufig negativ bei Morbus Behçet in Nordeuropa


und -amerika)

Therapie­ Bei Beschwerden.


indikation

Therapie Antientzündlich und immunsuppressiv (Steroide, Azathioprin, Ciclosporin), wie


Vaskulitis, häufig Dauertherapie mit Kombinationstherapie notwendig; zur Thera-
pie von gastrointestinalem Befall liegen keine Studien vor.

Verlauf Entwicklung eines Morbus Crohn möglich; insgesamt häufig chronisch bzw. rezi-
divierende Exazerbationen; nach 20-jähriger Erkrankungsdauer milderer Verlauf;
Morbidität durch Organbefall entsprechend Vaskulitis, neurologischem und Au-
genbefall entscheidend; Darmperforation unter Immunsuppression beschrieben.

Selbsthilfe Selbsthilfegruppe „Leben mit Behçet“, Adeltraud Müller, Wilhelmsthalerstr. 2,


34125 Kassel, Tel. 0561-875751; www.behcet-selbsthilfe.de, E-Mail: selbsthilfe-
behcet@web. e.

Literatur Hatemi G et al. EULAR recommendations forthe management of Behçet´s disease. Ann Rheum Dis 2008; 67:
1656–1662
Deutsches Register Morbus Behcet (www.behcet.de)
www.behcets.com
232  4 Darm

4.18 M
 ikroskopische Kolitis
(kollagene und lymphozytäre Kolitis)

Definition Durch wässrige Diarrhöen sich präsentierende Erkrankungen des Kolons, die his-
tologisch durch Kollagenablagerungen (kollagene Kolitis > lymphozytäre Kolitis)
und entzündliches Infiltrat (lymphozytäre Kolitis > kollagene Kolitis) der Mukosa
charakterisiert sind.

Patho­ Unklar; Hypothesen bzw. einzelne Berichte: luminales (fraglich infektiöses) Agens,
mechanismus vermehrt Yersinien-Ak nachgewiesen; Medikamente: NSAR, Lansoprazol, Simvas-
tatin, Ticlopidin; verminderter Gehalt an Matrixmetalloproteinase 1 (MMP-1) und
dadurch verminderter Kollagenabbau.
Diarrhö: durch verminderte Wasser- und Elektrolytresorption bedingt; korreliert
mit Ausmaß der entzündlichen Infiltration, nicht mit Kollagenablagerung.

Pathologie Kollagene Kolitis: Kollagenband subepithelial (>10 μm, normal 3–5 μm); Infiltra-
tion der Lamina propria mit Lymphozyten, Plasmazellen, weniger Granulozyten
und Eosinophilen; Abflachung des Deckepithels, oft kombiniert mit Vermehrung
intraepithelialer Lymphozyten.
Lymphozytäre Kolitis: mehr entzündliches Infiltrat, Kollagenband geringer.

Genetik Familiäre Häufung beschrieben.

Epidemiologie Inzidenz: 0,6–15,7/100 000 (Schweden, Spanien, Frankreich).


Kollagene Kolitis: Verhältnis Frauen zu Männer = 4:1, mittleres Lebensalter.
Lymphozytäre Kolitis: Verhältnis Frauen zu Männer = 2,7:1, meist >60 Jahre.

Assoziierte Autoimmunerkrankungen bis zu 40 % Sjögren-Syndrom, Lupus erythematodes,


Erkrankungen rheumatoide Arthritis, CREST-Syndrom, Psoriasis, Zöliakie, Hypo- bzw. Hyperthy-
reose.

Klinische Akute, intermittierende oder chronisch wässrige Diarrhöen, in 25 % auch nachts


Charakteristika (!), Gewichtsverlust (43 %), abdominelle Schmerzen (42 %), Übelkeit (21 %), Mete-
orismus (12 %).

Wegweisende ██ Histologie aus Kolonbiopsie: Entnahme aus mehreren Kolonabschnitten, da fle-


Diagnostik ckiges Befallsmuster möglich, proximale Kolonanteile häufiger positiv (ca. 70 %)
als distale (30 %)
██ Koloskopie: makroskopisch unauffällig, in einem Drittel der Fälle leichte Rötung,
Ödem, Gefäßinjektion

Differenzial­ Kollagene versus lymphozytäre Kolitis, infektiöse Kolitis, Morbus Crohn, Colitis ul-
diagnose cerosa; wässrige Diarrhö anderer Genese.

Therapie Allgemein: Therapieindikation bei Beschwerden, Absetzen möglicher ursächlicher


Medikamente; Loperamid.
██Budesonid 9 mg/Tag, Dauer: 6–8 Wochen, dann Auslassversuch.
██Mesalazin, Boswellia-Extrakt, Cholestyramin, Glukokortikoide, Wismut, Probio-
tika deutlich geringere Wirkung
4.19 Eosinophile Gastroenteritis  233

Verlauf Rezidive nach Absetzen von Budesonid: ca. 50 % innerhalb 6 Monaten. Gute Prog-
nose: kurzer Verlauf, jüngeres Alter; Spontanremissionen möglich; als Langzeit-
komplikation: Steroidnebenwirkungen.

Literatur Chande N et al. Interventions for treating microscopic colitis: a Cochrane inflammatory bowel disease and
functional bowel disorders review group systematic review of randomized trials. Am J Gastroent 2009;
104: 235–241
Stewart MJ et al. Prednisolone and budesonide for short- and long-term treatment of microscopic
colitis:systematic review and metaanalysis. Clin Gastroent Hep 2011; 9: 881–890

4.19 Eosinophile Gastroenteritis

Definition Eosinophile Infiltration unterschiedlicher Abschnitte des Gastrointestinaltraktes


ohne Nachweis von Infektionen oder Parasiten. Befall der Mukosa, der Lamina mu-
scularis oder der Subserosa des Magen-Darm-Trakts sowie selten des Pankreas.

Patho­ Unbekannt; diskutiert werden allergische Reaktionen, aber weniger gut belegt im
mechanismus Vergleich zur eosinophilen Ösophagitis.

Pathologie Befall des gesamten Magen-Darm-Traktes möglich, selten auch Pankreas (eosino-
phile Gastroenteritis, s. auch Kap. 3.7.4). Einteilung nach Klein in:
██Mukosaler Typ: Infiltration der Mukosa mit eosinophilen Granulozyten (>20 Eo-
sinophile pro Gesichtsfeld bei hoher Vergrößerung), makroskopisches Bild aber
häufig normal.
██Muskulärer Typ: Stenose des betreffenden Segments, Schleimhautrelief unregel-
mäßig, aber keine Ulzera. Histologisch eosinophile Infiltration der Lamina mus-
cularis, Mukosa aber zumeist frei von eosinophilen Infiltrationen.
██Subserosaler Typ: subserosale eosinophile Infiltrate ohne Beteiligung der Lami-
na muscularis bzw. Mukosa

Epidemiologie Selten, Männer: Frauen etwa gleich häufig betroffen

Assoziierte Allergische Erkrankungen (Asthma bronchiale, Ekzeme, allergische Rhinitis) in ca.


Erkrankungen 50 %.

Klinische Klinisches Bild variabel in Abhängigkeit von befallenem Anteil des Gastrointesti-
Charakteristika naltraktes und vom Typ der Infiltration: Bauchschmerzen (80–100 %) unspezifisch,
nahrungsabhängig bzw. als Ausdruck von Stenosesymptomatik bei Obstruktion,
Aszites; Diarrhöen, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsverlust, Malabsorption; Dyspnoe
(Pleuraerguss)

Wegweisende ██ Endoskopie (Ödem, Ptechien, Ulzera: klein, atypisch, aber auch landkartenartig
Diagnostik konfluierend, entzündliche Pseudopolypen) und ausgiebige Biopsie (auch nicht
befallener Areale)
██ Sonografie: Kokarde, u. U. segmental, Obstruktion, Aszites, Pleuraerguss
██ Blutbild, Differenzial-BB (Eosinophilie bis 20–40 %)

Zusatz­ ██ Ausführliche Allergie- und Unverträglichkeitsanamnese


diagnostik ██ Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie, Funktionsuntersuchungen des Dünn-
darms (Xylose-Test, H2-Atemtests), Koloskopie (je nach Befall), Diagnosestellung
u. U. nur durch chirurgische Resektion möglich
234  4 Darm

██ Punktion von Aszites/Pleuraerguss (Eosinophilie?)


██ Stuhl auf Parasiten
██ CRP, BSG, Transaminasen, s. Differenzialdiagnose (ANA, pANCA, cANCA); KM-
Punktion (Ausschluss Hypereosinophiles Syndrom)

Differenzial­ Hypereosinophiles Syndrom mit Befall des Gastrointestinaltraktes, Parasitosen,


diagnose Malignome, Morbus Crohn, Panarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Syndrom, Zöliakie,
Reizdarmsyndrom

Therapie­ Symptomatische Fälle.


indikation

Therapie ██ Ernährungsberatung (Nahrungsmittelunverträglichkeiten)


██ Steroide (Prednisolon 0,5–1 mg/kg KG in absteigender Dosis nach Klinik): Dau-
er der Therapie variabel in Abhängigkeit von Klinik, längerfristige Therapie bei
schnellem Rezidiv
██ symptomatisch: Antidiarrhoika (Loperamid), Substitution von Mangelzustän-
den
██ Ketotofen, Chromoglycinsäure: vereinzelt positive Berichte über Wirkung
██ chirurgisches Vorgehen: oft unumgänglich, wenn bei Stenosen medikamentöse
Behandlung unzureichend wirksam

Verlauf Einmaliges Auftreten, rezidivierender oder chronischer Verlauf möglich.

Literatur Chang JY et al. A shift in the clinical spectrum of eosinophilic gastroenteritis toward the mucosal disease
type. Clin Gastroenterol Hepatol 2010; 8: 669–675
Pineton de Chambrun G et al. Natural history of eosinophilic gastroenteritis. Clin Gastroenterol Hepatol
2011; 9: 950–956

4.20 Eiweißverlust-Gastroenteropathie

Definition Exzessiver Eiweißverlust über den Magen und Darm unterschiedlicher Ätiologie
mit nachfolgender Hypoproteinämie und Ödembildung.

Ätio­ Verlust von Serumprotein in das Darmlumen unabhängig von der molekularen
pathogenese Größe, gleichzeitiger Verlust von Eisen, Fetten etc. möglich. Mögliche Pathomecha-
nismen und Ursachen:
Permeabilitätserhöhung bzw. Schleimhautdefekte ohne Erosionen bzw. Ulzera-
tionen: Zöliakie, tropische Sprue, Riesenfaltengastritis/Morbus Ménétrier, Lym-
phozytengastritis, Infektionen (Morbus Whipple, Lambliasis, andere Parasiten, Vi-
ren, Pilze, HIV-Enteropathie), bakterielle Fehlbesiedlung, Amyloidose, eosinophile
Gastroenteritis, mikroskopische Kolitis, , allergische Gastroenteritis, Mastozytose,
Cronkhite-Canada-Syndrom, Kappenpolyp; nach Fontan-Operation bei angebore-
nen Herzfehlern, fortgeschrittene Rechtsherzinsuffizienz.
Entzündliche Exsudation über Schleimhautdefekte mit Erosionen bzw. Ulze-
rationen: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, maligne Tumoren (Magenkarzinom,
Lymphom, Kaposi-Sarkom, Alphakettenkrankheit), pseudomembranöse Kolitis,
NSAR-Enteropathie, Strahlenenterokolitis, erosive Gastritis, multiple Ulzera, Post-
chemotherapie-Mukositis, Amyloidose, eosinophile Gastroenteritis, systemische
Vaskulitiden (SLE, Churg-Strauss-Syndrom, Morbus Wegener, Panarteriitis nodosa,
rheumatoide Arthritis, „mixed connective tissue disease“)
4.21 Intestinale Lymphangiektasie (primäre Form)  235

Direkter intestinaler Lymphverlust durch erhöhten Druck im Lymphabflussge-


biet: intestinale Lymphangiektasie, Rechtsherzinsuffizienz, Leberzirrhose, intes-
tinales Lymphom, enterisch-lymphatische Fistel, Abflussstörung der Lebervenen,
Morbus Crohn, Morbus Whipple, Mesenterialtuberkulose, Sarkoidose.

Pathologie Entsprechend der Grunderkrankung.

Klinische ██ Durchfall, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Ödembildung, Aszites/Pleuraer-


Charakteristika guss
██ Hypoalbuminämie: Ödembildung an Beinen, aber auch Armen, Gesicht, Aszites,
Pleura- und Perikarderguss möglich
██ Hypogammaglobulinämie (aber keine erhöhte Infektneigung)
██ Malabsorption: Mangel an fettlöslichen Vitaminen, erniedrigtes Serumkalzium,
Transferrin, Fibrinogen, Coeruloplasmin
██ zusätzlich Beschwerden entsprechend der Grunderkrankung

Wegweisende ██ subtile Anamnese: s. Ätiopathogenese


Diagnostik ██ Serum-Protein
██ Ausschluss anderer Ursachen für Proteinmangel: Nierenerkrankung mit Protein-
urie, Leberzirrhose, Mangelernährung
██ endogene Alpha1-Antitrypsin-Clearance (Kap. 14.2)

Zusatz­ ██ Labor: BSG, BB, Diff-BB, Elektrolyte, TPZ, Transaminasen, Elektrophorese, Im-
diagnostik munglobuline, Immunfixation
██ Stuhluntersuchung: pathogene Keime, Parasiten
██ Abklärung Diarrhö: s. Kap. 1.13
██ Ösophagogastroduodenoskopie plus Biopsien: aus Magen und tiefem Duode-
num
██ Koloskopie plus Biopsie
██ Abklärung kardiale Genese, Echokardiografie
██ optional: Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie; (MR-Sellink)
██ obsolet: 51Cr-Albumin-(Gordon-)Test

Therapie­ Bei bestehender/inzipienter klinischer Symptomatik.


indikation
Therapie ██ Therapie der Grunderkrankung
██ Erhalt bzw. Wiederherstellung des Ernährungsstatus
██ Ersatz langkettiger durch mittelkettige Triglyzeride (MCT, Ceres-Produkte) bei
intestinaler Lymphangiektasie
██ erhöhte Eiweißzufuhr, 150–200 g/Tag (Milchprodukte, Fleisch), Supplementie-
rung durch Proteinprodukte, eiweißreiche Trinknahrung

Verlauf In ca. 50 % klinisch Besserung oder sogar Normalisierung; Langzeitkomplikationen:


abhängig von der Grunderkrankung und der Ausprägung der Hypoproteinämie.

4.21 Intestinale Lymphangiektasie (primäre Form)

Definition Primäre Abflussstörung im Bereich der intestinalen Lymphbahnen mit konsekuti-


ver Malabsorption und Eiweißverlust-Enteropathie (sekundär: s. Ätiopathogenese
der Eiweißverlust-Gastroenteropathie).
236  4 Darm

Patho­ Fehlbildungen der Lymphgefäße (nicht nur im Gastrointestinaltrakt) mit Lymph-


mechanismus hypoplasien und konsekutiver Lymphabflussstörung.

Pathologie Stark dilatierte Lymphgefäße in der Lamina propria der Darmzotten.

Genetik Vermutlich genetischer Hintergrund für primäre intestinale Lymphangiektasie.

Epidemiologie Selten. Primäre intestinale Lymphangiektasie: Beginn im Mittel im 11. Lebensjahr,


Jungen wie Mädchen gleichermaßen betroffen, gehäuft bei Zwillingen.

Klinische Ödeme, Diarrhö, Steatorrhö, Wachstumsretardierung; selten: Makulaödem, Er-


Charakteristika blindung, Tetanie (Hypokalzämie).

Wegweisende ██ ÖGD: duodenal weißliche Einlagerungen („Schneeflocken“) in den Zotten, Duo-


Diagnostik denal-/Jejunalbiopsie: an mehreren Stellen, da regionale Veränderungen mög-
lich
██ Labor: Hypoproteinämie, Lymphozytopenie (selektive CD4-Helfer-T-Zell-Ver-
minderung), Immunglobulinmangel

Zusatz­ ██ Labor: Serum-Cholesterol normal (im Gegensatz zum nephrotischen Syndrom),


diagnostik Ferritin und Fibrinogen erniedrigt
██ Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie, Röntgen-Dünndarm-Doppelkontrast:
bei diagnostischer Unklarheit
██ Lymphangiografie: fast immer pathologisch als Hinweis auf generalisierte lym-
phatische Erkrankung, in der Regel nicht notwendig
██ Alpha-1-Antitrypsin-Clearance (s. Kap. 7.8.2, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, s. auch
Kap. 14.2)

Differenzial­ Erworbene/sekundäre Lymphangiektasie: Morbus Whipple, Morbus Crohn, Tbc, s.


diagnose Kap. 4.20, Eiweißverlust-Gastroenteropathie.

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie ██ Ernährung: Vermeidung langkettiger Triglyzeride, da diese den Lymphabfluss


steigern; Ersatz durch mittelkettige Triglyzeride (MCT, Ceres-Produkte). Protein-
reiche Nahrung; enteral, notfalls parenteral.
██ Substitution: parenterale Substitution fettlöslicher Vitamine bei Vitaminman-
gel.

Verlauf In Abhängigkeit von der Normalisierung des Ernährungsstatus.

4.22 Abetalipoproteinämie

Synonym Bassen-Kornzweig-Syndrom.

Definition Seltene, autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch Fehlen von Betalipo-
protein mit konsekutiver Malabsorption von Fetten gekennzeichnet ist (Kap. 4.5).

Patho­ Durch genetischen Defekt eines mikrosomalen Triglyzerid-Transportproteins in


mechanismus Leber und Darm kann Betalipoprotein nicht in die Zirkulation sezerniert werden
4.23 Graft-versus-Host-Disease  237

(Fehlen von LDL und VLDL). Dadurch ist der Fetttransport durch den Dünndarm
gestört, Cholesterin und Triglyzeride im Serum sind stark reduziert.

Pathologie ██ Dünndarm: normale Zotten, Fettvakuolen in Epithelzellen, keine zellulären In-


filtrate.
██ Erythrozyten: Akanthozytose durch Verschiebung der Lipidzusammensetzung
der Zellmembran.

Genetik Mutation im Gen des mikrosomalen Triglyzerid-Transportproteins (MTP), autoso-


mal-rezessiv vererbt.

Klinische Durchfall, Steatorrhö, Malabsorptionssyndrom; neurologische Symptome obligat


Charakteristika (Ataxie); atypische Retinitis pigmentosa.

Wegweisende ÖGD: „schneeweißes Duodenum“, Duodenalbiopsie; völliges Fehlen von LDL und
Diagnostik VLDL; Serum-Cholesterin und Serum-Triglyzeride erniedrigt; Akanthozytose der
Erythrozyten.

Zusatz­ Phasenkontrastuntersuchung der Erythrozyten; neurologische Untersuchung, ze-


diagnostik rebrales CT.

Therapie Symptomatisch: Substitution fettlöslicher Vitamine, MCT-Kost (Ceres-Produkte).

4.23 Graft-versus-Host-Disease

Definition Im Rahmen von Organ- oder allogenen Knochenmark-Transplantation durch Spen-


der-T-Lymphozyten vermittelte und durch Histoinkompatibilität getriggerte Ab-
wehrreaktion gegen den Wirtsorganismus.
██Akute Graft-versus-Host-Disease (GVHD): 2–8 Wochen nach Transplantation
██Chronische GVHD: 3–12 Monate nach Transplantation

Patho­ Hauptdeterminante für Schweregrad ist Histoinkompatibilität, HLA-D-Region (DR-


mechanismus und DQ-Region) entscheidend.

Pathologie ██ Akute GVHD (selten): Dünndarm: Zottenatrophie, entzündliches Infiltrat; Ko-


lon: Apoptosen, Kryptendestruktion, -abszesse, ausgedehnter Epithelschicht-
verlust; Haut- und Leberbeteiligung
██ Chronische GVHD: selten Darmbeteiligung, meistens Ösophagus (Fibrose, Strik-
turen), Leber

Klinische ██ Akute GVHD: Übelkeit, Erbrechen, Appetitverlust, Bauchschmerzen, hochvolu-


Charakteristika mige Diarrhö, Blutung aus Erosionen bzw. Ulzera im oberen und unteren Gast-
rointestinaltrakt (Leberbeteiligung: Bilirubinanstieg); Exanthem.
██ Risikofaktoren: HLA-Inkompatibilität, höheres Alter, Geschlechtsunterschied
Spender/Empfänger, Grunderkrankung, Strahlentherapie, Dosis der immunsup-
pressiven Therapie.

Diagnostik ██ Wegweisend: Ösophagogastroskopie, Ileokoloskopie mit Biopsie.


██ Zusätzlich: Stuhl auf Kryptosporidien und Clostridium-difficile-Toxin, CMV bzw.
oberer Gastrointestinaltrakt auf Herpesinfektion, Pilze.
238  4 Darm

Therapie
██ Prophylaxe: mit geeigneten Immunsuppressiva (Cyclosporin, Methotrexat,
Prednisolon; alternativ: Tacrolimus, Mycophenolat Mofetil)
██ Akute GVHD: Versuch mit Steroiden, z. B. Prednisolon 2 mg/kg/Tag; Antibiotika
██ Chronische GVHD: Modifikation der immunsuppressiven Therapie

Verlauf Akute GVHD mit hoher Mortalität

Literatur Salmasian H et al. Corticosteroid treatment regimens in acute and chronic graft versus host disease (GvHD)
after allogenic stem cell transplantation. Cochrane database systemiv review 2010; 20: CD005565

4.24 P
 olypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms
und des Kolons

4.24.1 Allgemeines
Definition ██ Polyp: Vorwölbung der Mukosa in das Darmlumen
██ Polyposis: mehr als 100 Polypen

Klassifikation Die Einteilung von Polypen erfolgt nach dem Ausgangsgewebe in epitheliale (neo-
plastische, nicht neoplastische, hamartöse) und nicht epitheliale (neuroendokrine,
mesenchymale, lymphoide, polypoide Metastasen, Heterotopien, andere).
Die Polyposis-Syndrome werden eingeteilt in hereditäre (FAP, Gardner-Syndom,
Turcot-Syndrom, Peutz-Jeghers-Syndrom, juvenile Polypose, Cowden-Syndrom,
Muir-Torre-Syndrom) und sehr seltene nicht hereditäre (Cronkhite-Canada-Syn-
drom, Pneumatosis coli, lipomatöse Polyposis, entzündliche Polypose, benigne/
maligne lymphoide Polypose).

Pathologie Epitheliale Polypen:


(Einteilung ██neoplastische Polypen:
nach WHO) –– Adenom (Präkanzerose!) 75 % (tubulär, tubulovillös, villös, serratiert, ge-
mischt hyperplastisch-adenomatös)
–– Adenokarzinom 7 % (polypoides Adenokarzinom, Adenokarzinom im Ade-
nom)
██nicht neoplastische Polypen:
–– hyperplastischer Polyp
–– entzündlicher Polyp
██Hamartome:
–– Peutz-Jeghers-Polyp
–– juveniler Polyp
–– Cowden-Syndrom-Polyp

Nicht epitheliale Polypen:


██neuroendokriner Tumor
██benigne mesenchymale Polypen:
–– Lipom, Leiomyom, Hämangiom, Lymphangiom, gastrointestinaler Stroma-
tumor (GIST), Neurofibrom, Ganglioneurom, Neurinom, Granularzelltumor,
gastrointestinaler autonomer Nerventumor (GANT)
██polypoide Metastasen
██Sonstige:
–– Heterotopien (Endometriose, Pankreas, Magen), fibrovaskulärer Polyp, Pneu-
matosis coli, Colitis cystica profunda, divertikelassoziierter Polyp, Invagina­
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  239

tionspolyp, Polyp bei Malakoplakie, Polyp bei Schistosomiasis, Atheroembo-


lie-Polyp

Vorkommen Kolorektale Polypen: Rektum 35 %, Sigma 30 %, Colon descendens + linke Flexur


10 %, Colon transversum 10 %, Colon ascendens + Zökum 15 %
Dünndarmpolypen: selten, meist im Rahmen von Polyposis-Syndromen

Genetik Neoplastische Polypen: sporadisches Vorkommen 95 %, hereditäre Polypose sämt-


lich autosomal-dominant vererbt, spezifische Gendefekte.

Klinische ██ Die meisten Polypen verursachen keine Beschwerden und stellen einen Zufalls-
Charakteristika befund bei der Endoskopie dar.
██ Blut im Stuhl: meist okkult, overte Blutung selten
██ Eisenmangelanämie: durch chronischen Blutverlust
██ Bauchschmerzen: nur bei sehr großen, das Lumen einengenden Polypen, selten!
██ Durchfall und/oder Schleimabgang: insbesondere bei villösen Adenomen
██ Tumorassoziierte Beschwerden (s. kolorektales Karzinom, Karzinoid)

Wegweisende Koloskopie: Verfahren mit der höchsten Sensitivität und Spezifität zur Detektion
Diagnostik und von kolorektalen Polypen und kolorektalem Karzinom. Durchführung nach opti-
Therapie mal gesäubertem Darm (PEG-haltige Abführlösung empfohlen). Derzeit einziges
Verfahren, bei dem in einer Sitzung detektiert und therapiert werden kann. Bei
kleinen und flachen Polypen bessere Sensitivität als andere Bildgebung. Die Chro-
moskopie im Rahmen der Koloskopie scheint die Detektionsrate zu erhöhen. Nur
bei unvollständiger Untersuchung (Stenose) sollte eine CT- oder MR-Kolonografie
angeschlossen werden. Bei positivem FOBT, Tumorverdacht oder Nachweis eines
neoplastischen Polypen muss eine komplette Koloskopie bis zum Zökum erfolgen!
Qualitätsmerkmale der Koloskopie: Erreichen des Zökum, (besser: terminales Ile-
um) Rückzugsdauer >6 min, Polypendetektionsrate bei 20–50 % aller Untersuch-
ten, übersehene Polypen <10 %.
Endoskopie des Dünndarms: Als Screeninguntersuchung auf Polypen bei Polypo-
sis-Syndrom ist die Kapselendoskopie geeignet. Doppel- oder Einfachballon-Ente-
roskopie (meist von oral und anal notwendig) ermöglicht Polypektomie.
Endoskopischer Befund und Therapie:
██ Polypen (Adenome) sind gestielt, breitbasig (sessil) oder flach. Die Abgrenzung
zur gesunden Umgebung fällt bei flachen Polypen zuweilen schwer; Chromo-
endoskopie (Indigokarmin oder Methylenblau) oder „narrow band imaging“
zur besseren visuellen Abgrenzung im Einzelfall hilfreich. Die Angabe der Ober-
flächenstruktur („pit pattern“) ersetzt nicht die histologische Untersuchung.
Zoom­endoskopie und Endomikroskopie derzeit wissenschaftlichen Studien vor-
behalten
██ Polypektomie: Polypen (>5 mm) werden komplett mit Schlinge abgetragen
(ohne Kenntnis der Histologie), Polypen <5 mm mit der Zange
██ Flache Polypen: durch submukosale Injektion von physiologischer NaCl ± Adre-
nalin Abheben des Polypen mit anschließender Schlingen- Mukosektomie (mit/
ohne Kappe); bei ausgedehnten Polypen: En-bloc-Resektion mit endoskopischer
Submukosadissektion (ESD) insbesondere im Rektum sinnvoll, im Kolon erhöhte
Perforationsgefahr, Einzelentscheidung (Expertise des Endoskopikers!)
██ endoskopisch nicht komplett resezierbare Polypen müssen endoskopisch-chir-
urgisch oder chirurgisch entfernt werden
██ Bergung aller Polypen für histologische Untersuchung, Lokalisationsangabe!
██ Nachsorge s. u.
240  4 Darm

Histologie: Klassifikation und Angabe zum Grad der intraepithelialen Neoplasie


(gering- oder hochgradig; früher: gering-, mittel- und hochgradige Dysplasie).
Cave: wird ein neoplastischer Polyp während einer Sigmoidoskopie entdeckt, muss
eine komplette Koloskopie nachfolgen, da Polypen häufig multipel vorkommen.
Beachte bei Karzinomnachweis: Der histologische Befund muss folgende Kompo-
nenten beinhalten: Ausmaß der Tiefeninvasion (pT-Klassifikation), histologische
Differenzierung (Grading), Angaben zur Lymphgefäß- bzw. Veneninvasion (L- und
V-Klassifikation), Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation).
Risikoklassifizierung bei pT1-Karzinom:
██„low risk“: pT1, G1, G2, L0, R0
██„high risk“: pT1, G3, G4 und/oder L1, jedes Siegelringkarzinom, R0 oder R1
██zusätzliche Risikokriterien, bislang nicht in WHO- und DGVS-Leitlinien aufge-
nommen:
–– „low risk“: submukosale Eindringtiefe sm1+2 (oberes und mittleres Drittel)
sowie Tumorzelldissoziation ½
–– „high risk“: sm3 (unteres Drittel) sowie Tumorzelldissoziation 3

Polypektomie und Nachsorge sporadischer Polypen: abhängig von Anzahl, Größe


und Histologie
██neoplastische Polypen (Adenome, serratierte Adenome): Polypektomie mit
Schlinge bei Polypen >5 mm, mit Zange <5 mm; Bergung aller Polypen unter An-
gabe der Lokalisation
██nach Abtragung einzelner, kleiner (<1 cm) nicht neoplastischer Polypen ohne Fa-
milienanamnese ist keine spezielle Nachsorge erforderlich, ansonsten wie Ade-
nome
██bei Patienten mit 1–2 Adenomen <1 cm ohne höhergradige IEN: Kontrollkolos-
kopie in 5 Jahren
██bei Patienten mit 3–10 Adenomen oder Adenom ≥1 cm oder villöse Histologie:
Kontrollkoloskopie in 3 Jahren
██Adenom mit hochgradiger IEN und vollständiger Abtragung: Kontrollkoloskopie
in 3 Jahren
██wenn histologisch komplette Abtragung nicht bestätigt: Kontrollkoloskopie in
2–6 Monaten
██wenn >10 Adenome: Kontrollkoloskopie früher als nach 3 Jahren (Familienana-
mnese berücksichtigen), Polyposis-Syndrom?
██nach Abtragung großer, flacher Polypen in „Piece-meal-Technik“ muss Kontroll-
koloskopie in 2–6 Monaten erfolgen
██nach unauffälliger Kontrolle erneute Koloskopie nach 5 Jahren
██nach kompletter Abtragung von Adenomen mit Karzinom (pT1) und freiem Re-
sektionsrand (R0) ist Nachsorge abhängig von Risikoklassifizierung:
–– „low risk“ (pT1, G1, G2, L0): Kontrollendoskopie nach 6 und 24 Monaten
–– inkomplette Abtragung eines low-risk-Karzinoms: rasche endoskopische
oder chirurgische komplette Entfernung
–– „high risk“ (pT1, G3, G4, und/oder L1): radikale onkologische chirurgische Re-
sektion (auch nach kompletter Polypektomie), da bereits früh auch Lymph-
knoten befallen sind.

Prophylaxe Primärprävention (Adenome + KRK): Hinweise aus epidemiologischen Studien,


dass regelmäßige körperliche Aktivität, BMI <25, ballaststoffreiche Kost, wenig ro-
tes Fleisch, obst- und gemüsereiche Kost, Nikotinverzicht das Risiko senkt. Medi-
kamentöse Sekundärprophylaxe derzeit nicht bekannt.
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  241

Screening: ab 50. Lebensjahr FOBT 1-mal jährlich, ab 55. Lebensjahr Koloskopie:


wenn kein Polypnachweis FOBT jährlich und Koloskopie in 10 Jahren. Bei positiver
Familienanamnese: Koloskopie der Verwandten 1. Grades 10 Jahre vor Diagnose
des Indexpatienten, s. Darmkrebsvorsorge, Kap. 4.27.5, Kolorektales Karzinom.

Literatur S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“. Z. Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)


Empfehlungen zur Koloskopievorbereitung (www.DGVS.de)
Brown SR, Baraza W. Chromoscopy versus conventional endoscopy for the detection of polyps in the colon
and rectum. Cochrane database syst rev 2010; 10: CD006439
Zauber AG et al. Colonoscopic polypectomy and long-term prevention of colorectal-cancer deths. N Engl J
Med 2012; 366: 687–696

4.24.2 Adenom (solitär oder multipel)


Definition Neoplastischer, solitär, multipel oder im Rahmen einer Polyposis (FAP) auftreten-
der Polyp; 75 % aller Polypen sind Adenome.

Pathologie ██ epithelialer Tumor


██ Vorkommen: Kolorektum wesentlich häufiger als Dünndarm
██ Einteilung: tubulär (75 %), tubulovillös, villös, serratiert, gemischt hyperplastisch-
adenomatös; zusätzlich: gering- oder hochgradige intraepitheliale Neoplasie
██ Entartungsrisiko: 5 %; Polypen >2 cm: bereits zu 40–50 % entartet
██ Risikoklassifizierung bei Karzinomnachweis pT1: s. o.

Epidemiologie Über 50-Jährige: 40 % Polypenträger; Inzidenz steigt mit Alter; Männer häufiger als
Frauen betroffen.

Riskofaktoren ██ Adenom >1 cm; villös > tubulär; hochgradige intraepitheliale Neoplasie
für Karzinom­ ██ Beachte: Karzinominzidenz kann durch komplette Abtragung aller Polypen um
entstehung mindestens 50 % gesenkt werden!

Klinische Blut im Stuhl (okkult oder overt), Zufallsbefund, selten Zeichen der Darmobstruk-
Charakteristika tion.

Wegweisende Siehe Kap. 4.24.1, Allgemeines.


Diagnostik und
Therapie

Langzeit­ Entartungsrisiko: 5 % falls keine komplette Polypektomie; erhöhtes Risiko für Ade-
komplikationen nomrezidive nach Polypektomie: höheres Alter, Polypengröße, -zahl.

4.24.3 Hyperplastische Polypen


Definition und Heterogene Gruppe von Polypen mit charakteristischer sägeblattartiger Morpho-
Klassifikation logie und unterschiedlichem neoplastischen Risiko. Meist <5 mm kleine, sessile Lä-
sionen überwiegend im Rektum (aber auch anderen Kolonabschnitten) und häufig
klonalen genetischen Veränderungen.
Klassifikation:
1. hyperplastischer Polyp (mikrovaskulärer, becherzellreicher, muzinarmer Typ)
2. sessiles serratiertes Adenom
3. traditionelles serratiertes Adenom
4. gemischter Polyp
242  4 Darm

Epidemiologie Prävalenz zunehmend mit Alter, 30 % bei >50-Jährigen. Sessile serratierte Adenome
zu 75 % im rechtsseitigen Kolon.

Verlauf und Entgegen bisherigen Annahmen Entartung hyperplastischer Polypen möglich


Prognose (8 %). Genetische Aberrationen in allen Formen hyperplastischer Polypen häufig.
Sessile serratierte Adenome offenbar aggressiver, können direkt in Karzinom über-
gehen, v. a. bei Größe >1 cm, Lokalisation rechtes Kolon („serratierter Pathway“).

Diagnostik und Da makroskopisch keine Unterscheidung zum Adenom möglich, werden hyper-
Therapie plastische Polypen in der Regel im Rahmen der Koloskopie ektomiert. Nach Ab-
tragung hyperplastischer Polypen <1 cm ohne familiäre Belastung keine Notwen-
digkeit endoskopischer Nachsorge. Keine Angabe zum Vorgehen nach unvollstän-
diger Abtragung. Nach den neuesten genetischen Untersuchungen Vorgehen wie
bei Adenomen vermutlich empfehlenswert, d. h. komplette Abtragung anstreben.

Literatur Aust DE, Barreton GB. Serrated polyps of the colon and rectum (hyperplastic polyps, sessil serrated adeno-
mas, traditional serrated adenoms, and mixed polyps) – proposal for diagnostic criteria. Virchows Arch
2010; 457: 291–297

4.24.4 Entzündliche Polypen


Diagnostik und Nicht neoplastisches Regenerations- und Granulationsgewebe („Pseudopolypen“)
Klassifikation infolge entzündlicher Veränderungen.

Pathologie Von Ulzerationen ausgehender Regenerationsprozess mit z. T. bizarrer Polypenbil-


dung; kann später wie normale Kolonschleimhaut erscheinen.

Ätiologie Epithelialer oder nicht epithelialer Ursprung: v. a. bei Morbus Crohn und Colitis
ulcerosa; seltener nach infektiöser (Schistosomiasis, Amöben) oder ischämischer
Kolitis, divertikelassoziiert, als Colitis cystica profunda (s. Kap. 4.25), Pneumatosis
coli (s. Kap. 4.26, Pneumatosis cystoides intestinalis), Kappenpolyp, bei Malakopla-
kie (s. Kap. 4.39).

Klinische Blutung aus oberflächlicher Ulzeration, selten Lumenobstruktion.


Charakteristika

Wegweisende Koloskopie (bei Colitis ulcerosa z. T. multiple Pseudopolypenbildung mit grotesker


Diagnostik Erscheinung), Histologie. Problem: makroskopischeDifferenzierung von (prä)mali-
gnen Veränderungen zwischen Pseudopolypen im Rahmen der Vorsorgeuntersu-
chung bei Colitis ulcerosa.

Therapie Pseudopolypen werden in der Regel belassen; Abtragung nur bei Blutung, Ulzera-
tion, makroskopisch suspektem Befund.

Langzeit­ Kein Entartungsrisiko.


komplikationen
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  243

4.24.5 Hereditäre Polyposis-Syndrome


██ Familiäre adenomatöse Polypose

Definition Die familiäre adenomatöse Polypose (FAP) ist eine autosomal-dominant vererbte
Polyposis mit multiplen (deutlich mehr als 100) Adenomen des Kolons und daraus
obligater Karzinomentstehung in jungem Lebensalter (1 % aller Kolonkarzinome).

Patho­ Auf dem Boden eines genetischen Defekts (APC-Gen) fehlende Expression eines
mechanismus Funktionsproteins, das für Wachstumskontrolle entscheidend ist.

Pathologie Hunderte bis tausende Adenome, linksseitiges Kolon und Rektum häufiger als
rechtsseitig.

Genetik Keimbahnmutation des APC-Gens („adenomatous polyposis coli“) auf Chromo-


som 5q21–q22, ca. 800 Mutationen bekannt. Position der Mutation bestimmt den
Schweregrad und extrakolische Manifestationen (Gardner- und Turcot-Syndrom
werden heute als Variante des FAP eingestuft).

Epidemiologie Prävalenz: 1:5000.

Extrakolische ██ Adenome im oberen Gastrointestinaltrakt (75 %), v. a. Duodenum und Papilla va-
Manifestationen teri; selten: Magen (10 %), Dünndarm, Gallenblase, Gallengang: maligne Entar-
tung!
██ Drüsenkörperzysten im Magen (80–90 %)
██ Papillen-, Magenkarzinom, Hepatoblastom (Kindheit)
██ follikuläres oder papilläres Schilddrüsenkarzinom
██ ZNS-Tumoren (Medulloblastome), früher: Turcot-Syndrom, auch fokal noduläre
Hyperplasie der Leber, Café-au-lait-Flecken
██ Osteome (Mandibula), (ca. 70 %), klinisch harmlos, aber wegweisend
██ Desmoide, Epidermoidzysten (ca. 10 %): Desmoide potenziell mit aggressivem
Wachstum (zusammen mit Osteomen früher: Gardner-Syndrom)
██ CHRPE (kongenitale Hyperplasie des Retinapigmentepithels), harmlos, bei 80 %:
Screeninguntersuchung bei Säuglingen

Klinische Bildung von Kolonadenomen ab dem 2. Lebensjahrzehnt, frühzeitige karzinomatö-


Charakteristika se Entartung: Blut im Stuhl, Bauchschmerzen, Obstipation bzw. Durchfall.

Wegweisende ██ Koloskopie
Diagnostik ██ molekulargenetische Untersuchung: Mutation im APC-Gen in >90 % nachweis-
bar
██ Augenhintergrund-Spiegelung: in ca. 80 % Vorliegen klinisch harmloser konge-
nitaler Hypertrophien des Retinapigmentepithels bei Mutationsträgern

Zusatz­ ██ Sonografie: Abdomen, Schilddrüse


diagnostik ██ Gastroduodenoskopie: Klassifikation der Duodenalpolyposis nach Spigelmann
(Einteilung nach Anzahl, Größe und Grad der intraepithelialen Neoplasie), s.
Leitlinien DGVS 2008 und Korrelation zum Karzinomrisiko
██ MRT Kopf

Differenzial­ Attenuierte FAP.


diagnose
244  4 Darm

Therapie­ Immer, bereits in der Adoleszenz.


indikation
Therapie Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage: Durchführung nach Abschluss der
Pubertät, sicher vor dem 20. Lebensjahr. Bei ausgeprägter Duodenalpolyposis, ho-
hem Spigelmann-Stadium pankreaserhaltende Duodenektomie erwägen, endos-
kopische komplette Polypektomien meist nicht möglich.

Langzeit­ Duodenale Adenome (80 %); Risiko für Duodenalkarzinom 3–4 %; Karzinom im
komplikationen Pouch und Ileostoma möglich.

Nachsorge Pouchoskopie jährlich (erneute Adenome); Gastroduodenoskopie alle 3 Jahre ab


dem 30. Lebensjahr (ggf. jährlich bei hohem Spigelmann-Stadium), Abdomenso-
nografie jährlich (Desmoidtumoren, insbesondere mesenterial), Schilddrüsenso-
nografie jährlich.

Prophylaxe Chemoprävention: Nutzen nicht eindeutig, derzeit keine Empfehlung (NSAR, Cur-
cumin u. a.).

Screening von Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Erbgangs als Genträger infrage
Verwandten kommen, sollten gescreent werden:
██Augenhintergrund-Untersuchung: ab Säuglingsalter
██ab dem 10. Lebensjahr zusammen mit Erziehungsberechtigten molekulargeneti-
sche Beratung und molekularbiologische Untersuchung
██bei Gennachweis: Koloskopie ab dem 10. Lebensjahr, jährlich bis zur Proktoko-
lektomie
██Schilddrüsensonografie ab 10. Lebensjahr jährlich
██Abdomensonografie (jährlich)

Selbsthilfe www.familienhilfe-polyposis.de

██ Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis

Synonym Hereditary Flat Adenoma Syndrome.

Definition Die attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis (AAPC) ist eine Variante des FAP
(autosomal-dominant) mit Ausbildung von weniger (<100) und meist flachen ko-
lorektalen Adenomen, überwiegend rechtsseitiges Kolon, obligate Karzinoment-
wicklung, dies jedoch in höherem Lebensalter.

Genetik Heterogene Gruppe mit Keimbahnmutation des proximalen APC-Gens (20–30 %)


oder MYH-Mutationen, im Einzelfall Abgrenzung zum hereditären, nicht polypö-
sen Kolonkarzinom (HNPCC) schwierig.

Extraintestinale Insgesamt selten. Korpusdrüsenzysten des Magens, gastrale und duodenale Ade-
Manifestationen nome, Desmoide.

Endoskopische Meist flache Adenome, proximales Kolon > distales Kolon, karzinomatöse Entar-
Charakteristika tung später als bei FAP (im Mittel im 55. Lebensjahr).

Differenzial­ FAP, Gardner-Syndrom, Turcot-Syndrom.


diagnose
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  245

Therapie Abhängig von Anzahl bzw. Histologie der Adenome; komplette Polypektomie an-
streben, falls nicht möglich: Proktokolektomie anstreben, bei <5 Rektumpolypen
auch ileorektale Anastomose möglich. Ohne Proktokolektomie jährliche komplette
Koloskopie.
Screening von Verwandten: im 15. Lebensjahr Koloskopie, falls keine Polypen: ab
20. Lebensjahr jährlich Koloskopie.

██ MUTYH-assoziierte Polyposis (MAP)

Definition Autosomal-rezessive Polyposis mit multiplen Kolonadenomen (20 bis Hunderte).

Pathologie und Adenome, in 20–30 % Nachweis einer Mutation im MUTYH-Gen (bei Patienten
Genetik ohne APC-Mutationsnachweis)
Erhöhte Inzidenz weiterer gastrointestinaler Malignome, Talgdrüsentumore.

Epidemiologie < 1:10 000

Vorgehen Koloskopie-Screening und -nachsorge wie attenuierte FAP.

██ Hyperplastisches Polyposis-Syndrom

Definition Multiple große und/oder proximale hyperplastische Polypen. Erhöhtes Karzinom-


risiko. WHO-Kriterien:
a. ≥5 hyperplastische Polypen proximal des Sigmas, davon 2 Polypen >1 cm Durch-
messer oder
b. jede Anzahl hyperplastischer Polypen bei Verwandtem 1. Grades mit hyper-
plastischer Polypose oder
c. >30 hyperplastische Polypen proximal des Sigma

Pathologie und Hyperplastische Polypen, in ca. 20 % auch serratierte Adenome. Genetisch: Verlust
Genetik der Heterozygosität, p53-Überexpression, Mikrosatelliteninstabilität.

Epidemiologie Selten, meist mittleres Lebensalter.

Vorgehen Keine klaren Handlungsvorgaben. Polypektomie aller Polypen. Individuell auch


Kolon(teil)resektion erwägen. Kontrollkoloskopie mindestens alle 3 Jahre.

██ Hamartomatöse Polypen und Polyposis-Syndrome

Hamartomatöse Polypen sind polypartige Läsionen bestehend aus Proliferation


von normalem epithelialen und stromalem Gewebe. Auftreten sporadisch einzeln
oder als Teil eines Polyposis-Syndroms: Peutz-Jeghers-Syndrom, hereditäre juveni-
le Polypose, Cowden-Syndrom, Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom

Peutz-Jeghers-Syndrom
Definition Autosomal-dominant vererbte Kombination aus hamartomatösen Polypen des
Gastrointestinaltraktes und Pigmentflecken auf Lippen und Wangenschleimhaut.
Voraussetzungen für Diagnose:
██mehr als 2 hamartomatöse Polypen vom Peutz-Jeghers-Typ oder
246  4 Darm

██ 1 Peutz-Jeghers-Polyp und Pigmentflecken oder


██ 1 Peutz-Jeghers-Polyp bei positiver Familienanamnese

Pathologie Pigmentflecken: lokale Hyperplasie der Melanozyten.


Polypen: Dünndarm > Kolon > Magen; meist <20 Polypen
██Histologie: baumartig sich aufzweigende, fein verästelnde Lamina muscularis
mucosae.

Genetik Defekt im SKT11-Gen auf Chromosom 19; Penetranz: 90 %, Neumutationsrate:


40 %.

Epidemiologie Selten, Prävalenz ca. 1:100 000.

Assoziierte Bei Frauen: Keimstrangtumoren mit anulären Tubuli, meist bilateral.


Organ­
beteiligung

Klinische ██ Pigmentflecken auf Lippen-/Wangenschleimhaut (50–80 %), Hände, Füße; ver-


Charakteristika blassen oft im Erwachsenenalter
██ kolikartige abdominelle Schmerzanfälle durch Obstruktion bzw. Invagination
der Polypen; Blut im Stuhl, Eisenmangelanämie

Wegweisende ██ Inspektion der Lippen-/Wangenschleimhaut


Diagnostik ██ Gastroduodenoskopie plus Polypektomie, Koloskopie, Kapselendoskopie, Ballo-
nenteroskopie (mit Polypektomie)

Therapie Ektomie aller Polypen ist anzustreben; Polypektomie auch im Dünndarm durch
Ballonenteroskopie heute möglich: gegenüber chirurgischer Resektion zu favori-
sieren.

Langzeit­ Kumulatives Risiko für malignen Tumor: 90 %, insbesondere Adenokarzinom des


komplikationen Dünndarms, Mamma-, Zervix-, Ovarialkarzinom, Pankreas- und Gallenblasen-
karzinom, Kolonkarzinom (40 % Risiko), papilläres Schilddrüsenkarzinom, Sertoli-
Zell-Tumoren des Hodens.

Vorsorge/ Keine eindeutigen Empfehlungen. Da Polypen bereits früh zu klinischen Sympto-


Überwachungs­ men führen können, sollte die Durchuntersuchung des Gastrointestinaltraktes be-
strategien reits ab dem 10. Lebensjahr erfolgen. Untersuchungsintervalle sind nicht klar de-
finiert. Regelmäßige Nachsorge scheint sinnvoll angesichts des hohen Karzinom-
risikos.

Juveniler Polyp und familiäre juvenile Polyposis (FjP),


juvenile Polyposis des Kindesalters
Definition Solitär oder multipel auftretende juvenile hamartomatöse Polypen.
Voraussetzungen für Diagnose der familiären juvenilen Polyposis:
██≥5 juvenile Polypen im Kolon (bis zu Hunderten möglich) oder
██Nachweis extrakolischer juveniler Polypen oder
██1 juveniler Polyp bei positiver Familienanamnese

Pathologie Mukosaler Tumor mit Exzess an Lamina propria, zystisch dilatierten Krypten, Ent-
zündungszellen und teils glatter, teils villöser Oberfläche; Größe: 0,3–2 cm oder
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  247

größer. Vorkommen: Kolorektum, selten im übrigen Gastrointestinaltrakt. Histolo-


gisch Fehleinschätzung möglich (Referenzpathologe!).

Genetik Solitärer Polyp: sporadisch


██Familiäre juvenile Polyposis: Mutation im SMAD4- oder BMPR1A-Gen bei ca.
60 % nachweisbar
██Juvenile Polyposis des Kindesalters: BMPR1A- und PTEN-Mutation in 100 %
nachweisbar

Epidemiologie Solitär sporadisch: im Kindesalter, können sich auch spontan zurückbilden


Polyposis: autosomal-dominant

Assoziierte Polyposis: in 10 % pulmonal arteriovenöse Fistel, Makrozephalie, Nierenbecken-


Erkrankungen Fehlbildung, Ventrikelseptumdefekt, Hypertelorismus, Kryptorchismus, motori-
sche Entwicklungsverzögerung. Bei SMAD4-Mutationsträgern: hereditäre hämor-
rhagische Teleangiektasien (Morbus Osler), Magenpolypen/-karzinome.

Klinische Blut im Stuhl, Blutungsanämie, Hypoproteinämie, Entwicklungsverzögerung bei


Charakteristika Kindern.
Juvenile Polyposis des Kindesalters: symptomatisch in ersten Lebensjahren, Sym-
ptome wie FjP und Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndroms (Makrozephalie), häufig
fulminanter Verlauf mit hoher Mortalität.

Wegweisende Koloskopie, ÖGD, Dünndarmdiagnostik.


Diagnostik

Therapie Polypektomie; bei Polyposis in Abhängigkeit von Polypenzahl Kolektomie erwä-


gen.

Langzeit­ Keine Entartung juveniler Polypen; aber: gleichzeitiges Auftreten von Adenomen:
komplikationen/ daher Entartungsrisiko; Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an Kolorektalem Karzinom
Vorsorge zu erkranken, beträgt ca. 60 %; Risiko für Magen- und Pankreaskarzinom erhöht.
Vorsorgestrategien nicht geklärt, frühzeitig komplette Bildgebung des gesamten
Gastrointestinaltraktes. Beginn des familiären Screening mit 10. Lebensjahr ver-
mutlich sinnvoll, ÖGD ab 10.–15. Lebensjahr.

Cowden-Syndrom
Definition Autosomal-dominant vererbte Erkrankung (auch PTEN-Hamartom-Tumor-Syn-
drom) mit hamartomatösen Polypen im Gastrointestinaltrakt und zahlreichen ex-
traintestinalen Manifestationen. Allelische Varianten:
██Bannayan-Zonana-Syndrom (Bannayan-Riley-Ruvalcaba-Syndrom): multiple Li-
pome, Hämangiome, Makrozephalie, mentale Retardierung
██Lhermitte-Duclos-Syndrom: Hamartome der Gliazellen im Zerebellum, Makro-
zephalie

Pathologie Polypencharakteristikum: Proliferation und Desorganisation der Muscularis mu-


cosae mit normalem Epithel; Vorkommen: multiple hamartomatöse Polypen in
vielen Geweben, einschließlich Darm.

Genetik Mutation des PTEN-Gens auf Chromosom 10q.

Epidemiologie Sehr selten. Im 20.–30. Lebensjahr Ausbildung von Polypen, Papeln im Gesicht.
248  4 Darm

Bannayan-Riley-Rucalvaba-Syndrom in ersten Lebensjahren, schlechte Prognose.

Assoziierte Orokutane Hamartome (verruköse Papeln im Gesicht, Papillome an Lippen, Zahn-


Organ­ fleisch, Mundschleimhaut), keratotische Papeln an Händen und Füßen, Zysten und
beteiligung Fibroadenome der Brust und Ovarien, Struma, follikuläre Adenokarzinome der
Schilddrüse, Makrozephalie.

Klinische Selten gastrointestinale Symptome: Anämie, peranale Blutung.


Charakteristika

Wegweisende Inspektion, Koloskopie, Gastroduodenoskopie, Kapselendoskopie/Ballonenteros-


Diagnostik kopie.

Therapie Kolon-Polypektomie; Entfernung von Dünndarmpolypen anstreben, Nutzen je-


doch nicht belegt.

Langzeit­ Mammakarzinom (50 % Lebenszeitrisiko), Schilddrüsenkarzinom. Endometrium-


komplikationen karzinom, Pankreaskarzinom.

Vor-/Nachsorge Jährlich: Hautinspektion ab 18. Lebensjahr, Schilddrüsensonografie, Mammapal-


pation ab 25. Lebensjahr, Mammografie ab 35. Lebensjahr (Frauen), vaginale So-
nografie/Zytologie ab 35. Lebensjahr, Urinzytologie bei familiärem Nierenzellkar-
zinom.

██ Cronkhite-Canada-Syndrom

Definition Erworbenes Syndrom mit multiplen gastrointestinalen Polypen, Durchfall, Ge-


wichtsverlust, Zeichen der Malnutrition, Alopezie, dystrophen Fingernägeln.

Patho­ Nicht bekannt.


mechanismus

Pathologie Polypen entsprechen histologisch juvenilen Polypen (bei 50–90 % der Betroffenen),
Vorkommen: Magen bis Rektum.
Diffuse Schleimhautschädigung in Dünn- und Dickdarm

Epidemiologie Auftreten im mittleren Lebensalter, Mittel: 62 Jahre.

Klinische Chronischer Durchfall, enteraler Proteinverlust, Malabsorptionssyndrom, Haaraus-


Charakteristika fall, Dystrophie der Nägel, Glossitis, Hyperpigmentierung; sekundär: bakterielle
Fehlbesiedlung bzw. Laktasemangel mit Laktoseintoleranz.

Wegweisende Inspektion (Alopezie, Nageldystrophie), Koloskopie mit Biopsie/Polypektomie,


Diagnostik Gastroduodenoskopie (Polypen können Riesenfalten imitieren), Laborparameter
für Malabsorptionssyndrom.

Therapie­ Symptome des Malabsorptionssyndroms.


indikation

Therapie Kausale Therapie nicht bekannt.


Symptomatische Therapie (s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom):
██Ernährungstherapie, enteral (vollbilanzierte Flüssignahrung) oder parenteral
██Substitution bei Mangelerscheinungen (Vitamine, Zink, Eisen etc.)
4.24 Polypen und Polyposis-Syndrome des Dünndarms und des Kolons  249

██ Kortikosteroide: Remissionen beschrieben; 1–2 mg/kg KG/Tag, Dosisreduktion


wie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen
██ Antibiotika bei bakterieller Fehlbesiedlung
██ Darmresektionen nicht indiziert

Verlauf Chronisch progredient.

Langzeit­ Persistierendes Malabsorptionssyndrom.


komplikationen

Literatur Schmiegel W et al. Aktualisierte S3-Leitlinie „kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008; 46: 799–840.
www.dgvs.de
Lodewigk AA et al. Juvenile polyposis syndrome. World J Gastroenterol 2011; 28: 4839–4844
Spier I, Aretz S. Polyposissyndrome des Gastrointestinaltrakts. Internist 2012; 53: 371–383

4.24.6 Submukosale/mesenchymale Polypen


Lipom: häufigster benigner nicht epithelialer Tumor des Kolorektums; 65 % aller
gastrointestinalen Lipome liegen im Kolon, davon 90 % submukosal, 10 % subsero-
sal, am häufigsten im Colon ascendens und Zökum.
██Pathomechanismus: fraglich Alterungsprozess
██Inzidenz: 0,2–0,8 % (Autopsie), Frauen > Männer, ab 60. Lebensjahr häufiger.
██Symptome: Meist asymptomatisch (Zufallsbefund), wenn >2 cm: Stenosesymp-
tomatik, peranale Blutung, Anämie, spontaner peranaler Abgang möglich.
██Diagnostik: Bei Koloskopie gelblich durchschimmernder Tumor mit glatter mu-
kosaler Oberfläche, bei Berührung mit der Zange Eindellung („Kissenzeichen“);
bei Röntgen-Kontrastuntersuchung glatte Aussparung.
██Therapie: in der Regel keine, außer bei lokaler Blutung. Selten: lipomatöse Polypose.

Leiomyom: sehr seltener Tumor, der aus Muscularis mucosae oder Muscularis pro-
pria entsteht; primär benigne, aber: Entartungsrisiko.
██Vorkommen: im Kolon 3 % aller gastrointestinalen Leiomyome, im Dünndarm
meist solitär.
██Koloskopie: rötlich weicher submukosaler Tumor.
██Therapie: bei kleinen Tumoren Schlingenbiopsie, bei größeren Exstirpation, da
Entartung möglich (s. Gastrointestinale Stromatumoren, Kap. 3.12.2).

Hämangiom: solitäre (Kolon) oder als Teil einer generalisierten Hämangiomato-


se (diffuse gastrointestinale Hämangiomatose) im gesamten Gastrointestinaltrakt
vorkommende Gefäßmalformation; z. T. in Verbindung mit kutanen Gefäßnävi
(„blue rubber bleb nevus syndrome“) oder varikösen Gefäßfehlbildungen der Ext-
remitäten (Klippel-Trenaunay-Weber-Syndrom) oder als Teil einer Teleangiectasia
hereditaria Rendu-Osler.
██Vorkommen: im Kolon (meist solitär) oder im Dünndarm, gleich häufig im Jeju-
num und Ileum
██Histologisch kavernös, kapillär oder gemischt, Größe 2–20 mm, im Rektum auch
größer, ohne Kapsel, aber lokal begrenzt, meist mukosal, jedoch auch submuko-
sal und serosal gelegen.
██Klinisch okkulte Blutung oder Meläna, selten Hämatochezie; massive Blutung
durch Rektumhämangiom möglich
██Diagnostik mittels Endoskopie, Kapsel- oder Doppelballon-Endoskopie: polypoi-
de, rötlich-livide Formation in der Mukosa; zusätzlich Angiografie (Malformation)
250  4 Darm

██ Therapeutisch Exzision; bei Rektumhämangiom: lokal blutstillende Maßnah-


men, wie z. B. Laser oder arterielle Embolisation häufig nicht erfolgreich, bei
transmuralem Hämangiom komplikationsreich; ggf. Rektumresektion notwen-
dig!

Neurofibrom: überwiegend im Dünndarm gelegen (in Jejunum und Ileum gleich


verteilt); von Nervenzellen ausgehend, solitär oder im Rahmen einer Neurofibro-
matose von Recklinghausen (dann auch Risiko für Dünndarmkarzinome erhöht).
Ganglioneurom: benigner Tumor, im gesamten Gastrointestinaltrakt möglich; als
Teil der Ganglioneuromatose assoziiert mit medullärem Schilddrüsenkarzinom,
Phäochromozytom, MEN-Typ-2, Cowden-Syndrom, juveniler Polypose.
Gastrointestinaler Stromatumor (GIST): s. Kap. 3.12.2.
Andere benigne Tumoren: Fibrom, Granularzelltumoren, Lymphangiom, Glo-
mustumor.

4.25 Colitis cystica profunda

Definition Meist solitäre polypöse Formation, bestehend aus submukös gelegenen, zystisch
dilatierten Drüsen.

Pathologie Submuköse, nahezu ausschließlich im Rektum gelegene, meist solitäre Läsion mit
und Patho­ intaktem Epithel, die vermutlich durch Ersatz normaler Kolondrüsen im Rahmen
mechanismus von Regeneration nach Entzündung, chirurgischer Wunde oder im Rahmen eines
Rektumprolaps entsteht. Möglicherweise eine Entität mit solitärem Rektumulkus,
Vorkommen auch bei Proctitis ulcerosa.

Klinische Blut im Stuhl, abdominelle bzw. rektale Schmerzen.


Charakteristika

Wegweisende Rekto- bzw. Koloskopie mit Biopsie/Knopflochbiopsie bzw. Polypektomie, Siche-


Diagnostik rung der Tiefenausdehnung mit rektalem Ultraschall.

Differenzial­ Histologisch Ähnlichkeit mit hochdifferenziertem Zystadenokarzinom.


diagnose

Therapie Therapie der Grunderkrankung.

Langzeit­ Selten Größenzunahme und dadurch Obstruktion.


komplikationen

Literatur Levine DS. Solitary rectal ulcer syndrome: are solitary rectal ulcer syndrome and localized colitis cystica pro-
funda analogous syndromes caused by rectal prolapse? Gastroenterology 1987; 92: 243

4.26 Pneumatosis cystoides intestinalis

Definition Multiple luftgefüllte, submukös (Kolon) oder subserös (Dünndarm) gelegene Zys-
ten oder Bläschen.

Patho­ Unklar; vermutlich meist sekundär durch Einströmen luminaler Luft in die Zysten
mechanismus im Rahmen anderer Erkrankungen, sehr selten primäre Pneumatosis.
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  251

Epidemiologie Meist mittleres Lebensalter, Männer > Frauen betroffen; insgesamt selten.

Assoziierte Infektion (Mesenterialtuberkulose), Ulzera im Magen-Darm-Trakt, immunsup-


Erkrankungen pressive Therapie/Erkrankung, Stenosen im Gastrointestinaltrakt. Iatrogen nach
Polypektomie, Biopsie oder Darmoperation. Chronisch obstruktive Atemwegser-
krankung, Sklerodermie. Alpha-Glukosidase-Inhibitor-Therapie (DM-Typ 2).

Klinische Eher uncharakteristische Abdominalbeschwerden.


Charakteristika

Wegweisende meist Zufallsbefund


Diagnostik Koloskopie: multiple polypoide Schleimhautvorwölbungen mit Gasaustritt und
Kollaps nach Anstechen mit Sklerosierungsnadel oder Kissenzeichen bei Betasten
mit der Zange
CT-Abdomen zum Nachweis von Gas in der Darmwand, gleichzeitig evtl. auch
Nachweis einer zugrunde liegenden Erkrankung

Zusatz­ ██ Anamnese (s. assoziierte Erkrankungen)


diagnostik ██ Stuhluntersuchung: auf Tbc (nur bei entsprechendem Verdacht), Clostridien
██ Röntgen-Thorax, Lungenfunktionsprüfung

Differenzial­ Infektion mit gasbildenden Bakterien (meist schweres Krankheitsbild).


diagnose

Therapie­ Infektion (nur bei Nachweis); Perforation.


indikation

Therapie ██ spezifische Therapie bei Vorliegen einer Infektion


██ Operation nur bei Komplikation (drohende oder vorhandene Perforation)
██ Ansonsten Therapie der Grunderkrankung

Literatur Höer J, Truong S, Virnich N et al. Pneumatosis cystoides intestinalis: confirmation of diagnosis by endoscopic
puncture – a review of pathogenesis, associated disease and therapy and a new theory of cyst formation.
Endoscopy 1998; 30: 793–799
Azzaroli F et al. Pneumatosis cystoides intestinalis. W J Gastroenterol 2011; 17: 4932–4936

4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons

4.27.1 Dünndarmtumoren allgemein


Einteilung ██ Adenokarzinom (30–40 %)
██ neuroendokriner Tumor (25–30 %)
██ Lymphom (15–20 %)
██ Leiomyosarkom, Liposarkom, Neurofibrosarkom, gastrointestinale Stromatumo-
ren (GIST), ampulläres Adenokarzinom
██ Metastasen (Melanom, Mammakarzinom, Nierenzellkarzinom etc.)
██ benigne Tumoren: Polyp/Adenom, Fibrom, inflammatorische Polyp, Lipom

Epidemiologie Im Dünndarm liegen 5–10 % aller gastrointestinalen Tumoren, davon sind zwei
Drittel maligne. Das Adenom ist der häufigste benigne Dünndarmtumor, das Ade-
nokarzinom der häufigste maligne Tumor.
252  4 Darm

Klinische
██ Zeichen der Obstruktion bis zum Ileus, Invagination durch Tumor häufig
Charakteristika
██ Anämie, peranaler Blutverlust (overt oder okkult), Gewichtsverlust, Durchfall,
Ikterus bei peripapillären Tumoren
██ keine spezifischen Symptome bei benignem versus malignem Tumor
██ cave: aufgrund ihrer Seltenheit wird häufig erst spät an die Möglichkeit eines
Dünndarmtumors gedacht!

Wegweisende ██ abdominelle Untersuchung: Resistenz in ca. 50 % tastbar


Diagnostik ██ Ultraschall: Kokarde, Tumor, Lymphknoten, Metastasen
██ Kapselendoskopie: Abklärung Blutverlust (cave bei Verdacht auf Stenose!)
██ MR-Enteroklysma oder CT-Enteroklysma: KM-Aussparung der Wand, „Kissen-
bildung“, Stenose, Tumor, Lymphknoten (konventionelles Röntgen nach Sellink
meist noch weniger aussagekräftig

Zusatz­ ██ Gastroduodenoskopie und Ileokoloskopie sind in aller Regel bereits vor der Ab-
diagnostik klärung eines Dünndarmtumors durchgeführt
██ ERCP: bei duodenalem bzw. peripapillärem Tumor
██ Ileokoloskopie
██ Einfach-/Doppelballon-Enteroskopie: Histologiegewinnung möglich
██ Labor: keine spezifischen Laborwerte

Therapie Je nach Histologie endoskopische Abtragung (Schlinge, Mukosektomie) oder chir-


urgische Resektion; wenn Histologie unklar: chirurgische Resektion.

4.27.2 Dünndarm(adeno)karzinom
Definition Bösartige karzinomatöse Neubildung im Bereich des Duodenums, Jejunums oder
Ileums; 35–50 % aller malignen Dünndarmtumoren.

Patho­ Luminale Faktoren fraglich beeinflussend: Kanzerogene, Bakterien; mögliche Ur-


mechanismus sachen für deutlich niedrigere Inzidenz im Vergleich zum kolorektalen Karzinom:
weicherer Darminhalt, schnellere Passage, weniger Bakterien.

Pathologie Vorkommen: 50 % im Duodenum, abnehmend nach distal; Histologie: Adenokarzi-


nom; Adenom-Karzinom-Sequenz wahrscheinlich.

Epidemiologie Inzidenz: 1/100 000, zwischen 50. und 70. Lebensjahr, Männer häufiger betroffen.

Assoziierte Zöliakie, AIDS, Morbus Crohn (terminales Ileum; selten), FAP (Duodenum), Peutz-
Erkrankungen Jeghers-Syndrom, andere Polyposissyndrome, Neurofibromatose.

Wegweisende ██Darstellung des Tumors: s. Kap. 4.27.1


Diagnostik ██Histologiegewinnung: Zugang in Abhängigkeit der (vermuteten) Tumorlokali-
sation: Gastroduodenoskopie, Ileoskopie, Ballonenteroskopie, ggf. Laparoskopie
██Staginguntersuchungen: Sonografie, ÖGD, Ileokoloskopie, CT-Abdomen, Rönt-
gen-Thorax
TNM-Klassifikation und Stadieneinteilung (Tab. 4.6 und Tab. 4.7).

Therapie ██ Kurativer Ansatz nur durch Operation möglich: Dünndarmsegmentresektion,


Pankreatikoduodenektomie bei Sitz im Duodenum;
██ Chemotherapie: keine prospektiven Studien, keine Leitlinien vorhanden.
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  253

Tab. 4.6 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation
nach UICC Tis Carcinoma in situ
(7. Auflage). T1a Tumor infiltriert Lamina propria, Muscularis mucosae

T1b Tumor infiltriert Submukosa

T2 Tumor infiltriert Muscularis propria

T3 Tumor infiltriert in die Subserosa oder in das nicht peritonealisierte perimus­


kuläre Gewebe (Mesenterium, Retroperitoneum) mit ≤2 cm Ausdehnung

T4 Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert andere Organe


oder Strukturen (z. B. andere Dünndarmschlingen, Mesenterium, Retroperi­
toneum > 2 cm von der Darmwand entfernt und Bauchwand auf dem Weg
über die Serosa; beim Duodenum auch Infiltration des Pankreas)

N1 1–3 regionäre Lymphknotenmetastasen

N2 4 oder mehr regionäre Lymphknotenmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 4.7 Stadien­ Stadium Merkmale


einteilung
Stadium 0 Tis, N0, M0

Stadium I T1a, T1b, T2 N0 M0

Stadium IIA T3 N0 M0

Stadium IIB T4 N0 M0

Stadium IIIA Jedes T N1 M0

Stadium IIIB Jedes T N2 M0

Stadium IV Jedes T jedes N M1

██ R0-Resektion: keine adjuvante Therapie, Nachsorge!


██ R1/2-Resektion oder Stadium IV: aus retrospektiven Daten scheint die Gabe ei-
ner Kombination aus 5-FU und Platinderivat eine Verlängerung des progressi-
onsfreien und des Gesamt-Überlebens zu bewirken. Alternativ: 5-FU+Irinotecan,
Gemcitabine, 5-FU+Mitomycin

Verlauf und 5-Jahres-Überlebensraten (5-JÜL):


Prognose ██Duodenalkarzinom: Stadium I 100 %, Stadium II 52 %, Stadium III 45 %, Stadium
IV 0 %
██Dünndarmkarzinom: insgesamt schlecht, da frühzeitige Metastasierung in re-
gionale Lymphknoten, bei Diagnosestellung häufig nicht mehr kurativ operabel,
5-JÜL Stadium III: 35 %, Stadium IV: 4 %; ohne Lymphknotenbefall: 45–70 %

Literatur Lepage C et al. Incidence and managment of small bowel cancers. Am J Gastroenterol 2006; 101: 2826–2832
Overman MJ et al. Chemotherapy with 5-Fluorouracil and a platinum compound improves outcomes in
small intestinal bowel adenocarcinoma. Cancer 2008; 113: 2038–2045
254  4 Darm

4.27.3 Karzinoid des Darms


Siehe Kap. 9 Neuroendokrine Tumoren des Gastrointestinaltrakts.

4.27.4 Gastrointestinales Lymphom


Siehe Kap. 3.12.4, Magenlymphom.

Definition Einteilung in zwei Formen:


██primäres gastrointestinales Lymphom
██intestinaler Befall bei primär nodalem Lymphom

Einteilung und Primäres gastrointestinales Lymphom (Non-Hodgkin-Lymphom) nach WHO (4.


Pathologie Auflage 2008):
██B-Zell-Lymphom:
–– Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ
██ „immunoproliferative small intestinal disease“ (IPSID)
–– follikuläres Lymphom (Grad I–III)
–– Mantelzelllymphom (lymphomatöse Polypose)
–– diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom mit/ohne MALT-Typ-Komponente
–– Burkitt-Lymphom, Burkitt-artiges Lymphom
–– immundefizienz- und transplantationsassoziierte Lymphome
██T-Zell-Lymphom:
–– enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom (ETZL)
–– peripheres T-Zell-Lymphom (Nicht-ETZL)
–– NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ

Gastrointestinaler Befall bei primär nodalem hochmalignem Non-Hodgkin-Lym-


phom (10 %).

Vorkommen Primär gastrointestinale Lymphome sind seltene Tumoren: ca. 20 % aller Lympho-
und Ätiologie me, davon zwei Drittel Magenlymphome, ca. 1–4 % aller malignen Magen-Darm-
Erkrankungen.
Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ („mucosa associated lymphoid tis-
sue“): häufigstes gastrointestinales Lymphom, meist >50. Lebensjahr, Männer häu-
figer betroffen, „western-type lymphoma“; meist unilokulär, Tumor häufig polypo-
id-exophytisch mit Ulzerationen, im Darm stenosierend wachsend.
Magen (Antrum bzw. Korpus > Fundus): 60–80 %. Hochgradige Assoziation zu
chronischer Helicobacter-pylori-Infektion (s. Kap. 3.12.4, Magenlymphom)
Dünndarm (terminales Ileum > oberer Dünndarm) 15–20 %. Duodenales MALT-
Lymphom: Helicobacter-pylori-Assoziation beschrieben, prädisponierende Fakto-
ren sind AIDS, andere Immundefizienzsyndrome, lang dauernde immunsuppres-
sive Therapie (z. B. nach Organtransplantation), Morbus Crohn, nodulär lymphati-
sche Hyperplasie, Antoimmunerkrankungen
Kolon: 5–15 %
██ IPSID: multifokales bzw. diffuses Lymphom, das aus dem MALT des Dünndarms
entsteht. Vorkommen nahezu ausschließlich im Mittelmeerraum und mittleren
Osten (Synonym: Mittelmeertyp-NHL, Alphakettenkrankheit, diffuses Dünn-
darmlymphom); junges Erkrankungsalter, Männer häufiger betroffen, Assozia-
tion zu Campylobacter-jejuni-Infektion, niedriger sozioökonomischer und Hy-
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  255

gienestatus sowie endemische Parasiteninfektion prädisponieren. Histologisch


Nachweis von IgA-Schwerketten.
Follikuläres Lymphom: am häufigsten im Duodenum (noduläre Veränderungen),
indolenter Verlauf.
Mantelzelllymphom: lymphomatöse Polypose mit häufig langstreckigem Befall;
ca. 9 % der primären gastrointestinalen Lymphome, Kolon/Dünndarm > Duode-
num/Magen, endoskopisch multiple noduläre/polypöse, auch ulzerierende Verän-
derungen, die an FAP erinnern, häufig Lymphknoten-, Leber-, Milz-, Knochenmark-
Befall bei Diagnosestellung.
Großzelliges B-Zell-Lymphom: häufigstes Dünndarmlymphom.
Burkitt-Lymphom: selten im Gastrointestinaltrakt, endemisch in Zentralafrika,
höchste Inzidenz im Kindesalter, fraglich EBV-Infektion.
Burkittartiges Lymphom: sporadisch in Industrienationen auftretend, nur 50 %
Kinder; Ileozökalregion, Rektum; meist solitärer, ulzerierender Tumor; HIV-Infek-
tion, fraglich EBV-Infektion; immunsuppressive Therapie; schnell wachsend, aus-
geprägte B-Symptomatik.
Immundefizienz- und transplantationsassoziiertes Lymphom: HIV-assoziiertes
NHL, Inzidenz rückläufig nach Einführung von HAART; histologisch meist diffus
großzellige Lymphome, fortgeschrittenes Tumorstadium bei Erstdiagnose, auch
ungewöhnliche Lokalisation. Bei Transplantierten: 20 % aller Malignome bei die-
sen Patienten, hochmalige NHL, EBV-assoziiert in 80 %.
T-Zell-Lymphom (ETZL und Nicht-ETZL): seltener Tumor (10–30 % der intestinalen
Lymphome), im Jejunum am häufigsten, ETZL als Komplikation einer lange beste-
henden, unzureichend therapierten Zöliakie.
Gastrointestinaler Befall bei primär nodalem hochmalignem NHL: kein Prädilek-
tionsort.

Klinische Allgemeine Beschwerden wie Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsver-


Charakteristika lust, Abdominalschmerzen, Eisenmangelanämie; B-Symptomatik v. a. beim Bur-
kitt-Lymphom, Hepatosplenomegalie, Aszites (IPSID).
Beim Dünndarmlymphom: Durchfall, Zeichen der intermittierenden Obstruktion
bis zum Ileus, peranale okkulte oder gravierende (selten) Blutabgänge, Perforation
als klinische Erstmanifestation möglich.

Wegweisende Ziele:
Diagnostik 1. Diagnosesicherung durch Histologiegewinnung. Deshalb: ausgiebige Biopsie-
entnahmen notwendig
2. Zuordnung als primäres oder sekundäres gastrointestinales Lymphom
3. Stadieneinteilung vor Therapieentscheidung

Apparative Diagnostik:
██Gastroduodenoskopie mit ausgiebigen Biopsien, bioptisches „mapping“ auch
makroskopisch normal erscheinender Schleimhaut, Helicobacter-pylori-Diag-
nostik (Magen)
██Endosonografie bei Magenlymphom: Tumorinfiltration, Lymphknotenbefall,
notwendig für Stadieneinteilung I1–II1 (s. u.), Treffsicherheit jedoch deutlich
schlechter als histologisches Staging
██Ileokoloskopie (10 % synchrones Lymphom bei Magenlymphom) und bei Ver-
dacht auf primären Sitz im ileokolischen Bereich
██MR-Enteroklysma; Kapselendoskopie als makroskopische Suchmethode: Stel-
lenwert beim Staging unklar; Ballonenteroskopie zur Histologiegewinnung
256  4 Darm

██ Staging: Röntgen-Thorax, CT-Thorax, zervikale und abdominelle Sonografie, CT-


Abdomen, Knochenmarkhistologie, HNO-Untersuchung, Labor: LDH, Beta-2-Mi-
kroglobulin

Diagnosestellung: histologisch inkl. Immunhistologie, Mitbeurteilung immer


durch Referenzpathologen

Stadien­ Stadieneinteilung außer für IPSID (s. u.) gemäß Ann-Arbor-System, Modifikation
einteilung nach Musshoff und Radaszikiewicz (Tab. 4.8, Tab. 4.9).

Zusatz­ Labor: Laborwerte nicht spezifisch; Blutbild (Anämie: normochrom, normozytär


diagnostik oder hypochrom, mikrozytär bei Blutverlust; Thrombopenie), BSG, IgA-Anti-TG2
Antikörper (bei ETZL); Serumelektrophorese, Immunfixation mit Nachweis eines
IgA-Paraproteins bei IPSID.

Differenzial­ Insbesondere bei Dünndarmbefall: Infektionserkrankung mit lymphatischer Reak-


diagnose tion (Lambliasis, Yersinieninfektion, Tbc), Morbus Crohn, andere maligne Tumo-
ren, benigne Ulzera im Magen, Vaskulitis.

Therapie und Rahmenbedingungen: Therapie im Rahmen eines Studienprotokolls anstreben, da


Verlauf insgesamt seltene Tumoren, wenig Daten aus kontrollierten Studien.

Tab. 4.8 Stadien­ Stadium Charakteristika


einteilung gemäß
Stadium I Uni- oder multilokulärer Befall des Gastrointestinaltraktes ohne LK- oder
Ann-Arbor-
andere Organbeteiligung
System (außer
IPSID). Stadium I1 Befall von Mukosa und Submukosa

Stadium I2 Infiltration über Submukosa hinaus

Stadium II Uni- oder multilokulärer Befall des Gastrointestinaltraktes jeglicher Infiltrati­


onstiefe und Befall infradiaphragmaler Lym

Stadium II1 Befall regionärer infradiaphragmaler Lymphknoten

Stadium II2 Befall nicht regionärer infradiaphragmaler Lymphknoten

Stadium III Uni- oder multilokulärer Befall des Gastrointestinaltraktes jeglicher Infiltrati­
onstiefe; zusätzlicher Befall infra- und supradiaphragmaler LK einschließlich
eines weiteren Organs im Gastrointestinaltrakt, der Milz (IIIS) oder beider

Stadium IV Diffuser oder disseminierter Befall extragastrointestinaler Organe mit oder


ohne LK

Zusatz „E“ Infiltratives (per continuitatem) Wachstum in ein Nachbarorgan bzw. Gewe­
be

Tab. 4.9 Stadien­ Stadium Charakteristika


einteilung IPSID.
Stadium A Diffuses Infiltrat der Mukosa/Lymphknoten

Stadium C Nachweis eines niedrig- oder hochmalignen Lymphoms ± gut differenzierte


lymphoplasmazytische Infiltration

Stadium B Intermediärstadium
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  257

Auskunft: Deutsche Studiengruppe Gastrointestinale Lymphome, Studiensekreta-


riat: lymphome-muenster@ukmuenster.de.
Therapieprinzipien: Helicobacter-Eradikationstherapie bei niedrigen MALT-Lym-
phom-Stadien; IPSID vermutlich ebenso infektionsassoziiert (Campylobacter?),
daher Tetrazyklintherapie; Chemotherapie: R-CHOP (Rituximab = CD20-Antikör-
per plus Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednisolon). Stellenwert der
Operation nicht geklärt. Resektion häufig zur Diagnosestellung und Prophylaxe
von Komplikationen.
MALT-Lymphom des Magens (s. Kap. ▶ Kap. 3.12.4, Magenlymphom).
MALT-Lymphom des Darms: Helicobacter-pylori-Assoziation beschrieben, in frü-
hen Stadien Helicobacter-pylori-Eradikationstherapie (auch ohne Nachweis von
Helicobacter-pylori!) empfohlen; bei indolentem MALT-NHL ohne Beschwerden
individuell auch zuwarten und Kontrolle möglich; Beschwerden/Symptomatik:
Therapieindikation (z. B. R-CHOP); 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50 %.
IPSID: Tetrazykline oral (Wochen bis Monate); Stadium B+C nach Versagen der Te-
trazyklintherapie Chemotherapie: COP, CHOP oder andere; Ernährungstherapie
u. U. notwendig, da meist diffuser Dünndarmbefall mit Diarrhö und Malabsorp-
tion; 5-Jahres-Gesamtüberleben: 75 %; Stadium A nach Tetrazyklintherapie: 71 %
komplette Remission.
Follikuläres Lymphom: relativ gute Prognose (5-JÜR 62 %), da indolenter Verlauf.
Für duodenale Lymphome ist die Prognose sehr gut, sodass auch abwartendes Ver-
halten gerechtfertigt erscheint. Kasuistische Therapien.
Mantelzelllymphom: in der Regel Polychemotherapie, da meist fortgeschrittenes
Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose: R-CHOP, meist aggressiver Verlauf, mittlere
Überlebenszeit: 3–5 Jahre; erste Berichte über autologe Stammzelltransplantation.
Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom: Stellenwert der Resektion unklar; unter
Chemotherapie Remissionen möglich: CHOP-21; 2-Jahres-Überlebensrate 94 %.
Burkitt- und burkittartiges Lymphom: Chemotherapie, Radiatio, Behandlung der
Grunderkrankung (HIV).
Immundefizienz- und transplantationsassoziiertes Lymphom: bei HIV in je-
dem Fall HAART, Chemotherapie schwierig bei Grunderkrankung, Prognose sehr
schlecht. Nach Transplantation: Reduktion der immunsuppressiven Therapie kann
Rückgang des Lymphoms initiieren.
ETZL: Chemotherapie (CHOP), sofern Grunderkrankung (Zöliakie) aggressive The-
rapie erlaubt; schlechte Prognose: 2-Jahres-Überlebensrate 37 % in Stadium I+II.
NK/T-Zell-Lymphom vom nasalen Typ hat die schlechteste Prognose.

Nachsorge Lymphomnachsorge, Re-Staging inkl. endoskopisches “mapping”.

Langzeit­ Folgen der Chemotherapie, der Operation (Postgastrektomiesyndrom, Malabsorp-


komplikation tion nach ausgedehnter Darmresektion) oder Bestrahlung: Strahlenenteritis mit
Durchfällen und Blutverlusten (s. Kap. 4.35).

Selbsthilfe Siehe Kap. 4.27.5, Kolorektales Karzinom.

Literatur Daum S, Zeitz M. Dünndarmtumoren. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J, Hrsg. Gastroentero-
logie. Stuttgart: Thieme Verlag 2008
Isaacson PG et al. Extranodal marginal zone lymphoma of mucosa-asssociated lymphoid tissue (MALT).
In: Swedlow et al, eds. Haematopoetic and lymphoid tissues. Lyon, France: IARC Press; 2008: 214–217.
World Health Organization Classificationof tumours. 4th ed.
Burke JS. Lymphoproliferative disorders oft he gastrointestinal tract. Arch Pathol Med Lab 2011; 135:
1283–1297
www.dgho-onkopedia.de/de/onkopedia/leitlinien
258  4 Darm

4.27.5 Kolorektales Karzinom


Definition Sporadisch (>90 %) oder hereditär auftretende, bösartige Neubildung im Bereich
des Kolons oder Rektums. Definition Kolonkarzinom versus Rektumkarzinom:
wenn aboraler Rand bei Messung mit starrem Rektoskop >16 cm von der Anokut-
anlinie entfernt ist → Kolonkarzinom.

Patho­ Über 90 % der kolorektalen Karzinome (KRK) entstehen aus adenomatösen Poly-
mechanismus pen des Darms, unabhängig davon, ob es sich um sporadische oder vererbte Kar-
zinomformen handelt (Adenom-Karzinom-Sequenz). Etwa 5 % der adenomatösen
Polypen entarten innerhalb von 5–10 Jahren (s. Kap. 4.24.2, Adenom [solitär oder
multipel]).

Risikogruppen In der Normalbevölkerung beträgt das Lebenszeitrisiko an einem KRK zu erkran-


ken 5 %.
Wichtig: Vorsorge-, Screening- sowie Therapieempfehlungen leiten sich wie folgt
ab:
██aus dem individuellen Risiko
██Personen mit familiär gesteigertem Risiko für KRK
██nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres KRK
██Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

1) Individuell gesteigertes Risiko für sporadisches KRK:


██jedes kolorektale Adenom stellt ein Risiko für ein KRK dar (>1 cm Größe: 4-fach,
wenn multipel: 4- bis 6-fach)
██Verwandte 1. Grades: 2-fach erhöhtes Risiko
██wenn Indexpatient <45 Jahre und/oder mehr als ein Verwandter 1. Grades be-
troffen: zusätzlich 4- bis 5-faches Risiko
██Verwandte 1. Grades von Kolonadenomträgern (vor 50. Lebensjahr entdeckt):
2-faches Risiko
██falls Indexpatient erst nach dem 60. Lebensjahr erkrankt ist, ist das KRK-Risiko
für Verwandte 1. Grades nur gering erhöht

2) Anlageträger für ein hereditäres KRK (Polyposis-Syndrome s. Kap. 4.24)


██FAP (familiäre adenomatöse Polyposis): 100 % Risiko
██aFAP (attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis): 100 % Risiko, jedoch späte-
res Lebensalter als FAP
██HNPCC (hereditäres, nicht polypöses Kolonkarzinom): 80–90 % Risiko (Risiko-
personen für ein HNPCC sind Personen, welche die Amsterdam-Kriterien erfüllen
oder eines der Bethesda-Kriterien mit Nachweis einer Mikrosatelliteninstabilität
(MSI), sowie deren Verwandte, die aufgrund des Erbgangs als Mutationsträger
in Betracht kommen)
Amsterdam-Kriterien:
██mindestens 3 Verwandte mit HNPCC-assoziierten Karzinomen: Kolon/Rektum,
Magen, Dünndarm, Pankreas, biliäres System, Endometrium, Ovar, Urothel (Ure-
ter/ Nierenbecken), Gehirn (Glioblastom bei Turcot-Syndrom), Talgdrüsenade-
nome und Keratoakanthome (Muir-Torre-Syndrom)
██von 2 betroffenen Verwandten ist einer Verwandter 1. Grades
██mindestens 2 aufeinander folgende Generationen betroffen
██1 Betroffener <50 Jahre
██FAP ausgeschlossen
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  259

Bethesda-Kriterien:
Der Verdacht auf ein HNPCC besteht, wenn mindestens ein Kriterium erfüllt ist.
Der Tumor (KRK) sollte dann auf Mikrosatelliteninstabilität untersucht werden:
1. Diagnose eines KRK vor dem 50. Lebensjahr oder eines Endometriumkarzinoms
vor dem 45. Lebensjahr
2. Diagnose von syn- oder metachronen kolorektalen oder anderen HNPCC-asso-
ziierten Tumoren (Kolon, Rektum, Endometrium, Magen, Ovar, Pankreas, Ureter,
Nierenbecken, biliäres System, Dünndarm, Gehirn [Glioblastom: Turcot-Syn-
drom], Haut [Talgdrüsenadenome und -karzinome, Keratoakanthome: Muir-
Torre-Syndrom]) unabhängig vom Alter bei Diagnosestellung
3. Diagnose eines KRK vor dem 60. Lebensjahr mit typischer Histologie eines MSI-
H-Tumors (tumorinfiltrierende Lymphozyten, „Crohn’s-like lesion“, muzinöse
oder siegelringzellige Differenzierung, medulläres Karzinom)
4. Patient mit KRK unabhängig vom Alter, der mindestens einen Verwandten 1.
Grades mit einem KRK oder HNPCC-assoziierten Tumor, davon Diagnose min-
destens eines Tumors vor dem 50. Lebensjahr
5. Patient mit KRK, der mindestens 2 Verwandte 1. oder 2. Grades mit einem KRK
oder HNPCC-assoziierten Tumor hat unabhängig vom Erkrankungsalter

3) Hamartomatöse Polyposis-Syndrome: Peutz-Jeghers-Syndrom, juvenile Poly-


posis coli, Cowden-Syndrom tragen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines
KRK und anderer Karzinome (Mamma, Magen etc.)
4) Personen mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (insbesondere
Colitis ulcerosa): abhängig von Dauer, Ausdehnung und Schwere der Erkrankung
(s. Kap. 4.15, Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Morbus Crohn und Co-
litis ulcerosa).
5) Sonstige: Zustand nach Ureterosigmoidostomie, Zustand nach Bestrahlung des
Abdomens und des Beckens.

Screening Vorsorgeuntersuchung der asymptomatischen Bevölkerung:


und Vorsorge­ ██fäkale okkulte Bluttestung (FOBT): jährlich ab dem 50. Lebensjahr (3 Testbriefe
untersuchung von 3 konsekutiven Stuhlgängen); Senkung der KRK-Mortalität um 23 %. Bislang
FOBT als Guaiak-Test empfohlen. Immunologische FOBT sind offenbar effektiver
im Nachweis von Blut im Stuhl; die Aufnahme des Tests wird im kommenden
update der „DGVS-Leitlinie KRK“ erwartet
██Koloskopie: ab 55. Lebensjahr alle 10 Jahre; höchste Sensitivität für das Auffin-
den kolorektaler Karzinome und Adenome, vorangehende digitorektale Unter-
suchung obligat. Die Wahrscheinlichkeit für das Finden von Polypen steigt mit
der Dauer der Rückzugszeit (Empfehlung: mindestens 6 min). Erste prospektive
Studien haben gezeigt, dass die Inzidenz von KRK durch Vorsorgekoloskopie ge-
senkt werden kann.
██beachte: die virtuelle Koloskopie (CT- oder MR-Kolonografie) ist derzeit noch
keine akzeptierte Alternative!

Vorsorgeuntersuchung bei Risikogruppen: zu den Risikogruppen gehören Perso-


nen mit individuell gesteigertem Risiko für ein sporadisches KRK, Anlageträger für
ein hereditäres Karzinom und Personen mit chronisch entzündlicher Darmerkran-
kung.
██Personen mit individuell gesteigertem Risiko für ein sporadisches KRK:
–– Patienten mit kolorektalem Adenom: jedes histologisch gesicherte Adenom
stellt ein Karzinomrisiko dar. Der Zeitpunkt für die empfohlene Kontrollko-
loskopie hängt von der Größe, der Anzahl, der Histologie sowie dem Grading
260  4 Darm

ab. Einzelheiten s. Kap. 4.24.1, Allgemeines sowie Kap. 4.24.2, Adenom (soli-
tär oder multipel)
–– Verwandte 1. Grades von Personen mit so genanntem sporadischem KRK haben
ein 2-faches Risiko, ebenfalls zu erkranken; Beginn der Vorsorge (Kolosko-
pie): 10 Jahre vor dem Alterszeitpunkt, an dem bei dem Verwandten ein KRK
entdeckt wurde; war der Indexpatient <60 Jahre: ab dem 40. Lebensjahr.
Wiederholung der Koloskopie mindestens alle 10 Jahre
–– Verwandte 1. Grades von Personen, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem
60. Lebensjahr nachgewiesen wurde, haben erhöhtes Risiko für Entwicklung
eines KRK; Empfehlung: ab 40. Lebensjahr alle 10 Jahre Koloskopie
██ Anlageträger für ein hereditäres Karzinom:
–– FAP und AAPC: s. Kap. 4.24.5; hamartomatöse Polyposis-Syndrome)
–– HNPCC: Risikopersonen sind diejenigen, die die Amsterdam-Kriterien (s. o.,
Risikogruppen) oder eines der Bethesda-Kriterien (bei gleichzeitigem Nach-
weis einer Mikrosatelliten-Instabilität im Tumor) erfüllen, und deren Ver-
wandte, die aufgrund des Erbgangs als Genträger in Betracht kommen (Erfül-
len Individuen eines der Bethesda-Kriterien ohne Vorliegen einer MSI, ist ein
HNPCC wenig wahrscheinlich):
██ im Alter von 18 Jahren sollte die Empfehlung für eine genetische Beratung
und Genuntersuchung zur Identifizierung von Genträgern erfolgen
██ Risikopersonen sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich koloskopiert
werden, jährlich Oberbauchsonografie
██ wenn eine Genträgerschaft nicht nachweisbar ist, gelten die
Vorsorgeempfehlungen wie für asymptomatische Bevölkerung (s. o.)
██ bei weiblichen Risikopersonen zusätzlich zur jährlichen gynäkologischen
Vorsorge transvaginaler Ultraschall ab 25. Lebensjahr
██ wenn Magenkarzinome familiär gehäuft nachweisbar sind: jährlich
Ösophagogastroduodenoskopie
██ die prophylaktische Kolektomie wird derzeit nicht empfohlen
██ Personen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen: s. Kap. 4.15, CED

Pathologie Vorkommen:
██proximal der linken Flexur: 55 % der KRK (zunehmend)
██synchrones KRK (gleichzeitiger Zweittumor): 3–5 %
██metachrones KRK (neues, nicht an der Anastomose lokalisiertes KRK frühestens
6 Monate nach Resektion des 1. Tumors): 1–3 % bei sporadischem KRK

Histologie des kolorektalen Karzinoms: Adenokarzinom (85–90 %), muzinöses


Adenokarzinom (10 %); andere: Siegelringzell-, Plattenepithel-, adenosquamöse,
kleinzellige und undifferenzierte Karzinome (2 %).
Malignitätsgrade (Grading):
██G1: gut differenziert
██G2: mäßiggradig differenziert
██G3: schlecht differenziert; Siegelringkarzinome immer G3
██G4: undifferenzierte und kleinzellige Karzinome
Nach WHO: G1, G2 = „low grade“, G3, G4 = „high grade“.
Metastasierung: lokoregionale Lymphknoten, Kolonkarzinom: Leber, Lunge, Kno-
chen, Gehirn, Rektumkarzinom: Lunge, Leistenlymphknoten, Leber, Gehirn, Kno-
chen, selten: lokale Fisteln in benachbarte Organe, Streptococcus-bovis-Bakteriä-
mie in 10–25 % vergesellschaftet mit KRK, Hautmetastasen.
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  261

Pathogenese Sporadisches kolorektales Karzinom (>90 % aller KRK): initial Inaktivierung des
und genetischer APC-Gens, Aktivierung von Zielgenen wie c-myc, Zyklin D, welche die Zellprolife-
Hintergrund ration beeinflussen, Aktivierung von K-ras-Onkogen u. a., zuletzt Mutationen von
Tumorsuppressorgenen wie p53 mit Übergang in „high-grade“ intraepitheliale
Neoplasie bzw. Karzinom.
Hereditäres, nicht polypöses kolorektales Karzinom (HNPCC, 5 % aller KRK): au-
tosomal-dominante Prädisposition für die Entwicklung eines KRK mit 70–80 % Pe-
netranz (früher: Lynch-Syndrom). Charakteristisch: in 80 % Mikrosatelliteninstabi-
lität (MSI) durch fehlerhafte DNA-Replikation, bislang Keimbahnmutationen in 5
Mismatch-Repair-Genen, davon 90 % in den Genen hMSH2 und hMLH1, selten in
den Genen MSH6, PMS2. Das Turcot-Syndrom und das Muir-Torre-Syndrom gelten
als phänotypische Variante des HNPCC.
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), attenuierte familiäre adenomatöse Po-
lyposis, hamartomatöse Polyposis: s. Kap. 4.24, Polypen und Polyposis-Syndrome
des Dünndarms und des Kolons.
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Entstehung des KRK auf dem Bo-
den dysplastischer Veränderungen, nicht aus Adenomen, aber auch in mehreren
Schritten, Auftreten mehrerer Mutationen (p53, K-ras u. a.).

Sonstige prädis­ Erhöhtes Risiko, ein KRK zu entwickeln, besteht wahrscheinlich für: gemüsearme,
ponierende fleischreiche und fettreiche Kost, Übergewicht (BMI >25), mangelnde körperliche
Faktoren Bewegung; daraus resultiert WHO-Consensus-Statement (s. u., Prophylaxe und
Vorsorge). Fraglich erhöhtes Risiko bei Diabetes mellitus, Akromegalie.

Epidemiologie Etwa 70 000 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr, Inzidenz von 1960–1980
verdoppelt, zweithäufigste Tumor-Todesursache (30 000 Todesfälle pro Jahr).
██Sporadisches KRK: Erkrankungsalter meistens >50. Lebensjahr
██HNPCC: Erkrankungsalter im Mittel 42. Lebensjahr
██FAP: Entwicklung eines KRK im Mittel 20. Lebensjahr.

Assoziierte ██ Hereditäres KRK: erhöhtes Risiko der Entwicklung zusätzlicher extrakolischer


Erkrankungen Karzinome
██ HNPCC: Endometrium, Ovarien, Magen, Pankreas, biliäres System, Dünndarm,
Urothel
██ Muir-Torre-Syndrom: Hauttumoren
██ Turcot-Syndrom: Hirntumoren
██ FAP: Duodenum/Dünndarm

Klinische ██ Blutauflagerungen (distales Karzinom) bzw. Blutbeimengung im Stuhl, Teer-


Charakteristika stuhl: 40 %
██ Änderung der Stuhlgewohnheiten (13 %): zunehmende Obstipation, „Bleistift-
stuhl“ (distaler Tumor), paradoxe Diarrhö durch Stenosierung
██ Bauchschmerzen (43 %), Anämie (11 %), Gewichtsverlust (6 %), Schwäche (20 %)
██ Beschwerden variieren je nach proximaler (Blutverlust, Bauchschmerzen, späte
Symptomatik) oder distaler Lokalisation (Veränderung der Stuhlgewohnheiten,
sichtbare Blutung, Schmerzen)
██ 10 % aller KRK werden als Notfall (Ileus, Perforation, selten Blutung) diagnosti-
ziert (schlechtere Prognose)
██ obstruktive Beschwerden bei proximalem Tumor meist später als bei distalem
Tumor
██ Beschwerden durch Metastasierung (Leber, Lymphknoten, Lunge, Gehirn, Kno-
chen etc.)
262  4 Darm

Wegweisende
██ rektal digitale Untersuchung: 15 % aller Tumoren tastbar
Diagnostik
██ Koloskopie obligat: Nachweis des Tumors bzw. histologische Diagnosestellung;
Untersuchung bis ins Zökum (cave: Zweittumor?). Falls präoperativ komplette
Koloskopie nicht möglich: innerhalb der ersten 6 Monate postoperativ
██ klinische Abdomenuntersuchung: häufig ohne Befund – Tumor tastbar? Ileus?
Cave: Lymphome der Leiste bei Rektumtumor

Zusatz­ ██ Metastasensuche bzw. Staging: Röntgen-Thorax und Abdomensonografie ob-


diagnostik und ligat; CT-Abdomen präoperativ nicht obligat (insbesondere wenn intraoperati-
Staging ve Sonografie möglich); zystoskopische bzw. gynäkologische Untersuchung bei
Verdacht auf Infiltration von Blase bzw. Uterus/Endometrien; Knochenszinti-
gramm, wenn Serum-Kalzium und/oder Knochen-AP erhöht; zerebrales CT bei
klinischem Verdacht auf Hirnfiliae
██ Rektumkarzinom:
–– starre Rektoskopie (zur Festlegung des chirurgischen Procedere) obligat
–– Endosonografie: Festlegung der Tumortiefenausdehnung (Genauigkeit in Stu-
dien 65–85 %) und des nodalen Status, im Befund mit „u“ vor der TN-Angabe;
Limitation: nicht passierbare Tumorstenose
–– CT oder MRT des kleinen Beckens bei unklarem sonografischem Befund bzw.
Verdacht auf organüberschreitendes Wachstum (Stadien >uT2)
–– Zystoskopie bei Verdacht auf Blaseninfiltration
–– gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf vaginale Infiltration
–– Sphinktermanometrie nur im Einzelfall zur Abschätzung postoperativer
Sphinkterinsuffizienz und Entscheidung über Sphinktererhalt
██ bei nicht passierbarer Tumorstenose: postoperativ komplette Koloskopie inner-
halb 6 Monaten (retrograder Kolonkontrasteinlauf oder virtuelle Koloskopie wird
in Leitlinien nicht als Zusatzuntersuchung empfohlen)
██ Labor: kein spezifischer Parameter! Blutbild (hypochrome, mikrozytäre Anä-
mie), LDH, Transaminasen bei Lebermetastasen; Kalzium, alkalische Phosphata-
se (Knochenmetastasen); Tumormarker: CEA obligat (für spätere Verlaufskont-
rolle, nicht als Suchmethode!)

Stadien­ TNM: klinische Klassifikation (UICC 7. Auflage) (Tab. 4.10 – 4.12).


einteilung

Tab. 4.10 Tumor Charakteristika


Primärtumor.
Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden

T0 Kein Primärtumor

Tis Carcinoma in situ

T1 Tumor infiltriert Submukosa

T2 Tumor infiltriert Muscularis propria

T3 Tumor infiltriert durch Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht


peritonealisiertes perikolisches oder perirektales Gewebe

T4 Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen und/oder perfo­


riert das viszerale Peritoneum

T4a Tumor perforiert viszerales Peritoneum

T4b Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen


4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  263

Tab. 4.11 Lymphknoten Charakteristika


Regionäre
Lymphknoten. Nx Regionäre Lymphknoten (LK) können nicht beurteilt werden

N0 Keine regionären LK befallen

N1 Metastasen in 1–3 regionären Lymphknoten

N1a Metastase in 1 regionärem Lymphknoten

N1b Metastasen in 2–3 regionären Lymphknoten

N1c Tumorknötchen bzw. Satellit(en) im Fettgewebe der Subserosa oder im


nicht-peritonealisierten perikolischen/perirektalen Fettgewebe ohne
regionäre Lymphknotenmetastasen

N2 Metastasen in 4 oder mehr regionären LK

N2a Metastasen in 4–6 regionären Lymphknoten

N2b Metastasen in 7 oder mehr regionären Lymphknoten

Tab. 4.12 Fern­ Fernmetastasen Charakteristika


metastasen.
Mx Fernmetastasen können nicht beurteilt werden

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

M1a Metastase(n) auf ein Organ beschränkt (Leber, Lunge, Ovar, nicht
regionäre Lymphknoten)

M1b Metastasen in mehr als einem Organ oder im Peritoneum

Wichtig: Die pathologische TNM-Klassifikation entspricht der klinischen; die An-


gabe des pN-Status setzt voraus, dass mindestens 12 regionäre LK entfernt wurden
(ansonsten pNx).
Fakultativ: Angabe von Lymphgefäßinvasion (Lx-1), Veneninvasion (Vx-2) und pe-
rineuraler Invasion (PnX-1). Bei Tumoren mit pT1 N0 M0 sind das Grading und die
Angabe zur Lymphangioinvasion entscheidend für das Procedere! (s. „Chirurgische
Therapie“).
R-Klassifikation (Tab. 4.13), Stadieneinteilung (Tab. 4.14).

Tab. 4.13 Einteilung Charakteristika


R-Klassifikation
Rx Vorhandensein von Residualtumor kann nicht beurteilt werden
(Radikalität
der operativen R0 Kein Residualtumor
Tumorent­fer­
nung). R1 Mikroskopischer Residualtumor

R2 Makroskopischer Residualtumor
264  4 Darm

Tab. 4.14 Stadium Merkmale


Stadien­einteilung
(Werte in Klam­ Stadium 0 Tis, N0, M0
mern: Häufig­
Stadium I (ca. 15 %) T1 oder T2, N0, M0
keit).
Stadium II (ca. 25 %)
IIA T3, N0, M0
IIB T4a N0 M0
IIC T4b N0 M0

Stadium III (35 %) Jedes T, N1, N2, M0

IIIA T1, T2, N1a, M0


T1, N2a, M0

IIIB T3, T4a, N1, M0


T2, T3, N2a, M0
T1, T2, N2b, M0

IIC T4a, N2a, M0


T3, T4b, N2b, M0
T4b, N1, N2, M0

Stadium IV (ca. 25 %) IVA: jedes T, jedes N, M1a


IVB: jedes T, jedes N, M1b

Differenzial­ Hämorrhoiden; Lymphom; Adenom; chronisch entzündliche Stenosen bei Diver-


diagnose tikulitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, eosinophile Enteritis, Amöbom (selten).

Therapie­ Immer bei Tumornachweis, insbesondere wenn kurative Resektion möglich; Art
indikation der Therapie in Abhängigkeit vom Tumorstadium, Alter des Patienten, Allgemein-
zustand.

Therapie Das therapeutische Vorgehen sollte für jeden Patienten individuell unter Berück-
sichtigung der Leitlinien im Rahmen einer interdisziplinären Tumorkonferenz
festgelegt werden. Insbesondere beim Rektumkarzinom ist in Abhängigkeit vom
Stadium die neoadjuvante Radiochemotherapie indiziert, die zum einen die Re-
sektabilität verbessern kann und die lokale Rezidivrate senkt. Kurativ ist nur die
Operation.

Chirurgische Das Ziel ist die operative R0-Resektion (bei ca. 70–80 % der Patienten möglich);
Therapie Entfernung des Primärtumors einschließlich regionaler Lymphknoten und evtl.
isolierter Metastasen (Leber, Lunge, seltener: Hirn).
Allgemeine Empfehlungen und Sondersituationen:
██ Laparotomie gemäß Leitlinien DGVS 2008, minimal-invasives Vorgehen nach
neueren Studien offenbar gleichwertig
██ Intraoperatives Staging: Inspektion und Palpation der Leber obligat, bei fragli-
chem präoperativem Metastasennachweis der Leber: intraoperative Lebersono-
grafie (Metastasen häufig subkapsulär!). Bei laparoskopischem Vorgehen ent-
fällt Palpation bzw. Möglichkeit der intraoperativen Sonografie
██ Kolonkarzinom: das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der
versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte Lymphabflussgebiet vorgege-
ben (onkologische Grundsätze beachten)
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  265

██ Rektumkarzinom: (Indikation zur neoadjuvanten Radiochemotherapie prüfen!


Vorgehen Abb. 4.4 Neoadjuvante Radiochemotherapie beim Rektumkarzinom.).
Standard ist die TME (totale mesorektale Exzision) in Abhängigkeit der Lokalisa-
tion als tiefe (mittleres und unteres Rektumdrittel) anteriore Rektumresektion
mit Anlage eines protektiven Loop-Ileostoma. Die Kontinenzerhaltung soll an-
gestrebt werden. Bei etwa 40 % der Rektumkarzinome im unteren Drittel ist eine
Rektumamputation mit endständigem Kolostoma erforderlich.
██ bei pT1-Tumoren im Rektum ist die alleinige lokale endoskopische oder chir-
urgische Tumorresektion (Vollwandexzision) ausreichend, wenn Tumor <3 cm
groß ist und eine Low-Risk-Histologie vorliegt (T1, G1 oder G2, L0, R0). In der
Regel werden T1-Tumoren (im Kolon und Rektum) als Zufallsbefund nach einer
endoskopischen Polypektomie diagnostiziert. Sollten endoskopisch bereits Ma-
lignitätskriterien vorliegen wie Ulzeration, zentrale Delle, fehlendes Liftingzei-
chen so ist interdisziplinär über die Resektionart zu entscheiden. T1-Tumoren
mit High-Risk-Situation (G3, G4, und/oder L1, und/oder R1) müssen onkologisch
nachreseziert werden.
██ Mehrfachkarzinom: individuelle Entscheidung, ob mehrfache Anastomosen
oder Kolektomie
██ synchrone Fernmetastasen: Resektabilität prüfen, Resektion synchron oder me-
tachron, ggf. Resektabilität nach vorgeschalteter Chemotherapie erreichbar
██ Notfalloperation: bei Ileus, Tumor- oder Darmperforation onkologische radikale
Resektion anstreben. Bei Stenose/Ileus im Einzelfall initial Stent-Einlage sinnvoll,
um vorübergehendes Stoma zu vermeiden. Ileus durch Rektumkarzinom: meist
fortgeschrittene Tumoren, sodass initial Entlastungsstoma-Operation sinnvoll,
gefolgt von neoadjuvanter Therapie und nachfolgender Resektion
██ Vorgehen bei HNPCC: wie sporadisch aufgetretenes KRK
██ Vorgehen bei familiärer adenomatöser Polyposis: in der Regel Proktokolekto-
mie mit Dünndarmpouch; bei attenuierter FAP und geringem Rektumbefall: Ile-
orektostomie empfohlen

Abb. 4.4 Rek­


tumkarzinom: 5HNWXPNDU]LQRP
Vorgehen in kura­
tiver Absicht. 6WDJLQJ

LQWHUGLV]LSOLQlUH7XPRUNRQIHUHQ]

6WDGLXP, 6WDGLXP,,XQG,,,
X7F1 X7XQGRGHUF1

6RQGHUVLWXDWLRQ
7 7
F71 " QHRDGMXYDQWH
* *RGHU
7XPRUREHUHV 5DGLRFKHPRWKHUDSLH
/5 /RGHU5
5HNWXPGULWWHO

HQGRVNRSLVFKH DQWHULRUH DQWHULRUH5HNWXPUHVHNWLRQRGHU


3RO\SHNWRPLH 5HNWXPUHVHNWLRQ 5HNWXPH[VWLUSDWLRQMHZHLOVPLW
RGHU PLW70( 70(
9ROOZDQGUHVHNWLRQ

1DFKVRUJH ZHQQS11DFKVRUJH )RUWIKUXQJ


ZHQQS1DGMXYDQWH &KHPRWKHUDSLH
7KHUDSLH
266  4 Darm

██ Vorgehen bei Karzinom auf dem Boden einer Colitis ulcerosa: in der Regel Prok-
tokolektomie mit Dünndarmpouch (Kap. 4.15.2)
██ Pathohistologische Diagnostik: Angaben obligat zu Tumortyp nach WHO, pTpN,
Anzahl der befallenen/resezierten Lymphknoten, Grading, Angabe zur Lymphan-
gioinvasion für Risikoabschätzung bei T1-Tumoren obligat, Abstand Resektionsrän-
der, R-Klassifikation. Untersuchung auf Mikrosatelliteninstabilität fakultativ. Qua-
lität der Mesorektumresektion Grad 1 bis Grad 3 (MERCURY-Studie). Bestimmung
des k-ras-Wildttyps/Mutation vor geplanter Therapie mit EGF-Rezeptor-Antikörper

(Weitere Einzelheiten zum chirurgischen Vorgehen s. Leitlinien der DGVS 2008)

Peri- und Allgemein: die neoadjuvante, adjuvante und palliative Therapie des kolorektalen
postoperative Karzinoms umfasst überwiegend die antineoplastische Therapie, Chemo- plus
Therapie Strahlentherapie beim Rektumkarzinom. Chemotherapeutika sind: 5-Fluoruracil,
Capecitabine, Irinotecan, Oxaliplatin, Bevacizumab (VEGF-Antikörper), Cetuximab
(EGFR-Antikörper) und Panitumumab (vollständig humaner EGFR-Antikörper). EG-
FR-Antikörper sind nur für Tumoren mit Nachweis von k-ras-Wildtyp zugelassen.

Neoadjuvante ██ UICC-Stadium I: keine Indikation zur neoadjuvanten oder adjuvanten Therapie


und adjuvante ██ UICC-Stadium II und III: im Falle cT3/4cN0-2 ist die neoadjuvante Radio- oder
Therapie Radiochemotherapie immer indiziert. Ziele der neoadjuvanten Therapie: prä-
des Rektum­ operatives „Downsizing“ zur Erlangung höherer Raten an R0-Resektionen und
karzinoms Sphinktererhalt sowie Verringerung des Lokalrezidivrisikos. Das Gesamtüberle-
(s. Abb. 4.4) ben wird nicht beeinflusst.
–– Sondersituation: cT1/2 mit fraglichem LK-Befall: auch erst OP mit adjuvan-
ter Radiochemotherapie bei pN+ sinnvoll (Grundlage zur präoperativen TN-
Klassifikation bildet die Endosonografie; Nachteil: „Overstaging“ und damit
Überbehandlung möglich)
–– Sondersituation: Tumor des oberen Rektumdrittels: Strahlentherapie wird
kontrovers beurteilt, auch alleinige postoperative adjuvante Chemotherapie
möglich (analog zu Kolonkarzinom)
██ Indikation neoadjuvante Radiochemotherapie versus alleinige Radiotherapie:
bei cT4-Tumoren, wenn Downsizing angestrebt wird, sollte Radiochemotherapie
der Vorzug gegeben werden. Nur bei cT3 N+ Kurzzeitbestrahlung sinnvoll
–– Kurzzeitbestrahlung: 5-mal 5 Gy innerhalb 5 Tagen, Operation unmittelbar
danach
–– konventionell fraktionierte Bestrahlung: 45–50, 4 Gy in 25–28 Fraktionen;
begleitende Chemotherapie mit 5-FU (1000 mg/m2 i. v. über 24 h, Tag 1–5 und
Tag 29–33), Operation 4–6 Wochen später
–– Der Zusatz von Oxaliplatin oder Irinotecan ist ohne Nutzen
–– Alternativ: alleiniges Capecitabine (2 × 825 mg/m2 per os Tag 1–38)
██ Adjuvante Chemotherapie nach neoadjuvanter Radiochemotherapie: unabhängig
vom postoperativen Tumorstadium indiziert. Die Chemotherapie sollte aus 5-FU
bestehen (4 Zyklen 5-FU 500 mg/m2 KO i. v. als Bolus über 5 Tage, alle 4 Wochen.
Alternativ: Capecitabine 2 × 1250 mg/m2 per os Tag 1–14, Wdhlg. Tag 22, 5 Zyklen)
██ Adjuvante Therapie ohne vorherige neoadjuvante Radiochemotherapie (Be-
ginn: 4–6 Wochen nach OP): Die Indikation zur kombinierten Radiochemothe-
rapie besteht nach R0-Resektion im Stadium II und III ohne vorherige neoadju-
vante Therapie, nach R1-Resektion, nach intraoperativem Tumoreinriss. Alleini-
ge Radiotherapie oder Chemotherapie nur bei Kontraindikationen für eine der
beiden Therapien. Chemotherapie als Monotherapie mit 5-FU parallel zur Strah-
lentherapie (Einzelheiten s. Leitlinie)
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  267

Adjuvante
██ Therapieziel postoperativ: Eliminierung von Mikrometastasen, Reduktion der
Therapie des Fernmetastasenrate, Verlängerung des rezidivfreien Überlebens, Verminderung
Kolonkarzinoms der Mortalität
██ Voraussetzung: R0-Resektion, mindestens 12 Lymphknoten entfernt
██ Lebensalter: bei Patienten >70 Jahre sollte primär 5-FU/FS eingesetzt werden.
Die zusätzliche Gabe von Oxaliplatin ergibt keinen Vorteil, die Sterblichkeit war
in Studien erhöht. Die Gabe von Capecitabine ergab schlechtere Ergebnisse als
mit 5-FU
██ UICC-Stadium III: adjuvante Chemotherapie indiziert (Metaanalysen zeigen sig-
nifikanten Überlebensvorteil)
██ UICC-Stadium II mit Risikofaktoren (pT4, G3, V1, wenn <10 Lymphknoten ent-
nommen, Tumorperforation, OP unter Notfallbedingungen): adjuvante Chemo-
therapie erwägen
██ UICC-Stadium II: adjuvante Chemotherapie kann durchgeführt werden (QUA-
SAR-Studie zeigt Überlebensvorteil von 3 %)
██ Patienten im Stadium II und III sollten möglichst innerhalb von Studien behan-
delt werden
██ Senkung der Gesamtmortalität durch adjuvante Chemotherapie im Stadium
UICC III um 12 %, UICC II um 7,2 %

Chemotherapieschema: Einsatz in Abhängigkeit von Kontraindikationen (s. u.),


Verträglichkeit, Komorbidität und individueller Situation des Patienten.
██Stadium III:
–– Oxaliplatinhaltige Therapie z. B. FOLFOX-4: Oxaliplatin (85 mg/m2 als 2-h-
Infusion, Tag 1), gefolgt von Folinsäure (200 mg/m2 als 2-h-Infusion, Tag 1+2)
plus anschließend 5-FU (400 mg/m2 als Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-
Infusion, Tag 1+2), Wdhlg. Tag 15 (=1 Zyklus), insgesamt 12 Zyklen. Das Rezi-
divrisiko kann durch die 3er-Kombination (im Vergleich zu 5-FU/Folinsäure)
weiter gesenkt werden (MOSAIC-Studie). Langzeittoxizität (peripher-sen-
sorische Polyneuropathie) durch Oxaliplatin: 12 % Grad I, 2,8 % Grad II, 0,7 %
Grad I. Irinotecan statt Oxaliplatin zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorziehen
(Studien bislang negativ), obwohl in palliativer Situation FOLFIRI und FOLFOX
gleichwertig
–– bei Kontraindikationen gegen Oxaliplatin: Monotherapie mit Capecitabine:
1250 mg/m2 KO 2-mal/Tag, Tag 1–14, Wiederholung Tag 21 (6 Monate ge-
samt), dem Mayo-Klinik-Schema bezüglich Wirkung ebenbürtig, aber NW
geringer (Mayo-Klinik-Schema heute obsolet)
–– weitere infusionale 5-FU/Folinsäure-Schemata s. Leitlinie (Toxizität bei infu-
sionalem Schema für 5-FU versus Bolusgabe geringer)
–– Beginn der adjuvanten Chemotherapie: 3–6 Wochen nach Operation
–– Port-Anlage bei i. v.-Chemotherapie notwendig/sinnvoll
–– Dosisreduktion bei Nebenwirkungen
–– Indikation zur adjuvanten Chemo bei R0-Resektion von Leber- oder Lungen-
metastasen s. unten
–– Indikation zur neoadjuvanten Chemo bei resektablen Leber- oder Lungenme-
tastasen s. u.
██Stadium II: Capecitabine oder infusionales 5-FU plus FS (s. o.)

Kontraindikation der adjuvanten Chemotherapie: Allgemeinzustand <2 (WHO),


unkontrollierte Infektion, Leberzirrhose Child B und C, schwere KHK, Herzinsuf-
fizienz NYHA III und IV, präterminale und terminale Niereninsuffizienz, einge-
268  4 Darm

schränkte Knochenmarksfunktion, Unvermögen an Kontrolluntersuchungen teil-


zunehmen (Alter per se keine Kontraindikation!).

Vorgehen bei Grundsätzlich sollten Entscheidungen zum Vorgehen in der interdisziplinären Tu-
(potenziell) morkonferenz getroffen werden.
resektablen Primär resektable Lungenmetastasen: Resektion anstreben, wenn R0-Resektion
Metastasen des möglich ist, ausreichend Lungengewebe verbleibt, abhängig von Zahl und Loka-
kolorektalen lisation, Durchführung in Zentren!, Prognose nicht definitiv von Metastasenzahl
Karzinoms abhängig.
Primär resektable Lebermetastasen: Resektion anstreben, wenn R0-Resektion
möglich ist. Definition: wenn nicht anderweitig nicht resektables Tumorleiden vor-
handen, <70 % der Leber befallen, <3 Lebervenen und <7 Segmente betroffen, keine
Leberinsuffizienz, keine Leberzirrhose CHILD B oder C vorliegt, keine schwerwie-
genden Begleiterkrankungen.
██ Prognose nach FONG-Score: ungünstige präoperative Kriterien sind:
–– nodal positiver Primärtumor
–– krankheitsfreies Intervall <12 Monate
–– Metastasengröße >5 cm
–– Anzahl der Metastasen >1
–– CEA prä-OP >200 ng/Tag
–– Interpretation: wenn ≤2 Punkte vorliegen, ist Prognose für Langzeitüberleben
bis 57 %; wenn >2 Punkte zutreffen, sollte vor OP ein FDG-PET-CT durchge-
führt werden (weitere Metastasen?).

Neoadjuvante Therapie in begründeten Ausnahmefällen (s. Leitlinie, s. auch „Vorge-


hen bei nicht resektabel erscheinenden Metastasen“).
Adjuvante Therapie: nach R0-Resektion kann adjuvante Chemotherapie erwogen
werden, keine eindeutige Studienlage

Vorgehen bei Eine Therapie ist immer indiziert unter Berücksichtigung der Gesamtsituation und
nicht resektabel der Lebensqualität. Das Alter per se keine Therapiegrundlage.
erscheinenden Nicht bzw. potenziell resektabel erscheinende Metastasen: grundsätzlich immer
Metastasen interdisziplinär prüfen, ob durch eine so genannte „Konversionstherapie“ eine Re-
und palliativer duktion von Metastasenzahl-/größe und damit die R0-Resektion möglich scheint.
­Situation Soll R0-Resektion angestrebt werden, ist neoadjuvant eine maximal remission-
induzierende Therapie indiziert, die 3–4 Monate präoperativ nicht überschrei-
ten sollte (Lebertoxizität). Geeignet als Konversiontherapie sind FOLFOX, FOLFIRI,
FOLFOXIRI-Schemata. Der Zusatz von EGFR-Antikörper(nur k-ras-Wildtyp!) bzw.
Bevacizumab zur Zweifach-Chemotherapie erhöht nach neueren Studien die Ope-
rabilitätsrate.
Tumorbedingte Symptome, Organkomplikationen, rascher Tumorprogress:
möglichst effektive Therapie
Patienten ohne tumorbedingte Symptome, Organkomplikationen und/oder Ko-
morbidität: auch weniger intensive, u. U. nebenwirkungsärmere Therapie indiziert
Bei inoperablen Metastasen und Indikation zur Chemotherapie kann der Primär-
tumor belassen werden (Ausnahme: Tumorstenose, Hb-relevante Blutung)
Palliative Chemotherapie: Die Indikation besteht in nicht kurativ resezierten,
nicht operierten bzw. rezidivierten (und nicht resezierbaren) oder sekundär me-
tastasierten Karzinomen (beachte: interdisziplinär Operabilität klären!) Für i. v.-
Chemotherapie Anlage eines zentralvenösen Port-Katheters indiziert, da 5-FU sehr
venentoxisch ist und über Port die Chemotherapie ambulant durchgeführt werden
kann. Kombinations-Chemotherapien sind wirksamer als Monotherapie. Für die
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  269

Therapie stehen 5-FU, Capecitabine, Oxaliplatin und Irinotecan sowie der VEGF-
Antikörper Bevacizumab und die EGFR-Antikörper Cetuximab und Panitumumab
(zur Therapie nur zugelassen bei k-ras-Wildtyp-Nachweis im Tumor!) zur Ver-
fügung. Die Prognose wird nicht durch eine Substanz allein bestimmt, sondern
dadurch, ob der Patient möglichst viele der zur Verfügung stehenden Substanzen
erhält. Therapieziel: Verlängerung des Überlebens bei bestmöglichem Erhalt der
Lebensqualität. Daher individuell zugeschnittene Therapien. „Stop-and-go“-Stra-
tegien erwägen, z. B. FOLFOX über eine bestimmte Zyklenfolge, dann Oxaliplatin
Pause verringert neuropathische Nebenwirkungen; komplettes Aussetzen der The-
rapie bis zur erneuten Tumorprogression scheint die Überlebenszeit zu reduzieren.

Chemotherapieschemata (Erstlinientherapie, in Abhängigkeit von Komorbidität,


Kontraindikationen, Nebenwirkungen):
██FOLFOX4 (andere FOLFOX-Schemata auch möglich): Oxaliplatin (85 mg/m2 als
2-h-Infusion, Tag 1), gefolgt von Folinsäure (200 mg/m2 als 2-h-Infusion, Tag
1+2) plus anschließend 5-FU (400 mg/m2 als Bolus, danach 600 mg/m2 als 22-h-
Infusion, Tag 1+2), Wdhlg. Tag 15 (=1 Zyklus)
██Capecitabine mono: 2 × 1250 mg/m2 per os Tag 1–14, Wdhlg. Tag 22 Capecitabi-
ne (1000 mg/m2 2-mal/Tag per os Tag 1–14) plus Oxaliplatin (130 mg/m2 Tag 1),
Wdhlg. Tag 21
██FOLFIRI: 5-FU (2000 mg/m2/24 h) plus Folinsäure (500 mg/m2/2 h) plus Irino-
tecan (80 mg/m2/30 min), Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36, Wdhlg. Tag 50 (AIO-FOLFIRI).
Capecitabine plus Irinotecan: wegen NW nur in reduzierter Form (200 mg/m2
KO Irinotecan Tg 1 plus 2-mal 800mg/m2 Capecitabin Tag 1–14 per os (CAIRO-
Studie, vorläufige AIO-Daten)
██FOLFOXIRI besser als FOLFIRI allein (aber toxischer)
██Bevacizumab und Cetuximab für First-line-Therapie zugelassen
██FOLFIRI plus Cetuximab (k-ras-Wildtyp im Tumor) hat Überlebensvorteil gegen-
über FOLFIRI allein
██Bevacizumab 5–10 mg/kg KG 1-mal alle 2 Wochen + 5-FU/Folinsäure: Verbesse-
rung des PFS (progressionsfreien Überlebens), nicht des Gesamtüberlebens
██Bevacizumab 5–10 mg/kg KG 1-mal alle 2 Wochen + FOLFIRI: weitere Verbesse-
rung des PFS und des Gesamtüberlebens
██Bevacicumab + FOLFOX4 oder XELOX: nur geringfügige weitere Verbesserung
des PFS gegenüber Bevacicumab + 5-FU

Zweitlinientherapie:
██In Abhängigkeit von vorangegangener Therapie, therapiefreien Zeit, individuel-
le Patientensituation, Therapieziel. Grundsatz: bei nachgewiesenem Progress:
Wechsel der Therapie. FOLFOX, FOLFIRI, XELOX (s. o.) sind möglich; Cetuximab
plus Irinotecan nach Progress unter Irinotecan mono. Bevacicumab + Oxalipla-
tin + 5-FU nach Progress unter Irinotecan-haltigem Schema (Toxizitäten z. T. er-
höht!).

Drittlinientherapie:
██Cetuximab mono bei Irinotecan-Unverträglichkeit/Progress. Panitumumab
mono nach Versagen 5-FU-, Irinotecan- und Oxaliplatin-haltiger Schemata
(Einzelheiten s. Leitlinie DGVS 2008; Gastroenterologieup2date 2010)

Leberschädigung und Komplikationen durch neoadjuvante Chemotherapie be-


achten (erhöhter Transfusionsbedarf, Steatohepatitis)
270  4 Darm

Sonder­ Interventionelle palliative Therapien: lokale Lasertherapie, Radiofrequenz-Ablati-


situationen on, stereotaktische Radiotherapie: Überlebensvorteil nicht nachgewiesen, Einsatz
in Studien anstreben! Einsatz von SIRT (selective internal radiation therapy) und
HAI (hepatic arterial infusion) sollte in Studien erfolgen.
Endoskopische Stent-Implantation: palliativ bei Stenosen/Ileussymptomatik bzw.
als Bridging vor definitiver Operation.
Peritonealkarzinose: palliative Chemotherapie. Überprüfung der Möglichkeit ei-
ner chirurgischen Zytoreduktion plus intraoperativer HIPEC: hypertherme intra-
peritoneale Chemotherapie (Durchführung in Studien und im spezialisierten Zen-
trum!)
Knochenmetastasen mit Schmerzproblematik: Bestrahlung diskutieren

Neben­ Nebenwirkungen der Chemotherapie:


wirkungen s. ██5-FU, Capecitabine: Diarrhö, Stomatitis, Mukositis, Leukopenie, Hand-Fuß-Syn-
auch Kap. 16 drom (v. a. Capecitabine!), Haarausfall. Therapie: Dosisreduktion
██Irinotecan: Diarrhö (ca. 25 %), Erbrechen, Mukositis, Leukopenie, Fieber, CASH
(Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis), Haarausfall. Therapie: Loperamid,
Antibiotikagabe, Hospitalisierung bei Diarrhöen >48 h
██Oxaliplatin: Polyneuropathie (Prophylaxe: Begleitinfusion mit Magnesium und
Kalzium), Diarrhö, Leukopenie
██Bevacizumab (VEGF-Antikörper): Hypertonus (10 %), Proteinurie, Blutungen,
verzögerte Wundheilung, (arterielle/venöse) Thrombosen, gastrointestinale
Perforationen. Häufig: Asthenie, Diarrhö, Übelkeit, Schmerzen
██Cetuximab/Panitumumab (EGF-Rezeptor-Antikörper): Akne (Tetrazyklin): je stär-
ker die Akne, desto besser das Ansprechen, bildet sich nach Wochen spontan
zurück. Infusionsreaktion (weniger bei Panitumumab)

Allgemein Ernährungsberatung (flüssige hochkalorische Zusatznahrung bei Ernährungspro-


supportive blemen); ausreichende Schmerztherapie!; psycho-onkologische Betreuung. „Best
Therapie supportive care“.

Prognose und Risikoreduktion durch konsequente Polypektomie: 90 %; Prognosefaktoren des


Verlauf KRK: Stadium bei Diagnosestellung; Operationstechnik.
Nach kurativer Therapie eines kolorektalen Karzinoms besteht Rezidivrisiko von
3–24 %, Risiko für Fernmetastasen 25 %, metachroner Zweittumor: 1,5–10 %.
5-Jahres-Überlebensraten: Stadium I: 90–100 %, Stadium II: 60–90 %, Stadium III:
30–80 %, Stadium IV: 15–20 %.

Langzeit­ Postoperativ (insbesondere Rektumkarzinom): Kontinenzprobleme, sexuelle


komplikationen Funktionsstörungen, lokale und/oder psychologische Probleme mit endständigem
Stoma. Lokalrezidiv schwierig zu therapieren, starke Einschränkung der Lebens-
qualität.
Inkurables Tumorleiden: Peritonealkarzinose mit Aszites (quantitative Punktion
schafft in Einzelfällen Erleichterung), massive Beinödeme durch untere Einfluss-
stauung, Bein- bzw. Beckenvenenthrombosen; chronischer Ileus, Tumoreinbruch
in benachbarte Organe (Fisteln, Ausbildung von Tumorhöhlen, Ureterinfiltration
mit Nierenaufstau), Leberversagen bei Metastasenleber, sekundär infizierte Meta-
stasen; Krampfanfälle bei Hirnfiliae.

Nachsorge Kolonkarzinom Stadium I: Anamnese, klinische Untersuchung und Koloskopie


(Tab. 4.15):
██nach endoskopischer Abtragung: nach 6, 24 und 60 Monaten
██nach chirurgischer Resektion: nach 24 und 60 Monaten
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  271

Tab. 4.15 Untersuchung 3 6 9 12 15 18 21 24 36 48 60


Programmierte
Untersuchungen Anamnese, körperliche X X X X X X X
im Rahmen der Untersuchung, CEA
Nachsorge bei Koloskopie X1 X2
kolorektalem
Karzinom Abdomensonografie3 X X X X X X X
UICC II oder III
Sigmoidoskopie X X X X
(Zeitangabe
­(Rektoskopie)4
in Monaten).
(Quelle: Leitlinien Spiral-CT5 X
DGVS)
Röntgen-Thorax
(kein Konsens)
1 Wenn keine vollständige Koloskopie erfolgte
2 Bei unauffälligem Befund (kein Adenom, kein Karzinom), nächste Koloskopie nach 5 Jahren
3 Eine Metaanalyse ergab einen Vorteil für ein bildgebendes Verfahren zum Nachweis von

Lebermetastasen in der Nachsorge. Daher entschied sich die Expertenkommission für das
einfachste und kostengünstigste Verfahren
4 Nur beim Rektumkarzinom ohne neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie
5 Nur beim Rektumkarzinom 3 Monate nach Abschluss der tumorspezifischen Therapie (Opera­

tion bzw. adjuvante Strahlen-/Chemotherapie) als Ausgangsbefund

Rektumkarzinom Stadium I: nach radikaler R0-Resektion ist wegen geringer Re-


zidivneigung keine regelmäßige Nachsorge empfohlen; Koloskopie nach 2 und 5
Jahren zur Erkennung von Zweittumoren durchführen.
Rektumkarzinom nach lokaler Exzision:
██Anamnese, klinische Untersuchung: nach 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60 Monaten
██Rekto- bzw. Sigmoidoskopie, wenn möglich Endosonografie: nach 6, 12, 18 Mo-
naten
██Koloskopie: nach 24 und 60 Monaten, dann alle 3 Jahre

Wichtig: bei Polypabtragung mit T1-Tumor, „low risk“, sind bei tumorfreier Poly-
penbasis Untersuchungen nach 12 und 18 Monaten entbehrlich.
Kolorektales Karzinom Stadium IV: symptomorientierte Nachsorge.
Tumoren ohne eindeutige Zugehörigkeit (Rektosigmoidkarzinome): wie Rek-
tumkarzinome.
HNPCC: ohne subtotale Kolektomie: jährlich Koloskopie; nach subtotaler Kolektomie:
jährlich Rektoskopie.
FAP: nach Anlage eines Ileumpouches jährlich Pouchoskopie. Nach Ileorektosto-
mie: Rektoskopie in 4- bis 6-monatigen Abständen; ab 30. Lebensjahr: Gastroduo-
denoskopie alle 3 Jahre.

Rehabilitation Patienten sollten Empfehlung zur Anschlussheilbehandlung erhalten (nutzen in


Studien jedoch nicht belegt); individueller Bedarf je nach Einschränkung der Le-
bensqualität, psychologischer Belastung und reduzierter Arbeitsfähigkeit.

Prophylaxe WHO-Empfehlungen zur Primärprävention:


Ernährung: Vermeidung von Übergewicht, Gemüse als Hauptbestandteil der Er-
██

nährung, Fisch und Geflügel besser als „rotes Fleisch“, Alkohol <20 g/Tag; Niko-
tinverzicht; körperliche Aktivität
Medikamente: derzeit keine Empfehlung zur Einnahme von Spurenelementen
██

oder Chemoprävention (z. B. nichtsteroidale Antiphlogistika)


272  4 Darm

Selbsthilfe Deutsche Krebsgesellschaft e. V., Hanauer Landstr. 194, 60314 Frankfurt/M., Tel.
(069)6300960, www.deutsche.krebsgesellschaft.de (gibt Kompendium mit allen
in Deutschland vorhandenen Adressen heraus).
www.krebsinformation. e. Krebsinformationsdienst (KID): Deutsches Krebsfor-
schungszentrum Heidelberg, Tel. 06221-410121
www.krebshilfe. e. Deutsche Krebshilfe
Deutsche Ileostomie-Colostomie-Urostomie-Vereinigung ILCO e. V., Landshuter
Straße 30, 85356 Freising; Tel. 08161-934301, www.ilco.de

Literatur Pohl M et al. Medikamentöse Therapie des kolorektalen Karzinoms. Gastroenterol up2date 2010; 6: 41–62
Andre T et al. Oxaliplatin, fluorouracil, and leucovorin as adjuvant treatment for colon cancer (MOSAIC-
study). N Engl J Med 2004; 350: 2343–2351
Koopman M et al. Sequential versus combination chemotherapy with capecitabine, irinotecan, and oxali-
platin in advanced colorectal cancer (CAIRO): a phase III randomised controlled trial. Lancet 2007; 370:
135–142
Schmiegel W et al. S3-Leitlinien „Kolorektales Karzinom“. Z Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)
Seymour MT et al. Different strategies of sequential and combination chemotherapy for patients with poor
prognosis advanced colorectal cancer (MRC FOCUS): a randomised controlled trial. Lancet 2007; 370:
143–152
Taschenbuch Onkologie 2012/13 – Interdisziplinäre Empfehlungen zur Therapie. Zuckschwerdt-Verlag Mün-
chen 2012. Kostenlos zu beziehen über ribosepharm@ribosepharm.de
www.dgho-oncopedia.de

4.27.6 Appendixkarzinom und Pseudomyxoma peritonei


Definition Muzinöse und nichtmuzinöse maligne Neubildung der Appendix.

Pathologie ██ Meist als Zufallsbefund im Rahmen einer Appendektomie (2 % der Appendekto-


mien). Karzinome werden als muzinös und nichtmuzinös eingestuft. Appendix-
karzinoide s. Kap. 9.5
██ Becherzellkarzinoide (Goblet cell carcinoids) werden wie Karzinome klassifi-
ziert
██ Pseudomyxoma vermutlich aus (primär benigner?) Mukozele der Appendix en-
stehend; durch Mukozelenruptur Aussaat in die Peritonealhöhle; Wachstum mit
unterschiedlicher Aggressivität; keine Fernmetastasen

Klinische Meist Zufallsbefund (Appendektomie). Bauchumfangsvermehrung, „Gallertbauch“


Charakteristika (jelly belly), Zeichen der Darmobstruktion.

Wegweisende Sonografie, CT-Abdomen.


Diagnostik und TNM-Klassifikation nach UICC (7. Auflage, 2010) (Tab. 4.16 – 4.20).
Staging
Tab. 4.16 Tumor Charakteristika
Primärtumor.
T1 Submukosa

T2 Muscularis propria

T3 Subserosa, nicht peritonealisiertes periappendikales Fett

T4a Perforation des viszeralen Peritoneum/muzinöserr peritonealer Tumor inner­


halb des rechten unteren Quadranten

T4b Andere Organe oder Strukturen


4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  273

Tab. 4.17 Regionäre Lymphknoten Charakteristika


Regionäre
Lymphknoten. N1 ≤3 regionäre Lymphknoten

N2 ≥3 regionäre Lymphknoten

Tab. 4.18 Fern­ Fernmetastasen Charakteristika


metastasen.
M1a Intraperitoneale Metastasen jenseits des rechten unteren Quadranten
einschließlich Pseudomyxoma peritonei

M1b Nichtperitoneale Metastasen

Tab. 4.19 Histo­ Grad Beschreibung Charakteristika


pathologisches
Grading. G1 Gut differenziert Muzinös niedriggradig

G2 Mäßig differenziert Muzinös hochgradig

G3 Schlecht differenziert Muzinös hochgradig

G4 Undifferenziert

Tab. 4.20 Stadium Merkmale


Stadienein­
teilung. Stadium 0

Stadium I Tis N0 M0

Stadium II t1, T2 N0 M0

Stadium IIA T3 N0 M0

Stadium IIB T4a N0 Mo

Stadium IIC T4b N0 M0

Stadium IIIA T1, T2 N1 M0

Stadium IIIB T3, T4 N1 M0

Stadium IIIC Jedes T N2 M0M0

Stadium IVA Jedes T N0 M1a – G1

Stadium IVB Jedes T N0 M1a – G2, G3, G4


Jedes T N1, N2 M1a – jeder G

Stadium IVC Jedes T Jedes N M1b – jeder G

Therapie Operative Tumorentfernung/-verkleinerung („debulking“), optional: intraoperati-


ve HIPEC: hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (keine Studien).

Verlauf, Abhängig von Histologie (wenig versus hochaggressiv) und von kompletter Tumor-
Prognose entfernung, 5-Jahres-Überlebensrate: 20–100 %.
274  4 Darm

Sugarbaker PH et al. Results of treatment of 385 patients with peritoneal surface spread of appendiceal ma-
Literatur
lignancy. Ann Surg Oncol 1999; 6: 727–731
Panarelli NC et al. Mucinous neoplasms of the appendix and peritoenum. Arch Pathol Lab Med 2011; 135:
1261–1268

4.27.7 Andere maligne Darmtumoren


██ Mesenchymale Tumoren

Ausführliche Darstellung siehe Kap. 3.12.2, Mesenchymale Tumoren.

Definition Bösartige, von mesenchymalem Gewebe ausgehende Tumoren.

Pathologie Tumorarten: Leiomyosarkom (häufigster Tumor), Liposarkom, Neurofibrosarkom,


gastrointestinale Stromatumoren (GIST).
Vorkommen: Neben dem oberen Gastrointestinaltrakt v. a. Jejunum, Ileum, Me-
ckel-Divertikel, sehr selten im Kolon; exzentrisches Wachstum.

Epidemiologie Insgesamt seltene Tumoren, 20 % aller Dünndarmtumoren, sehr selten im Kolon.

Klinische Abdominalschmerzen (Stenose, Invagination), peranale Blutung, tastbarer Tumor,


Charakteristika Gewichtsverlust.

Diagnostik ██ Endoskopie: Kolon, Ileum, Duodenum


██ Intestinoskopie/Ballonenteroskopie: Dünndarmtumoren
██ Kapselendoskopie: ggf. im Vorfeld zur Abklärung einer mittleren GI-Blutung
██ MR-Sellink, CT-Abdomen
██ Histologiegewinnung: Da es sich in der Regel um rein submukosal gelegene Tu-
moren handelt, müssen tiefe Biopsien mit Verwendung großer Zangen durch-
geführt werden, Knopflochbiopsie; transabdominell sonografische Feinnadel-
punktion, endosonografisch technisch nur im Rektum durchführbar. Häufig ge-
lingt die histologische Aufarbeitung erst nach chirurgischer Resektion.

Therapie Tumorresektion (auch palliativ); Chemotherapie s. Kap. 3.12.2, Mesenchymale Tu-


moren, insbesondere GIST.

Prognose und Prognosefaktoren: Tumor-Grading und Resektabilität; 5-Jahres-Überlebensrate ca.


Verlauf 50 %.

██ Kaposi-Sarkom

Definition Durch Kaposi-Sarkom-Herpesvirus, KSHV (HHV-8) induzierter maligner endothe-


lialer Tumor; Einteilung: klassisches KS (mediterran), endemisches (südlich der Sa-
hara-Afrika) KS, mit Organtransplantation assoziiertes KS, HIV- (AIDS-)assoziiertes
KS.

Patho­ KSHV transformiert Endothelzellen zu Spindelzellen, induziert Angioneogenese,


mechanismus stimuliert Leukozyteninfiltration; Interaktion mit HIV-1 bislang nicht eindeutig
geklärt.
4.27 Maligne Tumoren des Dünndarms und des Kolons  275

Pathologie Tumoren bestehend aus Haufen von Spindelzellen, Leukozyteninfiltration und Ge-
fäßneubildungen; in 90 % der Spindelzellen Nachweis von KSHV.
Vorkommen im Gastrointestinaltrakt: jede Region betroffen, meist multipel auf-
tretend, charakteristische bläuliche, erhabene (submukös gelegene) Knoten, auch
in Mundhöhle; andere Lokalisationen: Haut, Respirationstrakt u. a.

Epidemiologie Männer deutlich häufiger als Frauen; Prävalenz nach Organtransplantation: Leber
1,24 %, Niere, Herz 0,4 %; Prävalenz bei AIDS-Patienten: häufigster Tumor, Homose-
xuelle besonders betroffen (bis 30 %).
██klassisches KS: meist ältere Männer
██endemisches KS: häufig bei Kindern, da starke Durchseuchung mit KSHV in Af-
rika

Risikofaktoren HIV-Infektion, immunsuppressiver Status (Zustand nach Organtransplantation).

Klinische Mundhöhle (bis 30 % der KS-Patienten betroffen): bläuliche Knoten, die beim Kau-
Charakteristika en oder Sprechen stören; intestinal (initial 40 % der KS-Patienten betroffen, bei Au-
topsie 80 %): häufig symptomlos; Blutung, Malabsorption, Gewichtsverlust, exsu-
dative Enteropathie, Obstruktion möglich.

Diagnostik ██ Inspektion; Hämoccult-Test: positiv bei HIV-Infizierten


██ Endoskopie: charakteristische bläulich-livide-schwärzliche, erhabene Knoten
██ Histologie: wichtig in Abgrenzung zur Bartonella-Infektion, die antibiotisch be-
handelt wird!
██ Serologisch: HIV, KSHV (HHV8)

Differenzial­ ██ Bartonella-Infektion: Bartonella henselae (Katzenkratzkrankheit), Bartonella


diagnose bacilliformis (nur Südamerika!): Mundhöhle, insbesondere Haut, nicht jedoch
Gastrointestinaltrakt)
██ Hämangiom,Dermatofibrom, Lymphangiom, Angiosarkom u. a.

Therapie­ Symptomatisches Kaposi-Sarkom.


indikation

Therapie HAART (hoch aktive antiretrovirale Therapie): reduziert Inzidenz und verbessert
Überleben; kurative Therapie nicht möglich; Ziel: supportive, symptomorientierte
Therapie
██lokal: lokale Injektionstherapie, Kryotherapie, Lasertherapie, Strahlentherapie,
Resektion zur Größeneindämmung/aus kosmetischen Gründen
██systemisch: Chemotherapie mit pegyliertem, liposomalem Anthrazyklin, Pacli-
taxel, Vinorelbine; Interferon-α; fraglich Angiogenese-Inhibitoren
██Reduktion immunsuppressiver Therapie wenn möglich (nach Organtransplan-
tation)

Verlauf ██ Prognosefaktoren:
–– gut: KS als alleinige AIDS-Manifestation, steigende CD4-Zahlen
–– schlecht: reduzierte Immunlage, Alter >50 Jahre, weitere AIDS-assoziierte
Krankheiten
██ Psychologisches Problem bei starkem kutanem Befall (Gesicht, Arme)
██ Klassisches KS: indolenter Verlauf, meist nur Hautbefall
██ Endemisches KS: häufig aggressiver Verlauf

Selbsthilfe Siehe AIDS-Enteropathie, kolorektales Karzinom.


276  4 Darm

Dittmer DP et al. Treatment of Kasposi sarcoma-associated herpesvirus-associated carcinoma. Front Micro-


Literatur
bio 2012; 3: 141. doi: 10.3389/fmicb.2012.0014

██ Metastasen

Primärtumor ██ Melanom (Dünndarm häufigster gastrointestinaler Metastasierungsort)


██ Mamma, Lunge, Niere
██ per continuitatem: Kolon, Zervix, Ovarien

4.28 Appendizitis

Definition Akute Entzündung der Appendix, die unbehandelt in der Regel durch Gangrän,
Perforation oder perityphlitischen Abszess kompliziert ist.

Patho­ Obstruktion des Appendixlumens mit fäkalen Bestandteilen oder anderen Subs-
mechanismus tanzen (Tumor, Steine, Parasiten etc.); Mukussekretion des Epithels innerhalb der
Appendix hält an, intraluminaler Druckanstieg, venöse Abflussstörung, lokale Hy-
poxämie; Permeabilitätserhöhung, Einwanderung von Bakterien, Entzündung,
Gangrän, Perforation innerhalb von 24–36 h.
Bei einem Drittel der Patienten keine Obstruktion des Appendixlumens, Ursache
unklar, fraglich bakterielle/virale/parasitäre Infektion.

Pathologie Makroskopisch: einfache (entzündete und ödematöse Appendix ist intakt, Gefäß-
injektion der Serosa), gangränöse (Nekrose der Appendix, häufig Mikroperforatio-
nen) oder perforierte Appendizitis.
Mikroskopisch: initial Lymphozyten und Plasmazellen in Lamina propria, später
transmurale Infiltration mit Neutrophilen.

Epidemiologie Inzidenz: 5–10 % der Bevölkerung erkrankt an Appendizitis, häufigster abdominal-


chirurgischer Notfall, abnehmende Inzidenz seit 1930 (Ursache: bessere Hygiene,
fraglich: ballaststoffreiche Kost); Erkrankungsalter: jedes Alter, zwischen 10. und
20. Lebensjahr am häufigsten; Männer erkranken 1,3- bis 1,6-mal häufiger.

Klinische ██ Schmerzen (99 %): typischerweise Beginn periumbilikal/epigastrisch, in den


Charakteristika rechten Unterbauch wandernd
██ Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen (95 %), Fieber
██ seltener: Durchfall
██ atypische Appendizitis bei atypischer Lage der Appendix (retrokolisch, im klei-
nen Becken); weniger klare Symptomatik beim älteren Menschen, veränderte
Klinik im 2. und 3. Drittel der Schwangerschaft, verschleierte Symptomatik bei
immunsupprimierten Patienten
██ Temperaturdifferenz rektal/axillär >1 °C

Wegweisende Klinische Untersuchung:


Diagnostik ██Druckschmerz im rechten Unterbauch (McBurney = Übergang 1. zu 2. Drittel der
Distanz zwischen Spina iliaca anterior superior und Bauchnabel)
██Loslassschmerz: bei Druck im linken Unterbauch und schnellem Loslassen der
Hand empfindet Patient Schmerzen im rechten Unterbauch
██Psoasschmerz rechts; Douglas-Schmerz rechts bei rektaler Untersuchung
4.29 Hernien  277

Zusatz­ Labor: Leukozytose, Differenzialblutbild (Linksverschiebung), CRP, Urinstatus


diagnostik
██Sonografie: Darstellung der (entzündeten, wandverdickten Appendix, ggf. Dar-
stellung von Komplikationen, hilfreich in der Abgrenzung zu anderen Ursachen
des Unterbauchschmerzes
██MRT, low-dose-CT

Differenzial­ ██ Klinisch: gynäkologische Ursachen (Ovarialzyste: gedreht bzw. eingeblutet, ek-


diagnose tope Schwangerschaft, Tuben-/Ovarialabszess); Nierenkolik, Divertikulitis, Mor-
bus-Crohn-Erstmanifestation, Tumor mit Perforation, akute Gastroenteritis:
Yersinien-„Pseudoappendizitis“, Campylobacter etc.
██ Histologisch: eosinophile Gastroenteritis (Histologie!), granulomatöse Entzün-
dung (Sarkoidose, Morbus Crohn), Tbc, Karzinoid der Appendix, andere Malig-
nome

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie Appendektomie: laparoskopisch; offen chirurgisch bei Komplikationen.


Eine primär antibiotische Therapie bei unkomplizierter Appendizitis statt Opera-
tion ist in Diskussion.

Verlauf ██ akute Komplikationen: Perforation (40–75 %), Peritonitis, Abszess, Pylephlebitis


(septische Thrombophlebitis der V. portae, selten)
██ Mortalität: einfache Appendizitis 0–0,3 %, perforierte Appendizitis 15–60 %
██ Cave: in 5–30 % ist die klinische Diagnose Appendizitis falsch!

Langzeit­ Rezidivierende Appendizitis (Diagnose meist retrospektiv zu vermuten bei anam-


komplikationen nestisch sich ähnelnden Beschwerden).

Literatur Varadhan KK et al. Safety and efficacy of antibiotics compared with appendectomy for treatment of uncom-
plicated acute appendicitis: meta-analysis of randomisied controlled trials. BMJ 2012; 344: e2156 doi:
10.1136/bmj.e2156

4.29 Hernien

Definition Angeborene oder erworbene Gewebeschwäche bzw. -lücke mit Ausstülpung des
parietalen Bauchfells ohne oder mit Hindurchtreten von Teilen des Gastrointesti-
naltrakts (meistens Darm). Problem: Inkarzeration von eingeklemmten Eingewei-
den, Passagestörung, Ileus.
██Äußere Hernie: Hernie überschreitet die Bauchwand.
██Innere Hernie: Ausstülpung innerhalb von Bauchfelltaschen.
Ösophageale Hernien s. Kap. 2.2.2, Hiatushernien.

Patho­ Diaphragmatische Hernien:


mechanismus ██kongenital:
–– Morgagni (anterior, sternokostal)
–– Bochdalek (posterior, lumbokostal)
██erworben:
–– ösophageale Hernien: axiale Gleithernie, paraösophageale Hernie, Misch-
form (s. Kap. 2.2.2, Hiatushernien)
–– posttraumatisch (einschließlich operative Verletzung)
278  4 Darm

–– Empyem bzw. subphrenischer Abszess (selten)


–– spontane Zwerchfellruptur (selten)

Bauchwandhernien (angeboren oder erworben):


██Nabelhernie: bei Kindern angeboren; bei Erwachsenen durch Erhöhung des int-
raabdominellen Druckes (Adipositas, Aszites)
██epigastrische Hernie: meist klein, häufig bei Männern mit schwerer körperli-
cher Arbeit, aber auch bei schlanken Frauen, Einklemmung von kleinen Fettbür-
zeln mit oder ohne Peritoneum
██Narbenhernie: erworben nach Laparotomie, prädisponierend sind Adipositas,
chronischer Husten, Wundheilungsstörung
██Spieghel-Hernie: selten (am lateralen Rand des M. rectus)
██seltene Formen: lumbale Hernie, Hernia obturatoria, ischiadica, perinealis
Leistenhernien, Femoralhernien:
██angeboren (seltener, unvollständiger Bauchdeckenschluss, Kinder) oder erwor-
ben: bedingt durch erhöhten intraabdominellen Druck, insbesondere schweres
Heben (prädisponierend: Übergewicht, Aszites, Schwangerschaft) und Bindege-
websschwäche (prädisponierend: Rauchen, höheres Alter, systemische Bindege-
webserkrankung)
██direkte Leistenhernie: medial der epigastrischen Gefäße, erworben
██indirekte Leistenhernie: lateral, durch den Leistenkanal, angeboren oder erwor-
ben
██Femoralhernie: durch Lacuna vasorum, erworben

Innere Hernien, kongenital oder erworben: meist postoperativ erworben, selten


kongenital durch Rotationsanomalien des Dünndarms hervorgerufen.

Pathologie 1. Bruchpforte, 2. Bruchsack (Auskleidung der Hernie durch parietales Peritoneum),


3. Bruchinhalt (meist Netz und Dünndarmschlingen), 4. Bruchwasser (Transsudat),
5. Bruchhüllen (die den Bruchsack umgebenden Schichten).

Epidemiologie ██ äußere Hernien: 95 %, innere Hernien: 5 %


██ Leisten- und Femoralhernie (75 % aller Hernien):
–– Vorkommen: bei 3 % aller Männer und 0,25 % aller Frauen
–– Häufigkeit: indirekte Hernie bei 65 % (M=F), direkte Hernie bei 30 % Männern
und 1,5 % Frauen, Femoralhernie bei 1,5 % Männern und 30 % Frauen
██ Narbenhernie: 10 %
██ Nabelhernie: bei 10 % aller Kinder (40–90 % bei farbigen Kindern), bei 20 % der
Patienten mit Leberzirrhose und Aszites
██ kongenitale Zwerchfellhernie: 1:2200 Geburten (Bochdalek viel häufiger als
Morgagni)

Assoziierte Systemische Bindegewebserkrankung, Leberzirrhose mit Aszites, Adipositas, ste-


Erkrankungen nosierender linksseitiger Kolontumor.

Klinische Diaphragmatische Hernien: Bochdalek-Hernie wird mit Luftnot beim Neugebo-


Charakteristika renen unmittelbar postnatal manifest in Abhängigkeit von der Größe des in den
Thorax hernierten Brucksacks; beim Erwachsenen in 50 % akutes Ereignis (Luftnot,
Schmerzen).
Bauchwand-, Leisten-, innere Hernien:
██Symptomatik abhängig von hernierten Organen (Zeichen des mechanischen Ile-
us mit Darminkarzeration, Gangrän): Bauchschmerzen, Stuhl- bzw. Windver-
4.30 Divertikulose – Divertikelkrankheit  279

halt, Übelkeit, Erbrechen; meist asymptomatisch, wenn keine hernierten Organe


oder wenn Organe (Darm) reponibel
██ bei Nabelhernien und epigastrischen Hernien auch uncharakteristische Abdo-
minalschmerzen, bei subtiler klinischer Untersuchung der Bauchdecke zuzuord-
nen

Wegweisende Anamnese, klinische Untersuchung (Bauchdecken- bzw. Nabelhernie, Leistenher-


Diagnostik nie); Sonografie (Bruchsackinhalt: Darm oder andere Organe); Röntgen-Thorax
(bei Verdacht auf diaphragmatische Hernie).

Zusatz­ Selten notwendig: Röntgen-Abdomenübersicht (bei Verdacht auf mechanischen


diagnostik Ileus), CT-Abdomen, CT-Thorax.

Differenzial­ ██ Diaphragmatische Hernien: Erkrankungen mit akutem Thoraxschmerz und


diagnose Dyspnoe: Pneumothorax, Herzinfarkt, rupturiertes Aortenaneurysma, Thora-
kalsyndrom, Trauma
██ Bauchdeckenhernien: Bauchdeckenhämatom; Stenose- bzw. Ileussymptomatik
durch andere zugrunde liegende Erkrankung (s. Kap. 4.31, Mechanischer Ileus),
bei uncharakteristischen Beschwerden bei kleinen Hernien: Dyspepsie, Reiz-
darmsyndrom, Magen- oder Duodenalulkus (s. Kap. 1.10, Bauchschmerzen)
██ Leistenhernie: tief sitzender Harnleiterstein, gynäkologische Ursachen, Appen-
dizitis, Divertikulitis, Leistenlymphome, Kolontumor

Therapie­ ██ Diaphragmatische Hernien: Bochdalek-Hernie: immer


indikation ██ Leistenhernie: nach Möglichkeit immer, da Gefahr der Inkarzeration von Darm
(zumal wenig belastender operativer Eingriff)
██ Nabelhernie: bei Kindern häufig Spontanverschluss (90 %), daher Zuwarten; bei
Erwachsenen mit Aszites: Therapie unter Einbeziehung des Gesamtzustands
(hohes Rezidivrisiko)
██ Bauchwandhernien: bei Erwachsenen immer ohne Aszites

Therapie Operative Herniotomie bis ins hohe Alter, elektiv oder als Notfalleingriff bei Kom-
plikation (die Leistenhernienoperation ist die häufigste abdominelle Operation);
Bruchband obsolet!

Verlauf und Inkarzeration, Gangrän der hernierten Organe, mechanischer Ileus.


Komplikationen Letalität bei Inkarzeration: bis zu 10 % bei Femoralhernien, bis zu 80 % bei inneren
Hernien.

Langzeit­ Auch bei lange bestehenden Hernien können akute Komplikationen wie Darmin-
komplikationen karzeration mit Gangrän auftreten; Rezidive: große Narbenhernien bis zu 50 %, an-
dere 1–15 %.

4.30 Divertikulose – Divertikelkrankheit

Definition Erworbene Divertikel stellen – in 80 % asymptomatische – Ausstülpungen der Mu-


kosa und Submukosa durch eine Muskellücke im Darm dar ohne Krankheitswert
per se (es handelt sich um Pseudo-Divertikel, da nicht alle Wandschichten hernie-
ren). Komplikationen wie Divertikulitis (s. Kap. 4.30.1) oder Divertikelblutung (s.
Kap. 4.30.2) können auftreten.
280  4 Darm

Ätiologie In den meisten Studien inverse Korrelation zwischen Aufnahme ballaststoffreicher


Nahrung und Divertikelbildung; Vegetarier entwickeln seltener Divertikel; keine
eindeutige Korrelation zwischen Obstipation bzw. Übergewicht und Divertikel. Die
Divertikelbildung korreliert positiv mit dem Alter.

Patho­ Divertikel entstehen an Muskelschwachstellen, d. h. an den Durchtrittsstellen der


mechanismus Vasa recta. Durch geringen Ballaststoffanteil entstehen kleine stuhlgefüllte Darm-
segemente mit vor- und nachgeschalteten kontrahierten Segmenten. Durch Lu-
menverengung erhöhter intraluminaler Druck mit Divertikelbildung an den
Schwachstellen, daher am häufigsten Divertikelbildung im Sigma (engste Stelle des
Kolon, „Hochdruckzone“).

Pathologie Konstante Verdickung der Ringmuskulatur, vermehrte Elastinablagerungen, er-


niedrigter Wandwiderstand, Verkürzung der Taenien mit Deformierung des Lu-
mens (Myochosis), Lumenverengung. Die Divertikelwand besteht aus Mukosa,
Submukosa und Serosa.
Lokalisation: 95 % Sigma, davon 35 % zusätzlich proximal; 4 % ausschließlich rechts-
seitige Divertikel.

Epidemiologie Prävalenz stark altersabhängig: 5 % mit 40 Jahren, 30 % mit 60 Jahren, 65 % mit 85


Jahren. Frauen:Männer = ca. 1:1. In „westlichen“ Ländern Prävalenz ca. 40 %, meis-
tens linksseitiges Kolon; in Afrika und Asien <1 %, meistens rechtsseitiges Kolon.

Klinische Symptomlos: 80 %. Bei 20 % linksseitige (Unter-)Bauchschmerzen, Obstipation,


Charakteristika Durchfall, Blähungen, davon 20 % Komplikationen (Divertikulitis oder Divertikel-
blutung).

Wegweisende Meist Zufallsbefund bei Koloskopie, Sonografie oder CT.


Diagnostik

Zusatz­ ██ Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung: Sonografie Nieren/Harmwege, evtl.


diagnostik gynäkologische Untersuchung
██ Labor: CRP, BB (Ausschluss entzündliche Erkrankung) ,Urinstatus

Differenzial­ Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom häufig schwierig; tumoröse oder entzünd-


diagnose liche, stenosierende Erkrankungen des Kolons, Nierensteine, gynäkologische Er-
krankungen, Appendizitis.

Therapie­ Nur bei klinischer Symptomatik.


indikation

Therapie ██ für regelmäßigen, weichen Stuhlgang sorgen: ballaststoffreiche Kost, Leinsa-


men (3-mal 1 Esslöffel/Tag), Weizenkleie in steigender Dosierung: 10–25 g/Tag
mit viel Flüssigkeit (2–3 l), Quellmittel: Plantago ovata (Flohsamen): 2 Teelöffel
abends mit 1 Glas Wasser
██ s. Kap. 4.12, Reizdarmsyndrom
██ Operation: die asymptomatische Divertikulose ist keine (prophylaktische) Ope-
rationsindikation!

Verlauf Die meisten Divertikelträger bleiben lebenslang symptomfrei! Nur 20 % werden


symptomatisch; davon entwickeln 20 % Komplikationen (Divertikulitis, Divertikel-
blutung).
4.30 Divertikulose – Divertikelkrankheit  281

Abb. 4.5 Die


Divertikel­ Divertikulose
krankheit und
ihre Komplika­
tionen.

asymptomatisch 80 % symptomatisch 20 %

unspezifische Symptome
20 % (DD Reizdarm)
Divertikulitis Divertikelblutung
20 % 60 %

unkompliziert kompliziert 25 % spontan interventions-


75 % – gedeckte Perforation sistierend bedürftig 25 %
(Abszess, perikolisch, 75 % – endoskopisch
pelvin) – angiografisch
– freie Perforation – operativ
– Fistel (Blase, Vagina,
Ovar etc.)
– Stenose
– Blutung

Komplikationen ██ Divertikulitis in 4–5 % (s. u.), Perforation, Abszess, Fistel


██ Divertikelblutung in 15 % (s. u.)

Abb. 4.5 zeigt die Divertikelkrankheit und ihre Komplikationen.

Selbsthilfe Ernährungsoptimierung, s. Therapie.

Literatur Diverticular disease. World Gastroenterology Organisation Practice Guidelines 2007. www.worldgastroen-
terology.org/global-guidelines.html
Gastroenterolup2date 2008; 4: 139–52
Kruis W. et al. Differentialdiadnose und Therapie von Divertikulose und Divertikulitis

4.30.1 Divertikulitis
Definition Komplikation der Divertikulose (s. Kap. 4.30). Spontane Entzündung von Diver-
tikeln durch Arrosionen und erhöhten intraluminalen Druck mit Ausbildung von
Mikro- oder Makroperforationen resultierend in unkomplizierter (75 %) oder kom-
plizierter Divertikulitis (25 %) mit klinisch gedeckter Perforation und Abszedierung
(ca. 35 %), freier Perforation (ca. 3–5 %), Stenose, Blutung oder Fisteln.
282  4 Darm

Patho­ Nicht eindeutig geklärt. Vermutlich durch im Divertikel festsitzenden Stuhl und
mechanismus dadurch bedingter Epithelarrosion ausgelöste Mikro- oder Makroperforation mit
lokaler Entzündungsreaktion. Anaerobier, gramnegative Erreger.

Pathologie Lokalisation: 95 % im Sigma; histologisch granulozytäre Entzündung, Mikroabszes-


se, Nekrosen, Mikro- und Makroperforation; Fisteln: kolovesikal (65 %), kolovaginal
(25 %), koloenteral, koloovarial.

Epidemiologie Bis 15–20 % der symptomatischen Divertikelträger.

Risikofaktoren Männliches Geschlecht, reduzierte Immunlage (Zustand nach Organtransplantati-


on, immunsuppressive Therapie, Chemotherapie), regelmäßige Einnahme von ASS
und NSAR, Peritonealdialyse, Diabetes mellitus. Alter <40 zeigt eher aggressiven
Verlauf.

Klinische In 93–100 % linksseitige Unterbauchschmerzen (selten rechtsseitige, je nach Sitz


Charakteristika der Divertikulitis), tastbare Resistenz; bei Perforation plötzlich einsetzende heftige
Schmerzen, u. U. lokale oder generalisierte Abwehrspannung (gedeckte oder freie
Perforation); Fieber (57–100 %), Leukozytose (69–83 %); häufig Durchfall, seltener
Obstipation, Appetitverlust, Erbrechen.
██bei kolovesikaler Fistel: nur 50 % Divertikulitis in Anamnese; Dysurie, Pneumatu-
rie, Fäkalurie in 50 % Erstmanifestation!
██bei Perforation bzw. Peritonitis: Symptomatik des akuten Abdomens!

Cave: blande oder modifizierte Symptomatik bei Patienten mit reduzierter Im-
munlage (v. a. immunsuppressive Therapie, Steroide)

Wegweisende ██ Abdomensonografie: (in geübter Hand hohe Sensitivität; aber Komplikationen


Diagnostik u. U. schwierig zu diagnostizieren): Darmwandverdickung, Lufteinschlüsse, Di-
vertikel, Peridivertikulitis, Fisteln, Abszess
██ CT-Abdomen mit oralem und/oder rektalem sowie intravenösem Kontrastmit-
tel: Methode der Wahl, insbesondere bei komplizierter Divertikulitis mit Ver-
dacht auf Abszess, Perforation, Fistel (Sensitivität 93–97 %, Spezifität: bis 100 %)

Zusatz­ ██ Labor: BB (Leukozytose, Linksverschiebung), BSG (erhöht), CRP (erhöht), Urin-


diagnostik status und Sediment
██ Koloskopie: im Intervall zum Tumorausschluss; bei akuter Divertikulitis wohl
erhöhte Perforationsgefahr
██ Röntgen-Abdomen: nur bei Verdacht auf Perforation, Ileus
██ Zystoskopie: bei Verdacht auf kolovesikale Fistel

Differenzial­ Tumor, entzündliche Darmerkrankung anderer Genese, insbesondere Morbus


diagnose Crohn (Anamnese!), Perforation anderer Genese, Appendizitis, ischämische Koli-
tis, Reizdarmsyndrom (fehlende Entzündungszeichen!) gynäkologische Ursachen,
(Adnexitis etc.), Nierenstein, Harnleiteraufstau bzw. Urosepsis.

Therapie­ Immer.
indikation

Stadien­ In Deutschland wird in der Regel die Einteilung nach Hansen und Stock verwendet
einteilung und (Abb. 4.6). Das therapeutische Vorgehen ist abhängig vom Schweregrad und wei-
Therapie teren Komplikationen.
4.30 Divertikulose – Divertikelkrankheit  283

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Abb. 4.6 Therapeutisches Vorgehen bei akuter komplizierter Divertikulitis.

Akute unkomplizierte Divertikulitis (Stadium I: Lokale Schmerzen, auf die Darm-


wand beschränkte Entzündung, im CT kein Befund, endoskopisch Schleimhaut-
rötung, wenig Entzündungszeichen): konservatives Vorgehen, Empfehlungen zur
Nahrungsänderung sind rein empirisch und sollten sich nach den Beschwerden
richten (Vermeidung blähender Nahrung, ballaststoffarm, evtl. vorübergehend
flüssige Kost); der Einsatz von Antibiotika ist empirisch begründet. Neueste Stu-
dien zeigen keinen eindeutigen Nutzen. Hospitalisation nicht erforderlich (außer
Risikopatienten). Falls Antibiotika gegeben werden, dann z. B. Ciprofloxacin 2-mal
250–500 mg/Tag, evtl. mit Metronidazol 3-mal 400 mg/Tag; Besserung sollte nach
24–72 h eintreten!
Akute komplizierte Divertikulitis: Stadium II a–c (Phlegmone, Abszess, Fistel,
Striktur, symptomatische Stenose, Peritonitis, freie Perforation) (Abb. 4.6): Hospi-
talisation sinnvoll bzw. notwendig, Nahrungskarenz, parenterale Ernährung, anti-
biotische Therapie. Ca. 30 % erleben einen zweiten Divertikulitisschub.
284  4 Darm

██ Stadium IIa: kann in 80 % erfolgreich konservativ therapiert werden. Außer bei


freier Perforation (Notfall-OP) konservativer Therapieversuch mit dem Ziel der
Stabilisierung, elektiver Diagnostik und falls notwendig elektiver Operation; Di-
vertikulitis in 5 % Fehldiagnose.
██ Stadium IIb: ist definiert durch eine gedeckte Perforation bzw. Abszess. Hier soll-
te gemeinsam gastroenterologisch/viszeralchirurgisch das Prozedere bespro-
chen werden, bei Abszess sonografisch oder CT-gesteuerte transabdominelle
Drainage. Resektion des divertikeltragenden Darmabschnitts vermutlich sinn-
voll, Rezidiv in ca. 40–50 % zu erwarten.
██ Stadium IIc: Freie Perforation: sofortige Operation

Operatives Ziel ist die elektive Operation mit einzeitigem Vorgehen, Vermeidung eines zwei-
Vorgehen zeitigen Vorgehens (vorübergehender Stomaanlage und Hartmann-Stumpf-Anlage
mit Stomarückverlagerung nach 3 Monaten), Resektion des entzündlich befalle-
nen Darmsegments, Wiederherstellung der Kontinuität, Resektion von Fisteln bzw.
Abszessen; laparoskopisches Vorgehen möglich, bei elektivem Eingriff in geübter
Hand sinnvoll.

Sonder­ Vorgehen bei Patienten mit reduzierter Immunabwehr (Glukokortikoidtherapie,


situationen immunsuppressive bzw. Chemotherapie, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Le-
berzirrhose): höhere Rate an Perforationen, Notwendigkeit zur OP häufiger, Perfo-
rationen werden eher verkannt, da klinische Symptomatik blande; häufig unzurei-
chendes Ansprechen auf Antibiotika, frühe Operation anstreben! Aber: postopera-
tive Mortalität höher als bei Immunkompetenten.
Rechtsseitige Divertikulitis: häufig verkannt! Nur 5–15 % werden präoperativ rich-
tig diagnostiziert, meistens als Appendizitis fehlgedeutet; Empfehlungen zum Vor-
gehen unterschiedlich, individuelle Entscheidung intraoperativ.
Fisteln: selten akute operative Intervention nötig, besser elektive Fistelresektion
in Kombination mit Darmsegmentresektion (einzeitige OP); zuvor diagnostische
Abklärung bezüglich Ätiologie (DD: Morbus Crohn, Tumor)
Rezidiv (chronisch rezidivierende Divertikulitis, Stadium III): Jeder weitere Diver-
tikulitis-Schub wird behandelt wie der erste. Da nur jeder 3. Patient einen weite-
ren Divertikulitisschub erleidet, sollte je nach Alter, Risikofaktoren und Gesamt-
zustand des Patienten sowie symptomfreiem Intervall die Entscheidung mit dem
Patienten getroffen werden, ob und wann eine elektive Resektion sinnvoll ist. Chi-
rurgische Therapieindikation ist im Wandel (und wird zurückhaltender gestellt).
Patienten <40 Jahre zeigen einen aggressiveren Verlauf, Männer häufiger betrof-
fen; diskutiert wird Resektion bereits nach 1. Divertikulitis, bislang kein einheit-
liches Vorgehen.

Langzeit­ Ballaststoffreiche Kost nach 4–6 Wochen wieder beginnen, keine eindeutigen Stu-
therapie/ dien vorhanden.
Prophylaxe ██Koloskopie nach 4–6 Wochen (Tumorausschluss)

Verlauf ██ komplizierte Divertikulitis: ca. 80–85 % Besserung unter konservativer Therapie,


15–20 % benötigen Operation
██ Rezidive verlaufen nicht notwendigerweise schwerer; prophylaktische OP nach
dem 2. Schub verhindert keine schweren Komplikationen im Verlauf
██ komplizierte Divertikulitis: Mortalität von 6–20 % bei Perforation

Langzeit­ ██ Rezidive in 20–30 % nach Abheilung einer einfachen Divertikulitis


komplikationen ██ chronische Stenose (meist Sigma), Fistel
4.31 Mechanischer Ileus  285

Germer CT, Groß V. Divertikulitis: wann konservativ, wann operativ behandeln? Dtsch Ärztebl 2007; 104:
Literatur
A3486–3491 (www.aerzteblatt. de > archiv > Divertikulitis)
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99(4): 532–539. doi: 10.1002/bjs.8688.

4.30.2 Divertikelblutung
Siehe auch Kap. 1.9.

Definition Spontane Blutung unterschiedlicher Intensität aus arrodiertem Divertikelgefäß.

Patho­ Das Gefäß, entlang dem das Divertikel entstanden ist, ist am Divertikelrand beson-
mechanismus deren mechanischen Kräften ausgesetzt und neigt zur Ruptur. Blutungsquelle in
49–90 % im rechten Kolon.

Risikofaktoren NSAR-Einnahme, ASS, Antikoagulanzien, Bluthochdruck.

Epidemiologie Ca. 15 % der Divertikelträger erleiden einmal im Leben eine Divertikelblutung.

Klinische Hämatochezie, in einem Drittel massiv mit Transfusionsbedarf, keine Schmerzen.


Charakteristika

Wegweisende Koloskopie. Häufig hat die Blutung jedoch sistiert. Auch Wiederholung der Kolos-
Diagnostik kopie sinnvoll, da nur in der akuten Blutung die Quelle lokalisiert und therapiert
werden kann (s. auch die Algorithmen zum differenzialdiagnostischen Vorgehen
bei gastrointestinalen Blutungen, Kap. 1.9).

Therapie ██ Wenn Blutungsquelle koloskopisch identifiziert: lokale Therapie mit Clip, OTSC,
Adrenalininjektion. Im Rahmen einer Angiografie: intravasale Therapie
██ OP-Indikation: Massentransfusion, wiederholt massive Blutung, konservativ
nicht zu beherrschende hämodynamische Instabilität
██ Vermeidung von Risikofaktoren

Verlauf Meist gutartig: 70–80 % der Blutungen sistieren spontan. Rezidivrate: 30 %, davon
50 % 2. Rezidiv.

Literatur Yamada A et al. Assessment of the risk factors of colonic diverticular hemorrhage. Dis Colon Rectum 2008;
51: 116–120
Strate LL et a. Use of aspirin or non-steroidal anti-inflammatory drugs increases risk for diverticulitis and
diverticular bleed. Gastroenterology 2011; 140: 1427–1433

4.31 Mechanischer Ileus

Definition Hochgradige oder komplette Passagestörung des Dünn- oder Dickdarms aufgrund
eines mechanischen inneren (Obturationsileus, z. B. Tumor, Entzündungen, Fremd-
körper) oder äußeren (Strangulationsileus, z. B. Adhäsion, Bride) Hindernisses. Ur-
286  4 Darm

sache für Ileus: in 80 % mechanisch bedingt (s. auch Kap. 4.32, Paralytischer Ileus);
Dünndarmileus: 70–80 %, Dickdarmileus: 20–30 %.

Patho­ Ursachen des mechanischen Dünndarmileus: häufig: Bride/Adhäsionen (50–70 %),


mechanismus/ Hernien (innere/äußere, 25 %), Tumor (benigne/maligne, 10 %), Peritonealkarzino-
Ursachen se; selten: Morbus Crohn, Gallenstein (meist vor der Bauhin-Klappe oder im Duo-
denum als „Bouveret-Syndrom“), Invagination (häufig assoziiert mit Neoplasma
oder Meckel-Divertikel), Bezoar, Fremdkörper, Strahlenfolge (auch nach Jahren!),
Ischämiefolge, Hämatom (Antikoagulation, Trauma), Endometriose.
Ursachen des mechanischen Dickdarmileus: häufig: kolorektales Karzinom (50 %),
Sigmadivertikulitis (mit entzündlicher Stenose, 10 %), Volvulus (Sigma, Colon as-
cendens, 10–15 %), Ovarialkarzinom/Peritonealkarzinose, Hernien, Koprostase
(insbesondere bei alten, bettlägerigen Patienten, Morbus Parkinson, Einnahme von
Opiaten und Psychopharmaka); selten: Colitis ulcerosa, Morbus Crohn, Strahlen-
folge, ischämische Kolitis mit Stenose, Endometriose, Fremdkörper, Adhäsion.

Patho­ Die pathophysiologischen Konsequenzen des Ileus werden von der Dauer der Ob-
physiologie struktion und dem Grad der Ischämie bestimmt. Initial entsteht durch Obstruk-
tion eine Ansammlung von Flüssigkeit bzw. Sekreten und Stuhl im Darmlumen,
dadurch kommt es zur zunehmenden Überdehnung der Darmwand; initial mit
Hypermotilität, später Paralyse, durch Stase Überwucherung des Darms mit Bak-
terien, Translokation von Bakterien in mesenteriale Lymphknoten und das Portal-
system mit Initiierung einer systemischen Infektion, letztlich Darmwandischämie,
Gangrän, Perforation, Peritonitis. Systemische Manifestation: periphere Hypovolä-
mie, Hypotension, Schock, Sepsis, Multiorganversagen.

Klinische ██ krampfartige Abdominalschmerzen (>90 %), Übelkeit, Erbrechen (70 %), bei tie-
Charakteristika fer sitzendem Dünndarmileus als Miserere (Stuhlerbrechen), Stuhl- und Wind-
verhalt (30 %), aufgetriebenes Abdomen, bei rektaler Untersuchung häufig leere
Ampulle
██ cave: bei chronischer Entwicklung bzw. partiellem Ileus (insbesondere im Ko-
lon) kann Diarrhö vorhanden sein = paradoxe Diarrhö! Peranaler Blutabgang
bzw. Hämatochezie (v. a. bei Tumor)
██ Allgemeinsymptome: Schwäche, Hypotonie, Tachykardie, Tachypnoe, Schock,
Oligurie, Verwirrtheit, Fieber, Exsikkose
██ Ausnahme: hoch, d. h. weit proximal sitzender Dünndarmileus: schwallartiges
Erbrechen (eher wie Magenausgangsstenose), auffallende Diskrepanz zwischen
heftigem Erbrechen und fehlenden sonstigen Abdominalzeichen! Röntgen-Ab-
domen: fehlende Luft im Dünndarm

Wegweisende Anamnese: Dauer der Beschwerden, Dauer des Stuhl-/Windverhalts, Voroperati-


Diagnostik onen
Klinische Untersuchung: überblähtes Abdomen; auskultatorisch Hyperperistaltik
oder in fortgeschrittenem Stadium geringer werdende Peristaltik, hochgestellte,
klingende Darmgeräusche; Narben, Hernien. Diffuser Druckschmerz bis zur Peri-
tonitis, rektal: leere Ampulle, aber auch stuhlgefüllt bei Koprostase oder Tumor
Röntgen-Abdomen im Stehen/im Liegen a. p. und Linksseitenlage: Spiegelbil-
dungen, aufgestellte Dünndarmschlingen, verdickte Darmwand, Luftansammlung
innerhalb der Darmwand, keine Luft distal des Hindernisses. Dickdarmileus: Di-
latation des Zökum Hinweis auf Schwere bzw. Dauer des Ileus: bei Durchmesser
>10 cm droht Ischämie, bei >13 cm Perforationsgefahr imminent. Regel: je weiter
proximal das Hindernis, desto weniger pathologische Dünndarmschlingen
4.31 Mechanischer Ileus  287

Sonografie: distendierte, mit Flüssigkeit und/oder Stuhl gefüllte Dünndarm- bzw.


Dickdarmschlingen, „Pendelperistaltik“; bei Tumoren oder Divertikulitis oder
chronisch entzündlicher Darmerkrankung gelingt häufig die Darstellung der Ob-
struktionsursache.
CT-Abdomen mit i. v. und oralem/rektalem wasserlöslichen KM: neben Darstel-
lung der Ileuslokalisation ist die Festlegung der Ätiologie >80 % und damit auch der
Therapie möglich.

Zusatz­ Labor: BB (Leukozytose), Diff-BB (Linksverschiebung), CRP, Elektrolyte, Kreatinin,


diagnostik Harnstoff, Blutgasanalyse (Azidose?), Laktat, INR
Orale Kontrastmittelgabe: bei inkomplettem oder kompensiertem Dünndarmile-
us kann orale KM-Gabe (wasserlösliches KM!) die Lokalisation des Hindernisses
häufig darstellen. Nebeneffekt: bei inkompletter Obstruktion zieht wasserlösliches
KM wegen hoher Osmolalität Wasser aus der ödematösen Darmwand, verflüssigt
Darminhalt und wirkt damit laxierend.
Retrograder Kontrasteinlauf mit wasserlöslichem KM: bei Kolonstenose zur Loka-
lisationsdiagnostik, bei Pseudoobstruktion hilfreich bei Differenzialdiagnostik und
Therapieentscheid, u. U. therapeutisch als laxierende Maßnahme. Ansonsten sollte
dem CT der Vorzug gegeben werden.

Differenzial­ Siehe Pathomechanismus sowie Kap. 4.33.4, Chronische intestinale Pseudoobst-


diagnose ruktion.

Therapie­ Immer; Dringlichkeit richtet sich nach Dauer und Intensität der Obstruktion (par-
indikation tiell/komplett), zugrunde liegendem Pathomechanismus und Allgemeinzustand
des Patienten.

Therapie Allgemeinmaßnahmen: Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich, Antibiotika bei


Sepsis bzw. Peritonitis, Schmerzbehandlung, Anlage einer nasogastralen Mage-
nablaufsonde (16–18 Ch), evtl. endoskopische Platzierung einer Dünndarmablauf-
sonde (Miller-Abbott-S. oder Dennis-S.). Frühzeitige Hinzuziehung des Chirurgen.
Abklärung der Operationsindikation: Dringlichkeit abhängig von Dauer und Aus-
maß (partiell oder komplett) der Obstruktion, Ischämiezustand des Darms und
Perforationsgefahr; engmaschige klinische Reevaluation (ca. alle 6 h); die Regel
„bei Vorliegen eines Ileus darf die Sonne weder auf noch untergehen“ hat an Be-
deutung verloren.
Sofortige OP-Indikation bei Verdacht auf Strangulationsileus oder Perforation.
Wasserlösliches KM oral bei Adhäsionsileus des Dünndarm: neben diagnostischer
Aussage abführende Wirkung → in 75 % kann OP vermieden werden (cave: jede OP
erhöht das Risiko erneuter Adhäsionen).
Koprostase: Abführmaßnahmen von rektal (und vorsichtig oral).
Volvulus: endoskopische Dekompression durch erfahrenen Koloskopiker.
Divertikulitis: je nach Stadium Abschätzen nach klinischem Verlauf, ob antibioti-
sche Therapie plus Allgemeinmaßnahmen ausreichen oder OP-Indikation gegeben
(s. Kap. 4.30.1).
Morbus Crohn, Colitis ulcerosa: im akuten Schub kann es zu hochgradiger ent-
zündlicher Darmwandverschwellung kommen. In enger Absprache mit dem Chi-
rurgen ist ein Therapieversuch mit Steroiden häufig gerechtfertigt (s. Kap. 4.15).
Peritonealkarzinose: sofern keine sofortige OP-Indikation vorliegt: konservati-
ves Vorgehen wie o. a. Bei fortgeschrittenem Tumorleiden und starkem Erbrechen
kann die Anlage einer PEG als Ablaufsonde erleichternd sein.
288  4 Darm

Verlauf
██ bei kompletter Dünndarmobstruktion: ca. 75–85 % aller Patienten müssen ope-
riert werden
██ bei kompensierter/inkompletter (Adhäsions-)Dünndarmobstruktion: Besse-
rung der Symptomatik unter konservativen Maßnahmen in 75 %
██ bei Sigmavolvulus: durch endoskopische Dekompression in 60 % Operation ver-
meidbar, aber bis zu 50 % Rezidive
██ bei Invagination: beim Erwachsenen Operation indiziert, da zu 90 % assoziiert
mit Neoplasma, Meckel-Divertikel etc.
██ bei Koprostase: Prognose gut, Prophylaxe durch konsequente abführende Maß-
nahmen
██ bei Peritonealkarzinose: operativer Eingriff bei Ileus führt zu hoher 30-Tage-
Letalität (20 %) und hoher Morbidität (40 %, Wundinfekt, Abszesse, Fisteln, Em-
bolie)

Langzeit­ Rezidivgefahr bei konservativer Behandlung je nach Ursache; Kurzdarmsyndrom


komplikationen bei ausgedehnten Dünndarmresektionen; postoperativer Adhäsionsileus.

Literatur Holzer K, Bechstein WO. Ileus. Gastroenterol up2date 2007; 3: 97–112

4.32 Paralytischer Ileus

Definition Passagestörung von Darminhalt durch fehlende Motilität (Darmlähmung) als Be-
gleitphänomen bzw. Komplikation intra- oder extraabdomineller Erkrankungen.

Patho­ Intraabdominelle Ursachen:


mechanismus ██reflektorisch: postoperativ nach abdominellen Eingriffen, Trauma
██entzündlich: akute Pankreatitis, akute Cholezystitis, gallige Peritonitis, eitrige
Peritonitis, intraabdomineller Abszess, intraperitoneale Blutung, toxisches Meg-
akolon, Appendizitis, Divertikulitis, Strahlenfolge
██ischämisch: mesenteriale arterielle Durchblutungsstörung (akut/chronisch), Me-
senterialvenenthrombose, Endzustand mechanischer Ileus
██sonstige: intestinale Pseudoobstruktion

Retroperitoneale Ursachen:
██urologisch: Nierenkolik, Pyelonephritis, Neoplasie
██traumatisch: retroperitoneales Hämatom, spinales Trauma, Wirbelkörperfraktur
██entzündlich: akute Pankreatitis, Psoasabszess

Extraabdominelle Ursachen:
██reflektorisch: Kraniotomie, Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelkörper-/Rippen-/Be-
ckenring-Frakturen, Verbrennungen, offene Herzoperationen, koronare Bypass-
Operation, Pneumonie, Lungenembolie, Myokardinfarkt
██medikamentös: Beatmung mit Sedierung mit oder ohne Relaxierung, Opiate, tri-
zyklische Antidepressiva, Phenothiazine, Anticholinergika, Ganglionantagonis-
ten, Chemotherapeutika
██metabolisch: Sepsis, Elektrolytstörung (insbesondere Hypokaliämie!), Urämie,
diabetische Ketoazidose, Hypothyreose, respiratorische Insuffizienz, Porphyrie,
Blei- bzw. Quecksilbervergiftung, Sichelzellanämie

Pathologie Dilatation des Dünn- bzw. Dickdarms durch Lähmung der Muskulatur, Stase des
Darminhalts, Durchwanderungsperitonitis und Perforation als Komplikation.
4.33 Motilitätsstörungen des Darms  289

Klinische Meteorismus, aufgetriebenes Abdomen, diffuse Schmerzen, fehlende Darmgeräu-


Charakteristika sche, „Plätschern“ bei Palpation des Abdomens, Hypotonie bis Schock, Fieber (ent-
zündliche Genese), Nierenversagen.

Wegweisende Anamnese: Da es sich beim paralytischen Ileus nicht um eine Erkrankung per se,
Diagnostik sondern um ein Begleitphänomen bzw. eine Komplikation handelt, ist die Kennt-
nis der Anamnese, Begleiterkrankungen, Voroperationen, Medikamenteneinnah-
me von essenzieller Bedeutung.
Klinische Untersuchung: Essenzielle Hinweise auf Ursache (abdominell, v. a. auch
bei extraabdominellen Ursachen)
Röntgen-Abdomen im Stehen/im Liegen a. p. und in Linksseitenlage: diffus dila-
tierte, mit Luft und Flüssigkeit gefüllte Darmschlingen, Spiegelbildungen uncha-
rakteristisch verteilt.

Zusatz­ Abklärung der Ursache nach Anamnese und klinischer Untersuchung.


diagnostik Sonografie, CT Abdomen: Hinweise auf abdominelle Ursache.

Differenzial­ Siehe Pathomechanismus; mechanischer Ileus.


diagnose

Therapie­ In Abhängigkeit vom Schweregrad der Darmdilatation (drohende oder inzipiente


indikation Perforation: OP-Indikation).

Therapie Allgemein: nasogastrale Magenablaufsonde, Nahrungskarenz, Elektrolytausgleich,


Korrektur des Säure-Basen-Haushalts, Volumengabe, Antibiotika bei Fieber bzw.
entzündlicher Grunderkrankung.
Speziell: Beseitigung der auslösenden Ursache, vgl. Pathomechanismus.
Bei reflektorischer und medikamentöser Ursache: Prokinetika wie Neostigmin
0,5 mg i. v. über 2–6 h (hemmt Cholinesterase), evtl. Caeruletid 40 μg i. v. über 2–6
h (direkte Stimulation der glatten Muskulatur, cave Pankreatitis! Evtl. Periduralka-
theter zur Sympathikolyse.
Toxisches Megakolon: s. Kap. 4.16.
Intestinale Pseudoobstruktion: cave Operation! Konservative Therapie: s. Kap.
4.33.4, Chronische intestinale Pseudoobstruktion.

Verlauf Abhängig von der Grunderkrankung und deren Beseitigung.

Langzeit­ Keine Rezidive per se, sofern die Grunderkrankung beseitigt ist, außer bei intesti-
komplikationen naler Pseudoobstruktion.

Literatur Holzer K, Bechstein WO. Ileus. Gastroenterol up2date 2007; 3: 97–112

4.33 Motilitätsstörungen des Darms

Definition Erworbene, sekundäre (häufig) oder angeborene (selten) Störung der Peristaltik
und des Transports des Darminhalts, die durch Störungen im enterischen Nerven-
system, der enterischen Muskulatur, begleitender Strukturen oder durch Misch-
formen hervorgerufen sein können. Als chronische Motilitätsstörung im eigentli-
chen Sinne werden die CIPO (chronisch intestinale Pseudoobstruktion), die ACPO
(Akute kolonische Pseudoobstruktion oder Ogilvie-Syndrom), das IMC (idiopathi-
sches Megakolon), der Morbus Hirschsprung und weitere primäre neuromuskulä-
290  4 Darm

re Erkrankungen, die STC („slow transit constipation“) und anorektale Funktions-


störungen gezählt.

Klinische Die meisten Motilitätsstörungen verursachen Obstipation. Die Symptome sind


Charakteristika sehr variabel, es gibt keine pathognomonischen Beschwerden für definierte Er-
krankungen. Meistens bestehen jedoch vielerlei Beschwerden, die zeitlich und an
Intensität variieren.
Entscheidend und indikativ für die weitere Diagnostik sind der Leidensdruck,
Mangelerscheinungen, drohende Perforation, Vermeidung unnötiger Operationen
bei Pseudoobstruktion (CIPO, s. u.).

Diagnostik Röntgen-Abdomen im Stehen/a-p und Linksseitenlage: Überblähung, Koprostase,


Dünn- und/oder Dickdarmdilatation, Spiegel? (Ausschluss mechanische Obstruk-
tion!)
Sonografie: Darmdilation, Motilitätsstörung, funktionsgestörte Darmschlingen,
Darmwandverdickung
Labor: Motilitätsstörungen verursachen per se keine Laborveränderungen. Bei
längerem Bestehen kann es jedoch zu Elektrolytstörungen, Eiweißverlust (insbe-
sondere bei Diarrhöen) und Mangelerscheinungen durch reduzierte Nahrungsauf-
nahme kommen. Andererseits können Motilitätsstörungen Folge von Elektrolyt-
störungen (Kalium), entzündlichen Erkrankungen (Sklerodermie u. a.), Diabetes
mellitus sein. Insbesondere die Diagnose der CIPO (s. u.) beinhaltet als sekundäre
Motilitätsstörung viele mögliche Laborveränderungen, die ursächlich diagnose-
weisend sein können.
Ileokoloskopie: häufig nicht wegweisend (aber essenziell zum Ausschluss einer
Stenose/Tumor). Auffallend langes oder weites Kolon, Melanosis coli kann auf si-
gnifikante Obstipation plus Laxanziengebrauch hindeuten. Biopsien für die Ab-
klärung von Durchfallsymptomatik (mikroskopische Kolitis, Eosinophile Enteritis,
Mastozytose etc.). Bei Verdacht auf angeborene Innervationsstörung wie Morbus
Hirschsprung s. u.
ÖGD inkl. Duodenalbiopsie: Abklärung Motilitätsstörung plus Diarrhö (s. Kap.
1.13), aber auch Beurteilung der Ösophagus- und Magenmotilität (s. Kap. 2.4, Kap.
3.3), die im Rahmen der Grunderkrankung mit gestört sein kann.
MR-Sellink: Dünndarmdarstellung, Ausschluss Tumor/entzündliche Dünndarmer-
krankung.
Transittests: Magenentleerung (Szintigrafie), Dünndarmtransitzeit: orozökale
Transitzeitbestimmung mit H2-Laktulose-Atemtest (s. Kap. 14.1.3.) Hinton-Test
(Patient schluckt röntgendichte Marker zur Bestimmung des Kolontransits).

Tab. 4.21 Symp­ Beginn in Kindheit/Jugend Beginn im Erwachsenenalter


tomatik bei Moti­
Unwohlsein, Übelkeit Erbrechen
litätsstörungen
des Darms. Blähungen, Meteorismus Völlegefühl, Aufgetriebensein, Umfangszu­
nahme

Druck, Schmerzen Krampfartige Schmerzen

Durchfall gelegentlich Diarrhöen, Malabsorption, Eiweißverlust

Obstipation Koprostase, Ileus

Akute, vorübergehende Beleiterscheinung Chronische/rezidierende Beschwerden bzw.


Motilitätsstörung
4.33 Motilitätsstörungen des Darms  291

Manometrie: selten indiziert, bei ausgeprägter Obstipation nach Ausschluss einer


sekundären Ursache, therapeutischer Nutzen nicht geklärt.
Histologie-Gewinnung: Nur bei schwerer Obstipation und Verdacht auf struktu-
relle neuromuskuläre Schädigung:
██Rektale Saugbiopsie: bei Verdacht auf Morbus Hirschsprung (Kinder)
██Ganzwandbiopsie (nur chirurgisch möglich): Vorgehen s. Leitlinie DGVS

Differenzial­ ██ Mechanische Obstruktion/Ileus


diagnose ██ Entzündliche Erkrankungen: Gastroenteritis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Di-
vertikulitits, HIV-Enteropathie

Literatur Keller J. et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM)zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z.Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de

4.33.1 M
 orbus Hirschsprung und andere primäre
­neuromyopathische Erkrankungen des Darms
Zu den neuromyopathischen Erkrankungen zählen (Auswahl):
██Aganglionose (Morbus Hirschsprung)
██Hypoganglionose
██Ganglioneuromatose
██Intestinale neuronale Dysplasie (IND)
██Mitochondriale Neuropathie
██Primäre Myopathie (Morbus Duchenne, myotone Dystrophie)
(Übersicht und histopathologische Klassifizierung s. Leitlinie DGVS)

██ Morbus Hirschsprung

Definition Angeborene Aganglionose eines unterschiedlich langen Darmabschnitts, die soli-


tär oder in Kombination mit anderen Anomalien vorkommt; häufigste Form der
Innervationsstörungen (ca. 65 %).

Patho­ Fehlendes oder unvollständiges Einwandern von Zellen der Neuralleiste in den
mechanismus Darm während der Embryonalzeit. Als Ersatz Einwandern von parasympathischen
Nervenfasern aus S 2–4, die infolge fehlender Ganglienzellen unkontrolliert Ace-
tylcholin entladen und zu einer Dauerkontraktion des Darmsegments führen. Die
Nervenfasern enthalten vermehrt Acetylcholinesterase (AChE). Durch Dauerkon-
traktion eines Darmsegments entsteht Obstipation und Dilatation des vorgeschal-
teten Darms.

Pathologie Befallsmuster:
██ultrakurzes Segment: Vorkommen in 3 %, reicht bis maximal 3 cm oberhalb der
Anokutanlinie
██kurzes Segment: häufigste und „klassische“ Form, 63 % aller Innervationsstörun-
gen, Befall des Rektosigmoids
██langes Segment: über Colon descendens hinaus
██totaler Kolonbefall (Zuelzer-Wilson-Syndrom)
██Kolon- und Dünndarmbefall
██Befall des gesamten Verdauungstrakts
292  4 Darm

Betroffenes Darmsegment: Ganglienzellen fehlen in der Submukosa und im Ple-


xus myentericus, Hyperplasie oder Hypertrophie von Nervenfasern möglich; Ver-
mehrung AChE-positiver Nervenfasern in Lamina propria und Muscularis propria.

Genetik Bislang 8 Mutationen bekannt, am häufigsten (95 %) ist Rezeptor-Tyrosinkinase-


Gen (RET) auf Chromosom 10 betroffen. Vererbungsrisiko steigt mit der Länge des
betroffenen Darmabschnitts und der Anzahl betroffener (insbesondere weiblicher)
Familienmitglieder. Aganglionose distal des Sigmas mit sehr geringer Penetranz
verglichen mit proximaler Aganglionose.

Epidemiologie Inzidenz: 1:5000 Geburten; Verhältnis m:w = 4:1.

Assoziierte ██ Mikrozephalie, Hypertelorismus, Iriskolobom, Minderwuchs, Lernschwierigkei-


Erkrankungen ten (Chromosomendeletionen!)
██ bilateral 2-farbige Iris
██ Polydaktylie, einseitige Nierenagenesie, Taubheit, Hypertelorismus
██ ulnare Polydaktylie, Polysyndaktylie der Großzehen, Ventrikelseptumdefekt
██ hypoplastische Nägel, Gesichtsfehlbildungen, bilaterale Hydronephrose, imper-
forierter Anus, Inguinalhernie
██ kongenitales, zentrales Hypoventilationssyndrom
██ 13q-Syndrom
██ Down-Syndom (bei ca. 6 % dieser Patienten Morbus Hirschsprung)
██ Waardenburg-Syndrom (autosomal-dominant): Dystopia canthorum, breite Na-
senwurzel, Taubheit, weiße Hautpartien
██ Waardenburg-Shah-Syndrom (autosomal-rezessiv): weiße Augenbrauen und
Wimpern, mosaikfarbene Iris

Klinische Mekoniumileus innerhalb 48 h postpartal in 95 %; chronisch: Obstipation unter-


Charakteristika schiedlicher Ausprägung seit Geburt, Aufgetriebensein.

Wegweisende Anamnese: seit Geburt Obstipation.


Diagnostik Endoskopisch entnommene Biopsie des betroffenen Segments: a) fehlende Gan-
glienzellen, b) vermehrte AChE-Aktivität.

Zusatz­ ██ Röntgen-Abdomenübersicht: Megakolon


diagnostik ██ ultrakurzes Segment:
–– digitale Untersuchung: weites Rektum, keine Relaxation beim Pressen
–– Manometrie: keine Relaxation beim Pressen und bei Dehnung
██ kurzes Segment: retrograder Kontrasteinlauf des Kolons: Darstellung des ultra-
kurzen Segments nicht möglich, da dies in Höhe der Anokutanlinie liegt

Differenzial­ Tumorstenose, Motilitätsstörung anderer Genese, habituelle Obstipation.


diagnose

Therapie­ Intraktable Obstipation


indikation

Therapie Operativ: Entfernung des betroffenen Segments, u. U. Entlastungskolostoma pri-


mär notwendig.
Konservativ: Laxanzien (Laktulose, Movicol), Vermeidung motilitätshemmender
oder obstipierender Medikamente.
4.33 Motilitätsstörungen des Darms  293

Verlauf Chronische Obstipation; auch nach operativer Korrektur verbleibende Motilitäts-


störung möglich.

Komplikationen Mit Morbus Hirschsprung assoziierte Enterokolitis, v. a. postoperativ (hochakutes


Krankheitsbild mit bakteriell/toxischer Enterokolitis, Peritonitis, Perforation, Sep-
sis); Volvulus (selten).

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4.33.2 Megakolon
Definition Abnorme Erweiterung des Kolons.

Ursachen mechanische Obstruktion mit prästenotischer Dilatation


anale Prozesse: Analfissur, schmerzhafte Defäkation, Tumor, Rektozele, Anal-
██

bzw. Rektumprolaps und dadurch reaktiv reduzierter Defäkation


akute und chronische Pseudoobstruktion (s. Kap. 4.33.3 und Kap. 4.33.4)
██

toxisches Megakolon (s. Kap. 4.16)


██

Morbus Hirschsprung und andere primäre neuromyopathische intestinale Stö-


██

rungen (s. o.)


Hypothyreose; Hypokaliämie
██

chronische Obstipation (habituell)


██

Idiopathisches Megakolon (IMC)


██

STC („slow transit constipation“)


██

Systemerkrankungen mit Darmbeteiligung: Amyloidose, Sklerodermie, SLE,


██

Morbus Parkinson, Rückenmarkerkrankung, multiple Sklerose, myotone Dystro-


phie, Chagas-Krankheit
medikamentös-toxisch: Laxanzienabusus, Opiate, Sedativa, Bleiintoxikation
██

Klinische Ein Megakolon kann Folge einer mechanischen Obstruktion oder funktionellen
Charakteristika Motilitätsstörung des Kolons sein und als führendes Symptom Obstipation verur-
sachen (aber auch Durchfall ist möglich!). Andererseits kann schwere chronische
Obstipation zum Megakolon führen. Weitere Beschwerden bzw. Befunde: gebläh-
tes, tympanitisches Abdomen, je nach Ursache mit oder ohne Darmgeräusche, Pe-
ritonitis, Diarrhöen, Hämatochezie.

Wegweisende Rektal-digitale Untersuchung (schmerzhaft? Fissur? Stenose? Stuhl?)


Diagnostik ██Röntgen-Abdomenübersicht
██CT-Abdomen: evtl. hilfreich in der differentialdiagnostischen Ursachenforschung

Therapie Entsprechend der zugrunde liegenden Erkrankung.

4.33.3 Akute kolonische Pseudoobstruktion (ACPO)


Synonym Ogilvie-Syndrom.

Definition Zeichen der akuten mechanischen Obstruktion des Kolons ohne nachweisbare Ob-
struktion im Rahmen einer schweren Grunderkrankung.
294  4 Darm

Patho­ Imbalance zwischen sympathischer und parasympathischer Regulation der Kolon-


mechanismus motilität, Überwiegen der sympathischen Aktivität mit Hypomotilität, Schädigung
parasympathischer Fasern S 2–4 aufgrund lokaler Ursachen:
██spinales oder retroperitoneales Trauma (10 %)
██Infektion: Pneumonie, Sepsis (10 %)
██herzchirurgischer Eingriff; Herzinsuffizienz, Herzinfarkt (10 %)
██andere Operationen: gynäkologisch, urologisch, neurochirurgisch, thoraxchirur-
gisch
██Elektrolytstörung (Hypokaliämie, Hypokalzämie, Hypomagnesämie)
██Medikamente: Narkotika (Anästhesie), Opiate
██Tumor (retroperitoneal)
██endokrin/metabolisch: Hypothyreose, Phäochromozytom, respiratorische Insuf-
fizienz, fortgeschrittene Niereninsuffizienz

Epidemiologie Männer > Frauen, Alter > 60 Jahre.

Klinische Bauchschmerzen (80 %), Übelkeit und Erbrechen (60 %), Obstipation, Stuhl-, Wind-
Charakteristika verhalt, auch paradoxe Diarrhöen (bis 40 %); zunehmender Bauchumfang durch
überblähtes Kolon, dadurch beeinträchtigte Atmung.

Wegweisende Klinische Untersuchung: geblähtes Abdomen, Darmgeräusche vorhanden (90 %);


Diagnostik peritonitische Zeichen entsprechen drohender Perforation!
Röntgen-Abdomenübersicht: massiv dilatiertes Kolon (bis zu 10–12cm) vom Zö-
kum bis linke Flexur, selten bis zum Rektum.
CT-Abdomen mit retrograder/oraler und intravenöser KM-Gabe: zum Ausschluss
einer mechanischen Obstruktion (wasserlösliches KM!), entzündliche abdominel-
le/retroperitoneale Ursache.

Zusatz­ ██ Labor: Na, K, Ca, Mg, BB, CRP, Kreatinin, Harnstoff, TSH, Laktat, Blutgasanalyse
diagnostik ██ Retrograder Kontrastmitteleinlauf (falls CT nicht möglich)
██ EKG; weitere spezifische Diagnostik entsprechend Anamnese

Differenzial­ Mechanische Obstruktion, toxisches Megakolon, Perforation, Ischämie, Volvulus.


diagnose

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie Frühzeitiges gemeinsames Vorgehen von Internist/Chirurg. Allgemeinmaßnahmen


(in 85 % erfolgreich): Nahrungskarenz, nasogastrale Magenablaufsonde, parentera-
le Ernährung, Elektrolytausgleich, Absetzen motilitätshemmender Medikamente,
Bewegung des Patienten sofern möglich, Beheben möglicher kausaler Ursachen.

Therapie­ Falls nach 2–4 Tagen keine Besserung erfolgt:


versagen ██Neostigmin 2 mg i. v. (cave Kontraindikationen): Erfolgsrate ca. 80 %, geringe Re-
zidivrate (falls erste Neostigmingabe ohne Erfolg ist erneute Gabe wenig Erfolg
versprechend)
██koloskopische Dekompression: wenn zökaler Durchmesser >10 cm, Darmreini-
gung nur mit Einläufen, Vorgehen bis ins Colon transversum in der Regel aus-
reichend (Erfolg: ca. 70 %, Rezidiv: ca. 40 %), erhöhte Perforationsgefahr (1–3 %);
endoskopische peranale Platzierung einer Dekompressionssonde erwägen
██Operation: nach Ausschöpfung aller konservativer Maßnahmen (erhöhte peri-
operative Morbidität) Kolonteilresektion oder Zökostoma-Anlage; meistens nur
bei Patienten mit Ischämie oder Perforation notwendig
4.33 Motilitätsstörungen des Darms  295

Verlauf Mortalität: ca. 15 %; Faktoren für erhöhte Mortalität sind:


höheres Lebensalter
██

zökaler Durchmesser >14 cm: 2-fach erhöhte Mortalität


██

Dauer des Megakolons >7 Tage: 5-fach erhöhte Mortalität


██

Ischämie oder Perforation vorhanden: 40 % Mortalität


██

Literatur ASGE Standards of practice committee. The role of endoscopy in the management of patients with known
and suspected colonic obstruction and pseudo-obstruction .Gastrointest Endosc 2010; 71: 669–679.
www.asge.org

4.33.4 Chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO)


Definition Die chronische intestinale Pseudoobstruktion (CIPO) ist ein seltenes Krankheits-
bild mit Symptomen und Zeichen der Obstruktion meist im Dünndarm (aber auch
alle anderen Abschnitte des Magendarmtrakts) ohne mechanisches Hindernis; he-
terogenes Krankheitsbild mit Ursache im enterischen Nervensystem, dem extrin-
sischen Nervensystem oder der glatten intestinalen Muskulatur.

Patho­ Meist sekundär, selten angeboren.


mechanismus Neuropathisch:
██infiltrativ/entzündlich (autoimmune Ganglionitis): progressiv systemische Skle-
rose; Amyloidose
██endokrin: Diabetes mellitus, Hypoparathyreoidismus, Hypothyreose, Phäochro-
mozytom
██infektiös: Chagas-Krankheit, CMV, EBV, Morbus Kawasaki (Vaskulitis im Kindes-
alter fraglich infektiöser Ätiologie)
██medikamentös-toxisch: trizyklische Antidepressiva, Narkotika, Antiparkinson-
mittel, Opiate, Anticholinergika, Antihypertensiva (Clonidin, Kalziumantagonis-
ten), Vincristin, Laxanzien(-abusus), Alkohol
██paraneoplastisch: Bronchialkarzinom, gynäkologische Tumoren, Karzinoid, Thy-
mom
██idiopathisch
██seltene sporadische und hereditäre Neuropathien
██neurologische Systemerkrankungen: Morbus Parkinson, Encephalitis disseminata

Myopathisch:
infiltrativ/entzündlich (autoimmune Myositis): primär oder bei rheumatologi-
██

schen Systemerkrankungen
hereditär: Morbus Duchenne, myotone Dystrophie, mitochondriale Myopathie
██

Klinische Rezidivierende oder chronische Zeichen der intestinalen Obstruktion (bis zum
Charakteristika Ileus): Aufgetriebensein, Völlegefühl (75 %), Bauchschmerzen (58 %), Obstipation
(48 %), Übelkeit und Erbrechen (36 %), Appetitverlust, Gewichtsverlust.
Beteiligung von Ösophagus und Magen häufig, von Gallenwegen und ableitenden
Harnwegen möglich.

Wegweisende Anamnese: Begleiterkrankung, Medikamenteneinnahme


Diagnostik ██Röntgen-Abdomen: dilatierte, luft- und flüssigkeitsgefüllte (Dünn-)Darmschlin-
gen, Spiegel
██Labor: K, Ca, Na, Säure-Basen-Haushalt, Albumin, BB, BSG, BZ, HbA1c, TSH;
ANA, Scl70; CMV, EBV, HSV, Trypanosoma; Ak gegen neuronale Zellbestandteile
(ANNA-1 u. a.)
296  4 Darm

Zusatz­ Koloskopie mit Biopsie: Amyloidose, CMV, Morbus Hirschsprung


diagnostik
██ÖGD inkl. Biopsie: zugrunde liegende Erkrankung? Amyloidose? Tumor?
██zum Ausschluss mechanischer Ursachen: ggf. MR-Sellink, CT-Abdomen mit retro-
grader/oraler und intravenöser KM-Gabe
██Abklärung spezifischer Ursachen entsprechend möglichem Pathomechanismus
██Gastroduodenal-jejunale Manometrie: unterscheidet zwischen CIPO und Nor-
malbefund, zwischen neurogener, myogener oder mechanischer Ursache der
(Pseudo-)Obstruktion

Differenzial­ Mechanische Obstruktion, akute Pseudoobstruktion des Kolons, Morbus Hirsch-


diagnose sprung, Porphyrie.

Therapie­ Symptomatische Patienten sollten behandelt werden


indikation und ██Ziel: ausreichende Ernährung gewährleisten, Verbesserung der intestinalen Pro-
-ziel pulsion, Linderung von Beschwerden, Vermeidung von Komplikationen (z. B.
bakterielle Fehlbesiedlung)
██Vermeidung unnötiger Laparatomien!

Therapie Allgemein: Absetzen motilitätshemmender Medikamente, Elektrolytausgleich,


Therapie zugrunde liegender Erkrankung, ausreichende Nahrungszufuhr, viele
kleine Mahlzeiten, selten auch PEG-Anlage sinnvoll
Medikamentös:
██Erythromycin 3 mg/kg KG alle 8 h i. v. über 5–7 Tage, orale und Langzeitwirkung
bislang nicht nachgewiesen
██Metoclopramid bis zu 4-mal 10 mg/Tag (Versuch)
██Octreotid: bei Sklerodermie untersucht: 50 μg s. c. zur Nacht
██Neostigmin: fraglich, bei akuter Pseudoobstruktion des Kolons (s. Kap. 4.33.3)
Effekt nachgewiesen
██Prucaloprid: ausschließlich bei Frauen mit anderweitig nicht behandelbarer Ob-
stipation zugelassen (in der Regel nicht CIPO sondern chronische kolonische Ob-
stipation)
██Analgetika: bei vorherrschendem Bauchschmerz u. U. unumgänglich (Opiate
nach Möglichkeit vermeiden)

Therapie­ Operatives Vorgehen: zurückhaltende Indikation, Resektion regional betroffener


versagen Abschnitte, Stomaanlage.
Experimentell: Dünndarm-Transplantation (bei Kindern), Dünndarmschrittma-
cher-Implantation.

Verlauf Häufig Rezidive, zunehmende nutritive Unterversorgung, Komplikationen wie Perfo-


ration, Peritonitis möglich; Prognose nach Absetzen ursächlicher Medikamente gut.

Langzeit­ Gewichtsabnahme, Mangelernährung, bakterielle Fehlbesiedlung, Verschlechte-


komplikationen rung durch rezidivierende (unnötige) Laparatomien.

Literatur Seidl H et al. Chronische intestinale Pseudoobstruktion – Übersicht und Update 2008. Z Gastroentrol 2008;
46: 704–711
Stanghellini V et al. Chronic intestinal pseudo-obstruction: manifastations, natural history and manage-
ment. Neurogastroenterol Motil 2007; 19: 440–452
Keller J et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen
(DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) zu Definition,
Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie intestinaler Motilitätsstörungen. Z. Gastroenterol 2011; 49:
374–390. www.dgvs.de
4.35 Strahlenenterokolitis  297

4.34 Diversionskolitis

Definition Entzündliche Veränderungen in einem operativ ausgeschalteten und zuvor ent-


zündungsfreien Darmabschnitt, meist im Rektumstumpf nach endständiger Kolo-
stoma-Anlage (Hartmann-OP).

Patho­ Ursächlich vermutlich auf Mangel an kurzkettigen Fettsäuren zurückzuführen;


mechanismus makroskopisch Erosionen, Ulzera; mikroskopisch: Neutrophileninfiltration, Kryp-
und Pathologie tenabszesse.

Klinische Peranaler Abgang von Schleim oder Blut, abdominelle Krämpfe, häufig aber asym-
Charakteristika ptomatisch.

Therapie Wiederherstellung der Darmkontinuität anstreben. Einläufe mit kurzkettigen Fett-


säuren (schwierig in die Praxis umzusetzen, starke Geruchsbildung!); anekdoti-
sche Berichte über positiven Effekt mit Mesalazin-Klysmen.

Literatur Harig JH et al. Treatment of diversion colitis with short chain fatty acid irrigation. N Engl J Med 1989; 320: 23

4.35 Strahlenenterokolitis

Definition Akute (bis 3 Monate nach Bestrahlung) und/oder chronische Schädigung der Darm-
wand durch therapeutische Strahlenapplikation (insbesondere Tumoren von Rek-
tum, Uterus, Zervix, Ovarien, Harnblase, Prostata, Hoden und von Lymphomen).
Bei chronischer Schädigung Komplikationen wie chronische Blutungsanämie, Mal-
absorptionssyndrom, Diarrhöen, Strikturen, Ileus mit Perforation.

Patho­ Direkte toxische Schädigung der zellulären DNA mit Zelltod oder Verlust von Repa-
mechanismus raturmechanismen; Darmepithel besonders strahlensensibel aufgrund der hohen
Zellteilungsrate.
Ursachen der Diarrhö bei chronischer Enterokolitis: verminderte absorptive Ober-
fläche, Motilitätsstörung, bakterielle Fehlbesiedlung, Disaccharidasemangel, Gal-
lensäuremalabsorption, Veränderung der lymphatischen Gefäße.

Pathologie Akute Schädigung: makroskopisch: Mukosaödem, leichte Verletzbarkeit, Ulzera,


Darmwandverdickung; mikroskopisch: reduzierte mitotische Aktivität, Verkür-
zung der Krypten und Zotten, Verlust der Lymphozyten in der Lamina propria, ver-
mehrt Neutrophile.
Chronische Schädigung: makroskopisch: Darmmukosa atroph, leicht verletzbar,
erythematös, Bildung von u. U. starken Teleangiektasien; mikroskopisch: Epithel-
atrophie, Fibrosierung, Endarteriitis, chronische Ischämie, Okklusion von Lymph-
gefäßen.

Epidemiologie ██ Inzidenz in Abhängigkeit von Dauer, Gesamtdosis und Technik (hohe Einzeldosis
und Risiko­ impliziert höheres Risiko als dieselbe Gesamtdosis verteilt auf mehrere Sitzun-
faktoren gen); ab Gesamtdosis von 30 Gy sind in 90 % strahlenbedingte Mukosaschäden
nachweisbar, meistens asymptomatisch; Einzeldosen von 2 Gy und Gesamtdosis
>50 Gy erhöhen das Risiko signifikant; ca. 50–75 % der Patienten mit abdomi-
neller Bestrahlung entwickelt akute Strahlenenteritis, 5–20 % chronische Strah-
298  4 Darm

lenenteritis. Keine Daten zum Langzeiteffekt von Protonenbestrahlung oder Cy-


berknife
██ Inzidenz der Strahlenproktitis: nach Bestrahlung wegen Rektumkarzinom 12–
17 %, Prostatakarzinom 30 %, Hodenkarzinom 16 %, Zervixkarzinom 10 %
██ Inzidenzrisiko erhöht durch: gleichzeitige Chemotherapie (insbesondere 5-FU,
Doxorubicin, Oxaliplatin, Irinotecan), vorhergehende abdominelle Operation,
mesenteriale Durchblutungsstörung, intestinale Manifestation einer Vaskulitis
oder Kollagenose, Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Erkrankun-
gen, schlanke Patienten

Klinische Akute Schädigung: Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle (selten blutig), abdominelle


Charakteristika Krämpfe, Besserung ohne spezifische Therapie innerhalb von 2–6 Wochen nach
Ende der Bestrahlung.
Chronische Schädigung: Beginn der Symptome nach >3 Monaten bis zu Jahr-
zehnten! Wässrige (auch blutige) Durchfälle, Inkontinenz, krampfartige Bauch-
schmerzen, Stenosesymptomatik bei Strikturbildung, Fistelungen, Ileus, Perforati-
on; Strahlenproktitis: Rektumulkus, Analstenose, rektale Blutungen, rektovaginale
Fistel.
Anämie (Blutverlust, Eisen-/Vitamin-B12/Folsäure-Resorptionsstörung), Malab-
sorptionssyndrom (s. Kap. 4.5), Gewichtsverlust

Wegweisende Prokto-/Sigmo-/Koloskopie mit Biopsie (cave: ausgedünnte Darmwand! Perfora-


Diagnostik tionsgefahr; 2 % Fistelbildung nach Biopsie der anterioren Rektumwand nach Pros-
tata-Bestrahlung): fokale Veränderungen dem Strahlenfeld entsprechend (Mukosa
atroph, leicht verletzbar, Rötung, Einblutungen, reduzierte Haustrierung).

Zusatz­ Sonografie; Kontrastdarstellung des Kolons oder Dünndarms bei Verdacht auf Ste-
diagnostik nose (MR-Sellink), Zystoskopie bei enterovesikaler Fistel.

Differenzial­ Akute infektiöse Kolitis (Clostridien, CMV u. a.), chronisch entzündliche Darmer-
diagnose krankung (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa), ischämische Kolitis (auch segmental),
NSAR-induzierte Läsionen, Stenose durch Tumor, Adhäsion.

Therapie­ Bei Beschwerden bzw. objektiven Problemen; bei supportiver Therapie bleibt der
indikation gewünschte Erfolg allerdings oft aus.

Prophylaxe und ██ Diarrhö: nach Ausschluss Striktur bzw. Stenose


Therapie –– Scopalamin, Loperamid oder Opiumtropfen (niedrig einschleichend dosieren,
z. B. 3-mal 3 Tropfen) hilfreich bei Krämpfen, Diarrhö, vermehrtem Stuhl-
drang
–– Cholestyramin 3–6 g in mehreren Einzeldosen bei gallensäureinduzierten
Diarrhöen; evtl. MCT-Fette indiziert
–– lactosefreie Nahrung bei Laktasemangel
██ bei überwiegender Blutung, insbesondere bei Strahlenproktitis:
–– Stuhlregulierung (Ziel: 1–3 weiche Stühle/Tag)
–– wenige Studien zur medikamentösen lokalen Therapie: Sucralfat-Einläufe
(2 g Sucralfat-Suspension in 30–50 ml Leitungswasser, Applikation über wei-
chen Katheter rektal); Metronidazol 3-mal 400 mg kann versucht werden
–– endoskopische Blutstillung mittels Argon-Plasma-Koagulation (cave Bildung
tiefer Ulzera, Perforation)
–– hyperbare Sauerstofftherapie. Nachteil: 8-wöchig tägliche Behandlung, wenig
Anbieter
4.36 NSAR induzierte Dünn- und Dickdarmläsionen  299

██ endoskopische Bougierung von Strikturen nur bei kurzstreckigen Strikturen, bei


Analstenose Standard (cave Perforationsgefahr)
██ chirurgische Therapie bei konservativ nicht beherrschbaren Komplikationen
(Strikturen, Fisteln, Ileus, Perforation, intraktable Blutung), Anastomoseninsuffi-
zienz häufiger, post-OP Ischämien!

Verlauf Milde Symptome: gute Prognose; häufig progredienter Verlauf mit therapieresis-
tenten Symptomen und Ausbildung von Komplikationen (s. u.).

Langzeit­ ██ Strikturen (Dünn- und Dickdarm), bakterielle Fehlbesiedlung, Ileus, Perforation,


komplikationen Strikturen auch an extraintestinalen Organen (Harnleiter), Fistelbildung, Zysti-
tiden
██ Risiko für kolorektales Karzinom erhöht
██ Risiko für Rektumkarzinom nach gynäkologischer Bestrahlung 2- bis 4-fach er-
höht

Literatur Andreyev HJN et al. Practice guidance on the management of acute and chronic gastrointestinal problems
arising as a result of treatment for cancer. GUT 2012; 61: 179–192. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/
PMC3245898/pdf/gutjnl-2011-300563.pdf
MacNaughton. Review article: new insights into the pathogenesis of radiation-induced intestinal dysfunc-
tion. Aliment Pharmacol Ther 2000; 14: 523–528
Vanagunas A. Radiation-induced gastrointestinal disease. Clin Perspect Gastroenterol 2001; 4: 69–75

4.36 NSAR induzierte Dünn- und Dickdarmläsionen

Vorkommen Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und ASS gehören zu den am meisten ver-
ordneten und eingenommenen Medikamenten. Vertreter sind u. a. Diclofenac, Ibu-
profen, Indomethacin, Naproxen, Piroxicam, Sulindac, Azetylsalizylsäure sowie die
selektiven COX-2-Inhibitoren Celecoxib, Etoricoxib, Parecoxib. Nebenwirkungen
im gesamten Gastrointestinaltrakt als erosive und ulzerative Läsionen mit der Ge-
fahr der Blutung, Perforation, Strikturbildung (s. Kap. 3.9, Ulcus duodeni und Ulcus
ventriculi). Risikofaktoren: höheres Alter, Langzeiteinnahme, gleichzeitige Einnah-
me von Antikoagulanzien und Thrombozytenaggregationshemmern.

Patho­ Inhibition der Prostaglandinsynthese und damit Reduktion defensiver Mecha-


mechanismus nismen der Mukosabarriere; lokaler Effekt insbesondere bei verzögerter Freiset-
zungsgalenik.

Pathologie ██ mukosale Läsionen unterschiedlicher Tiefe und Größe an Jejunum, Ileum, im


Kolon überwiegend rechtsseitig, aber auch diffuse Ulzeration ähnlich wie chro-
nisch entzündliche Darmerkrankung, im Anorektum Ulzera und Strikturen
durch Suppositorien
██ Strikturen und Webs durch submuköse Fibrose, v. a. im Jejunum, bis zur Obst-
ruktion
██ Enteropathie mit diffusen entzündlichen Veränderungen und Permeabilitäts-
steigerung (Proteinverlust)
██ Histologie: unspezifische entzündliche Infiltrate, Unterscheidung von anderen
entzündlichen Ursachen häufig nicht eindeutig möglich
300  4 Darm

Epidemiologie Dünndarmläsionen: Kapselendoskopie-Studien zeigen bei 50–60 % mukosale Lä-


sionen unterschiedlichen Ausmaßes (ca. 10 % bei Kontrollpersonen ohne NSAR),
COX-2-Hemmer fraglich günstiger; Strikturen seltener (1,5 %).
Kolonläsionen: seltener durch COX-2-Hemmer.
Anorektum: durch Suppositorien in 10–30 % Ulzera, Strikturen.

Klinische Insgesamt vermutlich selten klinische Relevanz. Schwäche, Eisenmangelanämie,


Charakteristika positiver Hämoccult, Teerstuhl, Bauchschmerzen, Zeichen der Obstruktion (Strik-
turen), enteraler Eiweißverlust, wässrige Diarrhö (Enteropathie), analer Blut- und
Schleimabgang (Suppositorien).

Wegweisende Anamnese (subtil!): Begleiterkrankungen (KHK, rheumatische Erkrankung, Os-


Diagnostik teoporose, LWS-Syndrom, Kopfschmerzen, sonstige chronische Schmerzen), auch
„Spritzen“ beim Orthopäden etc., nicht verschreibungspflichtige NSAR und Aspi-
rin!
Apparative Diagnostik:
██ Dünndarm: Kapselendoskopie, Ballonenteroskopie: mukosale Läsionen bis hin
zu großen Ulzera, ± Blutung
██ Kolon: Proktoskopie (Einnahme von Suppositorien), Ileokoloskopie: Schwellung,
Rötung, Schleimhauteinblutungen, Ulzera unterschiedlicher Größe und Tiefe,
teils wie ausgestanzt, im Kolon überwiegend rechtsseitig

Differenzial­ Ischämische Kolitis, Strahlenenterokolitis, infektöse Enterokolitis, chronisch ent-


diagnose zündliche Darmerkrankung, malignes Ulkus, Vaskulitis.

Therapie Absetzen ursächlicher Medikamente, Ersatz durch andere Substanzen, keine spe-
zifische Therapie.

Verlauf Abheilung der Läsion innerhalb ca. 3 Wochen (Kontrolle koloskopisch, Ausschluss
Malignom).

Literatur Goldstein JL et al. Video capsule endoscopy to prospectively assess small bowel injury with celecoxib, napro-
xen plus omeprazole, and placebo. Clin Gastroenterol Hepatol 2005; 3: 133–141
Maiden L et al. Long-term effects of non-steroidal antiinflammatory drugs and cyclooxygenase-2 selective
agents on small bowel: a cross sectional capsule endoscopy study. Clin Gastroenterol Hepatol 2007; 5:
1040–1045

4.37 Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms

Einteilung Durchblutungsstörungen können auftreten:


1. arteriell oder venös
2. akut oder chronisch
3. thrombotisch, embolisch oder entzündlich/vaskulitisch, nonokklusiv.

Entsprechend dem Versorgungsgebiet:


██A. mesenterica superior: akute mesenteriale Ischämie, chronisch intestinale Is-
chämie
██A. mesenterica inferior: Kolonischämie, ischämische Kolitis
██V. mesenterica superior/V. porta/V. lienalis: akute, chronische oder asymptoma-
tische Ischämie durch Thrombose
4.37 Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms  301

Entsprechend dem klinischen Bild:


██akuter Mesenterialinfarkt (embolisch, thrombotisch, entzündlich/vaskulitisch):
Verschluss der A. mesentericasuperior, je nach Lokalisation des Verschlusses
und Ausdehnung der Ischämie schweres, lebensbedrohliches Krankheitsbild
██nonokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI): Durchblutungsstörung im Be-
reich der A. mesenterica superior bedingt durch Volumenmangel/Druckabfall,
meist im Rahmen einer schweren Grunderkrankung (Intensivpatienten, Beat-
mung, postoperativ insbesondere nach Herz- und Thoraxchirurgischen Eingrif-
fen, Hämodialyse)
██Mesenterial-(Pfortader-/Milz-)venenthrombose: akut bis chronisch einsetzen-
der Verschluss der V. mesenterica superior, Hyperkoagulabilität, portale Hyper-
tension, entzündliche Erkrankungen wie Pankreatitis
██chronisch intestinale Ischämie: langsam progrediente arterielle Thrombose, An-
gina abdominalis v. a. postprandial
██ischämische Kolitis (Kolonischämie): akute, meist transiente Durchblutungsstö-
rung der A. mesenterica inferior

4.37.1 Akute mesenteriale Ischämie


Definition Schädigung von (Dünn-)Darmsegmenten bis zur Gangrän durch Unterbrechung
der Perfusion im Bereich der A. oder V. mesenterica superior.

Patho­ Arterielle Okklusion (60–75 %):


mechanismus ██embolischer Verschluss (ca. 50 %): überwiegend A. mesenterica superior betrof-
fen; kardiale Ursachen in >90 %: Vorhofflimmern mit linksatriale Thromben,
Thromben im Herzen (z. B. nach Myokardinfarkt), höhergradige Klappenfehler;
zusätzliche Vasokonstriktion verstärkt Ischämie.
██arterielle Thrombose (ca. 15–25 %): A. mesenterica superior oder Truncus coeli-
acus können betroffen sein, meist auf dem Boden einer progredienten Arterio-
sklerose, aber auch durch Trauma oder Infektionen

Venöse Okklusion durch Thrombose der V. mesenterica superior – zusätzliche Be-


teiligung von V. porta (s. Kap. 7.30) und V. lienalis möglich (5–10 %):
██Gerinnungsdefekte am häufigsten; zusätzliche Faktoren (orale Kontrazeptiva,
Rauchen) können Manifestation mitbedingen
–– Hyperkoagulabilität: Faktor-V-Leiden, Mutation des Prothrombingens, Pro-
tein-C- und Protein-S-Mangel, Antithrombin-III-Mangel, Phospholipid-Ak,
Hyperhomozysteinämie
–– hämatologische Erkrankungen: Polycythaemiavera, essenzielle Thrombozy-
tose, paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
██portale Hypertension (Flussverlangsamung), Trauma
██postoperativ:Splenektomie, Abdominal-OP
██entzündlich: Pankreatitis, CED, Divertikulitis, systemische Vaskulitis
██paraneoplastisch: Pankreaskarzinom, HCC

Nonokklusive mesenteriale Ischämie (NOMI, 20–30 %): auf vorbestehende Arterio-


sklerose sich aufpfropfende Vasospasmen infolge schwerer Störungen der Hämo-
dynamik (z. B. Myokardinfarkt, Rhythmusstörungen, Sepsis, Schock, Hämo­dialyse)
und/oder durch Medikamente, die Splanchnikusperfusion reduzieren (z. B. Diure-
tika, α1-Sympathomimetika, Ergotamin); meist Patienten auf Intensivstation, Zu-
stand nach kardiovaskulären operativen Eingriffen; ähnliche Effekte durch Kokain.
302  4 Darm

Vaskulitis (Polyarteriitis nodosa, Churg-Strauss-Syndrom, SLE, Purpura Schönlein-


Henoch, Morbus Wegner), aber insgesamt selten. Auch Kombination aus arterieller
und venös/thrombotischer Perfusionsstörung möglich.

Pathologie Betroffenes Darmsegment abhängig von Lokalisation des Gefäßverschlusses:


██A. mesenterica superior: Dünndarm ab Treitz-Band bis linke Kolonflexur, aber
terminales Ileum und proximales Kolon nicht immer betroffen. Embolus meist
am oder kurz nach (3–10 cm) dem Abgang der A. mesenterica superior aus der
Aorta
██A. mesenterica inferior: Kolon von linker Flexur bis zum rektosigmoidalen Über-
gang (Rektum frei) (s. Kap. 4.37.3, Ischämische Kolitis)
██Schädigung beginnt in Mukosa, breitet sich zur Serosa hin aus (wenn O2-Versor-
gung <50 %)
██V. mesenterica: gesamtes venöses mesenteriales Abflussgebiet betroffen, da-
durch ödematöse Schwellung der Darmwand, häufig Aszites
██Vaskulitis: isolierte oder multifokale segmentale oder kontinuierliche Vaskulitis
unterschiedlicher Gefäßgruppen (meist kleinere und mittlere Arterien/Arterio-
len), selten große Gefäße mit Darmwandschwellung

Genetik Bei angeborenen Gerinnungsstörungen, evtl. bei Stoffwechseldefekten mit hohem


atherogenem Risiko (dann aber meist andere Gefäße primär betroffen).

Epidemiologie Überwiegend über 60-Jährige, bei jüngeren Patienten häufiger Mesenterialvenen-


thrombose (z. B. durch Gerinnungsdefekte) oder Vaskulitis.

Assoziierte Arteriosklerose, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Vorhofflimmern, arteri-


Erkrankungen/ elle Hypertonie, KHK, Diabetes mellitus, Lungenerkrankungen, Niereninsuffizienz,
Risikofaktoren Gerinnungsdefekte.

Klinische Akut einsetzender heftigster Schmerz (bei Embolie), meist paraumbilikal loka-
Charakteristika lisiert; in der Folge Übelkeit, Erbrechen. Abdomineller Untersuchungsbefund in
den ersten Stunden häufig nicht sehr auffällig: leichter Druckschmerz, spärliche
Darmgeräusche, geblähtes, etwas prall wirkendes Abdomen. Erst im Verlauf mit
zunehmender Darmdistension und Durchwanderungsperitonitis zunehmend aku-
tes Abdomen, paralytischer Ileus. Hämatemesis/Hämatochezie sind möglich. Die
Dynamik der Verschlechterung ist abhängig vom Ausmaß der Kollateralisation und
Ursache der Ischämie (bei venöser Thrombose langsamer). Ohne Therapie hämo-
dynamische Instabilität und Schock durch Flüssigkeitsverlust in den Darm, Durch-
wanderungsperitonitis und Sepsis.
Cave: Schmerzangabe korreliert u. U. nicht mit einem initial wenig auffälligem Ab-
domen, auch beschwerdearmes Intervall möglich, dadurch diagnostische Verzö-
gerungen!

Wegweisende Wichtig: nur eine schnelle Diagnose und Therapie innerhalb von 4–6 h nach Symp-
Diagnostik tombeginn kann den Darm retten! Bei klinischem Verdacht ist das Multidetektor-
CT mit KM die entscheidende Diagnostik.
██Anamnese: an die Möglichkeit der mesenterialen Ischämie denken! Schnelle Di-
agnostik und Therapie einleiten (entsprechend Herzinfarkt oder Hirninfarkt!);
Risikofaktoren (Vorhofflimmern, frühere Thrombosen, pAVK etc.), Diskrepanz
zwischen heftigsten Schmerzen und blandem Untersuchungsbefund (wenn auf-
fällige Untersuchungsbefunde, dann Peritonitis als Zeichen einer meist fortge-
4.37 Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms  303

schrittenen Gangrän); in Frühphase auch Laborparameter wenig auffällig: oft


nur Leukozytose
██ Angio-CT (Multi-Detektor-CT des Abdomens mit KM): Darstellung der großen
(und mittleren) arteriellen und venösen Gefäße möglich(hohe Sensitivität und
Spezifität), Darmwandbeurteilung, intraabdominelle Prozesse als Zusatzinfor-
mation. Bei Niereninsuffizienz: Einzelfallentscheidung!
██ selektive Angiografie: nur selten primär notwendig, Einsatz für Lokaltherapie
(s. u.)
██ Labor: keine pathognomonischen und keine zuverlässigen frühen Parameter
vorhanden, mit Verschlechterung der Klinik parallel pathologische Laborpara-
meter
–– Leukozytose
–– Trop-Test/CK (cave: Erhöhung kann zu Fehldeutung als Myokardinfarkt füh-
ren und Diagnostik verzögern!)
–– Blutgasanalyse (Azidose)
–– LDH, Lipase (cave : Fehldeutung als primäre Pankreatitis!)
–– Serum-Laktat nur in späterer Phase erhöht (evtl. kurzfristige Kontrollen!)
–– CRP-Anstieg erst nach Latenz (Ausnahme: primär entzündliche Erkrankung
als Ursache wie CED oder Vaskulitis, dann auch nach Leukopenie, Eosinophi-
lie fahnden)
–– Thrombozytose (Mesenterial-/Pfortaderthrombose)
–– Kreatinin (Exsikkose, Morbus Wegener), Urinstatus/sediment
██ Sonografie: akuter Verschluss der A. mesenterica superior proximal u. U. dar-
stellbar, distal gelegener Verschluss schwierig zu erkennen, häufig Luftüberla-
gerung. Mesenterialvenenthrombose: V. mesenterica superior als weites echo-
armes/thrombotisch verschlossenes Rohr, Darmwandverdickung durch Stau,
Aszites
██ Endoskopie: wenig hilfreich, nicht indiziert bei Verdacht auf Ischämie im Be-
reich der A. V. mesenterica superior
██ Laparaskopie: selten als diagnostische Maßnahme erforderlich

Differenzial­ Alle Formen des akuten Abdomens (s. Kap. 1.11), v. a. Bridenileus (initial Erbre-
diagnose chen, dann Schmerzen), Pankreatitis (gürtelförmige Schmerzen).

Therapie­ Immer!
indikation

Therapie Allgemeinmaßnahmen: Volumengabe, Heparin 5000 IE i. v. gefolgt von Heparin-


Perfusor (therapeutisch), Intensivtherapie, ggf. Schocktherapie, Elimination durch-
blutungsreduzierender Medikamente. Antibiotische Therapie prophylaktisch/em-
pirisch: z. B. Cephalosporin Klasse 2/3 plus Metronidazol.
A. mesenterica-Verschluss: bei früher Diagnosestellung und CT-morphologisch
noch kein Nachweis von Spätfolgen (Gangrän, Luft in Darmwand oder Pfortader-
system, Perforation) sollte über z. B. transfemoralen Katheter die lokale Revasku-
larisierung angestrebt werden: Aspirationsembolektomie (abgangsnahe Throm-
ben), Lysetherapie mit z. B. rt-PA, Vasodilatation mit Papaverin (0,5–1 mg/kg/h)
oder Stent-Implantation (abgangsnahe Stenose/Verschluss).
Sind gefäßinterventionelle Möglichkeiten nicht vorhanden, sollte zwischen Vis-
zeral- und Gefäßchirurg die Entscheidung über revaskularisierende OP versus
Notwendigkeit von Darmresektion entschieden werden.Häufig „Second-Look“-
Operation innerhalb von 24–48 h mit Nachresektion gangränöser Darmsegmente
notwendig.
304  4 Darm

NOMI: Verbesserung vaskulärer Zirkulation; Absetzen vasokonstriktiver Pharma-


ka; Versuch lokale Vasodilatation durch intraarterielle Papaverininfusion (0,5–
1 mg/kg/h), evtl. Prostaglandin E1; kein gesichertes Vorgehen. Problem: häufig
unterdiagnostiziert, da Patient beatmet wird oder keine Angaben machen kann
aufgrund von Analgosedierung. Operation bei Zeichen der Peritonitis.
Mesenterialvenen (Pfortader-)thrombose: initial therapeutische Heparinisie-
rung, Lysebehandlung in Einzelfällen. Dauertherapie mit Warfarin, Phenprocou-
mon. Therapie der Grundkrankheit. Operation sehr selten indiziert bzw. sinnvoll.
Vaskulitis: Therapeutische Heparinisierung, Therapie der Grundkrankheit (s. Kap.
4.38.3).

Verlauf und Noch immer sehr hohe Letalität v. a. des arteriellen Verschlusses, aber auch der
Langzeit­ NOMI (bis 70 %) v. a. wegen verzögerter Diagnostik.; nach erfolgreicher Therapie
komplikationen ggf. Antikoagulation.
Nach Dünndarmresektion: die kritische Rest-Dünndarmlänge nach jejunokoli-
scher Anastomoe beträgt 65 cm, ansonsten droht das Kurzdarmsyndrom (s. Kap.
4.6), ggf. mit chologenen Diarrhöen (bei Ileumresektion); Notwendigkeit der le-
benslangen parenteralen Ernährung; Strikturen (selten).
Mesenterial-/Milzvenen- und Pfortaderthrombose: in den meisten Fällen
Darmerhalt möglich, dauerhafte Antikoagulation meistens erforderlich. Langfris-
tig Ausbildung von Ösophagus/Fundusvarizenbildung bei gestörtem Lienalis- oder
Pfortaderabfluss.

Literatur Klar E et al. Acute mesenteric ischemia: a vascular emergency. DtschArzteblInt 2012; 109: 249–256
Harnak IG, Brandt LJ. Mesenteric venous thrombosis. Vasc Med 2010; 15: 407–418
Acosta S. Diagnostic pitfalls at admission in patients with acute superior mesenteric artery occlusion. J
Emerg Med 2012; 42(6): 635–641
Menke J. Diagnostic accuracy of multidetector CT in acute mesenteric ischemia. Radiology 2010; 256:
93–101

4.37.2 Chronische intestinale Ischämie


Definition Chronisch zunehmende, in der Regel atherosklerotisch bedingte Perfusionsstörung
im Bereich der A. mesenterica superior mit akut intermittierenden („Angina abdo-
minalis“) oder anhaltenden abdominellen Schmerzen.

Patho­ Durch Atherosklerose bedingte Reduktion des Blutflusses in den Mesenterialarte-


mechanismus rien. Insbesondere in Zeiten erhöhten Energiebedarfs (z. B. postprandial) besteht
Missverhältnis zwischen tatsächlicher Blutzufuhr und erforderlicher Perfusion,
aber auch postprandial Shunt des Blutflusses zugunsten des Magens. Geringe Kor-
relation zwischen Ausmaß der Gefäßveränderungen und klinischer Symptomatik!
Ischämie der A. mesenterica inferior führt zur ischämischen Kolitis (s. Kap. 4.37.3).

Pathologie Atheromatöse Wandveränderungen: hochgradige Stenose bzw. Verschluss der Me-


senterialarterien und/oder Gefäße aus Truncus coeliacus, meist am Abgang oder
im proximalen Abschnitt, unterschiedlich ausgeprägte Kollateralkreisläufe; mak-
roskoskopisch wenig alterierte Strukturen am Intestinum (daher Endoskopie und
Röntgenuntersuchung des Dünndarms meist unauffällig).

Epidemiologie Wenig verlässliche Angaben zur Häufigkeit; periphere arterielle Verschlusskrank-


und assoziierte heit und/oder koronare Herzkrankheit in >80 % der Fälle; Patienten überwiegend
Erkrankungen im höheren Lebensalter, meist Raucher.
4.37 Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dickdarms  305

Klinische Bild variabel! Angina abdominalis: abdominelle Schmerzen, ca. 0,5–1 h postpran-
Charakteristika dial auftretend, Dauer ca. 2 h; Schmerzen eher diffus, gelegentlich krampfartig,
bei fettreichen Speisen ausgeprägter; daneben intermittierende Blähungen und
Durchfall als dominierende Symptome möglich; Auftreten vorzugsweise postpran-
dial, führt häufig zur Reduktion der Nahrungsaufnahme, daher häufig Gewichts-
verlust (ca. 80 %).

Wegweisende ██ Alter und Anamnese (KHK, pAVK) kann Verdacht nähren, aber meist Ausschluss-
Diagnostik diagnose: Endoskopie, Ultraschall des Abdomens
██ Duplexsonografie der A. mesenterica superior mit hoher Spezifität, aber be-
grenzter Sensitivität (untersucherabhängig, Meteorismus bzw. Adipositas sen-
ken Darstellbarkeit)
██ Angio-CT mit KM (Multidetektor-CT), MR-Angiografie (beide mit hoher Sensi-
tivität)
██ selektive Angiografie der A. mesenterica superior und des Truncus coeliacus mit
der Möglichkeit der Intervention

Differenzial­ Peptisches Ulkus, Malignome (Pankreas, Magen, Kolon), Cholelithiasis, chronische


diagnose Pankreatitis, funktionelle Beschwerden (s. Kap. 1.10, Bauchschmerz).

Therapie­ Abhängig von Intensität der Symptome, technischer Machbarkeit, Risiko des the-
indikation rapeutischen Verfahrens und allgemeinem Zustand des Patienten (Alter, Begleit-
krankheiten etc.).

Therapie Interventionell-radiologisch: meist kurzstreckige Abgangsstenosen, perkutane


transarterielle Revaskularisation der A. mesenterica superior mit Stentimplanta-
tion, ca. 80 % Erfolg; Risiko bei therapieassoziierter Dissektion: akute intestinale
Ischämie.
Chirurgische Revaskularisation (selten): Thrombendarteriektomie, Reimplantati-
on, ggf. Bypassoperation (höheres Risiko, aber möglicherweise Rezidive seltener/
später als nach PTA).
Medikamentöse Therapie: keine Wirksamkeit belegt.
Medikamentöse Prophylaxe: entsprechend Prophylaxe Arteriosklerose (kein Rau-
chen, Diabetes/HLP-Einstellung, RR-Einstellung, ASS-Gabe).

Verlauf Ohne Therapie in der Mehrzahl chronisch progredient (aber Dynamik variabel);
Rezidive auch nach therapeutischen Maßnahmen möglich.

Langzeit­ Akute Ischämie (meist dann nonokklusive Form), Perforation.


komplikationen

Literatur White CJ. Chronic mesenteric ischemia: Diagnosis and management. ProgCardiovasc Dis 2011; 54: 36–40
Sharafuddin MJ et al. Endovascular recanalisations of total occlusion of mesenteric and celiac arteries. J Vasc
Surg 2012; 55(6): 1674–1681

4.37.3 Ischämische Kolitis


Definition Ischämie des Kolons im Stromgebiet der A. mesenterica inferior.

Patho­ Ischämie durch meist transiente, nonokklusive Minderperfusion, überwiegend


mechanismus nicht gangränöse Verlaufsform (ca. 85–90 %), akute Gangrän mit entsprechenden
Folgen (Blutung, Schock, Sepsis) in ca. 10–15 %; Vasospasmen bedeutsam (da wich-
306  4 Darm

tiger Regelfaktor der Kolondurchblutung). Letztlich ist der Pathomechanismus je-


doch unklar.
Postulierte Ursachen:
██ vaskulär:
–– arteriell: Emboli, Aortendissektion, aortoiliakale Rekonstruktion, Bypasschir-
urgie mit Herz-Lungen-Maschine, Hämodialyse, Nierentransplantation
–– venös: portale Hypertension, Thrombose, Hyperkoagulabilität, Pankreatitis
–– mikroangiopathisch: Radiatio, Vaskulitis: Polyarteriitis nodosa, SLE, Takaya-
su-Arteriits, Morbus Wegener, rheumatoide Arthritis, Amyloidose)
██ zirkulatorisch: Schock, „low-cardiac-output“, Dehydratation, Sepsis, Anaphylaxie
██ mechanisch: Strangulation, Hernie, Adhäsion, Kolonkarzinom, Koprostase, Rek-
tumprolaps
██ medikamentös: Diuretika, Digitalis, Antihypertensiva, Östrogene, vasoaktive
Pharmaka, NSAR, Sumatriptan, Simvastatin, Kokain, Bevacizumab, Ergotamin
██ Sonstiges: Jogging (Langstrecke), Infektionen (CMV, E. coli), idiopathisch (jüngere
Patienten)

Pathologie Stark variierendes Bild: von leichtem Schleimhaut- bzw. Wandödem über ulzerie-
rende Kolitis bis zum kompletten Infarkt. Entsprechend Versorgungsgebiet der A.
mesenterica inferior ist linksseitiges Kolon betroffen unter Aussparung des distalen
Rektums (hier weitere arterielle Versorgung aus A. iliaca). Gefäßverschluss selten.

Epidemiologie Häufigste Form der intestinalen Ischämie. Überwiegend höheres Lebensalter be-
troffen (entsprechend Ursachen, s. o.).

Klinische Plötzlich einsetzende, überwiegend leichte bis mäßige Schmerzen im linken Ab-
Charakteristika domen (abhängig von Ausmaß der Schädigung und Lokalisation); Blutabgang, ggf.
blutige Diarrhö; bei gangränösem Verlauf: Durchwanderungsperitonitis, Fieber,
progredienter Schock aufgrund massiver Diarrhöen und Blutung.

Wegweisende ██ Anamnese (z. B. chirurgische Eingriffe), Vorhofflimmern, bekannt Arteriosklero-


Diagnostik se, höheres Alter, klinische Befundkonstellation
██ Sonografie: echoarme Kolonwandverdickung im Versorgungsgebiet der A. me-
senterica inferior, Duplexsonografie von Aorta, A. mesenterica inferior schwierig
darstellbar, selten Befund
██ Endoskopie (oft erweiterte Sigmoidoskopie bis zur linken Flexur als Orientie-
rung zunächst ausreichend): Veränderungen variabel von petechialen Hämor-
rhagien, submukösen Einblutungen bis zum Teil bizarren Ulzera, Pseudomemb-
ranen; Befall segmental möglich, Rektum häufig ausgespart. Histologie: unspe-
zifisch (cave: Biopsien: erhöhte Perforationsgefahr)
██ Labor: Blutbild (Hb), CRP

Zusatz­ ██ Röntgen-Abdomenübersicht: Verdickung der Kolonwand, ggf. „Daumenabdrü-


diagnostik cke“ („thumbprints“, durch submuköses Ödem), Distension
██ Labor: in Abhängigkeit von klinischem Bild: Leukozytose, Laktat↑, CK↑
██ Angio-CT mit KM (Multidetektor-CT): selten hilfreich bzw. erforderlich, da
Durchblutungsstörung meist transient. CT kann jedoch Zusatzinformation über
abdominelle Pathologien geben.

Differenzial­ ██ klinisch: Infektiöse Gastroenteritis (EHEC, Shigellen u. a.), pseudomembranöse


diagnose Kolitis (nur klinisch, endoskopisch zu unterscheiden!), Mesenterialischämie,
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen  307

Mesenterialvenenthrombose, Bridenileus mit Inkarzeration, chronischer Volvu-


lus, Kolonkarzinom, jede Form der Hämatochezie
██ endoskopisch: chronisch-entzündliche Darmerkrankung, NSAR-Kolitis (aber
meist rechtes Kolon), Divertikulitis, Strahlenkolitis (Kolonkarzinom) infektöse
Ursache

Therapie Allgemeinmaßnahmen: prospektive Studien zur Therapie sind nicht vorhanden. Je


nach Schwere Nahrungskarenz, Volumensubstitution (i. v. Flüssigkeit, ggf. Transfu-
sion), Magensonde nur bei paralytischem Ileus, Stabilisierung der Hämodynamik
(Flüssigkeitssubstitution besser als Katecholamine), Heparin in niedriger Dosis
(cave: Verstärkung der Blutung). Bei drohender Durchwanderungsperitonitis: z. B.
Metronidazol plus Ciprofloxacin/Cephalosporine der 2./3.Generation(empirisch).
Resektion: bei progredientem Verlauf bzw. Verdacht auf akute Gangrän (evtl. dia-
gnostische Laparoskopie).

Verlauf Krankheitsbild meist selbstlimitierend, Ausheilung nach unterschiedlich langem


Verlauf; Mortalität 6 % bei nonokklusiven Formen, jedoch >50 % bei komplettem
Infarkt/Gangrän. Patienten mit COPD, Schlaganfall, Hyperthyreose haben schlech-
teren Verlauf.

Langzeit­ Stenosen (häufig asymptomatisch), bei Obstruktion chirurgische Resektion The-


komplikationen rapie erster Wahl (Alternative in wenigen Ausnahmen: endoskopische Dilatation
oder Stent); in kleinem Teil der Fälle Entwicklung einer chronisch-ischämischen
Kolitis.

Literatur Sreenarasimhaiah J. Diagnosis and management of ischemic colitis. CurrGastroenterol Rep 2005; 7:
421–426
Brandt LJ et al. Anatomic patterns, patient characteristics, and clinical outcomes in ischemic colitis. Am J
Gastroenterol 2010; 105: 2245–52

4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen

4.38.1 Amyloidose
Siehe Kap. 3.14, Amyloidose.
Extrazelluläre Ablagerungen von Serumproteinen.

Einteilung ██ primäre Amyloidose (AL-Leichtketten, meist assoziiert mit Plasmozytom, Mor-


bus Waldenström), ca. 5 % gastrointestinale Beteiligung
██ sekundäre Amyloidose (AA-Serum-Amyloid, A = Akutphaseprotein), ca. 60 % gas-
trointestinale Beteiligung. Ursache: rheumatoide Arthritis (60 %), Spondylitis an-
kylosans, Arthritis psoriatica, Tumoren.
██ dialysebedingte Amyloidose (β2-Mikroglobulin)

Pathologie Mukosainfiltrierend oder neuromuskulär infiltrierend.

Lokalisation Absteigendes Duodenum 100 %, Magen und Kolorektum 90 %, Ösophagus 70 %.

Klinische Peranale Blutung, Übelkeit, Erbrechen, Malabsorption, Eiweißverlustsyndrom, Ge-


Charakteristik wichtsverlust, Motilitätsstörungen, selten Obstruktion.
308  4 Darm

Diagnostik Endoskopie: granuläre Schleimhaut, polypoide Protrusionen, Erosionen, Ulzera,


Wandverdickung (auch sonografisch); Entnahme tiefer Biopsien, Nachweis von
perivaskulären Amyloidablagerungen mit Kongorotfärbung (führt Pathologe nur
auf Aufforderung durch!)

Therapie Für primäre Amyloidose keine gesicherte Therapie, Behandlung der Malabsorption
(s. Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom) bzw. bakteriellen Fehlbesiedlung; mit Mel-
phalan und Prednison verlängertes Überleben in einer Studie beschrieben; bei se-
kundärer Amyloidose Behandlung der Grundkrankheit, bessert auch Amyloidose.

4.38.2 Sarkoidose
Definition Siehe auch Definition Kap. 3.7.5, Granulomatöse Gastritis, und 7.27 (Leber).
Systemische granulomatöse Erkrankung unklarer Ätiologie; klinisch signifikante
Beteiligung des Gastrointestinaltrakts in <1 %, Magen deutlich häufiger als Dünn-
darm, Pankreas, selten Appendix oder Kolorektum.

Klinische Diarrhö, kolikartige Bauchschmerzen, Appetitverlust, Gewichtsverlust, erhöhte


Charakteristika Temperatur, Schwäche.

Diagnostik Gastroduodenoskopie, Intestinoskopie (Ileokoloskopie) mit Biopsie (Granulome).

Differenzial­ Tuberkulose, Morbus Crohn, Histoplasmose.


diagnose
Therapie Prednisolon 0,5–1 mg/kg KG je nach Beschwerden mit Erhaltungsdosis von 10–
15 mg über 4–6 Monate.

Selbsthilfe www.sarkoidose.de, Deutsche Sarkoidose-Vereinigung

4.38.3 Systemische Vaskulitiden und Kollagenosen


Definition Siehe auch Definition Kap. 4.37, Vaskuläre Erkrankungen des Dünn- und Dick-
darms.
Die systemischen Vaskulitiden sind charakterisiert durch unterschiedlichste Aus-
prägung entzündlicher Veränderungen an großen (Aorta, Mesenterialgefäße),
mittleren oder kleinen Gefäßen mit entsprechender Beeinträchtigung der Perfu-
sion.

Klinische Die Variabilität im klinischen Erscheinungsbild ist begrenzt, sodass die Mitbetei-
Charakteristika ligung des Gastrointestinaltrakts relativ uniform ist. Ischämie unterschiedlicher
Ausprägung (vornehmlich am Magen-Darm-Trakt).

Diagnostik Trotz großer klinischer Überlappungen gelingt es jedoch anhand weniger zusätz-
licher Untersuchungen (Antikörper, Differenzial-BB, Urinstatus, HBsAG etc.) und
der Gewinnung einer Histologie eine definitive Diagnose zu stellen. Entscheidend
ist es, initial differenzialdiagnostisch an diese seltenen Erkrankungen zu denken,
insbesondere wenn Therapieresistenz besteht. Die Einteilung der Vaskulitiden und
ihre gastrointestinale Beteiligung gibt die Tab. 4.22.
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen  309

Tab. 4.22 Einteilung der Vaskulitiden und Kollagenosen mit Angaben zur Organbeteiligung und serologischen
Markern.

Dünndarm/Dickdarm Ösophagus/ Serologische Marker/Diagnostik


Magen

Vaskulitis der großen Gefäße

Riesen­ + (A. mesenterica superior, Truncus Duplex+Histologie der A. temporalis


zellarteriitis coeliacus), Darmischämie Angio-CT, PET-CT

Takayasu- ++ (Aorta, A. mesenterica superior, A. Duplex, Angio-CT, PET-CT


Arteriitis brachiocephalica) Darmischämie

Vaskulitis der mittelgroßen Gefäße

Panarteriitis Mesenteriale Ischämie, ischämische Ulcera ventriculi HBsAG, Duplex, Angio-CT, Angio:
nodosa Kolitis, Perforation, Blutungen et duodeni, Perfo­ Aneurysmata bis 1 cm; Histologie!
ration

Morbus (+) Durchfall, Bauchschmerzen, Ileus, Keine serologischen Marker


­ awasaki
K Erdbeerzunge, Ikterus (Fieber, Exan­
(Klein­kinder) them, Lymphknoten)

Vaskulitis der kleinen Gefäße

Wegener-Gra­ Ulzera, Darmischämie, Blutung, Oropharynx: Ulzera cANCA (Ak gegen PR3); Histologie:
nulomatose Perforation (selten) granulomatös, nekrotisierend

Churg-Strauss- Dünndarm > Kolon > Magen; Ulzera, Magen selten Blut-Eosinophilie; pANCA (Ak ge­
Syndrom Ischämie, selten Perforation gen MPO); Histologie: eosinophile
nekrotisierende, granulomatöse
Vaskulitis

Mikroskopi­ Dünn-/Dickdarm, Ulzera, Ischämie pANCA (Ak gegen MPO). Histologie:


sche Poly­ nekrotisierende Vaskulitis ohne Gra­
angiitis nulome, ohne Immunablagerungen

Systemischer Mesenteriale Ischämie: Ulzera, Hä­ Oro-/nasopharyn­ ANA, dsDNA, Anti-SM, Phospholip­
Lupus ery­ matochezie, Ischämie bis zur Perfora­ geale Ulzera id-Ak, Cardiolidin-Ak, Leukopenie,
thematodes tion, Serositis, Aszites, Pankreatitis. Hämolyse, Urinstatus, Kreatinin
(SLE) Mesenterialvenenthrombose durch
sek. Antiphospholipid-Syndrom

Schönlein-­ Krampfartige Bauchschmerzen, Blu­ Haut: tastbare Purpura


Henoch tung (häufig) Histologie: leukozytoklastische Vas­
­Purpura kulitis mit IgA-Ablagerungen

(Essenzielle) (+) Anti-HCV: chronische Hepatitis C;


kryoglobu­ HBsAG: chronische Hepatitis B, Kryo­
linämische globuline, Kryofibrinogen
­Vaskulitis

Kutane leuko­ – – Hautbiopsie


zytoklastische
Vaskulitis

Morbus Behçet Anogenital, Ileozökal: Ulzera Oropharynx: Ulzera Kein spezifischen Marker
(s. Kap. 4.17) Histologie: perivaskuläre Infiltrate

Systemische Motilitätsstörungen, Diarrhö, Malab­ Ösophagusmotili­ ANA, Anti-DNS-Topoisomerase I,


Sklerose sorption, bakterielle Fehlbesiedlung, tätsstörung häufig! Anti-Centromer, anti-PM-Scl (u. a.)
intestinale Pseudoobstruktion, Pneu­ Ösophagusmanometrie
matosis intestinalis, Rektalprolaps Nagelfalzmikroskopie
310  4 Darm

Tab. 4.22 Fortsetzung

Dünndarm/Dickdarm Ösophagus/ Serologische Marker/Diagnostik


Magen

Sjögren-­ – Xerostomie Ösopha­ ANA, Ro/SSA, La/SSB, Schirmer-Test;


Syndrom gusmotilitätsstö­ AMA, TSH
rung, Gastritis

Dermato­ – Dysphagie, Sod­ CK, Anti-Synthetase, Anti-SRP,


myositis brennen Anti-U1-RNP
Histologie: Haut/Muskel

Misch­ Dünn-/Dickdarm, Pneumatosis in­ Ösophagusmotili­ ANA, Anti-U1-RNP


kollagenose testinalis (s. auch SLE, Systemische tätsstörung
Sklerose)

██ Systemische Sklerose

Definition und Seltene chronisch entzündliche Erkrankung des gefäßführenden Bindegewebes


Einteilung und Vaskulopathie, die letztendlich zum Ersatz glatter Muskelzellen durch Kollagen
führt. Im Gastrointestinaltrakt überwiegend Manifestation durch Motilitätsstörun-
gen. Lokalisierte Sklerose und als systemische Sklerose mit Beteiligung innerer Organe
(limitierte kutane systemische Sklerose, lcSSc, auch im Zusammenhang mit CREST-
Syndrom („calcinosis, Raynaud’s syndrome, esophageal dysmotility, sclerodactyly,
teleangiectasia“) sowie als diffuse kutane systemische Sklerose (dcSSc).
Der Gastrointestinaltrakt ist zu 90 % betroffen, davon Ösophagus am häufigsten (s.
Kap. 2.4.3), dann Dünndarm und Kolorektum (65 %), führt zu Motilitätsstörung;
symptomatisch werden nur ca. 50 %, dann ungünstige Prognose.

Patho­ Veränderungen der Gefäß- und Endothelfunktion (Mediatoren: Endothelin, NO,


mechanismus Sauerstoffradikale, Zytokine u. a.), Degeneration glatter Muskelzellen mit Ersatz
und Pathologie durch Kollagen, Ring- mehr als Längsmuskulatur betroffen, axonale Degeneration;

Klinische Diarrhö, Meteorismus, Bauchschmerzen, chronisch intestinale und kolonische


Charakteristika Pseudoobstruktion, bakterielle Fehlbesiedlung, Malabsorption, Gewichtsverlust,
Obstipation, Inkontinenz. Ösophagusbeteiligung: Sodbrennen, Dysphagie.
Extraintestinal: typische Hautveränderungen, Schrumpfung an den Endphalan-
gen, Raynaud-Syndrom, restriktive Lungenveränderungen.

Diagnostik ██ MR-Enteroklysma: Dilatation der Darmschlingen, verzögerte KM-Passage, Ver-


dickung der Darmwand, Pneumatosis cystoides intestinalis (selten, schlechte
Prognose); typische Veränderungen in der Dünndarm- bzw. Anorektalmanome-
trie
██ Koloskopie: Divertikel mit großen Öffnungen antimesenterial
██ Labor: ANA, Autoantikörper gegen anti-DNS-Topoisomerase I (früher ScL70)
spezifisch (70 % positiv) u. a. (Tab. 4.22)

Therapie Laktosefreie, faserarme Kost, evtl. MCT-Fette statt LCT, Octreotid 50 μg s. c. zur
Nacht, Behandlung der bakteriellen Fehlbesiedlung (s. Kap. 4.4), Metoclopramid
bis 4-mal 10 mg /Tag, s. Therapie in Kap. 4.33.4, Chronische intestinale Pseudoobs-
truktion, sowie in Kap. 4.5, Malabsorptionssyndrom.
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen  311

██ Dermatomyositis

Anekdotische Berichte über Dermatomyositis bei Patienten mit chronisch entzündli-


cher Darmerkrankung, Malabsorption beschrieben, Ösophagus selten betroffen.

██ Sjögren-Syndrom (SS)

Definition Das primäre Sjögren-Syndrom ist eine langsam progrediente, entzündliche, multi-
systemische Autoimmunerkrankung, die durch lymphozyteninfiltrate der exokri-
nen Drüsen und Verlust des Drüsengewebes gekennzeichnet ist.
Sekundäres SS: PBC, chronisch aktive Hepatitis, SLE, Mischkollagenose, rheumato-
ide Arthritis, Thyreoiditis

Klinische Siccasyndrom (trockener Mund/Xerostomie, Keratokonjunktivitis).


Charakteristika
Diagnostik Lippenspeicheldrüsenbiopsie. Antikörper: Ro/SS-A, La/SS-B. Labor: BSG, Hyper-
gammaglobulinämie, Kryoglobulinämie u. a.

██ Mischkollagenose

Überlappungssyndrom von Systemischer Sklerose, SLE und Dermatomyositis, zu


90 % Frauen. Überwiegend Symptome durch Ösophagusmotitlitätsstörung (Reflux-
ösophagitis). Labor: anti-U1-RNP-Antikörper

██ Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

Definition Häufig Frauen um das 30. Lebensjahr betreffende chronisch entzündliche, schubwei-
se verlaufende Autoimmunerkrankung mit Vaskulitis der kleinen Gefäße. Manifesta-
tion an vielen Organsystemen (Nieren, Herz, Neurokranium) und gastrointestinaler
Beteiligung in 25–40 %, Ösophagus am häufigsten beteiligt. Gravierend ist die akute
mesenteriale Lupusvaskulitis mit hohem Perforationsrisiko und Mortalität. Weitere
Ursachen für Abdominalschmerzen können das Antiphospholipid-Syndrom mit me-
senterialer Thrombose (s. Kap. 4.37), Pankreatitis oder Peritonitis mit Aszites sein.

Klinische Petechien, Ulzera der Mundhöhle, Übelkeit, Erbrechen, krampfartige Bauch-


Charakteristika schmerzen je nach Organbeteiligung (s. o.); Hämatochezie, akute mesenteriale Is-
chämie, Peritonitis. Akut auch zervikale Lymphadenopathie, Fotosensibilität, Alo-
pezie, Raynaud-Phänomen.

Diagnostik ██ Ösophagogastroduodenoskopie: Ulzera, Biopsie (Histologie wird nur spezi-


fisch, wenn Submukosa getroffen um Vaskulitis zu beurteilen)
██ Sonografie: Darmwandverdickung, Aszites, Doppler/Duplex der Mesenterialge-
fäße
██ Angio-CT mit KM: akuter arterieller Verschluss (A. mesenterica superior, Trun-
cus coeliacus), Mesenterialvenenthrombose, Darmwandverdickung/-gangrän,
Beurteilung anderer Abdominalorgane)
██ Serologie: ANA (nahezu 100 % positiv), dsDNA/Nukleosomen, Sm/U1RNP, ribo-
somales P, Ro/SS-A, La/SS-B, Anti-Phospolipid-Antikörper

Therapie Prednisolon, NSAR, Antimalariamittel, bei schwererem Verlauf auch Cyclophos-


phamid, Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil.
312  4 Darm

██ Anti-Phospholipid-Syndrom

Einteilung ██ primäres Anti-Phospholipid-Syndrom (APS): ausschließlich Nachweis von Anti-


Phosholipid-Antikörpern
██ sekundäres APS: bei SLE, rheumatischen Erkrankungen, periinfektiös

Klinische Venöse und arterielle Thrombosen, dadurch auch Aborte, neurologische Insulte,
Charakteristika Thrombozytopenie. Die gastrointestinale Manifestation kann in venösen oder ar-
teriellen mesenterialen Thrombosen bestehen: Zeichen der lokalen oder ausge-
dehnten Ischämie bzw. Thrombose (s. Kap. 4.37.1) mit gastroduodenalen-intesti-
nalen Ulzera (u. U. Riesenulkus), Darmischämie, Gangrän.

Therapie Initial zügig therapeutisch Heparin, anschließend Warfarin/Phenprocoumon.

██ Schönlein-Henoch-Purpura

Systemische Vaskulitis kleiner Gefäße mit histologisch IgA-Ablagerungen und leu-


kozytoklastischer Vaskulitis in betroffenem Gewebe: Haut (100 %), Gastrointesti-
naltrakt (60 %), Nieren, Lunge, Gelenke.

Klinische Palpable Purpura (überwiegend untere Extremitäten), Fieber, krampfartige Bauch-


Charakteristika schmerzen (ca. 65 %), Übelkeit, peranaler Blutabgang (33 %).

Diagnostik ██ Inspektion der Haut insbesondere der Extremitäten.


██ Sonografie: fokale bzw. ausgedehnte Darmwandverdickung, Zeichen der Ischä-
mie, Labor: unspezifische Entzündungszeichen
██ Hautbiopsie: wegweisend: leukozytoklastischeVaskulitis, fibrinoide Nekrosen
der Gefäßwand, IgA-Ablagerungen

Therapie Meist spontane Remission bei Kindern. Bei Erwachsenen insbesondere mit Nie-
renbeteiligung: Prednisolon 1 mg/kg KG, ggf. Therapie wie ANCA-assoziierte Vas-
kulitiden.

██ Polyarteriitis nodosa (Panarteriitis nodosa)

Definition Seltene nekrotisierende Vaskulitis (mittlere Arterien), die häufig peri-/postinfek-


und Klinische tiös beginnt, mit Beteiligung der Nerven, (ZNS und PNS), Gelenke, Haut, Hoden,
­Charakeristika Herz, periphere Gefäße und Gastrointestinaltrakt (in 65 %). Besonders häufig be-
troffen sind Darm (Zeichen der akuten und chronischen Ischämie, Mesenterialin-
farkt, intestinale Perforationen) und Gallenblase (ischämische Cholezystitis). Die
Symptomatik kann lange verschleiert sein, da uncharakteristisch.

Diagnostik Bei der ÖGD oder Koloskopie untypisch erscheinende Ulzera, multipel oder mit
ungewöhnlicher Lokalisation (Histologie muss bis in die Submukosa reichen um
Gefäße zu treffen) .Angio-CT mit KM (Zeichen der Ischämie, Darmbeteiligung), Me-
senterikografie (Aneurysmata, Verschlüsse).
Labor: unspezifische Entzündungszeichen; HBsAG positiv in bis zu 40 %, Kryoglo-
buline und Kryofibrinogen, keine spezifischen Antikörper nachweisbar.

Therapie Unterschiedliches Vorgehen zwischen HBsAG-positiver und -negativer Polyarterii-


tis nodosa. Prednisolon plus Immunsuppressiva, spezielles Vorgehen bei chronisch
4.38 Darmbeteiligung bei Systemerkrankungen  313

aktiver Hepatitis B (s. EULAR-Kriterien, Mukhtyar 2009). Prognose bei gastrointes-


tinalem Befall ungünstig.

██ Wegener-Granulomatose

Definition ANCA-assoziierte nekrotisierend-granulomatöse Vaskulitis der kleinen Arterien


und Venen mit Beteiligung des Respirationstrakt (Nase, Mund, Lunge), HNO-Be-
reich, der Nieren und anderen Organen, die um das 40. Lebensjahr beginnt. Der
Gastrointestinaltrakt ist in bis zu 10 % betroffen mit Ausbildung der Vaskulitis im
Magen und Darm.

Klinische Bauchschmerzen bedingt durch die Vaskulitis, Ulzera, lokaler und diffuser akuter
Charakteristika oder chronischer Ischämie, akut auch Perforationen und Peritonitis möglich.

Diagnostik Wegweisend ist Nasenschleimhaut- oder Nierenbiopsie. Labor: Kreatinin (cave:


rasche Verschlechterung innerhalb Tagen), serologisch: Autoantikörper gegen Pro-
teinase 3 (cANCA) in 65–90 % positiv, BSG-Erhöhung, Leuko- und Thrombozytose,
Erythrozyturie.

Therapie Leichtere Verläufe: Prednisolon plus MTX, schwere Verläufe: initial Prednisolon
plus Cyclophosphamid, Rituximab offenbar gleichwertig.

██ Churg-Strauss-Syndrom

Definition Sehr seltene ANCA-assoziierte eosinophilenreiche granulomatöse Vaskulitis der


kleinen und mittleren Gefäße mit Beteiligung von Respirationstrakt (allergisches
Asthma, Rhinitis allergica), Neuritis und HNO-Bereich. Der Gastrointestinaltrakt
ist in 20–50 % betroffen, am häufigsten Dünndarm, auch Kolon, Magen, Gallenbla-
se. Die Kombination: Eosinophilie (>10 %), Bauchschmerz und Asthma sollte an
Churg-Strauss-Syndrom denken lassen!

Differenzial­ Eosinophile Gastroenteritis.


diagnose

Diagnostik Bluteosinophilie (5–20 %), BSG↑, Leukozytose, MPO-ANCA (pANCA) sind bei Fort-
schreiten in bis zu 70 % nachweisbar; ÖGD (multiple, bizarre Ulzera, Petechien,
Schleimhautschwellung-/rötung) plus Biopsie: granulomatöse Veränderungen und
eosinophile Infiltrate. Bei Dünndarmbefall auch Kapselendoskopie oder Ballonen-
teroskopie zur Histologie-Gewinnung notwendig.
Sonografie: Darmwandverdickung.

Therapie Prednisolon, u. U. in Kombination mit Azathioprin oder Cyclophosphamid.

██ Mikroskopische Polyangiitis

Definition ANCA-assoziierte nekrotisierende Vaskulitis der kleinen Gefäße jedoch ohne Im-
munablagerungen. Im Gegensatz zur Wegener Granulomatose finden sich keine
Granulome. Lungenbefall mit Hämptysen, nekrotisierende Glomerulonephritis
(pulmorenales Syndrom), Mononeuritis multiplex, Arthralgien. Der Gastrointesti-
naltrakt ist in 30–50 % betroffen mit Darmischämie unterschiedlicher Ausprägung
314  4 Darm

(Bauchschmerzen, Ulzera, okkulter oder overter Blutverlust, Reflux; Assoziation


zur PBC, Pankreatitis.

Diagnostik Myeloperoxidase-Antikörper (pANCA) in 80 % nachweisbar. Histologischer Nach-


weis in betroffenen Organen.

Therapie Wie Wegener G. bzw. Churg-Strauss-Syndrom.

Literatur Koop I. Beteiligung des Gastrointestinaltraktes bei rheumatischen Erkrankungen. Gastroenterologie up2date
2011; 7: 123–142
Mukhtyar C et al. EULAR recommendations for the management of primary small and medium vessel vas-
culitis. Ann Rheum Dis 2009; 68: 310–317

4.38.4 Immundefekte
██ IgA-Mangel

Relativ häufiger, angeborener Immunglobulinmangel, Inzidenz 1:700; meistens


asymptomatisch, in 15 % rezidivierende Durchfälle durch Infektionen (Lamblien)
und Malabsorption, Laktoseintoleranz; Assoziation mit Diabetes mellitus Typ 1
und anderen Autoimmun-Endokrinopathien, noduläre lymphatische Hyperplasie;
4 % der Patienten mit Zöliakie weisen IgA-Mangel auf.

Diagnostik Serum-IgA <0,05 g/l bei normalem IgG

Therapie Keine spezifische, cave: keine Substitution von IgA, da in 30 % Anti-IgA-Antikörper,


die zu anaphylaktischen Reaktionen führen; IgA-freie Gammaglobuline oder Blut-
produkte, falls erforderlich.

██ Andere humorale Immundefekte

X-chromosomal assoziierte Agammaglobulinämie (Bruton’s Agammaglobulinä-


mie): Fehlen von B-Zellen im peripheren Blut, gehäuft Infekte bereits im Kindesal-
ter, auch chronische Enteritiden, dadurch Malabsorption, Laktoseintoleranz.
Hypogammaglobulinämie („common variable immune deficiency“, CVID): B-
Zellen vorhanden, produzieren jedoch keine oder nur einzelne Immunglobuline,
Serum-IgG <0,5 g/l plus IgA-Erniedrigung; Neigung zu respiratorischen Infekten
ausgeprägter als bei alleinigem IgA-Mangel, chronische Enteritiden mit Malab-
sorption (Zottenatrohpie!), Laktoseintoleranz.

4.38.5 Endokrinologische Erkrankungen


██ Diabetes mellitus

Manifestationen am Gastrointestinaltrakt sind durch autonome Neuropathie be-


dingt und werden durch hohe Blutzuckerwerte verstärkt: Gastroparese, Dünn-
darm-Motilitätsstörung mit rezidivierenden, häufig nächtlichen Diarrhöen, Inkon-
tinenz, selten Obstipation; Diarrhö kann auch Ausdruck bakterieller Fehlbesied-
lung oder eines Gallensäureverlustsyndroms sein.
4.39 Malakoplakie  315

Diagnostik Anamnese! gehäuft Hypoglykämien und „schlecht einstellbarer Diabetes“ als Aus-
druck der Gastroparese, Ausschlussdiagnose durch Abklärung der Diarrhö (s. Kap.
1.13), bei Typ-1-Diabetes auch Abklärung Zöliakie, da gehäuft Assoziation.

Therapie Keine gesicherte; normnahe Blutzuckereinstellung, symptomatisch Loperamid;


Therapie der bakteriellen Fehlbesiedlung (s. Kap. 4.4); Therapieversuch mit α2-
Rezeptoragonist Clonidin (da Verminderung α-adrenerger Innervation besteht);
Octreotid 2- bis 3-mal 50–75 μg/Tag s. c. in Einzelfällen wirksam; insgesamt eher
schlechtes Ansprechen.

██ Hypothyreose

Am Gastrointestinaltrakt Leitsymptom: motilitätsbedingte Obstipation, Therapie:


Substitution mit Thyroxin.

██ Hyperparathyreoidismus

Gastrointestinale Symptome: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Oberbauch-


schmerzen, Durchfall, Obstipation, selten Malabsorption.

██ Morbus Addison

Übelkeit, Erbrechen, Malabsorption, Gewichtsverlust (>90 %).

4.39 Malakoplakie

Definition Seltener chronisch entzündlicher Prozess mit Entwicklung einer tumorähnlichen


Formation im Bereich der Harnwege, aber auch in Genitaltrakt, Hirn, Lunge, Kno-
chen und gesamtem Gastrointestinaltrakt (Malakoplakie = weicher Plaque).

Patho­ Nicht geklärt; Grunderkrankung mit reduzierter Immunlage prädisponiert offen-


mechanismus bar (Tbc, Sarkoidose, rheumatoide Arthritis, Neoplasie, Drogenabusus, immunsup-
pressive Therapie); chronischer Harnwegsinfekt mit E. coli (75 %), aber auch Pro-
teus, Klebsiella, Mykobakterien, Staphylokokken; defekte Makrophagenantwort.

Pathologie Weicher, gelblicher Plaque der Mukosa, Ausdehnung bis in dazugehörige Lymph-
knoten; histologisch charakteristisch so genannte PAS-positive Michaelis-Gut-
mann-Körper (dunkle Einschlusskörperchen in Histiozyten).
Einteilung:
██polypöse Veränderungen vorwiegend im Rektosigmoid, stenosierend, auch fis-
telnd transmural
██diffuser Befall des Kolons mit polypösen und ulzerösen Veränderungen
██solitäre polypöse Läsion in Kombination mit Karzinom oder adenomatösem Po-
lyp

Klinische Fieber, Diarrhö, Hämatochezie, Bauchschmerzen, Zeichen der Kolonobstruktion;


Charakteristika bei rektal-digitaler Untersuchung weiche Resistenz tastbar, auch abdominelle Re-
sistenz.
316  4 Darm

Diagnostik Endoskopie mit Biopsie: makroskopisch granuläre Schleimhaut oder Verdacht auf
Malignom, Histologie s. o.

Differenzial­ Morbus Whipple, Lepra, Retikularzellsarkom, Pilzerkrankung.


diagnose
Therapie ██ Lokale Läsion: Exzision
██ Diffuse Veränderungen: Breitsprektrum-Antibiotikum: Ciprofloxacin, Cotrimo-
xazol; auch antituberkulöse Therapie empfohlen

Literatur Bock P, Schwarz A. Malakoplakia-like reaction in association with colorectal adenocarcinoma. Z Gastroente-
rol 2000; 38: 643–646

4.40 Endometriose

Definition Vorkommen von Endometrium außerhalb des Uterus.

Vorkommen Lokalisation meist in unmittelbarer Nähe des Uterus: kleines Becken, Rektosigmo-
id (70 %), Appendix, Ileozökalregion; in 15 % aller Frauen, in 30 % infertiler Frauen.

Klinische Beschwerden korrelieren nicht mit dem Menstruationszyklus; Bauchschmerzen,


Charakteristika Obstipation, Diarrhö, peranaler Blutabgang, lumbale Rückenschmerzen, gynäko-
logische Beschwerden wie Dysmenorrhö, Zyklusunregelmäßigkeiten, Infertilität;
Symptomüberlappung: Reizdarmsyndrom.

Diagnostik (Ileo-)Koloskopie: Mukosa meist intakt, submuköses, bläuliches Kissen, tiefe Bi-
opsie
██ Laparoskopie bei serosaler Endometriose

Diffferenzial­ Karzinom, Divertikulitis, Morbus Crohn, Schistosomiasis, Tuberkulose, chronische


diagnose Ischämie, benigne Neoplasien.

Therapie In Absprache mit Gynäkologen: Resektion, laparoskopische Laserablation, orale


Kontrazeptiva, Gonadotropin-Releasing-Hormon Danadazol.

4.41 Melanosis coli

Definition Braunschwarze Pigmentierung („Leopardenfell“) der Kolonschleimhaut durch Ge-


brauch von anthrachinonhaltigen Laxanzien wie Cascaras agrada, Senna, Aloe etc.
Ohne Krankheitswert.

Diagnose Koloskopie, makroskopisch „leopardenfellartige“ Mukosapigmentierung.

Therapie Absetzen der ursächlichen Laxanzien.


  317

5 Anorektum
G. Pommer

5.1 Anatomie und Physiologie

Anatomie Der Analkanal (3–4 cm) wird kranial durch die Linea dentata, kaudal durch die Li-
nea anocutanea begrenzt. Er wird durch 4 verschiedene Systeme gebildet:
██Schließmuskelsystem:
–– M. sphincter ani internus
–– M. sphincter ani externus
–– M. puborectalis
██Gefäße: Corpus cavernosum recti, das durch die A. rectalis superior gespeist
wird
██Schleimhaut: mehrschichtiges, unverhorntes Plattenepithel mit hoher Sensibi-
lität; an der Linea anocutanea Übergang in mehrschichtiges, verhorntes Platte-
nepithel
██Nervensystem:
–– Steuerung des M. sphincter ani internus über Dehnungsrezeptoren in der
Rektumwand
–– vegetative Nerven des Kontinenzorgans und des Analkanals aus dem sakra-
len Anteil des Parasympathikus und dem lumbalen Anteil des Sympathikus
–– der M. puborectalis wird durch motorische Äste aus dem Plexus sacralis und
dem N. pudendus versorgt, ebenso der M. sphincter ani externus

An der Linea dentata finden sich 15 Columnae anales mit dazwischen liegenden
Morgagni-Krypten (Ausführungsgänge der Proktodäaldrüsen).

Physiologie Kontinenzerhaltung: M. sphincter ani internus: Dauerkontraktion, 80 % der Hal-


teleistung auch im Schlaf. M. sphincter ani externus: (quer gestreift) maximale
Willkürkontraktion. Oberhalb davon quer gestreifter M. puborectalis. Dieser bildet
mit den 3 Muskelanteilen die so genannte Levatorenplatte, die den Beckenboden
bildet. Die Kontraktion des M. puborectalis führt durch Schlingenbildung um den
unteren Rektumanteil zu einem Verschluss des oberen Analkanals mit Verände-
rung des anorektalen Winkels.
Bei erhöhtem Füllungsdruck in der Ampulla recti Defäkation durch Relaxierung
der Muskulatur des inneren Schließmuskels und Abfluss des Bluts aus dem Hä-
morrhoidalplexus bei Passage des Stuhls. Durch Dauerkontraktion des Sphincter
ani internus wird der Blutabfluss aus dem Hämorrhoidalgeflecht verhindert, damit
Unterstützung der Feinkontinenzfunktion.
Abb. 5.1 zeigt den Aufbau des muskulären Verschlussmechanismus des Kontinenz-
organs, Abb. 5.2 die arterielle Versorgung des vaskulären Verschlussmechanismus
(Corpus cavernosum recti).

Literatur Die Literaturangaben sind für alle Unterkapitel von Kap. 5 am Kapitelende zusam-
mengefasst.
318  5 Anorektum

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Abb. 5.1 Aufbau des Kontinenzorgans. Vier funktionelle Anteile des muskulären Ver­
schlussmechanismus des Kontinenzorgans (Sicht von ventral auf ein durch den Frontalschnitt
eröffnetes Rektum in situ): konstruktiv enges Segment (v. a. M. sphincter ani internus),
Knickverschluss durch den M. levator ani, v. a. durch den M. puborectalis, Schnür- oder
Tamponierverschluss durch den M. sphincter ani externus und Schwellverschluss durch das
Corpus cavernosum recti (unter der Schleimhaut, also in der Rektumwand) (Quelle: Schünke
et al. 2005).

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Abb. 5.2 Arterielle Versorgung des vaskulären Verschlussmechanismus (Corpus


cavernosum recti) des Kontinenzorgans. Ansicht von kaudal bei so genannte „Steinschnittla­
ge“ (Patient in Rückenlage; Sicht auf den Damm). Das Corpus cavernosum recti ist ein per­
manent gefüllter Schwellkörper. Es wird aus der A. rectalis superior gespeist. Im Rahmen der
Dauerkontraktion des muskulären Sphinkterapparates bei Kontinenz wird auch der venöse
Abfluss aus dem Corpus cavernosum behindert, es bleibt somit gefüllt und führt zu einem
gasdichten Verschluss des Rektums. Der Zufluss aus Ästen der A. rectalis superior erfolgt
bei „3, 7 und 11 Uhr“ (topografisch z. B. von Bedeutung bei Unterbindung des Gefäßes). Die
Erschlaffung des Sphinkterapparats bei der Defäkation führt zur Freigabe des venösen Ab­
stroms aus dem Corpus cavernosum (Quelle: Schünke et al. 2005).
5.3 Marisken  319

5.2 Proktologische Untersuchung

Anamnese Blutung, Juckreiz, Schmerz, Vorfall, Ausfluss, Stuhlfrequenz, Nässen.

Klinische Inspektion, rektal-digitale Untersuchung (mit Gleitmitteln, z. B. Vaseline/anäs-


­Untersuchung thesierende Salbe); Voraussetzung: optimale Lichtverhältnisse, entspannte Lage.
Die digitale Untersuchung vermittelt einen Rückschluss auf Sphinktertonus, Kon-
traktionsleistung, Prüfung des anokutanen Reflexes, Angabe von Schmerzen bei
der digitalen Austastung im Analkanal und oberhalb davon, z. B. schmerzempfind-
liches Os sacrum. Hämorrhoiden sind nicht tastbar. Zusatzbeurteilung der peri-
und pararektalen Region.
Endoskopie:
██ Proktoskopie: Untersuchung der unteren 10 cm mit Beurteilung des Hämorrhoi-
dalplexus und des anorektalen Übergangs, Darstellung der Krypten, ggf. Speku-
lumuntersuchung
██ Rektoskopie: bis 15 cm, höher gelegene Abschnitte sollten durch partielle bzw.
totale Koloskopie mit flexiblen Instrumenten untersucht werden

Weiterführende Diagnostik:
Endosonografie: Beurteilung der subanodermalen und perirektalen anatomi-
██

schen Verhältnisse (Staging Rektumkarzinom, Fisteldarstellung)


Manometrie (in Zentren): Indikation: Differenzierung der Inkontinenz, evtl. vor
██

operativen Eingriffen (Fistelchirurgie), Morbus Hirschsprung


Defäkografie: Differenzierung der Outlet-Obstruktion (Rektozele, „cul de sac“,
██

innerer Rektumprolaps), ggf. MR-Defäkografie


Transitzeitbestimmung: Indikation: Klärung der Obstipation (Slow-Transit-Obs-
██

tipation)
CT/MRT: Indikation: unklare Prozesse im perirektalen- und Beckenbodenbe-
██

reich, z. B. bei entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn), Vorteil der


MRT-Untersuchung: fehlende Strahlenbelastung
Elektromyografie (EMG): Indikation: Beurteilung einer neurogenen Muskelschä-
██

digung; Ableitung durch Oberflächenelektroden zur Beurteilung der elektri-


schen Aktivität des Sphinktermuskels, Indikation: Abklärung Anismus; Ablei-
tung durch Nadelelektroden: invasive Untersuchungsmethode mit Schmerzen;
heute in der Regel zugunsten der Endosonografie aufgegeben wegen schwieriger
Interpretation der Ergebnisse und Invasivität. Die neurophysiologischen Unter-
suchungen sollten nur in speziellen Zentren mit großer Erfahrung vorgenom-
men werden.

5.3 Marisken

Definition Hautlappen bzw. Knoten im äußeren Analrand, vereinzelt auch zirkulär auftretend.

Synonyma Analfalten, Analläppchen.

Ätio­ Primär: ohne erkennbare Ursache, gelegentlich bei langen Reizzuständen und ab-
pathogenese gelaufenen Analthrombosen.
Sekundär: Vorpostenfalte bei chronischer Analfissur bzw. nach operativen Eingrif-
fen.
320  5 Anorektum

Epidemiologie Ca. 75 % der Frauen, 50 % der Männer jenseits des 4. Lebensjahrzehnts; häufige
Fehlinterpretation als Hämorrhoide.

Klinische Oberfläche entspricht der Perianalhaut, weich, nicht schmerzhaft, Ekzembildung


Charakteristika und Pruritus ani durch ungenügende Analhygiene.

Differenzial­ Feigwarzen, anale Fibrome, Analkarzinom.


diagnose
Therapie Nur bei erheblichen hygienischen Problemen (Pruritus, Verschmutzung der Wä-
sche) evtl. Abtragung, sonst konservativ; Hygieneberatung, weiche Zinkpaste (DAB
10).
Entfernung solitärer Marisken in Lokalanästhesie, bei zirkulärer Mariskenbildung
mehrzeitiges Vorgehen wie bei analplastischen Maßnahmen.
Cave: Operation bei Morbus Crohn.

5.4 Analekzem

Definition Häufige proktologische perianale Erkrankung, ausschließlich im verhornenden


Plattenepithel, keine eigenständige Erkrankung, sondern Folgeerscheinung ande-
rer dermatologischer, mikrobieller, allergischer oder proktologischer Erkrankun-
gen.

Ätiologie und Durch die anatomische Besonderheit mit Bildung einer feuchten Kammer und Se-
Pathogenese kretverhalt der ekkrinen und apokrinen Schweißdrüsen bedingt. Aufgrund der
Ätiopathogenese werden 3 Formen des Ekzems unterschieden:
██irritativ-toxisch, kumulativ-toxisches Ekzem (häufigste Ekzemform bei Einwir-
kung einer Noxe) Beispiel: Schleim- und Stuhlabsonderungen; bei proktologi-
schen Erkrankungen (Feinkontinenzstörung bei Hämorrhoidalleiden), Prolaps,
Sphinkterinsuffizienz, postoperative Zustände, Fisteln, Irritationen durch me-
chanische Reize
██atopisches Analekzem (Neurodermitis): Überempfindlichkeit gegen Umwelt-
stoffe (Typ-I-Allergie) assoziert mit IgE-Erhöhung, häufig auch andere Prädilek-
tionsstellen am Körper (Knie, Ellenbeuge), positive Familien- und Eigenanamne-
se mit atopischen Erkrankungen
██allergisches Kontaktekzem (Typ-IV-Allergie): meistens Hautpflegemittel,
Sprays, Salben, feuchtes Toilettenpapier mit Duftstoffen

Klinische Quälender Juckreiz, z. T. nächtlich deutlich verstärkt, Brennen, Nässen, Blut am To-
Charakteristika ilettenpapier.

Diagnostik ██ Anamnese: (z. B. Atopien), Stuhlgewohnheiten, Analhygiene


██ Inspektion und proktologische Untersuchung: weißer Dermografismus bei
Atopie in 80 % der Fälle
██ Abstrich: Mykose?, beta-hämolysierende Streptokokken
██ Stuhluntersuchung auf Würmer
██ Epikutantest bei Verdacht auf allergisches Kontaktekzem

Differenzial­ Psoriasis inversa, Erythrasma, Streptokokkendermatitis, Morbus Bowen, Morbus


diagnose Paget.
5.7 Morbus Paget  321

Therapie Ausschluss proktologischer Erkrankung und evtl. Behandlung (s. dort); Vermei-
dung irritativer Stoffe mit Eliminierung, bei atopischem Ekzem kurzfristige lokale
Applikation mittelstarker Kortikoide, evtl. Bestrahlung mit UVA-Licht.
Bei chronisch rezidivierendem Verlauf: Intervalltherapie.
Allergisches Kontaktekzem: Nachweis des Allergens durch Epikutantest und Ab-
setzen aller Externa, evtl. Anwendung indifferenter Präparationen wie z. B. Pas-
ta zincii mollis (DAB 10), zur Symptomverbesserung: kurzfristige Anwendung von
Kortikoidexterna.
Basistherapie: Hygieneberatung, Stuhlregulierung.

5.5 Erythrasma

Definition Hautinfektion mit Corynebakterien.

Klinische Erheblicher Juckreiz und Brennen, häufig durch Kratzen oberflächliche Lichenifi-
Charakteristika kation, Mazeration.

Diagnostik Großflächige, trockene, helle, hell- bis dunkelbraune, manchmal rötliche Verände-
rungen, schuppend. Beweis durch Wood-Lampe (UVA-Licht 366 nm).

Therapie Erythromycin in Gelform 2-mal tgl. über 7 Tage; bei Rezidiv: systemisch 14 Tage
2-mal 500 mg bzw. 4-mal 250 mg Erythromyin.

5.6 Morbus Bowen

Definition Vereinzelte erosive, nässende Läsionen (Solitärläsion, selten multiple Herde).

Ätio­ Infektion mit HPV16/18/58.


pathogenese

Klinische Schmerzen, Jucken, Brennen.


Charakteristika

Verlauf Chronizität bei obligater Präkanzerose, Entwicklung in ein Bowen-Karzinom mit


hämatogener und lymphogener Metastasierung.

Diagnostik Sicherung durch obligate Histologie.

Therapie Exzision weit im Gesunden, hohe Rezidivquote (23 %), regelmäßige Kontrollunter-
suchung erforderlich.

5.7 Morbus Paget

Definition Seltene perianale, intraanale und rektale Karzinome des höheren Lebensalters.

Diagnostik Ekzemähnliche Läsion im Analbereich, scharf begrenzt, teils schuppig. Diagnose-


sicherung durch Histologie, insbesondere bei therapieresistenten ekzematischen
Veränderungen.
322  5 Anorektum

Klinische Juckreiz.
Charakteristika
Differenzial­ Psoriasis, Morbus Bowen. Bei Nachweis eines Morbus Paget Ausschluss eines Rek-
diagnose tumkarzinoms zwingend.

Therapie Exzision weit im Gesunden.

5.8 Streptokokkendermatitis

Definition Perianales Erythem mit scharfer Begrenzung, gelegentlich Pustelbildung.

Ätiologie Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A, häufig bei Kindern.

Klinische Brennen, Juckreiz, Schmerzen beim Stuhlgang.


Charakteristika

Diagnostik Abstrich und Kulturnachweis.

Therapie Penicillin 500 000 IE/kg KG, oral 10–14 Tage, Anwendung von Externa nicht erfor-
derlich.

5.9 Virusbedingte anale Erkrankungen

5.9.1 F eigwarzen (Condylomata acuminata;


spitze Kondylome)
Definition Stecknadelkopfgroße, rötliche, z. T. auch weißliche Papeln, vereinzelt, multipel, z. T.
beetartig, nach längerem Verlauf blumenkohlartige Veränderungen möglich.

Ätio­ Virusinduzierte Erkrankung durch HPV6, HPV11, seltener HPV16. Hohe Infektions-
pathogenese rate (60 % der erwachsenen Bevölkerung).
Übertragungsweg: vorwiegend durch sexuellen Kontakt, bei vorgeschädigter Haut
evtl. auch andere Infektionswege (Sauna, Bad, Handtücher). Eine der häufigsten
sexuell übertragbaren Erkrankungen, insbesondere bei immunsupprimierten Pa-
tienten.

Pathologie Nachweis intraepithelialer Neoplasien (Grad 1–3), Entartung zum Karzinom bis
zu 30 %.

Lokalisation Perianal, intraanal, intrarektal, genital.

Klinik und Feuchtigkeitsbildung, seltener Blutungen, mitunter stinkendes Sekret, 30 % Spon­


Verlauf tanremission, bei langer Dauer Entwicklung zum Buschke-Löwenstein-Tumor.

Diagnostik Typischer makroskopischer Aspekt, evtl. Differenzierung durch Betupfen mit Es-
sigsäure (5 %).
5.9 Virusbedingte anale Erkrankungen  323

Therapie Bei singulären Veränderungen: Podophyllotoxin 0,15 % Creme 2-mal tgl. für 3
Tage, 4 Tage Pause, 3-malige Wiederholung, alternativ: topische Anwendung von
Imiquimod-Creme (Aldara 5 %) 1-mal pro Woche.
Bei multiplen Kondylomen oder ausgedehntem Befall: operatives Vorgehen mit
flüssigkeitsunterstützter Koagulation.
Hohe Rezidivquote: 20–50 %.

Leitlinien www.Leitlinien.net > Koloproktologie

5.9.2 Herpes zoster


Definition Akut auftretende Viruserkrankung („Gürtelrose“) im Bereich der perianalen Haut.

Ätio­ Erreger: Varizella-Zoster-Virus (VCV).


pathogenese

Inkubationszeit 10–20 Tage; häufig latente Infektion, die bei Immundefizienten eine Reaktivierung
erfährt.

Klinik und Meistens halbseitig mit akut bestehenden stecknadel- bis reiskorngroßen Bläschen
Verlauf die nach etwa 1 Woche austrocknen. Häufig, schon vor sichtbaren Veränderungen,
erhebliche Schmerzen mit Berührungsempfindlichkeit und Hyperästhesie im Sa-
kralbereich.

Verlauf Spontanheilung in 2–3 Wochen mit Verlust der Schmerzen, selten postinfektionel-
le Neuralgie.

Diagnostik Typische Anamnese und typischer makroskopischer Befund.

Differenzial­ Herpes simplex, Impetigo bullosa, Erysipel.


diagnose

Therapie Lokaltherapie mit Aciclovir, Famciclovir oder Valaciclovir.

Schmerz­ NSAR, Analgetika.


behandlung

5.9.3 Herpes simplex


Definition Perianale, seltener intrarektale Hautinfektion mit HSV 1 und 2.

Ätio­ Virusinfektion, insbesondere sexuell übertragbar bei Homosexualität, Infektion


pathogenese über kleine Hautläsionen perianal.

Inkubationszeit 2–12 Tage, neben der Primärinfektion häufig Reinfektion oder Aktivierung eines
latenten Herpes-simplex-Virus.

Diagnostik und Reiskorngroße Bläschen, z. T. später konfluierende, flache Erosionen bzw. Ulzerati-
Verlauf onen, erhebliche Schmerzhaftigkeit mit einer spontanen Heilung etwa nach 4 Wo-
chen, gelegentliches Auftreten von inguinalen Lymphdrüsenschwellungen, nicht
selten Allgemeinsymptome mit Fieber und Myalgien. Bei gleichzeitiger HIV-Infek-
tion ist ein schwerer Krankheitsverlauf möglich.
324  5 Anorektum

Komplikation Meningoenzephalitis.

Zusatz­ Nur bei atypischem Verlauf durch serologischen Antigennachweis.


diagnostik

Differenzial­ Herpes zoster, Impetigo contagiosa.


diagnose

Therapie Lokale Anwendung von Aciclovir, Famciclovir, Valaciclovir. Bei Immunsupprimier-


ten: systemische Behandlung.

5.10 Acne inversa

Definition Entzündung der Talgdrüsen und der Haarfollikel perianal, inguinal, gelegentlich
axillär. Frauen und Männer sind in gleicher Weise betroffen ohne speziellen Al-
tersgipfel.

Ätio­ Superinfektion eines Komedo mit Ruptur des Follikelkanals und Ausbildung von
pathogenese Knoten, Fisteln und einer Fibrosierung. Es besteht eine genetische Disposition, zu-
sätzlich scheint Nikotinkonsum Bedeutung zu haben. Unklar ist die Rolle der Infek-
tion mit Strepto- oder Staphylokokken.

Verlauf Im Verlauf der Krankheit kommt es z. T. zu konfluierenden Abszessen, bei einem


Vollbild kommt es zu großflächigen, infiltrierten Arealen mit Knoten, Abszessen
und Fistelgängen. Patienten haben beim Sitzen Schmerzen, seltener Fieber. Durch
ständige Sekretion erhebliche Einschränkung der Lebensqualität.

Diagnostik Typischer makroskopischer Aspekt.

Differenzial­ Frühstadium einer Furunkulose, manchmal schwierige Differenzierung gegenüber


diagnose einem analen Crohn.

Therapie Konservative Maßnahmen (z. B. Antibiotikagabe) nicht sinnvoll. Die Methode der
Wahl ist die Operation mit kompletter Entfernung weit im Gesunden und sekun-
därer Wundheilung. Eine plastische Deckung ist nicht zwingend erforderlich, zeigt
aber ähnlich gute Ergebnisse bezüglich Kosmetik und Rezidivfreiheit.

5.11 Sinus pilonidalis

Definition Entzündung im subkutanen Fettgewebe in der Mittellinie des Kreuzbeins.

Synonyme Jeep-Disease, Pilonidalzyste, Sakrokokzygealzyste.

Ätio­ Multifaktorell: genetische Disposition mit Eindringen abgebrochener Haare in die


pathogenese Haut und Entwicklung eines Fremdkörpergranuloms, das sich rezidivierend infi-
ziert. Begünstigende Faktoren sind starke Schweißsekretion, Adipositas, starke Be-
haarung.
5.13 Analthrombose  325

Klinische Häufig asymptomatische Form bei nur reizloser kleiner Primäröffnung in der Rima
Charakteristika ani, häufig auch Zufallsbefund: Die abszedierende Form wird durch Schmerzen
und Schwellungen beherrscht. Spontanperforationen mit Abgang von Eiter.

Diagnostik Inspektion, typischer Befund, Ausschluss eines analen Crohns bzw. einer Analfis-
tel/Acne inversa.

Therapie Methode der Wahl ist die operative En-Bloc-Exzision des gesamten Befundes bis
zur Sakralfaszie, entweder mit plastischer Rekonstruktion oder Sekundärheilung.
Rezidivquote bei primärem Wundverschluss deutlich höher. Unter Umständen
sehr lang andauernde Abheilungsphase.

5.12 Anale Tinea

Definition Häufige Hautinfektion im Anogenitalbereich, gelegentlich auch am Oberschenkel.

Ätio­ Verschiedenste Dermatophyten (Trichophyton rubrum, T. mentagrophytes), häufig


pathogenese Autoinokulation, bedingt durch das feuchtwarme Milieu, Adipositas permagna be-
günstigt die Erkrankung.

Klinische Deutlicher Juckreiz, scharf begrenzte, z. T. runde, polyzyklische, hochrote bis


Charakteristika bräunlich-rote Herde, feine Bläschen mit randbetonter Schuppung.

Diagnostik Inspektion mit typisch makroskopischem Bild, Erregernachweis aus Schuppenma-


terial im Randbereich nativ und kulturell.

Differenzial­ Allergisches, irritativ-toxisches, atopisches Analekzem, Psoriasis inversa, Erythras-


diagnose ma, Kandidose.

Therapie Lokale Anwendung von Azolen über 3 Wochen, evtl. gleichzeitige Behandlung ei-
ner Tinea pedis.
Medikamente: Clotrimazol, Miconazol, Econazol, bei Versagen der lokalen Thera-
pie systemische Behandlung.

5.13 Analthrombose

Definition Akute, meist schmerzhafte Schwellung im äußeren Analbereich am Analeingang,


seltener im Analkanal, mit Vorliegen eines oder mehrerer Koagel in den subkutan
verlaufenden Venen des Plexus haemorrhoidalis caudalis. Es handelt sich nicht um
eine Erkrankung des Corpus cavernosum recti!

Synonyme Analvenen-, Analrand-, Analthrombose.

Ätio­ Unklar; auslösend sind: harter Stuhl mit deutlicher Pressbelastung, Durchfall,
pathogenese Schwangerschaft, scharfe Speisen und übermäßiger Alkoholkonsum, Spätphase
der Gravidität.

Epidemiologie Alle Altersgruppen betroffen.


326  5 Anorektum

Klinische Häufig ganz akute, linsen- bis pflaumengroße Schwellung im Perianalbereich mit
Charakteristika Schmerzen, prall-elastisch, Spontanperforation mit Entleerung eines Thrombus
möglich.

Diagnostik Typisches makroskopisches Bild durch Inspektion und Palpation.

Differenzial­ Marisken, Abszesse, selten Melanom, Analprolaps, inkarzerierter Hämorrhoidal-


diagnose prolaps mit Analprolaps.

Verlauf Spontaner Rückgang der Schmerzen möglich mit langsamer Abnahme des Ödems
und der Schwellung.

Therapie Bei geringen Beschwerden: konservatives Vorgehen mit antiphlogistischen Sal-


ben.
Bei Schmerzen: komplette Entfernung des Knotens nach vorheriger Lokalanästhe-
sie (keine Naht). Inzisionen und Thrombusexpressionen sind ungünstig wegen ho-
her Rezidivquote.

5.14 Analfissur

Definition Akute Analfissur: schmerzhafter, strich- bis spindelförmiger oberflächlicher Ein-


riss mit glatten Wundrändern im Anoderm gelegen, 80–90 % im hinteren Kom-
missurbereich (6-Uhr-Steinschnittlage), vermutlich reaktiver Hypertonus des M.
sphincter ani internus.
Chronische Analfissur: ovales Ulkus, im Ulkusgrund quer verlaufendes Faserbün-
del des M. sphincter ani internus, aufgeworfene Wundränder, kallös. Ausbildung
von sekundären Veränderungen mit hypertropher Analpapille (so genanntes
Analfibrom) an der Linea dentata, im äußeren Fissurrand Vorpostenfalte verschie-
dener Größe.

Epidemiologie Keine geschlechtsspezifische Häufigkeit, keine Bevorzugung des Lebensalters.

Ätio­ Die Fissurentstehung ist nicht eindeutig geklärt, vermutlich multifaktorielles Ge-
pathogenese schehen:
██mechanisch: harter, voluminöser Stuhlgang
██infektiös: Entzündung des kryptoglandulären Apparates
██vaskulär: geringere arterielle Vaskularisation in der hinteren Kommissur mit re-
duzierter Perfusion
██neuromuskulär: evtl. primärer Sphinkterspasmus mit funktioneller Analstenose

Symptomatik Schmerz, Blutung während und nach der Defäkation, der Schmerz kann sehr lange
anhalten mit Ausstrahlung in die Umgebung.

Klinischer Die akute Fissur heilt häufig spontan, selten Entwicklung zur chronischen Analfis-
Verlauf sur mit Sekundärveränderungen.

Diagnostik Typische Anamnese mit Schmerzen und Blut bei der Defäkation.
Inspektion typisch bei Spreizen der Nates, schmerzhafte digitale Untersuchung,
Proktoskopie schwierig, nach vorheriger Infiltration mit 2–3 ml 2 % Lidocain ist
auch eine Spreizspekulum-Untersuchung möglich.
5.15 Hämorrhoiden  327

Differenzial­ Analer Morbus Crohn mit atypischer Lokalisation, Infektion (SDT, HIV), trauma-
diagnose tisch bedingte Läsionen, Proktitis.

Therapie Akute Analfissur: 50 % der akuten Fissuren heilen spontan, daher zunächst konser-
vative Behandlung durch Stuhlregulierung, Flüssigkeitszufuhr, warme Sitzbäder.
Bei starken Schmerzen Anwendung von nitrathaltigen Salben und Kalziumantago-
nisten (Glyzeroltrinitrat bzw. Diltiazem, lokale Injektionen von Disport oder Botox
möglich). Nach Abklingen der Akutphase und Schmerzfreiheit evtl. zur Vermei-
dung eines Rezidivs Anwendung eines Analdehners.
Therapieprinzip: Steigerung der Durchblutung mit Verbesserung der Wundheilung
durch Herabsetzen des reaktiven Sphinkterhypertonus durch pharmakologische
Sphinkterrelaxation. Erfolg: 70–95 %, bei Botulinumtoxininjektionen vorüberge-
hende anale Inkontinenz (4–5 % der Fälle bis 2–3 Wochen).
Chronische Analfissur: Die Basistherapie entspricht jener der akuten Fissur, bei
ungenügender Beschwerdeerleichterung (Feinkontinenzstörung, Schmerzen etc.)
operative Sanierung empfohlen:
██laterale offene oder laterale geschlossene Sphinkterotomie: effektives Verfah-
ren mit dem Problem späterer Inkontinenz. Literaturangaben sind bezüglich der
Kontinenz problematisch, da nicht einheitliche Nachbeobachtungszeiten ange-
geben werden.
██Fissurektomien nach Gabriel: Entfernung des narbigen Fissurgewebes mit Abtra-
gung der hypertrophen Analpapille und Vorpostenfalte, sekundär Mariske
██anale Dilatation nach Lord, Operation nach Eisenhammer: beide Eingriffe sollten
wegen ungünstiger Spätergebnisse (Sphinkterinsuffizienz, Inkontinenzstörung)
nicht mehr durchgeführt werden.

Regelmäßige postoperative Kontrollen mit digitaler Austastung erforderlich, in


den ersten 2–3 Wochen 2-mal wöchentlich.

Leitlinien www.Leitlinien.net > Koloproktologie

5.15 Hämorrhoiden

Definition Gefäßkonglomerat (Corpus cavernosum recti bzw. Plexus haemorrhoidalis superi-


or) mit arteriovenösem Schwellkörper, dem eine wichtige Funktion bei der Fein-
kontinenzerhaltung zukommt.
Besondere Ausprägung an den Prädelektionsstellen 3, 7 und 11 Uhr in Steinschnitt-
lage.

Klassifikation Goligher unterteilt 4 Stadien des Hämorrhoidalleidens (Abb. 5.3, Tab. 5.1).

,*UDGHV ,,*UDGHV ,,,*UDGHV ,9*UDGHV

Abb. 5.3 Stadieneinteilung des Hämorrhoidalleidens nach Goligher (Quelle: Moll 2005).
328  5 Anorektum

Tab. 5.1 Stadien Stadium Merkmale


des Hämorrhoi­ I Proktoskopisch sichtbar vergrößerter Plexus haemorrhoidalis superior
dalleidens.
II Prolaps bei Defäkation mit spontaner Retraktion

III Prolaps bei Defäkation ohne spontane Retraktion, manuelle Reponierbarkeit

IV Fixierter irreponibler Prolaps

Epidemiologie Sichere Daten zur Prävalenz liegen nicht vor.

Ätio­ Keine wissenschaftlich gesicherten Daten zur Ätiologie; folgende Faktoren werden
pathogenese diskutiert: Ernährungs- und Defäkationsverhalten, anorektale Funktionsstörung,
genetische Disposition, intraabdominelle Drucksteigerung (Arbeitsbelastung etc.).

Klinische schmerzlose Blutung (Blutungscharakteristika nicht pathognomonisch)


Charakteristika ██bei Vergrößerung: Störung der Feinkontinenz in Kombination mit einer schlei-
migen Sekretion und konsekutiver Irritation der Haut mit Jucken, Brennen, Näs-
sen
██bei fortgeschrittenem Hämorrhoidalleiden: Prolaps, manchmal Schmerzen
durch Inkarzeration im Analkanal

Diagnostik Anamnese, Inspektion, Palpation, Prokto-, Rektoskopie. Der digitale Tastbefund ist
uncharakteristisch. Ausschluss einer höheren Blutungsquelle durch Koloskopie er-
forderlich, Ausnahme: Kinder oder Jugendliche.

Differenzial­ Marisken, anale Thrombose, Analprolaps, -karzinom, -fibrome.


diagnose

Therapie Indikation nur bei Beschwerden: insbesondere Blutung und Feinkontinenzstö-


rung.
Konservativ: Basistherapie (ballaststoffreiche Ernährung, Defäkationsverhalten,
Analhygiene).
Lokaltherapie: lediglich symptomatisch bzw. adjuvant zur Linderung der Be-
schwerden (z. B. Juckreiz) Suppositorien mit Mulleinlage (so genannte Analtam-
pons), Lokalanästhetika, Adstringenzien und Antiphlogistika; Interna sind obsolet.
██Sklerosierungstherapie nach Blond: Aethoxysklerol 3–4 %, besser 10 %. Chininlö-
sung wegen allergener Potenz problematisch
██Sklerosierungstherapie nach Blanchard: 5 % Mandelöl- oder Erdnussöl-Phenol-
Lösung (fehlende Evidenz in der Literatur), rechtlich ist die Anwendung von Phe-
nol problematisch
██Gummiringligatur nach Barron: Behandlung von Hämorrhoidalleiden 2.–3. Gra-
des, Rezidivquote 20 %, Komplikation: Blutungen, cave: Antikoagulanzienthera-
pie, ASS, Schmerzen bei zu tiefem Sitz der Ligatur
██Hämorrhoidalarterien-Ligatur (HAL): zurzeit nur wenige aussagefähige klinische
Studien, daher abschließende Bewertung noch nicht möglich

Operative Behandlung:
Indikation: konservativ nicht behandelbare Hämorrhoiden 3.–4. Grades mit
██

Wiederherstellung normaler anatomischer Verhältnisse


Kontraindikation: entzündliche Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Fistel, Abs-
██

zedierungen)
5.16 Analfistel  329

██ Operationsmethoden: offene Hämorrhoidektomie (Milligan-Morgan), submu-


köse H. (Parks), rekonstruktive H. (Faensler, Anderson/Arnold), Stapler-Hämor­
rhoid­opexie (Longo)
██ Erfolgsraten 95 %, Komplikationen: 20 %

Leitlinien www.Leitlinien.net > Koloproktologie

5.16 Analfistel

Definition Abnorme röhrenförmige Gänge, erworben oder angeboren, zwischen Analkanal


oder Rektum und perianaler Haut.

Ätio­ Vorwiegend ausgehend von Proktodäaldrüsen, die zwischen M. sphincter ani inter-
pathogenese nus und externus verlaufen und in den analen Krypten in Höhe der Linea dentata
einmünden. Vom Rektum ausgehende Fisteln haben eine andere Ätiologie, z. B. Mor-
bus Crohn, Bestrahlung, operative Eingriffe (Gynäkologie, Urologie) und Verletzung.

Klassifikation Abb. 5.4 zeigt die verschiedenen Lokalisationen perianaler Abszesse und Fisteln:
██submukös/subanodermal
██intersphinktär: zwischen innerem und äußerem Schließmuskel
██transsphinktär: Fistel durchdringt den inneren und äußeren Schließmuskel und
mündet im perianalen Bereich
██suprasphinktär: seltener Fisteltyp, aufsteigende Fistel in den Sphinkterraum,
häufig hufeisenförmig um die puborektale Schlinge verlaufend, in die Fossa is-
chiorectalis hineingehend und von dort zur äußeren Haut ziehend
██extrasphinktär

Epidemiologie Sichere Aussagen zur Inzidenz sind nicht möglich, Männer sind 2-mal häufiger be-
troffen als Frauen, Häufigkeitsgipfel zwischen 20. und 50. Lebensjahr.

Symptomatik Anales Nässen, Eiterabsonderung. Häufig in Kombination mit Abszessen, Schmerzen.

Diagnostik Inspektion, nur bei kompliziertem Fistelverlauf Narkoseuntersuchung mit Farb-


markierung vor Operation. Eiterperle als Hinweis auf Fistelausgang.

SHOYLUHNWDOHU$EV]HVV
H[WUDVSKLQNWlUH)LVWHO
0OHYDWRUDQL

0VSKLQFWHUDQL VXSUDVSKLQNWlUH)LVWHO
LQWHUQXV
LVFKLRUHNWDOHU$EV]HVV
WUDQVVSKLQNWlUH)LVWHO

LQWHUVSKLQNWlUHU$EV]HVV
LQWHUVSKLQNWlUH)LVWHO
VXENXWDQHUVXEDQRGHUPDOHU
$EV]HVV VXEDQRGHUPDOH)LVWHO

Abb. 5.4 Lokalisationen perianaler Abszesse und Fisteln (Quelle: Brühl 2008).
330  5 Anorektum

Zusatz­ Evtl. bei nicht ganz sicherer Diagnose Endosonografie, MRT; Sondenuntersuchun-
diagnostik gen sollten insbesondere bei stärkerer Entzündlichkeit wegen der Möglichkeit ei-
ner Via falsa vermieden werden. Ggf. Abklärung Morbus Crohn.

Differenzial­ Bei ungewöhnlichem Verlauf: Morbus Crohn (30 % der Patienten mit Morbus Crohn
diagnose haben eine anale Manifestation), Acne inversa, Sinus pilonidalis.

Therapie Operative Fistelsanierung mit Entfernung der Quellfistel und von entzündlichem
Gewebe bei sorgfältigster Schonung des Sphinkterapparats.
Sondersituation bei Morbus Crohn: zunächst Einleitung der konservativen Therapie
mit Kombination einer Fadendrainage, spätere Fistelsanierung möglich, s. Kap. 4.15.

Komplikationen Rezidive, unvollständige Fistelentfernung, Inkontinenz durch narbige Veränderun-


gen und Substanzverlust der Muskulatur nach operativen Eingriffen.

5.17 Analabszess

Definition Das Krankheitsbild ist eng mit der Analfistel verbunden, häufig Abszedierung vor
Entwicklung und Diagnostik einer Fistel. Die Abszesse können ischiorektal, inter­
sphinktär, subanodermal/submukös oder pelvirektal gelegen sein (Abb. 5.4).

Ätiopatho­ Siehe Kap. 5.16, Analfistel.


genese und Bei Entleerung eines Abszesses über die Krypte spontane Heilung möglich, sofern
Verlauf die Entzündung sich entlang der Analdrüsen entwickelt.
Anatomisch vorgegebene Spalträume machen eine dauerhafte Rückbildung nicht
möglich, da es zur Kombination mit einem Fistelleiden kommt.

Klinische Schmerzen mit Fieber und starkem Krankheitsgefühl, nach Perforation oder Eröff-
Charakteristika nung sofortige Erleichterung.

Diagnostik Klinischer Befund: Rötung, meist einseitige perianale Schwellung, schmerzhafte


digitale Untersuchung, pralle/derbe Resistenz.
Sonografie.

Differenzial­ Morbus Crohn, Aktinomykose, Acne inversa, Geschlechtskrankheiten, Prostatitis.


diagnose

Therapie Chirurgische Abszesseröffnung mit Drainage, evtl. zeitgleiche Entfernung der Be-
gleit-/Quellfistel, ansonsten im Intervall. Die Anwendung von Antibiotika oder
Zugsalbe gilt als Kunstfehler.

5.18 Analkarzinom

Definition Bösartige Neubildung ausgehend vom Epithel des Analkanals bzw. -randes (distal
Plattenepithel, proximal Übergangsepithel bzw. Rektummukosa).

Pathologie ██ Plattenepithelkarzinom und kloakogenes Karzinom (90 %): von Übergangsepi-


thel ausgehend, gemeinsamer embryonaler Ursprung von Anus und Harnblase,
großzellig verhornend, großzellig nicht verhornend-transitional, basaloid
5.18 Analkarzinom  331

██ Adenokarzinom: Typ Rektumkarzinom, von Analdrüsen ausgehend, innerhalb


anorektaler Fisteln
██ kleinzelliges Karzinom
██ undifferenziertes Karzinom
██ Metastasierung: mesorektal, lymphogen inguinal, iliakal, Leber

Genetik Nicht bekannt.

Epidemiologie Inzidenz: seltener Tumor, 0,03:100 000; Altersgipfel: 60 Jahre.


Positive Assoziation: anogenitale Infektionen (HPV16 in 80–90 %, Herpes simplex,
Chlamydien, fraglich HIV); analer Geschlechtsverkehr, Condylomata acuminata,
Gonorrhö in der Anamnese, Zervixkarzinom, Zigarettenrauchen.

Klinische Anale Blutung (45 %), Pruritus, anale Knotenbildung, Fehldeutung als nicht ab-
Charakteristika heilende Fissur oder Hämorrhoidalbeschwerden, Schmerzen selten. Cave: ca. 20 %
ohne Beschwerden!

Diagnostik ██ Inspektion, digitale Untersuchung: derber Analring, Knoten, Schmerzen


██ Proktoskopie mit Spreizspekulum plus Biopsie

Zusatz­ Tumorstaging bei nachgewiesenem Karzinom: klinisch Lymphknoten inguinal,


diagnostik rektale Endosonografie, Sonografie/CT/MRT des kleinen Beckens und Abdomens
einschließlich Analregion, Röntgen-Thorax.

Stadienein­ TNM-Klassifikation, UICC 7. Auflage (wie Hauttumoren) (Tab. 5.2, Tab. 5.3, Tab. 5.4).
teilung

Tab. 5.2 Tumo­ Primärtumor Charakteristika


rausdehnung/
Primärtumor. Tx Nicht beurteilbar

T0 Kein Primärtumor

Tis Carcinoma in situ, M. Bowen, hochgradige plattenepitheliale intraepitheli­


ale Läsion (HISR), anale intraepitheliale Neoplasie (AIN)

T1 <2 cm

T2 2–5 cm

T3 >5 cm

T4 Jede Größe mit Infiltration benachbarter Organe

Tab. 5.3 Lymph­ Regionäre Lymphknoten Charakteristika


knotenstatus.
Nx Regionäre Lymphknoten nicht beurteilbar

N0 Keine Lymphknoten

N1 Analkanal: perirektale LK (Analrand: inguinale LK)

N2 Unilateral inguinal und/oder an A. iliaca interna

N3 Perirektal und inguinal, bilateral an A. iliaca interna bzw. in­


guinal
332  5 Anorektum

Tab. 5.4 Fern­ Fernmetastasen Charakteristika


metastasen.
Mx Nicht beurteilbar

M0 Keine

M1 Fernmetastasen

Tab. 5.5 Stadien­ Stadium TNM


einteilung (UICC).
I T1 NO MO

II T2/3 NO MO

IIIa T1–3 N1 MO, T4 NO MO

IIIb alle T, alle N, M1

Die pTNM-Einteilung entspricht der TNM-Klassifikation.

Differenzial­ Fissur, Hämorrhoidalbeschwerden, Analekzem.


diagnose

Therapie­ Bei Diagnosestellung.


indikation

Therapie Ziel: Heilung bzw. lokale Tumorkontrolle unter Erhaltung des Kontinenzapparats.
Kombinierte Radiochemotherapie (Standard): 50 Gy à 1,8–2 Gy/Tag, simultan
5-Fluoruracil (1000 mg/m2/24 h i. v. Tag 1–4, in der 1. und 5. Woche 10 mg/m2 Mi-
tomycin C an Tag 1 und 29.
Bei Therapieversagen: abdominoperineale Rektumexstirpation.
Palliative Therapie: keine aussagekräftigen Studiendaten, Einsatz von Cisplatin
plus 5-FU wird derzeit untersucht.

Verlauf Die Diagnose wird häufig mit Verzögerung gestellt! Prognose und Lymphknoten-
beteiligung sind abhängig von der Tumorgröße: Tumor <2 cm: ca. 80 % Heilung, Tu-
mor >5 cm: ca. 50 % Heilung. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 60–85 %, die the-
rapiebedingte Letalität 5 %.

Langzeit­ Rezidiv, Inkontinenz, Notwendigkeit der Stomaanlage.


komplikationen

5.19 F unktionsstörung des Beckenbodens –


Inkontinenz

Definition Unfähigkeit, Darminhalt (Gas, flüssigen oder festen Stuhl) unter Beteiligung moto-
rischer, sensorischer und anatomischer Strukturen kontrolliert abzusetzen.

Ätio­ Sensorische Inkontinenz: Verlust sensibler Rezeptoren. Beispiel: Entfernung des


pathogenese gesamten Anoderms (Whitehead-Operation), Irritation sensibler Rezeptoren, ent-
zündliche Prozesse, z. B. Morbus Crohn mit ständiger Feuchtigkeitssekretion bei
häufigem Stuhlgang.
Muskuläre Ursachen der Inkontinenz: Sphinkterdefekt, Geburtstrauma, Z. n. chi-
rurgischen Interventionen (Fisteloperation). Beeinträchtigung des Sphinkterappa-
5.20 Anorektale Entleerungsstörung (Outlet-Obstipation)   333

rates durch Tumorwachstum (tief sitzendes Rektumkarzinom, Analkarzinom) oder


Abszedierungen durch den Muskel bei Morbus Crohn oder Fistelbildung.
Neurogene Störung: Pudendusneuropathie, Beckenbodensenkung, Spina bifida,
Myelomeningozele, autonome Neuropathie bei Diabetes mellitus.
Veränderung der Stuhlkonsistenz: Diarrhö, Obstipation, Colitis ulcerosa, Mor-
bus Crohn, gestörte Rektumelastizität/-kapazität bei Zustand nach tiefer Rektum­
anastomose oder Bestrahlungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und
Rektumtumor. Kombinationen der verschiedenen Einzelkomponenten (gestörte
Sensibilität bei Bettlägerigkeit und Koprostase mit paradoxer Diarrhö durch im-
paktierten Stuhl in der Rektumampulle).

Wegweisende Im Zentrum steht die ausführliche Anamneseerhebung, evtl. Kontinenz-Score,


Diagnostik evtl. Stuhl- und Ernährungsprotokoll.
Inspektion zur Klärung: Descensus perinei, klaffender Anus, Rektum-, Hämorrhoi-
dal-, Analprolaps, Analekzem, Fistel oder Tumorerkrankung im Analbereich.
Digitale Untersuchung mit Kneif- und Pressbelastungstest zur Klärung: Sphink-
tertonus, Funktion der Puborektalisschlinge, Rektozele, evtl. digitale Erfassung pe-
rirektaler tumoröser Veränderungen. Proktoskopie, Rektoskopie.

Zusatzunter­ Endosonografie, EMG, Pudenduslatenzzeitmessung, evtl. neurologisches, gynäko-


suchungen logisches, urologisches Konsil.

Therapie Konservativ: Ernährungsberatung, Analhygiene, Verordnung von abdeckenden


Pasten bzw. Hautschutzsalben, Anleitung zu Beckenbodenübungen, Kräftigung der
Beckenbodenmuskulatur, Biofeedback-Training oder Elektrostimulation.
Operativ: Sphinkterrekonstruktion, evtl. bei postpartalen und postoperativen
Sphinkterdefekten, die nicht mehr als ein Drittel der Zirkumferenz einnehmen,
und Sphinkterersatz durch Implantation einer Gracilis-Plastik. Möglichkeit der
künstlichen Schließmuskelimplantation nur in sehr erfahrenen Händen und spe-
zialisierten Kliniken.
Sakralnervenstimulation: Indikation: bei neurogener analer Inkontinenz durch
Schädigung des N. pudendus, gute Ergebnisse, langzeitige Ergebnisse fehlen der-
zeit noch.
Stomaanlage: bei fehlender Option für andere operative Maßnahmen bzw. nach
Misserfolg, in der Regel deutliche Verbesserung der Lebensqualität, insbesondere
bei älteren Menschen durch hygienisch einwandfreie Stomaversorgung.

5.20 A
 norektale Entleerungsstörung
(Outlet-Obstipation)

Definition Veränderungen im Kolorektum, die zu einer mechanischen Obstruktion des Darm-


lumens führen. Ursache sind neoplastische, entzündliche oder degenerative Pro-
zesse sowie funktionelle Störungen.

Ursachen Innerer Rektumprolaps, Rektozele, Enterozele, postoperative Denervationsyndro-


me, Dyssynergie des Beckenbodens, Zustand nach Rektopexie, Morbus Hirsch-
sprung, psychische und neurologische Ursachen.
334  5 Anorektum

Diagnostik Anamnese: Gefühl der unvollständigen Entleerung, Blockierungsgefühl beim Pres-


sen, häufig manuelle Unterstützung bei der Entleerung, selten digitale Ausräu-
mung erforderlich.
Prokto-/Rektoskopie, evtl. Koloskopie zum Tumorausschluss.

Zusatz­ Transitzeitbestimmung zur Differenzierung einer Slow-Transit-Obstipation (Hin-


diagnostik ton-Test), Defäkografie (cave: Strahlenbelastung bei jungen Menschen), MRT, in
seltenen Fällen: anale Manometrie.

Therapie Konservativ: Basisbehandlung (Aufklärung, Ernährungsberatung). Medikamentö-


se Therapie:
██ Laxanzien: Salze, lösliche Makromoleküle, Zuckerstoffe (Sorbit, Laktulose)
██ Stimulanzien: (Bisacodyl, Natrium-Picosulphat)
Die Laxanzienneuropathie hat sich als fehlerhafte Hypothese erwiesen, bei Be-
ckenbodendyssynergie (früher Anismus) evtl. Biofeedback-Training mit schwer in-
terpretierbaren Erfolgszahlen. Bei Erfolg der konservativen Therapie ist selbst bei
Nachweis struktureller Veränderungen (Prolaps, Ulcus recti simplex, Rektozele)
keine operative Maßnahme erforderlich.
Operativ: strengste Selektion nach Überprüfung und zuverlässiger Anwendung al-
ler konservativen Maßnahmen in Abhängigkeit vom Leidensdruck. Die Ergebnisse
sind in der Regel nicht evidenzbasiert und in der Interpretation oft problematisch.
Überweisung an Zentren mit größerer Erfahrung.

5.21 Anorektale Prolapsformen

5.21.1 Analprolaps
Definition Teile des Analkanals werden aus dem Anus herausgepresst, gelegentlich in Kombi-
nation mit einem Hämorrhoidalprolaps.

Diagnostik Anamnese, Inspektion, funktionelle Proktoskopie.

Therapie Konservativ: Beratung, Vermeidung der Pressbelastung.


Operativ: Sanierung durch transanale Resektion des vorfallenden Gewebes. In
jüngster Zeit wird die Anwendung der so genannten STARR-Operation diskutiert.
Ergebnisse, trotz positiver Aussage, hinsichtlich des Stellenwerts noch nicht ein-
deutig beurteilbar.

5.21.2 M
 ukosaprolaps (Rektumvorderwand-Prolaps
mit Ulcus recti simplex)
Definition Vorstufe des Rektumprolaps mit Vorfall und Invagination von Anteilen des Mast-
darms, vorwiegend der Rektumvorderwand.

Synonym Latenter Rektumprolaps.

Klinische Gefühl der unvollständigen Darmentleerung, Schleimbeimengung zum Stuhl, frak-


Charakteristika tionierte Entleerung des Stuhls in kleinsten Portionen.
Diagnostik
Anamnese, funktionelle Prokto-/Rektoskopie, gelegentlich Vorderwandulkus.
5.21 Anorektale Prolapsformen  335

Ätio­ Durchblutungsstörung mit Abknickung der Schleimhautgefäße und mechanischer


pathogenese Irritation.

Differenzial­ Rektumkarzinom, Medikamentenwirkung (NSAR-, Ergotamin-Suppositorien), Ne-


diagnose benwirkung einer Hämorrhoidaltherapie, CMV-Proktitis, Infektion durch sexuell
übertragbare Erkrankungen, mechanische Artefakte.

Therapie Ballaststoffe, Vermeiden des Pressens, Zusatz von Laxanzien. Bei Zunahme von Be-
schwerden unter gesicherter konservativer Therapie evtl. Resektion.

5.21.3 Rektozele (Descensus perinei)


Definition Ausbuchtung der Rektumampulle oberhalb des Analkanals, vorwiegend im Sin-
ne einer anterioren Vorwölbung mit sichtbarer Zelenbildung im Introitus vaginae.

Diagnostik Anamnese, Gefühl der unvollständigen Darmentleerung, fraktionierte Entleerung


von Stuhlteilen, Schmieren von Stuhl.
Digitale Untersuchung wegweisend mit Palpation der Rektozele, Proktoskopie.
Selten: radiologische Diagnostik, evtl. MRT-Defäkografie, falls operative Eingriffe
geplant sind.

Therapie Bei Versagen konservativer Maßnahmen Diskussion einer operative Sanierung.

5.21.4 Rektumprolaps
Definition Ausstülpung des Rektums mit allen Schichten, das spontan zurückgleiten kann;
häufiger ist aber eine manuelle Reposition erforderlich.

Ätio­ Trotz zahlreicher Erklärungsmöglichkeiten (ungenügende Fixation, übermäßige


pathogenese Beckenbodenbelastung, Lockerung des Beckenbodengefüges, Zustand nach gynä-
kologischen Operationen) keine eindeutige Aussage.

Epidemiologie Verhältnis Frauen/Männer = 5:1.

Klinische Druck- und Fremdkörpergefühl, z. T. mit Inkontinenzerscheinungen, häufig repo-


Charakteristika nierbarer, selten persistierender Prolaps. Blut am Toilettenpapier. Schleimbeimen-
gung zum Stuhl.

Wegweisende Pressen lassen auf dem Untersuchungsstuhl mit einem Prolaps von 6–8 cm aller
Diagnostik Rektumanteile.
Digital-rektale Untersuchung: häufig schlaffer Schließmuskeldruck.
Prokto-/Rektoskopie.

Zusatz­ Falls Operation geplant: Manometrie.


diagnostik

Therapie Konservativ: Ernährungsberatung und Beckenbodengymnastik in der Regel ohne


dauerhaften Erfolg.
Operation: Langzeitergebnisse nach abdomineller Rektopexie mit Wiederherstel-
lung der Kontinenz in etwa 50 % der Fälle.
336  5 Anorektum

5.22 Proktalgia fugax

Definition Intermittierende krampfartige Schmerzen im Anorektal- bzw. Genitalbereich ohne


eindeutiges funktionelles bzw. anatomisches Korrelat.

Synonyma Perinealneuralgie, Perinealkrampf, Schließmuskelkrampf.

Patho­ Diskutiert werden: Spasmen der Muskulatur, des Beckenbodens und der Sphink-
mechanismus teren, fragliche Gefäßspasmen, psychosomatische bzw. vegetativ-funktionelle Ein-
flüsse möglich.
Triggerfaktoren: Trauminhalte, frustrane Defäkationsversuche.

Epidemiologie Häufigkeitsverteilung zwischen 40.–50. Lebensjahr, Frauen/Männer = 2:1, etwa 4 %


aller proktologischen Patienten berichten über eine Proktalgie.

Klinische Plötzliche, häufig ohne Vorboten einsetzende Schmerzen, die als krampfartig, z. T.
Charakteristika stechend oder schneidend empfunden werden, gelegentlich dumpfer Druck mit
Ausstrahlung in den Anorektalbereich, nachts häufiger als tags, einige Sekunden
bis einige Minuten anhaltend, selten Schwindelgefühl, Schweißausbruch, Brech-
reiz. Eine Assoziation mit anderen Erkrankungen (z. B. Migräne, Reizdarmsyn-
drom) wird beobachtet.

Diagnostik Anamnese, die proktologischen Untersuchungen sind in der Regel unauffällig.

Differenzial­ Analfissur, entzündliche Prozesse im anorektalen Übergangsbereich (Abszess,


diagnose Kryptitis, Herpes simplex, Proktitis), seltener tumorbedingte Schmerzen, intraa-
nale Thrombose.

Therapie Je nach Beschwerden Therapieversuch mit Nitrosalbe intraanal, evtl. durch Sen-
kung des Schließmuskeltonus. Bei Nebenwirkungen: Diltiazem.
Empirisch: Wärmeapplikation; bei Vorliegen eines Hämorrhoidalleidens: Sklero-
sierungstherapie (Symptomreduktion häufig).

5.23 Kokzygodynie

Definition Intermittierende, ziehende, gelegentlich stechende, auch lang anhaltende Schmer-


zen im Bereich des Steißbeins und seiner Umgebung. Schmerzen treten auf beim
Sitzen, bei der Defäkation.

Synonym Steißbeinneuralgie.

Patho­ Idiopathische Kokzygodynie: Ursachen nicht bekannt, gelegentlich Kombination


mechanismus mit Depression oder anderen psychischen Störungen.
Traumatische Kokzygodynie: Zustand nach Kontusion, Luxation, Unfälle mit Sturz
auf das Steißbein, evtl. Geburtstrauma.

Klinische Kontinuierliche Schmerzen von Crescendocharakter im Steißbein- oder Mast-


Charakteristika darmbereich, selten Ausstrahlung in die Hüften oder die Lumbalregion.
5.24 Pruritus ani  337

Diagnostik Anamnese, digitale Untersuchung, typischer Schmerz an der Steißbeinspitze bei


bimanueller Austastung.
Röntgenuntersuchung: wegen der hohen Variabilität der Steißbeinmorphologie
keine zuverlässigen Aussagen möglich, daher verzichtbar.

Differenzial­ Fraktur, Proktalgia fugax, Analfissur, Depression, neurologische/psychiatrische Ur-


diagnose sachen.

Therapie Behandlung je nach Beschwerdebild; symptomatisch ohne gesicherte Evidenz:


Sitzbäder, Fangopackungen, chiropraktische Maßnahmen, evtl. Antidepressiva/An-
algetika/Antirheumatika. Injektion von Lokalanästhetika unter das Steißbein bzw.
in den sakrokokzygealen Gelenkspalt. Operative Maßnahmen sind angesichts feh-
lender Evidenz nicht zu empfehlen.

Verlauf Erhebliche Rezidivquote.

5.24 Pruritus ani

Definition Der Begriff „Juckreiz“ hat sich im klinischen Alltag stark verbreitet. Dennoch sollte
man in wissenschaftlichen Zusammenhängen den Ausdruck Jucken oder Juckemp-
findung nennen, da der Reiz das auslösende Element ist. Der Begriff „Pruritus sine
materia“ ist wegen einer fehlenden exakten Definition nicht zu verwenden. Der
akute Pruritus wird vom chronischen Pruritus getrennt, wenn dieser länger als 6
Wochen besteht. Über die Inzidenz und Prävalenz lassen sich nur ungenaue Anga-
ben machen, da nur ein geringer Teil der Patienten eine Arztpraxis aufsucht. Bei
proktologischen Patienten findet sich etwa in 62 % ein Pruritus mit einem Häufig-
keitsgipfel etwa zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.

Ätio­ Etwa 50 % der Patienten beobachten ein Stuhlschmieren. Es gibt Hinweise dafür,
pathogenese dass eine nicht normale Relaxation des internen Sphinkters den Pruritus unter-
stützen kann.
██Stuhlschmieren:
–– Durchfall, ungeformter Stuhl
–– Pathologische interne Sphinkterrelaxation
–– Hygienefehler (s. u., Therapie)
–– Anatomische Besonderheiten (Hämorrhoidalleiden II°–III°, Marisken)
██Anorektale Erkrankungen (Tab. 5.5):
–– Abszesse, Fissuren, Fisteln, Malignität, Morbus Paget, Zustand nach Operation

Tab. 5.5 Juckreiz Krankheit Häufigkeit


verursachende
Krankheiten des Dickdarms und des Anorektums einschließlich Hämorrhoi­ 20 %
Krankheiten.
den

Analfissuren 12 %

Rektumkarzinom 11 %

Analkarzinom 6%

Tiefsitzende Adenome 4%
338  5 Anorektum

██ Infektionen:
–– Sexuell übertragbare Erkrankungen, bakterielle Infektionen, Parasiten, Can-
dida albicans
██ Psychologische/psychiatrische Ursachen
██ Dermatologische Erkrankungen
–– Psoriasis, Kontaktdermatitis, atopische Dermatitis, kumulativ oder irritativ-
toxisches Ekzem
██ Diätetische Ursachen:
–– Kaffee, Tee, Cola, Schokolade, Tomaten und Zitrusfrüchte. Die Reaktion auf
die genannten Nahrungsbestandteile ist nicht gut erklärt. Somit sind derma-
tologische, proktologische und allergologische Erkrankungen ursächlich.

Klinische Der Pruritus findet sich zirkumanal, gelegentlich auch intraanal; die Linea denta-
Charakteristika ta stellt nach proximal die Begrenzung des Pruritus dar. Die Intensität kann ins-
besondere nachts (Bettwärme) häufig so gesteigert sein, dass die Patienten unter
Schlaflosigkeit leiden. Durch Kratzen wird eine gewisse Linderung erfahren. Bei
der Untersuchung findet man im äußeren Analbereich – insbesondere bei länger
dauerndem Pruritus – Erosionen/Exkoriationen. Zusätzlich auf der entzündeten
Haut Superinfektionen.

Diagnostik Äußere Inspektion: man unterscheidet den Pruritus auf primär nicht entzündeter
Haut von dem Pruritus auf entzündeter Haut sowie den Puritus mit Kratzläsionen.
Anamnese, Inspektion, Palpation, Prokto-/Rektoskopie, ggf. auch Spekulumunter-
suchung, evtl. Abstrich zum Erregernachweis und Allergentestung.
Bei unklarem Hautbefund: Probeexision. Bei Blutungen und einem Alter über 40
Jahre oder positive Familienvorgeschichte eines kolorektalen Karzinoms: Kolosko-
pie.

Differenzial­ In die Differenzialdiagnose sollten eingeschlossen werden: dermatologische, sys-


diagnose temische, neurologische und psychiatrische Erkrankungen.

Therapie Konservativ: Oberstes Prinzip ist, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln
und nicht nur das Symptom, z. B. Sanierung des Hämorrhoidalleidens, Stuhlregu-
lierung, Beseitigung von Feinkontinenzstörungen (Fissur, prolabierende Fibrome).
Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist die Beratung: Analhygiene (Vermeidung
von Seifen, Cremes, Salben, Shampoos, Waschmittel und Intimspray). Wegen des
hohen Anteils der Selbstmedikation (z. B. Hämorrhoidalsalben), Absetzen aller Ex-
terna, Vermeidung von Feuchttüchern.
Lokale Anwendung von Pasten, z. B. Pasta zincii mollis, DAB 10, evtl. Anwendung
von Leinenläppchen zur kurzfristigen Auflösung der Feuchtigkeitsbildung. Evtl.
Adstringentia (Gerbstoffe), Ziel: Reduktion der Schweißbildung. Nebeneffekt: an-
tipruriginöse und antiinflammatorische Wirkung.
Bei Versagen dieser Maßnahmen evtl. Anwendung von Capsicain-Salbe 0,025 %ig.
Bei einem Puritus ohne sichtbare Hautveränderungen ist an eine psychosomati-
sche bzw. psychische Ursache zu denken.
Die Behandlung des Pruritus ani ist oft sehr schwierig – daher: frühzeitige Vorstel-
lung beim Dermatologen.
Da der Pruritus ani ist bei Kindern äußerst selten ist, sollte eine Oxyurisasis aus-
geschlossen werden.

Literatur Brühl W. Anorektale Erkrankungen. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.). Gastroentero-
logie, Stuttgart; Thieme 2008: 883 ff
Brühl W, Wienert V, Herold A. Aktuelle Proktologie. 3. Aufl. Bremen; Uni-Med 2008
5.24 Pruritus ani  339

Buchmann P. Lehrbuch der Proktologie. 4. Aufl. Bern; Huber Verlag 2002


Lange J, Mölle B, Girona J. Chirurgische Proktologie. Heidelberg; Springer Medizin Verlag 2006
Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften unter http://
www.awmf/online.de > Koloproktologie
Moll (Hrsg.). Duale Reihe Dermatologie. 6. Aufl. Stuttgart; Thieme Verlag 2005
Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M, Wesker K. Prometheus - Hals und Innere Organe (Lernatlas der
Anatomie). Stuttgart; Thieme Verlag 2005
Schwandner T et al. Triple-target treatment versus low frequency electrostimulation for anal incontinence –
a randomized controlled trial. Dtsch. Ärztebl. Int. 2011; 108 (39): 653–660
340

6 Pankreas
J. Mayerle, P. G. Lankisch

6.1 Anatomie, Embryologie und Physiologie

Beim Erwachsenen ist das Pankreas 14–18 cm lang und wiegt 65–80 g. Der Pank-
reaskopf (Caput pancreatis) ist maximal 3 cm im Durchmesser und schmiegt sich
der Konkavität der C-förmigen Duodenalschleife an. Im kranialen Anteil des Pan-
kreaskopfs zieht der Ductus choledochus zur Duodenalpapille, der kaudal davon
liegende, hakenförmige Anteil wird als Processus uncinatus bezeichnet und ent-
steht embryonal aus der ventralen Anlage des Pankreas (endosonografisch häu-
fig echoärmer als das übrige Pankreas). Durch diese enge anatomische Beziehung
führen Vergrößerungen oder Tumore des Pankreaskopfs häufig zu Kompressionen
des Ductus choledochus mit nachfolgendem Ikterus. Die embryonal dorsale An-
lage des Pankreas bezeichnet den kranialen Teil des Pankreaskopfs, den sich nach
medial anschließenden Korpus, der ventral über die Wirbelsäule zieht und den
Pankreasschwanz (Cauda), der in Richtung des Milzhilus endet.
Der Ductus pancreaticus (Ductus wirsungianus) misst bis zu 2 mm und durchzieht
die Drüse in ihrer Längsausdehnung nahe der Hinterfläche. Er nimmt zahlreiche
kurze Drüsengänge auf, die senkrecht einmünden. Der Ductus pancreaticus mün-
det ganz überwiegend gemeinsam mit dem Ductus choledochus in der Papilla
duodeni major und damit in das Duodenum. Aufgrund des gemeinsamen Ausfüh-
rungsgangs besteht durch einen vor oder in der Papille festsitzenden Gallenstein
die Gefahr einer biliären Pankreatitis.
Durch die Verschmelzung der dorsalen und ventralen Pankreasanlage in der Em-
bryonalzeit wachsen die Pankreasgänge zusammen. Es entsteht der Ductus pan-
creaticus (Wirsungianus) als Hauptgang, der zu 80 % in den Ductus choledochus
und zu ca. 20 % separat in die Papilla major mündet, sowie der Ductus pancreaticus
minor oder accessorius (Santorini), der sehr variabel in die Papilla minor, die oral-
wärts der Papilla major liegt, in das Duodenum mündet.

6.1.1 Exokrine Pankreassekretion


Das menschliche Pankreas sezerniert pro Tag durchschnittlich 1,5 l mit 6–20 g Ver-
dauungsenzymen (Lipase, Amylase und Proteasen). Diese Enzyme werden zum
überwiegenden Teil als inaktive Vorstufen (Pro-Enzyme, Zymogene) sezerniert
und erst im Duodenum aktiviert. Trypsinogen, das Schlüsselenzym der Aktivie-
rungskaskade im Duodenum, wird durch Enterokinasen aktiviert und aktiviert
dann weitere Proteasen, wie Chymotrypsinogen, Elastase und Carboxypeptidasen.
Alle diese Enzyme dienen zusammen mit der kohlehydratspaltenden Amylase und
den lipolytischen Enzymen, wie Lipase und Colipase, der Verdauung des Chymus.
Die Pankreassekretion wird eingeteilt in eine basale (interdigestive) Phase bei Nah-
rungskarenz und eine digestive Phase (durch bzw. nach Nahrungsaufnahme). Die
digestive Phase gliedert sich in eine zephale, gastrale und intestinale Phase.
6.2 Angeborene Fehlbildungen  341

In der zephalen Phase kann es durch die zentrale Verarbeitung von Anblick, Ge-
ruch, Geschmack und Kauen der Nahrung zu einer Stimulation der Pankreassekre-
tion von bis zu 50 % der maximalen Sekretionsantwort kommen.
Die gastrale Phase vermittelt durch die Dehnung der Magenwand und über va-
sovagale Reflexe die Sekretion des Pankreassafts. Hierdurch erklärt sich auch das
Symptom der pankreaticocibalen Asynchronie, einer funktionellen exokrinen In-
suffizienz nach Magenoperationen. Der Dehnungsreiz und die vagale Innervation
gehen durch den operativen Eingriff verloren und die stimulierte Pankreassekreti-
on versiegt trotz intakter Drüse.
Die intestinale Phase beginnt mit der Entleerung des Nahrungsbreis in das Duo-
denum. Hier wirkt die Magensäure als Stimulator der sekretinvermittelten Was-
ser- und Bikarbonatsekretion, während die Verdauungsprodukte von Fetten und
Proteinen die Enzymsekretion stimulieren. Da das Pankreas eine Reserve von 90 %
besitzt und erst dann die klinischen Zeichen einer exokrinen Insuffizienz auftre-
ten, führt die Magenoperation oder eine dauerhafte Protonenpumpenhemmer-
Therapie allein nur selten zu einer klinisch relevanten exokrinen Insuffizienz.

6.2 Angeborene Fehlbildungen

Die Anomalien des Pankreas lassen sich in Migrations- (ektopes/heterotopes Pan-


kreas; Pancreas anulare) und Fusionsanomalien (alle Ganganomalien) einteilen.
Pancreas anulare: sehr seltene Anomalie bei der das Duodenum ringförmig von
Pankreas umgeben wird. Wandert die ventrale Pankreasknospe (ventrale Anlage)
entgegengesetzt der dorsalen Pankreasknospe, so entsteht ein Pancreas anulare,
das meistens als Zufallsbefund und häufig erst im Erwachsenenalter bei Ober-
bauchschmerzen durch eine Duodenalstenose diagnostiziert wird.
Pancreas divisum: Das Pankreas divisum ist die häufigste angeborene Fehlbildung
des Pankreas und stellt eine fehlende oder inkomplette Verschmelzung des dor-
salen (Ductus Santorini) mit dem ventralen (Ductus Wirsungianus) Ausführungs-
gang des Pankreas während der Embryonalentwicklung dar. Die Häufigkeit eines
Pankreas divisum liegt in Autopsiestudien bei 5–10 % und wird in 5,9–26 % der Pa-
tienten mit idiopathischer chronischer Pankreatitis gefunden. Die Diskussion da-
rüber, ob ein Pankreas divisum einen Risikofaktor für die Entstehung einer chro-
nischen Pankreatitis darstellt, wird weiterhin kontrovers geführt. Unterschieden
wird zwischen einem kompletten und inkompletten Pancreas divisum:
██ komplettes Pancreas divisum: Jede Verbindung zwischen dem Ductus Wirsungi-
anus und dem Ductus santorini fehlt, sodass der größere Teil der Drüse über die
Papilla minor drainiert und der kleine ventrale Teil über die Papilla major. Eine
Variante stellt die ausschließliche dorsale Anlage mit Drainage des Pankreasse-
krets über die Papilla minor dar.
██ inkomplettes Pancreas divisum: Es besteht eine kleinkalibrige Verbindung zwi-
schen beiden Ganganlagen
In Einzelfällen kann eine endoskopische Intervention sinnvoll sein, um eine Ab-
flussstörung im Pankreasgangbereich zu vermindern.
Heterotopes Pankreasgewebe: versprengtes Pankreasgewebe mit abnormer Lo-
kalisation, z. B. im Magen (häufig im Pyloruskanal) oder Dünndarm (meistens Duo-
denum, aber auch im Meckel-Divertikel). In den Heterotopien ist die Entstehung
einer akuten oder auch chronischen Pankreatitis, sehr selten auch eines Pankreas-
karzinoms möglich.
342  6 Pankreas

6.3 Seltene Syndrome mit Pankreasbeteiligung

6.3.1 Shwachman-Syndrom
Definition Kombination von exokriner Pankreasinsuffizienz, intermittierend auftretender
Neutropenie, metaphysealen Dysostosen und Minderwuchs; zweithäufigste Ursa-
che einer exokrinen Pankreasinsuffizienz im Kindesalter.

Patho­ Mutation im SBDS-Gen (beeinflusst die Ribosomenfunkion).


mechanismus

Pathologie Pankreas normal bis klein, häufig fettig degeneriert.

Genetik Autosomal-rezessive Erkrankung.

Epidemiologie lnzidenz: 1:20 000 Geburten.

Klinische ██ Allgemein: Gedeih- und Wachstumsstörungen, häufige Infekte, Malabsorptions-


Charakteristika zeichen
██ Hämatologie: Knochenmarkhypoplasie, intermittierende Neutropenie (95 %),
Thrombozytopenie (70 %)
██ Skelettveränderungen: metaphyseale Dysostosen: 10–15 %; besonders betrof-
fen sind Femur und Tibia (Gangstörung, Coxa-vara-Fehlstellungen) sowie Rippen

Wegweisende ██ exokrine Pankreasfunktionstests (s. Kap. 11)


Diagnostik ██ weitere Diagnostik: entsprechend der Symptomatik

Therapie Symptomatisch: Pankreasenzym-Substitution.

6.3.2 Johanson-Blizzard-Syndrom
Sehr seltenes Krankheitsbild. Das Pankreas fehlt oder ist durch Fett ersetzt. Au-
tosomal dominanter Erbgang. Mutationen im Ubr-1-Gen. Klinisch am häufigsten
exokrine Pankreasinsuffizienz, ferner angeborene Aplasie der Alae nasi, Taubheit,
Hypothyreoidismus, Zwergwuchs, Mikrozephalie, Fehlen bleibender Zähne.

6.3.3 Sideroblastische Anämie


Sehr selten. Kombination von sideroblastischer Anämie und exokriner Pankreasin-
suffizienz sowie Milzatrophie. Pathomechanismus und Genetik unbekannt.

6.3.4 Isolierte Enzymdefekte


Mangel an Lipase, Colipase, Amylase, Trypsinogen oder Enterokinase.
Klinisches Charakteristikum: Malabsorption
██

Diagnostik: exokrine Pankreasfunktionstests (s. Kap. 11)


██

Therapie: ggf. Pankreasenzym-Substitution


██
6.4 Akute Pankreatitis  343

6.3.5 Angeborene Stoffwechseldefekte


Akute und chronische Pankreatitiden bei angeborenen Stoffwechselstörungen
(Ahornsiruperkrankung, Homozystinurie, Glykogenspeichererkrankungen) mög-
lich.

6.4 Akute Pankreatitis

Definition und Die akute Pankreatitis ist eine primär nichtbakterielle, entzündliche, potenzi-
Einteilung ell lebensgefährliche Erkrankung unterschiedlicher Ätiologie. Die Diagnose wird
gestellt bei akut einsetzenden gürtelförmigen Oberbauchbeschwerden und einer
über das 3-Fache der Norm erhöhten Lipase (oder Amylase) im Serum. Unabhängig
von der Ätiologie gibt es 2 Verlaufsformen:
██ die akute interstitiell-ödematöse Pankreatitis (75–85 %) mit einer Letalität <1 %
██ die akute hämorrhagisch-nekrotisierende Pankreatitis (15–25 %) mit einer Leta-
lität zwischen 10–24 %

Beide Verlaufsformen können entweder zu einer Restitutio ad integrum führen


oder in einer Defektheilung enden.

Ätiologie Choledocholithiasis („biliäre Pankreatitis“, häufigste Ursache in der westlichen


und Patho­ Welt): Ursache in ca. 40–50 % (zwischen 16–70 %). Als Pathomechanismus wird
mechanismus die vorübergehende (Steinpassage ins Duodenum) oder andauernde (festsitzendes
Konkrement in der Papille) Obstruktion des Pankreasgangs angenommen. Durch
den Aufstau des Pankreassekrets kommt es zur intrazellulären Aktivierung von Se-
rinproteasen in Pankreasazinuszellen. Der vermehrte Einsatz des endoskopischen
Ultraschalls mit der Detektion von Mikrolithen im Ductus choledochus sowie in
der Gallenblase führt zu einer Zunahme der ätiologischen Zuordnung in die Klasse
biliäre Pankreatitis sowie zu einer Abnahme der Fälle mit idiopathischer Pankre-
atitis (cave: nur 0,3–3 % der Fälle einer Gallensteinpassage löst eine akute biliäre
Pankreatitis aus).
Alkoholabusus (chronisch > akut, Menge/Häufigkeit nicht klar definiert): Ursache
in ca. 35 %. Als Pathomechanismus gilt es als gesichert, dass Alkohol die intrazel-
luläre Aktivierung von Serinproteasen verursacht. Häufig ist vermehrter Alkohol-
konsum verbunden mit fettreicher Ernährung der Auslöser.
Unbekannte Ursachen („idiopathische Pankreatitis“): ca. 10–20 %
Seltene Ursachen: ca. 10 %
██ Obstruktion des Pankreasgangs durch Tumor (Pankreatitis als Erstmanifestation
eines Pankreaskarzinoms, insbesondere bei Alter >50 Jahre; daher Tumorabklä-
rung nach Ausheilung der Pankreatitis bei Alter >50 Jahre, s. a. DGVS-Leitlinie
Pankreaskarzinom, Kap. 6.7) oder zähes Sekret (IPMN, Erstmanifestation durch
akute Pankreatitis in ca. 20 % s. Kap. 6.9.1)
██ Postinterventionelle Pankreatitis (nach ERCP ± Papillotomie, Sphinkter-Oddi-Ma-
nometrie, Pankreasbiopsie)
██ Pankreas divisum (umstritten)
██ Medikamentös induzierte Pankreatitis (Tab. 6.1)
██ Hypertriglyzeridämie: Eine größere Patientengruppe (12–38 %) mit akuter Pan-
kreatitis präsentiert sich bei stationärer Aufnahme mit einer Hypertriglyzeri-
dämie (Triglyerzide >1000 mg/dl). Nur in einigen Fällen liegt diese Störung der
akuten Pankreatitis ursächlich zugrunde. In diesen (vermuteten) Fällen wird die
Lipidapherese regelmäßig angewandt, ist bislang jedoch nicht sicher evaluiert.
344  6 Pankreas

Tab. 6.1 Medikamente, die eine akute Pankreatitis auslösen können (Quelle: Mayerle 2012).

Autor Trivedi Eland Andersen Lankisch


Medikament

Anzahl Reexpo­ Anzahl Rexpo­ Anzahl Reexpo­ Anzahl Reexpo­


der Fälle sition der Fälle sition der Fälle sition der Fälle sition

Acetaminophen 13 1

Asparaginase 177 2

Azathioprin 86 16 4 2 5 2 6 2

Cimetidin 1 1

Cisplatin 11 1

Cytarabin 26 4

Didanosin 883 9

Enalapril 12 2

Erythromycin 11 1

Estrogene 42 11

Furosemid 21 3

Hydrochlorothiazid 12 1

Interferon-α2b 12 2 1 1

Lamivudin 19 1
Kausalität gesichert

Mercaptopurin 69 10

Mesalamin/ 59 12 1 1 9 3 5 1
Olsalazin

Methyldopa 2 2

Metronidazol 1 1

Octreotid 16 4

Opiate 42 5

Oxyphenbutazon 1 1

Pentamidin 79 2

Pentavalent anti- 80 14
Monials

Phenformin 13 1

Simvastatin 1 1

Steroide 25 1

Sulfasalazin 23 5

Sulfmethaxazol/Trime­ 24 1
thoprim

Sulindac 21 8

Tetracyclin 34 2

Valproinsäure 80 11
6.4 Akute Pankreatitis  345

Tab. 6.1 Fortsetzung

Autor Trivedi Eland Andersen Lankisch


Medikament

Carbamazepin 14 0

Cyclopenthiazid 11 0

Didanosin 1 0

Doxycyclin 1 0
Kausalität wahrscheinlich

Enalapril 1 0

Estrogene 1 0

Famotidin 1 0

Furosemid 1 0

Hydrochlorothiazid 1 0

Maprotilin 1 0

Mesalazin 3 0

Rifampin 25 0 1 0

Sulindac 1 0

Neuere Fallberichte belegen, dass auch eine Gabe von Glukose und Insulin rasch
zu einem Absinken der Triglyzeride führt (Cave: Hypokaliämie unter Therapie).
Das Therapieziel einer medikamentösen Therapie der Hypertriglyzeridämie
liegt bei <500 mg/dl. Neben floridem Alkoholismus werden solch hohe Triglyze-
ridspiegel meist nur durch eine Apolipoprotein-C-II Defizienz oder eine Lipopro-
tein-Lipase-Defizienz erreicht.
██ Begleitpankreatitis bei gastrointestinalen und anderen Infektionen: Unter den vie-
len viralen Erregern, die eine akute Pankreatitis auslösen, sind insbesondere die
Enteroviren (Coxsackie-B- und Echo-Viren) und Mumps hervorzuheben. Häufi-
ge bakterielle Pathogene sind Mycoplasma pneumoniae und Yersinien. Wichtige
parasitäre Erreger sind Ascaris lumbricoides und in Asien Clonorchis sinensis.
Die im Rahmen parasitärer Infektionen beobachtete Pankreatitis ist meistens
durch eine Obstruktion des Pankreasgangs bedingt. Bei AIDS sind zusätzlich op-
portunistische Erreger wie Cryptosporidium parvum, Cryptococcus neoformans
und Toxoplasma gondii als Auslöser beschrieben worden (Tab. 6.2)

Tab. 6.2 Infek­ Viren Bakterien Parasiten


tionserreger, die
Coxsackie B Campylobacter Ascaris lumbricoides
eine akute Pank­
Echo-Viren Escherichia coli 1 Clonorchis sinensis
reatitis auslösen
Hepatitis A, B und E Legionellen Cryptosporidium parvum 2
können.
Herpesviren Leptospiren Cryptococcus neoformans 2
(CMV, EBV, HSV, VZV) Mykoplasmen Echinococcus granulosus
HIV Salmonellen Fasciola hepatica
Masern Yersinien Toxoplasma gondii 2
Mumps
Röteln
1 assoziiert mit hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS)
2 vorwiegend bei Immunkompromittierten (AIDS)
346  6 Pankreas

██ Hämolytisch-urämisches Syndrom: Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS)


manifestiert sich klinisch durch eine mikroangiopathische hämolytische Anä-
mie, eine Thrombozytopenie, ein akutes Nierenversagen, Fieber sowie Blutungs-
komplikationen und neurologischen Veränderungen unterschiedlicher Intensi-
tät. Die Mehrheit der Patienten mit einem HUS zeigen transiente Pankreasen-
zymerhöhungen. Nur in etwa 2 % der HUS-Fälle besteht eine akute Pankreatitis
██ Hyperkalzämie: Die iatrogene oder auf dem Boden eines Hyperparathyreoidis-
mus entstandene Hyperkalzämie ist ein unabhängiger Risikofaktor der akuten
Pankreatitis. Eine durch die Hyperkalzämie erleichterte intrapankreatische
Trypsinaktivierung scheint hier ein entscheidender pathogenetischer Schritt zu
sein.
██ Sichelzellanämie: Die Sichelzellanämie ist durch eine chronisch-hämolytische
Anämie und schmerzhafte vasookklusive Krisen gekennzeichnet. Letzterer Me-
chanismus kann im Einzelfall zur akuten Pankreatitis führen.
██ Anorexia nervosa: Die Anorexia nervosa kann mit klinischen, sonografischen
und biochemischen Merkmalen der Pankreatitis einhergehen. Der Pathomecha-
nismus dieser meist reversiblen Veränderungen ist noch völlig ungeklärt.
██ Intoxikationen: Eine Vielzahl von Giften wurde kasuistisch als wahrscheinlicher
Auslöser einer akuten Pankreatitis berichtet. Beispiele sind Skorpionbisse oder
Intoxikationen durch Herbstkrokus, Organophosphate, E605, Arsen oder Phenol.
██ Schwangerschaft
██ Systemische Vaskulitiden (systemischer Lupus erythematodes, Panarteriitis no-
dosa, Wegener-Granulomatose, Kawasaki-Syndrom u. a.)
██ Morbus Crohn/Colitis ulcerosa
██ Oberbauchtrauma, nach Pankreas-Operation
██ Mukoviszidose (selten akute Pankreatitis, in der Regel exokrine Pankreasinsuffi-
zienz, s. Kap. 6.4)
██ Hereditäre Pankreatitis (s. 6.5, Chronische Pankreatitis)

Genetik Selten: bei Mukoviszidose oder hereditärer Pankreatitis (s. Kap. 6.5).

Epidemiologie Die akute Pankreatitis zählt zu den häufigsten gastroenterologischen Erkrankun-


gen. Die Inzidenz liegt bei 10–46/100 000 Einwohner. In deutschen Krankenhäu-
sern wurden im Jahr 2008 (Statistisches Bundesamt) 50673 Fälle mit akuter Pank-
reatitis behandelt. In den letzten Jahren wurde eine steigende Inzidenz beobachtet.
Weltweit sind mehr Männer (58 %) als Frauen (42 %) betroffen.

Assoziierte s. Ätiologie und Pathomechanismus.


Erkrankungen

Klinische Schmerzen (90–100 %, essenzieller Bestandteil der Diagnosestellung):meistens


Charakteristika heftige, rasch zunehmende Bauchschmerzen, Beginn nicht selten im Anschluss an
eine reichhaltige Mahlzeit und/oder Alkoholexzess. Schmerzen häufig im Ober-
bauch, gürtelförmig, in den Rücken ausstrahlend, im Verlauf sich ausbreitend ins
gesamte Abdomen oder auch der Ausbreitung der Exsudationen entsprechend
(Flanken, parakolisch etc.).
Übelkeit und Erbrechen: häufig vorhanden, vermutlich bedingt durch Exsudati-
onen, Pankreasödem, Kompression von Nachbarorganen wie Magen/Duodenum.
Durst, Exsikkose: spiegeln das Ausmaß der Exsudationen, des Flüsssigkeitsverlusts
durch Erbrechen und die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme und damit den intrava-
salen Flüssigkeitsverlust wider.
Initial selten: Hämatemesis, Mälena, Fieber.
6.4 Akute Pankreatitis  347

Tab. 6.3 Akute Pankreatitis: ­Komplikationen und ihre U


­ rsachen.

Komplikation Ursache

Intrapankreatisch lokal

Nekrosen, Abszesse, Pseudozysten Grunderkrankung


mit oder ohne Infektion

Extrapankreatisch lokal

Stenose der benachbarten Hohl­ Nekrosestraßen in alle Richtungen möglich, Pankreaskopfschwellung bei intersti­
organe (Ductus choledochus, tieller, Kopfnekrosen bei nekrotisierender Pankreatitis
Duodenum und Kolon)

Oberer Gastrointestinaltrakt

Gastrointestinale Blutung Alkoholische Gastritis, Mallory-Weiss-Syndrom, peptische Ulzera, intrapankreati­


sche Blutung, Ösophagusvarizen als Folge von Milzvenen- bzw. Pfortaderthrom­
bosen

Dünndarm

Paralytischer Ileus Ileus bei nekrotisierender Pankreatitis nahezu obligat, Folge der Grunderkrankung

Dünndarminfarkt (sehr selten) Dünndarminfarkte, Folge der peripankreatischen Nekroseprozesse

Milz

Milzruptur (lebensbedrohliche Übergreifen der Pankreatitis auf benachbarte Gefäße und durch Vordringen von
Bltung) Pankreaspseudozysten in die Milz(region)

Arrosion der Milzgefäße


(lebensbedrohliche Blutung)

Milzinfarkt bzw. -hämatom


(zusätzliche Schmerzsymptomatik)

Milzvenenthrombose evtl. mit


Ausbildung bzw. Blutung von
Ösophagusvarizen

Systemisch

Schock Intravasaler Volumenmangel, evtl. frei werdende toxische Substanzen

Respiratorische Insuffizienz Hypoventilation, bedingt durch schmerzhafte Abwehrspannung, des Abdomens


und/oder Pleuraergüsse, wahrscheinlich auch Freisetzung toxischer Substanzen
Zerstörung des Surfactant der Lunge durch Phospholipase A wird diskutiert,
hierdurch Entstehung von Lysolecithin und Fettsäuren, die zu einer weiteren
Zerstörung der Lungenoberfläche führen können, Pneumonie

Nierenversagen Schock, Hypovolämie, evtl. toxische Substanzen

Kardiale Komplikationen Ursache unklar, infarkttypische EKG-Veränderungen bei bis zu 50 % der Patienten,
seltener Perikardergüsse (Gefahr: Herzbeuteltamponade)

Pankreatische Enzephalopathie Ursache Unklar, Häufigkeitsangaben wahrscheinlich auf Atropinpsychosen zu­


rückzuführen, da früher hohe Dosen von Atropin zur Enzymsekretionshemmung
empfohlen wurden

Plötzliche Erblindung z. B. durch komplement-induzierte Leukozytenembolisation bedingte Retinaver­


änderungen im Sinne einer Purtscher-Retinopathie (Blutung und Cottonwool-
Herde)
348  6 Pankreas

Allgemeinsymptome: initial durch Schmerzen stark beeinträchtigter Patient, Vigi-


lanzminderung, Schwäche; in den nächsten 48 h in Abhängigkeit von der Schwe-
re der Pankreatitis und Ausbildung von Komplikationen: pulmonale, renale und
Kreislauf-Insuffizienz, Sepsis, Ileus, Aszites, ausgedehnte Nekrosen (Tab. 6.3).

Wegweisende Klinische Untersuchung:


Diagnostik ██Abdomen:
–– sehr variable Befunde in Abhängigkeit von der Schwere der Pankreatitis
–– abdominelle Schmerzen bei Palpation, „Gummibauch“, Abwehrspannung bei
peritonealer Reizung,
–– aufgetriebenes Abdomen, reduzierte bis fehlende Darmgeräusche (häufig
paralytischer Ileus)
–– Hautzeichen mit bläulich-livider Verfärbung nur bei sehr schwerem Verlauf
mit Durchscheinen der Nekrose/Einblutungen: Cullen Zeichen: im Bereich der
Nabelregion, Grey-Turner-Zeichen: im Bereich der Flankenregion
██Allgemeine und extraabdominelle Befunde:
–– In Abhängigkeit von der Schwere der Pankreatitis: krank wirkender,
schmerzgeplagter Patient, exsikkiert
–– Kreislaufdepression, positiver Schockindex
–– Ikterus (biliäre Pankreatitis?)
–– Dyspnoe (hochstehende Zwerchfelle, Exsudationen in den Pleuraraum/Medi-
astinum, Pneumonie)
–– Vigilanzminderung

Labor:
██Lipase: Diagnosesicherung! (Cave: Höhe der Lipase korreliert nicht mit dem
Schweregrad; Verlaufsbestimmungen nicht erforderlich!). Bestimmung der
Amylase nicht erforderlich
██Hämatokrit: Beurteilung der Hämokonzentration und damit des Flüssigkeitsde-
fizits (HK >43 % beim Mann und >39,2 % bei der Frau erhöht die Wahrscheinlich-
keit einer schweren Pankreatitis)
██Leukozyten/Leukozytose, Thrombozytopenie bei Verbrauchskoagulopathie
██kapilläre/arterielle Blutgasanalyse (metabolische Azidose, respiratorische Parti-
al- oder Globalinsuffizienz)
██Cholestasewerte: GPT (Erhöhung auf >3-Fache der Norm hat hohen prädiktiven
Wert für biliäre Ursache), AP, γ-GT, Bilirubin (Differenzialdiagnose: Cholangitis;
Indikationsstellung für ERC/Papillotomie und Steinextraktion, s. Therapie)
██CRP (prädiktiver Marker für Schweregrad in den ersten 48–96 h; cave: in den
ersten 24h ist das CRP häufig noch nicht erhöht!)
██Harnstoff, Kreatinin,Elektrolyte (cave: akutes prärenales Nierenversagen); Harn-
stoff wichtiger Parameter für die Flüssigkeitsbilanzierung, s. Therapie
██Blutzucker (neu auftretende Hyperglykämie >126 mg% ist mit ungünstiger Prog-
nose korreliert: Sensitivität 86 %. Umgekehrt macht eine Normoglykämie einen
schweren Verlauf unwahrscheinlich)

Sonografie: Initial Untersuchung der Wahl (wenn auch häufig limitiert durch
Darmparalyse, Luftüberlagerung und schmerzbedingt nur eingeschränkt mögli-
cher Untersuchung), erfordert hohe Expertise des Untersuchers
–– Pankreas: nur in 60–80 % der Fälle beurteilbar; echoarme Auftreibung des
Organs bzw. eines Organanteils (Caput, Corpus, Cauda), peripankreatische
Exsudationen/Nekrosestraßen (Gerotasche Faszie, Bursa omentalis, parako-
lisch etc.)
6.4 Akute Pankreatitis  349

–– biliäre Genese: Sensitivität zur Darstellung von Gallensteinen oder Sludge in


der Gallenblase von 93 %. Der Gallensteinnachweis im Ductus hepatochole-
dochus liegt bei <50 %.
–– Aszites, Pleuraerguss, Darmparalyse

CT-Abdomen mit Kontrastmittelgabe: In der Akutphase häufig entbehrlich und


bei klarer Diagnose ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Grundsätzlich ist das CT-
Abdomen jedoch die Methode der Wahl zur Unterscheidung zwischen interstitiel-
ler und nekrotisierender (gemeint sind Pankreasnekrosen, die sich nur durch feh-
lende KM-Aufnahme nachweisen lassen) Pankreatitis, dem Ausmaß der Nekrosen
und ggf. dem Nachweis von Komplikationen (Sensitivität: 87 %, Spezifität: 95 %, De-
tektionsrate für Pankreasnekrosen: 90 %). Sehr geringe Sensitivität zum Nachweis
von Gallengangssteinen.
██ Cave: durch KM-Gabe Induktion/Verschlechterung der bei Exsikkose ohnehin
beeinträchtigten Nierenfunktion. Daher innerhalb der ersten 48 h nur, wenn
Komplikationen vermutet werden, die therapeutische Konsequenzen nach sich
ziehen (mechanischer Ileus, Kompartmentsyndrom, Mesenterialinfarkt, intra-
abdominelle Blutung. Abszess, infizierte Nekrosen oder Pseudozysten sind in
der Regel Spätkomplikationen) oder bei differenzialdiagnostischen Überlegun-
gen! Nach Möglichkeit auch bei schwerem Verlauf erst nach etwa 7 Tagen, da
das realistische Ausmaß von Pankreasnekrosen erst nach dieser Zeit dargestellt
werden. Die Beurteilung des Schweregrades der Pankreatitis erfolgt nach dem
(radiologischen) Balthazar-Score.
██ Bei leichteren Verlaufsformen und guter Prognose ist das CT meistens komplett
entbehrlich.

Zusatz­ ██ Rö-Thorax: Pleuraergüsse (Sonografie!), Infiltrate, Stauung


diagnostik ██ Rö-Abdomen: Ileus, Perforation
██ Endosonografie: bei Verdacht auf biliäre Genese, falls abdominelle Sonografie
nicht aussagekräftig, kann zwischen noch im Gang befindlichem Gallenstein und
stattgehabter Gallensteinpassage in 98 % unterscheiden
██ MRCP/MRI: bei Verdacht auf biliäre Genese, alternativ zur Endosonografie, falls
abdominelle Sonografie nicht aussagekräftig; Sensitivität für Steinnachweis im
Ductus hepatocholedochus: ca. 95 %
██ ERC: diagnostisch obsolete Untersuchung, nur in therapeutischer Absicht (Papil-
lotomie und Steinextraktion, s. Therapie)

Differenzial­ Abdominelle Ursachen: Akute Cholezystitis/Gallenkolik, Ulkusperforation, me-


diagnose chanischer Ileus, Mesenterialinfarkt, Divertikulitis, Gefäßkomplikationen, Milzin-
farkt, Niereninfarkt, akute intermittierende Porphyrie, hereditäres Angioödem, In-
toxikation, Peritonitis.
Extraabdominelle Ursachen: Hinterwandinfarkt, diabetische Ketoazidose, Mumps,
(falls Amylase bestimmt wurde: Makroamylaseämie), ektope Schwangerschaft.

Vorhersage des Hinweise auf einen komplizierten Verlauf der akuten Pankreatitis ergeben sich bei:
Schweregrades/ ██Hinweisen auf drei oder mehr Organkomplikationen bei Aufnahme und persis-
Prognose­ tierend nach 48 h
abschätzung ██beim klinischen Vorliegen einer extrapankreatischen Komplikation (z. B. respira-
torische oder Niereninsuffizienz)
██beim Nachweis von Pankreasnekrosen im CT-Abdomen mit KM
██Erhöhung des CRP bis auf 130 mg/l in den ersten 48 h nach Schmerzbeginn ohne
Anhalt für einen anderen infektiösen Fokus
350  6 Pankreas

██ Hämatokrit bei Aufnahme >44 % (Mann) oder >39 % (Frau) oder kein Abfallen des
Hk innerhalb der ersten 24 h nach Therapiebeginn
██ Erhöhte Punktwerte bei Errechnung von Scores, die im Alltag jedoch häufig
nicht stringent angewendet werden (APACHE-II-Score, Imrie- und Ranson-Score,
SOFA-Score)
██ Risiko für schweren Verlauf: Alter >55 Jahre, BMI >25/>>30

Therapie Da initial der Verlauf der akuten Pankreatitis schwer abzuschätzen ist (80 % milder
Verlauf, aber 20 % schwerer Verlauf mit Organkomplikationen), sollte die Behand-
lung unter stationären Bedingungen erfolgen. Häufige Verlaufskontrollen des klini-
schen Befundes, der laborchemischen Verlaufsparameter sowie der bildgebenden
Befunde machen ein ambulantes Patienten-Management nahezu unmöglich. Die
Behandlung auf der Intermediate-care- oder Intensivstation ist in den ersten 48 h
meistens sinnvoll und notwendig! Indikation großzügig stellen, da sich die Erkran-
kung auch nach 1–2 Tagen noch dramatisch verschlechtern kann.
Volumen und Elektrolytsubstitution: Flüssigkeitssubstitution ist die entscheiden-
de initiale therapeutische Maßnahme (und ebenso der häufigste Behandlungsfeh-
ler, wenn sie nicht erfolgt), die in der Notaufnahme beginnen sollte (Abb. 6.1)!
Das akute prärenale Nierenversagen innerhalb der ersten 48 h nach stationärer
Aufnahme korreliert mit erhöhter Mortalität. Jeder Anstieg des Serum-Harnstoffs
um 5 mg/dl erhöht die Mortalität um einen Faktor von 2,2.
██ Praktisches Vorgehen: Infusion von 5–10 ml/kg/h Flüssigkeit (Ringer-Lsg., isoto-
ne NaCl; keine kolloidalen Lösungen) bis 2 oder mehr der folgenden Kriterien
erreicht sind:
–– Herzfrequenz <120/min
–– mittlerer arterieller Druck 65–85 mmHg
–– Urinausscheidung >1 ml/kg/h
–– Hämatokrit <35 % (Evidenzgrad 1b) (cave Überwässerung)
–– Die Überwachung der Laborwerte (Elektrolyte, Harnstoff, Hk, BZ, SpO2) sollte
initial alle 4–6 h erfolgen.
██ Die Volumengabe sollte, wenn möglich durch ein Thermodilutionssystem ge-
steuert werden(Hk und ZVD häufig zu ungenau in Abschätzung des Volumen-
defizits).

Schmerztherapie: Die suffiziente Analgesie ist neben der Flüssigkeitssubstitution


eines der wichtigsten und oft dringlichsten Behandlungsziele (bereits in der Not-
aufnahme!).
██Ziel: 1. Analgesie, 2. durch Verminderung der Abdominalschmerzen wird die At-
mung verbessert und pulmonalen Komplikationen entgegengewirkt.
██Praktisches Vorgehen: initial Metamizol 1 g i. v., alternativ: Paracetamol 1 g i. v.;
ggf. zusätzlich Morphin 10 mg i. v. oder Dipidolor 7,5–15 mg i. v. Bei schwerem
Verlauf sind kurz (oder lang-) fristig hohe (Dauer-)Gaben von Analgetika erfor-
derlich. (Die früher geltende Meinung, dass Opioide die Pankreatitis durch einen
Papillenspasmus verschlechtern, hat heute keine Gültigkeit mehr). Die Gabe von
Procainhydrochlorid als Dauerinfusion ist obsolet.
██Zum Einsatz einer Periduralanästhesie liegen keine Studien vor. In Analogie zur
postoperativen Analgetikatherapie sind Einzelbeobachtungen insbesondere bei
schweren Krankheitsverläufen positiv (weniger sedierend, weniger ileusför-
dernd als systemische Opioide)

Sauerstoffgabe, Ventilation: Die Leitlinien zur Behandlung der akuten Pankrea-


titis empfehlen die Sauerstoffgabe (nasal, Maske) mit dem Ziel einer peripheren
6.4 Akute Pankreatitis  351

O2-Sättigung von >95 % (soll präventiv auf die Entwicklung eines sekundären Or-
ganversagens wirken). Verschlechterung der Atmung sollte frühzeitig nichtinvasi-
ve Beatmung (NIV) bzw. invasive Beatmung induzieren.

Nahrungskarenz, parenterale oder/und enterale Ernährung:


██Nahrungskarenz
–– wirkt positiv auf den Verlauf des paralytischen Ileus (als Folge einer aku-
ten Pankreatitis) und subjektiv als Erleichterung bei Übelkeit, Erbrechen,
Schmerzen
–– hat keinen Einfluss auf den klinischen Verlauf oder die Prognose
██Magenablaufsonde: ist nur zur Therapie eines paralytischen Ileus (und Erbre-
chen) indiziert
██Die enterale Ernährung ist der parenteralen Ernährung bei akuter Pankreatitis
überlegen hinsichtlich geringerer Komplikation und geringerer Kosten. Eine en-
terale Sondenernährung, die über eine tief liegende Dünndarmsonde oder (neu-
este Studien) mit gleicher Effektivität auch über eine Magensonde verabreicht
wird, wirkt der Translokation von Bakterien in das Pankreas mit der Folge einer
infizierten Nekrose entgegen. Bei ausgeprägter gastraler Transportstörung kann
endoskopisch eine Trilumensonde mit Magenablaufsonde und Ernährungsson-
de distal des Treitz-Bandes gelegt werden. Nachteilig ist die häufige Dislokation
nasojejunal platzierter Sonden.
██Die parenterale Ernährung nach den Kriterien der Intensivmedizin sollte nur
dann erfolgen, wenn die enterale Ernährung nicht möglich ist. Eine Kombination
aus parenteraler mit enteraler Nahrungsapplikation ist u. U. sinnvoll.

Orale Kost bzw. Kostaufbau:


██Bei milder Pankreatitis besteht keine Notwendigkeit der Nahrungskarenz. Die
orale Nahrungsaufnahme führt zur schnelleren Rekonvaleszenz und Reduktion
der Krankenhausverweildauer.
██Der orale Kostaufbau sollte bei schmerzfreien Patienten möglichst frühzeitig mit
leicht verdaulicher Kost erfolgen. Etwa 20 % erleiden im Rahmen des Kostaufbaus
ein Rezidiv. Die Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv ist vom Ausmaß der Nekrose,
d. h. dem Schweregrad der Pankreatitis abhängig (Daten einer multizentrischen
Kohorten-Studie sowie einer Metaanalyse). Der Wert so genannter Pankreasdi-
äten oder der abgestuften Pankreasschonkost ist nicht nur völlig unbewiesen –
sie sind auch bei normal entwickeltem Geschmacksempfinden kaum genießbar.

Antibiotika-Therapie: Eine generelle Antibiotikaprophylaxe kann nicht empfohlen


werden.
██Indikation für Antibiotika:
–– Patienten mit nachgewiesener infizierter Pankreasnekrose (25–72 % der Nek-
rosen sind im Verlauf der Erkrankung infiziert).
██Praktisches Vorgehen: bei Verdacht auf infizierte Nekrose sollte
sonografisch oder CT-gesteuert eine Punktion mit Untersuchung auf
Erreger und Resistenz erfolgen. Unabhängig von Ergebnis der FNA
sollte bei Verdacht auf infizierte Nekrose in jedem Fall Behandlung,
z. B. Ciprofloxacin 2-mal 500 mg i. v. plus Metronidazol 3-mal 500 mg
i. v. oder Imipinem 3-mal 1–1,5 g i. v. oder Meropenem (optimal: nach
Antibiogramm).
–– Cholangitis, Peritonitis oder Pneumonie als weitere Ursachen für einen septi-
schen Krankheitsverlauf sollte eine spezifische Therapie nach sich ziehen
352  6 Pankreas

██ Cave: Folge der Antibiotikatherapie kann eine Pilzbesiedlung der Pankreasne-


krose sein (in 20 % der Fälle vorhanden bei gleichzeitig positivem Nachweis im
Blut). Randomisierte Studien zur Auswahl des am besten geeigneten Antimyko-
tikums liegen bisher nicht vor.

Probiotika-Therapie: Bisherige Studien haben keinen einheitlichen Effekt von Pro-


biotika auf den Verlauf der Pankreatitis gezeigt. Die Gabe von Probiotika ist daher
zum aktuellen Zeitpunkt nicht zu empfehlen.

Behandlung der biliären Pankreatitis: Endoskopische Papillotomie


██Der Nachweis einer Choledocholithiasis sollte mit Sonografie, Endosonografie
(EUS) oder MRCP erfolgen. Im Zweifel sollte insbesondere die EUS oder MRCP
der invasiven ERC vorgeschaltet werden. Die Indikation zur ERC mit Papillotomie
und Steinextraktion ist nur bei nachgewiesenem intraduktalem Konkrement ge-
geben (häufig auch kleines Konkrement, Mikrolithiasis) und sollte innerhalb der
ersten 72 h nach Schmerzbeginn erfolgen (positiver Effekt auf den klinischen
Verlauf der schweren akuten Pankreatitis). Ob die Papillotomie bei zum Zeit-
punkt der ERC nicht mehr nachweisbaren Gallengangskonkrementen sinnvoll
ist, muss im Einzelfall entschieden werden (verschwollene Papille, juxtapapillä-
res Divertikel, weiter bestehender Galleaufstau).

Endoskopisches und operatives Vorgehen bei infizierter Nekrose: Grundsätzlich


gemeinsame gastroenterologisch-chirurgische Entscheidung zum Prozedere sinn-
voll. Ein invasives Vorgehen ist nur bei nachgewiesener infizierter Nekrose und
nicht bei steriler Nekrose indiziert! Die notwendige Expertise sollte vorhanden
sein, ansonsten Verlegung in ein Zentrum. Als Methoden sind möglich (Reihenfol-
ge nach Invasivität des Eingriffs, „Step-up“-Ansatz):
██Perkutane Drainageanlage (sonografisch oder CT-gesteuerte Anlage), meist dick-
lumige Drainagen und ausgiebige Spülungen erforderlich,
██Endoskopisch transgastral oder transduodenal Drainageanlage, Spülungen, wie-
derholte endoskopische Nekrosektomien. Die technische Erfolgsrate liegt in
Zentren bei 92 %, wobei es in 19,6 % zu Komplikationen wie Kolonfisteln, Blu-
tung, Prothesendislokation, Schmerzen nach mehr als 24 h, Perforationen oder
Senkungsabszessen kommt. Die Mortalität liegt etwa bei 6 %, der Langzeiterfolg
der Therapie etwa bei 80 % und die Anzahl der Eingriffe bei im Median 2,3.
██Minimal-invasiv chirurgische Drainageanlagen
██Offene chirurgische Nekrosektomie (kann häufig durch gering invasivere Verfah-
ren ersetzt werden, schlechteres Outcome, sollte möglichst spät im Verlauf zum
Einsatz kommen, höhere Mortalität)

Ein kombiniert konservatives und interventionelles Vorgehen ist auch bei infizier-
ter Nekrose einem minimal-invasiv-chirurgischem Verfahren gleichwertig. Das
Ziel ist die mechanische Entlastung der infizierten Areale mit ausreichender Spü-
lung bzw. Ausräumung der Nekrosen.
In einer Kohortenstudie an 639 Patienten mit nekrotisierender Pankreatitis (PAN-
TER Studie) benötigten 62 % keine Intervention. Bei infizierter Nekrose führt eine
späte minimal invasive Intervention zu einem verbesserten Überleben. Die mini-
mal-invasive Therapie im „step-up“ Ansatz führte zu einem signifikant besseren
klinischen Verlauf (kombinierter Endpunkt: Mortalität und schwere Komplikati-
onen).
Cholezystektomie bei biliärer Pankreatitis: Die Rezidivrate einer biliären Pankre-
atitis ohne Cholezystektomie bei einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren liegt
6.4 Akute Pankreatitis  353

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Abb. 6.1 Therapiealgorithmus bei Pankreatitis (Quelle: Mayerle 2012).


354  6 Pankreas

bei 30 %, die Mortalität bei 6 %. Die Indikation zur Cholezystektomie ist daher bei
allen Patienten nach biliärer Pankreatitis gegeben. Die Operation soll nach Abklin-
gen der akuten Entzündung erfolgen (optimal: 4–6 Wochen nach Entlassung).

Karzinomrisiko Kein Karzinomrisiko per se (im Gegensatz zur chronischen Pankreatitis, s. Kap. 6.5).
Cave: akute Pankreatitis als Erstmanifestation eines Pankreaskarzinoms! Bei Pa-
tienten ohne erkennbare Ursache der Pankreatitis >50 Jahre wird nach Abklingen
der akuten Entzündung die Durchführung eines CT-Abdomens bzw. einer Endoso-
nografie zum Ausschluss (Nachweis) eines Pankreastumors empfohlen.

Rezidiv­ ██ In Abhängigkeit von der Ätiologie!


prophylaxe ██ Alkoholgenese: absolute Alkoholkarenz in der Regel lebenslang notwendig, Re-
zidiv sonst häufig
██ Biliäre Genese: s. Therapie
██ Medikamentenanamnese! Ein Re-Expositionsversuch sollte ausführlich bespro-
chen und nur bei zwingender Indikation und fehlenden Alternativen versucht
werden
██ Seltene Ursachen bei unklarer Ätiologie ausschließen

Langzeit­ Exokrine Pankreasinsuffizienz: entsteht nur bei ausgedehnt nekrotisierender Pan-


komplikationen kreatitis mit Verlust von >90 % exokrinem Pankreasgewebe. Beschwerden: breiige
(fettige) Durchfälle, Gewichtsverlust.
██ Therapie: Enzymsubstitution. Erholung der exokrinen Pankreasfunktion noch
bis zu 3 Monate nach akuter Pankreatitis möglich.

Endokrine Pankreasinsuffizienz, pankreopriver Diabetes mellitus: Blutzuckerbe-


stimmungen sollten vor Entlassung nach erfolgtem oralen Kostaufbau durchge-
führt werden (2-mal Nüchtern-BZ: sollte <126 mg% sein, 2-mal zu einem beliebi-
gen Zeitpunkt nach Nahrungsaufnahme: sollte <200 mg% sein), im Verlauf HbA1c.
██ Therapie: Da es sich um einen Insulinmangeldiabetes handelt, sollte wie bei der
Therapie des Typ-1-DM vorgegangen werden. Da nicht nur insulinproduzieren-
de Zellen, sondern auch glukagonsezernierende Zellen zugrunde gegangen sind,
reagieren Patienten mit pankreoprivem DM häufig sensibel auf Insulingaben.

Literatur Mayerle J, Simon P, Lerch MM. Therapie der akuten Pankreatitis. Intensivmed.up2date 2012; 8: 49–65
Mayerle J, Heidecke CD, Kraft M, Lerch MM. Konservative Therapie der akuten Pankreatitis. Dtsch Med Wo-
chenschr. 2008; 133: 1911–1916
Working Party of the British Society of Gastroenterology; Association ofSurgeons of Great Britain and
Ireland; Pancreatic Society of Great Britain andIreland; Association of Upper GI Surgeons of Great Britain
and Ireland. UKguidelines for the management of acute pancreatitis. Gut 2005; 54(3): iii1–9
Nitsche C, Maertin S, Scheiber J, Ritter CA, Lerch MM, Mayerle J. Drug-Induced Pancreatitis. Curr Gastroen-
terol Rep. 2012

6.5 Chronische Pankreatitis

Definition Durch Bauchschmerzen charakterisierte chronisch rezidivierende Entzündung mit


letztlich fibrotischem Umbau, fortschreitendem Verlust der exokrinen und endo-
krinen Pankreasfunktion und möglichen Komplikationen wie Pseudozysten, Pank-
reas-, Gallengangs- und Duodenalstenose oder Pankreaskarzinom.
6.5 Chronische Pankreatitis  355

Pathogenese 4 konkurrierende Hypothesen zur Pathogenese:


██fettige Degeneration der Pankreasazinuszellen durch Schädigung des Metabo-
lismus der Pankreasazinuszelle sowohl direkt als auch indirekt über das in der
Leber entstehende toxische Alkoholabbauprodukt Azetaldehyd
██Induktion freier Radikale durch Alkohol mit nachfolgender Lipidoxidation und
damit Zerstörung der Zellmembran (Therapieansatz durch Antioxidanzien?)
██Zerstörung der Azini durch Druckerhöhung in den Pankreasgängen aufgrund der
Bildung von Proteinplaques mit nachfolgender Pankreasgangobstruktion
██chronische Pankreatitis als Folge wiederholter akuter Pankreatitiden mit fokaler
Nekrose, Infiltration von Entzündungszellen und Fibrosierung des Organs. Die
vorzeitige Proteasenaktivierung in der Pankreasazinuszelle als Ursache, wie dies
auch für die hereditäre Pankreatitis auf dem Boden von Mutationen im Trypsi-
nogen-Gen vermutet wird

Pathologie Entzündlich und durch Fibrosierung bedingte isolierte oder generelle Dilatation
von Hauptgang und Nebenästen mit unregelmäßiger Sklerosierung des Organs;
Zerstörung und permanenter Verlust des exokrinen und endokrinen Drüsengewe-
bes, fokal, segmental oder diffus

Ätiologie und Alkohol (80 %): es besteht ein logarithmischer Zusammenhang zwischen dem re-
Genetik lativen Risiko an einer Pankreatitis zu erkranken und der Menge an konsumier-
tem Alkohol und Protein. Ein Minimum von 80 g Alkohol pro Tag über 6–12 Jah-
re ist vermutlich notwendig, um eine chronische Pankreatitis zu induzieren. Ein
Schwellenwert ist nicht bekannt, die Art des Alkohols unerheblich. Patienten mit
chronischer Pankreatitis oder Leberzirrhose unterscheiden sich nicht signifikant
hinsichtlich der Menge des konsumierten Alkohols. Die Zeit zwischen Beginn ei-
nes exzessiven Alkoholkonsums bis zum Auftreten einer Pankreatitis beträgt im
Mittel 18 ± 11 Jahre.
Idiopathisch (ca. 20 %): unklare Ätiologie, durch Nachweis der erblichen Form
(s. u.) Abnahme der idiopathischen Form und prozentual Zunahme der hereditä-
ren Pankreatitis.
Hereditär (ca. 1 %): erstmals 1996 nachgewiesener Gendefekt im kationischen
Trypsinogen-Gen auf dem langen Arm des Chromosoms 7 (7q35). Die so genannte
R122H-Mutation (die häufigste von bisher 24 beschriebenen Mutationen im kat-
ionischen Trypsinogen) verursacht mit einer Penetranz von 80 % in einem auto-
somal-dominanten Erbgang die Entstehung einer chronischen Pankreatitis, deren
klinische Symptome in 80 % bis zum 18. Lebensjahr auftreten. Weitere Gene, die
mit der klinisch idiopathischen Form in Verbindung gebracht werden, sind der
Serinprotease-Inhibitor SPINK1, ein endogener intrapankreatischer Inhibitor von
Trypsin sowie das Chymotrypsin C.
Zystische Fibrose (Mukoviszidose): Punktmutation im Gen des Cystic Fibrosis
Conductance Regulator (CTFR-Gen), autosomal-rezessiver Erbgang. Die Pankreas-
beteiligung variiert von einem kompletten Verlust der exokrinen und endokrinen
Funktion bis zu einer nahezu normalen Pankreasfunktion (durch Bildung eines hy-
perviskösen Pankreassekrets kommt es zu Stau und Obstruktion mit Atrophie der
Drüse). Rezidivierende Pankreatitiden werden in 1–2 % der pankreassuffizienten
und selten auch bei pankreasinsuffizienten Patienten beobachtet.

Epidemiologie Die Inzidenz beträgt 8,2 pro 100 000 Einwohner in Deutschland, die Prävalenz 27,4
pro 100 000 Einwohner (korreliert mit der konsumierten Alkoholmenge in der Ge-
sellschaft). Die meisten Patienten befinden sich bei Stellung der Erstdiagnose im
356  6 Pankreas

Frühstadium der Erkrankung und sind zwischen 37 und 40 Jahre alt, Männer >
Frauen.
Symptome bestehen bei Diagnosestellung im Median seit 30–55 Monaten im Fall
der alkoholinduzierten Pankreatitis und im Median seit 81 Monaten bei einer
chronischen Pankreatitis, die durch eine andere Ursache ausgelöst ist.
Die 10-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit chronischer Pankreatitis beträgt
70 %, die 20-Jahres-Überlebensrate 45 %. Es besteht eine um das 3,6-Fache erhöhte
Mortalitätsrate im Vergleich zu einem gleichaltrigen Studienkollektiv ohne chro-
nische Pankreatitis.
Die hereditäre Pankreatitis ist durch Pankreatitisschübe bereits in der frühen
Kindheit/Jugend (gleiche Geschlechtsverteilung), positive Familienanamnese und
ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Pankreaskarzinom gekennzeichnet (Indikation
zur genetischen Testung s. „Zusatzdiagnostik“).

Assoziierte Leberzirrhose in 5 %, Cholezystolithiasis in 6 % der Fälle.


Erkrankungen

Klinische Leitsymptome:
Charakteristika ██Oberbauchschmerzen, rezidivierend, gürtelförmig, die oft in den Rücken aus-
strahlen (80–95 %)
██Gewichtsverlust (80 %): zunächst nicht selten bedingt durch mangelnde Nah-
rungszufuhr aus Angst vor Schmerzen, später durch exokrine Pankreasinsuffizi-
enz mit Maldigestion und /-absorption; Fehlernährung bei Alkoholismus
██Durchfälle (50 %): hoher Fettanteil/Steatorrhoe, „Konsistenz wie feuchter Lehm“
██Ikterus: gelegentlich, Kompression des Ductus hepatocholedochus durch Einbe-
ziehung des DHC in die Pankreaskopffibrose oder Kompression durch Pseudo-
zyste

Der klinische Verlauf ist vom jeweiligen Stadium der Erkrankung abhängig. Er
reicht von einem hochakuten Zustand mit den Symptomen des akuten Abdomens
bis zu schleichender Kachexie. Mit der Erkrankungsdauer nimmt die Schmerzin-
tensität oft ab („burn-out of pain“) und korreliert dann mit dem Auftreten von
Kalzifikationen im Pankreas und dem Verlust der exokrinen und endokrinen Funk-
tion. In diesem Stadium kommt es zu sehr variablen Entzündungs- und Schmerz-
attacken, die immer wieder von symptomarmen oder sogar symptomfreien Inter-
vallen gefolgt sein können.

Komplikationen Mögliche Komplikationen Tab. 6.4.

Wegweisende Die Diagnosestellung basiert auf klinischen, morphologischen und funktionellen


Diagnostik Parametern. Aufgrund der nur unzureichenden Korrelation der 3 diagnostischen
Säulen mit der klinischen Symptomatik sind diese komplementär einzusetzen.

Anamnese: Schmerzcharakteristik, Durchfälle, Gewichtsverlust, Alkoholkonsum;


hereditäre Pankreatitis: Beginn der Schmerzen (Kindheit?), Familienanamnese
(Abb. 6.2).
Klinische Untersuchung: selten hilfreich, außer wenn Oberbauchtumor tastbar
(Pankreaspseudozyste oder vergrößerte Milz bei Milzvenenthrombose) bzw. Ery-
thema ab igne sichtbar (persistierendes netzartiges Erythem durch chronischen
Gebrauch von Wärmflaschen/-kissen als Schmerztherapie, selten).
Labor: es gibt keine pathognomonischen Laborveränderungen.
██Lipase (Serum): kann erhöht sein, kann jedoch selbst bei schwerem Schmerz-
syndrom normal bleiben
6.5 Chronische Pankreatitis  357

Tab. 6.4 Kompli­ Befund Symptome


kationen einer
chronischen Intrapankreatisch
Pankreatitis. Pseudozyste(n) mit/ohne Kompression Schmerzen, ggf. Übelkeit, Erbrechen, Ik­
benachbarter Organe terus

Abszesse Schmerzen, Sepsis

Pankreaskarzinom Schmerzen, initial auch schmerzlos, Ge­


wichtsverlust trotz ausreichender Enzym­
substitution, neu aufgetretener oder sich
verschlechternder Diabetes mellitus

Extrapankreatisch

Stenose der benachbarten Hohlorgane Ikterus, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen


(Ductus choledochus, Duodenum, Kolon)

Gastrointestinale Blutung aus: Hämatemesis, Hämatochezie,Teerstuhl


●●Ösophagus-/Fundusvarizen ●●gastrointestinale Blutung
●● Ulcus ventriculi/duodeni ●● gastrointestinale Blutung, Schmerzen
●● arrodierten Gefäßen bzw. Pseudoaneurys­ ●● gastrointestinale Blutung, Austrittsblu­
men in Pankreaspseudozysten mit An­ tung aus der Papilla Vateri in das Duode­
schluss an das Gangsystem (Hämosuccus num (ERCP)
pancreaticus)

Milzvenenthrombose Keine besondere Symptomatik

Pleuraerguss Luftnot

Perikarderguss Luftnot

Aszites Völlegefühl, Luftnot

██ Serum-Kalzium: erhöht: Parathormon (primärer Hyperparathyreoidismus?); er-


niedrigt: Cholecalciferol im Serum (Vitamin-D-Mangel-Resorption bei Steator-
rhö)
██ Malabsorptionssyndrom (s. Kap. 4.5) bei exokriner Pankreasinsuffizienz (Ge-
samteiweiß, Kalzium, INR), selten in voller Ausprägung
██ Blutzucker, HbA1c (endokrine Insuffizienz)
██ Funktionsdiagnostik (Durchführung und Einschränkungen s. Kap. 11, Pankreas-
funktionstests): Stuhlenzymbestimmung (z. B. Elastase); genaueste Aussage mit
dem Sekretin-Caerulein-Test möglich (sehr aufwendig, wird kaum noch durch-
geführt)

Bildgebende Diagnostik:
██ Sonografie, transabdominell: Strukturinhomogenität, häufig schlechte Abgrenz-
barkeit, Vergrößerung (und Atrophie) möglich, Gangerweiterungen unter-
schiedlicher Ausprägung, Verkalkungen (häufig schwierig von intraduktalen
Konkrementen abgrenzbar), Darstellung von Komplikationen (s. CT-Abdomen).
Die diagnostische Sensitivität (untersucherabhängig) beträgt 52–68 %, die Spezi-
fität 95–100 %. Der negative prädiktive Wert liegt bei >95 %. Gute sonografische
Beurteilung nur in 80 % der Fälle (Tab. 6.5).
██ Rö-Abdomen: als Zufallsbefund: Verkalkungen im Verlauf des Pankreas
██ CT-Abdomen: Goldstandard. Mit ihm können Komplikationen der chronischen
Pankreatitis wie Pankreaspseudozysten (infiziert? eingeblutet?), Gangaufstau,
358  6 Pankreas

Milzvenenthrombose, Raumforderungen oder der akute Schub der chronischen


Pankreatitis detektiert werden. Die Sensitivität dieses Verfahrens liegt bei 74–
86 %, die Spezifität bei 98–99 % (Tab. 6.5)
██ Endoskopisch-retrograde Pankreatografie (ERP): im Prinzip Goldstandard der in-
vasiven Diagnostik bei chronischer Pankreatitis, jedoch nur indiziert, wenn sich
eine therapeutische endoskopische Konsequenz daraus ergibt (z. B. Drainage
einer Pankreaspseudozyste mit Anschluss an den Ductus Wirsungianus durch
die Einlage einer Endoprothese). Die Einteilung der Gangveränderungen erfolgt
nach der Cambridge-Klassifikation (Tab. 6.5). Die Sensitivität wird mit 93–99 %
angegeben, die Spezifität mit 85–100 %.
██ endoskopischer Ultraschall (EUS): hochsensitives Untersuchungsverfahren vor
allem in der Frühphase der Erkrankung. Häufig gehen Parenchymveränderun-
gen den Veränderungen im Pankreasgangsystem voraus (Tab. 6.5), die weder in
der transabdominellen Sonografie noch dem CT nachweisbar sind.

Tab. 6.5 Veränderungen ERCP CT und Ultraschall


Cam­bridge-
Klassifikation Keine Gute Darstellbarkeit des gesamten Organs ohne pathologische Verän­
morphologischer derungen
Pankreasverän­ Fraglich Pathologische Gangver­ Nur eine der folgenden Veränderungen:
derungen bei änderungen in weniger Pankreasgang 2–4 mm weit
●●

chronischer Pank­ als 3 Seitenästen ●● leichte Pankreasvergrößerung (<2-Fache


reatitis (Quelle:
der Norm)
Sarner u. Cotton
1984). ●● heterogene Parenchymstruktur

Leicht Pathologische Gangver­ 2 oder mehr der folgenden Veränderungen


änderungen in weniger zur Diagnosestellung erforderlich:
als 3 Seitenästen ●●kleine zystische Veränderungen
(<10 mm)
●● Pankreasgang unregelmäßig, 2–4 mm
weit
●● fokale akute Pankreatitis
●● heterogene Parenchymstruktur
●● Gangunregelmäßigkeiten
●● verstärkte Echogenität der Pankreas­
gangwand
●● Konturunregelmäßigkeiten des Organs
(Kopf/Körper)

Mäßig Veränderungen des Wie oben (keine weitere Unterscheidung


Pankreasgangs ± der zwischen leicht und mäßig)
Seitenäste

Schwer Alle o. g. Veränderungen, zusätzlich eine der o. g. Veränderungen bei


chronischer Pankreatitis + eine oder mehr der folgenden:
●●zystische Strukturen >10 mm
●● intraduktale Füllungsdefekte
●● Kalksteine
●● Gangobstruktion (Strikturen)
●● schwere Gangunregelmäßigkeiten
ausgeprägte Gangdilatation oder -unregelmäßigkeiten
6.5 Chronische Pankreatitis  359

██ Magnetresonanz-Cholangio-Pankreatikografie (MRCP): die Sensitivität bezüglich


pathologischer Gangveränderungen liegt im Vergleich zur diagnostischen ERCP
bei 70–92 %, kann im Einzelfall Zusatzinformationen zu Sonografie, CT oder EUS
liefern, insbesondere vor Interventionen.

Zusatz­ Die Indikationen zur genetischen Testung auf eine hereditäre Pankreatitis bzw. auf
diagnostik Trypsinogen-Mutationen sind:
██rezidivierende (2 oder mehr) Schübe einer akuten Pankreatitis ohne identifizier-
baren Auslöser oder Ätiologie oder
██idiopathische chronische Pankreatitis – v. a. bei Kindern und im jungen Erwach-
senenalter (<25 Jahre) oder
██Erkrankung an einer Pankreatitis bei einem Patienten mit einer positiven Fa-
milienanamnese für eine Pankreatitis (einer oder mehrere Verwandte 1. oder
2. Grades)

Genetische Untersuchungen gesunder Verwandter von Patienten mit hereditärer


Pankreatitis sollten nur nach ausführlicher Aufklärung erfolgen.

Konservative Behandlungsziele: adäquate Schmerztherapie, Kompensation der exokrinen Pank-


Therapie reasinsuffizienz und damit die Symptombehandlung der Maldigestion, Steatorrhö
und des Gewichtsverlusts, die Behandlung der diabetischen Stoffwechsellage. Pro-
gnostisch wichtig ist die psychosoziale Betreuung bei Suchtkranken mit dem Ziel
der dauerhaften Abstinenz und Resozialisierung (Abb. 6.3).

Schmerztherapie: Die Schmerztherapie beruht auf den Richtlinien der WHO für
anhaltende Schmerzen bei chronischen Erkrankungen:
██peripher wirksame Analgetika: Metamizol, Paracetamol, NSAR (cave: ulzeroge-
ne NW)
██Kombination peripher wirksamer Analgetika mit Neuroleptika oder Tramadol-
sulphat
██zusätzliche Gabe von potenten zentral wirksamen Opioiden (z. B. Buprenorphin,
Morphin, Fentanyl)

Abb. 6.2
NOLQLVFKH.ULWHULHQ
Diagnosestellung
$QDPQHVH 2EHUEDXFKVFKPHU]6WHDWRUUK| NOLQLVFKHU%HIXQG
einer chronischen *HZLFKWVYHUOXVW'LDEHWHVPHOOLWXV
Pankreatitis
(s. Indikationen
einer genetischen PRUSKRORJLVFKH.ULWHULHQ IXQNWLRQHOOH.ULWHULHQ
Testung (Quelle:
Mayerle 2004, 8OWUDVFKDOO HQGRNULQ H[RNULQ
mit freundlicher
Genehmigung
(86 (5&3 LQGLUHNWH)XQNWLRQVWHVWV
von Springer Sci­
ence + Business
Media). &7 05705&3 JJIGLUHNWH)XQNWLRQVWHVWV

lWLRORJLVFKH.ULWHULHQ
JHQHWLVFKH7HVWXQJEHLKHUHGLWlUHUXQG
LGLRSDWKLVFKHU3DQNUHDWLWLV -DKUH
360  6 Pankreas

Eine bessere Wirksamkeit einzelner Substanzen mit geringer spasmogener Akti-


vität für den Sphinkter Oddi konnte bisher nicht gezeigt werden. Wichtig: festes
Verordnungsschema! (nicht primär Bedarfsmedikation).
Pankreopriver Diabetes mellitus: Bedingt durch einen absoluten Insulinmangel,
häufig plus periphere Insulinresistenz. Im Anfangsstadium kann Metformin noch
sinnvoll sein, ansonsten Insulintherapie nach diabetologischen Kriterien (Kombi-
nation Metformin+Insulin senkt Pankreaskarzinomrisiko). Cave: erhöhte Hypo-
glykämiegefahr unter Insulin durch Lebersyntheseeinschränkung mit reduzierten
Glykogenreserven und das Fehlen der Insulinantagonisten Glukagon und Somato-
statin bei gleichzeitigem Untergang von α-Zellen, β-Zellen und γ-Zellen der Lan-
gerhans-Inseln.
Ernährung und Enzymsubstitution:
██Ernährung:
–– mehrere Mahlzeiten (3 große, 3 kleine), fettsparend kochen (Alufolie, Grill,
Römertopf etc.), Ernährungsberatung!
–– Vermeidung stark blähender Gemüse/Obstsorten (Hülsenfrüchte, Paprika,
Zwiebel, Äpfel)
–– Komplette Alkoholabstinenz lebenslang
–– Bei starker Steatorrhö kann die Umstellung auf unabhängig von Lipase resor-
bierbaren mittelkettigen Triglyzeriden (MCT-Fette) hilfreich sein
██Substitution fettlöslicher Vitamine (ADEK): kein Fertigpräparat im Handel zur
intramuskulären Injektion. Unter www.aa-s.de weitere Hinweise, „eigenen Apo-
theker“ fragen bzgl. Sonderherstellung. Alternativ: intravenöse Substitution in
mehrwöchentlichen Abständen. Orale Substitution nicht wirksam.
██Pankreasenzymsubstitution:
–– Indikation: Gewichtsverlust >10 % des Körpergewichts, Steatorrhö mit Stuhl-
fettausscheidung >15 g/Tag (wird von Labors nahezu nicht mehr angeboten),
nachgewiesener exokriner Insuffizienz (s. Funktionsdiagnostik), dyspepti-
schen Beschwerden mit starkem Meteorismus oder Diarrhö, als probatori-
sche Therapie
–– Präparat: Kreon, Panzytrat u. a., ein pulverisiertes Extrakt aus Schweinepank-
reas mit den Hauptkomponenten: Lipase, Amylase, Trypsin und Chymotryp-
sin
–– Dosis: 25 000–50 000 IU Lipase zu den großen und 25 000 IU zu den kleinen
Mahlzeiten
–– Therapieversagen:
1. Dosiserhöhung der Enzymsubstitution
2. Compliance überprüfen (Chymotrypsin im Stuhl)
3. andere Ursache für Diarrhoe/Steatorrhoe (Zöliakie, Lambliasis, bakterielle
Fehlbesiedlung etc., s. Kap. 1.13)?
4. Protonenpumpenblocker, z. B. Omeprazol, Pantozol, da Magensäure die
Wirksamkeit der Pankreasenzyme reduziert

Endoskopische Stenose des Ductus hepatocholedochus (DHC):


Therapie ██Auftreten in10 bis zu 40 %. Meistens glattwandig, häufig sanduhrförmig
██Indikation zur endoskopischen Protheseneinlage (Plastikstent): signifikante per-
sistierende Cholestase, cholangitische Schübe, Prävention einer sekundären bili-
ären Zirrhose und die Differenzierung der Schmerzursache (Stenose des DHC vs.
chronische Pankreatitis).
██Nur ein Drittel profitiert langfristig durch Stent, daher nur Überbrückung bis zur
operativen Sanierung (s. u.).
██cave: Malignom als Ursache der Stenose!
6.5 Chronische Pankreatitis  361

Abb. 6.3
Algorithmus zur %LOGJHEXQJ
Therapie der
chronischen Pan­
'LDJQRVH
kreatitis (Quelle: $QDPQHVH NOLQLVFKH8QWHUVXFKXQJ
FKURQLVFKH3DQNUHDWLWLV
Mayerle 2007,
mit freundlicher
Genehmigung
von Springer Sci­ 6FKPHU]HQ 0DOGLJHVWLRQ 'LDEHWHVPHOOLWXV .RPSOLNDWLRQHQ
ence + Business
Media). $ONRKRODEVWLQHQ] (Q]\PVXEVWLWXWLRQ 'LlW HQGRVNRSLVFKH
,QWHUYHQWLRQ
²*DOOHQJDQJVVWHQW
(Q]\PVXEVWLWXWLRQ 6lXUHVXSSUHVVLRQ ,QVXOLQWKHUDSLH ²3VHXGR]\VWHQ'UDLQDJH
²3DQNUHDV6WHQW
²(6:/
6FKPHU]WKHUDSLH *DEHYRQ
:+25LFKWOLQLHQ PLWWHONHWWLJHQ
)HWWVlXUHQXQG &KLUXUJLH
IHWWO|VOLFKHQ ²'UDLQDJH2SHUDWLRQHQ
FKLUXUJLVFKHYV 9LWDPLQHQ  3DUWLQJWRQ5RFKHOOH
HQGRVNRSLVFKH  3XHVWRZ
,QWHUYHQWLRQ ²UHVH]LHUHQGH9HUIDKUHQ
 %HJHU)UH\%FKOHU

Stenose des Ductus pancreaticus:


██Indikation zur endoskopischen Protheseneinlage in den Pankreasgang nicht hin-
reichend geklärt, keine positiven kontrollierten Studien, individuelle Entschei-
dung, abhängig auch von Expertise des Untersuchers
██Cave: benigne versus maligne Stenose
██Cave: Protheseneinlage kann offenbar auch sekundäre Veränderungen bis zur
Striktur verursachen
██Kurzfristig: die Behebung der Obstruktion des Pankreasgangs zur Schmerzthera-
pie ist oft effektiv, es werden Erfolgraten zwischen 37 und 94 % berichtet
██Langfristige Schmerzfreiheit: der Vergleich zwischen endoskopischer Therapie
und operativer Intervention in 2 randomisierten Studien zeigte die Überlegen-
heit der Operation.

Pankreasgangsteine:
██ESWL bei ausgeprägtem Schmerzsyndrom indiziert, geringe Komplikationsrate
██endoskopische Entfernung von Konkrementen/Fragmenten aus dem Pankreas-
gang nicht zwingend erforderlich

Pankreaspseudozysten:
██Auftreten: bei 25 % der Patienten
██Verlauf: innerhalb der ersten 6 Wochen bilden sich 40 % der Pseudozysten spon-
tan zurück, nach 12 Wochen meist keine weitere Rückbildung
██Komplikationen und Interventionsindikation: Auftreten in 20 %, entscheidend
Größenzunahme > 5 cm. Zunehmende Schmerzen, Infektion, Verlagerung/Kom-
pression von angrenzendem Gewebe oder benachbarten Organen (Magen, Duo-
denum), Einblutung (Abwarten versus Operation), Zystenruptur (meist Operati-
on erforderlich)
██Interventionsmöglichkeiten: gemeinsame gastroenterologisch/chirurgische Ent-
scheidung; endoskopische/endosonografische Drainage (transgastral/transduo-
362  6 Pankreas

denal) u. U. mit multiplen Pigtail-Kathetern insbesondere bei infizierten Zysten;


transkutane Drainage für Patienten mehr belastend; alternativ operatives Vor-
gehen

Operative 30–60 % aller Patienten bedürfen im Verlauf einer chirurgischen Intervention (Abb.
Therapie 6.4a–b). In mindestens 30 % der Fälle scheint eine konservative Therapie erweitert
durch endoskopische Interventionen zur Therapie ausreichend.

Indikation zur chirurgischen Intervention:


██Dauerschmerzen,die nicht mehr ausreichend medikamentös behandelbar sind
██Kompression/Stenose des Gallen- und /oder des Pankreasganges bei entzündlich
vergrößertem Pankreaskopf oder Pseudozyste
██Duodenalstenose
██Verdacht auf Malignom (Karzinominzidenz in 6–14 %)
██Radiologisch interventionell (Embolisation) nicht beherrschbare Blutungen
(Pseudoaneurysmata, arteriointestinale Fistel)
██Konservativ nicht behandelbare Pankreasfisteln

Verfahren:
██Thorakoskopische bilaterale Splanchnikektomie bei Schmerz als alleinigem führen-
dem Symptom (und bildgebend ohne Nachweis wesentlicher sekundärer Kom-
plikationen): bei Patienten, die auf eine peridurale Anästhesie gut ansprechen,
wird langfristig gute Schmerzkontrolle erreicht bei minimaler perioperativer
Morbidität (7 %).
██Pankreasresezierende Verfahren: Unabhängig von der Art des operativen Eingriffs
muss als oberstes Therapieziel eine weitestgehende Organ- und Parenchym-
schonung angesehen werden (Operationsverfahren Abb. 6.4a–b). Die frühzeitige
chirurgische Intervention kann die fortschreitende globale Pankreasinsuffizienz
möglicherweise hinauszögern.
██klassische Pankreatikoduodenektomie (Kausch/Whipple); Morbiditätsrate 24–
55 %
██pyloruserhaltende Pankreatoduodenektomie (pp-Whipple)
–– Vorteile der pyloruserhaltenden Whipple-Operation (pp-Whipple) gegenüber
der klassischen Resektion: weniger Dumping-Syndrom, seltener Ulzera, kein
Galle-Reflux in den Magen/Ösophagus, Kontinuität des Magen-Darm-Trakts
wird erhalten.
██duodenumerhaltenden Pankreaskopfresektionen (nach Beger, Modifikation durch
Frey, Izbicki, Büchler). Die Mortalitätsrate in erfahrenen Zentren zwischen 0 und
maximal 3,2 %, vergleichbar mit klassischer Pankreatoduodenektomie. Morbidi-
tätsrate: 9–22 %
–– wenn Pankreasgang <3 mm durchmisst („small duct disease“) kann als Mo-
difikation der klassischen Drainageoperation eine V-förmige Resektion des
ventralen Pankreasparenchyms bis auf den Ductus Wirsungianus durch-
geführt werden (Izbicki), wobei die Pankreasgänge 2. und 3. Ordnung auch
entlastet werden.
–– Vorteil der duodenum- gegenüber der pyloruserhaltenden Resektion: geringere
Rate einer im postoperativen Verlauf auftretenden Magenentleerungsver-
zögerung. Demgegenüber wird bei der Beger- und Frey-Operation eine zwi-
schen 5 und 10 % gering erhöhte Blutungsrate beobachtet.

Verlauf und Nach 10 Jahren sind ca. 50 % der Patienten schmerzfrei. Eine Vorhersage, wer
Prognose schmerzfrei sein wird, ist nicht möglich. Operative Maßnahmen erfolgen in ca. 33–
6.5 Chronische Pankreatitis  363




 




Abb. 6.4a–b Operative Vorgehensweisen zur Therapie der chronischen Pankreatitis.


$QDVWRPRVH]XP
a Operation nach Puestow. Links: langstreckige Eröffnung des Pankreasgangs
3DQNUHDVNRSIund des Jejun­
*DOOHQJDQJ
ums; rechts: fertige Anastomisierung in Y-Roux-Technik. XQGNRUSXV
b Klassische Operation nach Kausch-Whipple. Links: Entfernung des Pankreaskopfs erfolgt
bei der partiellen Duodenopankreatektomie unter Mitnahme der distalen Gallengänge
und Gallenblase (1) sowie des distalen Magenanteils (2). Das Resektat wird am Pankre­
askorpus (3) und distal des3DQNUHDVJDQJ
Treitz-Bandes am proximalen Jejunum abgesetzt (4). Rechts:
Die Rekonstruktion erfolgt mittels zweier Jejunalschlingen. Die 1. Schlinge drainiert das
5HVHNWLRQVIOlFKH
Pankreas (3) und die Gallenwege (1), die 2. Schlinge den Magen (2). Mittels einer End-zu-
Seite-Jejunojejunostomie (4) werden die beiden Schlingen miteinander verbunden.
DXVJHK|KOWHU )X‰SXQNW
3DQNUHDVNRSI DQDVWRPRVH
50 % der Fälle bei nachgewiesener oder vermuteter Schmerzursache. Progredienz
der
F exokrinen und endokrinen Pankreasinsuffizienz verläuft nicht parallel, auch
nach 10 Jahren haben 20 % der Patienten immer noch eine normale Glukosetole-
ranz. $EOHLWXQJGHV%DXFKVSHLFKHOV
EHUHLQHDXIJHQlKWH'DUP
Karzinomrisiko: 6–14 % für das Pankreaskarzinom.
7'UDLQDJH Vermehrtes Auftreten von Kar-
VFKOLQJHDXI
zinomen der oberen Atemwege (Folge gleichzeitigen Nikotinmissbrauchs?).
3DQNUHDVNRSI Vor-
sorgestrategien*DOOHQJDQJ N|USHU nicht etabliert.
außer konsequenter Vermeidung von Alkohol
XQGVFKZDQ]
Letalität: Nach 10 bzw. 20 Jahren sind 35 % bzw. 88 % der Patienten mit alkoholin-
duzierter und 20 % bzw. 54 % der Patienten mit nicht alkoholinduzierter Pankrea-
titis verstorben.
OlQJV
Selbsthilfe Anonyme Alkoholiker: www.anonyme-alkoholiker.de
JHVSDOWHQHU
3DQNUHDVJDQJ
DXVJHK|KOWHU
G 3DQNUHDVNRSI


364  6 Pankreas 

$QDVWRPRVH]XP
3DQNUHDVNRSI
*DOOHQJDQJ XQGNRUSXV

3DQNUHDVJDQJ

5HVHNWLRQVIOlFKH

DXVJHK|KOWHU )X‰SXQNW
3DQNUHDVNRSI DQDVWRPRVH

$EOHLWXQJGHV%DXFKVSHLFKHOV
EHUHLQHDXIJHQlKWH'DUP
7'UDLQDJH VFKOLQJHDXI
3DQNUHDVNRSI
*DOOHQJDQJ N|USHU
XQGVFKZDQ]

OlQJV
JHVSDOWHQHU
3DQNUHDVJDQJ
DXVJHK|KOWHU
G 3DQNUHDVNRSI

Abb. 6.4c–d Operative Vorgehensweisen zur Therapie der chronischen Pankreatitis.


c Operation nach Beger. Links: Ausschälung des Bauchspeicheldrüsenkopfs nach Beger mit
Transsektion über der Pfortader; rechts: Rekonstruktion mittels einer Dünndarmschlinge
nach Beger.
d Operation nach Frey. Links: limitierte Ausschälung des Bauchspeicheldrüsenkopfs nach
Frey mit Spaltung des Bauchspeicheldrüsengangs; rechts: Rekonstruktion durch eine
Dünndarmschlinge auf die Resektionsfläche.

Arbeitskreis der Pankreatektomierten: www.bauchspeicheldruese-pankreas-


selbsthilfe.de

Literatur Keller J, Aghdassi AA, Lerch MM, Mayerle JV, Layer P. Tests of pancreatic exocrine function - clinical signifi-
cance in pancreatic and non-pancreatic disorders. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2009; 23: 425–439
Mayerle J, Lerch MM, Heidecke CD. Chronic pancreatitis. Diagnosis and treatment. Gastroenterologe. 2007;
2: 275–290
Mayerle J et al. Chronische Pankreatitis. Diagnostik und Therapie. Der Chirurg. Springer Medizin 2004; 75:
731–748
DiMagno MJ, DiMagno EP. Chronic pancreatitis. Curr Opin Gastroenterol. 2011; 27: 452–459
Cahen DL, Gouma DJ, Nio Y, et al. Endoscopic versus surgical drainage of the pancreatic duct in chronic pan-
creatitis. N Engl J Med 2007; 356: 676–684
Cahen DL, van Berkel AM, Oskam D, et al. Long-term results of endoscopic drainage of common bile duct
strictures in chronic pancreatitis. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2005; 17: 103–108
Sarner M, Cotton PB. Classification of pancreatitis. Gut 1984; 25: 756–759
6.6 Autoimmunpankreatitis  365

6.6 Autoimmunpankreatitis

Definition Systemische fibrosierende entzündliche (Autoimmun-) Erkrankung, bei der das


Pankreas eines der betroffenen Organe ist.

Pathologie Histologie:
██Typ-1-Autoimmunpankreatitis: dichte kragenartige lymphoplasmazytäre Infil-
tration mit obliterativer Phlebitis und periduktulärer Fibrose mit gleichartigen
Veränderungen in anderen Organen
██Typ-2-Autoimmunpankreatitis „granulocytic epithelial lesions“ (GELs) bei ca.
45 % der Patienten (eher weiblich, mit chronisch entzündlichen Darmerkrankun-
gen, kein IgG4 im Serum, seltener Rezidive)

Epidemiologie Die größte vergleichende Studie hat 731 Fälle rekrutiert. Männer erkranken häufi-
ger als Frauen (2:1). Prävalenz in Asien: 5–6 % in einer Patientenkohorte mit chro-
nischer Pankreatitis. Etwa 5 % der Patienten, die bei Verdacht auf ein Pankreaskar-
zinom operiert werden, leiden histologisch an einer Autoimmunpankreatitis.

Assoziierte Sjögren-Syndrom, Hashimoto-Thyreoiditis, Autoimmuncholangitis, chronisch-


Erkrankungen/ entzündliche Darmerkrankungen, retroperitoneale Fibrose
Organsysteme

Klinische ██ Abdominalschmerzen, meist Oberbauch und gering


Charakteristika ██ Ikterus (50 %) (Kompression des Ductus hepatocholedochus durch vergrößerten
Pankreaskopf)
██ wiederkehrende Episoden einer Pankreatitis
██ nach extrapankreatischen Symptomen/Befunden fahnden! (Sicca-Syndrom, ge-
schwollene Speicheldrüsen, Struma, Hyperthyreose, retroperitoneale Fibrose)

Wegweisende Sonografie/CT-Abdomen: fokal oder diffus vergrößertes Pankreas, bei diffuser


Diagnostik Vergrößerung wurstartiges Bild „sausage shaped pancreas“.
Histologiegewinnung per Feinnadelpunktion
Endosonografie/ERCP/MRCP: diffuse oder segmentale Stenosierungen des Pank-
reasgangs, häufig ohne prästenotische Dilatation, und sehr selten Kalzifikationen
oder Pseudozysten.
Labor:
██Immunglobulin (Ig) G und IgG4 Im Serum (bei 50 % erhöht, bei asiatischen Pati-
enten häufiger)
██Lipase/Amylase meist nur gering erhöht
██Andere Autoimmunmarker: Schilddrüsenantikörper (plus TSH), ANA

Diagnosestel­ Die Diagnosestellung erfolgt nach den HiSORT-Kriterien, die die Histologie, Sero-
lung logie, die Beteiligung anderer Organsysteme und das Ansprechen (Response) auf
eine Steroidtherapie einschließen (s. Tab. 6.6). Diagnostisch beweisend ist ein ra-
sches Ansprechen auf Steroide.

Differenzial­ ██ Pankreaskarzinom (!), cave: immer engmaschige Kontrollen!


diagnose ██ Neuroendokrine Tumoren, Lymphom, Sarkoidose, Sjögren-Syndrom

Therapie­ Bei gesicherter AIP oder begründetem Verdacht auf AIP im akuten und chronischen
indikation Verlauf, sowie zur Behandlung extrapankreatischer Manifestationen. Ausgeschlos-
sen sind residuale Zustände nach Pankreasatrophie ohne Beteiligung anderer Or-
gane.
366  6 Pankreas

Tab. 6.6 Diagnostische Kriterien für eine Autoimmunpankreatitis Typ I (HiSORT-Score) (Quelle: Beyer 2012).

Kriterium Level 1 Level 2

P Parenchym Bildge­ Typisch Unklar


bung Diffus vergößert mit late enhancement Herdförmig/fokale vergrößert mit late
(manchmal kapselartiger Rand) enhancement

D Duktale Bildgebung Lange (> ein Drittel des Verlaufs) oder mul­ Segmentale/fokale Strikturen mit proxima­
ERP tiple Strikturen des Pankreasgangs ohne ler Dilatation bis 5 mm
proximale Dilatation

S Serologie IgG4 >2-fach erhöht IgG4 1- bis 2-fach erhöht

OOI (other organ a) oder b) a) oder b)


involvement) a) Histologie anderer Organe, mind. 3 der a) Histologie anderer Organe inklusive des
folgenden Merkmale: Gallengangs; beide Kriterien müssen erfüllt
●●Lymphoplasmazelluläres Infiltrat und sein:
Fibrose ohne Granulozyten ●●Lymphoplasmarzelluläres Infiltrat ohne
●● Storiforme Fibrose Granulozyten
●● Obliterierende Phlebitis ●● IgG4-positiven Plasmazellen (>10 pro
Gesichtfeld)
●● IgG4-positiven Plasmazellen (>10 pro
Gesichtfeld) b) Radiologisch oder in körperl. Unter­
suchung Nachweis von mind. einem der
b) Radiologische Hinweise, min. einer der
folgenden:
folgenden:
●●Symmetrisch vergößerte Speicheldrüsen
●●Segmentale/multiple proximale Gallen­
gangsstrikturen ●● Einbeziehung der Nieren
●● Retroperitoneale Fibrose

H Histologie Pankreas LPSP TruCut oder Resektat LPSP TruCut


3 von 4 (s. o.) 2 von 4 (s. o.)

Rt Erfolg der Steroid­ Schnelles Ansprechen (≤2 Wochen) auf einen Therapieversuch mit radiologischem Nachweis
therapie einer deutlichen Besserung

Tab. 6.7 Diagnosestellung AIP Typ 1.

Diagnostische Grundlage Befund Weiteres

definitive Histologie LPSP-Nachweis keine, Diagnose gesichert


­Diagnose (Level-1-H-Kriterium)

Bildgebung (P) typisch ein weiteres Level-1- oder Level-2-­


Kriterium

Erfolg der Steroid­therapie Ansprechen auf Ein Level-1-S/OOI-Kriterium oder ein Level-
(Rt) Steroide 1-D-Kriterium + ein Level-2-S/OOI/
H-Kriterium + Rt

wahrscheinliche - - Ein Level-2-S/OOI/H-Kriterium + Rt


Diagnose

Therapie Prednisolon 40 mg/Tag für 4 Wochen, anschließend „ausschleichen“, z. B. Redukti-


on um 5 mg/Woche. Unklar ist, ob längere Therapiedauer bis zu 3 Jahren Vorteile
bringt.
Cave: bei unzureichendem Ansprechen immer an Pankreaskarzinom denken!
6.7 Adenokarzinom des Pankreas  367

Abb. 6.5 Vorge­


hen bei Verdacht 9HUGDFKWDXI$XWRLPPXQSDQNUHDWLWLVEHL
auf Autoimmun­ %LOGJHEXQJ(86&7RGHU(5&3
RGHU6HURORJLH,J*RGHU,J*
pankreatitis.

QDFKGHQ+,625W.ULWHULHQ QDFKGHQ+,625W.ULWHULHQ
NHLQ$QKDOWIU$,3 9HUGDFKWDXI$,3

IRNDOH/lVLRQ 2UJDQ %LRSVLHPLW+LQZHLVHQIUHLQH$,3


YHUJU|‰HUXQJ

UHVH]LHUEDU QLFKW %LRSVLH )1$


UHVH]LHUEDU

PDOLJQH KLQZHLVHQGDXI
3DQNUHDVOlVLRQ HLQH$,3

5HVHNWLRQ &KHPRWKHUDSLH 6WHURLGWKHUDSLH

Verlauf und ██ Spontanremission: 74 %


Prognose ██ Remission unter Steroidbehandlung: 98 %
██ Die Rückfallrate lag in den asiatischen Studien unter Therapie bei 15–24 %, wäh-
rend in den USA zwischen 47–64 % der Patienten mit Typ-1-AIP erneut sympto-
matisch wurden. Alle Rückfälle ließen sich durch wiederholte Behandlung mit
Steroiden gut behandeln.
██ Das Langzeitüberleben wird nach jetzigem Kenntnisstand bei behandelter AIP
nicht beeinflusst.

Literatur Kamisawa T, Chari ST, Giday SA, et al. Clinical profile of autoimmune pancreatitis and its histological subty-
pes: an international multicenter survey. Pancreas. 2011; 40: 809–814
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Beyer G et al. Antoiummunpankreatitis, Gastroenterologie up2date 2012; 8: 199–217

6.7 Adenokarzinom des Pankreas

Synonym Exokrines Pankreaskarzinom

Epidemiologie Inzidenz 16/100 000 Einwohner, Männer und Frauen gleichhäufig. In Deutschland
versterben daran jedes Jahr mehr als 11000 Menschen. In den USA steht es an 4.
Stelle in der Statistik der Krebstodesursachen. Das mediane Erkrankungsalter liegt
in der 6.–8. Lebensdekade.
368  6 Pankreas

Ätiologie und Genetik:


Risikofaktoren Familiäres Pankreaskarzinom: mindestens 2 Verwandte 1. Grades betroffen, unab-
hängig von deren Alter bei Erkrankung, ohne dass in der Familie andere erbliche
Syndrome vorliegen. In Deutschland erleiden 1–3 % aller Pankreaskarzinom-Pati-
enten ein familiäres Pankreaskarzinom.
Sporadisches Pankreaskarzinom: Familiäre Belastung: 9-fach erhöhtes Risiko (CI
4,5–16,1), 3 erkrankte Familienmitglieder: 32-fach (CI 10,2–74,7), 2 erkrankte Fa-
milienmitglieder: 6,4-fach (CI 1,8–16,4), 1 erkranktes Familienmitglied: 4,6-fach
(CI 0,5–16,4)
Gesicherte Risikofaktoren:
██Rauchen: gilt als der am besten belegte und in Studien reproduzierbare Risiko-
faktor (2,5-fach erhöhtes relatives Risiko)
██Pestizide
██fettreiche Ernährung
██Adipositas (BMI >30)
██Diabetes mellitus: 2-fach erhöhtes Risiko
██chronische Pankreatitis: nach 20 Jahren auf 4 % erhöht (hereditäre Pankreatitis:
Tab. 6.8)
██definierte Erbkrankheiten und Tumor-Syndrome (Tab. 6.8)

Pathologie Lokalisation: Etwa 70 % im Caput und Processus uncinatus, 25 % im Korpus, 5 % in


Cauda wegen der erst spät einsetzenden Symptome mit einer besonders schlech-
ten Prognose vergesellschaftet. Ca. 70–80 % der Tumoren des exokrinen Pankreas
sind histologisch duktale Adenokarzinome.

Pathogenese Vermutlich Adenom-Karzinom-Sequenz: über die Zeit akkumulieren Mutationen


in Protoonkogenen und Tumorsuppressorgenen (gehäuftes Auftreten von Mutatio-
nen des Ki-Ras Onkogens und der Tumorsuppressorgene p53, p21, p16, DPC4 und
BRCA2), sodass sich aus morphologisch definierten präneoplastischen Läsionen
über das Stadium der Hyper- und Dysplasie (pankreatische intraepitheliale Neo-
plasien [PanINs] der Grade 1 bis 3) ein Pankreaskarzinom entwickeln kann.

Klinische Die klinischen Symptome sind meistens unspezifisch und treten häufig erst in fort-
Charakteristika geschrittenem Stadium auf.
Allgemein: abdominelle (epigastrische) Schmerzen und/oder Rückenschmerzen,
Inappetenz, Übelkeit, Gewichtsverlust, Ikterus (Lokalisation im Pankreaskopf),
tastbare schmerzlose Gallenblase (Courvoisier-Zeichen). In manchen Fällen mani-
festiert sich im Vorfeld ein Diabetes mellitus. Starke Rückenschmerzen können auf
eine Tumorinvasion im Splanchnikus-Gebiet hinweisen.
Diagnostik bei Alarmzeichen:

Tab. 6.8 Here­ Syndrom/Erkrankung Pankreaskarzinomrisiko


ditäre Tumor­
syndrome und Hereditäres Brust-Ovarialkarzinom Syndrom 3- bis 4-fach
Pankreaskarzi­ (HBOC)
nomrisiko. Hereditäre Pankreatitis 70- bis 100-fach

Peutz-Jeghers-Syndrom Über 100-fach

Familial Atypical Multiple Mole-Melanoma Syn­ 13- bis 52-fach


drom (FAMMM)

Familiäres Pankreaskarzinom Etwa 57-fach


6.7 Adenokarzinom des Pankreas  369

██ Neu aufgetretener Oberbauch- und Rückenschmerz (untere BWS/LWS)


██ Neu aufgetretener schmerzloser Ikterus
██ Nach einer ersten akuten Pankreatitis unklarer Ätiologie (>50. Lebensjahr): ca.
1%
██ Neu aufgetretener Diabetes mellitus + verdächtige Symptome

Wegweisende Klinische Untersuchung: selten hilfreich, selten: Gallenblasenhydrops tastbar


Diagnostik (Courvoisier-Zeichen)
Bildgebende Untersuchungen: Geeignet sind Sonografie, CT-Abdomen, Endoso-
nografie, MRT/MRCP. Auch die einzelnen bildgebenden Verfahren lassen oftmals
keine genaue Differenzierung zu und werden deshalb im Einzelfall kombiniert.
Sonografie: initiale Suchmethode, Darstellung des meist echoarmen, aber auch
isoechogenen oder schlecht abgrenzbaren Tumors v. a. bei kleinen Tumoren
schwierig, indirekte Zeichen wie Aufstau des DHC oder D.pankreatikus. Lymph-
knotenvergrößerungen, Infiltration der Gefäße (Truncus coeliacus, A. mesenterica
superior, V. mesenterica superior, V. porta)
Endosonografie: deutlich bessere räumliche Auflösung als bei transabdominel-
ler Sonografie. Die Sensitivität liegt für T1-Tumoren bei 88 %, für T2-Tumoren bei
100 %, und für T3-Tumoren bei 93 %. Die Anwendung einer kontrastmittelverstärk-
ten Endosonografie kann die Differenzialdiagnose solider Pankreastumoren verbes-
sern. Zusätzlich besteht bei dem Einsatz von linearen Sonden die Möglichkeit der
Punktion.
Feinnadelpunktion zur Histologiegewinnung: bei bestehender operativer Resek-
tabilität nicht indiziert. Endosonografische Punktion indiziert bei: differenzialdiag-
nostischen Überlegungen (neuroendokriner Tumor? Lymphom? Metastase – z. B.
Mamma-, Nierenzell-, kleinzelliges Bronchialkarzinom? benigner Tumor? Sarko-
idose? AIP?) Die Genauigkeit liegt bei 82,7–95 %, die Rate an falsch Positiven bei
4 % (falsche zytologische Diagnose), falsch Negative: 6 % (übersehene Karzinome,
sampling error). Komplikationsrate: 0–10,5 % (Blutung, Pankreatitis).
Vor der Durchführung einer spezifischen palliativen Therapie ist eine bioptische
Diagnosesicherung obligat (transkutane oder endosonografische Punktion) – un-
abhängig davon, ob es sich um ein fokal fortgeschrittenes, inoperables oder um
eine metastasiertes Pankreaskarzinom handelt.
CT-Abdomen und Magnetresonanztomografie: CT-Abdomen (multislice, mit Fo-
kus auf Pankreas) und MRT inklusive MRCP mit sehr hoher Sensitivität. Nachweis
nicht resektabler Karzinome bis 100 %, Nachweis der Resektabilität 16–72 %, Leber
und Lymphknotenmetastasen 20–73 %, Gefäßinfiltrationen durch Tumor CT: 77 %,
MRT: 87 %. Korrekte Differenzialdiagnose: CT = ca. 70–80 %, MRT = ca. 75–85 %, CT
+ ERCP = ca. 90 %.
ERCP: für Diagnosestellung nicht indiziert, nur wenn gleichzeitig therapeutische
Konsequenz wie Endoprotheseneinlage in den Ductus hepatocholedochus erfol-
gen soll. ERCP weist lediglich Stenosen/Gangveränderungen nach, jedoch nicht den
Tumor.
██ Pankreasgang technisch nicht darstellbar: ca. 5 %
██ Häufigkeit eines normalen Gangsystems bei Pankreaskarzinom: 2,8–3 %
██ korrekte Differenzialdiagnose: ca. 75–86 %
██ bei einer Striktur >10 mm: Pankreaskarzinom wahrscheinlich
██ bei einer Striktur <5 mm: chronische Pankreatitis wahrscheinlicher
██ Double duct sign (Stenosen in Ductus hepatocholedochus und Ductus pancreati-
cus): hohe Sensitivität für Pankreaskarzinom, Spezifität maximal 85 %
370  6 Pankreas

Tab. 6.9 An Alter Verdachtslevel Alter (Jahre) Symptome Vorgehen


und Verdacht
Niedrig <50 Nur Schmerz1 Sonografie bei Symptompersistenz
adaptiertes
diagnostisches Mittel <50 Schmerz plus2 Sonografie, ggf. CT
Vorgehen bei neu
aufgetretenen >50 Nur Schmerz1 Sonografie, ggf. CT
Oberbauch-
Schmerz plus2 Sonografie, ggf. CT
und Rücken­
schmerzen. Hoch >50 Schmerz plus Sonografie, ggf. CT/Endosonografie
1 Neu aufgetretene Schmerzen, die lokalisiert/gürtelförmig in den Rücken ausstrahlen und
nachts wahrnehmbar sind, bedürfen altersunabhängig individuell einer weiteren Abklärung.
Bei hohem Verdachtslevel, ggf. auch bei negativer Sonografie, komplementär CT oder Endo­
sonografie einsetzen.
2 Schmerz plus andere Symptome (Inappetenz, Gewichtsverlust, Schwäche)

Zum diagnostischen Vorgehen Tab. 6.9 (Leitlinie DGVS Exokrines Pankreaskarzi-


nom 2007, Revision geplant für 2012).
Stadieneinteilung (Tab. 6.10): Insbesondere die Multislice-CT stellt ein Standard-
verfahren in vielen Zentren dar, mit der mit einer Sensitivität >90 % relativ kos-
tengünstig Pankreastumoren detektiert werden können. Im Gegensatz zur Endo-
sonografie können mittels CT Fernmetastasen zuverlässig nachgewiesen werden.
Dagegen scheint die Sensitivität der Multislice-CT bei T1-Tumoren mit 80 % etwas
geringer als die der Endosonografie. MRT und CT sind im T-Staging und N-Staging
etwa gleichwertig. Durch die diffusionsgewichtete Analyse ist das MRT bei der De-
tektierung auch kleinster Lebermetastasen dem CT überlegen. Derzeit kann noch
keine eindeutige Bewertung hinsichtlich der Überlegenheit der einzelnen Verfah-
ren abgegeben werden. Deshalb müssen die Methoden auch ggf. komplementär
eingesetzt werden.

Zusatz­ Labor:
diagnostik ██Selten hilfreich, meist unspezifisch
██Erhöhung von AP, γ-GT, LDH, SGOT und Bilirubin (extrahepatische Cholestase)
oder intrahepatische Cholestase bei Lebermetastasierung
██erniedrigtes Serumalbumin (Malnutrition, Aszites)
██Erhöhung von Lipase/Amylase bei häufig subklinischer Pankreatitis
██CA19-9: Carbohydrate Antigen 19-9, Monosialogangliosid mit 1000 kDa, das Ep-
itop gehört zu den Lewis-Blutgruppen-Antigenen (7 % der Bevölkerung expri-

Tab. 6.10 Stadium Merkmale


Stadien­
einteilung: UICC- Stadium 0 Tis N0 M0
Klassifikation Stadium IA T1 Tumor ≤ 2 cm, begrenzt auf Pankreas N0 M0
2010 (7. Aufl.).
Stadium IB T2 Tumor <2 cm, begrenzt auf Pankreas N0 M0

Stadium IIA T3 Tumorausbreitung jenseits des Pankreas N0 M0

Stadium IIB T1, T2, T3 N1 regionäre Lmph­ M0


knotenmetastasen

Stadium III T4 Tumorinfiltration des Truncus coeliacus Jedes N M0


oder A. mesenterica superior

Stadium IV Jedes T Jedes N M1


6.7 Adenokarzinom des Pankreas  371

mieren kein CA19-9). 80–90 % der Patienten mit Pankreaskarzinom exprimieren


CA19-9. Sensitivität: 89 %, Spezifität: 82 %. Eine höhere Spezifität für eine malig-
ne Grunderkrankung für CA19-9 lässt sich durch eine Cut-off-Level von 37 U/ml
erreichen. Ungeeignet zur Diagnostik, hilfreich zur Verlaufsbeobachtung nach
Resektion oder unter Chemotherapie. Cave: CA19-9 ist bei jeder Art von extrahe-
patischer Cholestase überproportional erhöht und dann ungeeignet.

Therapie Da die R0-Resektion die einzige potenziell kurative Therapie darstellt, muss zu-
(interdiszi­ nächst anhand der Bildgebung die Operabilität evaluiert werden. Alter per se ist
plinäre Tumor­ kein Ausschlusskriterium, die Komorbidität kann limitierend für den ausgedehn-
konferenz) ten operativen Eingriff sein. Entsprechend der aktuellen Leitlinien gelten im All-
gemeinen Patienten mit Fernmetastasen oder mit einer Infiltration der arteriellen
Gefäße als inoperabel.

Kurativ Ziel: R0-Resektion


­chirurgische Therapieprinzip: radikale Tumorentfernung mit Lymphknotendissektion peripan-
Therapie kreatisch, im Bereich des Ligamentum hepatoduodenale sowie entlang des Trun-
cus coeliacus und der Arteria und Vena mesenterica superior
Chirurgische Standardverfahren von Pankreaskopfkarzinomen (Mortalität in er-
fahrenen Zentren unter 5 %):
██partielle Duodenopankreatektomie (klassische Kausch-Whipple-OP)
██pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie (pp-Whipple)

Pankreaskorpus- und Kaudatumoren: Pankreaslinksresektion. Die Komplikati-


onsrate liegt zwischen 15–20 %, die Mortalität <3 %
Präoperatives Vorgehen bei Ikterus: liegt zum Diagnosezeitpunkt eine extrahepa-
tische biliäre Obstruktion vor, sollte entsprechend den Empfehlungen der Leitlinie
nur bei Zeichen einer Cholangitis oder einer zeitlichen Verzögerung der Operation
eine Galleableitung mittels Stent- oder Drainageeinlage erfolgen
Neoadjuvante Therapie: präoperative Strahlentherapie, Strahlen-/Chemotherapie
oder Chemotherapie mit dem Ziel einer R0-Resektion ist außerhalb von Studien
nicht indiziert. Aktuell rekrutieren Studien, die eine neoadjuvante Polychemothe-
rapie überprüfen (z. B. Folfirinox).

Adjuvante Chemotherapie: Die adjuvante Chemotherapie nach R0-Resektion gilt heute als
Therapie Therapiestandard. Auf Grundlage der CONKO-1 und der ESPAC-3v2-Studie bildet
die 6-monatige Gemcitabine-Gabe die Standardchemotherapie. Eine 5-Fluorura-
cil-basierte adjuvante Chemotherapie ist ähnlich effektiv (Steigerung der 5-Jahres-
Überlebensrate von ca. 10 % auf über 24 %), hat aber etwas ausgeprägtere Neben-
wirkungen.
Radiochemotherapie: Trotz verschiedener kleiner Untersuchungen empfiehlt die
aktuelle Leitlinie keine Radiochemotherapie; weder in der adjuvanten noch in der
palliativen Situation, da die ESPAC-1 Studie einen Überlebens-Nachteil für Patien-
ten nach Bestrahlung gezeigt hat.

Palliative Beim inoperablen Patienten (lokal fortgeschritten oder metastasiert) ist eine his-
Therapie tologische Sicherung des Karzinoms obligat. Wie bei allen malignen Tumorerkran-
kungen steht eine patientenzentrierte und symptomorientierte Behandlung mit
optimaler Schmerz- und Ernährungstherapie dabei im Mittelpunkt. Daneben soll-
te bei entsprechend gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1 in Ausnahme ECOG 2)
eine palliative Chemotherapie erfolgen.
372  6 Pankreas

Palliative Chemotherapie:
██Standard: Gemcitabine Monotherapie (1000 mg/m2 i. v., 1-mal wöchentlich) bis
zum Progress des Tumorleidens. Studien haben für diese Therapie eine Lebens-
verlängerung, eine verbesserte Lebensqualität, einen verringerten Schmerzmit-
telbedarf und einen geringeren Gewichtsverlust im Vergleich zu „best-suppor-
tive-care“ erbracht.
██Alternativ: Kombination von Gemcitabine mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Er-
lotinib. Dabei korreliert das Ansprechen eng mit Ausbildungsgrad eines Exan-
thems (Rush) als typische Nebenwirkung von Erlotinib. Verlängerung der Ein-
jahresüberlebensrate von 17 % bei Gemcitabine Monotherapie auf 23 % bei der
Kombination mit Erlotinib. Es hat sich in der klinischen Praxis als praktikabel
erwiesen und wird in der Leitlinie empfohlen, die Erlotinibgabe zu beenden,
wenn nach etwa 6 Wochen kein Exanthem (rush) aufgetreten ist, da sie dann als
wirkungslos angesehen werden muss.
██Alternativ: Kombination aus 5-FU, Irinotecan und Oxaliplatin; Nachteil: ca. 42 %
Neutropenierate, daher meist nur für jüngere Patienten ohne wesentliche Ko-
morbidität geeignet.
██Zweitlinientherapie: 5-Fluoruracil oder auf Oxaliplatin basierte Therapien bei
Patienten mit gutem körperlichem Zustand (die CONKO-003-Studie zeigte eine
Verdopplung der Überlebenszeit unter dem OFF-Regime (Oxaliplatin, Folinsäu-
re, 5-Flurouracil).

Palliative endoskopische und chirurgische Verfahren: Des Weiteren kommen


komplikationsorientierte Maßnahmen, wie endoskopische Drainage bei Ver-
schlussikterus oder Parazentesen bzw. lokale Chemotherapie bei malignem Aszi-
tes in Betracht. Die Gastroenterostomie bei Infiltration bzw. Stenosierung des Duo-
denums und die biliodigestive Anastomose bei sonst nicht drainierbarer Cholesta-
se stellen palliativchirurgische Maßnahmen dar.

Prognose Nur eine kleine Gruppe von Patienten mit früh diagnostiziertem, lokal begrenzten
Tumor hat Aussicht auf eine Heilung durch R0-Resektion. Die 5-Jahres-Überlebens-
rate beträgt nach optimistischen Studien 10 % bei einer Resektionsrate zwischen
14–20 %.Insgesamt versterben 65 % aller Patienten während der ersten 6 Monate
nach Diagnosestellung. Nach Resektion und adjuvanter Chemotherapie liegt das
5-Jahres-Überleben bei bis zu 25 %.

Selbsthilfe Arbeitskreis der Pankreatektomierten, www.bauchspeicheldruese-pankreas-


selbsthilfe.de

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Hoffmeister A, Mössner J. Palliative Therapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms. Onkologe 2010; 16:
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6.9 Zystische Pankreasläsionen  373

6.8 Seltene solide Pankreastumoren

6.8.1 Azinuszellkarzinom
Ca. 1 % aller Pankreastumoren, Männer > Frauen, jedes Alter. Bei 15 % der Patienten
besteht ein Syndrom, das durch subkutane Fettgewebsnekrosen und Gelenkbetei-
ligungen in Kombination mit hohen Serumlipasewerten charakterisiert ist. Etwa
50 % der Patienten haben zum Zeitpunkt der Diagnose bereits Metastasen in regi-
onalen Lymphknoten und/oder Leber und damit schlechte Prognose. Therapie wie
Adenokarzinom.

6.8.2 Pankreatoblastom
Sehr selten, <0,1 % aller Pankreastumoren, überwiegend bei kleinen Kindern, Jun-
gen > Mädchen. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig Metastasen, spricht
auf Radio- und Chemotherapie an. Bei R0-Resektion gute Prognose.

6.8.3 Metastasen
Durch kleinzelliges Bronchialkarzinom, Melanom, Nierenzellkarzinom, Mamma-
karzinom; insgesamt selten.

6.9 Zystische Pankreasläsionen

Neben entzündlichen (die von einer Wand aus Kollagen und Granulationsgewebe
umgeben sind) und kongenitalen Veränderungen finden sich im Pankreas seröse
und muzinöse Adenome. Serös zystische Adenome sind praktisch immer benigne
und müssen nur bei Symptomen oder Komplikationen therapiert werden. Muzinö-
se Läsionen (muzinös-zystische Neoplasie, intraduktale papilläre muzinöse Neo-
plasie [IPMN], muzinöses Zystadenokarzinom) können bereits bei Diagnosestel-
lung invasiv wachsen oder bergen ein malignes Potenzial.
In 1–2 % aller CT-Untersuchungen des Abdomens findet sich eine zystische Läsion
des Pankreas als Zufallsbefund. In 2,4 % der Fälle findet sich bei vermeintlich gesun-
den Probanden im MRT ein zystischer Pankreasbefund. Zufallsbefunde nehmen mit
dem Alter zu. Etwa 10–15 % der entdeckten zystischen Läsionen haben ein malignes
Potenzial. In der größten publizierten Serie (522 Patienten mit zystischen Läsionen)
wurden in etwa 75 % der operierten zystischen Läsionen Adenome diagnostiziert
(32,6 %: Seröse Zystadenome, 28,5 % muzinöse Zystadenome, 10,6 % IPMN). 16,4 %
der Läsionen waren maligne transformiert (Zystadenokarzinom, muzinöses Zysta-
denokarzinom). 32 % der serösen Zystadenome und 26 % der muzinös zystischen
Adenome waren asymptomatisch. 6 % der muzinösen Tumore hatten Ganganschluss
im Sinne eines IPMN und 10 % der malignen Läsionen hatten Gangschluss und ent-
sprachen somit einem aus einer IPMN entstandenen Karzinom.
Das diagnostische und differenzialdiagnostische Vorgehen zur Abklärung zysti-
scher Läsionen ist in 6.9.6 und Abb. 6.6 dargestellt.
374  6 Pankreas

6.9.1 Intraduktale papillär-muzinöse Neoplasie (IPMN)


Definition Meist im Pankreaskopf lokalisierter intraduktaler papillär-muzinöser Tumor (IPMN)
mit Gangdilatation und durch zähes muzinöses Sekret hervorgerufenen Füllungsde-
fekten. Dadurch entsteht in 24 % eine akute Pankreatitis als Erstmanifestation.

Pathologie Zystische Läsionen im Rahmen einer IPMN können solitär oder multipel, lokal auf
eine Pankreasregion beschränkt (meist Caput) oder diffus verteilt sein.
Einteilung:
1. Hauptgang IPMNs (MD-IPMN, main duct-IPMN) ausgehend vom Ductus Wirsun-
gianus
2. Seitengang IPMN (BD-IPMN, branch duct IPMN) ausgehend von den Gängen 1.
oder 2. Ordnung des Pankreas
3. gemischt oder kombinierte IPMN (mixed-IPMN) die sowohl Haupt- als auch Ne-
bengang betreffen

Die Analyse der größten Serien mit klinisch und histologisch gesicherten IPMNs
(n=389) ergab ein invasives Karzinom in der MD-IPMN-Gruppe bei 42 %, in der ge-
mischten IPMN-Gruppe bei 48 % und in der BD-IPMN-Gruppe bei 11 %.
Seit der Einführung der histologischen Subklassifikation von IPMN in den gastra-
len, intestinalen, pankreatikobiliären und onkozytischem Typ auf Grund der Un-
terschiede in der Muzinproduktion besteht die Möglichkeit die histologische Sub-
klassifikation zur Einschätzung des Malignitätsgrades heranzuziehen. Der über-
wiegende Teil der BD-IPMN entspricht dem gastralen Typ, während MD-IPMN
überwiegend vom intestinalen Typ sind. Invasive Karzinome, die aus IPMNs ent-
standen sind, haben, wenn sie nicht aus einem intestinalen Typ entstanden sind,
eine deutlich schlechtere Prognose. Eine präoperative Diagnose des histologischen
Subtyps könnte somit auf den Behandlungsalgorithmus Einfluss nehmen.

Epidemiologie Erkrankung in der 2.Lebenshälfte. Männer: Frauen= 3:1; ca. 2 % der exokrinen Pan-
kreastumoren.

Klinische ██ Häufig seit Jahren Pankreatitis-Schübe; sowohl exokrine als auch endokrine In-
Charakteristika suffizienz möglich.
██ Häufig Zufallsbefund (zunehmende Bildgebung mit Sonografie, EUS und CT/
MRT), Differenzialdiagnose zystischer Läsionen!

Wegweisende Sonografie/CT-Abdomen: einzelne oder multiple zystische Läsionen


Diagnostik MRCP/MRT: entscheidend ist der Nachweis eines Ganganschlusses der zystischen
Läsion, der am sichersten mit der MRCP gelingt (Endosonografie weniger sensitiv).
Auf eine ERP kann häufig verzichtet werden. Bei Kontraindikation für eine MRCP
oder unklaren Befunden sollte sie jedoch eingesetzt werden (typischer Befund: ein
mit Muzin okkludiertes Papillenostium, „Fischmaulpapille“). Cave: Pankreatitis,
Infektion der Zyste; individuelle Abwägung für ERP.
Die diagnostische Punktion mittels EUS hilft bei der Unterscheidung zwischen
zystischen Neoplasien und Pseudozysten. Bei einem CEA >192 ng/ml kann von ei-
ner muzinösen Läsion ausgegangen werden, bei einem CEA >6000 ng/ml ist ein
invasives Wachstum hochwahrscheinlich.

Therapie Die Therapie ist abhängig von der Lokalisation (internationale Konsensuskonferenz)
██Hauptgang IPMN: Resektion bei einem hohen Entartungspotenzial
██Seitengang IPMN: differenziertes Vorgehen:
6.9 Zystische Pankreasläsionen  375

–– Läsionen <1 cm Größe: jährlich Kontrolle mit Bildgebung (EUS, MRCP/MRT)


–– Läsionen 1–3 cm ohne Malignitätskriterien: Kontrolle alle 6 Monate
–– Läsionen >3 cm oder Malignitätskriterien: Resektion

Malignitätskriterien sind das Auftreten wandständiger Knoten so genannte Noduli


(solide Komponente), eine Zytologie mit dysplastischen Zellen oder ein dilatierter
Hauptgang.

Prognose und Die IPMN kann multifokal auftreten und verhält sich in diesem Fall wahrscheinlich
Nachsorge etwas aggressiver. Das Risiko für das synchrone Auftreten von IPMN und duktalem
Adenokarzinom ist erhöht (Inzidenz 3,5–9,3 %). Die Inzidenz für ein Pankreaskar-
zinom liegt bei 1,1 % pro Jahr. Grundsätzlich muss deshalb im Rahmen der Nach-
beobachtung auf solide Läsionen an anderer Stelle im Pankreas verstärkt geachtet
werden. Auch nach einer Resektion muss in 10 % der Fälle mit einer erneuten Ent-
wicklung von IPMNs gerechnet werden und die Patienten sollten in ein Überwa-
chungsprogramm eingeschlossen werden.

6.9.2 Muzinös-zystische Neoplasie


Pathologie und Lokalisation meist im Pankreasschwanz (95 %), ca. 2 % aller exokrinen Pankreastu-
Epidemiologie moren; meist Frauen zwischen 30.–50. Lebensjahr.

Diagnostik In allen bildgebenden Verfahren typischerweise Nachweis wandständiger Knoten


(„Eierschalenmuster)
Punktion von Zysteninhalt und Knoten (endosonografisch um ggf. Aussaat malig-
ner Zellen zu vermeiden): CEA >400 ng/ml, hohe Viskosität und Nachweis von Mu-
zin; epitheliale Zellen; bei einem CEA > 6000 ng/ml ist von einer malignen Läsion
auszugehen.

Therapie Vollständige operative Entfernung.

Prognose Bei nichtinvasivem Wachstum ist die Prognose nach einer Operation gut. Wird je-
doch ein invasives Wachstum nachgewiesen (11 %), so beträgt das mittlere Überle-
ben 45 Monate und das 5-Jahres-Überleben 64 %.

6.9.3 Serös-zystische Neoplasie


Pathologie und Die Läsion liegt in drei Viertel der Fälle in Pankreaskorpus und -cauda, meist >4 cm.
Einteilung Das Wachstumsverhalten ist benigne, im Schnitt 1 mm pro Jahr. Seit 1978 wurden
weniger als 25 Fälle beschrieben, die maligne entartet sind.
Einteilung:
██seröses mikrozystisches Adenom: 1–2 % aller exokrinen Pankreastumoren
██seröses oligozystisches bzw. makrozystisches Adenom: seltener, kein Ge-
schlechtsunterschied

Ätiologie Meist Zufallsbefund, 30 % der zystischen Läsionen ohne Anamnese für eine Pank-
reatitis. Frauen:Männer = 3.5:1, das mittleres Alter bei Diagnosestellung 65 Jahre.

Diagnostik und Das Zystenpunktat ist negativ für Muzin, CEA oder Amylase. Es findet sich ein gly-
Therapie kogenreiches Epithel in der Zytologie. Bei sicherer Diagnose muss keine Operation
erfolgen.
376  6 Pankreas

6.9.4 Solide pseudopapilläre Neoplasie (SPN)


Die solide pseudopapilläre Neoplasie (SPN) ist eine Rarität und tritt zum überwie-
genden Teil bei jungen Frauen auf. Es gibt keine Prädilektionsstelle im Pankreas. Es
handelt dich um einen hämorrhagisch zystischen Tumor mit einem papillären Epi-
thel. Der Tumor kann in seltenen Fällen maligne entarten. Im Zystenpunktat findet
sich Muzin, ein erhöhtes CEA, aber keine Amylase.

6.9.5 Pseudozysten
s. Kap. 6.5, Chronische Pankreatitis.

6.9.6 Z
 ystische Läsionen: diagnostisches und
differenzialdiagnostisches Vorgehen
Zu klären sind folgende Fragen:
1. Symptomatische oder asymptomatische zystische Läsion?
Anamnese: Alkohol, Medikamente, abdominelles Schmerzereignis (akute/chro-
nische Pankreatitis: Pankreaspseudozyste?, s. 6.5), Oberbauchschmerzen, Rü-
ckenschmerzen, Gewichtsverlust, neu aufgetretener Diabetes mellitus, Nacht-
schweiß (Karzinom?), frühere Pankreaserkrankungen/-interventionen, Zysten
in anderen Organen bekannt, Familienanamnese
2. Hat die zystische Läsion Anschluss an das Pankreasgangsystem? MRCP hat
höchste Sensitivität und Spezifität in der Detektion eines Ganganschlusses. Bei
Kontraindikationen kann eine ERCP durchgeführt werden (individuelle Ent-
scheidung): bei IPMN kann der Papillenporus mit Muzin verstopft sein (Fisch-
maulpapille); Cave: Infektion der Zyste insbesondere bei Ganganschluss und
ungenügendem Abfluss, peri-interventionell ist Antibiotikaprophylaxe sinnvoll.
3. Artdiagnose der zystischen Läsion: Endosonografie erlaubt Darstellung der Zysten-
wand (Verdickung, solide Anteile, Noduli), des Zysteninhalts (echofrei/-arm, Sep-
ten, Sedimentationen) und Punktion der Zystenflüssigkeit (Bestimmung von CEA,
Muzin, Lipase oder Amylase, ggf. der Viskosität der Flüssigkeit und die zytologische
Untersuchung). CT-Abdomen sinnvoll bei Pankreaspseudozysten, auch zur Beurtei-
lung der peripankreatischen Umgebung und Leber (z. B. Lymphome? Metastasen?)

Differenzialdiagnose der Läsionen mit Ganganschluss:


██Pankreaspseudozyste: enthält nahezu immer hohe Lipase oder Amylase und ein
niedriges CEA bzw. kein Muzin (Therapie s. 6.5)
██IPMN (Haupt- oder Nebengang): Lipase oder Amylase in der IPMN variabel (An-
schluss an das Gangsystem und somit Vermischung mit Pankreassaft),fast im-
mer CEA oder Muzin nachweisbar, Viskosität des Aspirats hoch. Therapie in Ab-
hängigkeit von Lokalisation und Größe, 6.9.1
Eine sichere Unterscheidung zwischen einer muzinösen Läsion und einer Pseudo-
zyste gelingt in >75 % der Fälle.

Differenzialdiagnose der zystischen Läsionen ohne Ganganschluss:


██seröses Zystadenom (SCN): im Zystenaspirat kein Muzin, Amylase/Lipase, CEA;
zytologisch glykogenreiches Zystenepithel; Behandlungsindikation bei Sympto-
men
6.9 Zystische Pankreasläsionen  377

]\VWLVFKH/lVLRQ &76RQRJUDILH(QGRVRQRJUDILH057

$QDPQHVH 3DQNUHDWLWLV%6\PSWRPDWLN(QW]QGXQJV]HLFKHQ
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-DKU 0RQDWH 6\PSWRPDWLN ,QWHUYHQWLRQ

Abb. 6.6 Algorithmus zur diagnostischen Abklärung und Therapie zystischer Pankreasläsionen (Quelle: Mayerle 2012,
mit freundlicher Genehmigung von Springer Science + Business Media).

██ muzinöses Zystadenom (MCN): Zystenaspirat entspricht dem einer IPMN: Resek-


tion empfohlen
██ kongenitale Zyste: keine Amylase/Lipase, kein Muzin, kein CEA; keine Therapie
██ Pankreaspseudozyste: im Zystenaspirat hohe Amylase/Lipase, kein Muzin, kein
CEA (Therapie 6.6)
██ solide pseudopapilläre Neoplasie: CEA und Muzin im Zystenaspirat erhöht, typi-
scherweise hämorrhagisches Aspirat; Resektion

Eine erschwerte Differenzialdiagnose besteht, wenn die zystische Läsion vor dem
Hintergrund einer akuten Pankreatitis diagnostiziert wird. Ca. 20 % der Patienten
mit einer IPMN werden durch eine akute Pankreatitis unklarer Ätiologie auffällig.
Die Prävalenz einer zystischen Raumforderung, die zu einer Pankreatitis führt, ist
für die anderen Ätiologien nicht sicher geklärt. Ca. 14 % der Patienten mit einem
Pankreaskarzinom berichten über eine Episode von akuter Pankreatitis (in 90 %
milder Verlauf). Bei 1,2 % der Pankreatitiden mit ungeklärter Ätiologie wurde als
Ursache ein Pankreaskarzinom gefunden. Es wird deshalb empfohlen, nach Abklin-
gen der Symptome einer akuten Pankreatitis unklarer Ätiologie mit Nachweis von
zystischen Läsionen eine bildgebende Verlaufskontrolle zu veranlassen.

Literatur Mayerle J, Kraft M, Menges P, et al. Intraductal papillary mucinous neoplasia: which findings support obser-
vation? Chirurg. 2012; 83: 123–129
Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pancreatic pseudocysts: observation, endoscopic drainage, or
resection? Dtsch Arztebl Int. 2009; 106: 614-621
Werner J, Fritz S, Büchler MW. Intraductal papillary mucinous neoplasms of the pancreas – a surgical di-
sease. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2012; 9(5): 253–259
378

7
Leber
K. Beckh

7.1 Anatomie und physiologische Funktion

Makroskopie Gewicht der Leber: 2,3–3 % des Körpergewichts (beim Mann 1500–1800 g, bei der
Frau 1300–1500 g)
Vier Lappen (Lobi): Lobus dexter, Lobus sinister, Lobus caudatus, Lobus quadratus;
Segmenteinteilung: I–VIII
Blutgefäßsystem: Leberdurchblutung 1500±300 ml/min, ca. 70 % aus V. portae, ca.
30 % aus A. hepatica:
██A. hepatica: Aufteilung in R. hepaticus dexter und R. hepaticus sinister
██V. portae: Aufteilung in R. dexter (Zufluss aus V. cystica) und R. sinister. Weiter-
hin Vv. interlobares, Venulae interlobulares, Venulae afferentes, Sinusoide (Vasa
sinusoidea)
██V. hepatica: aus Zentralvene werden sublobuläre Venen, Sammelvenen, 5
Stammvenen: V. hepatica superior dextra und sinistra und V. hepatica dextra,
sinistra und media

Gallengangsystem: Canaliculi, Ductuli, Cholangiolen, Ductus interlobularis, Duc-


tus intermedius, Ductus maior, Ductus hepaticus dexter, Ductus hepaticus sinister,
Ductus hepaticus communis.
Lymphsystem: Lymphproduktion 0,5 ml/kg Leber/min, Lymphgefäße, Nodi lym-
phatici hepatici.
Innervation: Das Leberparenchym und die Gefäße werden durch sympathische
und parasympathische Nervenfasern versorgt.

Histologie Parenchymzellen: Hepatozyten (60–65 % der Gesamtzellzahl) sind durch die sinu-
soidale Membran, die mit dem Disse-Raum in Kontakt steht, und durch die kana-
likuläre Membran begrenzt. Man unterscheidet die periportalen Hepatozyten, die
im Anfangsbereich der Sinusoide lokalisiert sind, und die perivenösen Hepatozyten,
die am Endteil der Sinusoide gelegen sind und entsprechend dem jeweiligen Gra-
dienten mit einer geringeren Konzentration an Hormonen, Substraten und Sauer-
stoff in Kontakt sind. Diese Faktoren führen zu einer metabolischen Zonierung des
Leberazinus, die sich in der präferenziell periportal lokalisierten Glukoneogenese,
Betaoxidation, Harnstoffsynthese sowie in der präferenziell perivenös lokalisierten
Glykolyse, Liponeogenese, Ketogenese und Glutaminsynthese ausdrückt.
Nicht-Parenchymzellen:
██ Endothelzellen (15–20 % der Gesamtzellzahl) kleiden die Sinusoide aus und sind
von Fenestrae durchbrochen, deren Größe variabel ist. Rezeptorvermittelte En-
dozytose, Phagozytose sowie die Synthese einzelner Komponenten der extrazel-
lulären Matrix (Kollagene, Fibronektin) stellen weitere Funktionen dar
██ Kupffer-Zellen (8–12 % der Gesamtzellzahl) befinden sich zwischen den Endo-
thelzellen und ragen in das Lumen des Sinusoids vor. Periportal ist die Verteilung
der Kupffer-Zellen um den Faktor 3–4 höher als perivenös. Als Teil des mononu-
7.1 Anatomie und physiologische Funktion  379

kleären Phagozytosesystems (MPS) bestehen die Funktionen aus: Phagozytose,


Pinozytose, Produktion von Zytokinen (TNFα, Interleukine IL-1, IL-6) und Eiko-
sanoiden (Prostaglandine, Leukotriene) sowie von Bestandteilen der extrazellu-
lären Matrix, Clearance von Endotoxinen
██ Ito-Zellen (3–8 % der Gesamtzellzahl) speichern Vitamin A in Fettvakuolen (Fett-
speicherzellen) und spielen eine zentrale Rolle in der Synthese der extrazellulä-
ren Matrix und damit in der Fibrogenese. Die Aktivierung der Ito-Zellen erfolgt
über Zytokine wie TGFβ, TNFα, IL-1
██ Pit-Zellen (<2 % der Gesamtzellzahl) sind im Lumen der Sinusoide und haben
Kontakt zu den Endothelzellen und Kupffer-Zellen. Sie haben die Funktion von
natürlichen Killer-Zellen (NK-Zellen).

Kohlenhydrat­ Die Leber trägt zur Glukosehomöostase über die folgenden Stoffwechselwege bei:
stoffwechsel Glykogenolyse, Glukoneogenese (periportal), Glykogensynthese, Glykolyse (periven-
ös). Neben der Niere ist sie das einzige zur Glukoneogenese fähige Organ, sie leistet
ca. 90 % der De-novo-Synthese (Niere ca. 10 %). Postprandial sind ca. 75 g Glykogen
gespeichert (5 % des Lebergewichts), die in der Postresorptionsphase über die Gly-
kogenolyse zur Glukosehomöostase mobilisiert werden können. Das Glykogen in
der Muskulatur (ca. 120–150 g) steht ausschließlich dem muskulären Stoffwechsel
zur Verfügung. Präferenzieller Metabolismus der anderen Monosaccharide (Galak-
tose, Fruktose) in der Leber.

Aminosäuren- In 24 h werden 600–700 g Aminosäuren umgesetzt. In der Leber werden pro Tag
und Protein­ 120 g Proteine synthetisiert, von denen ca. 90 g abgegeben werden.
stoffwechsel Serumproteine: Folgende Serumproteine werden in der Leber gebildet: Albumin,
Alpha-Fetoprotein, Alpha1-Antitrypsin, Caeruloplasmin, Fibrinogen, Transferrin,
Komplement C3, Komplement C4, Orosomukoid, Alpha1-Antichymotrypsin, Hap-
toglobin, C-reaktives Protein, Serumamyloid A, Ferritin, Gerinnungsfaktoren (Fak-
toren II, VII, IX, X, Protein C und S).
Aminosäuren (AS): Für den Proteinstoffwechsel sind 20 Aminosäuren von Bedeu-
tung, von denen Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryp-
tophan und Valin essenzielle AS sind. Bei fortgeschrittenen Lebererkrankungen
kommt es zu einer Imbalance der AS-Konzentrationen im Serum: Erniedrigung
der verzweigtkettigen (Valin, Leucin, Isoleucin) und Erhöhung der aromatischen
AS (Methionin, Phenylalanin, Tryptophan, Tyrosin).

Lipid- und Zentrale Rolle der Leber im Abbau von Fettsäuren (Betaoxidation) und in der Syn-
Lipoprotein­ these von Fettsäuren und Triglyzeriden (Liponeogenese). Weiterhin Synthese der
stoffwechsel Lipoproteine sowie Synthese des Cholesterins und biliäre Exkretion.

Bilirubinstoff­ Aufnahme des unkonjugierten Bilirubins (an Albumin gebunden) über die sinu-
wechsel soidale Membran der Hepatozyten (250–300 mg Bilirubin/Tag). Intrazellulärer
Transport des Bilirubins mit Bindung an das Y-Protein (Glutathion-S-Transfera-
se). Konjugation mit Glucuronsäure im endoplasmatischen Retikulum über UDP-
Glucuronyltransferase. Exkretion des konjugierten Bilirubins über die kanalikuläre
Membran der Hepatozyten.

Porphyrin­ Porphyrine sind prosthetische Gruppen der Hämproteine (Hämoglobin, Myoglo-


stoffwechsel bin, Cytochrome, Oxygenasen, Peroxydasen). Das Grundgerüst der Porphyrine
stellt das Porphyrin dar. Die Hämbiosynthese, die in fast allen Zellen abläuft, ist in
den Mitochondrien und im Zytosol lokalisiert. Die Regulation der Hämbiosynthese
läuft über 3 enzymatische Schritte:
380  7 Leber

██ Delta-Aminolävulinsäure-Synthetase (Succinyl-CoA und Glycin zu Delta-Amino-


lävulinsäure [Δ-ALS])
██ Uroporphyrinogen-Synthase (Präuroporphyrinogen zu Uroporphyrinogen III)
██ Ferrochelatase (Protoporphyrin zu Häm)

Barbiturate, Sulfonamide, Östrogene, Androgene, Alkohol und Fasten induzieren


die Delta-Aminolävulinsäure-Synthetase.

Gallensäuren­ Die primären Gallensäuren (Cholsäure, Chenodesoxycholsäure) werden im endo-


stoffwechsel plasmatischen Retikulum der Hepatozyten über die Cholesterin-7α-Hydroxylase
gebildet. Anschließend erfolgt die Konjugation mit Glycin oder Taurin zu den kon-
jugierten primären Gallensäuren (Glykocholsäure, Taurocholsäure, Glykocheno-
desoxycholsäure, Taurochenodesoxycholsäure), die über die kanalikuläre Mem-
bran der Hepatozyten in das Gallengangsystem ausgeschieden werden. Im Darm
werden die Gallensäuren wieder dekonjugiert und über 7α-Dehydroxylierung bzw.
über 7α-Dehydrierung und Oxidation zu Desoxycholsäure, Lithocholsäure und Ke-
to-Lithocholsäure (sekundäre Gallensäuren). Die sekundären Gallensäuren werden
intestinal zum großen Teil resorbiert und in der Leber wieder konjugiert (Glyko-
desoxycholsäure, Taurodesoxycholsäure, Glykolithocholsäure, Taurolithocholsäu-
re). Über weitere Schritte in Darm und Leber entstehen die tertiären Gallensäuren
(Sulfolithocholsäure, Ursodesoxycholsäure).
In der Leber werden pro Tag ca. 500 mg Gallensäuren synthetisiert, was den Pool
an Gallensäuren von 2–5 g konstant hält. 12–24 g an Gallensäuren werden pro Tag
in die Galle ausgeschieden.
Die Gallenflüssigkeit (ca. 500–600 ml/Tag) besteht aus den Gallensäuren, Phospho-
lipiden, Proteinen, Cholesterin, Bilirubin und Wasser.

Hormonstoff­ Die Inaktivierung der Hormone erfolgt v. a. in der Leber durch Proteolyse und Re-
wechsel doxprozesse. So wird der Serumspiegel der Hormone nicht nur durch Synthese und
Ausschüttung, sondern auch durch den Abbau in der Leber beeinflusst.
Auch wird der Leberstoffwechsel selbst durch einzelne Hormone gesteuert.
Steroidhormone: werden nach Glukuronidierung und Sulfatierung in Galle und
Urin ausgeschieden. Glukokortikoide steigern die Glukoneogenese, Proteinbiosyn-
these, die Aufnahme der Aminosäuren und die Harnstoffsynthese in der Leber. Ös-
trogene erhöhen die Lithogenität der Galle durch eine vermehrte Cholesterinexkre-
tion bei verminderter Exkretion von Gallensäuren und reduzierter Gallesekretion.
Glukagon und Katecholamine: erhöhen als antiinsulinäre Hormone die Glykoge-
nolyse, Lipolyse, Proteolyse und Ketogenese.
Thyroxin (T4): nach Aufnahme kommt es zur Konversion zu Trijodthyronin (zu ca.
70 %) und zum Abbau des Hormons.

Stoffwechsel­ Erhöhte Aktivität des sympathischen Nervensystems führt zu einem Druckanstieg


regulation in der Pfortader, zu einer hepatischen Glukosefreisetzung über eine gesteigerte
durch Nerven Glykogenolyse und zu einer Reduktion des Galleflusses. Der Parasympathikus re-
guliert den Kohlenhydratstoffwechsel gegensätzlich.

Vitaminstoff­ Wasserlösliche Vitamine: in der Regel über die Niere ausgeschieden werden Vita-
wechsel min B1, B2, B6, B12, Biotin, Pantothensäure, Niacin und Folsäure.
Fettlösliche Vitamine: umfassen die Vitamine A, D, E, F und K:
██Vitamin A wird in den Ito-Zellen (Fettspeicherzellen) gespeichert und ist an der
Glykoprotein-, Glykolipid- und Proteoglykan-Synthese beteiligt.
7.1 Anatomie und physiologische Funktion  381

██ Vitamin D wird in der Nahrung als Vitamin D2 und D3 aufgenommen. In der


Leber wird 25-Hydroxycholecalciferol und in der Niere 1,25-Dihydroxychole-
calciferol gebildet, das die intra- und extrazellulären Kalziumkonzentrationen
mitsteuert.
██ Vitamin K, das nur in sehr geringer Menge in der Leber gespeichert werden kann
und dessen Tagesbedarf von den Darmbakterien zu 50 % produziert wird, ist ein
wichtiger Stimulator der Bildung und Sekretion der Gerinnungsfaktoren II, VII,
IX, X und der Proteine C und S in der Leber.

Biotrans­ Fremdstoffe: In vielen Fällen werden Fremdstoffe (häufig lipophil) in der Leber
formation metabolisiert und zu wasserlöslichen Metaboliten „entgiftet“. In der Phase I der
Biotransformation kommt es zu einer Oxidation der Substanz über ein Isoenzym
der Cytochrom-P450-Familie (z. B. Phenacetin zu Paracetamol). In der Phase II der
Biotransformation wird dann die oxidierte Substanz konjugiert (z. B. Paracetamol
zu Paracetamolglukoronid).

Alkoholabbau Die Leber stellt den Hauptabbauort für Ethanol dar. Pro Stunde werden 120–
150 mg Alkohol pro kg KG abgebaut. Den Abbau zu Acetaldehyd katalysieren die
Alkoholdehydrogenase (ADH) im Zytosol, das mikrosomale ethanoloxidierende
System (MEOS) im endoplasmatischen Retikulum und die Katalase in den Peroxi-
somen. Das toxische Acetaldehyd wird über die Aldehyddehydrogenase (ALDH) zu
Acetat oxidiert.

Säure-Basen- Systemische pH-Regulation: Neben Niere und Lunge spielt die Leber hier eine zen-
Haushalt trale Rolle. Über 2 Mechanismen kann die Leber Ammoniak metabolisieren und da-
mit die Konzentration an Bikarbonationen regulieren:
██periportal kann aus Glutamin (über die Glutaminasereaktion) Ammoniak pro-
duziert und Ammoniak aus dem Blut aufgenommen werden, um unter Ver-
brauch eines Bikarbonations über den Harnstoffzyklus zu Harnstoff metaboli-
siert zu werden
██perivenös wird Ammoniak über die Glutaminsynthetase zu Glutamin verstoff-
wechselt

Bei einer Alkalose kommt es zu einer Steigerung der Stoffwechselwege in peripor-


talen Hepatozyten, was zu einem Verbrauch von Bikarbonationen führt. Bei einer
Azidose wird Ammoniak vermehrt perivenös metabolisiert, was zu einer vermehr-
ten Glutaminproduktion führt.

Literatur Häussinger D, Steeb R, Gerok W. Metabolic alkalosis as driving force for urea synthesis in liver disease: pa-
thogenetic model and therapeutic implications. J Clin Invest 1992; 70: 411–415
Jungermann K, Katz N. Functional specialization of different hepatocyte populations. Physiol Rev 1989; 69:
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Jungermann K, Kietzmann T. Oxygen: Modulator of metabolic zonation and disease of the liver. Hepatology
2000; 31: 255–260
382  7 Leber

7.2 D
 ifferenzialdiagnostisches Vorgehen
bei pathologischen Laborbefunden

7.2.1 Transaminasenerhöhung
Differenzial­ Zunächst sollte durch die Anamnese und den klinischen Verlauf geklärt werden,
diagnostische ob es sich um eine akute Lebererkrankung (Transaminasen in der Regel deutlich
Überlegungen erhöht) oder eine chronische Lebererkrankung handelt. Liegt eine akute Leberer-
krankung (Leberwerterhöhung in der Regel stärker) vor, sind z. B. zusätzlich diffe-
renzialdiagnostisch die Hepatitis A und E zu beachten.
Erhöhungen von GOT (AST) und GPT (ALT) zeigen den hepatozellulären Schaden/
Nekrose an.
DeRitis-Quotient: Das Verhältnis von GOT und GPT kann bereits einen Hinweis
geben:
██GOT/GPT >2 spricht für alkoholische Genese
██GOT/GPT <1 spricht für virale Genese

Diagnostisches Anamnese:
Vorgehen ██Alkoholgenuss → alkoholische Lebererkrankung
██Medikamente → Leberschaden durch Arzneimittel
██Berufsanamnese → Leberschaden durch Gifte

Serologische Verfahren:
██Cholesterin, Triglyzeride, Glukose → nichtalkoholische Fettleber (NAFLD, NASH)
██Anti-HBc, HBsAg → chronische Hepatitis B
██Anti-HCV → chronische Hepatitis C
██Ferritin, Transferrinsättigung → Hämochromatose
██ANA, LKM, SLA → Autoimmunhepatitis
██Elektrophorese → Alpha1-Antitrypsin-Mangel
██Caeruloplasmin und Kupfer im Serum, 24-h-Cu-Ausscheidung im Urin → Mor-
bus Wilson (nur bei Jüngeren)

Histologie: Zur Klärung der Ätiologie sollten die wichtigsten serologischen Ergeb-
nisse abgewartet und die Entnahme einer Histologie von der therapeutischen Kon-
sequenz und einer klaren Fragestellung abhängig gemacht werden.

7.2.2 Cholestasewerte
Differenzial­ Erhöhungen der Alkalischen Phosphatase (AP) und der Gamma-Glutamyltrans-
diagnostische ferase (γ-GT) zeigen eine Cholestase an (Abb. 7.1). Isolierte Erhöhungen der γ-GT
Überlegungen und der Glutamat-Dehydrogenase (GLDH) deuten auf einen toxischen Schaden
(z. B. Alkohol, Medikamente) hin. Die Bestimmung weiterer Enzyme wie der Leu-
cin-Aminopeptidase (LAP) und der 5-Nucleotidase, die ebenfalls Cholestase anzei-
gen, ist entbehrlich.
Abklärung z. T. identisch mit dem Vorgehen bei Ikterus (s. Kap. 1.15).

Diagnostisches Das diagnostische Verfahren der 1. Wahl ist die Sonografie, das weitere Vorgehen
Vorgehen ist abhängig vom erhobenen Befund.
Sonografisch normal weite Gallenwege:
██ antimitochondriale Ak (AMA), Histologie → primär biliäre Zirrhose
██ MRCP/ERCP, Histologie → primär sklerosierende Cholangitis
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  383

(UK|KXQJGHU*37XQGRGHUGHUǵ*7

$QDPQHVH

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²WR[LVFKH+HSDWLWLV
²SULPlUVNOHURVLHUHQGH&KRODQJLWLV  6WRIIZHFKVHOHUNUDQNXQJHQ
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²&09 ²EDNWHULHOOH&KRODQJLWLV ²DQGHUH,QIHNWLRQVHUNUDQNXQJHQ
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²&R[VDFNLH ²6WDXXQJVOHEHU ²$P\ORLGRVH
²$GHQRYLUXV
²9DUL]HOOHQ=RVWHU9LUXV

Abb. 7.1 Vorgehen bei erhöhten Leberwerten.

██ Ausschluss cholestatisch wirksamer Medikamente. z. B. Sexualhormone


██ Ausschluss alkoholische Lebererkrankung (Anamnese, evtl. CDT = kohlenhydrat-
defizientes Transferrin)

Sonografisch intrahepatisch und/oder extrahepatisch erweiterte Gallenwege:


Eine anschließende MRCP (ERC mit therapeutischem Ansatz) kann zu folgenden
Diagnosen führen:
██primär sklerosierende Cholangitis, cholangiozelluläres Karzinom, Choledocholi-
thiasis, Sphinkter-Oddi-Dyskinesie, Papillentumoren, Gallengangzysten, Chole-
dochusstenosen (z. B. durch Pankreaskopfprozesse, benigne Strikturen, Mirizzi-
Syndrom)

7.3 Akute und chronische Virushepatitis

7.3.1 Akute Hepatitis A


Definition Infektion der Leber mit Hepatitis-A-Virus.

Erreger RNA-Virus (Picorna-Virus): 7 Genotypen, 1 Serotyp (aus dem Stuhl infizierter Per-
sonen 1973 erstmals isoliert).
Patho­
mechanismus Nicht komplett geklärt, unspezifischer Immunmechanismus.
384  7 Leber

Pathologie Hydropische Schwellung der Hepatozyten; Bildung hyaliner Körper; Infiltration


der Portalfelder mit Lymphozyten, Plasmazellen und anderen mononukleären Zel-
len; Einzelzellnekrosen (Councilman-Körperchen).

Epidemiologie Inkubationszeit: 20–45 Tage; Meldepflicht hinsichtlich Erkrankung und Tod; in


Deutschland ca. 1000 gemeldete Fälle pro Jahr; weltweite Ausbreitung.

Infektionsweg Fäkal-oral durch verunreinigtes Trinkwasser oder Schmierinfektion, Genuss von


Muscheln, engen Personenkontakt.
Prävalenz des Antikörperstatus (durchgemachte Infektion, Immunität) entspricht
etwa der Höhe des Lebensalters (ca. 10 % bei Kindern, 70 % bei Personen über 70
Jahren).

Klinische Prodromalstadium: Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit, Fieber, Arthralgien;


Charakteristika Symptome verschwinden mit dem Ausbruch des Ikterus.
Subklinischer Verlauf: in ca. 50–90 % der Fälle.
Ikterische Phase: über ca. 2–6 Wochen, Normalisierung der Laborparameter häu-
fig erst nach 4–6 Monaten.
Infektiosität: deutlich rückläufig nach Abfall des Bilirubins und ca. 1 Woche nach
Maximum der Transaminasenerhöhung.

Wegweisende Anti-HAV-IgM-Nachweis: positiv nach 14 Tagen und bis ca. 6–12 Monate nach Ex-
Diagnostik position.

Zusatz­ ██ GOT, GPT: Abschätzung der Nekrose


diagnostik ██ Quick-Wert, Faktor V: Abschätzung der Syntheseleistung
██ AFP: Abschätzung der Regeneration
██ Sonografie: Ausschluss einer biliären Obstruktion, Nachweis der Hepatomegalie

Differenzial­ Akute Virushepatitis B, C, E; akute Infektion mit EBV, CMV oder HSV; Alkoholhepa-
diagnose titis; Autoimmunhepatitis; Morbus Wilson; akute Verschlechterung einer chroni-
schen Lebererkrankung.

Therapie­ In der Regel keine, nur bei fulminanter Verlaufsform.


indikation

Therapie Bei fulminanter Verlaufsform: intensivmedizinische Maßnahmen (s. Kap. 7.28, Ful-
minantes Leberversagen):
██Substitution von Gerinnungsfaktoren
██parenterale Ernährung
██Behandlung der hepatischen Enzephalopathie (s. Kap. 7.27)

Therapie­ Lebertransplantation bei Versagen der intensivmedizinischen Maßnahmen.


versagen

Verlauf In der Regel unproblematisch, keine Langzeitkomplikationen, keine Chronifizie-


rung beschrieben (Abb. 7.2).

Besondere Cholestatische Verlaufsform: durch einen protrahierten Verlauf gekennzeichnet,


Verlaufsformen Transaminasen <500 U/l bei hoher Aktivität der alkalischen Phosphatase.
Fulminante Verlaufsform: selten (ca. 0,01 %), im Alter häufiger auftretend; 1 % aller
fulminanten Virushepatitiden ist durch Hepatitis-A-Virus verursacht.
Protrahierte Form: Dauer bis zu 18 Monaten, Häufigkeit ca. 10 %.
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  385

Abb. 7.2 Verlauf


der Hepatitis A
(ALT = Alanina­ DNXWH(UNUDQNXQJ
minotransferase
,QIHNWLRQ ,J*
= GPT) (Quelle:
Gerken u. Canbay
2008).

5HVSRQVH
9LUlPLH

,J0
+$9LP
6WXKO
$/7

             
:RFKHQ

Anikterische Verlaufsform: häufigste Verlaufsform im Kindesalter.


Posthepatitissyndrom: Nach überstandener akuter Hepatitis (auch bei anderen
Virushepatitiden) kann Adynamie, Konzentrationsschwäche, Gewichtsverlust und
depressive Verstimmung persistieren.

Prophylaxe Hoher hygienischer Standard: sauberes Trinkwasser, Betrieb zuverlässiger Klär-


anlagen
Passive Immunisierung mit Immunglobulin (z. B. Beriglobin 0,2–0,5 g/kg KG):
██vor der Exposition: Schutz für ca. 3 Monate (bei längeren Aufenthalten 0,06 ml/
kg KG), inzwischen durch Aktivimpfung weitgehend obsolet
██nach der Exposition: bis zu 14 Tage nach Exposition wirksam

Aktive Immunisierung mit 2 intramuskulären Injektionen von Havrix 1440 im Ab-


stand von 6–12 Monaten:
██Dosis bei Erwachsenen 1 ml, bei Kindern 0,5 ml; bei Personen über 50 Jahre vor-
her Testung auf HAV-Antikörper sinnvoll (bei Positivität Impfung unnötig)
██sicherer Impfschutz, geringe Nebenwirkung
██Impfempfehlung (Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut, STIKO)
–– Personen mit einem Sexualverhalten mit hoher Infektionsgefährdung
–– Personen mit häufiger Übertragung von Blutbestandteilen, z. B. Hämophile
oder mit Krankheiten der Leber/mit Leberbeteiligung
–– Bewohner von psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorge-
einrichtungen für Menschen mit Verhaltensstörung oder Zerebralschädigung
–– Personal in medizinischen Einrichtungen im weitesten Sinne (inkl. Einrich-
tungen für geistig Behinderte) incl. Auszubildende und Studenten, Kontakt-
personen von Hepatitis-A-Erkrankten
–– Tätigkeit in Kindertagesstätten, Kinderheimen u. Ä.
–– Kanalisations- und Klärwerkarbeiter
–– Reisende in Endemiegebiete (Südosteuropa, Mittlerer und Ferner Osten, Afri-
ka, Mittel- und Südamerika)

Literatur Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut/Stand: Juli 2012 (http://
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/31_12.pdf?__blob=publicationFile)
Gerken A, Canbay A. Hepatitis A und E, neue Viren. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.)
Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme-Verlag 2010
386  7 Leber

Victor JC, Monto AS, Surdina TY et al. Hepatitis A vaccine versus immune globulin for postexposure prophy-
laxis. N Engl J Med 2007; 357: 1685–1694

7.3.2 Akute Hepatitis B


Definition Infektion der Leber mit dem Hepatitis-B-Virus.

Erreger DNA-Virus; gehört zu den Hepadna-Viren; verschiedene Virusmutanten (z. B.


Core-/Precore-Varianten, u. U. vergesellschaftet mit Verlust der HBeAg-Expressi-
on), 8 Genotypen (A–H).

Patho­ Das Virus ist nicht direkt zytopathogen. Zelluntergang der Hepatozyten wird als
mechanismus zelluläre Immunantwort auf virusinduzierte Oberflächenantigene vermittelt. Bei
chronischer Infektion Einbau in das Wirtsgenom.

Pathologie Hydropische Schwellung der Hepatozyten; Bildung von hyalinen Körpern; Infiltra-
tion der Portalfelder mit Lymphozyten, Plasmazellen und anderen mononukleären
Zellen; Einzelzellnekrosen (Councilman-Körperchen).

Epidemiologie Inkubationszeit: im Mittel 75 Tage (25–160 Tag); Meldepflicht hinsichtlich Erkran-


kung und Tod; in Deutschland 1843 Neuinfektionen im Jahr 2010 (laut RKI) ge-
meldet, dabei jedoch hohe Dunkelziffer, in Deutschland ca.0,6 % Virusträger. Bei ca.
7 % der bundesdeutschen Bevölkerung ist eine Hepatitis-B-Infektion abgelaufen (=
Prävalenz von Anti-HBc).
Infektionswege: Infizierte (erkennbar an HBsAg und HBV-DNA) scheiden das Virus
über praktisch alle Körpersekrete aus (Speichel, Schweiß, Sperma, Urin, Tränen-
flüssigkeit u. Ä.).
██ parenteral: Transfusion von Blutprodukten (v. a. in der Vergangenheit, aktuell Ri-
siko bei <1:200 000), Akupunkturbehandlung, Nadelstichverletzungen bei medi-
zinischem Personal, Tätowierung, „needle-sharing“ bei Drogenabhängigen
██ sexuell: Übertragung bei Homosexuellen häufiger
██ vertikal: sehr häufige Transmission von Mutter zu Kind

Extrahepatische ██ aplastische Anämie, Agranulozytose: v. a. bei männlichen Jugendlichen auftre-


Manifestationen tend
██ Myokarditis, Perikarditis: meist nur bei fulminantem Verlauf auftretend
██ Pleuraergüsse: Transsudat, enthält HBsAg und HBeAg
██ akute Pankreatitis: bei fulminantem Verlauf möglich
██ Glomerulonephritis: meist blande verlaufend mit leichter Proteinurie und hya-
linen Zylindern im Urinsediment
██ der Serumkrankheit ähnliches Syndrom: mit Fieber, Urtikaria, Arthralgien,
durch Immunkomplexe vermittelt
██ Kryoglobulinämie: ebenfalls mit Fieber, Urtikaria und Arthralgien auftretend

Klinische Prodromalstadium: grippale Symptome mit subfebrilen Temperaturen, gastroin-


Charakteristika testinale Symptome, Arthralgien; Ausprägung häufig schwerer als bei Hepatitis A.
Ikterische Phase: Ikterus zuerst an den Skleren, dann an der Haut, geht meist mit
Rückgang obiger Symptome einher; Juckreiz; Braunfärbung des Urins mit Entfär-
bung des Stuhls.

Wegweisende ██ HBsAg: zeigt die Hepatitis-B-Infektion an


Diagnostik ██ Anti-HBc-IgM: beweist die akute Hepatitis-B-Infektion
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  387

Zusatz­ Dargestellt in Abb. 7.3a, b:


diagnostik
██falls beide positiv: HBV-DNA quantitativ
██falls HBsAg isoliert positiv: HBeAg, HBV-DNA (nach 2–4 Wochen Kontrolle:
HBsAg, Anti-HBc und Anti-HBc-IgM), Anti-HDV
██falls nur Anti-HBc positiv: Anti-HBs, wenn nachweisbar → Ausheilung
██GOT, GPT: Abschätzung der Nekrose
██Quick-Wert (INR), Faktor V: Abschätzung der Syntheseleistung
██AFP: Abschätzung der Regeneration
██HBeAg, Anti-HBe, Anti-HBs, HBV-DNA
██Sonografie: Ausschluss einer biliären Obstruktion, Nachweis der Hepatomegalie

Abb. 7.3a, b
Hepatitis B.
+%H$J
a Verlauf der
akuten selbst­ +%V$J
limitierten +%9'1$
Hepatitis.
b Verlauf der DQWL+%H
chronischen
Hepatitis B
7LWHU

+HSD DQWL+%F
(Quelle: Böcher
WLWLV
2008). DQWL+%V

*37
DQWL+%H,J0

QRUPDO

          
0RQDWH -DKUH
D =HLWUDXPQDFK,QIHNWLRQ

+%H$J +%H$J
+%V$J +%V$J +%V$J

+%9'1$ +%9'1$ +%9'1$

DQWL+%F

+HSD
7LWHU

WLWLV DQWL+%H

*37

QRUPDO

          
0RQDWH -DKUH
E =HLWUDXPQDFK,QIHNWLRQ
388  7 Leber

Differenzial­ Akute Virushepatitis A, C, E; akute EBV-Infektion, akute CMV-Infektion, Alkohol-


diagnose hepatitis.

Therapie­ In der Regel keine, nur bei fulminanter Verlaufsform.


indikation

Therapie Interferon: angesichts des relativ seltenen chronischen Verlaufs und mangelnder
Effizienz nicht angezeigt.
Bei fulminantem Verlauf: intensivmedizinische Maßnahmen (s. Kap. 7.28, Fulmi-
nantes Leberversagen); Einsatz von Lamivudin bei Einschränkung der Lebersyn-
these u. U. gerechtfertigt
Bei Therapieversagen: Lebertransplantation.

Verlauf Symptomatischer Verlauf: in ca. 65 % der Fälle beim Erwachsenen, in 10 % der Fälle
beim Kind.
Besondere Verlaufsformen:
██anikterischer Verlauf: Chronifizierungsrate höher als bei ikterischem Verlauf
██cholestatischer Verlauf: in ca. 10–20 % der Fälle
██fulminante Verlaufsform: in 0,1–1 % der Fälle bei Erwachsenen, bei präexisten-
ten Lebererkrankungen und Koinfektionen (HDV) häufiger
██fibrosierende cholestatische Hepatitis: stellt nach Leber- oder Knochen-
marktransplantation als Ausdruck der Reinfektion eine Verlaufsform mit un-
günstiger Prognose dar.
Reinfektionsrate: niedriger als bei chronischer Hepatitis B oder Leberzirrhose.

Langzeit­ Übergang in chronische Hepatitis B (erkennbar an HBsAg-Persistenz, fehlender


komplikationen Entwicklung von Anti-HBs/Anti-HBe, Erhöhung der Transaminasen. Chronifizie-
rungsrate: bei immunkompetenten Erwachsenen 5–10 %, im Kindesalter 90 %, bei
immunkompromittierten Personen 30–90 %, Übergang von der chronischen He-
patitis B in eine Leberzirrhose (bis zu 20 % in 5 Jahren), hepatozelluläres Karzinom.

Prophylaxe Allgemeine Hygienemaßnahmen:


██Erziehung zur persönlichen Hygiene
██Uneingeschränkte Zulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen, aktive Impfung
der Gruppenmitglieder und des Betreuungspersonals nach STIKO-Empfehlun-
gen
██Sofortige aktive und passive Immunisierung der Kinder HBs-Ag-positiver Müt-
ter postpartal
██Aktive Immunisierung von Familienmitgliedern und Beziehungspersonen, nor-
maler familiärer Umgang

Passive Immunisierung mit Immunglobulin (z. B. Hepatitis-B-Immunglobulin


Behring, 12 I. E./kg KG):
██präexpositionell: Schutz für ca. 3 Monate
██postexpositionell: möglichst sofort, spätestens innerhalb von 48 h, in Kombina-
tion mit der Aktivimpfung

Aktive Immunisierung:
██Engerix-B, HBVAXPRO: 3 intramuskuläre Injektionen am Oberarm (Monate 0, 1, 6)
██auch Kombinationsimpfstoff gegen HAV und HBV verfügbar (Twinrix)
██für Kinder: HBVAXPRO (5 μg HBsAg/0,5 ml), Engerix-B Kinder (10 μg HBsAg/0,5 ml)
██für Dialysepatienten: HBVAXPRO 40 μg (1 ml, 0,04 mg HBsAg)
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  389

██ relativ sicherer Impfschutz (Non-Responderrate 5–10 %, bei älteren Menschen,


Dialysepatienten, immunsupprimierten Patienten höher)
██ geringe Nebenwirkungen (Müdigkeit, Fieber, lokale Rötung/Schmerz)
██ Boosterung von der Höhe des Anti-HBs-Titers abhängig:
–– bei <10 IU/l: sofortige Boosterung
–– bei 10–100 IU/l: nach 6 Monaten Titerkontrolle/ggf. Boosterung
–– bei >100 IU/l: nach 10 Jahren
██ Impfempfehlung (STIKO, Stand: Juli 2012):
–– Säuglinge ab vollendetem 2. Lebensmonat
–– alle noch nicht geimpften Kinder und Jugendliche bis zum 17. Lebensjahr,
möglichst vor Beginn der Pubertät
–– Patienten mit chronischer Nieren-(Dialyse)/Leberkrankheit/Krankheit mit
Leberbeteiligung/häufiger Übertragung von Blut(bestandteilen, z. B. Hämo-
phile), vor ausgedehntem chirurgischem Eingriff (z. B. unter Verwendung der
Herz-Lungen-Maschine), HIV-Positive
–– Kontakt mit HBsAg-Träger in Familie/Wohngemeinschaft
–– Sexualkontakt zu HBsAg-Trägern bzw. Sexualverhalten mit hoher Infektions-
gefährdung
–– Drogenabhängigkeit, längerer Gefängnisaufenthalt
–– durch Kontakt mit HBsAg-Trägern in einer Gemeinschaft (Kindergärten, Kin-
derheime, Pflegestätten, Schulklassen, Spielgemeinschaften) gefährdete Per-
sonen
–– Patienten in psychiatrischen Einrichtungen oder Bewohner vergleichbarer
Fürsorgeeinrichtungen für Menschen mit Verhaltensstörung oder Zereb-
ralschädigung sowie Personen in Behindertenwerkstätten
–– Gesundheitsdienst (inkl. Labor, technischer Reinigungs-/Rettungsdienst)
sowie Personal psychiatrischer/Fürsorgeeinrichtungen/Behindertenwerkstät-
ten, Asylbewerberheime
–– durch Kontakt mit infiziertem Blut oder infizierten Körperflüssigkeiten Ge-
fährdete, Auszubildende und Studenten
–– möglicher Kontakt mit infiziertem Blut oder infizierten Körperflüssigkeiten
(Gefährdungsbeurteilung durchführen), z. B. Müllentsorger, industrieller Um-
gang mit Blut(produkten), ehrenamtliche Ersthelfer, Polizisten, Sozialarbeiter,
(Gefängnis-)Personal mit Kontakt zu Drogenabhängigen
–– Reisende in Regionen mit hoher Hepatitis-B-Prävalenz bei Langzeitaufent-
halt mit engem Kontakt zu Einheimischen
–– Verletzungen mit möglicherweise HBV-haltigen Gegenständen, z. B. Nadel-
stich
–– Neugeborene HBsAg-positiver Mütter oder von Müttern mit unbekanntem
HBsAg-Status (unabhängig vom Geburtsgewicht)

Literatur Böcher W. Hepatitis B und D. In: Riemann JF, Fischbach W, Galle PR, Mössner J (Hrsg.) Gastroenterologie.
Stuttgart: Thieme-Verlag 2010
Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/011. Z Gastroenterol
2011; 49: 871–930 (http://dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_B_2011.pdf)
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut / Stand: Juli 2012 (http://
www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2012/31_12.pdf?__blob=publicationFile)
Ganem D, Prince AM. Hepatitis B virus infection – natural history, and clinical consequences. N Engl J Med
2007; 350; 1118–1129
390  7 Leber

7.3.3 Chronische Hepatitis B


Definition Chronische Infektion der Leber mit Hepatitis-B-Virus über 6 Monate.

Pathologie Histologie soll nach den Leitlinien der DGVS angestrebt werden; Bestimmung der
entzündlichen Aktivität (Grading) und des Fibroseausmaßes (Staging).

Epidemiologie Infektionswege s. Kap. 7.3.2, Akute Hepatitis B.


Weltweit ca. 300 Mio. Infizierte, dabei besteht:
██hohe Endemierate (>8 %) in China, Südostasien
██mittlere Endemierate (2–8 %) in Ost-, Südeuropa, Japan
██niedrige Endemierate (<2 %) in Nordamerika, Mittel-/Westeuropa, Australien

Extrahepatische Siehe Kap. 7.3.2, Akute Hepatitis B.


Manifestationen

Klinische Uncharakteristische Symptome: Müdigkeit, verminderte Leistungsfähigkeit.


Charakteristika
Wegweisende ██ HBsAg, Anti-HBc
Diagnostik ██ Bei niedrig-replikativer Form: Nachweis von HBs-Ag, Anti-HBe, HBV-DNA-PCR
(HBeAg-negativ, Anti-HBs-negativ)

Zusatz­ ██ falls beide positiv: HBeAg, Anti-HBe bei DD: akute Hepatitis B → Anti-HBc-IgM,
diagnostik HBV-DNA, Anti-HDV
██ falls HBsAg isoliert positiv: HBsAg-Bestätigungstest (falls positiv: HBeAg, HBV-
DNA, nach 2–4 Wochen: Kontrolle Anti-HBc)
██ falls nur Anti-HBc-positiv: Anti-HBs-Nachweis (>10 IU/l: ausgeheilte Hepatitis B,
<10 IU/l: Anti-HBc-only-Status/okkulte Hepatitis B), bei klinischen Symptomen/
Frage der Infektiosität: HBV-DNA quantitativ
██ erhöhte Transaminasen: in der Regel GPT (ALT) > GOT (AST)
██ vor Interferontherapie: GOT, GPT, Quick (INR), Bilirubin, Blutbild, Thrombozy-
ten, Gesamteiweiß, Elektrophorese, HBsAg, HBeAg, HBV-DNA, Anti-HCV, Anti-
HIV, AFP, TSH, Thyreoglobulin-Ak, mikrosomale Schilddrüsen-Ak, ANA, SMA,
Anti-LKM, antimitchondriale Ak (AMA); Sonografie

Differenzial­ Abgrenzung zu anderen chronischen Lebererkrankungen über entsprechende se-


diagnose rologische Verfahren.

Therapie­ Chronische HBeAg-positive und HBeAg-negative Hepatitis B mit:


indikation ██Virusreplikation ≥104 Viruskopien/ml (2-mal 103 IU/ml)
██entzündlicher Aktivität und erhöhten Transaminasen
██Risiko, eine Leberzirrhose und deren Komplikationen wie ein HCC zu entwi-
ckeln, unter Berücksichtigung von Lebensalter und Begleiterkrankungen

Therapie PEG-Interferon-α (PEG-IFN-α):


██aufgrund der mindestens äquivalenten Ansprechraten und der patientenfreund-
licheren Applikation Vorzug vor Standard-Interferon-α
██Anwendung/Dauer: einmal pro Woche s. c. über 6–12 Monate bzw. 2 Monate
über die Serokonversion hinaus
██Indikation: Abb. 7.4
██Ansprechrate 40–50 % (Serokonversion HBeAg zu Anti-HBe) zu Therapieende,
nach 1 Jahr bei ca. 25 %
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  391

MD 7KHUDSLH
HLQJHVFKUlQNWH
+%V$JSRVLWLY DNXWH+HSDWLWLV%" MD
/HEHUIXQNWLRQ"
QHLQ NHLQH7KHUDSLH
QHLQ

FKURQLVFKH
+HSDWLWLV%

QHLQ /HEHU]LUUKRVH" MD

+%9'1$ +%9'1$
!,8PO" SRVLWLY"

QHLQ MD MD QHLQ

NHLQH7KHUDSLH $/7ZLHGHUKROWHUK|KWRGHU 7KHUDSLH,QGLNDWLRQ NHLQH7KHUDSLH


0RQLWRULQJDOOH +LVWRORJLH!$)" 0RQLWRULQJDOOH
²0RQDWH ²0RQDWH

QHLQ MD
QHLQ

H[WUDKHSDWLVFKH0DQLIHVWDWLRQRGHU+&&5LVLNR MD

Abb. 7.4 Therapieindikation bei chronischer Hepatitis B nach den Leitlinien der DGVS. Eingeschränkte Leberfunktion:
Quick-Wert <50 %. (Quelle: Cornberg 2011).

██ Kontraindikationen:
–– Schwangerschaft, Stillzeit
–– sehr hohe Transaminasen (ALT >10-fach der Norm)
–– dekompensierte oder fortgeschrittene Leberzirrhose (Child B/C)
–– s. auch Kap. 7.3.4, Akute Hepatitis C
██ günstige Indikatoren:
–– HBV-Genotyp A
–– niedrige Viruslast (<108 IU/ml)
–– mindestens 2-fach (ideal: >5-fach) erhöhte Transaminasen
–– nicht vorbehandelte Patienten
–– junges Alter
██ Therapieziele:
–– virologisch
██ dauerhafter Abfall der HBV-DNA, mindestens <104 Kopien/ml (2-mal 103
IU/ml), ideal <300 Kopien/ml (60 IU/ml)
██ dauerhafte HBe-Serokonversion
██ im Idealfall Verlust des HBsAg (nur in 5–10 % erreichbar)
–– biochemisch: dauerhafte ALT-Normalisierung
–– histologisch:
██ Abnahme des Fibrosestadiums in der Histologie
██ Abnahme der entzündlichen Aktivität in der Histologie
██ Behandlungsalgorithmus: Vorschlag s. Leitlinien der DGVS, Abb. 7.5.
392  7 Leber

]HLWOLFKEHJUHQ]WH7KHUDSLH
3(* ,QWHUIHURQDOSKD" MD
PLW3(*,)1 LG5:RFKHQ
QHLQ

NHLQH/HEHU]LUUKRVH /HEHU]LUUKRVH
1XNOHRV W LG$QDORJRQ
1XNOHRV W LG$QDORJRQ
$XVZDKOQDFK
PLWKRKHU5HVLVWHQ]EDUULHUH
9LUXVODVW.RPRUELGLWlWHQ9RUWKHUDSLHQ

YLURORJLVFKHV$QVSUHFKHQQDFK²0RQDWHQ
QDFK0RQDWHQ QDFK0RQDWHQ EHL(79E]Z7') NHLQ7KHUDSLHDQVSUHFKHQ
+%9'1$ +%9'1$ NRQWLQXLHUOLFKHU
,8PO QHJDWLY +%9'1$$EIDOO 7KHUDSLHDGKlUHQ]"
RKQH3ODWHDX
MD

+%9'1$ EHL+%9'1$
7KHUDSLH $QSDVVXQJGHU
DOOH $QVWLHJ
ZHLWHU 7KHUDSLH
²0RQDWH !ORJEHU1DGLU

Abb. 7.5 Behandlungsalgorithmus bei chronischer Hepatitis B nach den Leitlinien der DGVS. *Bei sehr hoher Aus­
gangslast kann es auch beim Einsatz von Entecavir oder Tenofovir 2–3 Jahre dauern, bis eine komplette HBV-DNA-Ne­
gativierung erreicht wird. Es sollte aber ein kontinuierlicher HBV-DNA-Abfall ohne Plateau vorliegen (Quelle: Cornberg
2011).

Alternativ: Nukleotid-/Nukleosidanaloga:
██Lamivudin (Nukleosidanalogon, Epivir, Zeffix):
–– Dosierung 100 mg/Tag p. o.
–– bei progredienter Hepatitis B nach Interferontherapie oder bei KI gegen In-
terferon, Alternative zu Interferon zur Behandlung der HBe-negativen Hepa-
titis-B-Infektion (Virusmutante) (HBe-Serokonversionsrate max. 50 % nach 5
Jahren)
–– führt zu Abfall der Transaminasen und Suppression der histologischen Akti-
vität und Virusreplikation. In Kombination mit Interferon nicht erfolgreich.
Unter Therapie in ca. 20 % Auftreten von Mutationen. Nach Absetzen sehr
häufig Rezidive, sodass bei Patienten mit hoher Aktivität eine Dauerbehand-
lung durchgeführt wird.
–– bei Auftreten von Lamivudin-resistenter HBV-Varianten (bis zu 20 % pro Jahr)
ist eine zusätzliche Gabe eines Nukleotidanalogons („Add-on“) angezeigt.
Alternativ kann Lamivudin durch Entecavir ersetzt werden.
██Entecavir (Baraclude), Nukleosidanalogon, 0,5 mg/Tag p. o., HBe-Serokonversi-
onsrate 32 % in 2 Jahren
██Telbivudin (Sebivo), Nukleosidanalogon, 600 mg/Tag p. o., HBe-Serokonversions-
rate 34 % nach 2 Jahren
██Adefovir dipivoxil (Hepsera), Nukleotidanalogon, 10 mg/Tag p. o., HBe-Serokon-
versionsrate max. 50 % nach 5 Jahren
██Tenofovir dipivoxil (Viread), Nukleotidanalogon, 245 mg/Tag p. o., höhere Wirk-
samkeit im Vergleich zu Adefovir dipovoxil.
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  393

Therapie­
██ Überprüfung der Therapieadhärenz
versagen
██ Testung auf HBV-Varianten
██ Wechsel auf ein anderes Nukleos(t)id-Analogon:
–– Bei Lamivudin: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Adefovir (nicht als Primärtherapie empfohlen): Wechsel auf Entecavir
oder Tenofovir
–– Bei Entecavir: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Telbivudin: Wechsel auf Tenofovir
–– Bei Tenofovir: Wechsel auf Entecavir oder zusätzliche Gabe von Lamivudin,
Telbivudin oder Entecavir
██ Lebertransplantation

Verlauf ██ Prognose abhängig von:


–– Virusreplikation
–– HBsAg, HBeAg, HBV-DNA (quantitativ)
–– Höhe der Transaminasen
–– histologischer Aktivität (korreliert mit Transaminasen)
██ sehr gute Prognose des „gesunden“ HBsAg-Trägers (HBsAg-positiv, HBeAg-nega-
tiv, Anti-HBc-positiv, asymptomatisch, normale Transaminasen, niedrige HBV-
DNA, normale Histologie)
██ Patienten mit aktiver Virusreplikation entwickeln in 5 Jahren zu 20 % eine Zir-
rhose
██ spontane Serokonversion:
–– Verlust HBeAg: 5–20 % pro Jahr
–– Verlust HBsAg: ca. 1–2 % pro Jahr

Langzeit­ ██ Übergang in Leberzirrhose (Risiko bis zu 20 % in 5 Jahren).


komplikationen ██ Hepatozelluläres Karzinom: 10- bis 400-fach erhöhtes Risiko, in Hepatitis-B-
und Prävention Endemiegebieten HCC Malignom Nr. 1 oder 2 (z. B. in Fernost). In 10 % der Fälle
Auftreten in nichtzirrhotischer Leber.
–– Prävention: Oberbauchsonografie alle 6–12 Monate, AFP alle 6 Monate in der
Prophylaxe empfohlen.

Literatur Chang TT, Gish RG, de Man R et al. Background entecavir is a potent and selective guanosine analogue with
significant activity against hepatitis B virus (HBV). N Engl J Med 2006; 354: 1001
Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
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Thimme R, Spangenberg HC, Blum HE. Chronic Hepatitis B. Dtsch med Wochenschr 2008; 133: 135–138

7.3.4 Akute Hepatitis C


Definition Akute Infektion mit Hepatitis-C-Virus.

Erreger RNA-Virus, zu den Flaviviren gehörig.


HCV-Genotypen: Unterscheidung 1–6 und a–c (nach Simmonds); Prädominanz
von 1a und 1b in Deutschland; wahrscheinlich kein wesentlicher Einfluss auf die
Progression der Erkrankung, aber auf die Ansprechbarkeit gegenüber Interferon.
394  7 Leber

Patho­ Einzelheiten unklar, direkte Zytotoxizität spielt untergeordnete Rolle.


mechanismus

Pathologie Verfettung der Hepatozyten; hyaline Zytoplasmaeinschlüsse (Mallory bodies);


Ödem sowie lymphozytäre Infiltration in den Portalfeldern; Einzelzellnekrosen
(Councilman bodies).

Epidemiologie Inkubationszeit: 15–180 Tage; Meldepflicht hinsichtlich Erkrankung und Tod.


Infektionswege:
██Bluttransfusion bzw. Transfusion von Blutprodukten (klassische „Posttransfusions-
hepatitis“): vor Beginn der Testungen von Blutspendern Infektionsweg Nr. 1, ak-
tuelles Risiko: 1 Infektion pro 30 000–50 000 Blutkonserven. In der Vergangen-
heit auch Übertragung durch HCV-verunreinigte Anti-D-Antikörper (bei Frauen
mit Rhesusunverträglichkeit), Gerinnungsfaktoren (Hämophilie A, B) und Gam-
maglobuline (Patienten mit Hypo-/Agammaglobulinämie)
██Übertragung im Krankenhaus: Nadelstich führt sehr selten zur akuten/chroni-
schen Hepatitis C; allerdings ist die Durchseuchung des medizinischen Personals
mit 1 % um den Faktor 2–3 höher als bei Blutspendern
██Übertragung von Arzt zu Patient beschrieben, bei der Koloskopie nach unsachge-
mäßer Desinfektion des Endoskops
██i. v.-Drogenabusus: bedingt durch „needle-sharing“; Durchseuchung mit 70–90 %
sehr hoch
██Dialyse: hohe Infektionsprävalenz (5–30 %) bei Dialysepatienten
██sexuelle Übertragung: relativ selten. Bei monogamen Paaren Risiko der Übertra-
gung vom infizierten Ehepartner <5 %; Männer infektiöser als Frauen. Bei Pros-
tituierten mit 10 % hohe Durchseuchung, teilweise sicher auch durch i. v.-Dro-
genabusus bedingt; Homosexuelle zwischen 1 und 5 % infiziert
██perinatale Übertragung (vertikale Transmission): Risiko ca. 5 % bei Mutter mit He-
patitis C; abhängig von Viruskonzentration im Blut der Mutter, bei gleichzeitiger
HIV-Infektion höher
██unbekannter Infektionsweg („sporadische“ Hepatitis C): für 40–50 % der Übertra-
gung des Hepatitis-C-Virus verantwortlich

Extrahepatische Kryoglobulinämie, membranoproliferative Glomerulonephritis, Lichen ruber pla-


Manifestationen nus, seronegative Arthritis, Keratokonjunktivitis sicca, Autoimmunthyreoiditis.
HCV Rolle als Kofaktor: Porphyria cutanea tarda, Non-Hodgkin-Lymphom.

Klinische Uncharakteristische Symptomatik: Müdigkeit (50 %), Übelkeit, Erbrechen, rechts-


Charakteristika seitige Oberbauchbeschwerden (15 %), Hepatomegalie (ca. 60 %), Splenomegalie
(ca. 4 %), Juckreiz.
Ikterus: akute Hepatitis C verläuft in ca. 20 % ikterisch.

Wegweisende ██ erhöhte Transaminasen: dabei GPT (ALT) in der Regel höher als GOT (AST)
Diagnostik ██ Anti-HCV: wird ca. 6 Wochen nach Exposition nachweisbar
██ HCV-RNA (PCR): wird ca. 2–3 Wochen nach Exposition nachweisbar

Zusatz­ Gerinnung (Quick-Wert), Albumin, Cholinesterase.


diagnostik

Differenzial­ Andere akute Virushepatitis, Alkoholhepatitis, medikamententoxische Hepatitis,


diagnose Autoimmunhepatitis.
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  395

Therapie­ Alle Patienten mit akuter Hepatitis C innerhalb der ersten 3–4 Monate nach Er-
indikation krankungsbeginn. Der Zeitpunkt des Therapiebeginns hängt von den Chancen ei-
ner spontanen Ausheilung, relativen Kontraindikationen gegen eine Interferonthe-
rapie und von der Wahrscheinlichkeit einer optimalen Compliance ab.

Therapie Monotherapie mit Interferon-α oder pegyliertem Interferon-α über 24 Wochen


empfohlen. Aus Praktibilitätsgründen und besserer Patientencompliance ist die
Therapie mit pegylierten Interferonen erstrebenswert. Die Behandlung im Rah-
men kontrollierter Studien (s. www.hep-net.de) wird in der Leitlinie angeregt, da
keine Standardtherapie der akuten Hepatitis C existiert.
██absolute Kontraindikationen: dekompensierte Zirrhose (relevant bei chronischen
Infektionen), hepatozelluläres Karzinom; Autoimmunerkrankungen (insbeson-
dere Autoimmunhepatitis, Thyreoiditis); Thrombopenie (<50 000/μl), Leuko-
penie (<1500/μl); funktionierendes Nierentransplantat; aktuelle Psychose bzw.
Depression; Schwangerschaft
██relative Kontraindikationen: Vorliegen von Schilddrüsenantikörpern; Thrombo-
penie (<100 000/μl), Leukopenie (<3000/μl); Psychose bzw. Depression in der
Anamnese, zerebrales Anfallsleiden; koronare Herzerkrankung; chronische Dia-
lysepatienten
██Nebenwirkungen:
–– grippeähnliches Syndrom („flu-like“) über 95 %, mit Paracetamol 1 g gut be-
herrschbar
–– Fieber über 90 %, Schüttelfrost ca. 60 %
–– Myalgien ca. 50 %, Kopfschmerzen ca. 40 %
–– Leukozytopenie ca. 70 %, Thrombozytopenie ca. 40 %

Verlauf Nur in ca. 10 % der Fälle ikterischer Verlauf, deshalb sehr selten diagnostiziert. In
der Regel blander Verlauf (Transaminasen <600 U/l), sehr selten fulminanter Ver-
lauf. Chronifizierungsrate 60–80 %.

Langzeit­ Chronische Hepatitis C, hepatozelluläres Karzinom, Leberzirrhose mit Komplikati-


komplikationen onen (portale Hypertension, Aszites, Leberversagen).

Selbsthilfe­ Bundesverband Selbsthilfegruppen Hepatitis C e. V., Ensingerstr. 25, 89073 Ulm;


gruppe Tel. 0731/6026719, Fax 0731/9213436
Selbsthilfegruppen Virushepatitis e. V., Tel./Fax: 02306/998046, www.hepatitis-
nrw. e.

Literatur Blackard JT, Shata MT, Shire NJ et al. Acute hepatitis C virus infection: a chronic problem. Hepatology 2008;
47: 321–331
Sarrazin C, Ross T, Berg RS, Schirmacher P. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der
Hepatitis-C-Virus(HCV)-Infektion. AWMF-Register 021/012. Z Gastroenterol 2010; 48: 289–351 http://
dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_C_2010_ZfG.pdf

7.3.5 Chronische Hepatitis C


Definition Chronische Infektion der Leber mit dem Hepatitis-C-Virus (RNA-Virus) über min-
destens 6 Monate.

Erreger Siehe Kap. 7.3.4, Akute Hepatitis C.

Patho­ Einzelheiten unklar, direkte Zytotoxizität spielt untergeordnete Rolle.


mechanismus
396  7 Leber

Pathologie
██ Periportale lymphozytäre Entzündung; Brückenfibrose; Nekrosen; Steatose
██ Bestimmung der entzündlichen Aktivität (Grading) und des Fibroseausmaßes
(Staging)
██ Histologischer Aktivitäts-Index (HAI) nach Knodell ist in Studien ein Maß für die
entzündliche Aktivität.

Epidemiologie Durchseuchung (HCV-Ak positiv):


██Alkoholiker bis zu 15 %, i. v. Drogenabhängige 70–90 %
██Dialysepatienten 10–25 %, Hämophile 60 %
██heterosexuelle Partner 2–6 %, Homosexuelle 4–15 %
██Blutspender 0,4–0,7 %, medizinisches Personal 0,8–1,0 %

In Deutschland ca. 500 000 Virusträger; Infektionswege s. Kap. 7.3.4, Akute Hepa-
titis C.
In einer epidemiologischen Arbeit (Hüppe D et al. 2008) mit 10.326 HCV-Infizier-
ten ist die Verteilung des Genotyps beschrieben:
██ Genotyp 1: 61,7 %
██ Genotyp 2: 6,9 %
██ Genotyp 3: 28,0 %
██ Genotyp 4: 3,2 %
██ Genotyp 5: 0,1 %
██ Genotyp 6: 0,1 %

Klinische Uncharakteristische Symptomatik: Müdigkeit (ca. 50 %); rechtsseitige Oberbauch-


Charakteristika beschwerden (ca. 15 %), Übelkeit, Erbrechen; Hepatomegalie (ca. 60 %), Splenome-
galie (ca. 4 %); Juckreiz, Ikterus (sehr selten).
Extrahepatische Manifestationen: s. Kap. 7.3.4, Akute Hepatitis C.

Wegweisende ██ Anti-HCV: Bestätigungstest (RIBA) ohne diagnostischen Gewinn


Diagnostik ██ HCV-RNA (PCR): zum Nachweis einer Virämie. Cave: z. B. Dialysepatienten kön-
nen Anti-HCV-negativ und trotzdem infektiös sein, hier vor Therapie obligat!

Zusatz­ ██ GPT (ALT): in der Regel höher als GOT (AST)


diagnostik ██ Bestimmung des Genotyps: Prädiktor für das Ansprechen auf Interferon
██ Histologie: empfohlen, wenn sich daraus Konsequenzen für die Diagnose, Ver-
laufsbeurteilung und/oder Therapie ergeben
██ (Mini-)Laparoskopie: bei Verdacht Leberzirrhose (falls sonografisch nicht nach-
weisbar)
–– Alternative: Elastografie
██ quantitative Bestimmung der HCV-RNA: Prädiktor für das Ansprechen auf In-
terferon
██ Abklärung Autoimmunhepatitis vor Therapie

Differenzial­ Autoimmunhepatitis: Abgrenzung wichtig, da Verlauf einer Autoimmunhepatitis


diagnose durch Interferon verschlimmert werden kann.
Alkoholtoxische Hepatitis: aufgrund entsprechender Anamnese; durch erhöhtes
mittleres korpuskuläres Volumen (MCV) der Erythrozyten erhöhtes kohlenhydrat-
defizientes Transferrin (CDT).
Primär sklerosierende Cholangitis: histologisch manchmal schwer abgrenzbar;
Assoziation mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung und Nachweis von p-
ANCA beachten.
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  397

Hämochromatose: Abgrenzung durch Bestimmung des Ferritins, der Transferrin-


sättigung und durch molekulare Diagnostik (Nachweis des mutierten Hämochro-
matose-Gens C282Y).
Morbus Wilson: Diagnose durch Caeruloplasmin-Bestimmung, Spaltlampenun-
tersuchung des Auges und 24-h-Ausscheidung von Kupfer im Urin.

Therapie­ Chronische Hepatitis C unter Berücksichtigung der Kontraindikationen. Erhöhte


indikation Transaminasen und/oder Leberfibrose sind keine notwendigen Voraussetzungen
für die Therapie.

Therapie Kombinationstherapie: Pegyliertes Interferon (Peginterferon α-2a, Peginterferon


α-2b): 1 Dosis pro Woche, höhere Wirksamkeit als klassisches α-Interferon, hat
dieses in der Kombinationstherapie mit Ribavirin (Rebetol) abgelöst.
██Dosis: 1,5 μg/kg KG PegIntron oder 180 μg Pegasys pro Woche. Ribavirin wird bei
Genotyp 1 in einer Dosierung mit 800–1200 mg (800 mg bei <65 kg, 1000 mg bei
65–85 kg, 1200 mg bei >85 kg, bei Genotyp 2/3 mit 800 mg empfohlen.
██Therapiedauer bei Genotyp 1 48 Wochen (bei Slow-Respondern 72 Wochen), bei
Genotyp 2/3 24 Wochen.

Durch die Zulassung von zwei Proteinase-Inhibitoren im Herbst 2011 ist die Be-
handlung der chronischen Hepatitis C im Falle des Genotyps 1 durch zwei weitere
Optionen erweitert worden. Damit können die Ansprechraten von ca. 40 % (Pegin-
terferon + Ribavirin) auf 65–70 % gesteigert werden.
Bei nicht vorbehandelten Patienten:
██Beginn mit Peginterferon α + Ribavirin über 4 Wochen (Lead in), dann Boce-
previr (3-mal 800 mg/Tag) + Peginterferon α + Ribavirin über 24 Wochen, wenn
HCV-RNA in Behandlungswoche (BW) 8 und 24 negativ ist. Behandlungsdauer
wird auf 48 Wochen verlängert, wenn HCV-RNA zu BW 8 nachweisbar und zu
BW 24 nicht nachweisbar ist.
██Telaprevir (3-mal 750 mg/Tag) über 12 Wochen, Peginterferon α + Ribavirin über
24 Wochen. Falls HCV-RNA zu BW 4 oder BW 12 noch positiv ist, dann Behand-
lung mit Peginterferon-α und Ribavirin über insgesamt 48 Wochen. Dieses Re-
gime gilt auch für vorbehandelte Patienten mit Relapse. Abbruchkriterium ist
die HCV-RNA >1000 IE/ml in BW 4 oder BW 12.

Als Nebenwirkung ist bei beiden Substanzen die Anämie zu nennen, was bei der
längeren Gabe von Boceprevir möglicherweise mehr zum Tragen kommt. Bei Telap-
revir stehen Hautausschläge, Juckreiz, gastrointestinale Beschwerden und anorek-
tale Probleme im Vordergrund, bei Boceprevir Veränderungen des Geschmacks-
empfindens. Arzneimittelinteraktionen müssen beachtet werden.

Therapiever­ Durch die Zulassung der beiden Proteinase-Inhibitoren im Herbst 2011 ist auch
sager (Relapse, die Behandlung der Patienten mit chronischer Hepatitis C (Genotyp 1) bei Thera-
Non-Responder, pieversagern verbessert worden.
Partial ██Boceprevir: Patienten mit einem Rückfall/Non Response sollten mit der Dreifach-
Response) therapie mit Lead-in-Phase über 48 Wochen behandelt werden. Bei HCV-RNA-
Spiegel von 100 IE/ml oder höher zu BW 12 ist die Therapie zu beenden. Zu BW
24 muss die HCV-RNA negativ sein, sonst Abbruch.
██Telaprevir: Patienten mit einem Partial Response/Non Response sollten mit der
Dreifachtherapie (Telaprevir über 12 Wochen, Peginterferon α + Ribavirin über
48 Wochen) behandelt werden. Abbruchkriterium ist die HCV-RNA >1000 IE/ml
398  7 Leber

in BW 4 oder BW 12. Die Patienten mit Relapse werden wie naive Patienten be-
handelt.
██ Nebenwirkungen wie Anämie, Hautausschlag und Interaktionen mit anderen
Pharmaka sind zu beachten.

Lebertransplantation: Bei zunehmender Leberzellinsuffizienz im Stadium der Zir-


rhose.

Verlauf Koinfektion als beeinflussender Faktor:


██Superinfektion mit HAV: Verläufe mit fulminantem Leberversagen sind beschrie-
ben, deshalb aktive Impfung bei allen Patienten mit Hepatitis C ratsam
██HBV: reduziert die HCV-Replikation, verschlechtert jedoch den Verlauf einer He-
patitis-C-Infektion
██HBV, HDV: Dreifachinfektion sehr selten, insgesamt ist von einem schlechten Ver-
lauf auszugehen
██HGV: häufige Koinfektion (ca. 20 %); insgesamt jedoch kein Einfluss auf die chro-
nische Hepatitis-C-Infektion
██HIV-Infektion: wahrscheinlich kein Einfluss der Hepatitis-C-Infektion auf den
Verlauf der HIV-Infektion; trotzdem kann in Einzelfällen die Hepatitis-C-Infekti-
on limitierend sein (Leberversagen)

Andere beeinflussende Faktoren:


██Zeitpunkt der Infektion: Zirrhoseentwicklung im höheren Alter häufiger
██Höhe der Transaminasen: bei Patienten mit normalen Transaminasen bei chro-
nischer Hepatitis C Progressionsrate 50 % geringer als im Falle erhöhter Transa-
minasen
██Alkohol: Prävalenz der Hepatitis C bei Alkoholikern erhöht (s. Epidemiologie).
Alkohol verändert die Zytokinproduktion, erhöht die Virusreplikation und ver-
schlechtert auch in kleinen Mengen insgesamt den Verlauf
██Nikotin: scheint die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms zu fördern
██Genotyp: hat keinen eindeutigen Einfluss auf den Krankheitsverlauf, jedoch auf
das Ansprechen auf Interferon (s. Therapie)
██erhöhter Eisengehalt: ausgeprägtere Fibrose bei Patienten mit chronischer Hepa-
titis und heterozygotem Trägerstatus der C287Y-Mutation (s. Kap. 7.10, Hämo-
chromatose)

Langzeit­ Leberzirrhose: Risiko bei chronischer Hepatitis C ca. 20 %.


komplikationen Hepatozelluläres Karzinom: ca. 7-fach erhöhtes Risiko bei HCV, ca. 80-fach erhöht
bei HCV und HBV.

Prophylaxe Testung der Blutspender.


██Passive Immunprophylaxe: Hyperimmunglobulinserum wahrscheinlich nicht
wirksam.
██Aktive Immunprophylaxe: in Vorbereitung, Einführung nicht abzusehen.

Selbsthilfe Siehe Kap. 7.3.4, Akute Hepatitis C.

Literatur Hüppe D, Zehnter E, Mauss S et al. Epidemiologie der chronischen Hepatitis C in Deutschland – eine Analyse
von 10326 Hepatitis-C-Virus-Infizierten aus Schwerpunktpraxen und -ambulanzen. Z Gastroenterol
2008; 46: 34–44
Jacobson IM, McHutchinson JG, Dusheiko G et al. Telaprevir for previously untreated chronic hepatitis C
virus infection. N Engl J Med 2011; 364: 2405–2416
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  399

Poordad F, McCone J, Bacon BR et al. Boceprevir for untreated chronic HCV genotype 1 infection. N Engl J
Med 2011; 364: 1195–1206
Sarrazin C, Berg T, Ross RS et al. Update der S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-
C-Virus (HCV)-Infektion. Z Gastroenterol 2010; 48: 289–351

7.3.6 Akute Hepatitis D


Definition Akute Infektion der Leber durch das Hepatitis-Delta-Virus (HDV).

Erreger Inkomplettes RNA-Virus, das sich nur in Gegenwart einer HBV-Infektion propagie-
ren kann. Hülle aus HBsAg, im Nukleokapsid Hepatitis-Delta-Antigen (HDAg) und
Virusgenom. Einziges virales Protein ist das HDAg.
Von den HDV-Varianten sind 3 Genotypen bekannt: Genotyp I (Frankreich, Italien,
USA, Japan), Genotyp II (Japan), Genotyp III (Peru, Kolumbien).

Pathologie Histologie wie bei akuter Hepatitis B (s. Kap. 7.3.2). Immunhistochemischer Nach-
weis von HDAg in der Leber möglich.

Epidemiologie Inkubationszeit: relativ lange (60–110 Tage), nur in Assoziation mit HBV vorkom-
mend.
Übertragungswege:
██wie bei HBV
██endemische HDV-Infektion mit hoher Prävalenz im Mittelmeerraum (Süditalien,
Griechenland: Prävalenz der HBsAg-Träger mit positiven HDV-Antikörpern bei
20–30 %)
██epidemische HDV-Infektion: Südamerika (Amazonasregion)
██Risikogruppen wie Drogenabhängige und Hämophile (10–75 %)

Assoziierte Identisch zu akuter Hepatitis B (s. Kap. 7.3.2).


Erkrankungen

Klinische Koinfektion: gleichzeitige Infektion mit HBV und HDV; ähnlicher Verlauf wie bei
Charakteristika akuter Hepatitis B; bei 20–30 % der Patienten biphasischer Verlauf mit erneutem
Anstieg der Transaminasen.
Superinfektion: akute Infektion mit HDV bei chronischer Hepatitis-B-Infektion
mit klinisch schwererem Verlauf als bei Koinfektion.

Wegweisende Indikation zur Diagnostik bei neu diagnostizierter HBV-Infektion und fehlender
Diagnostik Testung bei bekannter HBV-Infektion, besonders dringlich bei Exazerbation einer
chronischen Hepatitis B.
Nachweis von Anti-HDV:
██bei Koinfektion: Titer meist niedrig und verzögerter Nachweis der Hepatitis-D-
Infektion bei schon positivem HBsAg und Anti-HBc-IgM
██bei Superinfektion: Nachweis des Anti-HDV früher, höherer Titer; hohe Titer auf
chronischen Verlauf hinweisend (Titer >1:1000)

Nachweis von HDV-RNA: soll per RT-PCR erfolgen, quantitativer Nachweis mög-
lich.
Nachweis von Anti-HDV-IgM: wird zur Unterscheidung akuter und chronischer
Infektion eingesetzt, limitierte Spezifität.
400  7 Leber

Zusatz­
██ HBsAg: bei annähernd allen Patienten mit HDV-Infektion nachweisbar (Ausnah-
diagnostik me: bei fulminant verlaufender Hepatitis-D-Infektion)
██ HBeAg: bei Superinfektion häufig negativ bei positivem Anti-HBc
██ GOT, GPT: bei Superinfektion meist höher als bei Koinfektion

Differenzial­ Virushepatitiden anderer Ätiologie (HAV, HCV, HEV), Alkoholhepatitis, medika-


diagnose mententoxische Hepatitis, Autoimmunhepatitis.

Therapie ██ In der Regel: keine spezielle Therapieindikation


██ Bei fulminantem Verlauf: intensivmedizinische Maßnahmen
██ Bei Therapieversagen: Lebertransplantation (sehr selten)

Verlauf ██ Chronifizierungsrate: 5 % bei Koinfektion, 70–95 % bei Superinfektion


██ Risiko der fulminanten Verlaufsform: 2–20 % bei Koinfektion, 10–20 % bei Su-
perinfektion
██ Langzeitkomplikationen: Leberzirrhose, hepatozelluläres Karzinom

7.3.7 Chronische Hepatitis D


Definition Chronische Infektion der Leber mit HDV (inkomplettes Virus) über mindestens 6
Monate.

Erreger und Siehe Kap. 7.3.6, Akute Hepatitis D.


Epidemiologie

Patho­ Einzelheiten unklar; direkte Zytotoxizität spielt untergeordnete Rolle.


mechanismus

Pathologie Periportale lymphozytäre Entzündung, Brückenfibrose, Nekrosen, Steatose.

Klinische Uncharakteristische Symptomatik: Müdigkeit, Abgeschlagenheit; rechtsseitige


Charakteristika Oberbauchbeschwerden
Assoziierte Erkrankungen: s. Kap. 7.3.6, Akute Hepatitis D.

Wegweisende Anti-HDV: bei HBsAg-Positivität (und evtl. HBeAg positiv).


Diagnostik

Zusatz­ ██ erhöhte Transaminasen: GPT (ALT) in der Regel höher als GOT (AST)
diagnostik ██ Histologie
██ (Mini-)Laparoskopie: bei Verdacht auf Leberzirrhose

Therapie­ Chronische Hepatitis D mit erhöhten Transaminasen und Progredienz der Erkran-
indikation kung.

Therapie Pegyliertes Interferon-α: 180 µg (Pegasys) pro Woche über mindestens 12 Monate,
Ansprechrate bei 25 % (dauerhafte HDV-RNA-Clearance).

Therapie­ ██ In Einzelfällen bei signifikanter HBV-Replikation Einsatz von Nukleosid- oder


versagen Nukleotid-Analoga (z. B. Tenofovir)
██ Lebertransplantation

Verlauf Rapide Progression der Erkrankung bei 10–15 % der Patienten mit Leberversagen
innerhalb von 2 Jahren; Langzeitkomplikationen: ca. 80 % entwickeln chronisch
7.3 Akute und chronische Virushepatitis  401

aktive Hepatitis oder Zirrhose, auch Karzinomrisiko wie bei Hepatitis-B-Infektion


deutlich erhöht.

Prophylaxe Aktive Immunprophylaxe (Hepatitis-B-Impfung), s. Kap. 7.3.2, Akute Hepatitis B.

Literatur Cornberg M, Protzer U, Petersen J, Wedemeyer H et al. Aktualisierung der S3-Leitlinie zur Prophylaxe,
Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virus-Infektion. AWMF-Register-Nr.: 021/011. Z Gastroenterol
2011; 49: 871–930 (http://dgvs.de/media/Leitlinie_Hepatitis_B_2011.pdf)
Ehrhardt A, Hoernke M, Heinzel-Pleines U, Sagir A, Göbel T, Häussinger D. Retrospektive Analyse der chroni-
schen Hepatitis D an einer westdeutschen Universitätsklinik über 2 Dekaden: zunehmende Migrations-
muster, Prävalenz und klinischer Verlauf. Z Gastroenterol 2010: 48: 813–817
Farci OP, Chessa L, Balestrieri C et al. Treatment of chronic hepatitis D. J Viral Hepat 2007; 14(1): 58–63
Wedemeyer H, Yurdayhìn C, Dalekos G et al. Peginterferon plus adefovir versus either drug alone for hepati-
tis delta. N Engl J Med 2011; 364: 322–331

7.3.8 Akute Hepatitis E


Definition Akute Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus.

Erreger RNA-Virus: mit Caliciviren verwandt, bisher nur ein Serotyp und 4 Genotypen (Ge-
notypen 1–4) bekannt. Genotyp 1 und 2 infizieren ausschließlich Menschen, beim
Genotyp 3 und 4 sind zusätzlich Tiere, v. a. Schweine, als Reservoir beschrieben.
In Deutschland ist der Genotyp 3 in 66 % der symptomatischen HEV-Infektionen
verantwortlich.

Epidemiologie Übertragung: fäkal-oral, häufig über infiziertes Trinkwasser, Fleischprodukte (z. B.


Wildschwein); Virusmenge im Stuhl Infizierter niedriger als bei HAV; endemische
Gebiete in Mittelamerika, Zentralafrika und Asien, insbesondere Indien und China
Inkubationszeit: ca. 40 Tage (10–60 Tage)
Inzidenz: ca. 100 Fälle pro Jahr in Deutschland
Prävalenz: in Deutschland 2 % der Blutspender anti-HEV positiv, in Ländern wie
USA, Dänemark und Frankreich bis zu 20 %

Klinische Symptomatik wie bei akuter Hepatitis A (s. Kap. 7.3.1).


Charakteristika

Wegweisende Anti-HEV-IgM: in Deutschland nur sinnvoll bei Patienten, welche die Zeichen einer
Diagnostik akuten Hepatitis haben und aus Endemiegebieten kommen.

Zusatz­ ██ GOT, GPT, Gerinnungswerte (Quick-Wert)


diagnostik ██ evtl. AFP: Abschätzung der Regeneration
██ Sonografie: Ausschluss einer biliären Obstruktion, Nachweis der Hepatomegalie
██ Nachweis von HEV im Stuhl oder HEV-RNA im Stuhl/Serum: nur von wissen-
schaftlichem Interesse

Differenzial­ Wie bei akuter Hepatitis A.


diagnose

Therapie Wie bei akuter Hepatitis A.


­(indikation)

Verlauf ██ in der Regel akut und selbstlimitierend, Symptome nach 2–3 Wochen rückläufig
██ im Vergleich mit der Hepatitis A fulminanter Verlauf häufiger, der v. a. schwan-
gere Frauen im 3. Trimenon betrifft (hohe Letalität!)
402  7 Leber

██ in den letzten Jahren Berichte über chronische Verläufe bei Transplantierten und
bei HIV-Infizierten (Purcell u. Emerson 2008, Kamar et al. 2008)

Prophylaxe Impfstoff in Erprobung, noch nicht zugelassen.

Literatur Aggarwal R, Jameel S. Hepatitis E. Hepatology. 2011; 54(6): 2218–2226


Kamar N, Selves J, Mansuy JM et al. Hepatitis E virus and chronic hepatitis in a organ-transplant recipient. N
Engl J Med 2008; 358: 811–817
Pischke S, Potthoff A, Hauröder B et al. Hepatitis E: Eine Infektionskrankheit erlebt einen Bedeutungswech-
sel. Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 1129–1133
Pischke S, Heim A, Bremer B, Raupach R et al. Hepatitis E: eine neu aufkommende Infektionskrankheit in
Deutschland? Z Gastroenterol 2011; 59: 1258–1262
Purcell RH, Emerson SU. Hepatitis E. an emerging awareness of an old disease. J Hepatol 2008; 48: 494–503

7.3.9 Akute Hepatitis G


Definition Akute Infektion mit dem HGV/GB-Virus C (GBV-C).

Erreger RNA-Virus, zu den Flaviviren gehörig: HGV und GBV-C sind verschiedene Isolate
derselben Virusspezies.

Patho­ Führt bei akuter Infektion wie die Infektion mit einem anderen, neu beschriebe-
mechanismus nen Virus (TT-Virus, DNA-Virus) wahrscheinlich nicht zu einer Lebererkrankung;
Leber nicht Hauptreplikationsort: HGV-Konzentrationen im Serum höher als im
Lebergewebe.

Epidemiologie Übertragungsweg: parenteral über Transfusion von Blutprodukten:


██bei der akuten Non-A-E-Hepatitis: Post-Transfusion ca. 25 % HGV-positiv, spora-
dische Form ca. 7,5 % HGV-positiv, sub-/fulminante Form: ca. 25 % HGV-positiv
██hohe Infektionsrate bei Patienten mit anderen Virusinfektionen: 20 % bei Hepa-
titis C, 35 % bei Hepatitis D
██Blutspender (Deutschland): 2 % HGV-RNA positiv, 20 % Anti-HGV positiv

Klinische Akute Infektion mit GBV-C-Virus sehr selten mit dem klinischen Bild einer akuten
Charakteristika Hepatitis vergesellschaftet.

Wegweisende Wegen fehlender Hepatotropie des Virus ohne Bedeutung: HGV-RNA (PCR), Anti-
Diagnostik HGV.

Therapie Im Allgemeinen keine Therapie. In retrospektiven Studien Ansprechen auf Inter-


feron gezeigt.

Verlauf Viruspersistenz ca. 30 % (bei ca. 70 % Viruselimination); keine Langzeitkomplika-


tionen.

Literatur Hadziyannis SJ. The new „hepatitis“ virus G or GBV-C. In: Bircher J, Benhamou JP, McIntyre N, Rizzetto M, Ro-
dés J, eds. Oxford textbook of clinical hepatology. 2nd ed. Oxford: Oxford Medical Publications 1999
Laufs R, Feucht HH, Polywka S et al. Übertragungswege und klinische Bedeutung des Hepatitis-G-Virus.
Dtsch Ärztebl 1997; 94: B1680–1682
Ross RS, Viazov S, Clauberg R et al. Lack of de novo hepatitis C virus infections and absence of nosocomial
transmissions of GB virus C in a large cohort of German haemodialysis patients. J Viral Hepat 2009; 16:
230–238
7.4 Andere virale Infektionen  403

7.4 Andere virale Infektionen

7.4.1 CMV-Hepatitis
Definition Infektion mit dem Zytomegalievirus.

Erreger DNA-Virus, zu den Herpesviren gehörig.

Pathologie Charakteristisch: intranukleäre Einschlusskörperchen (Eulenaugen), Riesenzellhe-


patitis; selten: epitheloidzellige Granulome.

Epidemiologie ██ Übertragungswege: direkter Körperkontakt, Sexualverkehr, peri-/postnatal


██ Hohe Durchseuchung (bis zu 80 % in Europa und USA)
██ Bei Lebertransplantierten: in bis zu 50 % der Fälle für Auftreten von Fieber ver-
antwortlich
██ Erkrankung und Tod meldepflichtig

Klinische Nach pränataler Infektion: mögliche Fehlbildungen im Magen-Darm-Trakt (z. B.


Charakteristika Gallengangatresie) oder im kardiovaskulären System
Nach peri-/postnataler Infektion: meist inapparenter Verlauf; Hepatitis in 25 % der
Fälle
Bei Erwachsenen: Fieber, Mattigkeit, Pharyngitis, Lymphknotenschwellung

Wegweisende ██ Titeranstieg der CMV-Antikörper vom IgM-Typ


Diagnostik ██ Nachweis des „early antigen“
██ Nachweis des Virus im Urin

Zusatz­ ██ Nachweis der CMV-DNA


diagnostik ██ mäßig erhöht: GPT, GOT, LDH
██ häufig stark erhöht: γ-GT

Therapie­ Nur bei immunkompromittierten Patienten mit klinisch schweren Verläufen.


indikation

Therapie Ganciclovir (Cymeven 5 mg/kg KG alle 12 h): allgemein empfohlen, allerdings lie-
gen keine kontrollierten Studien vor.

Therapie­ Foscarnet (Foscavir 60 mg/kg KG alle 8 h): cave: Nephrotoxizität.


versagen

Verlauf Im Kindesalter meist asymptomatisch; keine Langzeitkomplikationen.

7.4.2 Herpes-simplex-Hepatitis
Definition Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV).

Erreger DNA-Virus, zu den Herpesviren gehörig.

Pathologie Herdförmige Leberzellnekrosen; eosinophile intranukleäre Einschlusskörperchen;


elektronenmikroskopischer Nachweis der Herpesviren.
Epidemiologie
Infektionswege: Tröpfchen-, Schmierinfektion.
404  7 Leber

Begleiterkrankung v. a. bei immunsupprimierten Patienten (z. B. nach Organtrans-


plantation), Patienten mit Immundefekten (z. B. AIDS) und schweren Verbrennun-
gen, bei Morbus Hodgkin, beim Pemphigus vulgaris.
Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinische Bauchbeschwerden (ca. 60 %), Hepatomegalie, Fieber, Mattigkeit.


Charakteristika

Wegweisende ██ Titeranstieg der Herpes-simplex-Antikörper vom IgM-Typ


Diagnostik ██ HSV-Ag
██ HSV-PCR

Zusatz­ ██ immunhistologischer Nachweis im Leberbiopsat


diagnostik ██ GPT, GOT (häufig deutlich erhöht); Bilirubin (selten deutlich erhöht)
██ Leukozytopenie, Thrombozytopenie

Differenzial­ Akute Virushepatitis A–E, EBV-Hepatitis, CMV-Hepatitis.


diagnose

Therapie Frühzeitig bereits bei Verdacht: Gabe von Aciclovir (z. B. Zovirax, Aciclovir Frese-
nius 5–10 mg/kg KG i. v. alle 8 h).
Bei Therapieversagen: Lebertransplantation.

Verlauf Beim Neugeborenen und immunsupprimierten Kindern können Blutungskompli-


kationen im Gehirn auftreten, die häufig letal verlaufen.
Auch beim immunsupprimierten Erwachsenen kann die Herpes-simplex-Infekti-
on bzw. Reaktivierung letal verlaufen (Letalität ca. 10–15 %).

7.4.3 Epstein-Barr-Virus-Hepatitis
Synonym Pfeiffer-Drüsenfieber.

Definition Begleitreaktion bei Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Mononukleose.

Erreger DNA-Virus, zu den Herpesviren gehörig.

Pathologie Infiltration der Sinusoide und Portalfelder mit mononukleären Zellen; Proliferati-
on der Kupffer-Zellen; selten Leberzellnekrosen.
Immunhistologischer Nachweis mit monoklonalen Antikörpern.

Epidemiologie Ubiquitäres Vorkommen, oraler Infektionsweg (z. B. Küssen), Erkrankung und Tod
meldepflichtig.

Klinische Im Kindesalter: häufig asymptomatisch.


Charakteristika Im jüngeren Erwachsenenalter: Fieber, Angina tonsillaris, Schwellung der Hals-
lymphknoten, Splenomegalie, makulopapulöses Exanthem nach Gabe von Penicil-
lin oder anderer Antibiotika.
Bei Patienten >40 Jahren: atypische Symptomatik mit Bauchschmerzen möglich.

Wegweisende ██ Titeranstieg der EBV-Antikörper vom IgM-Typ („viral capsid antigen“ VCA)
Diagnostik ██ Mononukleose-Schnelltest (Paul-Bunnell-Test), begrenzte Sensitivität und Spe-
zifität
7.4 Andere virale Infektionen  405

██ weitere serologische Tests, z. B. Anti-EA, Anti-EBNA


██ atypische Lymphozyten im Blutausstrich (Pfeiffer-Zellen)

Zusatz­ ██ LDH (häufig deutlich erhöht)


diagnostik ██ GPT, GOT (häufig nur mäßig erhöht)
██ Bilirubin (selten deutlich erhöht)
██ Thrombozytopenie
██ Sonografie: Splenomegalie

Differenzial­ Akute Virushepatitis A–E, EBV-Hepatitis, CMV-Hepatitis.


diagnose

Therapie Nur in sehr schweren Fällen und besonderen Situationen (z. B. Zustand nach Trans-
plantation): Aciclovir.

Verlauf Unkomplizierter Verlauf: in den meisten Fällen


Protrahierter Verlauf: in seltenen Fällen mit Leistungsabfall (z. B. bei Sportlern)
bis zu 9 Monaten
Komplikationen (selten): Milzruptur, Hämolyse, Myo-/Perikarditis, Meningitis,
Pneumonie, Nephritis, Exanthem nach Antibiotikagabe

7.4.4 Masern-Hepatitis
Erreger RNA-Virus, zu den Paramyxoviren gehörig.

Pathologie Infiltration der Sinusoide und Portalfelder mit mononukleären Zellen; kleine Foci
mit Leberzellnekrosen; immunhistologischer Nachweis.

Klinische Sehr selten klinisch evidente Zeichen einer Begleithepatitis (nur im Erwachsenen-
Charakteristika alter).

Diagnostik ██ Nachweis der Antikörper vom IgM-Typ (ELISA)


██ zusätzlich bei Erwachsenen: GPT, GOT (in 80 % der Fälle erhöht), Bilirubin (selten
erhöht)

Therapie Symptomatisch bei fast immer unproblematischem Verlauf der Begleithepatitis.

7.4.5 HIV-Hepatitis
Erreger HIV-1-Virus: in Kupffer-Zellen, Endothelzellen und Hepatozyten nachgewiesen.

Pathologie Steatose, Granulome.

Klinische Sehr selten klinisch evidente Zeichen einer Hepatitis.


Charakteristika Bei Ikterus oder hohen Transaminasen nach anderen Ursachen suchen!

Differenzial­ Leberbefall mit einem opportunistischen Keim bei HIV-Infektion (sehr viel häufi-
diagnose ger als HIV-Hepatitis): atypische Mykobakteriose (Mycobacterium avium), Tuber-
kulose, Pilze (Candida, Cryptococcus, Aspergillus), Pneumocystis carinii, Toxoplas-
mose, CMV-Hepatitis, Virushepatitis B/C, Herpes-simplex-Hepatitis.
406  7 Leber

7.4.6 Varizella-Zoster-Hepatitis
Erreger Varizella-Zoster-Virus (VZV): zu den Herpesviren gehörig.

Klinische Nur selten, bei immunsupprimierten Patienten kann es bei generalisierten Infek-
Charakteristika tionen zu einer Begleithepatitis kommen, die allerdings in Einzelfällen mit Leber-
zellnekrosen einen letalen Verlauf nehmen kann.

Therapie Aciclovir: 5 mg/kg KG i. v. alle 8 h.

7.4.7 Rubella-Hepatitis
Erreger RNA-Virus, zur Togaviridiae-Gruppe gehörig.

Klinische Konnatale Infektion führt zur Hepatosplenomegalie und Ikterus.


Charakteristika Beim Erwachsenen kann es zur granulomatösen Hepatitis mit guter Prognose
kommen.

7.4.8 FSME-Hepatitis
Erreger FSME-Viren, zur Togaviridiae-Gruppe gehörig.
Meldepflicht hinsichtlich Erkrankung und Tod.

Klinische Leichte Form einer Begleithepatitis mit nur leichter Transaminasenerhöhung.


Charakteristika

Therapie Leberbeteiligung beeinflusst therapeutisches Vorgehen nicht.

7.4.9 Marburg-Virus-Krankheit
Erreger Marburg-Virus: zu den Filoviren gehörig.

Klinische Fieber, Erbrechen, Durchfall; im Extremfall Nieren- und Leberversagen.


Charakteristika

Verlauf Schlechte Prognose: Letalität zwischen 28 % (Epidemie in Marburg 1967) und 88 %


(in Zaire).

7.4.10 Weitere virale Erkrankungen mit Leberbeteiligung


Gelbfieber: Hierbei kann auch eine Begleithepatitis durch das Gelbfieber-Virus
(RNA-Virus, zu den Flaviviren gehörig) auftreten, der Verlauf und die Letalität ist
von der Niereninsuffizienz und ZNS-Beteiligung abhängig.
Ebola-Virus-Erkrankung: Ein dem Marburg-Virus ähnliches Virus löst hämorrha-
gisches Fieber mit schwerer Hepatitis und schlechter Prognose aus.
Lassa-Fieber: Der Erreger des Lassa-Fiebers (RNA-Virus, zu den Arenaviren gehö-
rig) führt ebenfalls zu einem hämorrhagischen Fieber unter Beteiligung der Leber
(Einzelzellnekrosen bis zu fokalen Nekrosen ganzer Leberläppchen).
7.5 Bakterielle Infektionen  407

7.5 Bakterielle Infektionen

7.5.1 Leberabszess
Definition Umschriebene Ansammlung von Eiter in der Leber.

Erreger Häufiger (ca. 70 %): E. coli, Klebsiella pneumoniae.


Seltener: Staphylo-, Strepto-, Pneumokokken; Entamoeba histolytica (s. Kap. 7.7.1,
Amöbenabszess).

Ursachen ██ Lebermetastasen, extrahepatische biliäre Obstruktion (Choledocholithiasis, Gal-


lengangtumoren, Pankreaskopfkarzinom)
██ Lobärpneumonie; Endokarditis; Pyelonephritis
██ subphrenischer Abszess, perforiertes Ulcus ventriculi; Cholezystitis, Cholangi-
tis; Appendizitis, Divertikulitis, Morbus Crohn
██ iatrogen: Ethanolinjektion von Tumoren, Chemoembolisation von Tumoren

Pathologie Verteilung: solitär zu multipel ca. 1:1; Lokalisation meist im rechten Leberlappen;
bei biliärer Genese häufig multiple Abszesse.

Epidemiologie Seltenes Ereignis: Ursache für ca. 0,01 % der stationären Aufnahmen; in Autopsie-
untersuchungen 0,3–1,5 %.

Klinische Fieber (85–100 %); Schwäche (30–85 %), Übelkeit, Erbrechen (28–53 %); Ikterus
Charakteristika (20–40 %); pleuritische Schmerzen (10–25 %), Schmerzen im rechten Oberbauch
(40–70 %); Hepatomegalie (50–90 %), Splenomegalie (20 %).

Wegweisende ██ Bakterienkultur: im Aspirat und Blut


Diagnostik ██ Sonografie: in der Regel echoarmer Bezirk. Gute Darstellbarkeit mit der kont-
rastmittelverstärkten Sonografie (CEUS). Charakteristisch sind eine hypervasku-
larisierte Umgebungsreaktion und eine fehlende Anreicherung in der arteriellen
und portalvenösen Phase.
██ CT: in der Regel hypodenser Bezirk, nach Kontrastmittelgabe besser abgrenzbar
██ US-gesteuerte Punktion (u. U. CT-gesteuerte Punktion)

Zusatz­ Labor: Leukozytose in 75–95 %, CRP-Erhöhung, Anämie in 50–80 %.


diagnostik

Therapie Perkutane Katheterdrainage (PCD): wirksamer als perkutane Nadelaspiration


(PNA), in der Regel US-gesteuert, mit regelmäßiger Spülung.
Antibiotika: i. v.-Gabe, nach Antibiogramm (z. B. bei ambulant erworben: Ampicil-
lin/Sulbactam + Cephalosporine der Gruppe 3, bei nosokomial erworben: Carbape-
neme ± Aminoglykosid), direkte Instillation von Antibiotika ineffektiv.
Operation: bei Therapieversagen.

Verlauf Letalität bis 30 %.

Literatur Gundling F, Secknus R, Abele-Horn M et al. Pyogener Leberabszess. Aktueller Stand der Diagnostik und The-
rapie. DMW 2004; 129: 1685–1688
Ng SS, Lee JF, Lai PB. Role and outcome of conventional surgery in the treatment of pyogenic liver abscess in
the modern era of minimally invasive therapy. World J Gastroenterol 2008; 14: 747–751
408  7 Leber

Ruiz-Hernández JJ, León-Mazorra M, Conde-Martel A et al. Pyogenic liver abscesses: mortality-related fac-
tors. Eur J Gastroenterol Hepatol 2007; 19: 853–858
Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122

7.5.2 Leptospirose (Morbus Weil)


Erreger Über 180 Serotypen von Leptospiren bekannt, die wichtigsten Erreger: L. ictero-
haemorrhagica, L. grippotyphosa, L. seroje, L. canicola, L. pomona.

Epidemiologie Erregerreservoir: Nagetiere (Ratten, Mäuse), Rinder, Schweine, Hunde und Kat-
zen; besondere Gefährdung für Arbeiter in Kanalisation, Abfallentsorgung und
Landwirtschaft.
Inkubationszeit: 7–14 Tage.

Klinische Fieber, Schüttelfrost; Myalgien, Meningismus; Ikterus; Iridozyklitis; Myokarditis.


Charakteristika Häufig biphasischer Verlauf.

Wegweisende ██ Blut- und Liquorkultur


Diagnostik ██ Nachweis spezifischer Antikörper (ELISA)

Zusatz­ ██ GOT, GPT (nur leicht erhöht), AP, γ-GT, Bilirubin (deutlich erhöht)
diagnostik ██ Anämie, Leukozytose, Thrombozytopenie
██ CK (erhöht), Kreatinin, Harnstoff (ansteigend bei zunehmenden Nierenversagen)

Therapie Penicillin G: 3-mal 5–10 Mio. IE/Tag i. v. (frühzeitiger Therapiebeginn!).


Intensivmedizinische Maßnahmen: Flüssigkeits-/Elektrolytbilanzierung; ggf. Res-
piratortherapie, Dialysebehandlung.

Verlauf Prognose von Nierenversagen und pulmonaler Insuffizienz abhängig (Letalität ca.
20 %).

7.5.3 Tuberkulose
Erreger Mycobacterium tuberculosis.

Pathologie Unterschiedliche Leberbeteiligung: granulomatöse Hepatitis, Miliartuberkulose,


Tuberkulom.

Epidemiologie Bei Miliartuberkulose: Leber fast immer mitbetroffen.

Klinische Allgemeine Symptome: Fieber, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß, Leistungsknick.


Charakteristika Selten: Schmerzen/Druckgefühl im rechten Oberbauch.

Wegweisende Bei Miliartuberkulose: Leberpunktion bzw. Laparoskopie.


Diagnostik

Zusatz­ GOT, GPT nur leicht erhöht; Syntheseparameter sind normal.


diagnostik

Therapie Therapiestrategie (Tuberkulostatika) von der Leberbeteiligung unabhängig.


7.6 Pilzerkrankungen  409

7.5.4 W
 eitere bakterielle Erkrankungen
mit Leberbeteiligung
Lues: Die Infektion mit Treponema pallidum kann im Sekundärstadium eine syphi-
litische Hepatitis auslösen. Im Tertiärstadium können syphilitische Gummen in der
Leber lokalisiert sein, die mit den bildgebenden Verfahren (Sonografie, CT, MRT)
nachweisbar sind.
Borreliosen: Sowohl bei der Lyme-Borreliose (Erreger: Borrelia burgdorferi) als
auch – in ausgeprägterer Form – beim Rückfallfieber (Erreger: Borrelia recurrentis
obermeieri) kann es zu einer Begleithepatitis mit Ikterus kommen.
Listeriose: Bei dieser Erkrankung durch das Bakterium Listeria monocytogenes,
das sich v. a. im Abfall, Wasser, Schlamm und in der Erde aufhält, kann eine granu-
lomatöse Hepatitis, die selbst keine wesentliche klinische Symptomatik auslöst, im
Rahmen einer Listerien-Meningoenzephalitis auftreten.
Bruzellose: Bei der Infektion mit Brucella abortus (Rind), Brucella suis (Schwein),
Brucella canis (Hund) und Brucella ovis (Schaf), die unter anderem zu Meningoen-
zephalitis und Pneumonie führen kann, reagiert die Leber mit histiozytären Granu-
lomen und fokalen Nekrosen.
Rickettsiosen: Die Leber kann bei den Rickettsiosen beteiligt sein: Rocky Mountain
Spotted Fever (Rickettsia rickettsii), Fleckfieber (Rickettsia prowazeki), Q-Fieber
(Coxiella burneti).
Tularämie (Hasenpest): Bei diesem hochfieberhaften Krankheitsbild (Erreger:
Francisella tularensis) kann es neben Meningitis, Pneumonie, Lymphknoten-
schwellungen und Lungenabszessen zu einer Hepatomegalie mit Lebergranulo-
men, Epitheloidzellen und Riesenzellen kommen. Auch Leberabszesse können auf-
treten.
Ornithose: Bei der Psittakose (Erreger: Chlamydia psittaci), die über Vogelkot auf
den Menschen übertragen wird, steht eine Pneumonie im Vordergrund mit mög-
licher Begleithepatitis.
Morbus Whipple: chronische bakterielle Dünndarmerkrankung (Erreger: Trophe-
ryma whipplei), die mit einer Leberbeteilung in Form von Granulomen verlaufen
kann (s. Kap. 4.13.5, Morbus Whipple).
Sepsis: Bei jeder Form der Sepsis tritt häufig eine Begleithepatitis auf, die cholesta-
tisch verlaufen kann.

7.6 Pilzerkrankungen

7.6.1 Candidiasis
Erreger Verschiedene Candida-Spezies: Candida albicans, C. glabrata, C. krusei, C. parapsi-
losis, C. tropicalis.

Pathologie Lebergranulome; Cholangitis; Mikroabszesse in Leber und Milz.

Klinische Uncharakteristische Symptomatik: Fieber, schlechter Allgemeinzustand.


Charakteristika Bei Leberbefall: fehlt sehr häufig eine spezielle Symptomatik.

Wegweisende ██ Pilzkultur; serologische Tests


Diagnostik ██ histologischer Nachweis
410  7 Leber

Zusatz­ Sonografie: Nachweis von Abszessen (Leber, Milz), die sich auch mittels CT/MRT
diagnostik abgrenzen lassen.

7.6.2 Aspergillose
Erreger Schimmelpilze: Aspergillus niger, A. terreus, A. flavus, A. nidulans.

Epidemiologie Eintrittspforte ist der Respirationstrakt, wo sich die Erkrankung primär manifes-
tiert (Aspergillom, Pneumonie).

Verlauf Bei Immunsuppression kann es zu einer Generalisation mit Befall der Leber (auch
Abszess) kommen.
Bei Lebertransplantierten ist ein Auftreten bis zu 10 % beschrieben.

7.6.3 Kryptokokkose
Erreger Cryptococcus neoformans.

Epidemiologie Erregerreservoir: Vogelkot


Aerogene Aufnahme über den Respirationstrakt (wie bei den Schimmelpilzen).

Verlauf Einzelne Verläufe mit Cholangitis, hepatitisähnlichem Bild und sogar mit einem
fulminanten Leberversagen sind in der Literatur beschrieben.

7.6.4 Andere Pilzerkrankungen


Blastomykose: Die Infektion mit Blastomyces dermatitidis (in Amerika) kann ei-
nen Befall der Leber und des Gallengangsystems auslösen.
Kokzidioidomykose: Der Fadenpilz (v. a. in Amerika endemisch) befällt in erster
Linie die Lunge, kann aber auch die Leber betreffen.
Histoplasmose: Die Infektion mit Histoplasma capsulatum ist ebenfalls eine pri-
märe Lungenerkrankung, die bei Aussaat auch eine hepatische Organmykose aus-
lösen kann.

7.7 Parasitäre Erkrankungen

7.7.1 Protozoonosen
██ Amöbenabszess

Siehe auch Amöben, Kap. 4.13.1.

Erreger Entamoeba histolytica, obligat pathogener Keim.

Epidemiologie Kommt gehäuft in subtropischen und tropischen Ländern vor; Infektion erfolgt
über verunreinigtes Wasser oder Lebensmittel.

Pathologie Leberamöbiasis: mit herdförmigen Leberzellnekrosen und Granulomen.


7.7 Parasitäre Erkrankungen  411

Leberabszess: solitär in 60 %, multipel in 40 %.

Klinische Symptome: Fieber, rechtsseitiger Oberbauchschmerz.


Charakteristika Anamnese: vorausgegangene Amöbenenteritis (in 20–30 % der Fälle).

Diagnostik Nachweis der Amöben (Histologie, Kultur, PCR):


██im Punktat (US-gesteuert) oder aus dem Rektum (Biopsie, Schleimhautabstrich)
██im Stuhl (nur in 10 % positiv!)

Antikörpernachweis:
██serologischer Nachweis von IgM-Antikörper gegen E. histolytica
██weitere serologische Tests (z. B. KBR, IHA, IIF)

Nachweis des Abszesses:


██Sonografie: echoarmer Bezirk
██CT: hypodenser Bezirk, nach Kontrastmittelgabe besser abgrenzbar
██MRT: Abszess ebenfalls gut darstellbar

Zusatz­ BSG (deutlich beschleunigt), Leukozytose, Anämie


diagnostik ██Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP)

Differenzial­ Pyogener Leberabszess.


diagnose
Therapie Nur in Ausnahmefällen (kapselnahe, sehr große Abszesse) Punktion oder Draina-
ge des Abszessinhalts indiziert. Gute Abheilung der Leberabszesse unter adäqua-
ter medikamentöser Therapie: Metronidazol für 5–10 Tage mit einer Dosis 3-mal
750 mg zur Abtötung der Amöben, obligat zusätzlich: Paromomycin gegen intralu-
minale Zysten im Darm (s. Kap. 4.13.1, Amöben) oder Diloxanidfuorat.
Operation: sehr selten indiziert.

Verlauf Gute Prognose (Letalität 1–3 %; bei Abszessperforationen aber ungünstiger Verlauf
(Letalität bis zu 30 %).

Literatur Burchard GD, Tannich E. Epidemiologie, Diagnostik und Therapie der Amöbiasis. Dtsch Ärztebl 2004; 101:
A3036–3040

██ Lambliasis

Siehe Giardia lamblia, Kap. 4.13.1.

Erreger Lamblia intestinalis (Giardia lamblia).

Epidemiologie Gehäuft in tropischen und subtropischen Regionen; auch Auftreten nach Tropen-
aufenthalt möglich.

Pathologie Nachweis von Granulomen; Cholangitis, Cholezystitis.

Klinische Rechtsseitiger Oberbauchschmerz, Diarrhö.


Charakteristika

Diagnostik Wegweisend: Nachweis der Lamblien im Duodenalsekret, aber auch in der Duo-
denalbiopsie sowie im Stuhl (Zysten, Giardia-Antigen).
412  7 Leber

Zusätzlich: GOT, GPT (können leicht erhöht sein), AP, γ-GT (bei Mitbeteiligung der
Gallenwege erhöht).

Therapie Metronidazol: 3-mal 250–500 mg p. o. über 7–10 Tage.

Therapie­ Tinidazol: 3-mal 800 mg/Tag p. o.


versagen Ornidazol: 2-mal 0,5–1,0 g/Tag als Alternative.

Verlauf Gute Prognose.

██ Leishmaniasis (Kala-Azar)

Erreger Leishmania donovani (häufigster Erreger).

Epidemiologie Kommt in Indien und Ostafrika vor; Infektion erfolgt über Sandfliegen.

Pathologie Befall der Kupffer-Zellen mit Leishmanien; rundzellige Infiltration der Portalfel-
der; Einzelzellnekrosen.

Klinische Fieber, Husten, Diarrhö, Lymphadenopathie, Hyperpigmentation (Gesicht, Hände),


Charakteristika Hepatomegalie.

Wegweisende Antikörpernachweis: serologisch (ELISA).


Diagnostik Erregernachweis: kultureller/mikroskopischer Nachweis in Leber- oder Lymph-
knotenbiopsie.
Zusatzdiagnostik: Anämie, Leukozytopenie; IgM und Gammaglobuline (stark er-
höht).

Therapie Natriumstiboglukonat in Kombination mit Megluminantimonat.

Verlauf Unbehandelt Letalität >80 %.

██ Malaria

Erreger Plasmodium malariae (Malaria quartana), Plasmodium vivax und Plasmodium


ovale (Malaria tertiana), Plasmodium falciparum (Malaria tropica).

Pathologie Proliferation der Kupffer-Zellen; braunes Malariapigment.

Klinische Typische Fieberschübe; Arthralgien, Kopfschmerzen; Ikterus.


Charakteristika

Diagnostik Wegweisend: Nachweis im Blutausstrich. spezifische Antikörper i. S.


Zusätzlich: Bilirubin (indirektes Bilirubin erhöht durch Hämolyse), LDH (erhöht),
Anämie, Thrombopenie.

Therapie Abhängig von Erreger und Resistenzlage.


7.7 Parasitäre Erkrankungen  413

██ Toxoplasmose

Erreger Toxoplasma gondii.

Epidemiologie Weite Verbreitung, hohe Durchseuchung (50 %).


Infektionsquelle: Kot infizierter Katzen, Fleisch infizierter Tiere.

Pathologie Entzündliche Infiltrate; Leberzellnekrosen.

Klinische Fieber; Hepatosplenomegalie; Lymphadenopathie.


Charakteristika

Wegweisende Antikörpernachweis: serologischer Nachweis von IgM-Antikörper gegen Toxo-


Diagnostik plasma.
Weitere Tests: Sero-Farbtest nach Sabin-Feldman, indirekter Immunfluoreszenz-
Test, indirekter Hämagglutinations-Test.

Therapie­ Nur bei schwerem Verlauf.


indikation

Therapie Pyrimethamin (Daraprim): 100–200 mg (Einzeldosis), anschließend 50–75 mg/


Tag, in Kombination mit Sulfadiazin (Sulfadiazin-Heyl) 4 g/Tag.
Folinsäure: 15 mg/Tag bei Pyrimethamin-Therapie.
Therapiedauer: 2–4 Wochen bei immunkompetenten Patienten, 4–8 Wochen bei
immundefizienten Patienten.

Verlauf Ungünstiger Verlauf bei immungeschwächten Patienten (z. B. AIDS) mit Befall des
ZNS (Enzephalitis), der Augen (Chorioretinitis) und der Lunge (Pneumonitis).

7.7.2 Helminthosen
Siehe Kap. 4.13.3, Andere Enteritiserreger: Bakterien, Pilze, Protozoen, Würmer.

██ Trematoden

Schistosomiasis
Erreger Leberbeteiligung bei 4 von 5 menschenpathogenen Arten: Schistosoma mansoni, S.
japonicum, S. intercalatum, S. mekongi.

Epidemiologie Weite Verbreitung in Afrika, Asien und Südamerika; ca. 250 Mio. Infizierte welt-
weit.

Pathologie Eosinophile Infiltrate; epitheloidzellige Granulome in Umgebung der Eier.

Klinische Akut: Fieber, Schüttelfrost, blutig-schleimige Diarrhöen, Zystitis.


Charakteristika Im weiteren Verlauf: Zeichen der portalen Hypertension (Aszites, Varizenblutung).

Diagnostik Nachweis der Eier im Stuhl und Rektumbiopsie; zusätzlich serologische Tests.

Assoziierte Hepatitis B (führt zur Progredienz der portalen Hypertension).


Erkrankungen
414  7 Leber

Therapie Praziquantel (Biltricide): 40 mg/kg KG als Einzeldosis (höhere Dosen bei S. japoni-
cum und S. mekongi notwendig).

Verlauf Leberbefall kann zur Fibrose und konsekutiver portalen Hypertension mit Vari-
zenblutung und Aszitesbildung führen. Das Auftreten eines hepatozellulären Kar-
zinoms geht fast immer auf die häufig koinzidente Hepatitis-B-Infektion zurück.

Clonorchiasis
Erreger Clonorchis sinensis (chinesischer Leberegel).

Epidemiologie Weite Verbreitung in China, Japan und Südostasien.

Pathologie Chronische Cholangitis, Fibrose.

Klinische Fieber, epigastrischer Oberbauchschmerz, leichter Ikterus.


Charakteristika
Wegweisende Nachweis der Eier im Stuhl oder Gallensaft.
Diagnostik Zusätzlich: Differenzialblutbild (ausgeprägte Eosinophilie), ERCP (Füllungsdefekte
im Gallengangsystem).

Therapie Praziquantel (Biltricide): 3-mal 25 mg/kg KG/Tag über 2 Tage.

Andere Trematoden
Fasciola hepatica (großer Leberegel): weltweite Verbreitung; nach Jahren kann
sich eine chronische Cholangitis oder biliäre Zirrhose entwickeln.
Opisthorchis felineus (sibirischer Leberegel): in Asien, auch in Europa verbreitet;
klinischer Verlauf wie bei Fasciola hepatica.
Fasciolopsis buski (großer Darmegel): in Ostasien verbreitet, Cholangitis und Le-
berabszesse können auftreten.

7.7.3 Nematoden
Askariasis
Erreger Ascaris lumbricoides (Spulwurm): 4 mm dick und bis zu 40 cm lang.

Epidemiologie Weltweite Verbreitung, v. a. in tropischen Ländern; ca. 800 Mio. Menschen befal-
len.

Klinische Rezidivierende Bauchschmerzen, Gewichtsabnahme, Gallenkoliken, Ikterus (sel-


Charakteristika ten).

Wegweisende Nachweis der Eier im Stuhl.


Diagnostik

Zusatz­ ██ Labor: Anämie, Eosinophilie im Differenzialblutbild


diagnostik ██ Sonografie: Nachweis des Wurms im Gallengangsystem
██ ERCP: Kontrastmittelaussparung im Gallengang
Therapie ██ Röntgen-Thorax

Pyrantel (Helmex): 10 mg/kg als Einzeldosis.


7.7 Parasitäre Erkrankungen  415

Weitere Medikamente: Levamisol, Piperazin, Mebendazol, Albendazol.

Verlauf Ein Leberabszess und eine sekundär biliäre Zirrhose können sich entwickeln.

Andere Nematoden
Toxocariasis: Eine Hepatomegalie kann bei der Infektion mit dem Hundespulwurm
auftreten.
Capillaria hepatica: Sehr seltene Wurmerkrankung, die zu einer Hepatomegalie
mit Nachweis von Granulomen führt.
Strongyloidiasis: Die Infektion mit dem Zwergfadenwurm kann eine Cholangitis
hervorrufen.
Pentastomiasis: Die Larven kapseln sich in der Leber ab und werden bei häufig
asymptomatischem Verlauf nur zufällig entdeckt.

██ Zestoden

Zystische Echinokokkose
Erreger Echinococcus granulosus (Hundebandwurm), bis zu 6 mm lang.

Epidemiologie Weite Verbreitung, vor allem in Viehzucht treibenden Ländern, Übertragung durch
orale Aufnahme der Echinokokkus-Eier von Hundekot oder -speichel.

Pathologie Nach Einwanderung der Larven in die Leber Bildung von Hydatiden (flüssigkeits-
gefüllten Zysten).

Klinische Abgeschlagenheit, Fieberschübe, Druckgefühl im Oberbauch.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis der Zysten mit Tochterzysten


Diagnostik ██ CT: Nachweis von Verkalkungen
██ serologische Tests: ELISA, indirekte Hämagglutination/Immunfluoreszenz in ca.
85 % positiv

Therapie Operatives Vorgehen: Methode der Wahl; verschiedene Techniken sind Perizys-
tektomie, partielle Hepatektomie, Zystektomie mit Omentumplastik.
PAIR (Punktion-Aspiration-Instillation-Reaspiration): Punktion der Zyste(n), Eva-
kuation und Instillation von 95 % Ethanol (ca. ein Drittel des aspirierten Volumens),
wird zunehmend v. a. in der Dritten Welt und bei Kontraindikationen der Opera-
tion angewandt.
Chemotherapie (isoliert oder kombiniert mit Operation/PAIR): Albendazol (Eska-
zole) 10–15 mg/kg KG/Tag p. o. oder Mebendazol (Vermox) 40–50 mg/kg KG/Tag p. o.

Verlauf Häufig asymptomatischer Verlauf über Jahre; insgesamt relativ gute Prognose bei
adäquater Therapie, Diagnosestellung oft erst bei Auftreten von Komplikationen:
██Kompression des Gallengangsystems: Ikterus
██Zystenperforation in Pleura, Lunge, Perikard, Peritonealhöhle, Duodenum, Ma-
gen oder Kolon: Urtikaria, anaphylaktischer Schock

Literatur Kern P, Reuter S, Buttenschoen K, Kratzer W. Diagnostik der zystischen Echinokokkose. DMW 2001; 126:
20–23
Kern P, Reuter S, Kratzer W, Buttenschoen K. Therapie der zystischen Echinokokkose. DMW 2001; 126:
51–54
416  7 Leber

Kern P. Echinococcus granulosus infection: clinical presentation, medical treatment and outcome. Langen-
becks Arch Surg 2003; 388: 413–420
Mbaya N, Gevensleben H, Büttner R. Zystische versus alveoläre Echinokokkose. Gastro Up2Date 2009; 5:
170–174

Alveoläre Echinokokkose
Erreger Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm).

Epidemiologie Prävalenz: ca. 0,5 Fälle pro 100 000 Einwohner in Süddeutschland, 80–200 Fälle
pro 100 000 Einwohner in Russland, China.
Höheres Infektionsrisiko bei der ländlichen Bevölkerung, da Bandwurmeier in der
Natur sehr widerstandsfähig; keine Infektion von Mensch zu Mensch.

Klinische Epigastrische Beschwerden, Ikterus, Gewichtsabnahme.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: unscharf begrenzter, inhomogener Bezirk, häufig zentral im rechten


Diagnostik Leberlappen, wie infiltrierender Tumor (in 30 % Verkalkungen)
██ CT: zusätzlich Verkalkungen nachweisbar
██ MRT: Darstellung der Feinstrukturen
██ serologische Verfahren: Enzymimmuntests (ELISA), indirekte Hämagglutinati-
on (IHA), indirekte Immunfluoreszenz (IFT)
██ Erregernachweis: histopathologische Aufarbeitung des Operationsmaterials,
Nachweis im Biopsiematerial schwierig

Differenzial­ Hämangiom, hepatozelluläres Karzinom, Metastase, zystische Echinokokkose.


diagnose

Therapie Operation: Segmentresektion, Hemihepatektomie; palliative Resektionen sinnlos.


Chemotherapie:
██Albendazol (Escazole) 10–15 mg/kg KG/Tag in 2 Einzeldosen bzw. Mebendazol
(Vermox) 50 mg/kg KG/Tag in 3 Einzeldosen; beide Medikamente gleichwertig
██2-jährige Nachbehandlung nach kurativer Operation; lebenslange Therapie bei
Inoperabilität, nach palliativen Eingriffen, nach Lebertransplantation

Therapie­ Lebertransplantation: bei Leberhilusbeteiligung, sekundär biliärer Zirrhose, Budd-


versagen Chiari-Syndrom; schlechte Ergebnisse wegen hoher Rezidivrate.

Verlauf 10-Jahres-Überlebensrate früher 6–25 %, heute 80 %.

Literatur Kern P, Kratzer W, Reuter S. Alveoläre Echinokokkose: Diagnostik. DMW 2000; 125: 59–62
Kern P, Reuter S, Kratzer W et al. Alveoläre Echinokokkose: Therapie. DMW 2000; 126: 87–89
Kern P, Wen H, Sato N et al. WHO classification of alveolar echinococcosis: principles and application. Para-
sitol Int 2006; 55 (Suppl.): S283–287
Kratzer W, Reuter S, Hirschbuehl K et al. Comparison of contrast-enhanced power Doppler ultrasound (Le-
vovist) and computed tomography in alveolar echinococcosis. Abdom Imaging 2005; 30: 286–290
Mbaya N, Gevensleben H, Büttner R. Zystische versus alveoläre Echinokokkose. Gastro Up2Date 2009; 5:
170–174
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  417

7.8 Hereditäre Lebererkrankungen

7.8.1 Krankheiten des Kohlenhydratstoffwechsels


██ Glykogenspeicherkrankheiten (Glykogenosen)

Definition Angeborene Erkrankungen, die aufgrund verschiedener Enzymdefekte zu einer ab-


normen Akkumulation von Glykogen führen.

Einteilung Typen I bis X (Tab. 7.1).

Tab. 7.1 Typ Enzymdefekt


Ein­teilung der
Typ I (van Gierke) Ia Defekt der Glukose-6-Phosphatase
Glykogenosen.
Ib Defekt der Translokase für Glukose-6-Phosphatase
(­ endoplasmatisches Retikulum)

Ic Defekt der mikrosomalen Phosphat-/Pyrophosphat-Translokase

Id Defekt des Glukosetransports

Typ II (Pompe) Mangel an lysosomaler α1,4-Glukosidase

Typ III (Cori) Mangel an Amylo-1,6-Glukosidase

Typ IV (Anderson) Mangel an Amylo-1,4–1,6-Transglukosidase

Typ V (McArdle) Mangel an Glykogen-Phosphorylase im Muskel

Typ VI (Hers) Mangel an Glykogen-Phosphorylase in der Leber

Typ VII–X extrem selten, keine Lebermanifestation

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.

Epidemiologie Inzidenz 1:20 000–40 000 Geburten.

Glykogenose Typ I (Van Gierke)


Pathologie Hepatozyten mit viel Glykogen und mittelgroßen bis großen Fettvakuolen; deut-
liche Vergrößerung der Zellkerne durch Glykogeneinlagerung; in der Regel keine
Fibrose.

Klinische Hypoglykämie, Laktatazidose, Hyperlipidämie mit Haut- und Sehnenxanthomen;


Charakteristika Leber- und Nierenvergrößerung; Muskelschwäche, Gicht, Kleinwuchs.

Wegweisende ██ Glukagontest: fehlender/inadäquater Anstieg der Serumglukose, Anstieg des


Diagnostik Laktats
██ Messung der Enzyme im Leberbiopsat
██ Serumlaktat: erhöht, differenzialdiagnostisch wichtig in Abgrenzung zur Gly-
kogenose Typ III

Zusatz­ Harnsäure, Hyperurikämie.


diagnostik
418  7 Leber

Therapie Glukose: kontinuierliche Gabe, z. B. über nasogastrale Sonde.

Therapie­ Lebertransplantation.
versagen

Verlauf Manifestation: bereits nach 3–4 Monaten, selten erst im jugendlichen Alter.
Niereninsuffizienz: zunehmend durch fokal-noduläre Glomerulosklerose.
Pulmonale Hypertonie: selten.
Leberadenome: als Langzeitkomplikation auftretend mit Wachstumstendenz und
Gefahr der Ruptur und maligner Transformation.
Prognose: durch metabolische Kontrolle deutlich besser.

Glykogenose Typ II (Pompe)


Pathologie Ablagerung von Glykogen in Herz und Leber.

Klinische Muskelschwäche; Makroglossie, Kardio-, Hepatomegalie (geringgradig); Hyperli-


Charakteristika pidämie.

Wegweisende Enzymbestimmung in Leber- oder Muskelbiopsie.


Diagnostik

Therapie Keine spezielle Therapie.

Verlauf Manifestation: im Säuglingsalter (Herzinsuffizienz) oder im Kindes- oder Erwach-


senenalter.
Verlauf: von Herzversagen, Pneumonie und respiratorischer Insuffizienz abhängig.

Glykogenose Typ III (Cori)


Pathologie Glykogenkerne (Lochkerne), Leberzellverfettung, periportale Fibrose, Zirrhose
(sehr selten).

Subtypen Subtyp Forbes (Typ IIIa): betroffen sind 85 %, Glykogenablagerung in Herz, Leber
und Muskel.
Subtyp Forbes-Hers (Typ IIIb): betroffen sind 15 %, Glykogenablagerung nur in der
Leber.

Klinische Hepatomegalie, Hypoglykämie, Wachstumsretardierung.


Charakteristika

Wegweisende ██ Glukagontest: Anstieg der Serumglukose 2 h nach kohlenhydratreicher Mahl-


Diagnostik zeit, fehlender Anstieg der Glukose nach nächtlichem Fasten
██ Enzymbestimmung in Leber- oder Muskelbiopsie

Zusatz­ ██ Transaminasen: mäßig erhöht


diagnostik ██ Hyperlipidämie
██ Serumlaktat: normal; differenzialdiagnostisch wichtig in Abgrenzung zur Gly-
kogenose Typ I

Therapie Symptomatische Therapie: kohlenhydratreiche Mahlzeiten, Maisstärke (u. U. Son-


denernährung).

Verlauf Von der Entwicklung der Kardiomyopathie abhängig.


7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  419

Glykogenose Typ IV (Anderson)


Pathologie Vergrößerte Hepatozyten mit Glykogenvakuolen; mikronoduläre Zirrhose mit
breiten Bindegewebssepten und Zerstörung der Leberarchitektur; Gallengangpro-
liferationen.

Klinische Manifestation: nach 3–15 Monaten mit Hepatosplenomegalie, unspezifischen gas-


Charakteristika trointestinalen Symptomen, Zeichen der portalen Hypertension.

Wegweisende Enzymbestimmung in der Leberbiopsie.


Diagnostik

Therapie Lebertransplantation: ermöglicht normales Wachstum.

Verlauf Rasche Entwicklung einer Zirrhose mit Komplikationen; unbehandelt letaler Ver-
lauf innerhalb von 3 Jahren.

Glykogenose Typ V (McArdle)


Klinische Muskelschwäche, schnelle Erschöpfung; keine Lebermanifestation.
Charakteristika

Wegweisende Enzymbestimmung in der Muskelbiopsie.


Diagnostik

Verlauf Gute Prognose.

Glykogenose Typ VI (Hers)


Klinische Hypoglykämie, geringe Hepatomegalie; nur bei längeren Fastenperioden.
Charakteristika

Wegweisende Enzymbestimmung in den Leukozyten.


Diagnostik

Therapie Vermeidung von Hypoglykämien durch häufige, kleine Mahlzeiten.

Verlauf Gute Prognose.

Literatur Donner MG, Erhardt A, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber. Teil 2. Glykogenosen, hereditäre
Fruktoseintoleranz, Galaktosämien und hepatische Porphyrien. Dtsch Med Wschr 2010; 135: 2540–2547

██ Galaktosämie

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an Galaktose-1-Phosphat-Uridyl-


Transferase beruht und zu einer Akkumulation von Galaktose-1-Phosphat führt.

Patho­ Die Akkumulation von Galaktose-1-Phosphat führt zu einer vermehrten Produkti-


mechanismus on von Galaktitol, das eine Katarakt auslöst, und zu einem Mangel an intrazellulä-
ren Energiesubstraten (z. B. ATP).

Epidemiologie 1:10 000–60 000 Geburten.

Klinische Manifestation: meist sehr früh nach der Geburt, späte Manifestation im Erwachse-
Charakteristika nenalter ebenfalls beschrieben.
420  7 Leber

Symptome: Erbrechen, Diarrhö, Ikterus, Zeichen der Sepsis.

Wegweisende Bestimmung der Galaktose-1-Phosphat-Uridyl-Transferase in Erythrozyten.


Diagnostik

Therapie Galaktosefreie Ernährung.

Verlauf Frühe Diagnose für den Verlauf entscheidend.


Durch die Ernährung kann die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines hepa-
tozellulären Karzinoms verhindert werden. Allerdings können auch bei richtiger
Ernährung in bis zu 70 % der Fälle eine Lernschwäche und andere psychologische
Störungen auftreten. Bei Mädchen kommt es in 90 % zu einem hypergonadotropen
Hypogonadismus.

██ Fruktoseintoleranz

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an Aldolase B beruht und zu einer
Akkumulation von Fruktose-1-Phosphat führt.

Patho­ Akkumulation von Fruktose-1-Phosphat führt zu einem Verbrauch von Phosphat


mechanismus und zu einer Abnahme des intrazellulären ATP. Die weiteren Folgen sind: Hem-
mung der Glukoneogenese (Hypoglykämie!), Anstieg des Laktats, Verminderung
der Proteinbiosynthese, Funktionsstörungen der proximalen Tubuluszellen in der
Niere.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, Mutation auf Chromosom 9.

Epidemiologie 1:20 000 Geburten (Schweiz).

Klinische Bauchschmerzen, Erbrechen, Hypoglykämie.


Charakteristika

Wegweisende ██ Gentest: kann 2 Mutationen nachweisen, die in 80 % der Fälle für die Erkrankung
Diagnostik verantwortlich sind
(Diagnose ██ Fruktosebelastungstest: bei negativem Gentest; orale Gabe von 200 mg Fruk-
auch erst im tose pro kg KG, Messung der Glukose und des Phosphats im Serum über ca. 3 h
Erwachsenen­ (pathologisch: Glukose <40 mg/dl, Phosphat <1,5 mg/dl)
alter ██ Bestimmung der Aldolase in der Leberbiopsie: bei negativem Gentest und nicht
beschrieben) eindeutigem Fruktosebelastungstest

Therapie Fruktose- und sorbitfreie Ernährung. Cave: keine fruktose- oder sorbithaltigen In-
fusionslösungen verwenden!

Verlauf Die fruktosefreie Ernährung kann die Entwicklung einer Zirrhose verhindern. Bei
Ernährungsfehlern können eine Leberfibrose, -zirrhose und ein hepatozelluläres
Karzinom entstehen.

7.8.2 Alpha1-Antitrypsin-Mangel
Definition Genetisch determinierter Mangel an Alpha1-Antitrypsin, einem wichtigen Prote-
ase-Inhibitor.
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  421

Patho­ Das normale Alpha1-Antitrypsin (normaler Phänotyp PiMM) gehört zu den Akut-
mechanismus phaseproteinen, hat eine Halbwertszeit von ca. 4,5 Tagen und hemmt Trypsin, Chy-
motrypsin, pankreatische Elastase, Kollagenase, Renin und Urokinase. Der Mangel
des normalen Alpha1-Antitrypsins und die Synthese eines abnormen Alpha1-Anti-
trypsins führen zu einer Akkumulation des abnormen Proteins und zu einem ver-
änderten Abbau des Proteins.
Bei homozygoten Trägern (PiZZ) ist ca. 5 % der normalen Aktivität vorhanden. Die
Lebererkrankung korreliert mit der intrazellulären Proteinakkumulation und ist
anders als die Lungenveränderungen nicht invers korreliert mit den Serumspie-
geln.

Pathologie Globuläre Ablagerungen in den periportal gelegenen Hepatozyten (PAS-positiv),


geringe lymphozytäre Infiltration, Gallengangproliferationen, makronoduläre Zir-
rhose.

Genetik Defekt des SERPINA1-Gens auf dem Chromosom 14. Es sind über 100 Allelvarian-
ten bekannt, wobei nur wenige Kombinationen zu Leber- oder Lungenerkrankun-
gen führen.
██homozygote Defektallele: PiZZ, PiZnull, PiPP, PiWW, Pinull, PiMmalton
██heterozygote Defektallele: PiMS, PiMZ, PiSZ, PiFZ, PiMnull
Phänotypische Expression sehr unterschiedlich:
██sehr frühe Manifestation mit neonataler Hepatitis/Cholestase
██sehr späte Manifestation mit Lungenemphysem beim Erwachsenen

Epidemiologie Häufigkeit des homo-/heterozygoten Trägerstatus bei Neugeborenen:


██PiZZ: 1:4000–10 000 (am häufigsten in Nord-, Mitteleuropa, Nordamerika; sehr
viel seltener in Südeuropa, Afrika, Asien)
██PiMZ: 1:100
██PiMS: 1:2000–5000

Klinische Säuglingsalter: Ikterus, Hepatomegalie.


Charakteristika Erwachsenenalter (wie bei Zirrhosen anderer Ätiologie): Müdigkeit, Leistungs-
schwäche, Oberbauchschmerzen, Aszites, obere gastrointestinale Blutung, Spleno-
megalie, Ikterus, pulmonale Symptome (Lungenemphysem).

Wegweisende ██ Alpha1-Antitrypsin im Serum: Erniedrigung auf Werte unter 20 % ist Hinweis für
Diagnostik homozygoten Typ, auf 40–70 % Hinweis für heterozygoten Typ
██ Alpha1-Globulin-Fraktion: Erniedrigung
██ Phänotypisierung des Alpha1-Antitrypins: (in Speziallabors)
██ Leberpunktion/(Mini-)Laparoskopie

Zusatz­ ██ Gerinnung (Quick-Wert); Albumin, Bilirubin


diagnostik ██ GOT: Erhöhung bei 20–40 % der Patienten mit PiZZ
██ Lungenfunktion

Therapie Rauchverbot: deshalb Erkennung von asymptomatischen Genträgern sinnvoll.

Therapie­ Substitution von Alpha1-Antitrypsin (inhalativ): bei Patienten mit PiZZ-Phäno-


versagen typ und schwerer Lungenbeteiligung günstig; aber: Substitution bei Leberzirrhose
nicht sinnvoll, da das Ausmaß des Leberschadens nicht mit dem Serumspiegel kor-
reliert, sondern mit der Akkumulation im endoplasmatischen Retikulum.
422  7 Leber

Lebertransplantation: gute Indikation bei fortgeschrittener Zirrhose und Leberzell­


insuffizienz, 5-Jahres-Überlebensrate ca. 83 % (bei Kindern).

Verlauf Bei homozygoten Trägern (PiZZ) kommt es in 10 % zu einer neonatalen Cholesta-


se, in weiteren 5 % zur Manifestation der Lebererkrankung während der Kindheit,
15–30 % entwickeln eine Leberzirrhose.

Langzeit­ Hepatozelluläres Karzinom bis zu 30 % bei PiZZ.


komplikationen

Literatur Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488

7.8.3 Mukoviszidose
Synonym Zystische Fibrose.

Definition Autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die auf einem Defekt des Chloridtrans-
ports durch die Zellmembran verschiedener sekretorischer Drüsen und Epithelien
beruht.

Patho­ Gendefekt am Chromosom 7 führt zur Modifikation des Membranproteins Cystic


mechanismus Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR). Zwei Folgen:
██Sekrete mit hoher NaCl-Konzentration
██muzinöse Sekrete dickflüssig, viskös (Obstruktion von Ausführungsgängen)

Pathologie Obstruktion der Ductuli durch eosinophile Schleimpfröpfe; zentrilobuläre Verfet-


tung; Gallengangproliferationen; fokale biliäre Zirrhose; hypoplastische Gallen-
blase; Cholezystolithiasis (bei ca. 20 %).

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.


Gendefekt: am langen Arm des Chromosoms 7 (>400 Mutationen bekannt, bei
zwei Dritteln der Fälle Mutation ΔF 508), führt zur Modifikation des CFTR-Mem-
branproteins.
Leberbeteiligung: keine bestimmte Mutation zuzuordnen; in manchen Familien
gehäuft vorkommend, ebenfalls häufiger bei Kindern mit Mekoniumileus, bei be-
stimmten HLA-Antigenen, bei exokriner Pankreasinsuffizienz.

Epidemiologie Inzidenz bei 1:1800–3000 bei weißer Bevölkerung (sehr viel seltener bei anderen
Ethnien). Leberbeteiligung max. 25 %.

Klinische Mekoniumileus, Zeichen der Maldigestion (exokrine Pankreasinsuffiziens); rezidi-


Charakteristika vierende respiratorische Infektionen.
Bei Leberbeteiligung: Steatosis hepatis (ca. 30 %) als Ausdruck der katabolen Stoff-
wechsellage, Hepatomegalie (ca. 10 %), Splenomegalie (ca. 3 %), Schrumpfgallen-
blase (ca. 30 %).

Wegweisende ██ quantitative Pilokarpin-Iontophorese: Messung der Natrium- und Chlorid-Kon-


Diagnostik zentrationen im Schweiß, >60 mmol/l pathologisch
██ „Schweißplatten-Test“ (Shwachman-Test)
Zusatz­
diagnostik ██ GOT, GPT: in ca. 20 % erhöht
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  423

██ Sonografie: Nachweis der Schrumpfgallenblase; Nachweis der Hepatomegalie,


Steatose und Zeichen der Zirrhose

Differenzial­ Im Säuglingsalter: Differenzialdiagnose der neonatalen Cholestase/des neonata-


diagnose len Ikterus.
Im Erwachsenenalter (Diagnosestellung in 3 % nach 18. Lebensjahr): Differenzial-
diagnose der Leberfibrose/-zirrhose.

Therapie­ Bei cholestatischer Leberbeteiligung (relativ selten) gegeben.


indikation

Therapie Allgemein: hochkalorische Ernährung, Pankreasenzyme, antibiotische Therapie


der Bronchitiden, Substitution von fettlöslichen Vitaminen und Taurin.
Bei Leberbeteiligung: Ursodeoxycholsäure (z. B. Ursofalk) 15–30 mg/kg KG, als The-
rapieversuch sinnvoll, in einzelnen Studien als wirksam beschrieben.
Gentherapie: somatischer Gentransfer (CFTR-Gen) denkbar (erste Untersuchun-
gen im Tiermodell mit Adenoviren als Vektor).

Verlauf Verbesserung der Lebenserwartung in den letzten Jahren (1983 Erwachsenenan-


teil bei 16,7 %, jetzt bei ca. 35 %). Lebenserwartung bei männlichen Patienten (ca.
28 Jahre) günstiger als bei weiblichen (ca. 19 Jahre).

Langzeit­ Leberzirrhose mit portaler Hypertension; in ca. 2,5 % der Fälle Tumoren der Leber
komplikationen und des Gallengangsystems bei sonst gleichem Karzinomrisiko.

Selbsthilfe Mukoviszidose e. V., Bendenweg 101, 53121 Bonn, Tel. 0228/987800, Fax
0228/9878077; E-mail: mukoviszidose@t-online.de; www. meb.uni-bonn.de/mu-
koviszidose.

Literatur Elkins MR, Robinson M, Rose BR et al. A controlled trial of long-term inhaled saline in patients with cystic
fibrosis. N Engl J Med 2006; 354: 229–240

7.8.4 Störungen des Aminosäurenstoffwechsels


██ Hereditäre Tyrosinämie

Definition Typ 1: autosomal rezessiver Defekt der Fumarylacetoacetat-Hydrolase.


Typ 2: verminderte Aktivität der Tyrosintransferase, Überlappung mit der physio-
logischen neonatalen transitorischen Hypertyrosinämie (hier nicht weiter bespro-
chen).

Patho­ Akkumulation toxischer Vorstufen in Leber und Niere: Maleylacetoacetat, Fuma-


mechanismus rylacetoacetat.

Pathologie Zellverfettung; Nekrosen; Fibrose; Regeneratknoten; mikro-/makronoduläre Zir-


rhose.

Genetik Gendefekt auf Chromosom 15, autosomal-rezessiver Erbgang.

Epidemiologie Sehr selten (Inzidenz 1:100 000 Geburten).


424  7 Leber

Klinische Akute Verlaufsform (bei Neugeborenen): Erbrechen, Diarrhö; Ödeme, Aszites; He-
Charakteristika patomegalie, Hypalbuminämie, Hypoglykämie; Gerinnungsstörungen; Fanconi-
Syndrom (Schädigung des proximalen Tubulus), Glukosurie, Aminoazidurie, Phos-
phaturie, renale tubuläre Azidose.
Chronische Verlaufsform (Manifestation häufig erst mit 5–10 Jahren): Hepatome-
galie, Zeichen der Leberzellinsuffizienz; Polyneuropathie; Fanconi-Syndrom.

Diagnostik Wegweisend:
██Succinylaceton: Bestimmung im Urin (um Faktor 3–40 erhöht)
██Fumarylacetoacetat-Hydrolase: Bestimmung in Leukozyten, Fibroblasten und Le-
bergewebe
Zusätzlich:
██Albumin: erniedrigt
██α-Fetoprotein: stark erhöht

Therapie ██ tyrosinarme Ernährung


██ orale Gabe von 2-(2-nitro-4-trifluoromethylbenzoyl)-1,3-Cyclohexanedione
(NTBC)
██ bei Therapieversagen: Lebertransplantation (bereits ab dem 2. Lebensjahr)

Verlauf In der Regel tödlicher Verlauf innerhalb eines Jahres (1-Jahres-Überlebensrate


10 %). Als Langzeitkomplikation: hepatozelluläres Karzinom (fast 100 % bei chro-
nischem Verlauf).

7.8.5 Störungen des Harnstoffzyklus


Definition Sehr seltene, angeborene Erkrankungen, die auf einem Mangel an einem der Enzy-
me des Harnstoffzyklus beruhen:
██Typ 1: Mangel an Ornithincarbamoyl-Transferase
██Typ 2: Mangel an Argininosuccinat-Synthetase
██Typ 3: Mangel an Argininosuccinat-Lyase
██Typ 4: Mangel an Arginase

Patho­ Bei allen Typen kommt es zu einer Hyperammonämie, die für die neurologischen
mechanismus Symptome verantwortlich ist.

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang beim Typ 1, autosomal-rezessiv bei Typ 2–4.

Epidemiologie Sehr selten, Typ 1 mit >100 Fällen in der Literatur am häufigsten vorkommend.

Klinische Beim Säugling: Erbrechen, Hyperventilation, Hypothermie.


Charakteristika Bei Spätmanifestation im Kindesalter: Erbrechen, Somnolenz.

Diagnostik ██ Ammoniak: im Blut erhöht


██ Aminosäuren: veränderte Konzentrationen im Serum und Urin (vom Enzymde-
fekt abhängig)

Therapie ██ Proteinrestriktion (0,5–0,7 g/kg KG/Tag)


██ Gabe von Benzoat (0,1–0,25 g/kg KG/Tag) oder Natriumphenylacetat (0,3–0,5 g/
kg KG/Tag)
██ bei Therapieversagen Hämodialyse
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  425

7.8.6 Lipidspeicherkrankheiten
██ Wolman-Krankheit

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an lysosomaler Lipase beruht.

Patho­ Durch den Enzymmangel (bei Homozygoten auf 1–10 % der Norm reduziert)
mechanismus kommt es zu einer exzessiven Speicherung von Cholesterinestern und Triglyzeri-
den in verschiedenen Organen (Leber, Haut, Nervensystem).

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, Mutation auf Chromosom 10.

Epidemiologie Sehr selten, nur ca. 40 Fälle publiziert.

Klinische Frühe Manifestation im 1. Lebensjahr mit Erbrechen, Steatorrhö, Hepatospleno-


Charakteristika megalie.

Diagnostik ██ Enzymbestimmung in Leukozyten


██ Leberhistologie
██ charakteristische elektronenmikroskopische Befunde

Therapie Symptomatisch.

Verlauf Sehr schlechte Prognose durch rasche Entwicklung einer Zirrhose mit portaler Hy-
pertension, häufig letaler Verlauf im 1. Lebensjahr.

██ Cholesterinester-Speicherkrankheit

Definition Angeborene Erkrankung, die wie die Wolman-Krankheit auf einem Mangel an ly-
somaler Lipase beruht (mildere Form).

Patho­ Wie Wolman-Krankheit (s. o.).


mechanismus

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, Mutation auf Chromosom 10.

Epidemiologie Noch seltener als die Wolman-Krankheit.

Klinische Manifestation später als bei der Wolman-Krankheit (nach ca. 5 Jahren), im We-
Charakteristika sentlichen mit Hepatomegalie.

Diagnostik Wie Wolman-Krankheit (s. o.).

Therapie ██ HMG-CoA-Reduktase-Hemmer: Reduktion der Serumspiegel von Cholesterin,


Triglyzeriden
██ Bei Therapieversagen Lebertransplantation in Einzelfällen beschrieben

Verlauf Häufig Entwicklung einer mikronodulären Zirrhose.


426  7 Leber

██ Zerebrotendinöse Xanthomatose

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Mangel an der mitochondrialen 27-Hyd-
roxylase beruht.

Patho­ Enzymdefekt führt zu einer Ablagerung von Cholestanol in verschiedenen Organen


mechanismus (Sehnen, Nervensystem).

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, verschiedene Mutationen auf Chromosom 2 nach-


gewiesen.

Klinische ██ Psychiatrische Symptome: Verhaltensstörungen, Demenz.


Charakteristika ██ Neurologische Symptome: Epilepsie, motorische Störungen.
██ Allgemeine Symptome: Xanthome an den Sehnen.

Wegweisende ██ klinisches Bild


Diagnostik ██ glukuronidierte Gallealkohole: Nachweis im Serum und Urin
██ Gentest

Therapie ██ Chenodesoxycholsäure (z. B. Chenofalk) in Dosierung 750 mg/Tag (wirkt über


Feedback-Hemmung der Gallensäurensynthese)
██ HMG-CoA-Reduktase-Hemmer

Verlauf Der klinische Verlauf wird durch die schwere neurologische Symptomatik be-
stimmt.

██ Abetalipoproteinämie

Siehe Kap. 4.22, Abetalipoproteinämie.

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einem Gendefekt des mikrosomalen Triglyze-
ridtransfer-Proteins (MTP) beruht und zu einer mangelnden Exozytose von Lipo-
proteinen führt.

Patho­ Der MTP-Mangel verhindert den intrazellulären Transport der Lipide mit Apopro-
mechanismus tein B vom rauen endoplasmatischen Retikulum zum Golgi-Apparat, was einen
Abbau des Apolipoproteins nach sich zieht und die Lipide intrazellulär (Hepatozyt,
Enterozyt) akkumulieren lässt.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, Gen auf Chromosom 2 lokalisiert.

Epidemiologie Sehr selten.

Klinische Abdominal: Diarrhö, Hepatosplenomegalie.


Charakteristika Neurologisch: Ataxie, Intentionstremor, Dysdiadochokinese.

Diagnostik ██ Cholesterin: <40 mg%


██ Triglyzeride: <10 mg%
██ zusätzlich Ösophagogastroduodenoskopie: „schneeweißes Duodenum“

Therapie Ernährung mit mittelkettigen Fettsäuren (MCT-Kost), Gabe von Vitamin A und E.
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  427

Verlauf In Einzelfällen wurde die Progression der Lebererkrankung zur Leberzirrhose be-
obachtet. In einem Einzelfall wurde von einer Lebertransplantation berichtet.

██ Morbus Gaucher

Definition Angeborene Erkrankung, die auf einer verminderten Aktivität der lysosomalen
β-Glukozerebrosidase beruht und zu einer Akkumulation von Glukozerebrosid in
verschiedenen Organen führt.

Patho­ Der Enzymdefekt begrenzt den Abbau der Sphingolipide bis zum Glukozerebrosid,
mechanismus das von den Makrophagen (Gaucher-Zellen) in verschiedenen Organen (Milz, Le-
ber, Knochenmark, Lymphknoten) gespeichert wird.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, verschiedene Mutationen auf Chromosom 1 nach-


gewiesen.

Epidemiologie 1:50 000–60 000 Geburten, damit die häufigste lysosomale Speicherkrankheit.

Klinische Chronisch viszerale Verlaufsform (früher: Typ 1):


Charakteristika ██Manifestation im Erwachsenenalter
██Hepatosplenomegalie; Knochenschmerzen, Spontanfrakturen

Akute neuronopathische Verlaufsform (früher: Typ 2):


██Manifestation bereits nach 6 Monaten
██Splenomegalie
██neurologische Manifestation: Spastik, Apathie, Debilität
██Tod durch Infektionen

Chronische neuronopathische Verlaufsform (früher: Typ 3):


██Manifestation im Kindesalter
██Hepatosplenomegalie
██neurologische Symptome wie bei der akuten neuronopathischen Verlaufsform

Diagnostik ██ Enzymbestimmung (Glukozerebrosidase) in Leukozyten


██ evtl. Leberhistologie

Therapie Substitution des Enzyms: i. v.-Infusion von Imiglucerase (max. 60 IE/kg KG alle 14
Tage). Alternative: Seit 2010 ist in Deutschland Velaglucerase zugelassen.
Bei Unverträglichkeit: Orale Substratreduktionstherapie mit Miglustat.
Lebertransplantation: in Einzelfällen erfolgreich mit dramatischer Rückbildung
der Glukosylceramidablagerungen.
Gentherapie: im experimentellen Stadium.

Literatur Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
428  7 Leber

7.8.7 A
 ngeborene Störungen der Gallenwege und
der Gallenbiosynthese
██ Gallensäure-Biosynthesestörung

Definition Angeborene Stoffwechselstörungen, die auf einem Enzymdefekt beruhen (Zere-


brotendinöse Xanthomatose, s. o.) oder auf einer peroxisomalen Funktionsstörung
(z. B. Zellweger-Syndrom).

Klinische Beim Zellweger-Syndrom Schädel- und Gesichtsanomalien, Hepatosplenomegalie,


Charakteristika Ikterus.

Verlauf Unter den Zeichen einer cholestatischen Lebererkrankung entwickelt sich rasch
eine Zirrhose. In der Regel sterben die Kinder bereits während des 1. Lebensjahrs.

██ Byler-Syndrom

Synonym Progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC).

Definition Sehr seltene, angeborene Erkrankung, die zu einer zunehmenden Cholestase mit
Ikterus führt.

Patho­ Reduzierte Gallensäurensekretion primärer Gallensäuren über die kanalikuläre


mechanismus Membran.

Pathologie Zu Beginn erhaltene Läppchenarchitektur, minimale Fibrose in den Portalfeldern,


selten Gallengangproliferationen; später Zeichen der biliären Zirrhose.

Genetik Autosomal-rezessiv vererbte Störung; charakterisierter Genlokus auf Chromosom


18 bzw. ähnlicher/gleicher Genlokus wie bei der benignen rekurrierenden intra-
hepatischen Cholestase.

Epidemiologie Manifestation meist nach 1–10 Lebensmonaten.

Klinische Im Säuglingsalter: Ikterus, Juckreiz, Hepatomegalie, Steatorrhö, Cholelithiasis,


Charakteristika Mangel an fettlöslichen Vitaminen, verzögerte sexuelle Entwicklung, Husten.

Wegweisende ██ intrahepatische Cholestase: fortschreitend ohne Nachweis einer anderen


Diagnostik Krankheit
██ Gallengänge: normale intra- und extrahepatische Gallengänge bzw. normale
Zahl an interlobären Gallengängen

Zusatz­ ██ Transaminasen: erhöht


diagnostik ██ Gesamtbilirubin: erhöht bis zu 50 mg/dl, Anteil des direkten Bilirubins mindes-
tens 50 %
██ γ-GT: nur leicht erhöht

Differenzial­ Benigne rekurrierende Cholestase Typ Summerskill-Tygstrup: schubartig verlau-


diagnose fende, in jedem Lebensalter sich manifestierende Erkrankung mit erhöhtem kon-
jugiertem Bilirubin (bis 50 mg%).
Rekurrierende intrahepatische Cholestase Typ Aagenaes: progrediente Leberer-
krankung mit Fibrose und abnormen Lymphgefäßen an der unteren Extremität.
7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  429

Therapie
██ Relativ gut wirksam: Ursodeoxycholsäure
██ Wenig bzw. nicht effektiv: Phenobarbital, Cholestyramin, Rifampicin
██ Bei Therapieversagen: Lebertransplantation

Verlauf Ohne Lebertransplantation letaler Verlauf innerhalb von 2–15 Jahren, als Langzeit-
komplikation biliäre Zirrhose bzw. hepatozelluläres Karzinom.

Literatur Rifai K, Manns MP, Bahr MJ. Lebertransplantation bei metabolischen Erkrankungen im Erwachsenenalter. Z
Gastroenterol 2004; 42: 749–765

██ Alagille-Syndrom

Synonyma Arteriohepatische Dysplasie, Watson-Miller-Syndrom.

Definition Syndromatische Form der intrahepatischen Gallenganghypoplasie, die mit Ano-


malien der Wirbelsäule und kardiovaskulären Anomalien vergesellschaftet ist.

Patho­ Zwei nicht bewiesene Theorien:


mechanismus ██primäre Gallesekretionsstörung mit Bilirubinretention
██primäre Störung der Gefäßversorgung der Gallengänge

Pathologie Schwellung der Hepatozyten; Einlagerung von Kupfer und Bilirubin in den Hepa-
tozyten; Fibrose in den Portalfeldern; Rarefizierung der Gallengänge in den Portal-
feldern; Entwicklung einer Zirrhose in ca. 10–15 % der Fälle.

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang mit geringer Penetranz.

Epidemiologie Sehr selten (1:70 000–100 000 Neugeborene), bei männlichen Neugeborenen häu-
figer.

Klinische Manifestation in den ersten Lebensmonaten:


Charakteristika Phänotyp: Gesichtsdysmorphie mit prominenter Stirn, weit auseinander liegen-
██

den Augen, langer Nase und unterentwickelter Mandibula


Pruritus: exazerbiert bei Stress und Infekten, bildet sich mit steigendem Lebens-
██

alter zurück
Ikterus, Xanthome
██

Hepato-, Splenomegalie
██

Herzgeräusche (Pulmonalstenose, Fallot-Tetralogie)


██

Diagnostik Wegweisend:
Bewertung des Phänotyps und der klinischen Symptomatik
██

Zusätzlich:
██Labor: Erhöhung des Gesamtbilirubins auf 4–14 mg/dl, Anteil des direkten Bili-
rubins 30–50 %, häufig Normalisierung des Bilirubins im 2. Lebensjahr
██Echokardiografie

Therapie Substitution fettlöslicher Vitamine:


██Cholestyramin (z. B. Quantalan): bis zu 1 g/kg/Tag
██Ursodeoxycholsäure (z. B. Ursofalk): 15–20 mg/kg/Tag
Behandlung der kardiovaskulären Anomalien.
430  7 Leber

Therapie­ Lebertransplantation, cave: Mortalität wegen der kardiovaskulären Anomalien er-


versagen höht.

Verlauf Von der Schwere der hepatischen Manifestation und kardiovaskulären Anomalien
abhängig. Leberversagen ist Todesursache bei ca. 20 % der Patienten; ca. 50 % errei-
chen das Erwachsenenalter.

Langzeit­ ██ Folgen der kardiovaskulären Anomalien (Fallot-Tetralogie, Pulmonalstenose)


komplikationen ██ Leberzirrhose in 20 % der Fälle
██ hepatozelluläres Karzinom: in einzelnen Fällen beschrieben

7.8.8 Familiäre nicht hämolytische Hyperbilirubinämien


██ Gilbert-Meulengracht-Syndrom

Definition Angeborene benigne Störung, die zu einer Erhöhung des indirekten Bilirubins
führt.

Patho­ Erniedrigte Aktivität der UDG-Glukuronyl-Transferase; reduzierte Aufnahme des


mechanismus Bilirubins.

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang.

Epidemiologie Hohe Prävalenz, bis zu 7 % in der Bevölkerung, Männer häufiger betroffen (4:1).

Klinische Milder Ikterus (Manifestation meist in der 3. Lebensdekade).


Charakteristika

Wegweisende Erhöhtes indirektes Bilirubin und erhöhtes Gesamtbilirubin bei sonst normalem
Diagnostik Laborprofil (GOT, GPT, AP, γ-GT, LDH), Anstieg unter Nahrungskarenz.

Therapie Vermeidung längerer Fastenperioden, keine medikamentöse Therapie.

Verlauf Kein Krankheitswert als solcher. Diagnosestellung ist jedoch wichtig, da manchmal
unklare Bilirubinerhöhungen zum Absetzen elektiver operativer Eingriffe führen.

██ Crigler-Najjar-Syndrom Typ I

Definition Angeborene nicht hämolytische, unkonjugierte Hyperbilirubinämie, die mit einem


kompletten Mangel an Glukuronyl-Transferase einhergeht.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.

Epidemiologie Sehr selten, etwas mehr als 150 Fälle sind beschrieben.

Klinische Leitsymptom ist ein ausgeprägter Ikterus.


Charakteristika

Diagnostik ██ indirektes Bilirubin: Erhöhung auf meist >20 mg%


Therapie ██ zusätzlich: kein Ansprechen auf Phenobarbital

Lebertransplantation; Gentherapie in Zukunft denkbar.


7.8 Hereditäre Lebererkrankungen  431

Verlauf Ohne Lebertransplantation häufig Tod im 1. Lebensjahr mit Kernikterus.

██ Crigler-Najjar-Syndrom Typ II (Arias-Syndrom)

Definition Angeborene nicht hämolytische, unkonjugierte Hyperbilirubinämie, die mit einem


inkompletten Mangel an Glukuronyl-Transferase einhergeht.

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang.

Epidemiologie Sehr selten.

Klinische Leitsymptom Ikterus.


Charakteristika

Diagnostik ██ indirektes Bilirubin: Erhöhung auf meist <20 mg%


██ zusätzlich: Ansprechen auf Phenobarbital

Therapie Phenobarbital (z. B. Luminal): 3-mal 60 mg/Tag bei schwereren Fällen.

Verlauf Gute Prognose. Einzelne Fälle mit hohen Bilirubinanstiegen nach operativen Ein-
griffen in Allgemeinanästhesie wurden beschrieben.

██ Dubin-Johnson-Syndrom

Definition Chronische Störung, die mit intermittierendem Ikterus (Erhöhung des direkten
und indirekten Bilirubins) einhergeht.

Patho­ Defekt im ATP-abhängigen kanalikulären Transportsystem.


mechanismus

Pathologie Ablagerung eines braunen Pigments in der Leber (v. a. perivenös in Hepatozyten,
aber auch in Kupffer-Zellen).

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.

Epidemiologie Höchste Prävalenz in Israel mit 1:1300; Manifestation meist in frühem Erwachse-
nenalter.

Klinische Meist asymptomatisch, in manchen Fällen milder Ikterus und Braunfärbung des
Charakteristika Urins.

Diagnostik ██ Bilirubin erhöht, meist 2–5 mg% (ca. 60 % konjugiert)


██ Koproporphyrin-Ausscheidung im Urin: normal (Abgrenzung zum Rotor-Syn-
drom, s. u.)

Therapie Keine.

Verlauf Sehr gute Prognose. Ikterus kann während der Schwangerschaft oder bei Einnah-
me oraler Antikonzeptiva zunehmen.
432  7 Leber

██ Rotor-Syndrom

Definition Chronische familiäre konjugierte Hyperbilirubinämie, die auf einer Störung der Bi-
lirubinaufnahme und -exkretion beruht.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.

Klinische Leitsymptom Ikterus.


Charakteristika

Diagnostik ██ konjugiertes Bilirubin: meist <10 mg%


██ Koproporphyrin-Ausscheidung im Urin: erhöht (Abgrenzung zum Dubin-John-
son-Syndrom, s. o.)
██ keine Pigmentablagerungen in der Leber

Therapie Nicht notwendig.

Verlauf Sehr gute Prognose.

7.8.9 Gefäßmalformationen
██ Morbus Osler

Synonyma Morbus Rendu-Osler-Weber, hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie.

Definition Autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die mit kutanen Teleangiektasien und


rezidivierenden gastrointestinalen Blutungen einhergeht.

Patho­ Bei Leberbeteiligung: intrahepatische Shunts, die zu einem vermehrten Herzmi-


mechanismus nutenvolumen führen können.

Genetik Nachweis von Mutationen des Gens für den Transforming Growth Factor TGF
(Chromosom 9, 3, 12).

Epidemiologie Prävalenz: 1:10 000–100 000 in Europa; Leberbeteiligung: 10–50 %.

Klinische Rezidivierendes Nasenbluten; gastrointestinale Blutungen bei portaler Hyperten-


Charakteristika sion; Herzinsuffizienz durch intrahepatische Shunts.

Diagnostik ██ farbkodierte Duplexsonografie


██ Angio-CT
██ Ösophagogastroduodenoskopie
–– Nachweis von Ösophagus- und Fundusvarizen

Therapie Behandlung der Komplikationen der portalen Hypertension (z. B. Varizenligatur).


Bei Therapieversagen Lebertransplantation.

Verlauf ██ Von den gastrointestinalen Blutungen und anderen Komplikationen der Zirrhose
abhängig
██ Selten: intrahepatische Cholangiolithiasis, Cholangitis
██ Langzeitkomplikation: Leberzirrhose
7.9 Porphyrien  433

Khalid SK, Garcia-Tsao G. Hepatic vascular malformations in hereditary hemorrhagic telangiectasia. Semin
Literatur
Liver Dis 2008; 28: 247–258

██ Pfortaderatresie und -aneurysma

Pfortaderatresie: sehr seltene angeborene fehlende Anlage der Pfortader, bisher


10 Fälle in der Literatur beschrieben; Abfluss des Bluts aus dem Intestinum direkt
zur V. cava inferior oder über die linke V. renalis.
Pfortaderaneurysma: sehr seltenes, angeborenes Aneurysma der Pfortader, das
nicht zur portalen Hypertension führt; kann mit Morbus Osler, Ehlers-Danlos-Syn-
drom oder anderen vaskulären Malformationen assoziiert sein; bleibt in der Regel
asymptomatisch, in Einzelfällen jedoch Thrombosen und Ruptur beschrieben; Di-
agnose durch Ultraschall mit Duplexsonografie, CT bzw. MRT (häufig Wandverkal-
kungen der Pfortader zu sehen).

7.9 Porphyrien

Definition Störungen der Hämbiosynthese durch Enzymdefekte, die über eine Überproduk-
tion von Hämvorläufern zu einer klinischen Symptomatik führen (Abb. 7.6). Man
unterscheidet die erythropoetischen Porphyrien, bei denen die verstärkte Photo-
sensitivität im Vordergrund steht, von den hepatischen Porpyhrien, die durch eine
variable und vielfältige klinische Symptomatik gekennzeichnet sind.

7.9.1 Erythropoetische Porphyrien


██ erythropoetische Protoporphyrie (EPP): Bei Mangel an Ferrochelatase (Abb. 7.6;
Prävalenz 1:100 000) steht die Sonnenbrandreaktion der Haut im Vordergrund.
Die Wirkung der Radikalfänger (Beta-Karotin, Vitamin C und E) ist umstritten.
Die medikamentöse Therapie mit Ursodesoxycholsäure kann die Progression
verzögern. Es kann zu einer Cholestase und Leberzirrhose kommen, die in Ein-
zelfällen zur Lebertransplantation führt.
██ kongenitale erythropoetische Porphyrie (CEP, Morbus Günther): Ein Mangel an
Uroporphyrinogen-III-Synthase (Abb. 7.6) erzeugt eine ausgeprägte Photosen-
sibilität der Haut mit Mutilationen. Potenziell kurativer therapeutischer Ansatz:
allogene Knochenmarktransplantation

7.9.2 Akute hepatische Porphyrien


██ Akut intermittierende Porphyrie

Definition Die akut intermittierende Porphyrie (AIP) ist eine schubweise verlaufende Störung
der Hämbiosynthese, bedingt durch einen Mangel an Uroporphyrinogen-I-Syntha-
se (Porphobilinogen-Deaminase; Abb. 7.6).

Patho­ Schädigung des Nervensystems: durch Delta-Aminolävulinsäure und Porphobi-


mechanismus linogen (Interferenz mit Neurotransmittern, defiziente Hämbiosynthese im Ner-
vengewebe).
434  7 Leber

Abb. 7.6 Klas­


sifikation der
(Q]\P *O\FLQ6XFFLQ\O&R$ 3RUSK\ULH
Porphyrien nach
Lokalisation des
Enzymdefekts
(Quelle: Nord­ 'HOWD$PLQROlYXOLQVlXUH
mann u. Puy
$/6'HK\GUDWDVHGHIHNW3RUSK\ULH
2002). 'HOWD$PLQROlYXOLQVlXUH'HK\GUDVH
'2663RUSK\ULH

3RUSKRELOLQRJHQ

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3URWRSRUSK\ULQ

HU\WKURSRHWLVFKH
)HUURFKHODVWDVH
3URWRSRUSK\ULH

+lP

Auslöser akuter Attacken:


██Infektionen, Fasten, Alkoholgenuss
██Medikamente (Auswahl, s. a. Rote Liste): Barbiturate, Diclofenac, Ibuprofen, Met-
oclopramid, Pentazocin, Steroide, Sulfonamide, orale Antikonzeptiva

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang, Gendefekt auf Chromosom 11.

Epidemiologie Manifestation zwischen 20. und 40. Lebensjahr; Frauen häufiger als Männer be-
troffen (3–4:1); Prävalenz ca. 5:100 000 (Frankreich).

Klinische Akuter Schub: Tachykardie, Hypertonie; kolikartige Bauchschmerzen, Erbrechen,


Charakteristika Obstipation; periphere Neuropathie (Paresen); Neurosen, Psychosen.

Wegweisende Erhöhte Ausscheidung im Urin: Gesamtporphyrine, Uroporphyrine, Koproporphy-


Diagnostik rine, Porphobilinogen, Delta-Aminolävulinsäure.

Zusatz­ Messung der Uroporphyrinogen-I-Synthase im Blut.


diagnostik
7.9 Porphyrien  435

Differenzial­ Alle Ursachen eines akuten Abdomens; Polyneuropathien.


diagnose
Therapie­ Zeichen einer akuten Attacke (s. Klinische Charakteristika).
indikation
Therapie ██ Glukose: Infusion von 400 g/Tag
██ Hämarginat: Infusion von 3 mg/kg KG/Tag
██ Vermeidung porphyrinogener Medikamente

Verlauf Durch frühzeitige Diagnose und Vermeidung porphyrinogener Medikamente ist


die Prognose deutlich günstiger; allerdings besteht ein erhöhtes Risiko für Zirrhose
und das hepatozelluläre Karzinom.

██ Porphyria variegata („gemischte Porphyrie“)

Definition Angeborene Störung der Hämbiosynthese, durch einen Mangel an Protoporphyri-


nogen-Oxidase bedingt (Abb. 7.6).

Patho­ Pathomechanismus und Auslöser einer akuten Attacke wie bei der akuten inter-
mechanismus mittierenden Porphyrie (s. o.).

Pathologie Es kommt zu keinen Leberveränderungen.

Genetik Autosomal-dominanter Erbgang, Gendefekt auf Chromosom 11.

Epidemiologie Männer häufiger als Frauen betroffen; Prävalenz ca. 1:100 000.

Klinische Vermehrte Photosensibilität der Haut (Blasenbildung, Pigmentierung); Tachykar-


Charakteristika die, Hypertonie; kolikartige Bauchschmerzen, Obstipation; periphere Neuropathie
(Paresen); Neurosen, Psychosen.

Wegweisende Erhöhte Ausscheidung im Urin: Gesamtporphyrine, Porphobilinogen, Delta-Ami-


Diagnostik nolävulinsäure, Koproporphyrin.

Therapie Glukose- bzw. Hämarginatinfusionen: Dosierung wie bei der akuten intermittie-
renden Porphyrie.

Verlauf Gute Prognose bei Vermeidung der Noxen (Medikamente, Alkohol, Sonnenlicht).

██ Hereditäre Koproporphyrie

Über einen autosomal-dominanten Erbgang kommt es zu einem Mangel an Kopro-


porphyrinogen-Oxidase (Abb. 7.6); der klinische Verlauf entspricht dem der aku-
ten intermittierenden Porphyrie.

██ Doss-Porphyrie

Bei dieser sehr seltenen Erkrankung kommt es über einen autosomal-rezessiven


Erbgang zu einem Mangel an Aminolävulinsäure-Dehydratase (Abb. 7.6).
436  7 Leber

7.9.3 Nicht akute hepatische Porphyrie


██ Porphyria cutanea tarda

Definition Angeborene bzw. erworbene Störung der Hämbiosynthese, durch einen Mangel an
Uroporphyrinogen-III-Decarboxylase bedingt (Abb. 7.6).

Patho­ Neben dem Enzymdefekt sind auslösende Faktoren (z. B. Alkohol, Medikamente)
mechanismus für die Manifestation notwendig.

Pathologie Zeichen einer Hepatitis oder Zirrhose; ausgeprägte Fluoreszenz des Leberzylin-
ders.

Genetik Typ I (sporadisch): autosomal-dominanter Erbgang; Erniedrigung der Enzymakti-


vität der Uroporphyrinogen-III-Decarboxylase nur in der Leber.
Typ II (familiär): autosomal-dominanter Erbgang; Erniedrigung der Enzymaktivi-
tät der Uroporphyrinogen-III-Decarboxylase in allen Geweben.

Epidemiologie Prävalenz: 10–100:100 000.


Typ I: Manifestation zwischen 40. und 50. Lebensjahr; Männer etwas häufiger be-
troffen.
Typ II: Manifestation früher, manchmal vor der Pubertät; Männer und Frauen
gleich betroffen (1:1).

Assoziierte Chronische Lebererkrankungen (Hepatitis B und C, Alkoholschäden).


Erkrankungen

Klinische Vermehrte Photosensibilität der Haut (Blasenbildung, vermehrte Pigmentierung),


Charakteristika erhöhte Fragilität der Haut.

Diagnostik Erhöhte Ausscheidung im Urin: Gesamtporphyrine, Uroporphyrine, Koproporphy-


rine.
Zusätzlich: Gerinnungswerte (Quick-Wert), Albumin, Bilirubin.

Therapie Vermeidung der auslösenden Faktoren: Alkohol, Medikamente; Sonnenlicht


(Lichtschutzsalben).
Aderlässe: 500 ml wöchentlich, nach 5 Wochen monatlich; auch bei normalem Se-
rumeisen und normalem Ferritin indiziert; sehr effektiv durch Herabsetzung des
Gesamtkörpereisens und der damit verbundenen Reduktion der Bildung freier Ra-
dikale.
Alternativ (z. B. bei Anämie): Chloroquin (z. B. Resochin), Dosierung 2-mal 125 mg/
Woche, über 6–12 Monate.

Verlauf Latente Verlaufsform: Nachweis der Porphyrinurie ohne klinische Manifestation


Manifeste Verlaufsform: Porphyrinurie und klinische Manifestation an Haut und
Leber.
Langzeitkomplikation: hepatozelluläres Karzinom (Inzidenz fraglich erhöht).

Literatur Donner MG, Erhardt A, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber. Teil 2. Glykogenosen, hereditäre
Fruktoseintoleranz, Galaktosämien und hepatische Porphyrien. Dtsch Med Wschr 2010; 135: 2540–2547
Gundling F, Mössner J. Erythropoetische und hepatische Porphyrien. Aktueller Stand der Diagnostik und
Therapie. DMW 2005; 130: 335–339
Müller-Marbach AM, Schwarz M, Häussinger D. Porphyrien. Gastro Up2date 2007; 3: 215–239
7.10 Hämochromatose  437

7.10 Hämochromatose

Definition Angeborene Eisenspeicherkrankheit mit Ablagerung von Eisen in verschiedenen


Organen (Leber, Pankreas, Herz).

Patho­ Erhöhte Eisenresorption im oberen Dünndarm (normal: 0,5–2 mg/Tag, bei Hämo-
mechanismus chromatose 2–4 mg Eisen/Tag) führt zu einer Eisenüberladung des Gesamtorganis-
mus. Hepcidin fungiert als negativer Regulator der Eisenaufnahme über die Bin-
dung an Ferroportin, das in Membranen von Enterozyten lokalisiert ist. Die hepati-
sche Eisentoxizität geht mit einer gesteigerten Kollagensynthese einher und führt
zur Fibrose und Zirrhose.

Pathologie Hämosiderin-Ablagerungen in den Hepatozyten (initial periportal, dann nach pe-


rivenös fortschreitend); Fibrose (zunächst periportal); Zirrhose (mikronodulär).

Genetik Autosomal-rezessiv vererbbar.


C282Y-Mutation des HFE-Gens auf Chromosom 6 (Cys282Tyr) bei ca. 85 % der
homozygoten Hämochromatose-Fällen; Compound-Heterozygotie (heterozygote
C282Y- und H63D-Mutation) bei 5 % der Patienten mit Hämochromatose, niedrige
Penetranz (1–2 %). Seltenere Mutation: His63As (H63D), kann als Bestätigung einer
hereditären Hämochromatose angesehen werden, wenn keine sekundäre Hämo-
chromatose vorliegt.

Epidemiologie Prävalenz: ca. 100–500:100 000 Einwohner; Prävalenz der homozygoten C282Y-
Mutation: 500:100 000 Einwohner (USA). In einer amerikanischen Studie erkrank-
ten 28,4 % der Männer und 1,2 % der Frauen über einen Zeitraum von 12 Jahren.
Manifestation: meist zwischen 40. und 60. Lebensjahr, bei Männern häufiger (2–
8:1), Gendefekt gleich häufig.

Klinische ██ allgemeine Schwäche (20–80 %); Impotenz, Libidoverlust (30–55 %)


Charakteristika ██ Bauchschmerzen (20–60 %); Arthralgien (40–60 %)
██ Hepatomegalie (ca. 70 %), Leberzirrhose (60–80 %); Herzinsuffizienz (0–30 %)
██ Vermehrte Hautpigmentierung („Bronzediabetes“, ca. 70 %)

Wegweisende Serumferritin: häufig > 1000 μg/l (auch bei Alkoholismus und akuter Infektion er-
Diagnostik höht!).
(Abb. 7.7) Transferrinsättigung: häufig >55 %, Berechnung nach Formel:

Transferrinsättigung = [ Eisen im Serum (μg/dl) : Transferrin im Serum (g/l)] ×


0,71.

Nachweis des mutierten Hämochromatose-Genprodukts: C282Y-Homozygotie


in ca. 85–90 % der Fälle positiv, genetische Penetranz in einzelnen Studien sehr va-
riabel, unter 50 % der homozygoten Träger. Compound-Homozygotie (heterozygote
C282Y- und H63D-Mutation), homozygote H63D-Mutation (s. a. Genetik).

Zusatz­ Histologie:
diagnostik ██bei Entnahme einer Histologie sollte der Eisengehalt mitbestimmt werden (Ei-
sengehalt bei Hämochromatose >15 mg (= 27 μmol) pro g Trockengewicht)
██bei Grenzfällen sollte der hepatische Eisenindex bestimmt werden:
–– Formel: μmol Eisen pro g Trockengewicht/Patientenjahre
–– Normalwert: 0,7–1,1
438  7 Leber

–– Wert bei alkoholischem Leberschaden: 1,1–1,6


–– Wert bei heterozygotem Hämochromatose-Genträger: 1,5–1,8
–– Wert bei homozygotem Hämochromatose-Genträger: >1,9
██ bei eindeutigem Nachweis mit positivem Gentest kann auf eine Histologie ver-
zichtet werden

Transaminasen: in der Regel mäßig erhöht.


Abschätzung der Leberfunktion: Gerinnung (Quick-Wert), Albumin, Bilirubin.
Abklärung Diabetes mellitus (Nüchtern-Blutzucker, OGTT, HBA1c), kardiale Beteili-
gung (Echokardiogramm)

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7UDQVDPLQDVHQSDWKRORJLVFK

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$GHUODVVWKHUDSLH
=LHO)HUULWLQǿJO

Abb. 7.7 Algorithmus zur Diagnostik und Therapie der Hämochromatose (Quelle: Steiner u. von Ahsen 2005).
7.11 Morbus Wilson  439

Therapie­ Bei Ferritin >300 μg/l.


indikation
Therapie Aderlass: initial wöchentliche Aderlässe mit 500 ml Blut (entspricht ca. 250 mg Ei-
sen); in der Regel Aderlässe über 1–2 Jahre durchführen (cave: Anämie, Protein-
verluste), bei Ferritinwerten <50 μg/l Aderlässe nur alle 3 Monate, Ziel des Ferri-
tinspiegels: <50 μg/l.

Therapie­ ██ Chelatbildner Deferasirox (Exjade): neuer oraler Chelatbildner


versagen ██ Lebertransplantation: bei fortgeschrittener Zirrhose, behebt nicht den Gende-
fekt

Verlauf Bei unbehandelten symptomatischen Patienten: schlecht, 5-Jahres-Überlebens-


rate ca. 20 %.
Unter Therapie: Verbesserung der Leberfunktion, Kardiomyopathie, Hyperpig-
mentierung der Haut, Glukosetoleranz und der Allgemeinsymptome wie Abge-
schlagenheit, Müdigkeit.
Bei frühzeitiger Diagnosestellung: normale Lebenserwartung bei konsequenter
Therapie.
Wichtig: Familienuntersuchungen, da Genträger therapiert werden müssen.

Langzeit­ ██ Leberzirrhose
komplikationen ██ Hepatozelluläres Karzinom: in 50 % Todesursache! Risiko um Faktor 220 erhöht,
v. a. bei Patienten mit Leberzirrhose
██ Spätkomplikationen des Diabetes mellitus: Nephro-, Retinopathie, kardiovas-
kuläre Komplikationen

Literatur Bacon BR, Britton RS. Clinical penetrance of hereditary hemochromatosis. N Engl J Med 2008; 358: 291–292
Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
Pietrangelo A. Hereditary hemochromatosis – a new look at an old disease. N Engl J Med 2004; 350:
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Steiner M, von Ahsen N. Den Verdacht auf eine hereditäre Hämochromatose früh und nichtinvasiv bestäti-
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Stremmel W, Karner M, Manzhalli E et al. Leber und Eisenstoffwechsel – Überlegungen zur Pathogenese der
genetischen Hämochromatose. Z Gastroenterol 2007; 45: 71–75
Von Figura G, Kulaksiz H. Diagnostik und Therapie der hereditären Hämochromatose. Dtsch Med Wschr
2009; 134: 2565–2572

7.11 Morbus Wilson

Synonym Hepatolentikuläre Degeneration.

Definition Kupferspeicherkrankheit mit Ablagerung von Kupfer in verschiedenen Organen.

Patho­ Physiologisch biliäre Exkretion von täglich 1,5–2 mg Kupfer, renale Ausscheidung
mechanismus 30–60 μg/Tag. Beim Morbus Wilson ist die biliäre Exkretion von Kupfer vermin-
dert, das sich in Leber, Gehirn, Niere und Kornea ablagert.

Pathologie Großtropfige Steatose; periportale Fibrose; makro- oder mikronoduläre Zirrhose.


Zunächst Kupferablagerung mit Bindung an Metallothionein im Zytoplasma, dann
440  7 Leber

in Lysosomen. In der Elektronenmikroskopie Schwellung und Matrixverdichtung


in den Mitochondrien.

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang, defektes Gen (Mutationen im ATP7B-Gen) auf


Chromosom 13, das für eine Kupfer(Kationen) transportierende P-Typ-ATPase ko-
diert. Es sind über 500 verschiedene Mutationen bekannt. Die häufigste Mutation
in Europa ist mit 40–50 % ein H1069Q-Austausch.

Epidemiologie Prävalenz: 3–4:100 000.


Manifestationsalter: in der Regel zwischen 5 und 35 Jahre; Einzelfälle bis zu 58
Jahre sind beschrieben.

Assoziierte Cholezystolithiasis (Pigmentsteine) durch Hämolyse; hepatozelluläres Karzinom:


Erkrankungen Entwicklung wesentlich seltener als bei Zirrhosen anderer Ätiologie (protektive
Wirkung des Kupfers?).

Klinische ██ hepatisch (in 45 %): Zirrhose, chronisch aktive Hepatitis, fulminantes Leberver-
Charakteristika sagen
██ neurologisch (in 35 %): Rigor, Tremor, Ataxie, Dyskinesie, Dysarthrie, Krampfan-
fälle
██ psychiatrisch (in 10 %): Verhaltensstörungen, Depressionen, Phobien
██ hämatologisch (in 10 %): Hämolyse, Gerinnungsstörungen
██ ophthalmologisch: Kayser-Fleischer-Ring an den Augen, immer bei neurologi-
scher Manifestation
██ seltener: Zeichen der Kardiomyopathie

Wegweisende Spaltlampenuntersuchung des Auges: Kayser-Fleischer-Kornealring, goldbraun-


Diagnostik grüne Verfärbung des Kornealrandes, bei 40–60 % der Patienten mit Leberbetei-
ligung, bei 90–95 % der Patienten mit neurologischer Symptomatik nachweisbar
Caeruloplasmin: Erniedrigung in 95 % der Fälle; cave: bei Lebererkrankungen an-
derer Ätiologie häufig auch Erniedrigung des Caeruloplasmins
Freies Kupfer im Serum: Erhöhung (>50 μg/dl)
Kupfer im Urin: Erhöhung (>100 μg/Tag), wegweisend für die Diagnose. Aber: Cho-
lestatische Lebererkrankungen gehen auch mit einer erhöhten Kupferausschei-
dung im Urin einher.
Hepatischer Kupfergehalt: Erhöhung auf >250 μg/g Trockengewicht, letztlich be-
weisend.

Zusatz­ Radiokupfertest.
diagnostik
Therapie­ Prinzipiell bei jedem diagnostizierten Fall gegeben, auch wenn asymptomatisch;
indikation bei sehr frühzeitiger Therapie bessere Prognose.

Therapie Ernährung: Vermeidung von kupferreichen Nahrungsmitteln wie Innereien, Scha-


lentiere, Nüsse, Schokolade und Pilze. Auch die Analyse des Trinkwassers kann
sinnvoll sein.
Triethylentetramin-Hydrochlorid: initial 3-mal 600 mg/Tag, dann 2-mal 600 mg/
Tag, wegen günstigen Nebenwirkunsgprofils häufig Therapie der Wahl.
D-Penicillamin: Tagesdosis 1–1,5 g/Tag in 2–3 Einzeldosen in Kombination mit
25 mg Pyridoxin (Vitamin B6). Als Nebenwirkungen Leuko- und Thrombozytope-
nie (Blutbildkontrollen!), aplastische Anämie (nicht immer reversibel) sowie Pro-
teinurie beachten!
7.12 Schwangerschaftsassoziierte Lebererkrankungen  441

Zink: Medikament der 3. Wahl, 3-mal 50 mg/Tag


Ziel der Therapie ist eine Kupferausscheidung von initial 2000 µg/24 h, die nach
Entspeicherung auf 200-500 µg/24 h zurückgeht.

Therapie­ Lebertransplantation: Indikationen für die Lebertransplantation, die den Gende-


versagen fekt heilt, sind die fortgeschrittene Lebererkrankung im Sinne der dekompensier-
ten Zirrhose und das fulminante Leberversagen. Die Ergebnisse sind wesentlich
schlechter bei Patienten mit schwerer neurologischer Manifestation ohne medika-
mentöses Ansprechen.

Verlauf Die Prognose ist bei frühzeitig erkanntem Morbus Wilson mit konsequenter The-
rapie am besten, z. B. bei Familienangehörigen (Diagnose durch Familienscree-
ning). Eine schlechte Prognose besteht bei Patienten mit bereits schwerer neurolo-
gischer Manifestation.

Selbsthilfe Morbus Wilson e. V., Leiblstr. 2, 83024 Rosenheim; Tel. 08031/249230, Fax
08031/43876; Email: morbus-wilson@t-online.de

Literatur Cox DW, Roberts EA. Wilson disease. In: Feldman M, Friedman LS, Brandt LJ (eds.)Gastrointestinal and liver
disease. Ninth Edition, Saunders Elsevier 2010
Erhardt A, Donner MG, Häussinger D. Stoffwechselerkrankungen der Leber Teil 1: Hämochromatose, Morbus
Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel, Morbus Gaucher. Dtsch Med Wschr 2010: 135: 2481–2488
Sevmis S, Karakayali H, Aliosmanoglu I et al. Liver transplantation for Wilson’s disease. Transplant Proc
2008; 40: 228–230

7.12 Schwangerschaftsassoziierte Lebererkrankungen

7.12.1 Intrahepatische Schwangerschaftscholestase


(idiopathischer Schwangerschaftsikterus)
Synonym Pruritus gravidarum (bei anikterischem Verlauf).

Definition Meist unproblematische cholestatische Funktionsstörung der Leber, die im 3.


Schwangerschaftstrimenon auftritt und sich nach der Entbindung wieder zurück-
bildet.

Patho­ Hereditäre vermehrte Sensitivität gegenüber einer durch Östrogene vermittelten


mechanismus Cholestase.

Pathologie Zentrilobuläre Cholestase; Gallethromben in den Canaliculi; Gallepigment in den


Hepatozyten. Elektronenmikroskopie: dilatierte Kanalikuli mit Verlust der Mikro-
filamente, veränderten Mitochondrien.

Genetik Genetische Prädisposition wahrscheinlich: Töchter von Müttern mit Schwanger-


schaftscholestase haben höheres Risiko für Schwangerschaftscholestase sowie für
intrahepatische Cholestase bei Einnahme oraler Antikonzeptiva.

Epidemiologie 0,04–0,6 % aller Schwangerschaften in Europa und Nordamerika, 1–3 % aller


Schwangerschaften in Skandinavien.
Assoziierte
Erkrankungen Intrahepatische Cholestase bei Einnahme oraler Antikonzeptiva.
442  7 Leber

Klinische Manifestation im 2. oder 3. Trimenon: Pruritus (100 %, nach Auftreten anhaltend),


Charakteristika Ikterus (ca. 25 %); Übelkeit, Erbrechen (5–75 %); abdominelle Schmerzen (9–24 %).

Diagnostik ██ AP: Erhöhung (70 %)


██ ALT (GPT): Erhöhung (60 %), mäßiggradig
██ AST (GOT): Erhöhung (55 %), mäßiggradig
██ Bilirubin: Erhöhung (25 %), überschreitet in der Regel nicht 5 mg%
██ γ-GT: bleibt häufig im Normbereich

Differenzial­ Akute Virushepatitis, akute Schwangerschaftsfettleber, symptomatische Chole-


diagnose lithiasis, HELLP-Syndrom, vorbestehende Bilirubinstoffwechselstörung (Dubin-
Johnson, Summerskill-Tygstrup).

Therapie­ Bei Juckreiz.


indikation

Therapie ██ Colestyramin (z. B. Quantalan): Dosierung 1- bis 3-mal 4 g/Tag. Nebenwirkun-


gen bei Schwangeren sind Obstipation und Steatorrhö mit konsekutivem Mangel
an fettlöslichen Vitaminen
██ Ursodesoxycholsäure (z. B. Ursofalk): Dosierung 10–15 mg/kg KG; in einzelnen
Fällen als wirksam beschrieben (allerdings laut Roter Liste: KI in der Schwan-
gerschaft!)
██ S-Adenosyl-L-Methionin: experimentell, bisher kein eindeutiger klinischer Ef-
fekt, obwohl im Tierexperiment die cholestatischen Effekte von Östrogenen an-
tagonisiert werden können

Verlauf Pruritus: bei 30 % im 2. Trimenon und bei ca. 70 % im 3. Trimenon bis zur Geburt
in der Regel zunehmend; verschwindet meist innerhalb von 24–48 h nach der Ge-
burt. Hohes Rezidivrisiko bei weiteren Schwangerschaften (45–70 %).

Langzeit­ Cholezystolithiasis: Risiko verdoppelt.


komplikationen

Literatur Panther E, Blum HE. Lebererkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch med Wschr 2008; 133: 2283–2287

7.12.2 Präeklampsie
Definition Schwangerschaftssyndrom mit Auftreten von arterieller Hypertonie und Protein-
urie, das bei Progression zu zerebralen Krämpfen Eklampsie genannt wird.

Patho­ Nicht geklärt; Änderungen auf der fetalen Seite der Plazentaperfusion; Leber bei
mechanismus Präeklampsie in ca. 10 % involviert.

Pathologie Diffuse Ablagerung von Fibrin entlang der Sinusoide; Hämorrhagien periportal
und in Portalfeldern; fokale, meist konfluierende ischämische Nekrosen.

Epidemiologie Inzidenz der Präeklampsie 5–10 % der graviden Frauen; in 10 % Leberbeteiligung;


bei Erstgebärenden häufiger; in 5 % ist Präeklampsie für in der Schwangerschaft
auftretenden Ikterus verantwortlich.

Klinische Arterielle Hypertonie, Proteinurie, Ödeme.


Charakteristika
7.12 Schwangerschaftsassoziierte Lebererkrankungen  443

Wegweisende
██ Blutdruckmessung: RR >140/90 mmHg
Diagnostik
██ Proteinausscheidung im 24-h-Urin: >0,5 g/Tag

Therapie Keine spezifische Therapie der Leberbeteiligung.

7.12.3 HELLP-Syndrom
Definition Syndrom in der Schwangerschaft, das durch 3 Symptome gekennzeichnet ist:
██H: „hemolysis“ (Hämolyse)
██EL: „elevated liver enzymes“ (erhöhte Transaminasen)
██LP: „low platelet count“ (Thrombozytopenie)

Epidemiologie Etwa 10 % bei Frauen mit Präeklampsie, 0,17–0,85 % aller Schwangerschaften be-
troffen.

Patho­ Multifaktoriell durch fetomaternale Immunimbalance, Thrombozytenaggregation,


mechanismus endotheliale Dysfunktion, arterielle Hypertonie und Fettstoffwechselstörung.

Klinische Arterielle Hypertonie (90 %), Druckschmerz im rechten Oberbauch (100 %), Aszites
Charakteristika (65 %), disseminierte intravasale Gerinnung (ca. 20 %).

Wegweisende ██ AST (GOT): erhöht auf 250 U/l (im Mittel)


Diagnostik ██ Bilirubin: leicht erhöht auf 1,5 mg% (im Mittel)
██ Thrombozytopenie: erniedrigt auf 57 000/mm3 (im Mittel)

Zusatz­ Sonografie: zum Nachweis eines subkapsulären Hämatoms der Leber.


diagnostik

Therapie Bei subkapsulärem Hämatom der Leber ohne Ruptur: sonografische Kontrollen,
Möglichkeit der angiografischen Embolisation der A. hepatica bzw. eines Astes,
Sectio caesarea.
Bei rupturiertem subkapsulären Hämatom der Leber: Sectio caesarea, operative
Versorgung der Leberruptur.

Therapie­ Lebertransplantation: bei Leberversagen, in einzelnen Fällen beschrieben.


versagen

Verlauf ██ Maternale Letalität: ca. 1,0–2,5 % (Plazentainsuffizienz 16 %, akutes Nierenversa-


gen 8 %, subkapsuläres Hämatom der Leber 1 %)
██ Fetale Letalität: hoch
██ Rezidivrate bei nachfolgender Schwangerschaft: niedrig (3,4 %)

Literatur Mihu D, Costin N, Mihu CM et al. HELLP syndrome – a multisystemic disorder. J Gastrointestin Liver Dis
2007; 16: 419–424

7.12.4 Akute Schwangerschaftsfettleber


Definition Sehr seltene, schwere Erkrankung der Leber, die im 3. Trimenon der Schwanger-
schaft auftritt.

Patho­ Nicht komplett geklärt; es wird eine Störung im Lipidmetabolismus und/oder in


mechanismus der mitochondrialen Funktion vermutet: Ansammlung toxischer Fettsäuren, Re-
444  7 Leber

duktion der Betaoxidation der Fettsäuren (verminderte Aktivität der 3-Hydroxyl-


acyl-CoA-Dehydrogenase).

Pathologie Schwellung des Lobulus bei erhaltener Architektur, die zur Kompression der Sinu-
soide führt; mikrovesikuläre Einlagerung von Fett in den perivenösen Hepatozy-
ten; pleomorphe Mitochondrien; gering ausgeprägte Infiltration durch Plasmazel-
len und Lymphozyten.
In der Elektronenmikroskopie: zahlreiche kleine, nicht membrangebundene Fett-
tröpfchen im Zytoplasma der Hepatozyten, Dilatation der Galle-Canaliculi mit Ver-
lust der Mikrovilli.

Genetik Bei Müttern von Kindern mit angeborenem Mangel an langkettiger 3-Hydroxya-
cyl-CoA-Dehydrogenase häufiger; eine angeborene mitochondriale Dysfunktion
wird vermutet. Allerdings spricht die sehr niedrige Rezidivrate gegen eine ent-
scheidende Rolle der genetischen Faktoren.

Epidemiologie ██ fataler Verlauf bei 1:1 000 000 Geburten


██ Inzidenz: 1:13 000 Geburten (Zahlen aus USA)
██ Alter: 27 Jahre (18–38 Jahre)
██ Erstgebärende: 42 %
██ Zwillingsschwangerschaften: 13 %
██ männlicher Fötus: 76 %
██ Beginn: 36. Woche (26.–40. Woche)
██ Hypertonie/Proteinurie: 37 %
██ Präeklampsie (Hypertonie, Proteinurie, Ödeme): 21 %

Assoziierte Beim Fetus: Mangel an langkettiger 3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase.


Erkrankungen

Klinische Initial häufig: Übelkeit, Erbrechen (84 %), rechtsseitige Oberbauchschmerzen


Charakteristika (62 %); Müdigkeit.
Initial selten: Fieber; Diarrhö; Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Myalgien.
Weiterer Verlauf: Zeichen der Leberzellinsuffizienz, Ikterus, hepatische Enzepha-
lopathie; gastrointestinale Blutung.
Zeichen der Präeklampsie: arterielle Hypertonie, Proteinurie.

Wegweisende Wertung der klinischen Zeichen!


Diagnostik Labor:
██Leukozytose (in 100 % der Fälle), Thrombozytopenie (85 %)
██Erhöhung des Bilirubins (fast 100 %), Erhöhung des Kreatinins (75 %)
██Erhöhung der AP (100 %)
██Erhöhung der AST (GOT) (100 %), Erhöhung der ALT (GPT) (fast 100 %)

Zusatz­ Leberbiopsie.
diagnostik

Differenzial­ ██ Akute Virushepatitis: in der Regel höhere Transaminasen, keine disseminierte


diagnose intravasale Gerinnungsstörung.
██ Präeklampsie: immer mit Hypertonie und Proteinurie vergesellschaftet.

Therapie Beendigung der Schwangerschaft ist notwendig nach Stabilisierung der Mutter. In
Einzelfällen sind auch Lebertransplantationen beschrieben.
7.13 Probleme von Lebererkrankungen in der Schwangerschaft   445

Verlauf Trotz inzwischen konsequenter Beendigung der Schwangerschaft liegt die mütter-
liche Letalität bei 7–18 %, die des Kindes bei 9–23 %.

Langzeit­ Keine Chronifizierung bekannt, Rezidiv sehr selten (<5 %).


komplikationen

Literatur Panther E, Blum HE. Lebererkrankungen in der Schwangerschaft. Dtsch Med Wschr 2008; 133: 2283–2287
Walter JH. Inborn errors of metabolism and pregnancy. J Inherit Metab Dis 2000; 23: 229–236

7.13 P
 robleme von Lebererkrankungen
in der Schwangerschaft

7.13.1 Akute Virushepatitis (HAV bis HEV, Herpes simplex)


Epidemiologie 0,03–1 % der Schwangerschaften betroffen, davon Auftreten im 1. Trimenon ca.
14 %, ca. 33 % im 2. und ca. 53 % im 3. Trimenon. Häufigkeit der Viren in der Litera-
tur sehr unterschiedlich genannt, z. B. Hepatitis-B-Virus in 11–78 % der Fälle.

Klinische Insgesamt unterscheiden sich die klinischen Charakteristika nicht wesentlich von
Charakteristika denen der akuten Virushepatitis bei nicht schwangeren Frauen (s. Kap. 7.3, Akute
und chronische Virushepatitis).

Wegweisende ██ Hepatitis A: Anti-HAV-IgM


Diagnostik ██ Hepatitis B: HBsAg, Anti-HBc-IgM
██ Hepatitis C: Anti-HCV, evtl. HCV-RNA
██ Hepatitis D: HDV-Ak
██ Hepatitis E: HEV-Ak
██ Herpes simplex: Herpes-simplex-Ak-IgM

Differenzial­ Alkoholhepatitis, Schwangerschaftscholestase, akute Schwangerschaftsfettleber.


diagnose

Therapie Es steht keine spezifische Therapie zur Verfügung.

Verlauf Allgemein: insgesamt unterscheidet sich der Verlauf nicht wesentlich vom Verlauf
der akuten Virushepatitis bei nicht schwangeren Frauen; Ausnahmen bei:
██Hepatitis E: häufig fulminanter Verlauf
██Herpes-simplex-Hepatitis: ebenfalls aggravierte Verläufe beschrieben

Maternale Mortalität: ca. 1,2 % in den Industrienationen, ca. 27 % im Mittleren Os-


ten (Indien).
Frühgeburtenrate: 25 %.
Fetale Sterblichkeit: 8 % in den Industrienationen, 48 % im Mittleren Osten (Indi-
en).
Vertikale Transmission (in erster Linie peripartal):
██bei Hepatitis B: sehr hoch (90 %) bei HBsAg-/HBeAg-positiver Mutter
██bei Hepatitis C: ca. 5–10 % (abhängig vom Virustiter)
██prinzipiell beschrieben auch für Hepatitis A, D, E

Langzeit­ Chronifizierungsrate nicht unterschiedlich zu nicht schwangeren Patientinnen.


komplikationen
446  7 Leber

Prophylaxe Bei HBsAg-positiven Müttern: direkt postpartal kombinierte Aktiv-/Passivimp-


fung des Kindes; deshalb Sectio caesarea nicht mehr notwendig, die nachgewiese-
nermaßen die vertikale Transmissionsrate herabsetzt.
Bei HCV-infizierten Müttern: bisher keine wirksame Prophylaxe bekannt; Hyper-
immunglobulin unwirksam; Sectio caesarea in Studien bisher nicht als wirksam
erwiesen.

7.13.2 Morbus Wilson


Klinische Häufig Infertilität durch sekundäre Amenorrhö bei Frauen, die an Morbus Wilson
Charakteristika erkrankt und nicht therapiert sind.

Wegweisende Caeruloplasmin: steigt während der Schwangerschaft an, sodass dieser Wert kei-
Diagnostik nesfalls als Therapiekontrolle verwendet werden sollte.

Therapie­ Medikamentöse Therapie muss unbedingt weitergeführt werden.


indikation

Therapie Penicillamin (Metalcaptase, Trisorcin, Trolovol): sollte am Ende der Schwanger-


schaft auf relativ niedrige Dosen (0,25–0,5 g/Tag) reduziert werden; Absetzen führt
zur Exazerbation; Kombination mit Pyridoxin notwendig.
Alternative: Triethylentetramin-Hydrochlorid (auch für den Fetus nicht toxisch).
Siehe Kap. 7.11, Morbus Wilson.

Verlauf Abortrate, maternale und fetale Morbidität und Letalität hängen direkt vom prä-
partalen Zustand der Leber (präzirrhotisches Stadium, Zirrhose) ab.

Selbsthilfe Siehe Kap. 7.11, Morbus Wilson.

Literatur Sternlieb I. Wilson’s disease and pregnancy. Hepatology 2000; 31: 531–532

7.13.3 A
 ndere chronische Lebererkrankungen
in der Schwangerschaft
██ Chronische Virushepatitis

Hepatitis B: meist unproblematischer Verlauf, aber hohe vertikale Transmissions-


rate. Simultanimpfung postpartal (s. Kap. 7.13.1, Akute Virushepatitis) entschei-
dend, da die Chronifizierungsrate der Hepatitis B für Säuglinge bei ca. 90 % liegt.
Hepatitis C: in der Regel unproblematischer Verlauf mit einem Infektionsrisiko des
Neugeborenen von 5–10 % (vom Virustiter abhängig).
Hepatitis D: meist auch unproblematischer Verlauf mit einem niedrigeren Risiko
der Übertragung auf das Kind als bei Hepatitis B.

██ Leberzirrhose

Verlauf ██ mütterliche Mortalität (bis zu 13,1 %): gastrointestinale Blutung (40–70 %), Le-
berversagen (20–25 %), andere (10–35 %)
7.14 Benigne Tumoren der Leber  447

██ Komplikationen: Varizenblutung (Gesamtrisiko 18–32 %), Varizenblutung bei


vorbestehender portaler Hypertension (bis zu 50 %), Ikterus (bis 27 %), Aszites
(bis 16 %), hepatische Enzephalopathie (bis 5 %)
██ erhöhte Spontanabortrate (bis zu 17 %)
██ erhöhte Frühgeburtenrate (bis 20 %)
██ erhöhte Perinatalmortalität (bis zu 20 %)

Therapie ██ bei Varizenblutung: Gummibandligatur, Sklerotherapie


██ bei Aszites: Spironolacton (nur unter besonderer Indikationsstellung)
██ bei hepatischer Enzephalopathie: Laktulose

7.14 Benigne Tumoren der Leber

7.14.1 Fokal noduläre Hyperplasie


Definition Die fokal noduläre Hyperplasie (FNH) ist eine zirkumskripte, meist solitäre Läsion,
die aus Noduli von gutartigen hyperplastischen Hepatozyten besteht.

Patho­ Nicht eindeutig geklärt; die Hyperplasie der Hepatozyten wird als Reaktion auf
mechanismus eine fokale Läsion (Gefäßmalformation) aufgefasst.

Pathologie Fester hellbrauner bis gelblicher Tumor mit sternförmigen Septen, welche die Läsi-
on in Lobuli aufteilen. Häufig subkapsulär gelegen, kann gestielt sein; meist solitär.
Größere Tumoren zeigen zentral Herde von Einblutung oder Nekrose. Die Hepato-
zyten sind unverändert. In den Bindegewebssepten verlaufen Galleductuli. Deut-
liche Infiltration von Lymphozyten, Plasmazellen und Histiozyten. Äste der Leber-
arterie und der Pfortader zeigen eine Verdickung der Intima und eine Hyperplasie
der glatten Muskulatur.

Genetik Eine genetische Disposition ist nicht bekannt.

Epidemiologie Prävalenz: ca. 0,4–3 %, mindestens doppelt so häufig wie das Adenom;
Frauen:Männer = 6:1.
Auslösende Faktoren: Obwohl hauptsächlich Frauen erkranken, ist die Rolle der
Sexualhormone nicht eindeutig geklärt. Das Absetzen von Antikonzeptiva führt
nicht zur Regredienz des Tumors. Auch sind die Komplikationsraten in der Schwan-
gerschaft nicht erhöht.

Assoziierte In 20–25 % gleichzeitiges Auftreten von Hämangiomen; sehr selten gleichzeitiges


Erkrankungen Auftreten von FNH und Adenom beschrieben.

Klinische Lange asymptomatisch (häufig Zufallsbefund); bei Größenzunahme (>8 cm): Ober-
Charakteristika bauchschmerzen, Hepatomegalie.

Wegweisende ██ Sonografie: echoarme oder diskret echoreiche Echostruktur, meist gut abgrenz-
Diagnostik bar, bei Verwendung von Kontrastmittel häufig Zuordnung möglich (Mehranrei-
cherung in der arteriellen und portalvenösen Phase, Darstellung der zentralen
oder parazentralen Arterie, Narbe und Radspeichenmuster).
██ CT: hypo- oder isodense Läsion mit starker KM-Aufnahme
██ MRT: iso- oder hypointense Struktur mit Nachweis einer zentralen Narbe (hohe
Spezifität)
448  7 Leber

Zusatz­
██ US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie/-histologie: bei eindeutiger KM-
diagnostik Sonografie oder MRT-Diagnose nicht notwendig
██ hepatobiliäre Sequenzszintigrafie: zur Differenzierung vom Adenom (keine
Gallengänge!); theoretisch guter Ansatz, selten praktiziert

Differenzial­ Adenom, Hämangiom, hepatozelluläres Karzinom, fibrolamelläres Karzinom, Me-


diagnose tastase, alveoläre Echinokokkose.

Therapie ██ Absetzen der oralen Antikonzeptiva


██ elektive Operation bei vorliegender Indikation (Größenwachstum, diagnosti-
scher Unsicherheit)
██ bei Ruptur (sehr selten): Notfalloperation
██ ansonsten Verlaufsbeobachtung durch bildgebende Verfahren (Sonografie, evtl.
MRT)

Verlauf Meist unproblematisch, Rückbildung nach Absetzen der Antikonzeptiva. Als Lang-
zeitkomplikation Blutung in freie Bauchhöhle beschrieben, jedoch extrem selten.

Literatur Dietrich CF, Schreiber-Dietrich D, Schüssler G et al. Kontrastverstärkte Ultraschalluntersuchung der Leber –
Aktueller Wissensstand. DMW 2007; 132: 1225–1231
Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Mathieu D, Kobeiter H, Maison P et al. Oral contraceptive use and focal nodular hyperplasia of the liver.
Gastroenterology 2000; 118: 560–564

7.14.2 Adenom
Definition Gutartiger Lebertumor, der aus Hepatozyten besteht und in einer normalen Leber
entsteht.

Patho­ Entwicklung durch orale Antikonzeptiva gezeigt, auch durch Anabolika induzier-
mechanismus bar.

Pathologie Meist solider brauner bis gelber Tumor mit oder ohne Kapsel, meist im rechten
Leberlappen (65–70 %) lokalisiert, häufig direkt unterhalb der Leberkapsel. Hepa-
tozyten mit hohem Glykogengehalt, vergrößert, feintropfige Verfettung. Architek-
tur ohne Portalfelder, Zentralvenen und Gallengänge. Adenomatose der Leber: >10
Adenome.

Genetik Eine genetische Disposition zur Adenomentwicklung bei Einnahme von Antikon-
zeptiva wird vermutet.

Epidemiologie Prävalenz: ca. 4:100 000, überwiegend Frauen. In 90 % Zusammenhang mit der Ein-
nahme von Antikonzeptiva: bei Einnahme über 6 Jahre Risiko um den Faktor 5,
über 9 Jahre um den Faktor 25 erhöht. Bei Männern besteht erhöhtes Risiko bei
Einnahme von Anabolika.

Assoziierte Sehr selten Glykogenose Typ I (s. Kap. 7.8.1).


Erkrankungen

Klinische In der Regel asymptomatisch. Bei ca. 20 % der Patienten kommt es zu Völlegefühl
Charakteristika und Schmerzen im rechten Oberbauch oder Epigastrium.
7.14 Benigne Tumoren der Leber  449

Wegweisende
██ Sonografie: inhomogene, echoarme oder -reiche Raumforderung, manchmal
Diagnostik zentrale Einblutung, bei Verwendung von KM Zuordnung möglich (früharteri-
elle Mehranreicherung)
██ CT: hypodense Läsion mit verzögerter KM-Aufnahme (s. Kap. 7.14.1, Fokal no-
duläre Hyperplasie)
██ MRT: hyperintenser Tumor, der von der FNH, aber nicht vom HCC differenziert
werden kann
██ Angiografie: 50 % hypo-, 50 % hypervaskularisiert

Zusatz­ ██ US-gesteuerte Histologiegewinnung mit molekularbiologische Klassifizierung


diagnostik (erhöhte Blutungsgefahr):
–– HNF1α-inaktiviertes Adenom
–– Inflammatorisches oder nicht klassifizierbares Adenom
–– β-Catenin-aktiviertes Adenom
██ Labor: selten Erhöhung der Cholestase-Enzyme (γ-GT, AP); α-Fetoprotein nor-
mal

Differenzial­ Siehe Kap. 7.14.1, Fokal noduläre Hyperplasie.


diagnose

Therapie­ In der Regel, v. a. bei Tumoren >5 cm gegeben. Bei Tumoren <5 cm, die der Gruppe
indikation des HNF1α-inaktivierten Adenoms oder inflammatorischen Adenoms angehören,
können Verlaufsbeobachtungen mit KM-Ultraschall oder MRT angezeigt sein. Bei
Progredienz Operation. Absolute Operationsindikation bei β-Catenin-aktiviertem
Adenom.

Therapie Absetzen der oralen Antikonzeptiva; Resektion des Adenoms, auch Behandlung
mit perkutaner Ethanolinjektion (PEI) und Radiofrequenzablation (RFA) möglich.

Verlauf Nach Absetzen der oralen Antikonzeptiva kommt es in 20 % zur Regression des Tu-
mors, allerdings ist auch bei Regression nach Absetzen von Antikonzeptiva eine
maligne Entartung nicht auszuschließen.

Langzeit­ ██ Einblutung: führt zur heftigen Schmerzen


komplikationen ██ Ruptur: Risiko steigt mit Tumorgröße
██ maligne Transformation: in einzelnen Fällen bei Frauen mit oralen Antikonzep-
tiva beschrieben

Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
Kubicka S, Tannapfel A. Solide gutartige Lebertumoren und tumorartige Läsionen. In: Messmann H (Hrsg.).
Klinische Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme Verlag 2012
Mathieu D, Kobeiter H, Maison P et al. Oral contraceptive use and focal nodular hyperplasia of the liver.
Gastroenterology 2000; 118: 560–564

7.14.3 Kavernöses Hämangiom


Definition Häufigster benigner Lebertumor, der auf Gefäßfehlbildungen zurückgeht.

Pathologie Solitär (70 %) und multipel (30 %) auftretend; meist 1–4 cm groß; Verteilung auf
beide Leberlappen gleich. Verschieden große vaskuläre Hohlräume, mit Endothel
ausgekleidet und durch Bindegewebssepten getrennt.
450  7 Leber

Epidemiologie Häufigster gutartiger Lebertumor, 0,5–7 % in Autopsien, Frauen etwas häufiger be-
troffen.

Klinische In der Regel asymptomatisch; assoziierte Beschwerden und Erkrankungen sind


Charakteristika nicht bekannt.

Wegweisende ██ Sonografie: gut abgrenzbare, echoreiche Raumforderung; manchmal Nachweis


Diagnostik des zuführenden Gefäßes; bei großer Ausdehnung sind häufig die klassischen
Kriterien nicht mehr vorhanden. Die Kontrastmittelsonografie verbessert die
Zuordnung
██ CT: hypodense Läsion mit „Irisblendenphänomen“ bei KM-Gabe
██ MRT: hyperintenser, gut abgrenzbarer Tumor
██ Cave: US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie oder -histologie sollte wegen
Blutungsgefahr nicht durchgeführt werden!

Differenzial­ Siehe Kap. 7.14.1, Fokal noduläre Hyperplasie.


diagnose

Therapie ██ In der Regel: keine Therapie indiziert, jedoch Verlaufsbeobachtung.


██ Bei Ruptur: Resektion oder angiografische Embolisation.

Verlauf Hämangiomgröße kann bei Einnahme oraler Antikonzeptiva und in der Schwan-
gerschaft zunehmen.

Langzeit­ Die spontane Ruptur ist sehr selten.


komplikationen Bei sehr großen Hämangiomen kann ein Kasabach-Merritt-Syndrom mit Thrombo-
zytopenie, Verbrauchskoagulopathie und Anämie auftreten.

Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122

7.14.4 Benignes Hämangioendotheliom


Definition Kindlicher, benigner Tumor, der durch Hepatomegalie auffällt und durch Volumen-
belastung des Herzens zu Komplikationen führen kann.

Pathologie Solitäres oder multiples Vorkommen; Tumorgröße bis zu 15 cm; scharfe Abgren-
zung, allerdings keine Kapsel.

Epidemiologie Sehr selten, Mädchen mehr betroffen (2:1).

Assoziierte Hämangiome in anderen Organen; Haut in ca. 50 % der Fälle betroffen. Sind mehr
Erkrankungen als 3 Organe betroffen, spricht man von einer diffusen neonatalen Hämangiomatose.

Klinische Hepatomegalie; Herzinsuffizienz durch Shunts; multiple kutane Hämangiome; hä-


Charakteristika molytischer Ikterus (in 30 %).

Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis eines echoreichen Tumors


Diagnostik ██ CT: inhomogener Tumor, Kalzifikationen möglich
██ Angiografie: dilatierte Gefäße im Bereich des Truncus coeliacus, abnorme ar-
terielle intrahepatische Gefäße, arteriovenöse Shunts (kurze Passagezeit durch
die Leber)
7.14 Benigne Tumoren der Leber  451

Differenzial­ Malignes Hämangioendotheliom.


diagnose
Therapie Behandlung der Herzinsuffizienz; Embolisation der A. hepatica; bei manchen Pati-
enten Glukokortikoide hilfreich.

Verlauf Häufig Herzversagen, in 70 % der Fälle letaler Verlauf.

7.14.5 Leberzysten
Definition Hohlraum, der seröse Flüssigkeit (keine Gallensäuren, kein Bilirubin) enthält und
nicht mit dem Gallengangsystem kommuniziert.

Patho­ Kongenitale Malformation wahrscheinlich.


mechanismus

Pathologie Zyste von kuboiden Zellen ausgekleidet, die Galleepithelien ähneln. Kleine Zysten
von intaktem Lebergewebe umgeben; große Zysten können zu einer Atrophie des
umgebenden Lebergewebes führen.

Epidemiologie Prävalenz ca. 1–3 %, in 50 % solitär vorkommend. Frauen häufiger betroffen (1,5–
9:1); familiäre Häufung vorhanden, können auch gehäuft mit Pankreaszysten auf-
treten.

Klinische ██ in der Regel: asymptomatisch


Charakteristika ██ bei großen Zysten: Völlegefühl, Unwohlsein, Oberbauchschmerzen

Wegweisende ██ Sonografie: echofreie Raumforderung mit dorsaler Schallverstärkung


Diagnostik ██ CT: hypodense Läsion

Differenzial­ Zystische Echinokokkose.


diagnose

Therapie In der Regel keine Therapie indiziert, ggf. Verlaufsbeobachtung. Bei deutlicher
Symptomatik: US-gesteuerte Punktion und Instillation von Ethanol (PEI) oder la-
paroskopische Zystenentdachung.

Verlauf In der Regel keine Wachstumstendenz, jedoch Ausnahmen (Langzeitkomplikatio-


nen insgesamt sehr selten):
██intrazystische Blutung (im US: Zunahme der Zyste, Nachweis von echogenem
Material in der Zyste), Ruptur in die Bauchhöhle
██bakterielle Infektion
██Kompression der V. cava inferior, portale Hypertension durch Kompression der
V. portae, Cholestase durch Kompression eines größeren Gallengangs
██Kommunikation mit dem Gallengangsystem; zystoduodenale Fistel

Sonderform Zystenleber (polyzystische Lebererkrankung): sehr seltene, angeborene Erkran-


kung mit multiplen dysontogenetischen Zysten; kann zu Kachexie führen, dann
besteht Indikation zur Lebertransplantation.
452  7 Leber

7.14.6 Polyzystische Lebererkrankung


Definition Angeborene Erkrankung mit Hohlräumen in der Leber, die seröse Flüssigkeit (kei-
ne Gallensäuren, kein Bilirubin) enthalten und nicht mit dem Gallengangsystem
kommunizieren.

Genetik Zwei Formen:


██polyzystische Lebererkrankung als eigenständiges Krankheitsbild (autosomal-
rezessiver Erbgang)
██assoziiert mit der polyzystischen Nierendegeneration (autosomal-dominanter
Erbgang)

Klinische Häufig asymptomatisch. Bei großen Zysten: Völlegefühl, Unwohlsein, Oberbauch-


Charakteristika schmerzen. In 5 % kann Ikterus auftreten.

Wegweisende ██ Sonografie: multiple echofreie Raumforderungen mit dorsaler Schallverstär-


Diagnostik kung
██ CT: multiple hypodense Läsionen

Differenzial­ Zystische Echinokokkose.


diagnose
Therapie In der Regel keine Therapie indiziert, ggf. Verlaufsbeobachtung. Der Einsatz von
Somatostatin-Analoga führt zu einer Reduktion des Lebervolumens.
Bei deutlicher Symptomatik: US-gesteuerte Punktion und Instillation von Ethanol
(PEI) oder laparoskopische Fensterung.
Sehr große Leberzysten können zu Kachexie führen, dann besteht Indikation zur
Lebertransplantation.

Literatur Temmerman F, Missiaen L, Bammens B et al. Systemic review: the pathophysiology and management of
polycystic liver disease. Aliment Pharmacol Ther 2011; 34: 702–713

7.14.7 Von-Meyenburg-Komplex
Definition Biliäre Mikrohamartome, Teil des Spektrums der adulten Form der polyzystischen
Lebererkrankung.

Pathologie Multiple grauweiße Noduli, die aus kleinen, irregulären Gallengängen mit Zylin-
derepithel und hyalinem fibrösen Stroma bestehen.

Epidemiologie Häufigkeit: in 0,6 % bei Laparotomien und in 0,7 % bei Autopsien entdeckt.

Assoziierte Zystenleber, Caroli-Syndrom.


Erkrankungen

Klinische In der Regel asymptomatisch.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: multiple Läsionen unterschiedlicher Echogenität


Diagnostik ██ CT: hypodense Raumforderungen ohne Kontrastverstärkung
██ MRT: hypointens in T1-Wichtung und hyperintens in T2-Wichtung relativ zum
Leberparenchym
7.15 Maligne Tumoren der Leber  453

Zusatz­
██ US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie oder -histologie
diagnostik
██ Labor: leichte Erhöhung der γ-Glutamyltransferase

Differenzial­ Metastase(n).
diagnose

Therapie Keine.

Verlauf Aus Mikrohamartomen ist die Entstehung eines cholangiozellulären Karzinoms


möglich.

Literatur Mariss J, Gaa J, Wörtler K, Rummeny E. Multiple biliäre Hamartome (von Meyenburg-Komplexe). Radiologie
up2date 2009; 9: 199–202

7.14.8 Peliosis hepatis


Definition Mit Blut gefüllte Hohlräume in der Leber.

Pathologie Mit Endothel ausgekleidete, blutgefüllte Räume, die dilatierten Sinusoiden und
Disse-Räumen entsprechen.

Epidemiologie Sehr selten auftretend, auch bei Kleinkindern beschrieben. Kann durch Medika-
mente (Hydroxyurea, Azathioprin, Anabolika u. a.) ausgelöst werden.

Assoziierte Tuberkulose, AIDS, maligne Erkrankungen, nach Knochenmarktransplantation.


Erkrankungen

Klinische Hepatomegalie, Ikterus.


Charakteristika

Diagnostik ██ Laparoskopie (mit Punktion): im Durchmesser 1–10 mm große Herde von livid-
rötlicher Farbe, die häufig rund sind und konfluieren können.
██ Sonografie, CT, MRT: Herde aufgrund der Größe nicht darzustellen
██ Labor: meist erhöhte Transaminasen

7.15 Maligne Tumoren der Leber

7.15.1 Hepatozelluläres Karzinom


Definition Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist ein maligner Lebertumor, dessen Ursprung
im Hepatozyten liegt.

Pathologie Verschiedene Typen: spindel-, klar-, großzellig, sklerosierend, fibrolamellär (Son-


derform siehe Kap. 7.15.2, Fibrolamelläres Karzinom) sowie Mischformen.
TNM-Klassifikation (7. Auflage, UICC 2009, mod. 2011, Tab. 7.2) und Stadieneintei-
lung nach UICC (Tab. 7.3).
454  7 Leber

Tab. 7.2 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation des
T1 Solitärer Tumor ohne Gefäßinvasion
MCC.
T2 Solitärer Tumor mit Gefäßinvasion oder multiple Tumoren, keiner mehr als
5 cm in größter Ausdehnung

T3 Multiple Tumoren mehr als 5 cm in größter Ausdehnung oder Tumoren mit


Befall eines größeren Astes der V. portae oder der Vv. hepaticae

T3a Multiple Tumoren mehr als 5 cm in größter Ausdehnung

T3b Tumor mit Befall eines größeren Astes der V. portae oder der Vv. hepaticae

T4 Tumor(en) mit direkter Invasion von Nachbarorganen, ausgenommen Gallen­


blase oder Tumor(en) mit Perforation des viszeralen Peritoneums

N0 Keine regionären Lymphknoten

N1 Regionäre Lymphknoten

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 7.3 Stadien­ Stadium Zuordnung nach TNM


einteilung nach
Stadium I T1 N0 M0
UICC.
Stadium II T2 N0 M0

Stadium IIIA T3a N0 M0

Stadium IIIB T3b N0 M0

Stadium IIIC T4 N0 M0

Satdium IVA Jedes T N1 M0

Stadium IVB Jedes T Jedes N M1

Weitere Definitionen der HCC-Tumorstadien Tab. 7.4 und Tab. 7.5.

Genetik Genetische Disposition wahrscheinlich. Vermehrt vorkommend bei vererbbaren


Stoffwechselerkrankungen wie Glykogenose Typ I und Tyrosinämie Typ I.

Epidemiologie Weltweit ist das HCC der siebthäufigste (bei Männern) und der neunthäufigste (bei
Frauen) maligne Tumor: Bei den tumorbedingten Todesursachen steht es an der 3.
Stelle. In Mitteleuropa relativ geringe, aber stark steigende Inzidenzrate bei Män-
nern (6:100 000) und bei Frauen (2:100 000). In Ländern mit hohen Inzidenzraten
(Afrika, China) Häufigkeitsgipfel bei ca. 50 Jahren, in Ländern mit niedriger Inzi-
denzrate bei ca. 70 Jahren.

Risikofaktoren:
██chronische Hepatitis-B- und -C-Infektion
██Leberzirrhose (s. a. assoziierte Erkrankungen)
██Medikamente: Kontrazeptiva, Androgene, Anabolika, Methotrexat, Methyldopa,
Zyprotoronacetat
7.15 Maligne Tumoren der Leber  455

Tab. 7.4 Defi­ Parameter 0 Punkte 1 Punkt


nition der HCC-
Tumorstadien Tumorausdehnung <50 % der Leber >50 % der Leber
nach den Okuda- Aszites Ja Nein
Kriterien (Okuda-
Stadium I: 0 Albumin (g/dl) ≥3 <3
Punkte; II: 1 oder
Bilirubin (mg/dl) <3 ≥3
2 P.; III: 3 oder
4 P.).

Tab. 7.5 Defi­ Stadium Allgemeinzustand Tumor Okuda-Stadium Leber­funktion


nition der HCC-
Frühes HCC (A1) 0
Tumorstadien
nach Barcelona- A1 0 1 Herd, I keine PHT
Clinic-Liver- <5 cm Bilirubin
Cancer-(BCLC-) ­normal
Kriterien (PHT =
portale Hyper­ A2 0 1 Herd, I PHT
tension). <5 cm Bilirubin
­normal

A3 0 1 Herd, I PHT
<5 cm Bilirubin erhöht

A4 0 3 Herde, I–II Child-Pugh A–B


<3 cm

Intermediär (B1) 0 groß, I–II Child-Pugh A–B


­multilokulär

Fortgeschritten 1–2 Gefäßin­ I–II Child-Pugh A–B


(C) filtration,
extrahe­
patischer
Befall

Endstadium (D) 3–4 Jedes III3 Child-Pugh C3

1 Im Stadium A und B müssen alle Kriterien erfüllt sein.


2 Im Stadium C (2) muss eines der 2 Kriterien (Allgemeinzustand oder Tumorausdehnung)
zutreffen.
3 Im Stadium D (3) muss eines der 3 Kriterien (Allgemeinzustand, Tumorausdehnung oder

Child-Pugh-Stadium) zutreffen.

██ Chemikalien: Polyvinylchlorid, aromatische Amine, Nitroseverbindungen, poly-


zyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, alkylierende Substanzen
██ Mykotoxine (Aflatoxin)
██ anorganische Stoffe: Arsen, Asbest, Cadmium, Chrom

Assoziierte Chronische Hepatitis-B-Infektion, Leberzirrhose verschiedener Ätiologie (Alkohol,


Erkrankungen AIH, PBC, NASH), Hepatitis-C-Infektion, Hämochromatose.

Klinische Bauchschmerzen (in ca. 80 %), Hepatomegalie (ca. 75 %), Gewichtsverlust (ca. 50 %),
Charakteristika körperliche Schwäche (ca. 35 %), Aszites (ca. 50 %), Ikterus (ca. 20 %).
456  7 Leber

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Abb. 7.8 Diagnostischer Algorithmus des HCC bei Patienten mit Leberzirrhose und neu aufgetretener Raumforderung
(Quelle: Greten 2010).

Wegweisende ██ Laborwerte: α-Fetoprotein (AFP), Sensitivität ca. 50 %, Spezifität 60–90 %


Diagnostik ██ Sonografie: inhomogene Läsion mit meist unscharfer Begrenzung, ca. zwei Drit-
tel echoreich, ein Drittel echoarm. Charakteristisch in der KM-verstärkten Sono-
grafie sind in 90 % eine Mehranreicherung in der arteriellen Phase und eine Min-
deranreicherung in der portalvenösen Phase. Definitive Diagnose mit US-gesteu-
erter Feinnadelaspirationszytologie/-histologie möglich, bei AFP-Wert >400 ng/ml
und typischen Zeichen des HCC im CT, MRT oder KM-Sonografie nicht notwen-
dig (Abb. 7.8).
██ CT (Spiral-CT): Sensitivität etwas höher im Vergleich zum US
██ MRT: wohl das sensitivste bildgebende Verfahren

Zusatz­ ██ Angiografie: wird als primärdiagnostisches Verfahren nicht mehr eingesetzt;


diagnostik klärt arterielle Gefäßversorgung vor Resektion oder Chemoembolisation.
██ Laparoskopie: zum Ausschluss einer peritonealen Aussaat. Lässt Punktion des
Tumors unter Sicht zu, falls dieser die Leberoberfläche im einsehbaren Bereich
erreicht.
7.15 Maligne Tumoren der Leber  457

Differenzial­ Regeneratknoten bei Patienten mit Leberzirrhose, benigner Lebertumor (z. B. Ade-
diagnose nom, fokal noduläre Hyperplasie), Metastase, peripheres cholangiozelluläres Kar-
zinom.

Früherkennung Überwachung mit AFP und Ultraschall alle 6 Monate bei Patienten mit erhöhtem
HCC-Risiko (Hepatitis-B-/C-Infektion, alkoholische Leberzirrhose, Hämochromato-
se, primär biliäre Zirrhose) (nach Schacherer et al. 2007).

Therapie­ In jedem Fall bei noch ausreichendem Allgemeinzustand.


indikation

Kurative Chirurgische Resektion: Operationstechnik von Lokalisation und Parenchymreser-


Therapie ve der befallenen Leber abhängig, normales Bilirubin und niedriger Portalvenen-
druck (<10 mmHg) gute Prädiktoren, Resektion v. a. bei singulären Knoten.

Stadium A–C Stadium D

Okuda 1–2, PS 0–2, Child-Pugh A–B Okuda 3, PS > 2,


Child-Pugh C

Frühstadium (A) Zwischenstadium (B) fortgeschrittenes Stadium (C) Endstadium (D)


singulärer Herd oder multilokulär, PS 0 extrahepatisches HCC, PS 1
3 Knoten ≤ 3 cm, PS 0

singulär 3 Knoten ≤ 3 cm

PVD/Bilirubin

erhöht Begleiterkrankung extrahepatische Beteiligung

normal nein ja nein ja

LTx
Resektion PEI/RFA TACE Sorafenib BSC
(CLT/LDLT)

kurativer Therapieansatz palliativer Therapieansatz

Abb. 7.9 Algorithmus zur Therapie des hepatozellulären Karzinoms nach Vorschlag der EASL in Abhängigkeit vom
BCLC-Score. (PS = Performance Status, PVD = Portalvenendruck; CLDT = Post-Mortem-Lebertransplantation, LDLT =
Lebendspender-Lebertransplantation, PEI = perkutane Ethanolinjektion, RFA = Radiofrequenzablation, TACE = transar­
terielle Chemoembolisation, BSC = best supportive care) (Quelle: Greten et al. 2006).
458  7 Leber

Lebertransplantation: in ausgewählten Fällen (UICC-Stadium I/II) sinnvoll, bei Le-


berzellinsuffizienz, Tumor bis 5 cm oder bis zu 3 Knoten (≤3 cm).
Perkutane Ethanolinjektion (PEI): US-gesteuerte Injektion von 95-prozentigem
Ethanol (2–10 ml pro Sitzung), das als kuratives und palliatives Verfahren bei
Tumoren <5 cm eingesetzt wird; auch bei mehreren Tumoren möglich. Stichka-
nalmetastasen möglich, aber selten (ca. 1 %).
Radiofrequenzablation (RFA): durch US- oder CT-gesteuerte Applikationsnadeln
Auslösung einer Tumornekrose. In den letzten Jahren haben Studien gezeigt, dass
die RFTA der PEI v. a. bei kleinen Tumoren überlegen ist.

Palliative Transarterielle Chemoembolisation (TACE): Therapie der Wahl bei intermediärem


Therapie HCC (BCLC B). Aktuell ist die Verwendung von Drug-eluting Beads (DEB), Mikro-
sphären, die lokal das Chemotherapeutikum (Doxorubicin, Cisplatin, Mitomycin)
freisetzen.
Selektive interne Radiotherapie (SIRT): Applikation von mit einem Betastrahler
(90Yttrium) beladenen Kunststoff- Mikrosphären oder Glas-Mikrosphären über die
A. hepatica. Viel versprechendes Verfahren, das trotz viel versprechender Studien-
ergebnisse noch nicht in die Behandlungsleitlinien aufgenommen wurde.
Systemische Therapie: Multikinase-Inhibitor Sorafenib (Nexavar, 2-mal 400 mg/
Tag) inzwischen zugelassen, verlängert Überlebenszeit um ca. 3 Monate. Hauptne-
benwirkungen sind das Hand-Fuß-Syndrom und Diarrhö. Bisher keine Anwendung
bei Child-C-Patienten.
Abb. 7.9 fasst das Vorgehen bei der Therapie des HCC zusammen.

Verlauf 5-Jahres-Überlebensrate:
██nach Resektion: 22–40 % (in Deutschland)
██nach Transplantation: bei UICC I/II >50 %, bei UICC III ca. 30 %, bei UICC IV ca. 13 %

Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122
El Sarag HB. Current concepts: hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2011; 365: 1118–1127
Erhardt A, Zhu E, Blondin D et al. Zunahme und verbessertes Überleben des hepatozellulären Karzinoms im
Zeitraum von 1988-2007: Daten einer deutschen Universitätsklinik. Z Gastroenterol 2011; 49: 720–727
Greten TF, Blum HE, Manns MP et al. Therapie des hepatozellulären Karzinoms. ZGastroenterol 2006; 44: 43–49
Greten TF. Hepatozelluläres Karzinom. Gastro Up2Date 2010; 6: 123-131
Kolligs FT, Hoffmann RT, op den Winkel M et al. Diagnose und multimodale Therapie des hepatozellulären
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Llovet JM, Ricci S, Mazzaferro V et al. Sorafenib in advanced hepatocellular carcinoma. N Engl J Med 2008;
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Schacherer D, Schölmerich J, Zuber-Jerger I. Diagnostik des hepatozellulären Karzinoms. Z Gastroenterol
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Trojan J, Hammerstingl R, Strey CW et al. Fortschritte in der bildgebenden Diagnostik und Therapie des
hepatozellulären Karzinoms. Dtsch Ärztebl 2007; 104: A3333–3336

7.15.2 Fibrolamelläres Karzinom


Definition Maligner Lebertumor, dessen Ursprung im Hepatozyten liegt und der als Variante
des hepatozellulären Karzinoms gilt.

Pathologie Entwicklung in einer nicht zirrhotischen Leber.

Epidemiologie Auftreten deutlich früher als beim HCC (5–35 Jahre). Inzidenz: ca. 0,1:100 000/Jahr.
Assoziierte
Erkrankungen Keine.
7.15 Maligne Tumoren der Leber  459

Diagnostik Wie beim hepatozellulären Karzinom (s. Kap. 7.15.1).


Cave: keine Erhöhung des AFP.

Therapie Chirurgische Resektion: in 50–80 % der Fälle möglich.


Lebertransplantation: in ausgewählten Fällen sinnvoll.

Verlauf Bessere Prognose im Vergleich zum hepatozellulären Karzinom: postoperative


5-Jahres-Überlebensraten bei 40–66 %, 10-Jahres-Überlebensraten bei 24–47 %.

7.15.3 Hepatoblastom
Definition Maligner Lebertumor, der in der Regel im Kleinkindesalter auftritt.

Pathologie Einteilung (Japanese Pathological Society): hochdifferenziert (fetaler Typ), wenig


differenziert (embryonaler Typ), unreif (undifferenzierter Typ).

Epidemiologie Häufigster maligner Lebertumor im Kindesalter, Auftreten überwiegend in den


ersten 3 Lebensjahren, Jungen häufiger betroffen als Mädchen.

Klinische Aufgetriebenes Abdomen, Gedeihstörung, Gewichtsverlust.


Charakteristika

Diagnostik Wie beim hepatozellulären Karzinom:


α-Fetoprotein
██

Sonografie (evtl. mit Biopsie)


██

CT
██

MRT
██

Therapie Chirurgische Resektion; ist nur in ca. 30 % der Fälle möglich.

Verlauf Falls eine kurative Operation nicht möglich ist, ist die Prognose sehr schlecht.

7.15.4 Angiosarkom
Synonyme Malignes Hämangioendotheliom, hämangioendotheliales Sarkom, Kupffer-Zell-
Sarkom.

Definition Sehr seltener, maligner Lebertumor.

Patho­ Nach Exposition von Thorotrast (20–25 % ThO2-Lösung), Vinylchlorid und Arsenex-
mechanismus position Auftreten häufiger, Latenz 10–40 bzw. 12–29 Jahre.

Pathologie Spindelförmige Tumorzellen mit hyperchromatischen Kernen und prominenten


Nukleoli; Infiltration der Sinusoide mit konsekutiver Dilatation der Sinusoide.

Epidemiologie Sehr niedrige Inzidenz: ca. 0,01:100 000, 25 Fälle in USA pro Jahr; Auftreten in der
6. und 7. Lebensdekade; Männer häufiger betroffen (3:1).

Klinische Übelkeit, Gewichtsverlust; Schmerzen im rechten Oberbauch, Hepatomegalie, As-


Charakteristika zites. Selten: hämolytische Anämie, Thrombozytopenie.
460  7 Leber

Diagnostik
██ Sonografie: inhomogener, eher echoreicher, gut vaskularisierter Tumor
██ CT (Angio-CT): Methode der Wahl

Therapie ██ Chirurgische Resektion: wegen der Größe und des multifokalen Auftretens häu-
fig nicht möglich
██ Chemotherapie: nicht effektiv
██ Strahlentherapie: nicht effektiv

Verlauf Insgesamt sehr schlechte Prognose wegen rascher Metastasierung in die Lunge und
in die Knochen.
Eine Variante mit besserer Prognose stellt das epitheloide Hämangiosarkom dar
(5-Jahres-Überlebensrate ca. 50 %).

7.15.5 Lebermetastasen
Definition Sekundäre maligne Lebertumoren bei unterschiedlichen Primärtumoren.
CUP-Syndrom („cancer of unknown primary“): Metastase bei unbekanntem Pri-
märtumor.

Patho­ Hämatogener Metastasierungsweg über die Pfortader oder Leberarterie.


mechanismus

Pathologie Ähnelt dem Primärtumor; nur in 10 % der Fälle solitäres Auftreten.

Epidemiologie Machen 95–97 % der malignen Lebertumoren aus.

Klinische Oberbauchschmerzen, Gewichtsabnahme, Hepatomegalie, Ikterus.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: Zuordnung häufig durch Einsatz der KM-Sonografie möglich. Cha-
Diagnostik rakteristisch ist eine Minderanreicherung in der portalvenösen Phase (Aus-
wasch-Phänomen) und eine hypervaskularisierte Peripherie (rim sign). Defini-
tive Diagnose mit US-gesteuerter Feinnadelaspirationszytologie bzw. -histologie
möglich
██ CT: Sensitivität etwa gleich wie beim Ultraschall
██ MRT: alternativ einzusetzendes bildgebendes Verfahren

Zusatz­ Tumormarker (als Hinweis auf Primärtumor, je nach Histologie):


diagnostik ██AFP: Leber, Hoden
██CEA: Kolon, Gallenwege, Bronchialsystem, Magen, Mamma, Pankreas
██CA19–9: Pankreas, Gallenwege, Kolon
██CA74–4: Bronchialsystem
██CA15–3: Mamma, Ovar
██CA125: Ovar, Endometrium
██NSE: Bronchialsystem
██CYFRA: Bronchialsystem
██SCC: Zervix
██PSA: Prostata
██Kalzitonin: Schilddrüse

Abklärung Organbefall durch Primärtumor


Laparoskopie: zum Staging in unklaren Fällen
7.16 Autoimmunhepatitis  461

Differenzial­ Primärer Lebertumor.


diagnose
Therapie Resektion solitärer Metastasen oder palliative Therapiemöglichkeiten bei multip-
len Metastasen, von Primärtumor, Zahl und Ausbreitung abhängig.

Literatur Dietrich CF, Hocke M. Kontrastverstärkte Sonografie (CEUS). Gastro Up2Date 2011; 7: 103–122

7.16 Autoimmunhepatitis

Definition Chronische Entzündung der Leber, die durch eine periportale Hepatitis und organ-
spezifische oder -unspezifische Autoantikörper im Serum charakterisiert ist.

Pathologie Entzündliche Infiltrate; plasmazelluläre Infiltration; Fibrose; Zirrhose. Kein patho-


gnomonisches Muster, histologische Zuordnung zu den einzelnen Subtypen nicht
möglich.

Genetik ██ Typ 1: assoziiert mit HLA-B8, HLA-DR3 (frühe Manifestation, aktiver Verlauf),
HLA-DR4
██ Typ 2: assoziiert mit HLA-DR3

Epidemiologie Manifestation: zwischen 10 und 30 Jahren sowie zwischen 40 und 55 Jahren, Frau-
en häufiger betroffen (4:1).

Assoziierte ██ primär biliäre Zirrhose (Overlap-Syndrom)


Erkrankungen ██ andere Autoimmunerkrankungen: Thyreoiditis, rheumatoide Arthritis, Vitiligo,
Vaskulitis

Klinische Leichte Ermüdbarkeit (85 %), Polymyalgie (30 %); Hepatomegalie (78 %), Leberschmerz
Charakteristika (48 %); dunkler Urin/ entfärbter Stuhl (77 %), Spider naevi (58 %); tastbare Milz (40 %);
extrahepatische Manifestationen häufig (ca. 60 %): Arthritis, Hauteffloreszenzen.

Tab. 7.6 Diag­ Parameter Cut-off-Wert Punkte


nose der autoim­
munen Hepatitis: ANA oder SMA ≥1:40 1
Vereinfachte ANA oder SMA ≥1:80 2
Form des Punkte­
systems (Quelle: oder LKM ≥1:80 2
Lüth et al. 2009).
oder SLA Positiv 2

IgG >oberer Normwert 1


>1,1-facher Normalwert (>18,5 g/l) 2

Leberhistologie (Hepatitiszeichen) Vereinbar mit AIH 1


Typisch für AIH 2

Ausschluss einer Virushepatitis Ja 2

Beurteilung: ≥6: wahrscheinlich AIH, ≥7: gesicherte AIH

ANA = Antikörper gegen Kernantigene; SMA = Antikörper gegen glatte Muskulatur; LKM =
Liver-Kidney mikrosomale Antikörper; SLA = Antikörper gegen lösliches Leberantigen; AIH =
autoimmune Hepatitis
462  7 Leber

Wegweisende Diagnose nach Score-System der International Autoimmune Hepatitis Group (Tab.
Diagnostik 7.6).
Serologie:
██Typ 1: quantitativer Nachweis (Titer ≥1:40) von antinukleären Antikörpern
(ANA) (Prävalenz im Gesamtkollektiv 40–60 %), Nachweis von Antikörpern gegen
glatte Muskulatur (SMA) (Prävalenz im Gesamtkollektiv 40–50 %)
██Typ 2: quantitativer Nachweis (Titer ≥1:40) von LKM-Antikörpern (Antikörper
gegen Mikrosomen aus Leber oder Niere, Zielantigen: Cytochrom P450 2D6; Prä-
valenz im Gesamtkollektiv <5 %)
██Typ 3: qualitativer Nachweis von Antikörpern gegen SLA oder gegen Leber-Pank-
reas-Antigen (Anti-LP; Prävalenz im Gesamtkollektiv 15–30 %)
██bei bis zu 10 % der Patienten mit Autoimmunhepatitis sind die Standard-Auto-
antikörper negativ
██Overlap-Syndrom: in etwa 10 % der Fälle sind die diagnostischen Kriterien für
eine primär biliäre Zirrhose gegeben.

Zusatz­ ██ bei Typ 2: Anti-LC1 und Anti-LC2


diagnostik ██ Leberhistologie

Differenzial­ Chronische Virushepatitis B/C, medikamenteninduzierte Hepatitis, PSC.


diagnose
Therapie­ Praktisch immer gegeben, auch bei blandem Verlauf; Behandlung des akuten
indikation Schubs.

Therapie Monotherapie: Prednisolon (z. B. Decortin H), Dosierung 1 mg/kg KG über 1 Wo-
che, dann wöchentliche Reduktion um 10 mg bis 30 mg/Tag, weitere Reduktion in
5-mg-Schritten bis zur Erhaltungsdosis (Titration nach Krankheitsaktivität).
Kombinationstherapie: wie Monotherapie; wenn Diagnose der autoimmunen He-
patitis als gesichert anzusehen ist, zusätzlich Azathioprin (Dosierung 1–1,5 mg/kg
KG/Tag).
Erhaltungstherapie: Durchführung über mindestens 3 Jahre, entweder Kombina-
tion aus Prednisolon 2,5–10 mg/Tag und Azathioprin 1 mg/kg KG/Tag oder Mono-
therapie mit Prednisolon unter 10 mg/Tag bzw. Azathioprin bis 2 mg/kg KG/Tag.
Bei weniger aggressiven Verläufen und Unverträglichkeit gegenüber Azathio-
prin: Behandlung mit Mycophenolat Mofetil (MMF) möglich.
Neuer Ansatz mit Budesonid: In einer großen internationalen Studie war Budeso-
nid (9 mg/Tag) effektiver als Prednison. Allerdings wurde das Glukokortikoid nur in
einer Dosis von 40 mg eingesetzt.

Therapie­ Bei aggressiven Verläufen Cyclophosphamid.


versagen Methotrexat wegen potenzieller Hepatotoxizität problematisch.
Einsatz anderer Immunsuppressiva, evtl. in Studien (z. B. Cyclosporin A, Tacroli-
mus).
Lebertransplantation: Risiko der Abstoßungsreaktion erhöht, in der Regel stärkere
Immunsuppression notwendig.

Verlauf In 70 % der Fälle Ansprechen auf Mono- oder Kombinationstherapie innerhalb von
2 Jahren. Die Lebenserwartung im Falle der chronischen Hepatitis ohne Zirrhose
liegt nach 5 und 10 Jahren über 90 %, bei den Fällen mit Zirrhose bei Diagnosestel-
lung nach 5 Jahren bei 80 %, nach 10 Jahren bei 65 %. Heilungsrate insgesamt bei
ca. 15 %.
7.17 Primär biliäre Zirrhose  463

Langzeit­
██ Zirrhose mit Komplikationen
komplikationen
██ hepatozelluläres Karzinom (in 7 % der Patienten mit autoimmuner Hepatitis und
Zirrhose)
██ Medikamentennebenwirkung: Adipositas, Osteoporose, Diabetes mellitus

Literatur Hennes EM, Zeniya M, Czaja AJ et al. International Autoimmune hepatitis group. Simplified criteria for the
diagnosis of autoimmune hepatitis. Hepatology 2008; 48: 169–176
Krawitt EL. Autoimmune hepatitis. N Engl J Med 2006; 354: 54–66
Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009; 50:
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Manns MP, Woynarowski M, Kreisel W et al. Budesonide induces remission more effectively than predniso-
ne in a controlled trial of patients with autoimmune hepatitis. Gastroenterology 2010; 139: 1198–1206

7.17 Primär biliäre Zirrhose

Definition Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist eine chronische cholestatische Lebererkran-
kung ungeklärter Ätiologie, die zu einer Destruktion der intrahepatischen Gallen-
gänge führt.
Sonderform Autoimmuncholangitis (Synonym: autoimmune Cholangiopathie):
unterscheidet sich nur durch den Nachweis von ANA und SMA bei fehlenden anti-
mitochondrialen Ak (AMA-negativ).

Patho­ Nicht eindeutig geklärt; die zellulären Immunreaktionen sind wahrscheinlich von
mechanismus größerer Bedeutung als die humoralen.

Pathologie 4 Stadien:
██I: pericholangioläre Infiltrate mit Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen
██II: Gallengangproliferationen in den Periportalfeldern
██III: ausgeprägte Fibrose mit Ausbildung von Septen
██IV: Leberzirrhose mit Regeneratknoten

Genetik Genetische Disposition wahrscheinlich; 7,4 % der gesunden Verwandten haben an-
timitochondriale Antikörper (AMA), 11 % Antikörper gegen glatte Muskulatur und
16 % antinukleäre Antikörper.

Epidemiologie Prävalenz 3,7–14,4/100 000; Frauen häufiger betroffen (10:1); Manifestationsalter


30–65 Jahre.

Assoziierte CREST-Syndrom, rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syndrom, Hypothyreose, Zöliakie


Erkrankungen (PBC-Prävalenz bei Zöliakie-Patienten ca. 3 %, Zöliakie-Prävalenz bei PBC Patienten
6 %).

Klinische Pruritus (ca. 50 %), Müdigkeit (ca. 50 %), Spider naevi (ca. 30 %), Ikterus (ca. 20 %).
Charakteristika

Wegweisende ██ antimitochondriale Antikörper (AMA) im Serum: in 95 % positiv, Subtypen (M2,


Diagnostik M4, M8, M9) für Diagnosestellung nicht notwendig und für Prognose nicht ent-
scheidend
██ Leberhistologie: Menghini-Punktion, (Mini-)Laparoskopie

Zusatz­ ██ AP, γ-GT: deutlich erhöht


diagnostik ██ Bilirubin: erhöht im fortgeschrittenen Stadium
464  7 Leber

██ Gerinnung (Quick-Wert), Albumin: erniedrigt im fortgeschrittenem Stadium

Differenzial­ Extrahepatische biliäre Obstruktion (Choledocholithiasis, Strikturen, Gallengang-


diagnose tumoren), primär sklerosierende Cholangitis, medikamenteninduzierte Cholesta-
se, andere chronische Hepatitiden (Virus-, Autoimmun-), alkoholische Hepatitis,
Sarkoidose.

Therapie­ Immer gegeben.


indikation

Therapie Lebenslang: Ursodeoxycholsäure (z. B. Ursofalk), Dosierung 12–15 mg/kg KG.


Therapie des Pruritus:
██zusätzlich Cholestyramin (z. B. Quantalan), Dosierung 1- bis 2-mal 4 g/Tag
██Versuch mit Antihistaminika bzw. Rifampicin (2-mal 300 mg/Tag; wenn Biliru-
bin >3 mg/dl: 2-mal 150 mg/Tag), Ondansetron (3-mal 4 bis 3-mal 8 mg/Tag), ggf.
Naloxon (2- bis 3-mal 0,4 mg/Tag)

Therapie der Osteopenie: körperliche Aktivität, Kalzium mindestens 1000 mg/Tag,


Östrogene bei postmenopausalen Frauen, Vitamin D bei niedrigem 25-OH-Vita-
min-D-Serumspiegel.
Vorbeugung und Behandlung des Vitaminmangels: Bestimmung von Quick,
25-OH-Vitamin-D-Serumspiegel (fakultativ A und E); bei Vitaminmangel orale
oder parenterale Substitution.
Evtl. bei Overlap-Syndrom, bei Arthralgien und in Studien: Immunsuppressiva
(wie Glukokortikoide, Budesonid, Azathioprin, Cyclosporin A, Methotrexat).

Therapie­ Lebertransplantation: Es wurde eine 15-Jahres-Überlebensrate von 83 % berichtet.


versagen Indikation zur Transplantation spätestens, wenn Bilirubinwert über 5 mg%. Wie-
derauftreten der primär biliären Zirrhose im Transplantat in Einzelfällen beschrie-
ben, unter Immunsuppression blander Verlauf.

Verlauf Durch Behandlung mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) wurde eine Besserung labor-
chemischer und histologischer Parameter, ein vermindertes Auftreten von Kom-
plikationen und eine Verlängerung des transplantationsfreien Überlebens beob-
achtet. Kontrolliert wird die Therapie durch Anamnese, klinische Untersuchung
und Laborwerte (Bilirubin, AP, γ-GT, GPT, Quick, Albumin). Verschiedene Modelle
zur Prognoseabschätzung wurden publiziert, wobei das Mayo-Modell die weites-
te Verbreitung erlangt hat (Parameter: Alter, Bilirubin, Albumin, Prothrombinzeit,
Ödeme). Die Lebertransplantation verbessert die Langzeitprognose dramatisch.

Langzeit­ ██ Progression der Leberzirrhose mit Komplikationen der portalen Hypertension


komplikationen ██ hepatozelluläres Karzinom: Risiko erhöht, aber geringer als bei Zirrhosen ande-
rer Genese (z. B. HBV, HCV, Hämochromatose)
██ Osteopenie (35–50 %), Pruritus (50 %), Mangel an fettlöslichen Vitaminen (20 %)
Hypercholesterinämie (85 %)

Literatur Kaplan MM, Gershwin ME. Primary biliary cirrhosis. N Engl J Med 2005; 353: 1261–1273
Leuschner U, Manns MP, Eisebitt R. Ursodeoxycholic acid in the therapy for primary biliary cirrhosis on
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Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009; 50:
310–317
7.18 Primär sklerosierende Cholangitis  465

7.18 Primär sklerosierende Cholangitis

Definition Die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) ist eine chronische cholestatische Le-
bererkrankung mit fibrosierender Entzündung der extrahepatischen und/oder in-
trahepatischen Gallenwege.

Patho­ Immunpathogenese wird angenommen: Assoziation zu bestimmten HLA-Antigen-


mechanismus mustern (z. B. HLA-B8), Auftreten von Antikörpern gegen Kernsubstanzen neutro-
philer Granulozyten (p-ANCA).

Pathologie 4 Stadien (s. Kap. 7.17, Primär biliäre Zirrhose):


██I: Proliferation von Gallengängen, portale Infiltrationen
██II: Mottenfraßnekrosen im Parenchym, Gallengangfibrosierung
██III: ausgeprägte Fibrose mit Brückennekrosen
██IV: biliäre Leberzirrhose mit Regeneratknoten

Genetik Genetische Disposition wahrscheinlich; gehäuftes familiäres Vorkommen (s. a. Pa-


thogenese).

Epidemiologie Prävalenz 1–5:100 000 Einwohner, Männer häufiger betroffen (2–3:1), mittleres
Manifestationsalter 40 Jahre.

Assoziierte ██ Chronisch entzündliche Darmerkrankungen: Colitis ulcerosa in ca. 60 %, Morbus


Erkrankungen Crohn in ca. 10 % der Fälle
██ Fibrosierende Thyreoiditis (Riedel-Struma)
██ Zöliakie
██ Sjögren-Syndrom

Klinische ██ Frühstadium: asymptomatisch


Charakteristika ██ Symptomatischer Verlauf: Müdigkeit, Ikterus, Juckreiz, Hepatomegalie

Wegweisende Diagnostisches Vorgehen nach dem Konsensus der DGVS:


Diagnostik ██endoskopische retrograde Cholangiografie (ERC): bei bekannter PSC sollte eine
Antibiotikaprophylaxe durchgeführt werden (Antibiotika der Wahl: Mezlocillin
± Sulbactam, Amoxicillin ± Sulbactam, Ciprofloxacin). Bei ca. 50 % der Patienten
treten Stenosen innerhalb von 5 Jahren auf.
██Alternativ: MR-Cholangiografie: diagnostischer Wert im Vergleich zur ERC muss
in Studien evaluiert werden, u. U. sequenzielles Vorgehen
██Leberhistologie: Punktion, evtl. (Mini-)Laparoskopie

Zusatz­ ██ AP, γ-GT: deutlich erhöht


diagnostik ██ Bilirubin: erhöht im fortgeschrittenen Stadium
██ Gerinnung (Quick-Wert), Albumin: erniedrigt im fortgeschrittenem Stadium
██ p-ANCA: in ca. 80 % positiv

Differenzial­ IgG4-assoziierte Cholangitis (nur durch das erhöhte IgG4 zu unterscheiden, im-
diagnose munsuppressive Behandlung), sekundär sklerosierende Cholangitis, primär biliäre
Zirrhose, cholangiozelluläres Karzinom, idiopathische Duktopenie.

Therapie­ Immer gegeben.


indikation
466  7 Leber

Therapie Ursodeoxycholsäure (UDCA, z. B. Ursofalk):


██Dosierung 13–15 mg/kg KG/Tag, lebenslange Gabe wie bei primär biliärer Zir-
rhose
██bei dekompensierter Leberzirrhose und Bilirubinspiegeln über 15 mg% nicht
mehr indiziert
██Verlängerung des transplantatfreien Überlebens durch UDCA im Gegensatz zur
primär biliären Zirrhose bisher nicht nachgewiesen.

Endoskopische Therapie: Dilatation von erreichbaren, hochgradigen Gallen-


gangstenosen bzw. passagere Implantation von Kunststoffstents; medikamentöse
Okklusionsprophylaxe durch z. B. UDCA und Antibiotika ist nicht gesichert.
Therapie des Pruritus: s. Kap. 7.17, Primär biliäre Zirrhose.
Therapie der Osteopenie: s. Kap. 7.17, Primär biliäre Zirrhose.
Vorbeugung und Behandlung des Vitaminmangels: s. Kap. 7.17, Primär biliäre
Zirrhose.
Immunsuppressiva: Substanzen wie Glukokortikoide, Penicillamin, Azathioprin,
Chlorambucil, Cyclosporin A, Methotrexat sind bislang nicht etabliert. Untersu-
chungen mit Methotrexat, Colchizin, Penicillamin zeigten keine positive Beeinflus-
sung der PSC.

Therapie­ Lebertransplantation:
versagen ██1-Jahres-Überlebensrate 80–90 %; 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 80 %, sofern
kein Karzinom vorgelegen hat. Indikation zur Transplantation ist zu erwägen,
wenn Bilirubinwert >5 mg%, jedoch keine „prophylaktische“ Lebertransplanta-
tion bei Nichtvorliegen einer Zirrhose oder einer hepatischen Dekompensation
██technisch häufig erschwert durch vorausgegangene abdominelle Operationen
(in ca. 60 % der Fälle) und problematische Anastomosierung des Gallengangs
██Wiederauftreten der primär sklerosierenden Cholangitis im Transplantat in Ein-
zelfällen beschrieben, unter Immunsuppression meist blander Verlauf

Verlauf Die durchschnittliche Überlebenszeit bzw. bis zur Transplantation liegt zwischen
12 und 17 Jahren. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt bei asymptomatischen Pa-
tienten 80–90 %, bei symptomatischen Patienten 30–50 %. Es besteht kein Einfluss
der Proktokolektomie bei Colitis ulcerosa auf den Verlauf der PSC. Häufig kommt
es zu rezidivierenden Cholangitiden mit Risiko des Leberabszesses und von Abs-
zessen in anderen Organen.

Langzeit­ ██ Zirrhose mit Komplikationen


komplikationen ██ Cholelithiasis (Cholezystolithiasis, Cholangiolithiasis) in 20–25 %
██ cholangiozelluläres Karzinom: in 8–15 % (in Autopsien häufiger). Generelles Tu-
morscreening nicht empfohlen, da treffsichere Methoden zur Früherkennung
nicht bekannt sind. Kandidaten: CA19-9, CEA/CA19-9 in Kombination, biliä-
res CA19-9, biliäres Fibronektin, intraduktale Sonografie, MR-Cholangiografie,
Bürstenabstrich, Biopsie aus dem Gallengang
██ erhöhtes Erkrankungsrisiko für kolorektales Karzinom

Literatur Björnsson E, Olsson R, Bergquist A et al. The natural history of small-duct primary sclerosing cholangitis.
Gastroenterology 2008; 134: 975–980
Dignass A, Preiß JC, Autschbach F et al. Aktualisierte Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Colitis ulcero-
sa 2011 – Ergebnisse einer Evidenzbasierten Konsensuskonferenz. Z Gastroenterol 2011; 49: 1276–1341
Lüth S, Weiler-Normann C, Schramm C, Lohse AW. Autoimmunerkrankungen der Leber. Internist 2009;
50:310–317
Schramm C, Gotthardt D, Spengler U et al. Primär sklerosierende Cholangitis. Herausforderungen gemein-
sam meistern. Z Gastroenterol 2011; 49: 63–65
7.19 Alkoholhepatitis  467

7.19 Alkoholhepatitis

Definition Akute, schwere, mit Ikterus einhergehende Erkrankung; allerdings auch blande
Verläufe vorkommend (ASH).

Patho­ Die mitochondriale Oxidation von Ethanol zu Acetaldehyd und Acetat führt zu
mechanismus einem Verbrauch von ATP und NAD, das zu einer Änderung des Redoxstatus, zu
einer Hemmung des Zitratzyklus, der Fettsäurenoxidation, der Glukoneogenese
(Neigung zu Hypoglykämie!) führt und einen Anstieg des Laktats nach sich zieht.
Zusätzliche Mechanismen der Hepatotoxizität liegen in der direkten toxischen
Wirkung der Metabolite und des Acetaldehyds, das kovalente Bindungen mit Zell-
proteinen eingeht. Über die Metabolisierung des Alkohols über das mikrosomale
ethanoloxidierende System (MEOS) entstehen vermehrt Radikale. Die durch Etha-
nol induzierte Nekrose und Entzündung triggern die Fibrogenese.

Pathologie Fetteinlagerungen; Schwellung, Vakuolisierung und Nekrose von Hepatozyten;


Auftreten von alkoholischem Hyalin („Mallory bodies“); entzündliche Infiltrate
mit vorwiegend neutrophilen Granulozyten; Kollagenablagerungen im Bereich der
Sinusoide; Fibrose.

Genetik Eine genetische Prädisposition für Alkoholkrankheit und für die Entwicklung alko-
holischer Leberschäden wird angenommen.

Epidemiologie Starker Alkoholkonsum über Jahre führt nur in ca. 25 % der Fälle zu einer Alkohol-
hepatitis bzw. -zirrhose. Die Morbidität eines alkoholischen Leberschadens steigt
bei einem täglichen Alkoholgenuss von 40 g beim Mann und ca. 20 g bei der Frau
an. In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Alkohol auf 10,4 l/Jahr mit paral-
lelem Verlauf der Zirrhosemortalität (27/100 000 pro Jahr) gestiegen.

Assoziierte Chronische Hepatitis B: erhöhte Prävalenz bei Alkoholabhängigen, verschlechtert


Erkrankungen die Prognose des alkoholischen Leberschadens.
Chronische Hepatitis C: deutlich erhöhte Prävalenz bei Alkoholabhängigen (ca.
5–10 %, Blutspender ca. 0,3 %), verschlechtert die Prognose des alkoholischen Le-
berschadens.

Klinische Oberbauchschmerzen ca. 40 %, Gewichtsverlust ca. 30 %, Ikterus ca. 60 %, Fieber ca.


Charakteristika 30 %, Hepatomegalie ca. 90 %, Splenomegalie ca. 30 %, Aszites ca. 25 %, Enzephalo-
pathie ca. 15 %.

Wegweisende ██ γ-GT: deutlich erhöht


Diagnostik ██ AST (GOT): höher als ALT (GPT), in der Regel DeRitis-Quotient >2
██ GLDH: deutlich erhöht
██ Bilirubin: fast immer erhöht

Zusatz­ ██ Leukozytose: bei schwerem Verlauf


diagnostik ██ Leberhistologie
██ CDT (kohlenhydratdefizientes Transferrin): erhöht, Sensitivität bei ca. 50 %, weist
den Alkoholabusus nach

Differenzial­ Hämochromatose, chronische Virushepatitis, medikamenteninduzierte Hepatitis.


diagnose
468  7 Leber

Therapie Alkoholkarenz: Hilfreich können eine psychotherapeutische Behandlung und Mit-


arbeit in Selbsthilfegruppen sein.
Prednisolon (z. B. Decortin H): bei fulminantem Verlauf (niedriger Quick, hohes
Bilirubin). Nur bei Patienten mit einem MELD-Score >21, Dosierung 40 mg/Tag
über 4 Wochen. Kontraindikationen: Sepsis, hepatorenales Syndrom (HRS), chro-
nische HBV-Infektion, gastrointestinale Blutung.
Silymarin: in einigen Studien geprüft, bisher kein nachweisbarer Effekt auf Über-
leben.
Pentoxifyllin: in einer Studie Senkung der Letalität.
Anti-TNF-α-Therapie: präliminäre Studien mit Infliximab und Etanercept verliefen
wenig Erfolg versprechend.

Therapie­ Lebertransplantation: Die Indikation ist durch die Tatsache stark eingeschränkt,
versagen dass eine Alkoholabstinenz von 6 Monaten gefordert wird. Liegt die Zeit der Alko-
holabstinenz darunter, ist mit einer Rezidivrate der Alkoholkrankheit von 65 % zu
rechnen.

Verlauf Anikterische Alkoholhepatitis: blander Verlauf, häufig zufällige Diagnosestellung.


Chronische Alkoholhepatitis: zunehmende Leberschädigung, geht bei fortgesetz-
tem Alkoholabusus in Zirrhose über.
Fulminante Alkoholhepatitis: rasch progrediente Verschlechterung der Leber-
funktion mit Auftreten von Aszites und hepatischer Enzephalopathie, schlechte
Prognose (Letalität bis zu 90 %).

Langzeit­ Leberzirrhose mit Komplikationen, hepatozelluläres Karzinom.


komplikationen

Literatur Mathurin P, Duchatelle V, Ramond MJ et al. Survival and prognostic factors in patients with severe alcoholic
hepatitis treated with prednisolone. Gastroenterology 1996; 110: 1847–1853
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Akriviadis E, Botla R, Briggs W et al. Pentoxifylline improves short-term survival in severe acute alcoholic
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Lucey MR, Mathurin P, Morgan TR. Alcoholic hepatitis. N Engl J Med 2009; 360: 2758–2769

7.20 N
 icht alkoholische Fettleber und
Fettleberhepatitis

Definition Die nicht alkoholische Fettleber (NAFLD) und Fettleberhepatitis (nicht alkoholi-
sche Steatohepatitis, NASH) stellen eine Verfettung der Leber durch andere Ursa-
chen als Alkohol dar.

Patho­ Prädisposition führt bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen über freie Radikale
mechanismus zur Fettleberhepatitis („Two-Hit“-Hypothese).

Pathologie Großtropfige Verfettung der Hepatozyten; „Mallory bodies“; perisinusoidale Fib-


rose; lobuläre neutrophile Infiltration.

Epidemiologie Häufigkeit nimmt mit steigendem Körpergewicht deutlich zu; höchste Prävalenz
in der 5. Lebensdekade.
7.21 Leberzirrhose  469

Assoziierte Adipositas, arterielle Hypertonie, Hypertriglyzeridämie, Diabetes mellitus, Abeta-


Erkrankungen lipoproteinämie und Hypobetalipoproteinämie.
Totale parenterale Ernährung (TPN); Medikamentenreaktion: Amiodaron, Diltia-
zem, Tamoxifen.

Klinische Häufig asymptomatisch, selten rechtsseitige Oberbauchbeschwerden, Hepatome-


Charakteristika galie, Pruritus, Ikterus.

Wegweisende Sonografie: Nachweis der deutlich höheren Echogenität der Leber im Vergleich
Diagnostik zur rechten Niere
██Leberhistologie: Differenzierung NAFLD versus NASH schwierig, zum Staging
und Grading der Erkrankung, nur bei therapeutischer Konsequenz
██Klare Evidenz für Alkoholabstinenz (<40 g/Woche)
██serologischer Ausschluss einer Virushepatitis

Zusatz­ GOT, GPT: erhöht (GPT häufig führend)


diagnostik AP: erhöht (bis zu 30 %)
██

γ-GT: leicht erhöht


██

Differenzial­ Alkoholhepatitis, Hämochromatose, Morbus Wilson (bei jüngeren Patienten),


diagnose chronische Virushepatitis B und C.

Therapie Behandlung der Grundkrankheit, bisher keine etablierte Therapie (in Studien z. B.
Glitazone, Ursodeoxycholsäure, Vitamin E).

Verlauf Gute Prognose der NAFLD, Progredienz in NASH in <10 %, Mortalitätsrate nicht un-
terschiedlich zur Normalbevölkerung.
10–30 % Übergang der NASH in Zirrhose, NASH wahrscheinlich häufigste Ursache
der kryptogenen Zirrhose, erhöhtes Risiko für hepatozelluläres Karzinom.

Literatur Belfort R, Harrison SA, Brown K et al. A placebo-controlled trial of pioglitazone in subjects with nonalcoho-
lic steatohepatitis. N Engl J Med 2006; 355: 2297–2307
Sanyal AJ, Chalasani N, Kowdley KV et al. Pioglitazone, vitamin E, or placebo for nonalcoholic steatohepati-
tis. N Eng J Med 2010; 362: 1675–1685
Streetz, Tacke K. Nicht alkoholische Steatohepatitis (NASH) – Ursachen, Diagnostik und Therapie. Gastro
Up2Date 2010; 6: 173–188

7.21 Leberzirrhose

Definition Chronische, das gesamte Organ betreffende Erkrankung der Leber, die mit Paren-
chymnekrosen, Bindegewebsvermehrung, Parenchymregeneration sowie Störung
der Läppchenstruktur und der Gefäßversorgung einhergeht.

Patho­ Wichtigste Ursachen: Alkohol, NASH, Arzneimittel, Chemikalien (s. Kap. 7.30, Che-
mechanismus misch-toxischer Leberschaden); Virushepatitis B, C, D; Autoimmunhepatitis; pri-
mar biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis; Hämochromatose; Mor-
bus Wilson, Alpha1-Antitrypsin-Mangel.

Pathologie Makroskopie: feinknotige Zirrhose, grobknotige Zirrhose.


Histologie: Parenchymnekrosen; Bindegewebsvermehrung; Parenchymregenera-
tion; Störung der Läppchenstruktur und der Gefäßversorgung.
470  7 Leber

Epidemiologie Inzidenz ca. 250:100 000/Jahr; Männer häufiger betroffen (2:1); fünfthäufigste To-
desursache bei 45- bis 64-Jährigen.

Klinische Rasche Ermüdbarkeit (ca. 70 %), Oberbauchbeschwerden (ca. 50 %), Gewichtsab-


Charakteristika nahme (ca. 35 %), Ikterus, Leberhautzeichen: Spider naevi, Palmarerythem, Bauch-
glatze. Dyspnoe bei Aszites und hepatopulmonalem Syndrom, das durch einen De-
fekt der arteriellen Oxygenierung bei pulmonaler Gefäßdilatation gekennzeichnet
ist.

Wegweisende Im klinischen Alltag wird der Verdacht auf Leberzirrhose häufig erst bei Kompli-
Diagnostik kationen wie Aszites, Ikterus, Varizenblutung oder in den bildgebenden Verfahren
(Sonografie, CT) gestellt.
Sonografie: wellige Kontur, inhomogene Struktur, Verplumpung des Lobus cauda-
tus, Rarefizierung der Lebervenen, Dilatation der Pfortader, Nachweis von Umge-
hungskreisläufen (Cruveilhier-von Baumgarten-Syndrom); Splenomegalie
CT, MRT: Einsatz erst nach sorgfältiger Sonografie; Nachweis der welligen Kontur,
Entdeckung eines hepatozellulären Karzinoms
(Mini-)Laparoskopie: Goldstandard, ist nicht notwendig, wenn ohne therapeuti-
sche Konsequenz bereits Komplikationen vorliegen oder bildgebende Verfahren
sichere Zeichen ergeben; Alternative: Leberpunktion nach Menghini. Bei Patienten
mit Kontraindikationen (erhöhtes Blutungsrisiko, Antikoagulation) kann zur Beur-
teilung des Fibrosestadiums, wenn verfügbar, die transiente Elastografie (Fibros-
can) eingesetzt werden (Friedrich-Rust u. Zeuzem 2007).

Zusatz­ ██ GOT, GPT: meist normal bis leicht erhöht


diagnostik ██ AP, γ-GT: meist mäßig erhöht
██ Abschätzung der Leberfunktion: Gerinnung (Quick-Wert), Bilirubin, Albumin,
Cholinesterase
██ quantitative Leberfunktionstests: in Studien
██ Ösophagogastroduodenoskopie: Zeichen der portalen Hypertension (Ösopha-
gus-, Fundusvarizen)

Therapie Behandlung der Grundkrankheit und der Komplikationen; bei Therapieversagen


Lebertransplantation.
Behandlung der häufig existenten Malnutrition:
██Gesamtkalorienzufuhr 35–40 kcal/kg KG/Tag
██keine Kohlenhydratrestriktion bei gleichzeitig bestehendem Diabetes mellitus
██Eiweißzufuhr 1,2–1,5 g Protein/kg KG/Tag
██bei Cholestase:
–– 1200–1500 mg Kalzium, 400–800 IE Vitamin D3

Verlauf Vom Stadium der Leberzirrhose abhängig (Einteilung nach Child-Pugh, Tab. 7.7).

Langzeit­ ██ portale Hypertension und gastrointestinale Blutung (▶ Kap. 7.22)


komplikationen ██ Aszites (s. Kap. 7.23)
██ hepatorenales Syndrom (s. Kap. 7.26)
██ spontan bakterielle Peritonitis (s. Kap. 7.25)
██ hepatische Enzephalopathie (s. Kap. 7.27)
██ hepatozelluläres Karzinom (s. Kap. 7.15.1)
██ hepatopulmonales Syndrom: pulmonale Gasaustauschstörung bei akuten
und chronischen Lebererkrankungen ohne nachweisbare pulmonale/kardiale
Grunderkrankung, wird auf intrapulmonale Shunts zurückgeführt
7.22 Portale Hypertension und gastrointestinale ­Blutung  471

Tab. 7.7 Parameter 1 Punkt 2 Punkte 3 Punkte


Zirrho­sestadien
nach der Child- Bilirubin (mg/dl) <2,0 2,0–3,0 >3,0
Pugh-Klassifi­ Albumin (g/dl) >3,5 2,8–3,5 <2,8
kation (Child-
Turcotte-Klassi­ Aszites Nein Leicht therapierbar Schwer therapierbar
fikation, modifi­
Enzephalopathie Nein Stadium I, II Stadium III, IV
ziert nach Pugh):
Stadium A (5 Quick-Wert (%) >70 bzw. <1,7 40–70 bzw. 1,7–2,3 <40 bzw. >2,3
oder 6 Punkte), (bzw. INR)
Stadium B
(7–9 Punkte),
Stadium C
(10–15 Punkte).

Literatur Friedrich-Rust M, Zeuzem S. Nicht invasive Beurteilung des Leberfibrosestadiums mit der transienten Elas-
tographie (Fibroscan): Aktueller Stand und Perspektiven. Z Gastroenterol 2007; 45: 387–394
Gundling F. Chronische Lebererkrankungen und Ernährung. Med Welt 2011; 62: 195–199
Rodríguez-Roisin R, Krowka MJ. Hepatopulmonary syndrome – a liver-induced lung vascular disorder. N
Engl J Med 2008; 358: 2378–2387
Tripodi A, Mannucci PM. The coagulopathy of chronic liver disease. N Engl J Med 2011; 365: 147–156
Wittenburg H, Tennert U, Berg T. Komplikationen der Leberzirrhose. Internist 2011; 52: 1061–1072

7.22 P
 ortale Hypertension und gastrointestinale
­Blutung

Siehe auch Kap. 2.3, Ösophagus- und Fundusvarizen.

Definition Anhaltender Anstieg des Pfortaderdrucks auf >7 mmHg und/oder des transhepati-
schen Druckgradienten auf >5 mmHg.

Patho­ Kombination aus einem erhöhten venösen Gefäßwiderstand im prähepatischen,


mechanismus hepatischen und posthepatischen Anteil des portalen Trakts und einer erhöhten
Durchblutung der Splanchnikus-Strombahn durch Abnahme des arteriolären Ge-
fäßwiderstands.

Epidemiologie ██ 50 % der Patienten mit Leberzirrhose haben Ösophagusvarizen


██ in 20–30 % Todesursache bei Patienten mit Leberzirrhose
██ Risiko der Varizenblutung besteht bei 30 % der Patienten mit Leberzirrhose und
Varizen

Klinische Vermehrte Bauchwandvenenzeichnung, Caput medusae (sehr selten), periumbili-


Charakteristika kale variköse Gefäße; bei Blutung: Hämatemesis, Teerstuhl.

Tab. 7.8 Stadien Grad Endoskopischer Befund


der Ösophagus­
I Im Mukosaniveau liegende Stränge
varizen.
II Durchmesser <5 mm oder bis ein Drittel des Lumens ausfüllend

III Durchmesser >5 mm oder mehr als ein Drittel des Lumens einnehmend

IV Varizen mit Blutungsstigmata oder mehr als zwei Drittel des Lumens einnehmend
472  7 Leber

Wegweisende Ösophagogastroduodenoskopie: Nachweis von Ösophagus- und Fundusvarizen,


Diagnostik Zeichen der hypertensiven Gastropathie, Nachweis eines Wassermelonenmagens.
Stadieneinteilung von Ösophagusvarizen (Tab. 7.8).
Cave: Blutungsstigmata sind kirschrote Flecken („cherry red spots“) oder Streifen
(„red colour sign“).

Abb. 7.10
Algorithmus zum V. a. Varizenblutung
Vorgehen bei Klinik + Vorgeschichte
akuter Varizen­
blutung (Quelle:
Sauerbruch u.
Schepke 2004).
Terlipressin
Kurzinfusion
Antibiotikum i. v.

Ösophago-gastro-duodenoskopie

aktive Blutung keine aktive Blutung, aber Varizen-


nachweis keine andere Blutungsquelle

Ligatur/evtl. auch Ligatur


Injektionstherapie

Blutstillung ⊖ Blutstillung ⊕

Ballonsonde max. 12 h + Terlipressin + Antibiotika


Terlipressin + Antibiotika 5d

2. therapeutische
Endoskopie

Blutstillung ⊖ Blutstillung ⊕ Sekundärprophylaxe

Notfall-TIPS, selten bei Child A:


chirurgischer Notfallshunt
7.22 Portale Hypertension und gastrointestinale ­Blutung  473

Zusatz­ Sonografie:
diagnostik
██Nachweis einer Splenomegalie und Dilatation der Pfortader (>13 mm)
██Nachweis von Umgehungskreisläufen (Cruveilhier-von-Baumgarten-Syndrom),
einer kavernösen Transformation der Pfortader, einer Rekanalisierung der V.
umbilicalis

Endosonografie: entdeckt v. a. im Fundusbereich gut epithelialisierte Varizen


(farbkodierte Duplexsonografie).

Therapie und Siehe Kap. 2.3, Ösophagusvarizen und Abb. 7.10.


Verlauf Akute Varizenblutung:
██bei Ösophagusvarizen: Varizenligatur, Sengstaken-Blakemore-Sonde
██bei Fundusvarizen (<10 % der Fälle): intravariköse Injektion von N-Butyl-2-Cya-
noacrylat (Histoacryl), Linton-Nachlas-Sonde

Abb. 7.11
Algorithmus zur erfolgreich behandelte
Rezidivprophylaxe akute Varizenblutung
nach behandelter
Varizenblutung
(Quelle: Sauer­ Patienten mit refraktärem
bruch u. Schepke Aszites und
2004). Bilirubin < 3 mg/dl
HVPG: Leber­
venenverschluss­
druck; LTX: Leber­
Ligatur (plus Propranolol?)
transplantation
oder
Propranolol, wenn HVPG um > 20 %
oder unter 12 mmHg gesenkt werden kann

signifikante Rezidivblutung

1. Ereignis > 1. Ereignis

schlechter
Child B/C Child A
Child C

TIPS TIPS
und oder
LTX-Evaluation chirurgischer Shunt
474  7 Leber

Medikamente:
Terlipressin (1–2 mg initial, weiter mit 1 mg alle 4–6 h)
██

Antibiotika: z. B. Cephalosporin 3. Generation, Gyrasehemmer


██

Verhinderung des Rezidivs: Varizenligatur, transjugulärer intrahepatischer porto-


systemischer Shunt (TIPS; Abb. 7.11).

Therapie­ Operative Verfahren: portokavaler Shunt. TIPS (transjugulärer intrahepatischer


versagen portosystemischer Shunt).

Abb. 7.12
Algorithmus zum (UVWGLDJQRVH/HEHU]LUUKRVH
Vorgehen bei
Erstdiagnose Le­
berzirrhose und
Varizen Quelle:
Sauerbruch u. gVRSKDJR
Schepke 2004). JDVWUR
GXRGHQRVNRSLH

QDFK²-DKUHQ 9DUL]HQQDFKZHLV QDFK²-DKUHQ

NHLQH9DUL]HQ +RKHV QLHGULJHV%OXWXQJV


%OXWXQJVULVLNR ULVLNR ! PP
! PP NHLQHHQGRVNR
SLVFKHQ5LVLNR
SDUDPHWHU

6WDQGDUG 3URSUDQRORO
NRQWUDLQGLNDWLRQ

3URSUDQRORO HQGRVNRSLVFKH
SR /LJDWXU

3URSUDQRORO
XQYHUWUlJOLFKNHLW

KlPRG\QDPLVFKHU
1RQ5HVSRQGHU
7.23 Aszites (hepatogen)  475

Kontrain­
██ Absolut: kavernöse Transformation der Pfortaderthrombose; hepatopulmonales
dikationen TIPS Syndrom
██ Relativ: hepatische Enzephalopathie, Leberinsuffizienz (Bilirubin >3 mg/dl)

Prophylaxe Primärprophylaxe: s. Abb. 7.12.,


Rezidivprophylaxe: s. Abb. 7.11

Nichtselektiver Betablocker:
██Propranolol (z. B. Dociton): Dosierung zur Reduktion der Herzfrequenz um 25 %
(einschleichend dosieren, Tagesdosis 80–120 mg), bei ausgewählten Patienten
mit guter Compliance und großen Varizen (Grad III/IV, vgl. Stadieneinteilung).
██Carvedilol (z. B. Dilatrend): in Studien in einer Dosierung von 12,5 mg (1-mal 1/
Tag) eingesetzt.

Varizenligatur: bei ausgewählten Patienten mit großen Varizen (Grad III/IV, vgl.
Stadieneinteilung) möglich als Primärprophylaxe.

Literatur Garcia-Tsao G, Bosch J. Management of varices and variceal hemorrhage in cirrhosis. N Engl J Med 2010;
362: 823–832
Garcia-Pagán JC, Caca K, Bureau C, Laleman W et al. Early use of TIPS in patients with cirrhosis and variceal
bleeding. N Engl J Med 2010; 362: 2370–2379
Rössle M. Der transjuguläre intrahepatische portosystemische Shunt (TIPS) bei der Ösophagusvarizenblu-
tung. S. 276–282 (Empfehlungen der Sektion Endoskopie der DGVS) (http://dgvs.de/media/5.6.TIPS.pdf)
Sauerbruch T, Schepke M. Primäre und sekundäre Prophylaxe der Ösophagusvarizenblutung. DMW 2004;
129: S68–70
Schepke M, Sauerbruch T. Einsatz der Endoskopie bei Patienten mit Ösophagusvarizen, S. 76–82 (Empfeh-
lungen der Sektion Endoskopie der DGVS) (http://dgvs.de/media/2.3.Oesophagusvarizen.pdf)
Schepke M. Stellenwert der medikamentösen Pfortaderdrucksenkung im Therapiekonzept der Varizenblu-
tung. DMW 2009; 134: 1823–1827
Tripathi D, Ferguson JW, Kochar N et al. Randomized controlled trial of carvedilol versus variceal band ligati-
on for the prevention of the first variceal bleed. Hepatology 2009; 50: 823–833

7.23 Aszites (hepatogen)

Definition Intraperitoneale Flüssigkeitsansammlung durch eine akute oder chronische Le-


bererkrankung.

Patho­ ██ erhöhter hydrostatischer Druck durch portale Hypertension; Erhöhung des por-
mechanismus talvenösen Drucks führt zu einer Freisetzung von NO und Vasodilatation, die
eine vermehrte Natriumretention und einen Anstieg des Intravasalvolumens
auslöst (moderne Erklärung der alten „Underfill-“ und „Overflow“-Theorien)
██ erniedrigter kolloidosmotischer Druck bei Hypalbuminämie; Störung der Kapil-
larpermeabilität
██ Insuffizienz der Lymphdrainage

Epidemiologie 80 % der Patienten mit Aszites haben eine Leberzirrhose.

Klinische Zunahme des Bauchumfangs, häufig Nabelhernien, Luftnot (bei massivem Aszites).
Charakteristika
Diagnostik und Siehe Kap. 1.16 Aszites.
Differenzial­
diagnose
476  7 Leber

Therapie­ Besteht in der Regel immer. Die Dringlichkeit der Therapie steigt mit zunehmender
indikation Symptomatik. Ziel ist die symptomatische Kontrolle, nicht das vollständige Ver-
schwinden des Aszites.

Therapie Allgemein: eiweißhaltige Ernährung (Eiweißzufuhr: 1,2–1,5 g/kg/Tag), salzredu-


zierte Ernährung (<5 g/Tag, nur bei Patienten mit refraktärem oder schwierig zu
behandelndem Aszites), Flüssigkeitsrestriktion auf 1,5 l/Tag (nur notwendig, wenn
Serumnatrium <125 mmol/l)
Diuretika: (Nierenfunktion kontrollieren!):
██Spironolacton (z. B. Aldactone, Osyrol): Initialdosis 100 mg/Tag, max. 400 mg/Tag,
Diuretikum der 1. Wahl (Effekt abwarten!)
██Furosemid (z. B. Lasix): mit 20–40 mg beginnen, wenn der Patient auf 200 mg
Spironolacton in den ersten 2–3 Wochen nicht ausreichend anspricht, maximal
auf 160 mg steigern
██Torasemid (z. B. Unat): hat als Kombinationspräparat zu Spironolacton einige
theoretische Vorteile zu Furosemid
██Xipamid (Aquaphor): weitere Alternative, deren Wirksamkeit in Studien nicht
abgesichert ist
Die Therapie ist beim hepatischen Hydrothorax identisch.
Parazentese:
██Indikationen: bei gespanntem Abdomen als Initialtherapie, bei unzureichendem
Erfolg der Diuretikatherapie
██Punktion von Aszites, bei großvolumiger Parazentese (>5 l) intravenöse Substi-
tution von 6–8 g Albumin pro l Aszites. Bei Parazentesen unter 5 l ist keine Gabe
von Albumin notwendig.
██Alternative: Dextran-70 (6–8 g/l Aszitespunktat) oder Haemaccel (150 ml
3,5 %ige-Lösung pro l Aszitespunktat): Albumin ist den Plasmaexpandern über-
legen und deshalb vorzuziehen.

Therapie­ Parazentese: s. o.
versagen Peritoneovenöser Shunt (PVS): Gefahr der Gerinnungsstörungen, Infektion, Sep-
(diuretikare­ sis, Shuntversagen durch Verstopfen der Ventilkammer und Thrombosierung des
fraktärer venösen Schenkels, deshalb weitgehend verlassene Methode.
Aszites) Transjugulärer intrahepatischer Stentshunt (TIPS): zunehmend empfohlene Me-
thode beim diuretikarefraktären Aszites, in 66 % der Fälle totale Mobilisation des
Aszites. Kontraindikation bei chronischer hepatischer Enzephalopathie > Grad 1
und Serum-Bilirubin >5 mg/dl.
Lebertransplantation

Verlauf Auftreten von Aszites mit einer Letalität von 50 % in 2 Jahren behaftet.

Komplikationen ██ Hepatorenales Syndrom (HRS): s. Kap. 7.26


██ Spontan bakterielle Peritonitis (SBP): s. Kap. 7.25

Literatur Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Zipprich A, Dollinger M. Leitliniengerechte Diagnostik und Therapie des Aszites. Gastro Up2Date 2011; 7:
205–222
7.25 Spontan bakterielle Peritonitis  477

7.24 Hepatischer Hydrothorax

Definition ██ Transsudative Pleuraergüsse bei Patienten mit Leberzirrhose und/oder portaler


Hypertension nach Ausschluss einer primären Herz- oder Lungenerkrankung
Patho­ ██ Transdiaphragmale Passage der Aszitesflüssigkeit aus dem Peritonealraum in
mechanismus den Pleuraraum über Zwerchfelldefekte oder über Lymphgefäße

Epidemiologie Tritt bei 4–10 % der Patienten mit Zirrhose auf. In der Mehrzahl der Fälle rechts-
seitig (70 %), seltener bilateral (18 %) oder linksseitig (12 %). I. d. R. Entwicklung des
Hydrothorax bei vorstehendem Aszites. In Einzelfällen ist ein Auftreten auch iso-
liert aufgrund des negativen intrathorakalen Druckes möglich.

Klinische Dyspnoe, Husten, Zeichen der dekompensierten Leberzirrhose, Zeichen der Über-
Charakteristika wässerung.

Diagnostik ██ Röntgen-Thorax
██ Ultraschall
██ Diagnostische Pleurapunktion mit Bestimmung der Zellzahl (mit Zelldifferen-
zierung) und Eiweißkonzentration unter sonografischer Kontrolle

Differenzial­ Pleuraerguss, kardialer, renaler, entzündlicher, maligner Genese


diagnose

Therapie­ Besteht i. d. R. immer.


indikation

Therapie ██ Medikamentöse Behandlung wie bei der Aszites (s. Kap. 7.23)
██ Bei Vorhandensein von Aszites zunächst Parazentese des Aszites
██ Bei weiter bestehenden Symptomen therapeutische Thorakozentese
–– max. 1,5–2 l/Punktion (ohne Volumensubstitution

Therapie­ ██ Thoraxdrainage (cave: renale und septische Komplikationen)


versagen –– intravenöse Albumingabe (6-8 g/l Pleuraerguss) empfohlen

Literatur García-Pagán JC, Caca K, Bureau C et al. Early use of TIPS in patients with cirrhosis und variceal bleeding. N
Engl J Med. 2010; 362: 2370–2377
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, Wiest R, Appenrodt B, Bahr MJ, Dollinger MM, Rössle M, Schepke M.
S3-Leitlinie „Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom“. Z Gastroenterol 2011;
49:749–779

7.25 Spontan bakterielle Peritonitis

Definition Bakterielle Entzündung der Peritonealhöhle ohne Hinweis auf eine anderweiti-
ge intraabdominelle Ursache der Infektion (z. B. Cholezystitis, Divertikulitis etc.),
Peritonealmetastasen oder Tuberkulose. Im Punktat >250 polymorphonukleäre
(PMN)-Zellen, d. h. neutrophile Granulozyten, pro mm3.
██Ein Bakteraszites ist definiert als mikrobiologischer Nachweis einer Kolonisation
des Aszites mit Bakterien ohne erhöhte PMN-Zahl im Aszites (<250 PMN/mm3).

Epidemiologie Im ambulanten Sektor liegt die Prävalenz einer spontanen bakteriellen Peritonitis
(SBP) bei asymptomatischen Patienten bei 3,5 %, im hospitalisierten Krankengut
bei 8–36 %.
478  7 Leber

Risikofaktoren:
██SBP in der Vorgeschichte
██gastrointestinale Blutung
██niedriger Gesamteiweißgehalt im Aszites (<1,5 g/dl)
██Bilirubinerhöhung (>3,2 mg/dl)
██Thrombozytopenie (<98 000/ mm3)
██steigender MELD-Score
██Einsatz von Protonenpumpenhemmern

Klinische Fieber (68 %), Abdominalschmerz (49 %), bis zu 30 % asymptomatisch.


Charakteristika

Diagnostik und Siehe Kap. 1.16, Aszites.


Differenzial­
diagnose

Therapie­ Besteht in der Regel immer. Die Dringlichkeit der Therapie steigt mit zunehmen-
indikation der Symptomatik. Ziel ist die symptomatische Kontrolle und der Abfall der PMN im
Aszites <250/mm3.

Therapie ██ Chinolon oral (z. B. Ciprofloxacin (2×500 mg), Levofloxacin): nur bei ambulanter
unkomplizierter Erstmanifestation einer SBP
██ Cephalosporin der Gruppe 3a (Ceftriaxon (1×2 g), Cefotaxim): i. v.-Gabe bei kom-
plizierter SBP, sequenzielle Therapie bei klinischer Besserung möglich. Antibioti-
sche Behandlung auf 5 Tage bei klinischer Besserung und Nachweis eines PMN-
Abfalls im Aszites (<250/mm3), Einleitung der Sekundärprophylaxe
██ Sekundärprophylaxe: wegen einer Rezidivrate von 30–68 % innerhalb eines
Jahres mit Chinolon (Alternative: Trimethoprim-Sulfamethoxazol) empfohlen.
Die meisten Daten liegen für das Norfloxacin (400 mg/Tag) und Ciprofloxacin
(500 mg/Tag) vor. Bei Verbesserung der Child-Pugh-Klasse und/oder Resolution
des Aszites zeitliche Begrenzung sinnvoll.

Therapie­ Anpassung der antibiotischen Therapie nach Antibiogramm, wenn die PMN-Zahl
versagen im Aszites nicht unter 250 PMN/mm3 sinkt.

Verlauf Die Krankenhausmortalität einer ersten SBP-Episode liegt bei 10–50 %. Die 1-Jah-
res-Mortalität nach Auftreten einer ersten SBP wird mit 31–93 % angegeben.
Risikofaktoren:
██Alter
██Child-Pugh-Score
██Intensivaufenthalt
██Nosokomiale SBP
██Hepatische Enzephalopathie
██Serum-Kreatinin
██Serum-Bilirubin

Prophylaxe Primärprophylaxe mit Antibiotikum bei Aszites:


██Aszites mit Gesamteiweißgehalt <1,5 g/dl
██Child-Pugh-Score >9
██Niereninsuffizienz (Kreatinin >1,2 mg/dl, Harnstoff 25 mg/dl oder Natrium
<130 mq/l)
██Gastrointestinale Blutung bei Leberzirrhose
7.26 Hepatorenales Syndrom  479

Die Mehrzahl der Studien ist mit Chinolonen durchgeführt worden. Wegen der
besseren Bioverfügbarkeit ist Ciprofloxacin (500 mg/Tag) Norfloxacin vorzuziehen.
Möglicherweise ist Trimethoprim-Sulfamethoxazol ähnlich effektiv (Dauer: 3 Mo-
nate bietet Vorteil).

Literatur Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Runyon BA. Ascites and spontaneous bacterial peritonitis. In: Gastrointestinal and Liver Disease (Feldman
M, Friedman LS, Brandt LJ, eds.) Saunders Elsevier, 9th ed. 2010

7.26 Hepatorenales Syndrom

Definition ██ funktionelles, oligurisches Nierenversagen


██ Definition in der S3-Leitlinie der DGVS:
–– potenziell reversible Nierenfunktionsstörung bei Patienten mit Leberzirrhose
und Aszites oder bei Patienten mit alkoholischer Steatohepatitis
–– Typ I: rasches Nierenversagen, definiert als Verdopplung des Serumkreatinins
auf über 2,5 mg/dl (226 mmol/l) in weniger als 2 Wochen
–– Typ II: refraktärer Aszites, moderates Nierenversagen mit Serumkreatinin-
werten zwischen 1,5 mg/dl und 2,5 mg/dl bei stabilem oder langsam fort-
schreitenden Verlauf
██ diagnostische Kriterien:
–– Serumkreatinin >1,5 mg/dl (>133 mmol/l)
–– keine Besserung des Serumkreatinins auf Werte <1,5 mg/dl nach mindestens
2-tägiger Pausierung aller Diuretika und Volumenexpansion mit Albumin (1
g/kg KG/Tag bis max. 100 g/Tag
–– Ausschluss von Schock, florider bakterieller Infektion oder nephrotoxischen
Medikamenten
–– Ausschluss einer parenchymatösen Nierenerkrankung
██keine Proteinurie >0,5 g/Tag
██unauffälliges Urinsediment
██keine Mikrohämaturie
██unauffällige Nierensonografie

Epidemiologie Tritt pro Jahr bei 18 % der Patienten mit Zirrhose und Aszites auf.

Klinische Zeichen der dekompensierten Leberzirrhose, Zeichen der Überwässerung, Zunah-


Charakteristika me des Aszites.

Diagnostik Siehe Definition.

Differenzial­ Prärenale Niereninsuffizienz.


diagnose

Therapie­ Besteht in der Regel immer.


indikation

Therapie ██ Absetzen der Diuretika


██ Behandlung von assoziierten Komplikationen (bakterielle Infektionen, GI-Blu-
tung)
██ Bei HRS Typ I Kombinationstherapie:
–– Albumin 20–40 g/Tag (andere Plasmaexpander nicht empfohlen)
480  7 Leber

–– Terlipressin: Beginn mit 2–4 mg/Tag über mindestens 3 Tage, Dosis bis zu
8–12 mg/Tag.
–– Kontraindikationen:
██ Arterieller Hypertonus
██ Symptomatische koronare Herzerkrankung
██ Herzrhythmusstörungen
██ TIPS: sollte bei allen Patienten mit HRS Typ I und Typ II erwogen werden

Therapie­ ██ Nierenersatzverfahren: nur als Überbrückung bis zur Lebertransplantation


versagen ██ extrakorporale Albumindialyse (MARS): kein Einfluss auf Nierenfunktion und
Überleben bei Patienten mit HRS
██ Lebertransplantation: einzig potenziell kurative Therapie des HRS, Vorbehand-
lung mit Albumin und Terlipressin sinnvoll
██ Kombinierte Leber- und Nierentransplantation: bei einer Dauer des HRS über
mehr als 6 Wochen zu erwägen

Literatur García-Pagán JC, Caca K, Bureau C et al. Early use of TIPS in patients witrh cirrhosis und variceal bleeding. N
Engl J Med. 2010; 362: 2370–2377
Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, et al. S3-Leitlinie “Aszites, spontan bakterielle Peritonitis, hepatorenales
Syndrom”. Z Gastroenterol 2011; 49: 749–779
Ginès P, Schrier RW. Renal failure in cirrhosis. N Engl J Med 2009; 361: 1279–1290

7.27 Hepatische Enzephalopathie

Definition Komplex von neurologischen und psychischen Symptomen, die in unterschiedli-


chem Schweregrad und in verschiedenen Kombinationen als Folge von Leberer-
krankungen auftreten.

Patho­ Nicht komplett geklärt, verschiedene Faktoren:


mechanismus ██Imbalance zwischen exzitatorischer und inhibitorischer neuronaler Aktivität
██Wirkung endogener Neurotoxine, die wegen der Leberzellinsuffizienz nicht eli-
miniert werden: Ammonium, Merkaptane, kurz- bis mittelkettige Fettsäuren,
Phenolderivate
██Veränderung der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke
██Änderungen intrazerebraler Neurotransmitter und ihrer Rezeptoren
██Funktionsstörungen der Astroglia mit sekundärer Beeinträchtigung der neuro-
nalen Funktion

Epidemiologie Häufigkeit der subklinischen Enzephalopathie mit 40–70 % bei Patienten mit Leber-
zirrhose sehr hoch (Beeinträchtigung im Berufsleben, fragliche Fahrtauglichkeit).

Klinische Bewusstseinstrübung, -verlust (vgl. verschiedene Stadien der hepatischen Enze-


Charakteristika phalopathie nach Parsons-Smith, modifiziert nach Conn und Lieberthal).

Stadienein­ Stadieneinteilung Tab. 7.9.


teilung
Wegweisende ██ klinische Untersuchung: Flapping-Tremor (Asterixis), Hypo- oder Hyperreflexie
Diagnostik ██ psychometrische Tests: Durchführung im Stadium 0; Zahlenverbindungstest, Li-
niennachfahrtest, Schriftprobe
██ Flickerfrequenz: Erfassung der kritischen Flickerfrequenz mit der so genannten
Flickerbrille
7.27 Hepatische Enzephalopathie  481

Tab. 7.9 Stadium Charakteristika


Ein­teilung der
hepatischen Stadium 0 Nur in psychometrischen Tests erfassbar
Enzephalopathie. Stadium I Leichte Verwirrtheit, Euphorie oder depressive Stimmungslage, verminderte
Aufmerksamkeit

Stadium II Müdigkeit, Lethargie, deutliche Einschränkung der mentalen Leistungsfähig­


keit, Persönlichkeitsveränderungen

Stadium III Schläfrigkeit, Desorientiertheit zu Zeit und/oder Ort, Amnesie, unverständli­


che Sprache

Stadium IV Koma

██ EEG: unspezifische Veränderungen, in der Routine nicht etabliert


██ Ammoniak im Plasma: als Zusatzdiagnostik

Therapie­ Besteht auf jeden Fall bei manifester Enzephalopathie; die Therapie der subkli-
indikation nischen Enzephalopathie ist jedoch umstritten; hier muss allerdings beachtet
werden, dass bei den Patienten Einschränkungen in wichtigen Alltagsfunktionen
(Fahrtüchtigkeit) bestehen.

Therapie Bei akuter Enzephalopathie:


██ausreichende Kalorienversorgung durch Kohlenhydrate (parenteral) und Reduk-
tion der Proteinzufuhr (zunächst Karenz, dann mit 0,5 g/kg KG/Tag beginnen)
██Darmentleerung (v. a. bei gastrointestinaler Blutung und Obstipation wichtig)
██Infusion von Aminosäurengemischen mit hohem Anteil an verzweigtkettigen
Aminosäuren
██Lactulose (z. B. Bifiteral), Lactitol (z. B. Importal; weniger Blähungen): oral oder
per Einlauf (3-mal 10–30 ml oral, Ziel: 2–3 Stühle pro Tag), führt zur vermehrten
Ausscheidung von Ammoniumionen durch Azidifizierung des Darminhalts
██Ornithinaspartat (Hepa-Merz): 2- bis 4-mal 5 g/Tag i. v., in Studien als wirksam
erwiesen.
██Antibiotika: Neomycin (z. B. Bykomycin) initial 6–8 g/Tag, dann 2–4 g/Tag bzw.
Paromomycin (Humatin) 3- bis 4-mal 250 mg (max. Tagesdosis 3 g); möglichst
nur 1 Woche wegen Oto- und Nephrotoxizität. Alternative:
–– Rifaximin (2-mal 550 mg/Tag): gutes Sicherheitsprofil. Löst die anderen Anti-
biotika mit zahlreicheren Nebenwirkungen ab (1/2013 in Deutschland noch
nicht zugelassen).

Bei chronischer Enzephalopathie:


██Lactulose, Lactitol (s. o.)
██Proteinrestriktion: 1 g/kg KG/Tag, sollte vermieden werden
██evtl. Ornithinaspartat: 2- bis 3-mal 6 g/Tag
██evtl. Rifaximin: 2-mal 550 mg/Tag: reduziert das Risiko der Hospitalisierung

Therapie­ Lebertransplantation.
versagen

Verlauf Beim fulminanten Leberversagen ist die hepatische Enzephalopathie der für die
Prognose bestimmende Faktor (s. Kap. 7.27).

Literatur Appenrodt B, Trebicka J, Sauerbruch T. Komplikationen der Leberzirrhose. Dtsch Med Wochenschr 2011;
136: 1601–1604
482  7 Leber

Bass NM, Mullen KD, Sanyal A, Poordal F et al. Rifaximin treatment in hepatic encephalopathy. N Engl J Med
2010; 362: 1071–1081

7.28 Akutes Leberversagen

Definition Schnelle Entwicklung einer Leberzellinsuffizienz bzw. Auftreten einer hepatischen


Enzephalopathie innerhalb 8 Wochen ohne Lebererkrankung in der Vorgeschichte.

Ursachen ██ Viren: HAV, HBV, HCV, HDV, HEV, Epstein-Barr-Virus, CMV


██ Bakterien: Leptospiren, Listeriose
██ Medikamente: Allopurinol, Amiodaron, Halothan, Paracetamol
██ Toxisch: Knollenblätterpilzvergiftung, Alkohol
██ Erkrankungen: Budd-Chiari-Syndrom, „veno-occlusive disease“, akute Schwan-
gerschaftsfettleber
██ Akute Exazerbation einer chronischen Erkrankung: Morbus Wilson, Autoim-
munhepatitis

Epidemiologie 200–500 Patienten pro Jahr mit akutem Leberversagen (ALV) in Deutschland (ge-
schätzte Zahl). Im Mittelmeerraum sind 40 % der ALV-Fälle auf hepatotrope Viren,
v. a. HBV, zurückzuführen. In Deutschland liegen nur spärliche Daten vor. An der
Medizinischen Hochschule Hannover wurden bei 102 Patienten (davon 72 % Frau-
en) als häufigste Ursachen das kryptogene ALV (21 %), die akute HBV-Infektion
(18 %) und die akute Paracetamol-Intoxikation (16 %) beschrieben.

Klinische Müdigkeit, Bewusstseinstrübung (s. Kap. 7.27, Hepatische Enzephalopathie); Inap-


Charakteristika petenz, Übelkeit; Foetor hepaticus, Ikterus; Fieber.

Wegweisende ██ GOT, GPT, LDH: häufig massiv erhöht


Diagnostik ██ Bilirubin: häufig stark erhöht, v. a. das direkte Bilirubin
██ Gerinnung (Quick-Wert, Gerinnungsfaktoren): erniedrigt, geben prognostische
Hinweise
██ Cholinesterase: Hinweis auf Restleberfunktion, wird bei Gabe von Plasmapro-
dukten infundiert
██ Ammoniak: erhöht, korreliert nicht immer mit dem klinischen Bild

Zusatz­ ██ Blutgasanalyse mit Säure-Basen-Haushalt


diagnostik ██ Elektrolyte (Na, K, Ca)
██ Kreatinin, Harnstoff

Therapie Verlegung in ein Transplantationszentrum: Sollte erfolgen, wenn keine offen-


sichtlichen Kontraindikationen gegen eine Lebertransplantation bestehen. Bis zur
Verlegung folgende Therapiemaßnahmen: parenterale Ernährung, Substitution
der Gerinnungsfaktoren, Behandlung der Enzephalopathie (s. Kap. 7.27, Hepati-
sche Enzephalopathie).
Bei Paracetamol-Intoxikation: Acetylcystein (Fluimucil = Antidot): Dosierung in-
itial 150 mg/kg KG über 15 min, dann 50 mg/kg KG über 4 h, dann 100 mg/kg KG
über weitere 16 h.
Bei Knollenblätterpilzvergiftung: Silibinin (Legalon SIL): 20 mg/kg KG in 4 Einzel-
dosen über jeweils 2 h.
Bei schwerer Alkoholhepatitis: s. Kap. 7.19; bei niedrigem Quick-Wert und hohem
Bilirubin können Glukokortikoide angezeigt sein.
7.29 Leberbeteiligung bei Systemerkrankungen  483

Therapie­ Lebertransplantation: Ergebnisse schlechter als bei chronischen Erkrankungen, da


versagen häufig bereits Komplikationen vorliegen (s. Verlauf). Durch Verbesserung der Ope-
rationstechnik und des perioperativen Managements postoperative Überlebensra-
te bei 80 %.
Indikation bei nicht durch Paracetamol induziertem akutem Leberversagen gege-
ben (modifizierte King‘s-College-Kriterien):
██ bei INR > 6,5
██ oder 3 der 5 folgenden Kriterien:
–– Alter <10 oder >40 Jahre
–– Ätiologie unklar oder medikamententoxisch
–– Intervall zwischen Ikterus und Enzephalopathie über 7 Tage
–– INR >3,5
–– Bilirubin >300 µmol/l (= 17,5 mg/dl)

Verlauf ██ Die Prognose hängt ab von:


██ Ätiologie: günstigerer Verlauf bei Paracetamol- oder Knollenblätterpilz-Vergif-
tungen als bei Halothan oder Virushepatitis
██ Alter: ungünstiger Verlauf bei Alter <10 Jahre und >40 Jahre
██ Komastadium: bei Stadium II Überlebensrate ca. 66 %, im Stadium III ca. 42 % und
Stadium IV ca. 18 %
██ Laborwerten: Faktor V (<15 %) und hohes Bilirubin (>18 mg%) zeigen eine sehr
schlechte Prognose an.
██ Auftreten von Komplikationen: Hirnödem, Sepsis, ARDS, Nierenversagen ver-
schlechtern die Prognose dramatisch und schränken die Möglichkeit der Trans-
plantation u. U. ein. In 50 % kommt es zu einem Nierenversagen (prärenales Nie-
renversagen durch Hypovolämie, akute tubuläre Nekrose, hepatorenales Syn-
drom).

Literatur Canbay A, Tacke F, Hadem J, Trautwein C et al. Akutes Leberversagen. Dtsch Ärztebl Int 2011: 108: 714–720
Hadem J, Schneider AS, Manns MP. Pathophysiologie und Therapie des akuten Leberversagens. GastroUp-
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Hadem J, Stiefel P, Bahr MJ et al. Prognostic implications of lactate, bilirubin, and etiology in German pati-
ents with acute liver failure. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6: 339–345

7.29 Leberbeteiligung bei Systemerkrankungen

7.29.1 Sarkoidose
Definition Granulomatöse Entzündung der Leber, bei ca. 60–70 % der Patienten mit Sarkoido-
se nachweisbar.

Pathologie Granulome in den Portalfeldern oder in den Azini, die aus mehrkernigen Riesen-
zellen, Plasmazellen und Eosinophilen bestehen; sehr selten Fibrose.

Epidemiologie Klinische Manifestation am hepatobiliären System sehr selten.

Klinische Die pulmonale Symptomatik steht im Vordergrund, ansonsten bestehen Hepato-


Charakteristika und Splenomegalie.

Diagnostik ██ Leberhistologie: Punktion nach Menghini, (Mini-)Laparoskopie


██ zusätzlich Labordiagnostik: AP-Erhöhung, mäßige Erhöhung der Transaminasen
484  7 Leber

Therapie­ In der Regel von der pulmonalen Manifestation abhängig.


indikation
Therapie Glukokortikoide: wenig Effekt auf portale Hypertension.
Behandlung der portalen Hypertension (s. Kap. 7.22, Portale Hypertension und
gastrointestinale Blutung).

Verlauf Ösophagusvarizenblutung ohne Ausbildung einer kompletten Zirrhose beschrie-


ben.

Langzeit­ ██ Portale Hypertension: sehr selten (<1 % bei Patienten mit Sarkoidose)
komplikationen ██ Budd-Chiari-Syndrom: in Einzelfällen beschrieben

7.29.2 Panarteriitis nodosa


Pathologie Nekrotisierende Entzündung von kleinen und mittleren Arterien und des perivas-
kulären Gewebes; Infiltration der Gefäßwände durch polymorphkernige Leukozy-
ten und Monozyten.

Assoziierte Hepatitis B (in ca. 30 %).


Erkrankungen

Klinische Müdigkeit, Schwäche, Fieber, Inappetenz, Myalgien, Arthralgien.


Charakteristika

Diagnostik Labor (auf die Leber bezogene Parameter):


██GOT, GPT, AP, γ-GT: erhöht
██p-ANCA: in 60 % positiv

Therapie Behandlung der Grundkrankheit: Gabe von Glukokortikoiden, Cyclophosphamid.


Bei HBV-assoziierter Panarteriitis nodosa: Interferon, evtl. Lamivudin (s. Kap.
7.3.3, Chronische Hepatitis B; Therapie).

Verlauf In der Regel besteht keine schwere Leberbeteiligung. In seltenen Fällen können In-
farkte, intrahepatische Blutungen, akute Cholezystitis und Thrombosierungen auf-
treten.

7.29.3 Amyloidose
Definition Ablagerung von Amyloid in verschiedenen Organen.

Einteilung Man unterscheidet 4 Typen:


immunglobulinassoziiert (AL-Amyloid): z. B. Plasmozytom, Morbus Walden-
██

ström, idiopathisch
reaktiv (AA-Amyloid): bei chronischen Infektionen, beim Mittelmeerfieber
██

hereditär (= familiär): transthyretinassoziierte Amyloidose, gelsolinassoziierte


██

Amyloidose
Beta2-Mikroglobulin-assoziiert: bei Dialysepatienten
██

Pathologie Interstitielle Proteinablagerungen, die mit Kongorot nachweisbar sind.


7.29 Leberbeteiligung bei Systemerkrankungen  485

Klinische Symptomatik von Organbefall abhängig, bei Leberbefall Hepatomegalie und Ikte-
Charakteristika rus (letzterer erst in der Spätphase auftretend).

Diagnostik ██ Leberbiopsie (cave: vermehrtes Blutungsrisiko)


██ Rektumbiopsie
██ subkutane Fettaspiration

Therapie Behandlung der Grundkrankheit, bei Therapieversagen Lebertransplantation.

Verlauf Insgesamt schlechte Prognose.

7.29.4 Postoperative Cholestase


Definition Intrahepatische Cholestase im zeitlichen Zusammenhang einer Operation und
Narkose.

Patho­ ██ ischämischer Leberschaden nach intraoperativer Hypotension, z. B. nach Bypass­


mechanismus chirurgie
██ Medikamentenreaktion, z. B. auf Narkotika
██ Sepsis
██ parenterale Ernährung

Pathologie Minimale Zeichen eines hepatozellulären Schadens.

Epidemiologie Bis zu 10 % nach Bypassoperation (ACVB).

Klinische Ikterus.
Charakteristika
Diagnostik ██ Cholestaseenzyme (AP, γ-GT): erhöht
██ Serumbilirubin: erhöht
██ Transaminasen: normal oder leicht erhöht
██ Sonografie: zusätzlich zum Ausschluss einer biliären Obstruktion

Differenzial­ Posthepatische Ursache, z. B. Gallengangverletzung bei abdominellem Eingriff.


diagnose

Therapie Keine spezifische Behandlung indiziert.

Verlauf Auftreten 1–2 Wochen postoperativ; im Allgemeinen Restitutio ad integrum, keine


Langzeitkomplikationen.

7.29.5 Hämatologische Systemerkrankungen


Akute Leukämie: Infiltration der Leber, klinisch ohne wesentliche Bedeutung.
Osteomyelofibrose: extramedulläre Blutbildung in der Leber kann in seltenen Fäl-
len Aszites und Ösophagusvarizen nach sich ziehen.
Sichelzellenanämie: neben einer Hepatomegalie bilden sich durch die Hämolyse
vermehrt Gallensteine (Pigmentsteine).
Paroxysmale Hämoglobinurie: Pfortader- und Milzvenenthrombosen, Budd-Chi-
ari-Syndrom.
486  7 Leber

7.29.6 Lymphatische Systemerkrankungen


Morbus Hodgkin: In 30–50 % der Fälle ist die Leber infiltriert, was zu einer Hepa-
tomegalie führt. Im Labor sind AP und Bilirubin häufig erhöht. Die Therapie orien-
tiert sich an der Grundkrankheit.
Non-Hodgkin-Lymphome (NHL): Bei den histologisch sehr unterschiedlichen NHL
kann es zu einer mikronodulären Infiltration der Leber kommen. Auch größere
Raumforderungen können in der Leber nachweisbar sein. Einzelfälle primärer NHL
in der Leber sind ebenfalls beschrieben.

7.29.7 Sonstige Systemerkrankungen


Rheumatoide Arthritis: in 10–20 % Mitbeteiligung der Leber.
Still-Syndrom: Bei juveniler rheumatoider Arthritis kann eine Hepatosplenome-
galie vorliegen.
Adultes Still-Syndrom: In 30 % der Fälle ist die Leber vergrößert.
Polymyalgia rheumatica: Die Leber kann mit einer granulomatösen Hepatitis re-
agieren.
Lupus erythematodes disseminatus: In Einzelfällen kann sich eine Zirrhose ent-
wickeln.
Wegener-Granulomatose: Auch in der Leber ist eine Vaskulitis mit nekrotisieren-
den epitheloidzelligen Granulomen nachweisbar.

7.30 Chemisch-toxischer Leberschaden

Definition Leberschaden durch Exposition mit chemischen Stoffen.

Patho­ Toxische Leberschädigung (dosisabhängig): Bei der direkten Wirkung löst der che-
mechanismus mische Stoff oder sein Metabolit eine Schädigung struktureller zellulärer Bestand-
teile (z. B. von Membranen) aus, die zu einer Nekrose oder Steatose führt. Bei der
indirekten Wirkung werden Stoffwechselreaktionen beeinflusst, die neben der Ne-
krose auch Cholestase und Tumoren nach sich ziehen können.
Idiosynkratische Leberschädigung (dosisunabhängig): Schädigung über einen all-
ergisch-immunologischen Mechanismus oder eine abnorme Stoffwechselreaktion.

Einteilung Akute Schädigung:


██zytotoxische Form: Steatose (mikro-, makrovesikulär), Nekrose (massiv, diffus,
fokal, zonal), Granulome
██cholestatische Form
██vaskuläre Form: Lebervenenthrombose

Chronische Schädigung:
██zytotoxische Form: chronisch aktive Hepatitis, Steatose, Fibrose, Zirrhose
██Lebertumoren: fokal noduläre Hyperplasie, Adenom, hepatozelluläres Karzinom
██cholestatische Form: Vanishing-Bile-Duct-Syndrom, cholangiozelluläres Karzi-
nom
██vaskuläre Form: portale Hypertension, Peliosis hepatis, „Veno-occlusive dis­
ease“, Angiosarkom
7.30 Chemisch-toxischer Leberschaden  487

Ätiologie Stoffe, die eine chronische Erkrankung (Fibrose, Zirrhose) auslösen können: Arsen,
Chlornaphthalin, Dichlorbenzol, Dimethylnitrosamin, Dinitrotoluol, Eisen, Kadmi-
um, Kupfer, Phosphor, Tetrachlorethan, Tetrachlorkohlenstoff, Tetranitromethyla-
nilin, Thioacetamid, Trinitrotoluol, Vinylchlorid.

Klinische Meist unspezifische Symptome: Müdigkeit, Ikterus (selten).


Charakteristika

Diagnostik ██ Anamnese
██ Labor: Erhöhung von γ-GT, GPT, GOT, GLDH, AP
██ toxikologische Untersuchung: Serum, Urin, Messung am Arbeitsplatz

Therapie Kontakt zur Giftzentrale (Adressen in der Roten Liste).


Akute Intoxikation:
██allgemeine Maßnahmen: Sicherung von Vitalfunktionen (Atmung, Kreislauf);
Giftentfernung, Antidottherapie, Transport und Asservierung für Giftnachweis
██spezifische Therapie, z. B. bei Knollenblätterpilz-Vergiftung Gabe von Silibinin (s.
Kap. 7.28, Fulminantes Leberversagen)

Chronische Intoxikation: nach Diagnose Meidung des Schadstoffbereichs, symp-


tomatische Therapie.

7.30.1 Medikamentös-toxischer Leberschaden


Definition Durch Medikamente hervorgerufener Leberschaden. Eine Sonderform stellt die
Chemotherapie-assoziierte Steatohepatitis (CASH) dar, die v. a. von Irinotecan und
Oxaliplatin ausgelöst werden kann. Oxaliplatin kann zusätzlich ein sinusoidales
Obstruktionssyndrom (SOS) verursachen.

Patho­ Siehe Kap. 7.30, Chemisch-toxischer Leberschaden; Pathomechanismus.


mechanismus
Pathologie Beispiele für pathologische Veränderungen bzw. Krankheitsbilder und die jeweils
verursachenden Medikamente:
██Steatose: Tetrazykline, Methotrexat
██Nekrose: Halothan, Paracetamol, Isoniazid, Statine
██Cholestase: Östrogene, Chlorpromazin, Amoxicillin/Clavulansäure, Erythromy-
cin, ACE-Hemmer
██Zirrhose: Methotrexat
██Fokal noduläre Hyperplasie: Östrogene
██Adenom: Östrogene
██Peliosis hepatis: Östrogene, Anabolika
██“Veno-occlusive disease”: Azathioprin

Klinische Übelkeit, Inappetenz, Juckreiz, Fieber.


Charakteristika

Wegweisende Enzymdiagnostik: Erhöhung von (je nach Schädigungsmechanismus) γ-GT, GPT,


Diagnostik GOT, GLDH, AP.

Therapie Auslassversuch (mit Kontrolle der Laborparameter).


488  7 Leber

Kampfenkel T, Tischoff I, Bonhag H et al. Chemotherapieassoziierte Leberveränderungen bei Patienten mit


Literatur
kolorektalem Karzinom und operativer Entfernung von Lebermetastasen: Evaluierung eines histopatho-
logischen Scores und Erhebung präoperativer Risikofaktoren. Z Gastroenterol 2011; 49: 1407–1411
Tannapfel A, Reinacher-Schick A. Chemotherapie-assoziierte Hepatotoxizität in der Behandlung des kolorek-
talen Karzinoms. Z Gastroenterol 2008; 46: 435–440
Teschke R. Arzneimittelbedingte Lebererkrankungen. Z Gastroenterol 2002; 40: 305–326

7.31 Vanishing-Bile-Duct-Syndrom

Definition Überbegriff einer Gruppe von biliären Erkrankungen, die durch einen progredien-
ten Verlust von intrahepatischen Gallengängen gekennzeichnet sind.

Ätiologie ██ Abstoßungsreaktion der Transplantatleber (s. Kap. 7.33, Lebertransplantation),


Graft-versus-Host-Reaktion der Leber
██ primär biliäre Zirrhose (s. Kap. 7.17), autoimmune Cholangitis (s. Kap. 7.17), pri-
mär sklerosierende Cholangitis (s. Kap. 7.18)
██ Sarkoidose (s. Kap. 7.29.1)
██ kindliche Form der idiopathischen Duktopenie: tritt isoliert auf oder in Zusam-
menhang mit dem Alagille-Syndrom (s. Kap. 7.8.7)
██ adulte Form der idiopathischen Duktopenie: in der Regel nicht progrediente Er-
krankung, die sich in der 2. oder 3. Lebensdekade manifestiert und in manchen
Fällen nicht von einer primär sklerosierenden Cholangitis mit Befall der kleinen
Gallengänge abzugrenzen ist.
██ ischämische Cholangitis: stellt den Mechanismus dar für postoperative Striktu-
ren z. B. nach Cholezystektomien, nach Lebertransplantation oder nach Zytosta-
tikatherapie
██ infektiöse Cholangitis: wird z. B. durch Kryptosporidien oder Candida albicans
bei AIDS ausgelöst
██ neoplastische Gangdestruktion: Morbus Hodgkin (s. Kap. 7.29.6, Lymphatische
Systemerkrankungen) kann kleine Gallenwege infiltrieren

Klinische Von Ikterus und Pruritus bis zum Leberversagen.


Charakteristika

Diagnostik ██ Enzymdiagnostik: deutliche Erhöhung von AP und γ-GT


██ Leberhistologie: klärt häufig die Grunderkrankung in Zusammenhang mit sero-
logischen Parametern

Therapie Behandlung der Grunderkrankung, weiterer Verlauf von der Grunderkrankung ab-
hängig.

7.32 Vaskuläre Erkrankungen der Leber

7.32.1 Budd-Chiari-Syndrom
Definition Thrombotischer/nicht thrombotischer Verschluss der größeren hepatischen Venen
oder der V. cava inferior im Bereich der Leber.

Ätio­ Hyperkoagulopathie: Antiphospholipid-Syndrom, Antithrombin-III-Mangel, es-


pathogenese senzielle Thrombozythämie, Faktor-V-Mangel, myeloproliferatives Syndrom, par-
7.32 Vaskuläre Erkrankungen der Leber  489

oxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH), Polycythaemia vera, Protein-C–, Pro-


tein-S-Mangel, Sichelzellanämie.
Tumoren: Bronchialkarzinom, hepatozelluläres Karzinom, Nebennierenkarzinom,
Nierenzellkarzinom.
Infektionen: Aspergillose, Echinokokkose, Leberabszess, Schistosomiasis, Tuberku-
lose.
Verschiedene Ursachen: Leberzirrhose, Morbus Crohn, Sarkoidose, Zöliakie,
Schwangerschaft/orale Kontrazeptiva.

Klinische Chiari-Trias: Hepatomegalie, abdominelle Schmerzen, Aszites.


Charakteristika

Wegweisende ██ farbkodierte Duplexsonografie: Nachweis von echogenem Material in den Le-


Diagnostik bervenen
██ CT: mit Kontrastmittelgabe
██ MRT

Zusatz­ Labortechnische Abklärung der Hyperkoagulopathie: APC-Resistenz, Faktor C,


diagnostik Faktor S, Anti-Phospholipid-Ak, Antithrombin III

Differenzial­ Primär sklerosierende Cholangitis (s. Kap. 7.18).


diagnose

Therapie ██ bei geringer Leberfunktionseinschränkung abwartendes Verhalten (chronischer


Verlauf)
██ Therapie des Aszites
██ Therapie der zugrunde liegenden Erkrankung
██ Lysetherapie: möglich bei früher Diagnose
██ transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stentshunt (TIPS): bei ausge-
prägter portaler Hypertension
██ Lebertransplantation: bei zunehmender Leberzellinsuffizienz oder fulminantem
Verlauf

Verlauf Chronischer Verlauf (ca. 60–65 %): Bei diesen Patienten steht die portale Hyper-
tension im Vordergrund wie bei fortgeschrittener Leberzirrhose, die in diesen Fäl-
len auch häufig vorliegt. Die Prognose ist von der zugrunde liegenden Erkrankung
und der Leberinsuffizienz abhängig.
Akuter Verlauf (ca. 30 %): Zunehmender Aszites und Hepatomegalie mit Ein-
schränkung der Leberfunktion ohne Leberkoma deuten auf einen akuten Verlauf
hin, der im Einzelfall auch spontane Remissionen zeigen kann.
Fulminanter Verlauf (ca. 5–10 %): Rasches Auftreten einer Enzephalo- und Koagu-
lopathie sind mit sehr schlechter Prognose vergesellschaftet und erfordert eine Le-
bertransplantation.

Literatur Michl P, Bilzer M, Waggershauser T et al. Successful treatment of chronic Budd-Chiari syndrome with a
transjugular intrahepatic portosystemic shunt. J Hepatol 2000; 32: 516–520
Plissier A, Valla DC. Budd-Chiari syndrome. Sem Liv Dis 2008; 259–269

7.32.2 Veno-occlusive-Disease
Definition Thrombotischer Verschluss der terminalen hepatischen Venolen, der Zentralvenen
und der Sinusoide.
490  7 Leber

Ätio­ Zytostatische Therapie (z. B. Actinomycin D/Vincristin bei Wilms-Tumor und ande-
pathogenese ren soliden Tumoren, Oxaliplatin), Bestrahlungstherapie, Knochenmarktransplan-
tation, orale Antikonzeptiva, Lupus erythematodes.

Pathologie Sinusoidale Endothelschäden, extravasale Ansammlung von Erythrozyten in den


Disse-Räumen, Einblutungen in das Parenchym, Nekrose der perivenös gelegenen
Hepatozyten, Fibrosierung.

Klinische Ikterus, Hepatomegalie, abdominelle Schmerzen, Aszites; Zeichen der Enzephalo-


Charakteristika pathie.

Wegweisende ██ Messung des Lebervenendruckes: Gradient >10 mmHg


Diagnostik ██ Leberbiopsie (Histologie)

Zusatz­ ██ Ultraschall: Zeichen der portalen Hypertension (Dilatation der Pfortader


diagnostik >13 mm, Nachweis von Aszites, Reduktion/Umkehr des portalen Blutflusses
[Doppler])
██ Labor: Erhöhung der Transaminasen; Thrombozytopenie

Differenzial­ Budd-Chiari-Syndrom.
diagnose

Therapie Behandlung der Grundkrankheit


██Behandlung des Aszites (s. Kap. 7.23) bzw. portaler Hypertension (s. Kap. 7.22)
██bei Therapieversagen Lebertransplantation

Verlauf Bei längeren Krankheitsverläufen Entwicklung einer Zirrhose möglich.

7.32.3 Pfortaderthrombose
Definition Bildung eines Thrombus in der Pfortader.

Ätio­ Hyperkoagulationssyndrome: Antiphospholipid-Syndrom, Faktor-V-Mutationen,


pathogenese paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie, myeloproliferative Erkrankungen, Pro-
tein-S-Mangel, Polycythaemia vera, Sichelzellanämie, Schwangerschaft, Einnahme
oraler Antikonzeptiva.
Entzündliche Erkrankungen: Appendizitis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Diver-
tikulitis, Pankreatitis, Morbus Behçet, Aktinomykose, Candida-albicans-Infektion.
Tumoren: Pankreaskarzinom, hepatozelluläres Karzinom, Harnblasenkarzinom
Komplikationen nach operativen und interventionellen Eingriffen: Ethanol-In-
jektion, Peritonealdialyse, Chemoembolisation, Inselzell-, Lebertransplantation,
Leberteilresektion, Sklerotherapie, Splenektomie, transjugulärer intrahepatischer
portosystemischer Stentshunt (TIPS), Nabelvenenkatheter (postnatal).
Verschiedene Erkrankungen: Leberzirrhose.

Pathologie Unauffällige Leberhistologie.

Genetik Komplikation der genetisch determinierten Erkrankungen (s. Pathomechanis-


mus): Faktor-V-Mutationen, Protein-S-Mangel, Sichelzellanämie.

Epidemiologie Häufigste Ursache beim Kind ist die Infektion (Nabelvenenkatheter), beim Erwach-
senen die Leberzirrhose (ca. 25 %) bzw. nach Splenektomie (ca. 22 %). Nachweis ei-
7.32 Vaskuläre Erkrankungen der Leber  491

ner Pfortaderthrombose in 16 % der Fälle bei Evaluation vor Lebertransplantation


und in 25 % bei hepatozellulärem Karzinom beschrieben.

Klinische Häufiges Initialsymptom: Meläna/Hämatemesis durch Varizenblutung, Spleno-


Charakteristika megalie (beim Kind).
Seltenes Initialsymptom: abdominelle Beschwerden durch Mesenterialvenen-
thrombose.

Wegweisende ██ Ultraschall mit farbkodierter Duplexsonografie: Nachweis des echogenen


Diagnostik Thrombus, des Umgehungskreislaufs, der Splenomegalie, der kavernösen Trans-
formation der Pfortader
██ MRT
██ CT (Angio-CT)

Zusatz­ Laboruntersuchung zur ätiologischen Abklärung: Blutbild, Anti-Phospholipid-Ak,


diagnostik APC-Resistenz, Protein C, Protein S, ANA.

Therapie Bei rechtzeitiger Diagnose: Lysetherapie.


Antikoagulation (Heparin) mit anschließender Gabe von Vitamin-K-Antagonisten.
Bei chronischen Verläufen: Therapie der portalen Hypertension (s. Kap. 7.22).
Bei Therapieversagen: transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Stent­
shunt (TIPS) bzw. portokavaler (splenorenaler) Shunt.

Verlauf ██ Komplikationen und Verlauf grundsätzlich abhängig von Grundkrankheit


██ als Langzeitkomplikationen rezidivierende Varizenblutungen

Literatur Spaander VM, van Buuren HR, Janssen HL. Review article: The management of non-cirrhotic non-malignant
portal vein thrombosis and concurrent portal hypertension in adults. Aliment Pharmacol Ther 2007; 26
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7.32.4 Schockleber
Synonyma Leberinfarzierung, zentrilobuläre Nekrose, ischämische Hepatitis.

Definition Durchblutungsmangel der Leber.

Patho­ Ursachen:
mechanismus ██Hypotension durch akuten Myokardinfarkt, Herzoperation, Sepsis, Blutung
██Trauma, Dehydratation, Insolation (Sonnenexposition), Verbrennung, Schlaf­
apnoe-Syndrom

Pathologie Nekrose von perivenös (zentralvenös) gelegenen Hepatozyten; erhaltene Architek-


tur.

Epidemiologie Biochemisch bei 0,3–2,6 % aller Patienten, die wegen kardialer Probleme stationär
aufgenommen werden.

Klinische Symptomatik in erster Linie von ursächlicher Erkrankung abhängig, evtl. besteht
Charakteristika ein Ikterus.

Wegweisende ██ Transaminasen: deutliche Erhöhung von AST (GOT) und ALT (GPT)
Diagnostik ██ LDH: deutlich erhöht; Verhältnis ALT:LDH bei akuter Virushepatitis viel höher
492  7 Leber

Zusatz­ Retentionswerte: Erhöhung von Kreatinin und Harnstoff (Hinweis auf prärenales
diagnostik Nierenversagen bei Hypotension).

Therapie Keine spezifische Therapie.

Verlauf In der Regel rasche Besserung bei effizienter Therapie der Grundkrankheit.

7.32.5 Stauungsleber
Definition Akute oder chronische Folge der Erhöhung des zentralvenösen Druckes über die V.
cava inferior und hepatischen Venen durch Rechtsherzinsuffizienz.

Patho­ Erhöhter zentralvenöser Druck führt zu einer Dilatation der Lebervenen (erhöhter
mechanismus Lebervenenverschlussdruck), was zu einem perisinusoidalen Ödem führt.

Pathologie Bei akuter Stauungsleber: Dilatation der Zentralvenen und der Sinusoide.
Bei chronischer Stauungsleber: Leberzellverfettung, zentrilobuläre Fibrose, Rege-
neratknoten („cirrhose cardiaque“).

Epidemiologie Bei chronischem Cor pulmonale: Entstehung in bis zu 30 % der Fälle.

Klinische Rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Ikterus (ca. 10 %), Hepatomegalie (ca. 95 %),


Charakteristika Splenomegalie (ca. 20 %), Aszites (ca. 25 %), hepatojugulärer Reflux (durch mecha-
nischen Druck auf die Leber auslösbar).

Wegweisende ██ Sonografie: fehlender inspiratorischer Kollaps der V. cava inferior und Dilatation
Diagnostik der Lebervenen (>1 cm im Bereich der Einmündung)
██ Labor: Erhöhung von LDH, Bilirubin, GLDH, GOT, GPT

Zusatz­ Echokardiografie: Rechtsherzinsuffizienz.


diagnostik

Langzeit­ Aszites; Entwicklung einer Zirrhose („cirrhose cardiaque“) sehr selten.


komplikationen

7.32.6 Erkrankungen der Leberarterien


Aneurysma der A. hepatica: Bei 30 % der Patienten tritt die Trias auf: Bauch-
schmerz, Ikterus, gastrointestinale Blutung. Bei einem Rupturrisiko von 80 % ist
ein operatives oder radiologisch-interventionelles Vorgehen gerechtfertigt.
Verschluss der Leberarterie: Ein akuter Verschluss der Leberarterie führt zu ei-
nem Leberinfarkt, der – von der Grundkrankheit abhängig – meist eine schlechte
Prognose hat.
Arteriosklerose: Im Rahmen einer generalisierten Arteriosklerose kann sich die
Erkrankung mit der Komplikation eines Leberarterienverschlusses manifestieren.
7.33 Lebertransplantation  493

7.33 Lebertransplantation

Definition Leberersatz durch Spenderorgan (1. erfolgreiche Lebertransplantation 1967 in


Denver durch Starzl).

Epidemiologie Im Jahr 2010 wurden in Deutschland 1192 Lebertransplantationen nach postmor-


taler Organspende und 90 nach einer Lebendspende durchgeführt. 2010 wurden
1846 Patienten zur Lebertransplantation angemeldet (Quelle: Deutsche Stiftung
Organtransplantation, DSO).

Therapie­ Notfallindikation:
indikation ██Indikation zur Transplantation und Transplantationszeitpunkt sind beim ful-
minanten Leberversagen besonders kritisch; Indikation sollte bei zunehmender
hepatischer Enzephalopathie vor Stadium IV gestellt werden. Indikation nach
King’s-College-Kriterien bei Paracetamol-Intoxikationen gestellt, wenn pH-Wert
<7,3 oder INR >6,5 und Serumkreatinin >3,4 mg/dl. Bei anderen Ursachen soll
bei INR >6,5 transplantiert werden. Dies trifft auch zu, wenn 3 der folgenden
Kriterien vorliegen:
–– Alter <10 oder >40 Jahre
–– Ursache: Non-A-Non-B-Hepatitis oder medikamentös toxisch
–– Intervall Ikterus–Enzephalopathiebeginn >7 Tage
–– Bilirubin >20 mg/dl
██bei akutem Leberversagen infrage kommende Lebererkrankungen: fulminante
Virushepatitis, akuter Schub einer chronischen Lebererkrankung (z. B. Morbus
Wilson, Autoimmunhepatitis), Intoxikationen (z. B. Paracetamol), Schwanger-
schaftsfettleber, HELPP-Syndrom, Eklampsie, postoperative Reaktion
Elektive Indikation:
██ergibt sich durch zunehmende Leberzellinsuffizienz, Komplikationen der Le-
bererkrankung und zusätzliche spezielle Indikationen beim chronischen Leber-
versagen: chronische Hepatitis/Leberzirrhose unterschiedlicher Ätiologie (viral,
medikamenteninduziert, autoimmun, kryptogen), alkoholische Lebererkran-
kung, primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis, biliäre Atre-
sie, Budd-Chiari-Syndrom. Child-Pugh-Klassifikation inzwischen ersetzt durch
MELD-Score (Model for End-stage Liver Disease) wegen der ausschließlichen
Verwendung objektiver Parameter (Bilirubin, Kreatinin, INR)
██weitere Indikationen: nicht resezierbare Lebermetastasen (z. B. bei Gastrinom),
hepatozelluläres Karzinom, genetische Erkrankungen, Morbus Wilson, Alpha1-
Antitrypsin-Mangel, Tyrosinämie, Glykogenose-Typen I+IV, Hämochromatose,
homozygote Hypercholesterinämie, Crigler-Najjar-Syndrom I, Morbus Byler

Kontra­ Absolut: schwere kardiale Erkrankung, schwere pulmonale Erkrankung, extrahe-


indikationen patische Metastasen, maligne Zweiterkrankung, floride Sepsis, AIDS, irreversibler
schwerer Hirnschaden, aktiver Alkohol- und Drogenabusus, schwere psychische
Erkrankung, schlechte Compliance.
Relativ: Alter >65 Jahre.

Therapie Grundsätzlich bestehen 3 verschiedene Prinzipien:


██orthotope Lebertransplantation: häufigstes Verfahren bei Erwachsenen
██Segmenttransplantation: Segmente stammen von Lebendspendern
██Splittransplantation: Aufteilung des Spenderorgans auf 2 Empfänger
494  7 Leber

Verlauf Die 1-Jahres-Überlebensrate liegt bei 80–95 %. Die günstigsten Ergebnisse werden
bei der primär biliären Zirrhose erzielt. Schlechter sind die Ergebnisse beim fulmi-
nanten Leberversagen und bei malignen Erkrankungen wegen der Rezidive (5-Jah-
res-Überlebensrate ca. 20–30 %).

Komplikationen Allgemeine Komplikationen: Transplantatabstoßung, Infektionen.


██Chirurgische Komplikationen: postoperative Nachblutung, Thrombose der A.
hepatica, Gallengangstrikturen, intraabdominelle Infektionen, Aszites, Pfort-
aderthrombose

Literatur Canbay A, Tacke F, Hadem J et al. Akutes Leberversagen – Ein lebensbedrohliches Krankheitsbild. Dtsch
Ärztebl 2011; 108: 714–720
Königsrainer I, Li J, Ladurner R et al. Lebertransplantation – Indikationen, Ergebnnisse und aktuelle Ent-
wicklungen. Klinikarzt 2011; 40: 92–95
Schlitt HJ, Loss M, Scherer MN et al. Aktuelle Entwicklungen der Lebertransplantation in Deutschland:
MELD-basierte Organallokation und ‚incentives‘ für Transplantationszentren. Z Gastroenterol 2011; 49:
30–38

Selbsthilfe BDO – Bundesverband der Organtransplantierten e. V., Paul-Rücker-Str. 20–22,


47059 Duisburg; Tel. 0203/442010, Fax 0203/442127, www.bdo-ev.de, E-Mail: ge-
schaeftsstelle@bdo-ev. e.
Lebertransplantierte Deutschland e. V., Maiblumenstr. 12, 74626 Bretzfeld; Tel.
07946/940187, Fax 07946/940186; http://www.lebertransplantation.eu/kontakt.
html, E-Mail: info@lebertransplantation.de
495

8 Gallenblase und Gallenwege


K. Beckh

8.1 Anatomie und physiologische Funktion

8.1.1 Anatomie
Gallengänge: Die Canaliculi sammeln die von den Hepatozyten produzierte Gal-
lenflüssigkeit, die dann von der perivenösen zur periportalen Zone in die Ductuli
und weiter in die intrahepatischen Ductus fließt. Ductus hepaticus dexter und sinis-
ter bilden bis zur Einmündung des Ductus cysticus den Ductus hepaticus communis,
der sich danach in den Ductus choledochus fortsetzt.
Gallenblase: Die Gallenblase (Vesica fellea) liegt dem Unterrand des rechten Leber-
lappens an. Sie besteht aus Fundus, Corpus, Infundibulum und Collum. Die Gallen-
blase ist über den Ductus cysticus, der über spiralig angeordnete Schleimhautfal-
ten (Heister) einen Verschlussmechanismus hat, mit dem Gallengangsystem ver-
bunden. Die Schichten der Gallenblase bestehen aus Mukosa, einer 2-schichtigen
Muscularis und Serosa.
Sphinkter Oddi: kurzstreckiger Komplex glatter Muskulatur, der den distalen An-
teil des Ductus choledochus, des Ductus pancreaticus und des „common channel“
umgibt.

8.1.2 Physiologische Funktion


Gallengänge: Im Anfangsteil können die Ductuli die Lebergalle aktiv durch die
duktuläre Sekretion modifizieren. Anschließend transportiert das Gallengangsys-
tem die Galle in die Gallenblase oder direkt in das Duodenum.
Gallenblase: Die Gallenblase fasst ca. 50 ml und nimmt die Lebergalle auf, die sie
durch Absorptions- und Sekretionsvorgänge bis zu 10-fach eindickt. Die Kontrak-
tion der Gallenblase wird durch Cholezystokinin (CCK), Motilin und Acetylcholin
gefördert.
Sphinkter Oddi: Über 4–10 mm löst der Sphinkter Oddi eine „Hochdruckzone“
aus. Cholezystokinin (CCK), Secretin, VIP und NO vermitteln eine Relaxation des
Sphinkters.

8.2 Hereditäre Erkrankungen der Gallenwege

8.2.1 Gallengangatresie
Definition Komplette oder partielle Obliteration der extrahepatischen Gallengänge.

Patho­ Unklare Ätiologie: fragliche Malformation, entzündliche sklerosierende Läsion,


mechanismus keine ischämische oder toxische Genese.
496  8 Gallenblase und Gallenwege

Tab. 8.1 Anato­ Typ Charakteristika


mische Varianten
Typ I Atresie des Ductus hepaticus communis mit offenen proximalen Gallengängen
(nach Kawai).
Typ II Atresie der Ductus hepatici mit zystisch dilatierten Gallengängen in der Leber­
pforte

Typ IIa Ductus hepaticus communis offen

Typ IIb Ductus hepaticus communis verschlossen

Typ III Obstruktion des Ductus hepaticus communis, Ductus hepatici, perihiläre Fibrose

Pathologie Duktuläre Proliferation, biliäre Stase in Canaliculi und Hepatozyten, Zeichen der
biliären Zirrhose.
Klassifikation der anatomischen Varianten (nach Kawai) (Tab. 8.1).

Genetik Vorkommen bei HLA-B12, A9-B5, A28-B35 häufiger.

Epidemiologie Häufigkeit: 1:10 000–15 000 der Neugeborenen. In einem Drittel der Fälle Ursache
für neonatalen cholestatischen Ikterus. Häufigste Todesursache einer hepatobili-
ären Erkrankung im Kindesalter und häufigste Ursache (ca. 50 %) für eine Leber-
transplantation. Mädchen insgesamt häufiger betroffen.

Assoziierte Polysplenie-Syndrom: in 11 % der Fälle, multiple Milzen, Anomalien der Venen,


Erkrankungen Dextrokardie, Situs inversus abdominis.

Klinische In der Regel Schwangerschafts- und Geburtsverlauf normal bzw. Geburtsgewicht


Charakteristika und postpartaler Gewichtsverlauf ebenfalls normal.
Über 14 Tage nach Geburt anhaltender Ikterus, acholischer Stuhl, Hepato-, Spleno-
megalie (bei fortgeschrittener Erkrankung).

Wegweisende ██ Labor: erhöhtes Serumbilirubin (meist 6–12 mg% mit 50 % Anteil an konjugier-
Diagnostik tem Bilirubin) sowie mäßiggradige Erhöhung der Transaminasen und der AP
██ Sonografie
██ ERCP/PTC

Differenzial­ Neugeborenenikterus, Röteln, CMV-Infektion, Alpha1-Antitrypsin-Mangel.


diagnose

Therapie Grundsätzlich Indikation zur operativen Intervention, verschiedene Operations-


techniken einer biliodigestiven Anastomose bzw. Operation nach Kawai.
Bei Therapieversagen: Lebertransplantation.

Verlauf In einem Drittel der Fälle relativ guter Verlauf mit guter Leberfunktion und nor-
maler Entwicklung, in einem Drittel sofortige Lebertransplantation notwendig, in
einem Drittel schleichende Verschlechterung der Leberfunktion über Monate bzw.
Jahre und dann notwendige Lebertransplantation.

8.2.2 Gallengangszysten
Definition Kongenitale Anomalien des biliären Systems, welche die intra- und/oder extrahe-
patischen Gallengänge betreffen.
8.2 Hereditäre Erkrankungen der Gallenwege  497

Tab. 8.2 Klassifi­ Typ Charakteristika


kation der Gallen­
gangszysten Typ Ia Zystische Dilatation des gesamten Ductus hepatocholedochus
(nach Todani). Typ Ib Segmentale Dilatation des Ductus hepatocholedochus

Typ Ic Diffuse zylindrische Dilatation des Ductus hepatocholedochus

Typ II Extrahepatisches Divertikel

Typ III Choledochozele

Typ IV Multiple zystische Erweiterungen der intra- und extrahepatischen (Typ IVa) oder
isoliert der extrahepatischen Gallenwege (Typ IVb)

Typ V Intrahepatische Gallengangzysten (Synonym Caroli-Syndrom, s. Kap. 8.2.3

Patho­ Ätiologische Faktoren: kongenitale Wandschwäche des Gallengangs, gestörte epi-


mechanismus theliale Proliferation, kongenitale Obstruktion.

Pathologie Klassifikation nach Todani (Tab. 8.2).


Histologie: aus einer fibrösen Hülle bestehende Zysten, Ödem der Portalfelder, se-
kundär biliäre Zirrhose bei länger bestehender Obstruktion, Karzinom im Bereich
der Zystenwand.

Epidemiologie 1:15 000 in Europa bzw. Nordamerika, 1:1000 in Japan; bei Frauen häufiger.
Manifestation in 70 % bis zum 10. Lebensjahr.

Klinische Ikterus, acholischer Stuhl, rezidivierendes Fieber, Hepatomegalie.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: pränatale Diagnostik möglich


Diagnostik ██ ERCP: diagnostisch und therapeutisch (bei Steinen)

Zusatz­ AP, γ-GT, Bilirubin: häufig erhöht.


diagnostik

Differenzial­ Biliäre Atresie.


diagnose

Therapie Chirurgische Exzision der Zyste und Rekonstruktion des extrahepatischen Gallen-
gangsystems, biliodigestive Anastomose.

Verlauf Auch nach dem chirurgischen Eingriff ist eine Überwachung wegen rezidivieren-
der Cholangitiden, Cholangiolithiasis und Pankreatitis sinnvoll.

Langzeit­ Im jugendlichen Alter kann ein Karzinom in der Zystenwand entstehen. Frühzeiti-
komplikationen ger chirurgischer Eingriff reduziert dieses Risiko.

8.2.3 Caroli-Syndrom
Synonym Gallengangzysten Typ V nach Todani (s. Kap. 8.2.2, Gallengangzysten).

Definition Kongenitale intrahepatische segmentale Gallengangdilatation.


498  8 Gallenblase und Gallenwege

Pathologie Häufig mit kongenitaler Fibrose vergesellschaftet, 2 Formen: multifokale diffuse


Dilatationen und fokale Dilatationen (in der Regel linker Leberlappen).

Genetik Autosomal-rezessiver Erbgang.

Epidemiologie Manifestation meist erst in der 3. Lebensdekade.

Klinische Oberbauchschmerzen, rezidivierende Fieberschübe (manchmal einziges Symp-


Charakteristika tom), Hepatomegalie, Ikterus (seltener).

Wegweisende ██ Ultraschall: zeigt die diffuse oder fokale Form


Diagnostik ██ CT: zeigt ebenfalls die dilatierten Gallengänge
██ ERCP: stellt die definitive Diagnose

Therapie Antibiotika (z. B. Mezlocillin, Piperacillin, evtl. in Kombination mit Metronidazol)


bei cholangitischen Schüben, Dauerprophylaxe bei häufigen Schüben.
Ursodeoxycholsäure (z. B. Ursofalk): 10–15 mg/kg KG/Tag, Versuch bei rezidivie-
render Cholangiolithiasis gerechtfertigt.
ERCP, evtl. EPT: Behandlung der Cholangiolithiasis.
Teilhepatektomie: bei fokaler Form Methode der Wahl.

Therapie­ Lebertransplantation.
versagen

Verlauf Prognose hängt von der Frequenz der cholangitischen Schübe ab, deren Verlauf
durch Leberabszesse, extrahepatische Abszesse, Cholangiolithiasis und Auftreten ei-
ner sekundären Amyloidose verschlechtert werden kann. Bei 7–15 % der Patienten
tritt ein cholangiozelluläres Karzinom auf.

Literatur Ulrich F, Pratschke J, Pascher A et al. Long-term outcome of liver resection and transplantation for Caroli
disease and syndrome. Ann Surg 2008; 247: 357–364

8.3 Gallensteinerkrankung

8.3.1 Choledocho- und Cholangiolithiasis


Definition Gallensteine in den extra- oder intrahepatischen Gallenwegen.

Patho­ Zwei Mechanismen:


mechanismus ██Bildung von meist braunen Pigmentsteinen im Gang oder in der Gallenblase mit
sekundärem Abgang in den Gallengang
██Einwanderung von Cholesterinsteinen aus der Gallenblase mit sekundärem
Wachstum (Pigmentsteine mit Cholesterinkern)

Epidemiologie Prävalenz bis zu 15 % bei Patienten mit Gallenblasensteinen.

Assoziierte Cholezystolithiasis (in 95 %), juxtapapilläres Divertikel.


Erkrankungen

Klinische Kolikartige Schmerzen im rechten Oberbauch oder Epigastrium, Ikterus, Fieber.


Charakteristika
8.3 Gallensteinerkrankung  499

Wegweisende
██ Labor: GOT (ALT), AP, γ-GT, Bilirubin, Lipase
Diagnostik
██ Sonografie: Nachweis der biliären Obstruktion bzw. der Steine (Sensitivität nur
50 %), Methode der 1. Wahl bei Verdacht auf intrahepatische Steine.
██ ERC: indiziert bei hochgradigem Verdacht auf Gallengangssteine (z. B. bei Cho-
lezystolithiasis oder bei Zustand nach Cholezystektomie und erhöhten Choles-
taseenzymen oder dilatiertem Gallengangssystem), Sensitivität und Spezifität
>90 %

Zusatz­ ██ Endosonografie: bei zweifelhaftem Befund indiziert, bei erfahrenen Untersu-


diagnostik chern nahezu 100 %ige Sensitivität und Spezifität >93 %
██ MRC: bei zweifelhaftem Befund indiziert. Die in der Literatur angebene Sensi-
tivität (85–93 %) und Spezifität (94–96 %) wird in der Routine oft nicht erreicht.
Indikation bei Verdacht auf intrahepatische Steine.

Differenzial­ Gallengangstriktur, cholangiozelluläres Karzinom, Papillenkarzinom; Kompressi-


diagnose on des Gallengangs durch Pankreaskarzinom, akute oder chronische Pankreatitis;
Parasiten (Clonorchiasis, Askariasis).

Therapie Bei biliärer Kolik: Spasmolytika (z. B. N-Butylscopolamin i. v.) in Kombination mit
peripher wirksamen Analgetika (Diclofenac, Indometacin, Paracetamol oder bei
starker Symptomatik Opiatderivate wie Pethidin, Buprenorphin i. v.).
Bei Choledocholithiasis:
██ERC mit endoskopischer Papillotomie (EPT) und Steinextraktion:
–– Methode der 1. Wahl bei Patienten mit Cholezystolithiasis und bei Zustand
nach Cholezystektomie, evtl. auch nach mechanischer Lithotripsie
–– Letalität bzw. Komplikationen der EPT: Letalität 0,2 %, Pankreatitis 0,4–2 %,
Blutung 1–4 %, Cholangitis bzw. Sepsis 0,1–0,8 %, Perforation 0,1 %

Bei intrahepatischen Gallensteinen: interdisziplinäre, patientenbezogene Thera-


pie bei symptomatischen Patienten, bei asymptomatischen Patienten in der Regel
abwartendes Verhalten gerechtfertigt, da asymptomatische intrahepatische Steine
im Verlauf von 15 Jahren nur in 11,5 % der Fälle symptomatisch werden.

Therapie­ Bei Zustand nach Cholezystektomie perkutan-transhepatisches Vorgehen:


versagen ██höhere Komplikationsrate als bei ERC/EPT: Hämobilie, Pneumothorax, Galleleck
in das Peritoneum
██beide Verfahren können mit adjuvanten Lithotripsieverfahren kombiniert wer-
den: extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL), intrakorporale Laserlithotrip-
sie, elektrohydraulische Lithotripsie (EHL)
██alternativ: chirurgische Choledochusrevision

Bei vorhandener Gallenblase mit Steinen: Cholezystektomie mit Choledochusre-


vision.
Bei inoperablen Patienten: Einlegen einer Gallengangdrainage.

Verlauf In ca. 25 % Auftreten von Komplikationen (z. B. biliäre Pankreatitis, Cholangitis, Ik-
terus), in ca. 50 % Auftreten einer Symptomatik (z. B. Kolik). Spontane Steinpassage
möglich bei Steinen mit maximal 8 mm Durchmesser, selten Gallensteinperforation.

Prophylaxe Risiko von Rezidivsteinen bei 5–20 % nach EPT, keine gesicherte medikamentöse
Rezidivprophylaxe, leichte Reduktion der Rezidivrate in älteren, nicht überprüften
Studien durch Ursodesoxycholsäure beschrieben.
500  8 Gallenblase und Gallenwege

Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. Kurzfassung der S3-Leitlinie der DGVS und DGVC zur Diagnostik
Literatur
und Behandlung von Gallensteinen. DMW 2008; 133: 311–316 (AWMF-Register-Nr. 021/008)

8.3.2 Cholezystolithiasis
Definition Gallensteine in der Gallenblase.

Patho­ Bildung von Cholesterinsteinen:


mechanismus ██ Entstehungsmechanismen:
1. Übersättigung der Galle durch Cholesterin (bedingt durch erhöhte biliäre Se-
kretion von Cholesterin und/oder verminderte biliäre Sekretion von Gallen-
säuren)
2. vermehrte Nukleation
3. Hypomotilität der Gallenblase
██ erhöhtes Risiko durch (Entstehungsmechanismus in Klammer): höheres Alter
(1), weibliches Geschlecht (1), Adipositas (1), rasche Gewichtsabnahme (1, 3),
Schwangerschaften (1, 3), Östrogene (1), Fibrate (1), Octreotid (3)
██ Diabetes mellitus fördert v. a. die Komplikationen des Gallensteinleidens, weni-
ger die Prävalenz

Bildung von Pigmentsteinen:


██ schwarze Pigmentsteine: bestehen aus Kalziumbilirubinat, -karbonat, -phosphat;
entstehen vor allem durch Hypersekretion von Bilirubinkonjugaten
██ braune Pigmentsteine: bestehen aus Kalziumbilirubinat, -karbonat, -phosphat,
Mukus, Bakterien; entstehen vor allem bei Stase
██ erhöhtes Risiko bei: chronischer Hämolyse, Leberzirrhose, Pankreatitis, Duode-
naldivertikel

Epidemiologie Prävalenz in Mittel- und Südeuropa: bei Frauen >60 Jahre ca. 25–30 %, bei Männern
>60 Jahre ca. 15–25 %.

Assoziierte Siehe Pathomechanismus.


Erkrankungen

Klinische Asymptomatische Gallensteinträger: Zufallsdiagnose (meist durch Sonografie).


Charakteristika 70–80 % der Steinträger sind asymptomatisch.
Symptomatische Gallensteinträger: gut erinnerliche Schmerzattacken von mehr
als 15 min Dauer im Epigastrium oder rechten Oberbauch, die auch in den Rücken
oder in die rechte Schulter ausstrahlen können; Übelkeit, Erbrechen (selten).

Wegweisende Sonografie: hohe Sensitivität zum Nachweis von Steinen (über 95 %), Darstellung
Diagnostik in verschiedenen Schnittebenen und zumindest 2 Patientenlagerungsvarianten,
Überprüfung der Mobilität der Steine.
██CT, MRT: nur bei Komplikationen

Zusatz­ Ösophagogastroduodenoskopie: vor Cholezystektomie bei bestehender Ul-


diagnostik kusanamnese, bei Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika empfehlens-
wert, zur Abklärung bei uncharakteristischen Beschwerden im Oberbauch sinn-
voll.

Differenzial­ Akute Pankreatitis, Magen- oder Duodenalulkus, akute Hepatitis, Leberabszess, Le-
diagnose bertumor, Pyelonephritis, Nephrolithiasis, Pneumonie, Appendizitis.
8.3 Gallensteinerkrankung  501

Therapie­ Eindeutige Indikation: bei Symptomen und/oder bei Vorliegen einer Porzellangal-
indikation lenblase oder von Gallenblasenpolypen >1 cm.
Empfohlene Indikation: im Rahmen großer abdomineller Eingriffe (z. B. Ileum-
bypass, ausgedehnte Dünndarmresektion), bei denen eine neuerliche Operation
erschwert ist und die mit einem erhöhten Gallenblasenstein-, Gallenblasenkarzi-
nom- bzw. Cholezystitisrisiko einhergehen, bei Gallensteinen >3 cm auch ohne kli-
nische Symptomatik.
Umstrittene Indikation: Therapiewunsch des asymptomatischen Patienten (s. Ver-
lauf).

Therapie Vorgehensweise nach den Leitlinien der DGVS und DGVC:


Laparoskopische Cholezystektomie: Therapie der Wahl, auch während der
Schwangerschaft möglich; Komplikationen sind verbliebene Steine im Gang
(0,4 %); Gallengangverletzung (0,3 %), Gallefistel (0,44 %), Letalität (0,18 %).
Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL): hat sich aufgrund der schlechte-
ren Langzeitergebnisse im Vergleich zur laparoskopischen Cholezystektomie nicht
bewährt.
Medikamentöse Litholyse: Ursodeoxycholsäure (z. B. Ursofalk) mindestens 10 mg/
kg KG (abendliche Einzeldosis) bis 3 Monate nach Steinfreiheit; nur bei röntgenne-
gativen Steinen (<5 mm) in einer gut kontrahierenden Gallenblase erwägenswert
(Erfolgsrate 70–80 %, hohe Rezidivrate).

Verlauf Jährliche Komplikationsrate (akute Cholezystitis, Pankreatitis, Cholangitis) bei


symptomatischen Gallensteinträgern 1–2 %, bei asymptomatischen Gallensteinträ-
gern 0,1–0,2 %. Für Letztere liegt das Gesamtrisiko, Symptome zu entwickeln, bei
20–40 %. Die Wahrscheinlichkeit wird in den ersten 10 Jahren nach Diagnosestel-
lung mit 2–4 %/Jahr, nach weiteren 10 Jahren mit 1–2 %/Jahr angegeben. Das Ope-
rationsrisiko wiegt die Wahrscheinlichkeit, Komplikationen zu entwickeln, auf. Bei
männlichen Steinträgern mit Steinen >3 cm ist das Risiko für ein Gallenblasenkar-
zinom 9- bis 10-fach erhöht, sodass eine Cholezystektomie erwägenswert ist.

Akutkomplika­ Akute Cholezystitis, Gallenblasenperforation, Gallensteinileus.


tionen
Langzeit­ Rezidivierende Cholezystitiden, rezidivierende Pankreatitiden, Gallenblasenkarzi-
komplikationen nom.

Literatur Gottschalk U, Gottschalk E, Dietrich CF. Symptomatische Choledocholithiasis in der Schwangerschaft – Ein-
satz der Sonographie, ERCP und EUS. Z Gastroenterol 2010; 49: 452–460
Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. S3-Leitlinie der Deutschen Geselllschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Be-
handlung von Gallensteinen. Z Gastroenterol 2007; 45: 971-1001 (AWMF-Register-Nr. 021/008, http://
www.dgvs.de/media/LL_Gallensteinleiden. pdf)
Neubrand MW, Sauerbruch T, Lammert F. Gallensteinerkrankungen – Update. GastroUp2Date 2009; 5:
281–301
Weismüller TJ, Lankisch TO. Gallenwegserkrankungen – neue Erkenntnisse und Entwicklungen. Dtsch Med
Wschr 2011; 136: 713–716

8.3.3 Mirizzi-Syndrom
Definition Sehr seltene Komplikation des Gallensteinleidens mit Kompression des Ductus
choledochus durch ein Konkrement im Ductus cysticus.
502  8 Gallenblase und Gallenwege

Patho­ Extraluminale Kompression des Ductus choledochus oder des Ductus hepaticus
mechanismus communis durch einen Stein im Ductus cysticus oder im Infundibulum der Gal-
lenblase.

Assoziierte Cholezystolithiasis.
Erkrankungen

Klinische Ikterus, Juckreiz, Fieber.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: intrahepatische Gallengangdilatation, normalkalibriger Ductus cho-


Diagnostik ledochus im präpapillären Abschnitt, Nachweis der Gallensteine
██ ERCP: extraluminale Einengung des Gallengangsystems im Bereich des Ductus
choledochus oder des Ductus hepaticus communis

Differenzial­ Choledocholithiasis, Gallengangtumor, andere Ursachen einer biliären Obstrukti-


diagnose on.

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie Offene Cholezystektomie: klassische Methode.


Alternativ interventionelle Platzierung einer Kunststoffprothese und laparosko-
pische Cholezystektomie: kasuistisch beschrieben.

Literatur Wehrmann T, Riphaus A, Martchenko K et al. Intraductal ultrasonography in the diagnosis of Mirizzi syn-
drome. Endoscopy 2006; 38: 717–722

8.4 Cholezystitis

Definition Entzündung der Gallenblasenwand.

Patho­ Häufigster Mechanismus: Obstruktion des Ductus cysticus durch ein Konkrement,
mechanismus das über die Stase der Galle (Lecithin wird zu Lysolecithin umgewandelt) zu ei-
ner Freisetzung bzw. Aktivierung inflammatorischer Mediatoren (Prostaglandine)
führt.

Pathologie Gallenblasenwand: Ödem, Nekrose, Perforation.

Epidemiologie Unter den Erkrankten mit assoziierter Cholezystolithiasis (90 %) häufig jüngere
Frauen, unter denen ohne Gallensteine (akalkulöse Cholezystitis, 10 %) häufig äl-
tere Männer.

Assoziierte Cholezystolithiasis (in 90 % der Fälle).


Erkrankungen

Klinische Schmerzen im rechten Oberbauch, Abwehrspannung, Fieber.


Charakteristika Persistenz der klinischen Symptomatik über 24 h (klinische Abgrenzung der bili-
ären Kolik).
8.5 Motilitätsstörungen des Ductus choledochus und des Sphinkter Oddi  503

Wegweisende
██ Sonografie: Nachweis von Gallensteinen, Sludge, einer hydropischen Gallen-
Diagnostik blase, einer Gallenblasen-Wandverschwellung (ab 5 mm), von Aerobilie sowie
des Murphy-Zeichens: Druck durch Ultraschallsonde auf die Gallenblase mit
Schmerzangabe des Patienten
██ Labor: Leukozytose, Erhöhung des C-reaktiven Proteins (CRP)

Zusatz­ CT: bei eingeschränkter Beurteilbarkeit des sonografischen Befundes und unkla-
diagnostik ren Fällen.

Differenzial­ Biliäre Kolik, akute Pankreatitis, Ulcus ventriculi/duodeni, akute Hepatitis, Leber-
diagnose abszess, Lebertumor, Pyelonephritis, Nephrolithiasis, Pneumonie, Appendizitis.

Therapie Vorgehensweise nach den Leitlinien der DGVS:


██Allgemein bzw. medikamentös:
–– Nahrungskarenz, parenterale Flüssigkeitszufuhr
–– antibiotische Therapie mit Mezlocillin oder Piperacillin, evtl. Kombination mit
Metronidazol
██Laparoskopische bzw. offene Cholezystektomie (frühelektiv, innerhalb 72 h).
██Perkutane Drainage (US-gesteuerte Platzierung): bei Patienten mit deutlich er-
höhtem Operationsrisiko.

Akut-, Langzeit­ Perforation, Hämobilie, Empyem, Leberabszess, bilioenterische Fistel.


komplikationen

Literatur Lammert F, Neubrand MW, Bittner R et al. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten. Und der Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie zur Diagnostik und Be-
handlung von Gallensteinen. Z Gastroenterol 2007; 45: 971–1001 (AWMF-Register-Nr. 021/008, http://
www.dgvs.de/media/LL_Gallensteinleiden. pdf)

8.5 M
 otilitätsstörungen des Ductus choledochus und
des Sphinkter Oddi

Definition Benigne obstruktive Funktionsstörung des Sphinkter Oddi ohne Gallengangsteine,


die dem Gallengangsystem zuzuordnende Schmerzen, Cholestase und Pankreatitis
auslösen kann.

Patho­ Der Sphinktertonus der glatten Muskulatur (Hochdruckzone über 4–10 mm) um
mechanismus Gallengang, Pankreasgang und Papille („common channel“) ist durch Entzündung,
muskuläre Hypertrophie oder Fibrose in 60 % der Fälle verändert. 40 % der Fälle
weisen eine normale Histologie auf, was auf eine Motilitätsstörung hinweist.

Epidemiologie Bei ca. 4 % der Patienten mit Cholezystolithiasis sowie bei 9–11 % der Patienten
nach Cholezystektomie wird ein abnormer Basaldruck des Sphinkters gefunden.

Klinische Symptomatik:
Charakteristika ██abdominelle Schmerzen im rechten Oberbauch oder im Epigastrium, Dauer
Minuten bis Stunden oder Dauerschmerz mit episodischen Verschlimmerun-
gen, Ausstrahlung in Schulter oder Nacken, postprandial häufig Zunahme der
Schmerzen
██Übelkeit, Erbrechen
504  8 Gallenblase und Gallenwege

Modifizierte Einteilung nach Hogan-Geenen:


Typ I: Patienten mit biliären Beschwerden sowie erhöhter AP bzw. γ-GT, dilatier-
██

tem Ductus choledochus >7 mm (>9 mm bei Zustand nach Cholezystektomie)


Typ II: Patienten mit biliären Schmerzen und 1 oder 2 der oben genannten Kri-
██

terien
Typ III: Patienten mit biliären Schmerzen ohne die oben genannten Kriterien
██

Wegweisende ██ Sonografie: Weite des Gallengangs (s. a. Pathomechanismus)


Diagnostik ██ AP und γ-GT: Nachweis der Cholestase

Zusatz­ Manometrie des Sphinkter Oddi:


diagnostik bei Typ I nicht notwendig (in 75–95 % pathologisch)
██

bei Typ II fakultativ (in 55–65 % pathologisch)


██

bei Typ III empfohlen (in 25–55 % pathologisch)


██

Endosonografie: Darstellung der Papillenstenose


██

Differenzial­ Duodenaldivertikel, Cholezystolithiasis, chronische Pankreatitis.


diagnose

Therapie ERCP:
██mit EPT: ist Standardtherapie; Erfolgsrate bei Typ I 60–100 %, bei Typ II 60–90 %,
bei Typ III 10–50 %; allerdings relativ hohe Post-ERCP-Pankreatitisrate
██mit Ballondilatation: hohe Komplikationsrate
Injektion mit Botulinumtoxin: bisher experimenteller Ansatz.
Medikamente: Nifedipin: begrenzter Nutzen; Analgetika: zur Unterstützung.

Verlauf Erfolgsrate durch ERCP/EPT und Verlauf sind von der Selektion der Patienten ab-
hängig. Bei den Typ-III-Patienten ergeben sich Überschneidungen mit funktionel-
len Abdominalbeschwerden.

Literatur Dauer M, Lammert F. Motilitätsstörungen. In: Klinische Gastroenterologie (Hrsg. Messmann H). Stuttgart,
Thieme Verlag 2012

8.6 Cholangitis

Definition Entzündung der Gallenwege, in der Regel ausgelöst durch eine bakterielle Infek-
tion.

Patho­ Ursachen: Cholangiolithiasis (ca. 50 %), benigne Strikturen (ca. 30 %), maligne
mechanismus Strikturen (ca. 10 %); diagnostische Maßnahmen wie ERCP oder PTC (ca. 5 %); PSC,
Caroli-Syndrom, Sump-Syndrom u. a. (ca. 5 %).
Erreger (häufig mehrere Keime): E. coli (60 %), Klebsiella pneumoniae (35 %),
Streptococcus faecalis (25 %), Pseudomonas (20 %); CMV (bei HIV-Infektion), Kryp-
tosporidien (bei HIV-Infektion).

Klinische Charcot-Trias (in 70 % der Fälle): Fieber bzw. Schüttelfrost, Ikterus (ca. 80 %) epigas-
Charakteristika trische oder rechtsseitige Oberbauchschmerzen.

Wegweisende ██ Labor: Leukozytose, Erhöhung des Bilirubins, der AP, der γ-GT
Diagnostik ██ Sonografie: Nachweis einer biliären Obstruktion, von Gallensteinen, von intra-
hepatischen Abszessen
8.7 Benigne Neubildungen  505

██ ERCP: makroskopische Beurteilung der Galle, Nachweis der Obstruktion (s. The-
rapie)

Zusatz­ Blutkultur: Nachweis des Bakteriums.


diagnostik

Differenzial­ Akute Cholezystitis, akute Hepatitis, AIDS-Cholangiopathie, Caroli-Syndrom.


diagnose

Therapie­ Immer.
indikation

Therapie ERCP: zur Behandlung der Obstruktion


██Papillotomie: ggf. Steinextraktion
██Lithotripsie: ggf. Einlegen einer Drainage (in der Regel Kunststoffprothese)

Antibiotika (parenteral): Mezlocillin oder Piperacillin evtl. Kombination mit Met-


ronidazol
PTC: bei Misslingen der ERCP

Therapie­ Operation: bei Hinweis auf akute Cholezystitis, bei Misslingen der interventionel-
versagen len Verfahren.

Verlauf Ungünstige prognostische Faktoren: akutes Nierenversagen, Leberabszesse, hoch


sitzende maligne Gallengangobstruktion (z. B. Klatskin-Tumor), Leberzirrhose,
Cholangitis nach PTC, Alter >50 Jahre.

Komplikationen Intrahepatische Abszesse, akutes Nierenversagen, Multiorganversagen bei Sepsis.

8.7 Benigne Neubildungen

8.7.1 Gallenblasenadenom
Definition Zunächst gutartige Neubildung des Gallenblasenepithels.

Pathologie Solitär (in zwei Drittel der Fälle), multipel (in einem Drittel der Fälle): meist 2–5
Polypen.

Epidemiologie Prävalenz: ca. 0,15 % (in operierten Gallenblasen).

Klinische In der Regel symptomlos.


Charakteristika

Wegweisende Sonografie: echoarme wandständige Formation.


Diagnostik

Differenzial­ Cholezystolithiasis, Cholesterinpolyp.


diagnose

Therapie­ Polyp >10 mm groß ist oder mit Wachstumstendenz.


indikation
506  8 Gallenblase und Gallenwege

Therapie Cholezystektomie: in der Regel laparoskopisch; bei Polypengröße >18 mm offene


Cholezystektomie, da eine maligne Transformation häufig ist.

Langzeit­ Gallenblasenkarzinom: bei 3–6 % aller Patienten mit Adenom >1 cm.
komplikationen

Literatur Kratzer W, Schmid A, Akinli AS et al. Gallenblasenpolypen: Prävalenz und Risikofaktoren. Ultraschall in Med
2010; 32: S68–S73

8.7.2 Adenomyomatose der Gallenblase


Definition Hyperplastische Veränderung der Gallenblase, die durch eine starke Proliferation
des Gallenblasenepithels mit Invaginationen in die verdickte Muscularis gekenn-
zeichnet ist.

Epidemiologie Prävalenz: ca. 1 % (Autopsiestudie); Frauen häufiger betroffen (3:1).

Assoziierte Cholezystolithiasis (in ca. 50 % der Fälle).


Erkrankungen

Klinische In der Regel symptomlos.


Charakteristika

Wegweisende Sonografie: diffuse oder segmentale Gallenblasen-Wandverdickung, Nachweis


Diagnostik von intramuralen Divertikeln. Häufig wird die Diagnose jedoch erst intraoperativ
gestellt.

Therapie In der Regel ist keine Therapie erforderlich. Bei gleichzeitiger Cholezystolithiasis
Indikation zur laparoskopischen Cholezystektomie.

8.7.3 Cholesterinpolypen
Zufallsbefund bei Sonografie (echoreiche wandständige Formationen) oder im
Operationspräparat nach Cholezystektomie; insgesamt ohne weitere klinische Be-
deutung. Es kommt zur Infiltration der Lamina propria mit Lipid speichernden Ma-
krophagen, Größe meist <10 mm. In 20 % der Fälle solitär auftretend, bei 60 % der
Gallenblasenpolypen.

8.7.4 Gallengangpapillomatose
Sehr seltene angeborene Erkrankung, die durch multiple Wucherungen von intra-
luminalen Papillomen in den intra- und extrahepatischen Gallengängen charakte-
risiert ist. Klinisch kommt es zu Hepatomegalie und Ikterus, die Diagnosestellung
erfolgt über Sonografie, ERCP und Cholangioskopie (Histologie). Die relativ hohe
Entartungsrate der Papillome schränkt die Prognose erheblich ein. In Einzelfällen
wurden erfolgreiche Lebertransplantationen beschrieben.
8.8 Gallenblasenkarzinom  507

8.7.5 Papillenadenom
Benigne Gallengangstumoren sind selten. Die Diagnostik umfasst die Histologie
(Abgrenzung zum Papillenkarzinom), die ERC, Cholangioskopie und der intraduk-
tale Ultraschall. Als Therapie kommen die endoskopische Papillektomie oder die
Operation infrage.

8.8 Gallenblasenkarzinom

Definition Bösartiger Tumor, der von der Gallenblasenwand ausgeht.

Pathologie Histopathologische Klassifizierung: Die Karzinome der Gallenblase und der ex-
trahepatischen Gallengänge können unterteilt werden: Carcinoma in situ, Ade-
nokarzinom (80 %), papilläres Adenokarzinom (5 %), Adenokarzinom, intestinaler
Typ, Siegelringzellkarzinom, muzinöses Adenokarzinom (5 %), Klarzelladenokarzi-
nom, adenosquamöses Karzinom, Plattenepithelkarzinom, kleinzelliges Karzinom
(Haferzellkarzinom), undifferenziertes Karzinom (10 %).
TNM-Klassifikation (7. Auflage, UICC 2009, mod. 2011) (Tab. 8.3, Tab. 8.4).

Genetik K-ras-Mutationen in 39–59 % und Abnormalitäten des Tumorsuppressorgens p53


in 35–92 % nachgewiesen.

Epidemiologie Prävalenz: 0,5 % (in Autopsiestudien); Risiko für Männer mit Gallenblasensteinen
>3 cm 9- bis 10-fach erhöht; Altersgipfel in 7. Lebensdekade. In Deutschland er-
kranken jährlich ca. 4200 Frauen und 1800 Männer an Gallenblasen- oder extrahe-
patischen Gallengangskarzinomen. 70 % davon sind Gallenblasenkarzinome.

Assoziierte Risikofaktoren: Cholezystolithiasis (in 80 % der Fälle, v. a. bei Steinen >3 cm), Por-
Erkrankungen zellangallenblase (Karzinomrisiko 20–60 %), Gallenblasenpolypen (>10 mm), seg-
mentale Adenomyomatose der Gallenblase, Salmonellen-Dauerausscheidung, Po-
lyposis coli, chronisch-entzündliche Darmerkrankung.

Tab. 8.3 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation des
T1a Tumor infiltriert Mukosa
Gallenblasen­
karzinoms. T1b Tumor infiltriert Muskulatur

T2 Tumor infiltriert perimuskuläres Bindegewebe

T3 Tumor perforiert Serosa (viszerales Peritoneum) und/oder infiltriert direkt die


Leber und/oder ein(e) Nachbarorgan/-struktur, z. B. Magen, Duodenum, Kolon,
Pankreas, Netz, extrahepatische Gallengänge

T4 Tumor infiltriert Stamm der V. portae oder A. hepatica oder infiltriert 2 oder
mehr Nachbarorgane/-strukturen

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen
508  8 Gallenblase und Gallenwege

Tab. 8.4 Stadien­ Stadium TNM


gruppierung.
Stadium I T1 N0 M0

Stadium II T2 N0 M0

Stadium IIIA T3 N0 M0

Stadium IIIB T1–3 N1 M0

Stadium IVA T4 Jedes N M0

Stadium IVB Jedes T Jedes N M1

Klinische Spätzeichen: Oberbauchschmerzen, Ikterus, Pruritus, Gewichtsverlust.


Charakteristika

Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis einer tumorösen Verdickung der Gallenblasenwand, eines


Diagnostik infiltrativen Wachstums (in die Leber), von Gallenblasensteinen (in 80 % der Fäl-
le). Kontrastmittel-Sonografie
██ US-gesteuerte Feinnadelaspirationszytologie
██ CT bzw. MRT

Zusatz­ ERC/PTC: bei Ikterus, Nachweis einer Stenose des Ductus hepaticus communis
diagnostik

Therapie Operative Resektion: bei resektablem Tumor (potenziell resektabel 15–30 %).
ERC: mit Papillotomie und Platzierung einer Kunststoffprothese/Metallstents, bei
Ikterus und Aufstau der Gallenwege. Bei Misslingen PTCD.
Chemotherapie: keine adjuvante Chemo- oder Radiotherapie etabliert. Palliative
Therapieschemata (s. Kap. 8.9, Cholangiozelluläres Karzinom).

Verlauf Schlechte Prognose, 5-Jahres-Überlebensrate im Stadium T1 60–80 %, im Stadium


T2 20–30 %, <10 % in den Stadien T3 und T4.

Langzeit­ Tumorkachexie, Leberversagen.


komplikationen

Literatur Schilling MK, Lammert F. Maligne Gallenwegstumoren (Cholangiokarzinome). In: Klinische Gastroenterolo-
gie (Hrsg. Messmann H). Stuttgart, Thieme Verlag 2012
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallengangskarzinome. GastroUp2Date
2008; 4: 171–192

8.9 Cholangiozelluläres Karzinom

Definition Karzinom, das vom Gallengangepithel ausgeht.


Klassifikation:
██intrahepatisch: von intrahepatischen Gallengängen ausgehend
██extrahepatisch proximal: hiläres Gallengangkarzinom (Hepatikusgabeltumor =
Klatskin-Tumor)
██extrahepatisch distal

Klassifikation des Klatskin-Tumors nach Bismuth-Corlette (Tab. 8.5).


8.9 Cholangiozelluläres Karzinom  509

Pathologie TNM-Klassifikation (7. Auflage, UICC 2009, mod. 2011) (Primärtumor: intrahepati-
sche Gallengänge Tab. 8.6, Tab. 8.7; Primärtumor: proximale Gallengänge Tab. 8.8,
Tab. 8.9; Primärtumor: distale extrahepatische Gallengänge Tab. 8.10, Tab. 8.11).

Genetik Überexpression von erbB2-Onkogen (bei ca. 70 % der Tumoren nachweisbar), Mu-
tation von K-ras-Onkogen (bei ca. 50 % der Tumoren), Expression des Myc-Gens
(annähernd 100 %), Expression des p53-Gens (50–80 % der Tumoren); insgesamt
ähnliche Befunde beim Pankreaskarzinom.

Epidemiologie In der Regel nach dem 60. Lebensjahr auftretend; Männer häufiger betroffen.

Tab. 8.5 Typ Charakteristika


Klassifikation des
Typ I Ductus hepaticus communis betreffend, Kommunikation zwischen beiden Duc­
Klatskin-Tumors
tus hepatici vorhanden
(nach Bismuth-
Corlette). Typ II Wachstum bis in die Hepatikusgabel

Typ IIIA Infitrierendes Wachstum in den rechten Hepatikusast

Typ IIIB Infitrierendes Wachstum in den linken Hepatikusast

Typ IV Infiltrierendes Wachstum in beide Ductus hepatici mit Vorwachsen in die Seg­
mentgallengänge

Tab. 8.6 TNM Charakteristika


TNM-Klassifi­
T1 Solitär, ohne Gefäßinvasion
kation des CCC
(intrahepatische T2a Solitär, mit Gefäßinvasion
Gallengänge).
T2b Multipel

T3 Perforation des viszeralen Peritoneums oder extrahepatischer Nachbar­


strukturen

T4 Periduktale Invasion

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 8.7 Stadium TNM


Stadien­
Stadium I T1 N0 M0
gruppierung.
Stadium II T2 N0 M0

Stadium III T3 N0 M0

Stadium IVA T4 N0 M0
Jedes T N1 M0

Stadium IVB Jedes N M1


510  8 Gallenblase und Gallenwege

Tab. 8.8 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation des
T1 Tumor auf Gallengang beschränkt
CCC (proximale
Gallengänge). T2a Tumor durchbricht den Gallengang

T2b Tumor infiltriert benachbartes Lebergewebe

T3 Tumor infiltriert unilaterale Äste der V. portae oder der A. hepatica propria

T4 Tumor infiltriert Hauptstamm der V. portae oder bilaterale Äste, A. hepatica


communis, bilaterale Gallengänge 2. Ordnung oder unilaterale Gallengänge 2.
Ordnung mit Befall von kontralateralen Ästen der V. portae

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 8.9 Stadien­ Stadium TNM


gruppierung.
Stadium I T1 N0 M0

Stadium II T2a–b N0 M0

Stadium IIIA T3 N0 M0

Stadium IIIB T1–3 N1 M0

Stadium IVA T4 Jedes N M0

Stadium IVB Jedes T Jedes N M1

Tab. 8.10 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation
T1 Tumor auf Gallengang beschränkt
des CCC (distale
extra­hepatische T2a Tumor durchbricht den Gallengang
Gallengänge).
T2b Tumor infiltriert benachbartes Lebergewebe

T3 Tumor infiltriert benachbarte Organe

T4 Tumor infiltriert Truncus coeliacus oder A. mesenterica superior

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen
8.9 Cholangiozelluläres Karzinom  511

Tab. 8.11 Stadium TNM


Stadien­
Stadium IA T1 N0 M0
gruppierung.
Stadium IB T2 N0 M0

Stadium IIA T3 N0 M0

Stadium IIB T1–3 N1 M0

Stadium III T4 Jedes N M0

Stadium IV Jedes T Jedes N M1

Erkrankungen Primär sklerosierende Cholangitis, Cholezystolithiasis (etwas häufiger), Choledo-


mit erhöhtem chuszysten, Caroli-Syndrom, Askariasis, Clonorchiasis, Colitis ulcerosa, Morbus
Risiko Crohn, Thorotrast-Gabe.

Klinische ██ Generell: Ikterus, Juckreiz, Gewichtsabnahme


Charakteristika ██ Courvoisier-Zeichen: hydropische, daher palpable, schmerzlose Gallenblase mit
Ikterus; bei distalen Tumoren

Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis der biliären Obstruktion. Darstellung des Tumors mit KM-
Diagnostik Sonografie
██ ERC mit EPT: mit Möglichkeiten der Diagnostik (Bürstenzytologie, Sensitivität
40–70 %) und Therapie (Einlegen von Stents), bei Misslingen perkutane transhe-
patische Cholangiografie (PTC)
██ Labor: deutliche AP-Erhöhung, Erhöhung von CA19-9 (in ca. 60 %)
██ CT, MRT, MRC
██ Endosonografie: bei Tumoren des mittleren und distalen Ductus hepatochole-
dochus, exaktes Staging möglich

Zusatz­ ██ Cholangioskopie
diagnostik ██ Intraduktaler Ultraschall
██ Staging-Laparoskopie

Therapie Kurativ:
██Operation: nur in 25 % der Fälle resektabler Befund, Operationstechnik von Lo-
kalisation des Tumors abhängig (proximal: Leberteilresektion, distal: Whipple-
Operation)
██Lebertransplantation: nur bei proximalen Tumoren, sehr enge Indikation

Palliativ:
██Platzierung von Kunststoff- oder Metallstents über ERC oder PTC
██Chemotherapie: Ansprechraten niedrig (20–35 %), bisher keine etablierte Thera-
pie, Versuch mit Capecitabin oder Gemcitabine (Gemzar). Kombination Cisplatin/
Gemcitabine effektiver als Monotherapie.
██Photodynamische Therapie: in einzelnen Studien als Erfolg versprechende pallia-
tive Therapie, Zugang über ERC
██Transarterielle Chemoembolisation (TACE)
██Radiofrequenzablation (RFA)

Abb. 8.1 zeigt die differenzialdiagnostische Vorgehensweise beim cholangiozellu-


lären Karzinom.
512  8 Gallenblase und Gallenwege

Abb. 8.1 Algo­


rithmus zum Gallengangkarzinom
Vorgehen beim
cholangiozellu­
lären Karzinom
(Quelle: Kolligs et Gallengänge erweitert?
al. 2008).

ja nein

Cholangitis?

ja nein

ERCP / PTC / Stent M0?

ja nein

Resektabilität?

ja nein

Gallenwegsobstruktion?

ja nein

Chirurgie palliatives Stenting ± klinische Studien


photodynamische Therapie oder individuelle
(biliodigestive Anastomose) Therapie
8.10 Papillenkarzinom  513

Verlauf Nach kurativer Resektion liegen die 5-Jahres-Überlebensrate beim intrahepati-


schen Cholangiokarzinom bei 27–44 %, beim hilären Gallengangskarzinom bei 27–
52 % und beim distalen Choledochuskarzinom bei 30 % (N1) und 80 % (N0). Beim
Klatskin-Tumor liegt das mediane Überleben in der Palliativsituation zwischen 5
und 16 Monaten.

Literatur Gerhardt T, Rings D, Höblinger A et al. Combination of bilateral metal stenting and trans-stent photodyna-
mic therapy for palliative treatment of hilar cholangiocarcinoma. Z Gastroenterol 2009; 48: 28–32
Klebl F, Endlicher E, Kullmann F. Palliative Therapie von Gallengangs- und Gallenblasenkarzinomen. Z Gast-
roenterol 2006; 44: 587–598
Kolligs FT, Zech CJ, Schönberg SO et al. Interdisziplinäre Diagnostik und Therapie von Gallengangskarzino-
men. Z Gastroenterol 2008; 46: 58–68
Valle J, Wasan H, Palmer DH et al. Cisplatin plus gemcitabine versus gemcitabine for biliary tract cancer. N
Engl J Med 2010; 362: 1273–1281
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallenwegskarzinome. Gastro Up2Date
2008; 4: 171–190

8.10 Papillenkarzinom

Definition Bösartiger Tumor, von der Papilla Vateri ausgehend.

Pathologie Das Papillenkarzinom entwickelt sich häufig aus einem tubulovillösen oder villö-
sen Adenom.
TNM-Klassifikation (7. Auflage UICC 2009) (Tab. 8.12, Tab. 8.13).

Tab. 8.12 TNM- TNM Charakteristika


Klassifikation
T1 Tumor begrenzt auf die Ampulla Vateri oder den Sphinkter Oddi
des Pupillen­
karzinoms. T2 Tumor infiltriert in die Duodenalwand

T3 Tumor infiltriert in das Pankreas

T4 Tumor infiltriert in peripankreatisches Weichteilgewebe und/oder andere


Nachbarorgane/-strukturen

N0 Keine regionären Lymphknotenmetastasen

N1 Regionäre Lymphknotenmetastasen

M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 8.13 Stadium TNM


Stadien­
Stadium IA T1 N0 M0
gruppierung.
Stadium IB T2 N0 M0

Stadium IIA T3 N0 M0

Stadium IIB T1–3 N1 M0

Stadium III T4 Jedes N M0

Stadium IV Jedes T Jedes N M1


514  8 Gallenblase und Gallenwege

Assoziierte Familiäre adenomatöse Polyposis (Risiko erhöht, unabhängig von Kolektomie).


Erkrankungen
Klinische Ikterus (tritt relativ früh auf), Pruritus, Meläna (seltener).
Charakteristika
Wegweisende ██ Sonografie: Nachweis des dilatierten Ductus choledochus, häufig hydropische
Diagnostik Gallenblase
██ ERCP: sorgfältige Inspektion der periampullären Region und Biopsie, v. a. nach
Papillotomie
██ Endosonografie: Darstellung des Tumors und exaktes Staging möglich, präope-
rativ

Zusatz­ ██ CT, MRT: Tumor meist erst im fortgeschrittenen Stadium darstellbar


diagnostik ██ Labor: Erhöhung von AP und Bilirubin

Therapie Kurativer Ansatz (bei 75 % der Patienten):


██partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple (Letalität: 4–10 %)
██pyloruserhaltende partielle Duodenopankreatektomie nach Whipple
Palliativer Ansatz:
██operative endoskopische Papillektomie/Ampullektomie (ist kurativ beim villö-
sen Adenom)
██kein etablierter Ansatz mit Radio- oder Chemotherapie

Verlauf Relativ gute Überlebenszeit, 5-Jahres-Überlebensrate 30 % (bei pN1) und 80 %


(pN0).

Literatur Jurowich C, Meyer W, Reichel M et al. Papillenkarzinom – Prognosefaktoren und Rückschlüsse zur angepass-
ten Therapie. Viszeralchirurgie 2001; 36: 29–33
Treitschke F, Beger HG, Meessen D et al. Gutartige Tumoren der Papilla Vateri. DMW 2000; 125: 1030–1034
Wiedmann MW, Mössner J. Aktuelle Diagnostik und Therapie der Gallengangskarzinome. GastroUp2Date
2008; 4: 171–192
515

9 Neuroendokrine Tumoren (NET)


des ­Gastrointestinaltrakts
H. Koop

9.1 Allgemeine Prinzipien

Definition Neuroendokrine Tumoren sind endokrine Tumoren epithelialen Ursprungs, ent-


weder vom diffusen endokrinen System des Gastrointestinaltrakts oder von den
Langerhans-Inseln ausgehend; selten auch neurale Tumoren (Paragangliome). Me-
tastasierende Tumoren werden als neuroendokrine Karzinome bezeichnet. Neuro-
endokrine Tumoren können funktionell aktiv (s. entsprechende Krankheitsbilder)
oder inaktiv (s. Kap. 9.2, Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren) sein.
Begriffe wie Karzinoid, GEP-Tumoren, APUDom und Inselzelltumor sollten nicht
mehr angewandt werden.

Patho­ Die Pathophysiologie der Entwicklung neuroendokriner Tumoren ist weitgehend


mechanismus unbekannt – außer bei MEN-1-Syndromen (multipler endokriner Neoplasie): Mu-
tationen auf Chromosom 11 (Menin-Gen, vermutlich Tumorsuppressorgen), auto-
somal-dominant vererbte Erkrankung.

Pathologie In der Mehrzahl langsam wachsende Tumoren, wechselndes Metastasierungsver-


halten (s. einzelne Tumoren).
Mikroskopisch weisen Tumorzellen Marker neuroendokriner Differenzierung auf,
die immunhistologisch nachweisbar sind: Synaptophysin, neuronspezifische Eno-
lase (NSE), Chromogranin A; zusätzlich häufig spezifische Hormone (Insulin, Gast-
rin), biogene Amine (Serotonin) oder Neurotransmitter (VIP etc.).
Dignität histologisch nicht immer zweifelsfrei zu klären, wenn Metastasen fehlen;
Kriterien für Unterscheidung benigne/maligne sind Größe, Mitoserate, Gefäßinva-
sion, Differenzierungsgrad, Lokalisation.
Vorschlag für TNM-Klassifikation wurde von Europäischer Konsensuskonferenz
publiziert (Rindi et al. 2006, 2007) und bis auf wenige Änderungen von der WHO
übernommen (Wittekind u. Meyer, 2010) (Tab. 9.1, Tab. 9.2, Tab. 9.3, Tab. 9.4).

Genetik Multiple endokrine Neoplasie Typ I: viele Mutationen auf Menin-Gen (langer Arm
des Chromosoms 11q11–q13) beschrieben, bisher keine Genotyp-Phänotyp-Kor-
relation nachweisbar.
Typ II: Defekt im RET-Protoonkogen auf Chromosom 10 (RET-Exon 10, 11 oder 13
bei Typ IIa bzw. Exon 16 in Typ IIb). Genetischer Test heute verfügbar, bei MEN-
2 entscheidend (dadurch Identifizierung gefährdeter Personen für medulläres
Schilddrüsenkarzinom).

Epidemiologie Insgesamt selten, Inzidenz ca. 5 Fälle, Prävalenz ca. 30 Fälle pro 100 000 Einwohner.
Prävalenz MEN-Typ 1 ca. 2 pro 100 000 Einwohner.

Assoziierte MEN-1: Hyperparathyreoidismus (90 %), Hypophysen-Vorderlappentumoren


Erkrankungen (30 %) und Inselzelltumoren (40–50 %).
516  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

MEN-2a: medulläres Schilddrüsenkarzinom (C-Zell-Karzinom; 90 %), Phäochromo-


zytom (50 %), Hyperparathyreoidismus bei Hyperplasie aller Nebenschilddrüsen
(ca. 15 %).
MEN-2b (ähnlich MEN-2a): medulläres Schilddrüsenkarzinom, Phäochromozy-
tom, intestinale Neurinome und Ganglioneurome, aber kein Hyperparathyreoidis-
mus.

Klinische Siehe einzelne Tumoren.


Charakteristika

Tab. 9.1 Stadium Charakteristika


TNM-Klassifika­
Primärtumor: Magen
tion nach ENETS
und WHO 2010. Tis <0,5 cm, In-situ-Tumor/Dysplasie, auf Mukosa beschränkt

T1 <1 cm, Tumor auf Mukosa und Submukosa beschränkt

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria oder >1 cm

T3 Tumor infiltriert die Muscularis propria oder >1 cm

T4 Tumor perforiert Serosa, benachbarte Strukturen

Primärtumor: Duodenum/Ampulle/Jejunum/Ileum

T1 <1 cm, Tumor auf Mukosa und Submukosa beschränkt

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria oder >1 cm

T3 Jejunum und Ileum: Tumor infiltiert Subserosa


Duodenum oder Ampulle: Tumor infiltriert Pankreas oder Retroperitoneum

T4 Tumor perforiert viszerales Peritoneum oder infiltriert andere Organe oder


benachbarte Strukturen

Primärtumor: Kolon und Rektum

T1 Tumor auf Mukosa und Submukosa beschränkt, <2 cm in größter Ausdehnung

T1a <1 cm

T1b 1–2 cm

T2 Tumor infiltriert die Muscularis propria oder >2 cm

T3 Tumor infiltriert Subserosa oder nicht peritonealisiertes perikolisches /perirek­


tales Bindegewebe

T4 Tumor perforiert Peritoneum (Serosa) oder infiltriert andere Organe

Für jedes T ist bei multiplen Tumoren „m“ hinzuzufügen. T0 = kein Anhalt für Primärtumor; Tx =
Primärtumor kann nicht beurteilt werden.

Tab. 9.2 Lymph­ Stadium Charakteristika


knotenstatus.
Nx Keine Beurteilung des Lymphknotenbefalls möglich

N0 Keine regionären Lymphknoten befallen

N1 Regionäre Lymphknoten befallen


9.1 Allgemeine Prinzipien  517

Tab. 9.3 Fern­ Stadium Charakteristika


metastasen.
M0 Keine Fernmetastasen

M1 Fernmetastasen

Tab. 9.4 Grading. Stadium Mitosezahl (pro 10 HPF)1 Ki-67-Index (%)

G1 <2 ≤2

G2 2–20 2–20

G3 >20 >20
1 10HPF : high power field = 2 mm2, wenigstens 40 Felder (bei 40-facher Vergrößerung ausge­
wertet in der Region höchster Mitosedichte
2 MIB1-Antikörper; % von 2000 Tumorzellen in der Region höchster Kernfärbung

Diagnostisches ██ DOTATATE/DOTATOC-PET-CT: Kombination von Positronenemissionstomografie


Repertoire (PET) mit 68Gallium-markiertem DOTATATE bzw. DOTATOC (DOTA ist Chelat-
bildner, TATE und TOC sind Somatostatinanaloga ähnlich dem Octreotid) und
Computertomografie. Hohe Aussagekraft, allen anderen Verfahren überlegen,
insbesondere zur Detektion ansonsten nicht darstellbarer Metastasen (90 % der
neuroendokrinen Tumoren besitzen Somatostatin-Rezeptoren); zum Staging
von laborchemisch (Hormonbestimmung) oder histologisch gesicherten neu-
roendokrinen Tumoren Methode der Wahl; hat Somatostatin-Szintigrafie (Oc-
treoscan) vielerorts abgelöst. Ausnahme: Verfahren bei Insulinomen wenig ver-
lässlich.
██ Sonografie (ggf. mit Feinnadelpunktion): hohe Verfügbarkeit, aber bei geringer
Tumorgröße oft nicht zuverlässig (Sensitivität 15–30 %), anderen bildgebenden
Verfahren unterlegen, aber Ultraschall-gestützte Punktion wichtigste Methode
zur Gewebsgewinnung bei metastasierenden Tumoren
██ CT: insbesondere mit Kontrastmittel höhere Aussagekraft als Sonografie; Sensi-
tivität 30–60 %; sollte heute wenn möglich in Kombination mit DOTATATE-PET
erfolgen
██ Endosonografie (ggf. mit Punktion): in geübten Händen hohe Aussagekraft
(Sensitivität bis 85 %), z. B. bei Lokalisation von Gastrinomen in Duodenalwand
██ intraoperative Tumorsuche: digital, ggf. unterstützt durch intraoperative Sono-
grafie bei endokrin aktiven Pankreastumoren ohne Darstellung in Somatostatin-
Szintigrafie/DOTATATE-PET (bei Insulinomen)

Zusätzliche 18F-Desoxyglukose-PET-CT: gelegentlich sinnvoller Einsatz bei rasch proliferieren-


Diagnostik den, niedrig differenzierten neuroendokrinen Karzinomen, die meist keine Soma-
tostatin-Rezeptoren besitzen
██selektive Blutentnahmen im Pfortaderstromgebiet: invasiv, aufwendig sowie
komplikationsträchtig; selten durchgeführt
██Angiografie: vor (Chemo-)Embolisation, ansonsten selten
██Endoskopie: nur für Tumoren in Duodenalwand (Gastrinome) oder im Kolon,
aber Endosonografie unterlegen

Therapie­ Grundsatz: Therapie richtet sich v. a. nach spontanem Wachstumsverhalten der


indikation Tumoren: je langsamer das Tumorwachstum, umso zurückhaltender die Therapie
(viele neuroendokrine Tumoren (auch Karzinome) haben 5-Jahres-Überlebenszei-
ten >50 %!). Daher häufig zunächst Wachstumsverhalten im Verlauf beobachten
518  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

und Therapie erst bei nachgewiesener Progression erwägen. Histologisches Gra-


ding (s. o.) reflektiert Wachstumsverhalten.
Niedrig differenzierte neuroendokrine Karzinome zeigen dagegen rasch progre-
diente Wachstumskinetik.
Individuelle interdisziplinäre Behandlungskonzepte in entsprechend erfahrenen
Zentren, die über das diagnostische und therapeutische Repertoire verfügen.

Chirurgische Kurative Resektion: immer anzustreben bei lokalisierter Tumorausdehnung (pri-


Therapie mär keine Metastasen) mit Entfernung regionärer Lymphknoten; singuläre (Le-
ber-)Metastasen ggf. mitresezieren.
Tumorverkleinerung („debulking“): bei ausgedehnten metastasierenden Tumoren
ggf. sinnvoll, ggf. auch mit Resektion oder Reduktion großer Metastasen (insbeson-
dere wenn diese Beschwerden verursachen). Keine (neo)adjuvanten Verfahren be-
kannt.
Lebertransplantation: nur in Ausnahmefällen (bei ausschließlicher Lebermetas-
tasierung).

Interventionelle Transarterielle Embolisation (TAE) bzw. Chemoembolisation (TACE): bei zahlrei-


Therapie chen Lebermetastasen; Nekrose durch Ischämie, wirkt antiproliferativ und (bei
(an Zentren) Hormonproduktion des Tumors) auch auf Symptome. Wiederholter Einsatz mög-
lich. Kontraindikation: Pfortaderverschluss.
Radiofrequenzablation: Ablation von einzelnen Lebermetastasen durch Hyper-
thermie. Anwendung perkutan, intraoperativ und laparoskopisch.

Medikamentöse Langwirkende Somatostatinanaloga (Octreotid, Lanreotid):


Therapie ██hemmen dauerhaft Hormonsekretion, aber mit in ca. einem Drittel der Fälle be-
grenztem antiproliferativem Effekt (Vollremission selten). 80–90 % der neuroen-
dokrinen Tumoren haben Somatostatin-Rezeptoren (auch diagnostisch genutzt
bei nuklearmedizinischer Diagnostik, s. o.).
██Dosierung: Octreotid: 3-mal 100–200 μg/Tag s. c.; Octreotid LAR (long acting re-
lease): 10–30 mg i. m. oder s. c. alle 4 Wochen; Lanreotid LAR: alle 2 Wochen
██Wirksamkeit bei Tumoren in Magen, Duodenum und Pankreas (forgut) eher
schwächer als bei Ileum-/Appendix-/Zökumtumoren (midgut)
██Nebenwirkungen: Flatulenz, Diarrhöen, Steatorrhö (Besserung durch Pankrea-
senzympräparate), Hyperglykämie, Cholezystolithiasis (teils im Verlauf sympto-
matisch!); insgesamt aber wenig Nebenwirkungen; oft Dosissteigerung im Ver-
lauf notwendig; Effekt zeitlich limitiert

Alpha-Interferon:
██hemmt Hormonsekretion und Wachstum neuroendokriner Tumoren in 30–40 %;
Dosierung: 3-mal 3–5 Mio. E/Woche s. c. Kaum Daten für pegylierte Interferone.
„Off-label use“!
██Nebenwirkungen: initial grippeähnliche Symptome, Diarrhö, Übelkeit, Fieber,
Kopf- und abdominelle Schmerzen (durch 0,5–1 g Paracetamol deutlich zu redu-
zieren); im weiteren Verlauf Müdigkeit, Gewichtsverlust, Thrombo- und Leuko-
penie, Autoimmunerkrankungen, Depressionen; häufig Therapieabbruch wegen
Nebenwirkungen, daher geringere Bedeutung

Kombination aus beiden Substanzen: zusätzliche Gabe von Interferon bei The-
rapieversagen von Somatostatin-Analoga in einigen Fällen wirksam, Wirksamkeit
aber nicht gesichert. „Off-label-use“!
9.2 Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren  519

Tyrosinkinaseinhibitor Sunitinib:
██Dosierung 37,5 mg/Tag; nur für metastasierende, pankreatische neuroendokrine
Tumoren zugelassen.
██Nebenwirkungen: Diarrhö, Übelkeit, Hämorrhagien und Blutungen, Hypertonie,
Leuko- und Thrombopenie u. a.

mTOR-Inhibitor Everolimus:
Dosierung 10 mg/Tag; nur für metastasierende, pankreatische neuroendokrinen
██

Tumoren zugelassen.
Nebenwirkungen: Hautausschlag, Stomatitis, Aphthen, Ödemneigung, Diarrhö,
██

Übelkeit u. a.

Systemische Chemotherapie: nur bei vom endokrinen Pankreas ausgehenden Tu-


moren oder bei schnell wachsenden kleinzelligen Tumoren; insgesamt ist große
Zurückhaltung mit systemischer Chemotherapie angezeigt!
██neuroendokrine Karzinome des Pankreas: Chemotherapie mit Streptozotocin
plus 5-Fluoruracil oder Streptozotocin plus Doxorubicin; Therapie unwirksam
bei Tumoren ausgehend von Magen, Dünndarm und Kolon
██aggressiv wachsende neuroendokrine Karzinome (analog Bronchialkarzinom):
Chemotherapie mit Cisplatin und Etoposid

Nuklear­ Radionuklidtherapie als peptidrezeptorvermittelte Radiotherapie (PRRT): lokale


medizinische Strahlenapplikation mittels mit 90Yttrium oder 177Lutetium markierten Somato-
Therapie statin-Analoga DOTATATE oder DOTATOC, die an Somatostatinrezeptor SSTR-Sub-
(an wenigen typ 2 binden; 90Y und 177Lu sind β-Strahler. Beschränkte Erfahrung (wenige Zen-
Zentren tren), Ansprechen bei guter Anreicherung des Tumors im DOTATATE-PET in über
verfügbar) 50 %. Toxizität akzeptabel.

Literatur Auernhammer CJ et al. Medikamentöse Therapie bei metastasierenden neuroendokrinen Tumoren des gast-
roenteropankreatischen Systems. Internist 2012; 53: 167–176
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LAR in the control of tumor growth in patients with metastatic neuroendocrine midgut tumors: A report
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9.2 Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren

Definition Endokrin nicht aktive Tumoren mit allen Charakteristika neuroendokriner Zellen;
teils Auftreten im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN); häufigste
Variante neuroendokriner Tumoren.
520  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

Patho­ Allgemein: Entstehung aus neuroendokrinen Zellen des Gastrointestinaltraktes


mechanismus bzw. Langerhans-Inseln. Mechanismus der Tumorentstehung nicht bekannt außer
bei Auftreten im Rahmen einer MEN (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
Besonderheiten: Im Magen werden unterschiedliche Typen neuroendokriner Neo-
plasien unterschieden (Tabelle): Typ 1 und 2 (ECL-Zellkarzinoide des Magens): durch
Hypergastrinämie induziert, nur bei chronisch atrophischer Gastritis Typ A (perni-
ziöse Anämie) oder bei MEN-Typ 1 vorkommend; Normalisierung des Serumgas-
trins (z. B. nach Antrektomie bei Perniziosa) führt zur Tumorregression. Dagegen
neuroendokrines Karzinom des Magens (Typ 4): ausgehend von EC-, X-Zellen, gast-
rinunabhängiger Tumor; Entstehung unbekannt; aggressives Tumorwachstum.
Einteilung der neuroendokrinen Tumoren (NET) bzw. Karzinome (NEC) des Ma-
gens (modifiziert nach Pape et al. 2011) (Tab. 9.5).

Pathologie Tumoren unterschiedlicher Größe, außerhalb des Magens häufig Metastasen


(>80 %), endokrine Marker positiv (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
NET Typ 1 des Magens: oft multiplel, kleine Knötchen in der Fundus- bzw. Korpus-
schleimhaut. Metastasierung selten (2 % bei Tumorgröße bis 2 cm). Von ECL-Zellen
ausgehend.

Genetik Zum MEN-Syndrom Tab. 9.5 und Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien.

Assoziierte NET Typ 1: chronisch atrophische Gastritis Typ A, Gastrinom bei MEN-Typ 1.
Erkrankungen
Klinische ██ abhängig von Lokalisation und Größe; kleine Tumoren: meist klinisch stumm;
Charakteristika Pankreaskopf: Ikterus; Dünndarm: mechanischer Ileus

Tab. 9.5 Merkmale Typ 1 Typ 2 Typ 3 Typ 4


Ein­teilung der
Anteil an 70–80 % 5–6 % 10–20 % <5 %
neuroendokrinen
­gastralen NET
Tumoren (NET)
bzw. Karzinome Tumorcharak­ Meist klein Meist klein und Solitär, oft groß Solitär, oft groß
(NEC) des teristika (<1-2 cm), in multipel, poly­ (>2 cm) und (>2 cm) und
Magens (modifi­ 65 % multipel, poid gelegentlich gelegentlich
ziert nach Pape et in 78 % poly­ ulzeriert ulzeriert
al 2011). poid

Assoziation Chronisch Gastrinom/ Keine Keine


atrophische Zollinger-Elli­
Gastritis son-Syndrom
bei MEN-1

Pathologie G1/G2-NET G1/G2-NET Meist G2-NET G3-NEC

Gastrin im ↑↑ ↑↑ Normal Normal


Serum

Intragastrale Achlorhydrie Säurehyperse­ Normal Normal


Azidität kretion

Metastasen 2–5 % 5–15 % 30–80 % 50–100 %

Tumorassozi­ 0% <10 % 25–30 % 60–95 %


ierte Todes­
fälle
9.2 Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren  521

██ ansonsten unspezifische Symptome bei großen Tumoren und/oder organüber-


schreitendem Wachstum: abdominelles Druckgefühl oder dumpfer Schmerz,
Gewichtsverlust, Leistungsknick, Anorexie
██ typisch ist Diskrepanz zwischen relativ geringer Beschwerdesymptomatik bzw.
noch gutem Allgemeinzustand und fortgeschrittenerem Tumorstadium!
██ NET Typ 1/2: meist symptomlos, zufällige Diagnose bei Endoskopie. Klinisch do-
minieren Zollinger-Ellison-Syndrom mit MEN (s. dort) oder Zeichen der Vita-
min-B12-Resorptionstörung (bei atrophischer Gastritis)

Differenzial­ ██ Magen: Drüsenkörperzysten, hyperplasiogene Polypen, submuköse (Stroma-)


diagnose Tumoren, Magenfrühkarzinom
██ Pankreas: Pankreaskarzinom, gutartige Tumoren (meist zystisch)
██ Dünndarm bzw. Kolon: Karzinome, Adenome, Hamartome

Wegweisende Je nach Organzugehörigkeit: Sonografie (ggf. mit Feinnadelpunktion), CT, Endo-


Diagnostik skopie; bei NET Typ 1/2: Endoskopie und (Knopfloch-/Schlingen-)Biopsie, Gastrin-
bestimmung.

Zusatz­ Ggf. Staging zur Evaluation der Resektabilität; falls Metastasen fraglich: DOTATA-
diagnostik TE-PET-CT (Detektion ansonsten nicht darstellbarer Metastasen).

Therapie­ Bei NET Typ 1/2 Verlaufsbeobachtung (ggf. Resektion bei Tumorgröße >2 cm), an-
indikation sonsten kurative Therapie, wenn möglich; in übrigen Fällen Therapie an sponta-
nem Wachstumsverhalten ausrichten, daher zunächst Verlaufsbeobachtung über 3
Monate sinnvoll (meistens auch bei metastasierenden Tumoren, außer wenn sehr
aggressives Wachstumsverhalten).

Therapie Vorgehen entsprechend Therapieprinzipien (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien):


██Tumor erscheint resektabel: kurative Resektion anstreben
██metastasierender Tumor, nur geringe Beschwerden: spontane Wachtstumskinetik
beurteilen, evtl. Somatostatin-Analoga
██metastasierender Tumor, lokale oder deutliche Allgemeinsymptome: Tumorver-
kleinerung, dann vor weiterer Therapie zunächst Rezidiv abwarten bzw. Wachs-
tumskinetik beurteilen; ggf. Somatostatin-Analoga
██größere NET Typ 1/2 des Magens: Versuch der Schlingenabtragung; bei Rezidi-
ven oder größeren Tumoren Operation (Resektion); kleine Tumoren beobachten
(häufig ältere Patienten)

Verlauf NET Typ 1/2: meist mit benignem Verlauf, tumorbezogene Letalität gering (daher
keine aggressive Therapie).
Neuroendokrine Karzinome: abhängig vom Tumorstadium, Prognose ungünstig,
dennoch oft mehrjähriger Verlauf.

Literatur Goretzki PE et al. Chirurgie neuroendokriner Tumoren des gastroenteropankreatischen Systems (GEP-NET).
Internist 2012; 53: 152–160
Pape UF et al. Neuroendokrine Neoplasien des gastroenteropankreatischen Systems. Gastroenterol up2date
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Scherübl H et al. Management of early gatrointestinal neuroendocrine neoplasmas. World J Gastroenterol
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Richtlinien der North American Neuroendocrine Tumor Society (NANETS). www.nanets.net
Richtlinien der European Neuroendocrine Tumor Society (ENETS). http://www.enets.org/guidelines_tnm_
classifications.html
522  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

9.3 Insulinom

Definition Insulin produzierender Pankreastumor, der zu Hypoglykämien führt.

Patho­ Durch Hyperinsulinismus Auftreten von hypoglykämischen Phasen, u. U. verstärkt


mechanismus durch körperliche Arbeit; Neuroglukopenie führt zu vegetativen Symptomen (via
adrenerger Reaktion) sowie zu zentralnervösen Störungen (s. u.).

Pathologie Tumorlokalisation nahezu ausschließlich im Pankreas, ektope Tumoren Rarität; ca.


85 % singulär, ca. 5 % multipel (dann meist im Rahmen von MEN-1); maligne Insu-
linome <10 %.

Epidemiologie Inzidenz 4 Fälle pro 1 000 000 Einwohner pro Jahr; mittleres Lebensalter bevorzugt.

Assoziierte MEN-1 (selten).


Erkrankungen

Klinische „Whipple-Trias“:
Charakteristika ██Hypoglykämie
██Symptome der Neuroglukopenie: abnormes Verhalten, Aggressivität, Ver-
schwommensehen, Parästhesien, Lähmungen, Krampfanfälle, Bewusstlosigkeit
██Besserung auf Glukose, Häufigkeit und Zeitpunkt (Tageszeit) hypoglykämischer
Episoden kann erheblich variieren; lange Latenz zwischen ersten Symptomen
und Diagnosestellung

Wegweisende Hungerversuch: serielle Blutentnahmen (einschließlich bei Abbruch) unter fort-


Diagnostik gesetztem Fasten bis zu 72 h, Bestimmung von Blutzucker (alle 2–4 h), Insulin und
C-Peptid (alle 6–8 h). Abbruch bei neurologisch-psychiatrischer Symptomatik (in
>50 % innerhalb von 12–18 h; Blutzucker meist unter 20 mg/dl; cave: Aphasie bei
Hypoglykämie), nach Blutentnahme sofortige Glukosegabe. Blutzucker bettseitig
messen, unter 50 mg/dl bzw. 3 mmol/l, aber in Fluoridplasma! Kriterium zur Be-
wertung: im Verhältnis zur Hypoglykämie inadäquater Insulinspiegel (normal bei
Hypoglykämie: nicht messbar). Ggf. Plasmaspiegel von oralen Antidiabetika (Sul-
fonylharnstoffen) bestimmen (s. Differenzialdiagnose).

Zusatz­ Aussagekraft der gesamten präoperativen Lokalisationsdiagnostik beschränkt, gilt


diagnostik auch für DOTATATE-PET (Insulinome haben in der Mehrzahl keine Somatostatin-
Rezeptoren!), Endosonografie sinnvoll (aber große Erfahrung nötig). Neuer diag-
nostischer Ansatz: 18F-DOPA-PET (aber bisher keine große Erfahrung). Bei nega-
tiver Lokalisationsdiagnostik intraoperativ manuelle Austastung und/oder intra-
operative Sonografie.

Differenzial­ Hypoglycaemia factitia (exogene Insulingabe; C-Peptid niedrig; cave: Einnahme


diagnose von Sulfonylharnstoffen: C-Peptid normal!), reaktive Hypoglykämie (z. B. Dum-
ping), IGF-1-(Somatomedin-C-) produzierende Bindegewebstumoren oder hepa-
tozelluläre Karzinome, Nesidoblastose, neurologische (z. B. Epilepsie) oder psychi-
atrische Erkrankungen.

Therapie Chirurgische Entfernung: prinzipiell anstreben (meist Enukleation möglich, sel-


tener Pankreasteilresektion); keine blinde Resektion durchführen, wenn Tumor
nicht auffindbar, dann evtl. Re-Operation im Intervall.
9.4 Zollinger-Ellison-Syndrom  523

Symptomatisch: regelmäßig Kohlehydrate zuführen, v. a. vor dem Schlafen und vor


körperlicher Belastung.
Medikamentöse Behandlung: Diazoxid (hemmt Insulinsekretion): Dosierung
2-mal 25 mg, ggf. steigern bis 3-mal 300 mg; nur in 50 % wirksam, nebenwirkungs-
reich; Somatostatin-Analoga auch nur in weniger als 50 % wirksam, in Einzelfällen
Verstärkung der Hypoglykämie (Hemmung der Sekretion von Insulinantagonisten
wie Glukagon und STH).
Metastasierendes Insulinom: symptomatische Therapie, zudem Vorgehen gemäß
der allgemeinen Prinzipien (s. Kap. 9.1), Behandlung in spezialisierten Zentren.

Verlauf Rezidive kommen vor (ca. 5 %): verbliebenes Insulinomgewebe? Multiple Insulino-
me? Echter Zweittumor im Verlauf entstanden?

Langzeit­ Anhaltende Phasen einer schweren Hypoglykämie können irreversible Schäden


komplikationen am ZNS hinterlassen.

Literatur de Herder WW et al. Well differentiated pancreatic tumor / carcinoma: insulinoma. Neuroendocrinology
2006; 84: 183–188
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
O’Toole D et al. ENETS consensus guidelinesfor the standards of care in neuroendocrine tumors: biochemi-
cal markers. Neuroendocrinology 2009; 90: 194-202
Kauhanen S et al. Fluorine-18-L-dihydroxyphenylalanine (18F-DOPA) positron emission tomography as a
tool to localize an insulinoma or beta-cell hyperplasia in adult patients. J Clin Endocrinol Metabol 2007;
92: 1237–1244

9.4 Zollinger-Ellison-Syndrom

Synonym Gastrinom.

Definition Zollinger-Ellison-Syndrom (ZES) entsteht durch Gastrin produzierenden Tumor,


Symptomatik infolge massiver Säurehypersekretion.

Patho­ Autonome Gastrinsekretion durch Gastrin produzierenden Tumor (Gastrinom); in-


mechanismus folge Hypergastrinämie massive Säurehypersekretion, die zu Ulzera, Refluxösopha-
gitis und Diarrhöen führt.

Pathologie Gastrinome in >80 % im Pankreas oder Duodenum („Gastrinomdreieck“) lokali-


siert; wenn im Rahmen einer multiplen endokrinen Neoplasie (MEN-)Typ 1 (s.
Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien) auftretend, dann überwiegend multiple Gastri-
nome. Glanduläre Hyperplasie im Corpus ventriculi aufgrund des trophen Effekts
der Hypergastrinämie (s. Kap. 3.8 Hypertrophe Gastropathie/Morbus Ménétrier);
Metastasen bei Diagnosestellung in 30–60 %. Mikroskopisch bestehen alle Charak-
teristika endokriner Tumoren (s. Kap. 9.1), immunhistologisch Nachweis von Gast-
rin, häufig auch Koexpression anderer Hormone.

Genetik Nur im Rahmen einer MEN (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).

Epidemiologie Zweithäufigster endokriner Tumor des Gastrointestinaltrakts, Inzidenz ca.


1:1 000 000 Einwohner pro Jahr. ZES vorliegend bei ca. 0,1–1 % aller peptischer Ul-
zera. Alle Altersklassen betroffen (meist 20–50 Jahre).
524  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

Assoziierte Siehe MEN; immunhistologisch nachweisbare Kohormonsynthese in der Regel kli-


Erkrankungen nisch nicht relevant.

Klinische In 90 % Ulzera (überwiegend in typischer Lokalisation des Bulbus, selten postbul-


Charakteristika bär) und in 70 % Refluxösophagitis mit jeweils typischen Beschwerden, in 50 % Di-
arrhöen.

Wegweisende ██ Anamnese: unter Therapie mit Protonenpumpenblockern (PPI) aber seltener di-
Diagnostik agnostiziert, da PPI-Bedarf nicht wesentlich höher als bei anderen Ulzera; ty-
pisch: rasches Rezidiv nach PPI-Pause
██ Endoskopie (Duodenalwand absuchen!)
██ Serumgastrin-Bestimmung

Zusatz­ ██ basale Säuresekretion: hohe Azidität, hohes Volumen, kaum stimulierbar durch
diagnostik Pentagastrin (s. Kap. 10, Funktionsuntersuchungen von Ösophagus und Magen)
██ Sekretin-Stimulationstest: bei unklarer Serumgastrinerhöhung; Problem: Se-
kretin schwierig zu beschaffen
██ Lokalisationsdiagnostik: Endosonografie, DOTATATE-PET-CT; andere Bildge-
bung (CT, MRT) einschließlich Angiografie meist wenig aussagekräftig
██ Weitere Labordiagnostik: Bestimmung von Calcium, Parathormon, Prolaktin
██ Genetische Untersuchungen: falls die Familienanamnese MEN-1 nahelegt

Differenzial­ Helicobacter-pylori- bzw. antirheumatikaassoziiertes Ulkus, Refluxösophagitis,


diagnose Diarrhöen anderer Genese (s. Kap. 1.13, Diarrhö).

Therapie Operative Resektion: beim sporadischen Gastrinom stets anzustreben, Erfolgsquo-


te 30 %. Bei ZES im Rahmen einer MEN-1 chirurgische Therapie umstritten, da Gast-
rinome meist multipel vorliegen (ggf. zusätzlich andere endokrine Pankreastumo-
ren); kurative Resektion selten möglich.
Säurehemmung: Protonenpumpenblocker; Dosis adaptieren, Basalsekretion sollte
<5 mmol/h betragen; oft sind PPI auch nach Resektion notwendig.
Somatostatinanaloga: Einsatz möglich beim metastasierenden Gastrinom, wenn
Wachstum dokumentiert (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien), aber kein genereller
Einsatz bei metastasierendem Gastrinom empfohlen.

Therapie­ Ablative Therapien (TACE, RFA) bei Lebermetastasen (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prin-
versagen zipien).

Verlauf Prognose nach Resektion gut; 10-Jahres-Überlebensrate ohne hepatische Metas-


tasen >80 %, ebenso bei ausschließlich Lymphknotenmetastasen; bei Tumoren mit
wenigen Lebermetastasen: 5-Jahres-Überlebensrate >50 %, bei zahlreichen Metas-
tasen aber schlechte Prognose. Prognose bei MEN günstiger.

Langzeit­ Peptische bzw. narbige Stenosen im distalen Ösophagus oder proximalen Duode-
komplikationen num (unbehandelt), ansonsten lokale Komplikationen durch Metastasen (v. a. der
Leber, Knochen).

Literatur Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
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Jensen RT et al. Gastrinoma (duodenal and pancreatic. Neuroendocrinology 2006; 84: 173–182 (über www.
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Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
9.5 NET von Dünndarm und Dickdarm  525

9.5 NET von Dünndarm und Dickdarm

Definition Neuroendokrine Tumoren des Gastrointestinaltrakts. Bei einem Teil der Patienten
kommt es zum Karzinoidsyndrom (s. Klinische Charakteristika).

Patho­ Lokalisation: im anatomischen Ursprungsgebiet Vorderdarm (Magen, Bronchien,


mechanismus proximales Duodenum, Pankreas), Mitteldarm (Dünndarm, rechtes Kolon) und
Hinterdarm (linkes Kolon, Rektum).
Mechanismen der Tumorentwicklung: im Intestinum unbekannt, bezüglich
­Magen s. Kap. 9.2, Funktionell inaktive neuroendokrine Tumoren).
Sekretionsprodukte: Serotonin, Neuropeptid K, Kallikrein, Histamin, Prostaglan-
dine (= Mediatoren des Karzinoidsyndroms, s. Klinische Charakteristika).

Pathologie Noduläre Tumoren mit gelber Schnittfläche (hoher Fettanteil), auch bei kleinen Tu-
moren höherer Anteil mit Metastasen (primär in regionären Lymphknoten, häma-
togen v. a. in Leber); mikroskopisch überwiegend (pseudo)glandulärer oder trabe-
kulärer Aufbau, auch undifferenziert (anaplastisch); immunhistologisch alle Mar-
ker neuroendokriner Zellen (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
Appendixkarzinoide meist <2 cm, selten maligne (Metastasen <5 %); Ileumkarzino-
ide mit hoher Metastasierungsrate (ca. 50 %).

Epidemiologie Appendix: Karzinoid bei 1 von 300 Appendektomien; weibliches Geschlecht leicht
bevorzugt.
Dünndarm: ca. ein Drittel aller Malignome des Dünndarms, nach distal zuneh-
mend.
Kolon: selten, meist im Zökum; Tumoren können größer werden, weil erst dann
Symptome auftreten.
Rektum: oft zufällig entdeckt (leichter Zugang).

Klinische Dünndarm bzw. rechtsseitiges Kolon: abdominelle Schmerzen (40 %; mehr diffus,
Charakteristika unspezifisch); intermittierende Obstruktion (25 %) durch Raffung am Mesenteri-
um; Fibrose, ggf. Metastasen; Okklusion und/oder Spasmen der vaskulären Ver-
sorgung.
In 20–30 % Karzinoidsyndrom (dann überwiegend (ca. 95 %) mit Metastasen, v. a.
der Leber):
██abdominelle Schmerzen (meist krampfartig), Diarrhöen (überwiegend wässrig)
██Flush: anfallsartige Gesichtsrötung, ggf. Teleangiektasien
██Bronchialobstruktion; Endokardfibrose
██Pellagra (Hyperkeratose und Hyperpigmentierung, selten)

Appendix: in der Regel klinisch stumm, evtl. uncharakteristische rechtsseitige Un-


terbauchschmerzen; in <10 % Appendizitis.
Linksseitiges Kolon: oft klinisch stumm, Symptome des Kolonkarzinoms (Stuhlun-
regelmäßigkeiten), kein Karzinoidsyndrom.

Wegweisende ██ endokrin aktive Tumoren: Anamnese, klinische Erscheinung (Flush!)


Diagnostik ██ Messung von 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIES) im 24-h-Sammelurin (cave:
verfälschende Ergebnisse durch Nahrungsmittel und Medikamente) und Chro-
mogranin A im Plasma, ggf. Serotonin im Plasma
██ NET im linken Kolon: 5-HIES ungeeignet, evtl. α-HCG
██ bildgebende Verfahren: Sonografie (wenig aussagefähig für Primärtumor, aber
nützlich für Lebermetastasen), Kapselendoskopie (positive Berichte, ähnlich
526  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

aussagekräftig wie Somatostatin-Szintigramm; cave: Obstruktion mit Ileusge-


fahr), Ballonenteroskopie (Biopsiemöglichkeit, limitierte Erfahrung), DOTATATE-
PET-CT (Darstellung des Primärtumors und Metastasen, effektiv in 85 %), besser
als MIBG-Szintigramm (ggf. ergänzend); MRT-Sellink (MRT mit optimierter Kon-
trastierung des Intestinums)

Zusatz­ ██ Endoskopie (bei Sitz im Kolon; cave: meist submuköse Lokalisation); in Einzel-
diagnostik fällen: Röntgenuntersuchung des Dünndarms (Abknickung, Füllungsdefekt);
Angiografie.
██ Neuronspezifische Enolase (NSE) im Serum (aussagefähig meist nur bei metas-
tasierendem Tumorleiden)

Differenzial­ ██ Bei Schmerzen bzw. Stuhlunregelmäßigkeiten: Karzinom; funktionelle Be-


diagnose schwerden.
██ Bei Diarrhö: gesamte Differenzialdiagnose, v. a. der sekretorischen Diarrhö.
██ Bei Flush: psychogen, Medikamente, Genussmittel (Alkohol, cave: kann aber
auch Flush bei Karzinoidsyndrom auslösen!), systemische Mastozytose.

Therapie Resektion: prinzipiell anstreben; ebenso bei lokoregionären und meist auch Fern-
metastasen sinnvoll. Stets parallel Cholecystektomie durchführen (Gallensteinbil-
dung unter Somatostatin-Analoga).
Symptomkontrolle und antiproliferative Therapie (bei metastasierenden Tumo-
ren, Karzinoidsyndrom (>90 % metastasiert); s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien):
██Somatostatinanaloga (v. a. bei ausgeprägtem Karzinoidsyndrom, wirkt auch an-
tiproliferativ)
██Interferon als Reservetherapie
██Radiofrequenzablation (RFA) bei wenigen Lebermetastasen
██(Chemo-)Embolisation der A. hepatica (bei ausgedehnter Lebermetastasierung)
██nuklearmedizinische Therapieverfahren
██chirurgische Tumorverkleinerung („debulking“)
██Chemotherapie (wenig wirksam)
██Versuch mit 5-HT3-Antagonisten (wenig Daten, keine Zulassung)
██Loperamid (Antidiarrhoikum)
██Codein (bei leichten Diarrhöen)
██Cholestyramin (bei chologener Diarrhö nach Ileumresektion)
██Theophyllin, Beta2-Sympathomimetika (bei Asthma)

Beachte: Behandlung insgesamt in spezialisierten Zentren empfohlen.

Verlauf Auch bei Lebermetastasen 5-Jahres-Überlebensrate 30–50 %; oft Therapieanpas-


sung an individuelle Situation notwendig (spezialisiertes Zentrum). Tumoraus-
breitung und Höhe der initialen Tumormarker (5-HIES, Chromogranin A, NSE) so-
wie histologische Kriterien (Mitosen, Ki-67-Index; s. Grading) als prognostische
Parameter.

Literatur Eriksson B et al. consensus guidelines for the management of patients with digestive neuroendocrine
tumors – well differentiated jejunal-ileal tumor / carcinoma. Neuroendocrinology 2008; 87: 8–19 (über
www.enets.org abrufbar)
Modlin IM, Kidd M, Latich I et al. Current status of gastrointestinal carcinoids. Gastroenterology 2005; 128:
1717–1751
Boudreaux JP et al. The NANETS consensus guidelines for the diagnosis and management of neuroendocrine
tumors. Well differentiated neuroendocrine tumors of the jejunum, ileum, appendix and cecum. Pancre-
as 2010; 39:753–766 (über www.nanets.net abrufbar)
9.6 Verner-Morrison-Syndrom  527

9.6 Verner-Morrison-Syndrom

Synonyma Pankreatische Cholera; WDAH-Syndrom: wässrige Diarrhö, Achlorhydrie, Hypoka-


liämie.

Definition Vasoaktives intestinales (Poly-)Peptid (VIP) produzierender Tumor, meist im Pan-


kreas.

Patho­ VIP stimuliert intestinale Adenylatzyklase, bewirkt über cAMP massive Volumen-
mechanismus sekretion (VIP wirkt analog zu Choleratoxin).

Pathologie Mehr als 90 % der Tumoren im Pankreas, ansonsten im Grenzstrang (Gan­glio­


neuro[blasto]me); bei Diagnose in >70 % Metastasen; (immun)histologisch neuro-
endokrine Marker; in 5 % der Fälle MEN-1.

Klinische Massive wässrige Diarrhö stets über 700 ml/Tag (>3l/Tag in 70 %, individuell bis
Charakteristika 6–10l/Tag), Persistenz unter Fasten (sekretorische Diarrhö); aufgrund des erheb-
lichen Elektrolytverlusts allgemeine und insbesondere Muskelschwäche, Muskel-
krämpfe, gelegentlich Flush; in schweren Fällen Exsikkose und massive Hypokali-
ämie.

Wegweisende ██ VIP-Bestimmung im Plasma (>200 pg/ml): Methode in nur wenigen Labors ver-
Diagnostik fügbar; evtl. Bestimmung von Na+- und K+-Konzentration sowie Osmolarität im
Stuhl (Soll: [Na+]+[K+]×2 = Osmolarität; sonst andere osmotisch aktive Bestand-
teile im Stuhl!)
██ Falls unklar: Quantifizierung des Stuhlvolumens unter Fasten (cave: ausreichend
Flüssigkeit intravenös substituieren), bei Persistenz der Diarrhö Versuch mit Oc-
treotid (als Screening-Test vor aufwendiger VIP-Bestimmung)
██ Lokalisationsdiagnostik: s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien

Differenzial­ Laxanzienabusus, kollagene bzw. lymphozytäre Kolitis, chologene Diarrhö, Karzi-


diagnose noidsyndrom.

Therapie Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution; zur symptomatischen Kontrolle der Di-


arrhö vor allem Somatostatinanaloga; ansonsten Therapieprinzipien gemäß Kap.
9.1, Allgemeine Prinzipien; Ergebnisse der Chemotherapie hier tendenziell güns-
tiger (Indikation deshalb etwas großzügiger; Behandlung in spezialisiertem Zent-
rum durchführen).

Verlauf 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50–80 %, 10-Jahres-Überlebensrate ca. 25 %.

Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
528  9 Neuroendokrine Tumoren (NET) des ­Gastrointestinaltrakts

9.7 Glukagonom

Definition Glukagon produzierende Tumoren des Pankreas; Glukagonome können endokrin


inaktiv sein; Rarität.

Pathologie Primärtumor im Pankreas; bei Bild des Glukagonomsyndroms (s. u.) nahezu kon-
stant metastasiert; Synthese anderer Peptide im Tumor häufig (pankreatisches Po-
lypeptid, Somatostatin, Insulin, Gastrin); extrapankreatischer Sitz selten; selten bei
MEN-1. Verminderung der Aminosäuren im Plasma pathophysiologisch wichtig.

Klinische Glukagonomsyndrom: Leitsymptom ist nekrolytisches, migratorisches (wandern-


Charakteristika des, bullöses) Erythem (daher Diagnose oft durch Hautarzt); daneben Diabetes
mellitus, normochrome Anämie, Gewichtsverlust, Thromboseneigung, selten psy-
chiatrische Symptome.

Wegweisende ██ Glukagonspiegel im Serum: stark erhöht


Diagnostik ██ bildgebende Verfahren: Details siehe Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien

Therapie Prinzipien s. Kap. 9.1; für symptomatische Therapie insbesondere Somatostatin-


Analoga; Diabetes mellitus meist insulinpflichtig.

Prognose Mittleres Überleben >3–4 Jahre.

Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Wermers RA et al. The glucagonoma syndrome. Clinical and pathological features in 21 patients. Medicine
(Baltimore) 1996; 75: 53–63

9.8 Somatostatinom

Definition Somatostatin produzierender endokriner Tumor; Rarität.

Pathologie Lokalisation in 70 % im Pankreas, in 30 % extrapankreatisch (Duodenum, Dünn-


darm, selten Kolon; in 75 % Metastasen bei Diagnose; mikroskopisch endokrine
Marker (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).

Assoziierte Morbus Recklinghausen (duodenale Somatostatinome).


Erkrankungen

Klinische ██ allgemeine Tumorsymptome: Gewichtsverlust, unspezifische abdominelle


Charakteristika Schmerzen, Anorexie
██ Somatostatinomsyndrom bei pankreatischen Tumoren: Diabetes mellitus; Di-
arrhö (meist breiige Stühle, Steatorrhö); Cholezystolithiasis
██ Symptome bei duodenalem Sitz: Erbrechen (Obstruktion), obere gastrointesti-
nale Blutung, Ikterus (Kompression des Gallengangs)
9.8 Somatostatinom  529

Wegweisende
██ Sonografie (ggf. mit Feinnadelbiopsie und Immunhistologie), Endoskopie (Duo-
Diagnostik denum)
██ Somatostatinbestimmung im Plasma: aufwendig und schwierig

Zusatz­ Ggf. Ergänzung durch andere Bildgebung (s. Kap. 9.1, Allgemeine Prinzipien).
diagnostik

Differenzial­ Vielfältig aufgrund der Häufigkeit der Symptome des Somatostatinomsyndroms.


diagnose

Therapie Keine etablierte Therapie; Vorgehensweise im Allgemeinen gemäß Kap. 9.1; im


Vordergrund steht operative Tumorverkleinerung, vollständige Resektion selten
möglich; bislang nur anekdotische Ergebnisse zur Chemotherapie.

Verlauf 2-Jahres-Überlebensrate ca. 30 %, 5-Jahres-Überlebensrate ca. 15 %.

Literatur O’Toole D et al. Rare functioning pancreatic endocrine tumors. Neuroendocrinology 2006; 84: 189–195
(über www.enets.org abrufbar)
Kulke MH et al. NANETS treatment guidelines. Well-differentiated neuroendocrine tumors of the stomach
and pancreas. Pancreas 2010; 39: 735–752 (über www.nanets.net abrufbar)
Metz DC, Jensen RT. Gastrointestinal neuroendocrine tumors: pancreatic endocrine tumors. Gastroenterolo-
gy 2008; 135: 1469–1492
Gastro­
enterologische
Spezialdiagnostik
  533

10 Funktionsuntersuchungen
von Ösophagus und Magen
H. Koop

10.1 pH-Metrie und Impedanzmessung des Ösophagus

Testprinzip pH-Metrie: Messung des intraösophagealen pH 5 cm oberhalb des unteren Öso-


phagussphinkters (UÖS) über 24 h; analoges Verfahren für Messung des biliären
Refluxes verfügbar (Bilitec).
Impedanzmessung: Prinzip beruht auf Änderungen des elektrischen Widerstan-
des für einen Stromfluss zwischen 2 Elektroden durch die Art von Substanzen, die
sich zwischen den Elektroden befindet; Flüssigkeit vermindert den Widerstand,
Luft erhöht die Impedanz. Messung mittels Sonde mit mehreren Elektroden, die im
tubulären Ösophagus platziert werden. Die Methode erlaubt die Differenzierung
von flüssigem Reflux und Regurgitation von Luft bei der Aerophagie und erweitert
daher die Messung des (ausschließlich sauren) Refluxes mit der pH-Metrie.
Die Impedanzmessung wird stets mit der pH-Metrie kombiniert (integriertes Sys-
tem). Subjektiv empfundene Refluxepisoden sollten stets mittels Event-Marker am
Gerät registriert werden für die Korrelation zwischen Refluxbeschwerden und auf-
gezeichneten Refluxepisoden bei der Auswertung („Symptomindex“).

Indikation pH-Metrie: auf Protonenpumpenblocker therapierefraktäre Refluxkrankheit (Ab-


klärung eines ggf. persistierenden pathologischen Säurerefluxes), präoperativ vor
antirefluxchirurgischem Eingriff.
Impedanz-/pH-Messung: noch nicht allgemein verbindlich definiert; vorzugswei-
se bei therapieresistenten Refluxbeschwerden, Verdacht auf refluxbedingte Aspi-
rationen, vermuteter nicht oder schwach saurer Reflux, Abgrenzung eines flüs-
sigen Refluxes von Luftaufstoßen (meist aber klinisch ohne apparative Messung
möglich).

Durchführung Säurehemmende Therapie muss ausreichend lange abgesetzt sein: H2-Rezeptoran-


tagonisten mindestens 24 h, Protonenpumpenblocker (PPI) minimal 5 Tage.
Platzierung der Sonde in den Ösophagus: pH-Elektrode wird 5 cm oberhalb des
UÖS platziert; bei alleiniger pH-Metrie sind verschiedene Elektroden (Antimon-,
Glaselektroden) im Einsatz, pH-Elektrode bei Impedanzmessung in Katheter inte-
griert. Bestimmung des UÖS anhand des pH-Sprungs vom Magen (niedriger pH)
zum Ösophagus (pH>6) ausreichend zuverlässig, daher manometrische Bestim-
mung verzichtbar.
pH-Elektrode bzw. Impedanzkatheter mit Festkörperspeicher verbunden; Regis-
trierung des pH bzw. der Impedanz kontinuierlich über 24 h. Zeitliche Erfassung
von bestimmten Ereignissen (z. B. Refluxsymptomen) mittels Event-Marker sinn-
voll (werden später im Ausdruck gekennzeichnet und ermöglichen Berechnung
eines Symptomindex). Während der Messung normale Nahrungsaufnahme, aber
Vermeiden von stark sauren Säften oder Colagetränken). Ambulante Durchfüh-
rung möglich.
534  10 Funktionsuntersuchungen von Ösophagus und Magen

Nach Abschluss erfolgen Auslesen der Daten in Computer, Ausdruck des pH-Profils
bzw. des Impedanzverlaufs, Berechnungen durch PC-gestützte Programme.

Normalwerte pH-Metrie:
██abhängig von individueller Methodik; generell wird Anteil der Zeit (in %) mit pH
<4 an der gesamten Messzeit angegeben, zusätzlich Zahl der Refluxepisoden >5
min. Getrennte Berechnung der Refluxzeiten in aufrechter und liegender Positi-
on sowie für die postprandialen Phasen
██Zeiten über 5–7 % mit pH <4 sind pathologisch; bei differenzierter Auswertung
zwischen aufrechter und liegender Körperhaltung niedrigere Normalwerte im
Liegen (10,5 versus 6 %; Schindlbeck et al. 1987)
Impedanzmessung:
██pH analog zu pH-Metrie; für Impedanzmessung sind Normalwerte noch nicht
allgemein verbindlich akzeptiert, ggf. abhängig von Durchführung und Gerät.
Für Interpretation der Messergebnisse bedeutsam scheint die (nachweisbare
oder fehlende) Korrelation zwischen subjektiv empfundenen Refluxepisoden
und nachweisbarer Regurgitation. Reproduzierbarkeit offenbar begrenzt, wei-
tere Studien notwendig.

Befund­ Neben den summarischen quantitativen Angaben (prozentuale Zeit mit pH<4)
interpretation kann auch die direkte Korrelation zwischen sauren Refluxphasen und Symptomen
(bei Markerbetätigung) geprüft werden (wichtig bei global normalen Zeiten mit
pH<4). Überlappung zwischen Gesunden und verschiedenen Schweregraden der
Refluxkrankheit ist groß.
Die Impedanzmessung kann Reflux differenzierter darstellen und in Kombination
mit pH-Metrie zwischen saurem Rückfluss, nicht oder schwach saurem Reflux und
Regurgitation von Luft unterscheiden. Relativ neues Verfahren, das neue Einblicke
in pathophysiologische Abläufe ermöglicht; klinische Konsequenzen aus individu-
ellen Messergebnissen derzeit noch nicht abschließend beurteilbar (z. B. hinsicht-
lich Indikation zu operativen Eingriffen).

Fehler­ Intervall ohne Säuresuppression zu kurz: führt zu falsch normalen Befunden


möglichkeiten (cave: lange Wirkdauer der PPI!).

Unkorrekte Elektrodenlage: führt zu falsch normalen (proximale Lage im Ösopha-


gus) oder falsch pathologischen Befunden (Elektrodenlage in Kardia oder Magen).
Induktion von Regurgitationen aufgrund Irritation durch Sonde möglich.

Tipps und Tricks Bei großen Hiatushernien kann Messpunkt weit proximal im Ösophagus liegen
(keine konstanten Längen des Sondenvorschubs ab Nasenloch!). Gelegentlich ra-
diologische Kontrolle der Sondenlage erforderlich (kein pH-Sprung bei Achlorhy-
drie).

Literatur Schindlbeck NE et al. Optimal thresholds, sensitivity, and specificity of long-term pH-metry for the detec-
tion of gastroesophageal reflux disease. Gastroenterology 1987; 93: 85–90
Hirano I, Richter JE: ACG practice guideline: esophageal reflux testing. Am J Gastroenterol 2007; 102:
668–685
Shay S. A balancing view: Impedance-ph testing in GERD – limited role for now, perhaps more helpful in the
future. Am J Gastroenterol 2009; 104: 2669–2670
Gawron AJ, Hirano I. Advances in diagnostic testing for gastroesophageal reflux. World J Gastroenterol 2010;
16: 3750–3756
Weingart V, Allescher H-D: Impedanzmessung; Indikation und diagnostische Möglichkeiten. Gastroentero-
logie up2date 2012; 8: 265–276
10.3 Manometrie des Ösophagus  535

10.2 pH-Metrie des Magens

Testprinzip Messung des intragastralen pH-Wertes mittels pH-Elektrode und Festkörperspei-


cher.

Indikation Überprüfung der Effektivität einer säurehemmenden Therapie (z. B. bei therapie-
refraktären Ulzera bzw. Ösophagitis trotz hochdosierter Protonenpumpenblocker-
Gabe), Beweis einer Achlorhydrie (bisher keine allgemein anerkannte Indikation
akzeptiert).

Durchführung Durchführung analog zur ösophagealen pH-Metrie (s. Kap. 10.1, pH-Metrie und
Impedanzmessung des Ösophagus), aber hier Elektrodenlage im Magen. Keine all-
gemein anerkannten Messpunkte (bei Sondenvorschub um 5 cm nach pH-Sprung
an Kardia ist sichere intragastrale Lage gegeben). Exakte Positionierung in be-
stimmter Magenregion (Antrum, Korpus) nur bedingt und unsicher möglich.

Normalwerte Allgemein verbindliche Normalwerte nicht verfügbar. Medianer pH-Wert ohne


säurehemmende Therapie: ca. 0,9–2,0. Ergebnis beeinflusst durch Helicobacter-
pylori-Status und chronische Gastritis (s. dort).

Befund­ Angestrebte pH-Anhebung anhand des pH-Profils ablesbar, ebenso deren Dauer in
interpretation Beziehung zum Zeitpunkt der Medikamentengabe. Intragastrales Volumen nicht
erfassbar, nur Azidität.

Fehler­ Bei Lage der Sonde in Mukosafalte (bei steifen Elektroden durch Verkantung mög-
möglichkeiten lich) falsch hoher (mukosaler) pH-Wert, daher Sondenkorrektur obligat.

Tipps und Tricks Bei ausgeprägter Säurehemmung ist kein pH-Sprung erkennbar zwischen Ösopha-
gus und Magen, dann ggf. radiologische Sondenkontrolle durchführen.

10.3 Manometrie des Ösophagus

Testprinzip Messung des intraösophagealen Drucks simultan in verschiedenen Etagen des


Ösophagus mittels Drucksensoren sowohl in Ruhe als auch nach Schluckakten. Die
Manometrie kann mit der Impedanzmessung kombiniert werden, um gleichzeitig
den intraluminalen Transport zu beurteilen.

Indikation Verdacht auf Motilitätsstörungen des Ösophagus (siehe Kap. 2.4), präoperativ vor
Antirefluxchirurgie, Verdacht auf nicht-kardialen Thoraxschmerz (Einzelfälle).

Durchführung Transnasales Einführen eines Katheters mit multiplen Druckaufnahmepunkten


(Sensoren) im tubulären Ösophagus, oberen (OÖS) und unteren Ösophagusspink-
ter (UÖS) und Magen. Die Druckänderungen im OÖS und UÖS werden in Ruhe und
nach Schlucken (Trockenschlucke, Schlucke von Wasser) gemessen (schluckreflek-
torische Erschlaffung). Gleichermaßen werden die Drucke in den verschiedenen
Höhen des tubulären Ösophagus nach dem Schluckakt bestimmt. Neben der Höhe
des Drucks (Amplitude) und ihrer Dauer dient die Manometrie zur Analyse der
Ausbreitung der Druckwellen (propulsiv, simultane Kontraktionen).
536  10 Funktionsuntersuchungen von Ösophagus und Magen

Normalwerte Druck im OÖS 80–120 mmHg; Höhe der Amplituden im tubulären Ösophagus von
der Höhe des Messpunktes abhängig (Druck im distalen Ösophagus ist höher als
im proximalen Anteil). Druck im UÖS 10–25 mmHg.

Befund­ Die Auswertung erfolgt heute Computer-gestützt. Die hochauflösende Manomet-


interpretation rie kann – insbesondere in Kombination mit der Impedanzmessung – den Trans-
port durch den Ösophagus exakt abbilden. Aufgrund der hochauflösenden Mano-
metrie werden unterschiedliche Störungen subtil differenziert (Chicago-Klassifi-
kation), aber klinische Relevanz noch unklar.

Fehler­ Gewöhnung des Patienten an Manometrie-Katheter abwarten (sonst Artefakte


möglichkeiten durch Würgen und Husten).

Tipps und Tricks Platzierung des Manometriekatheters bei dilatiertem Ösophagus (Achalasie!) kann
schwierig sein (Katheter schlägt im Ösophagus um), ggf. Platzierung über Draht
(Seldinger-Technik).

Literatur Bredenoord AJ et al. Chicago Classification criteria of esophageal motility disorders defined in high resolu­
tion esophageal pressure topography. Neurogastroenterol Motil 2012; 24 (Suppl. 1): 57 – 65
Clarke JO, Pandolfino JE: Esophageal motor disorders. How to bridge the gap between advanced diagnostic
tools and paucity of therapeutic modalities. J Clin Gastroenterol 2012; 46:442-448

10.4 Magensekretionsanalyse

Testprinzip Messung von Volumen und Azidität im aspirierten Magensaft basal (und nach Sti-
mulation).

Indikation Verdacht auf Zollinger-Ellison-Syndrom (und ggf. auf andere Formen der gastralen
Hypersekretion, ansonsten heute nicht mehr indiziert (und praktiziert).

Durchführung Beim nüchternen Patienten Platzierung einer Magensonde, Aspiration des Nüch-
ternsekrets (wird verworfen). Dann kontinuierliche Aspiration des Magensaftes in
2(–4) 15-min-Fraktionen. Anschließend Stimulation der Säuresekretion prinzipiell
möglich, aber Pentagastrin heute nur noch über internationale Apotheke erhältlich
(Histamin obsolet). Pentagastrindosis: 6 μg/kg KG als s. c. Injektion; Fortführung
der Aspiration über 1 h (vier 15-min-Fraktionen). Messung des Volumens und Tit-
ration jeder Magensaftfraktion gegen 0,1 N NaOH mittels Bürette.

Normalwerte Basaler Säureausstoß auf 1 h bezogen (bei zwei 15-min-Fraktionen muss Ausstoß
mit 2 multipliziert werden) ergibt „basal acid output“ (BAO); Normalwerte: <5–
10 mmol/h; basale Azidität: 50–80 mmol/l.
Stimulierte Säuresekretion:
██Summe der beiden höchsten Fraktionen mit 2 multipliziert = „peak acid output“
(PAO); Normalwerte: <60–70 mmol/h. Azidität bis 120 mmol/l
██Summe der 4 Fraktionen nach Stimulation = „maximum acid output“ (MAO);
Normalwerte: 50–60 mmol/h

Befund­ Hohe Basalsekretion (Volumen und Azidität) ergibt Hinweis auf autonome Stimu-
interpretation lation der Belegzellen; PAO spiegelt Parietalzellmasse wider.
10.4 Magensekretionsanalyse  537

Fehler­ Unter Normalbedingungen basal geringes Volumen: Sammelfehler beträchtlich;


möglichkeiten Markerperfusion zur Berechnung der Recovery möglich, aber aufwendig (für Stu-
dien).

Tipps und Tricks Während der Untersuchung Lagerung auf linker Seite (Magensaft sammelt sich
großkurvaturseitig).
538

11 Pankreasfunktionsdiagnostik
J. Mayerle

11.1 Allgemeines

Die Untersuchung der endokrinen und exokrinen Funktion dient als zweite Säu-
le der Diagnostik der chronischen Pankreatitis. Die exokrine Pankreasinsuffizienz
ist definiert als globale oder partielle Funktionseinschränkung der pankreatischen
Sekretion von Amylase, Lipase, Proteasen oder Bicarbonat. Die häufigsten Ursa-
chen für das Auftreten beim Erwachsenen ist die chronische Pankreatitis (s. Kap.
6). Die Bauchspeicheldrüse verfügt über eine außerordentlich große funktionelle
Reservekapazität. Klinische Symptome der exokrinen Insuffizienz treten erst bei
einem 90 %igen Funktionsverlust des Pankreas auf. Eine relevante Maldigestion
manifestiert sich nur bei etwa einem Drittel der Patienten mit chronischer Pank-
reatitis. Funktionseinschränkungen des Organs gehen den morphologisch fassba-
ren Veränderungen oft voraus. Die Sensitivität der Funktionsprüfung ist somit der
der bildgebenden Verfahren überlegen. Deshalb ist heute die Untersuchung der
exokrinen Pankreasfunktion ein fester Bestandteil der Diagnostik bei Pankreaser-
krankungen.
Zur Abklärung einer exokrinen Pankreasinsuffizienz werden direkte und indirekte
Methoden eingesetzt. Bei der direkten Untersuchung werden die Bestandteile des
Pankreassafts (Enzyme und Bicarbonat) über eine Duodenalsonde gesammelt und
quantitativ bestimmt, während indirekte Methoden über den Nachweis verminder-
ter Enzymkonzentrationen in Stuhl oder Serum oder über die Maldigestion synthe-
tischer Substrate für Pankreasenzyme auf eine verminderte exokrine Pankreasfunk-
tion schließen lassen. Nachteil der indirekten Pankreasfunktionsuntersuchung ist
die Tatsache, dass zwischen morphologisch bedingten und funktionellen Ursachen
nicht differenziert werden kann. Beispielhaft erwähnt sei hier die Gastrektomie, die
durch eine gestörte Koordination von Pankreassekretion und Magen-Darm-Passage
(pankreatikozibale Asynchronie) zum klinischen Bild einer exokrinen Pankreasin-
suffizienz führen kann, ohne dass ein primärer Organschaden vorliegt.

Ursachen einer Cave: kein Test kann eine exokrine Insuffizienz ätiologisch einordnen.
exokrinen Pank­ Globale Reduktion der Sekretion von Verdauungsenzymen:
reasinsuffizienz ██akute Pankreatitis (meist passagere Insuffizienz, Enzymsubstitution bessert
Symptome)
██chronische Pankreatitis
██tropische Pankreatitis (kalzifizierende Pankreatitis unklare Ätiologie mit Prädo-
minanz in Indien)
██Pankreaskarzinom (meist Pankreaskopfkarzinom mit Abflusshindernis)
██Zustand nach Pankreasresektion, Zustand nach Pankreastrauma (meist passager)
██angeborene erbliche Störungen:
–– Mukoviszidose (Mutationen im CFTR-Kanal, chronische Pankreatitis).
–– Shwachman-Diamond-Syndrom (exokrine Pankreasinsuffizienz mit Klein-
wuchs, Dysostosen und chronischer Neutropenie)
11.3 Indirekte Testverfahren  539

–– Johanson-Blizzard-Syndrom (exokrine Insuffizienz, mentale Retardierung,


Anal-Atresie, Hypothyreose

Isolierter Enzymmangel: Lipase, Trypsin, Amylase:


██Fehlende Enzymaktivierung im Dünndarm: Enterokinasemangel

11.2 Direktes Testverfahren

11.2.1 Sekretin-Pankreozymin-Test
Synonyme und Synonyma: Sekretin-Test, Sekretin-Cholezystokinin-Test, Sekretin-Caerulein-Test,
Testprinzip Pankreasfermentsonde
Die exokrine Pankreasfunktion kann über die Bestimmung von Enzymaktivitäten
und Bicarbonatmenge im Duodenalsekret nach Stimulation mit den Enterohor-
monen Sekretin (Secrelux in einer Dosierung von 1 CU/kg KG als i. v. Bolus) und
Cholezystokinin (in der Praxis verwendet wird das CCK Analogon Caerulein, Takus
25–100ng/kg KG) untersucht werden.

Durchführung Es wird eine mindestens zweilumige Sonde so platziert, dass der Magensaft mög-
lichst vollständig nach außen abgeleitet wird, um eine undefinierte Stimulation zu
vermeiden. Das zweite Lumen liegt vor dem Treitz-Band, sodass das Duodenalse-
kret in 15-min-Portionen aspiriert werden kann.

Auswertung Die Durchführung des Sekretin-Pankreozymin-Tests dient der Objektivierung ei-


ner exokrinen Pankreasinsuffizienz. Die Sensitivität und Spezifität des Verfahrens
liegt bei 90 %. Obwohl es sich beim Sekretin-Pankreozymintest um das genaueste
Verfahren und somit den Goldstandard zum Nachweis einer exokrinen Pankreas-
insuffizienz handelt, wird diese Untersuchung heute nur an sehr wenigen spezi-
alisierten Zentren und für klinische Studien eingesetzt. Die Materialkosten eines
Tests belaufen sich auf ca. 150 €, der Arbeitsaufwand für die Vorbereitung und
Analytik beträgt ca. 2 Arbeitstage.

11.3 Indirekte Testverfahren

11.3.1 Elastase im Stuhl


Grundlagen Die pankreatische Elastase-1 macht 6 % des Pankreassekrets aus. Elastase-1 weist
im Gegensatz zu anderen Serinproteasen des Pankreas eine hohe Stabilität wäh-
rend der Darmpassage auf und erscheint im Stuhl 5- bis 6-fach konzentriert mit
einer mittleren Konzentration von 1200 µg/g Feuchtstuhl.

Durchführung Die Bestimmung von Elastase-1 im Stuhl erfolgt mittels ELISA, wobei kommerzi-
elle Testkits mit sowohl monoklonalen als auch polyklonalen Antikörpern gegen
humane Elastase-1 erhältlich sind. Da bei Elastase-Antikörpern keine Kreuzreak-
tivität mit der Elastase anderer Spezies besteht, ist ein Absetzen der Enzymsubsti-
tution beim Patienten vor der Elastasebestimmung im Stuhl nicht erforderlich. Zur
Bestimmung der Elastaseaktivität genügen kleinste Stuhlmengen (100 mg). Eine
Mehrfachbestimmung ist bei geringer Inter-Assay-Variabilität in der Regel nicht
erforderlich (8–15 %).
540  11 Pankreasfunktionsdiagnostik

Auswertung/ Die Elastase-1-Bestimmung im Stuhl ist heutzutage die am häufigsten durchge-


Bedeutung führte Untersuchung zur Untersuchung der exokrinen Pankreasfunktion. Die
Sensitivität des Testverfahrens liegt bei 63 % für eine leichtgradige Funktionsein-
schränkung und bei ca. 100 % für eine mittelschwere oder schwere Pankreasinsuf-
fizienz im Vergleich zum Sekretin-Pankreozymin-Test.

11.3.2 Pankreolauryltest
Dieser Test ist in Deutschland zurzeit nicht verfügbar.

Testprinzip Das Testprinzip beruht darauf, dass das synthetische Substrat Fluorescein-Dilaurat
im Darm spezifisch von Pankreasesterasen gespalten wird.

Durchführung Der Patient nimmt die Substanz als Kapsel (0,25 mmol) mit einer definierten Test-
mahlzeit (40 g Weißbrot, 20 g Butter, 200 ml Tee) auf. Die Freisetzung und Resorpti-
on von Fluorescein nach Abspaltung im Duodenum durch eine pankreatische Cho-
lesterolesterase wird photometrisch im Serum nach bestimmten Zeitintervallen
bestimmt. Für die Durchführung ist ein Absetzen der oralen Pankreasfermentsub-
stitution notwendig.

Auswertung Der Pankreolauryltests erfasst eine ausgeprägte exokrine Pankreasinsuffizienz


über einen erniedrigten Anstieg des Fluorescein in Serum. Die Sensitivität des Pan-
kreolauryltest liegt bei 82 %, die Spezifität bei 91 %. Eine geringgradige Pankreas-
insuffizienz kann nur mit einer Sensitivität von 51 % erfasst werden. Der Pankreo-
lauryltest gilt als indirekter, nichtinvasiver Funktionstest von großem praktischem
Wert, ist jedoch im Handel nicht mehr verfügbar.

11.3.3 Stuhlfettbestimmung
Durchführung Die Steatorrhoe als klassisches Symptom der exokrinen Pankreasinsuffizienz wird
nach einer Phase konstanter oraler Fettzufuhr von etwa 80–100 g/Tag im vom Pa-
tienten über 3 Tage gesammelten Stuhl untersucht.

Auswertung Bei einer exokrinen Pankreasinsuffizienz mit mehr als 90 % Funktionsverlust steigt
die ausgeschiedene Fettmenge pro Gramm Stuhlfeuchtgewicht messbar an (Fett-
maldigestion). Leichte und mittelgradige Pankreasfunktionseinschränkungen wer-
den klinisch meist kompensiert. Einschränkung: die Stuhlfettbestimmung wird
nur noch sehr selten von einem Labor angeboten.

Literatur Hahn J-U, Bochnig S, Kerner W et al. A new fecal elastase 1 test using polyclonal antibodies for the detection
of exocrine pancreatic insufficiency. Pancreas 2005; 30: 189–191
Lankisch PG, Dröge M, Hofses S et al. Steatorrhoea: You cannot trust your eyes when it comes to diagnosis.
Lancet 1996; 347: 1620–1621
Lankisch PG, Schmidt I, König H et al. Faecal elastase 1: not helpful in diagnosing chronic pancreatitis associ-
ated with mild to moderate exocrine pancreatic insufficiency. Gut 1998; 42: 551–554
Löser C, Möllgaard A, Fölsch UR. Faecal elastase 1: a novel, highly sensitive, and specific tubeless pancreatic
function test. Gut 1996; 39: 580–586
Schneider A, Funk B, Caspary W et al. Monoclonal versus polyclonal ELISA for assessment of fecal elastase
concentration: pitfalls of a new assay. Clin Chem 2005; 51: 1052–1054
Keller J, Aghdassi AA, Lerch MM, Mayerle JV, Layer P. Tests of pancreaticexocrine function - clinical signifi-
cance in pancreatic and non-pancreaticdisorders. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2009; 23: 425–439
541

12 Leberfunktionstests
K. Beckh

Quantitative Leberfunktionstests (QLFT) wurden entwickelt, um verschiedene


Partialfunktionen der Leber zu testen. So zeigt die Galaktose-Eliminationskapazi-
tät die metabolische Funktion, MEGX-Test und Methacetintest zeigen dagegen die
Biotransformation an. Der klinische Stellenwert ist begrenzt, da die QLFT in ihrer
prognostischen Wertigkeit bei chronischen Lebererkrankungen der Child-Pugh-
Klassifikation nicht überlegen sind und die Funktionsleistung der Leber an ver-
schiedenen Laborparametern (Quick-Wert, Gerinnungsfaktoren, Albumin, Biliru-
bin, Cholinesterase) abzuschätzen ist.

12.1 Galaktose-Eliminationskapazität

Testprinzip Intravenöse Gabe einer 40 %igen Galaktoselösung, Messung der Galaktosekonzen-


tration im Blut über 120 min, Berechnung der verstoffwechselten Galaktosemen-
ge. Die Galaktose-Eliminationskapazität kann auch als 13C-Galaktose-Atemtest be-
stimmt werden.

Indikation In der klinischen Diagnostik keine (u. U. in Studien).

Durchführung Intravenöse Gabe einer 40 %igen Galaktoselösung (0,5g/kg KG), Messung der Ga-
laktosekonzentration im Blut über 120 min, Berechnung der verstoffwechselten
Menge an Galaktose.

Normalwerte 6,0–9,1 mg/kg/min.

Befund­ Einschränkung der Galaktose-Eliminationskapazität bei Leberzellinsuffizienz.


interpretation

Fehler­ Extrahepatische Galaktosemetabolisierung, die variabel sein kann.


möglichkeiten

12.2 MEGX-Test

Testprinzip Intravenöse Injektion von Lidocain, hepatische Metabolisierung des Lidocains (über
Cytochrom P450), Messung des Metaboliten Monoethylglycinxylidid (MEGX).

Indikation In der klinischen Diagnostik eher selten (z. B. vor Transplantation).

Durchführung Injektion von Lidocain (1 mg/kg KG) über 2 min i. v., Blutentnahmen nach 15 und
30 min.
542  12 Leberfunktionstests

Normalwerte >70 μg/l nach 30 min.

Befund­ Testergebnis von Blutfluss und Stoffwechselkapazität der Leber abhängig.


interpretation

Fehler­ ██ Interferenzen mit Medikamenten


möglichkeiten ██ cave: kardiale Nebenwirkungen

12.3 Methacetintest

Testprinzip Orale Gabe von 13C-markiertem Methacetin, Messung der 13CO2-Konzentration in


der Ausatemluft.

Indikation In der klinischen Diagnostik begrenzt (u. U. in Studien).

Durchführung Orale Gabe des 13C-markierten Methacetins (2 mg/kg KG), Atemproben vor und
20 min nach Gabe, Analyse mit Massen- oder Infrarotspektrometrie.

Normalwerte DOB bei 20 min >25 Δ‰.

Befund­ DOB bei 20 min <25 Δ‰ zuverlässiger Parameter hinsichtlich des Vorliegens einer
interpretation Zirrhose.

Fehler­ Beeinflussung des Testergebnisses durch Rauchen und Medikamente.


möglichkeiten

Literatur Holtmeier J, Leuschner M, Schneider A et al. 13C-methacetin and 13C-galactose breath tests can assess re-
stricted liver function even in early stages of primary biliary cirrhosis. Scand J Gastroenterol 2006; 41:
1336–1341
Klatt S, Taut C, Mayer D et al. Evaluation of the 13C-methacetin breath test for quantitative liver function
testing. Z Gastroenterol 1997; 35: 609–614
Schneider ARJ, Caspary WF, Stein J. 13C-basierte Atemtests in der Leberfunktionsdiagnostik. Z Gastroenterol
2004; 42: 269–275
543

13 Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)


I. Koop

Testprinzip Guajak-basierter Test (G-FOBT): Hämoglobin (und ähnliche Enzyme tierischer


und pflanzlicher Herkunft) besitzt peroxidaseartige Aktivität, die ein Chromogen
(z. B. Guajakolsäure) zum Farbumschlag bringt.
Peroxidaseähnliche Wirkung des Hämoglobins setzt Hämolyse voraus. Hämoly-
siertes Blut aus dem oberen Verdauungstrakt wird in der Regel im Zuge der Ma-
gen-Darm-Passage enzymatisch abgebaut und verliert Peroxidaseeigenschaft. Test
eignet sich daher überwiegend zum Nachweis von Blutungsquellen aus dem Ko-
lorektum, Blut aus dem Rektum kann mangels Hämolyse auch dem Nachweis im
G-FOBT entgehen.
Immunologischer Test (I-FOBT): immunologischer Nachweis von ausschließlich
humanem Hämoglobin. Die Test-Sensitivität des I-FOBT ist höher als für den G-
FOBT, Daten zur Spezifität uneinheitlich.

Indikation G-FOBT als Screening-Untersuchung (jährlich ab dem 50. Lebensjahr) für kolo-
rektales Karzinom (KRK) mit nachgewiesener Senkung der Mortalität um ca. 15 %
(nach Leitlinie KRK der DGVS 2008: G-FOBT, da I-FOBT im Screening nicht ausrei-
chend getestet. Neue Leitlinie KRK vermutlich mit Empfehlung für I-FOBT). Wenn
Koloskopie als Screening-Methode gewählt wurde, entfällt der FOBT für die nächs-
ten 10 Jahre.

Durchführung G-FOBT: Mit Guajakharz imprägniertes Filterpapier wird mit Stuhlprobe versetzt;
nach Trocknung werden auf der Rückseite 2–3 Tropfen Entwicklerflüssigkeit auf-
gebracht und Verfärbung beobachtet (typischerweise pseudopodienartige Diffusi-
on). Rehydratation der Tests führt zu höherer Sensitivität bei reduzierter Spezifität
(wird nicht empfohlen). Da Tumoren intermittierend bluten können, sollte der Test
an mehreren aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden.

Befund­ Ein positiver Testausfall sollte komplette Koloskopie (nach Möglichkeit einschließ-
interpretation lich des terminalen Ileums) nach sich ziehen, ggf. mit Proktoskopie.

Fehler­ Störfaktoren G-FOBT:


möglichkeiten ██mit falsch positivem Ergebnis: Hämoglobin, Myoglobin, Hämatinderivate tieri-
schen Ursprungs; pflanzliche und bakterielle Peroxidasen, Medikamente (Ei-
sen!), stark oxidierende Stoffe (z. B. akzidentell Haushaltsreiniger)
██mit falsch negativem Ergebnis: Abbau oder Denaturierung des Hämoglobins
durch Verdauungsenzyme, metabolisch, bakteriell (Lagerung der Probe); starke
Sauerstoffempfänger (alimentär, metabolisch, bakteriell, medikamentös); Po-
lyp/Tumor blutet nicht.

Tipps und Tricks Gebrauchsinformationen des jeweiligen Tests beachten!


Drei Tage vor und während der Testung nach Möglichkeit auf „rotes Fleisch“, Blut-
wurst, Rohgemüse und rohes Obst verzichten.
544  13 Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)

Schmiegel W et al. S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom. Z Gastroenterol 2008; 46: 1–73 (www.dgvs.de)
Literatur
Hol L et al. Screening for colorectal cancer: randomised trial comparing guaiac-based and immunochemical
faecal occult blood testing and flexible sigmoidoscopy. GUT 2010; 59: 62–68
545

14 Dünndarmfunktionsdiagnostik
I. Koop

14.1 H2-Atemtests

14.1.1 Grundlagen
Allgemeines Kohlenhydrate werden im Dünndarm resorbiert. Erfolgt dies nicht, werden sie im
Kolon bakteriell gespalten und als H2 abgeatmet. Sind Bakterien im Dünndarm vor-
handen, werden Kohlenhydrate bereits hier gespalten.

Indikationen Laktasemangel, Laktoseintoleranz (Laktose-H2-Atemtest); bakterielle Fehlbesied-


lung (Glukose-H2-Atemtest); Fruktosemalabsorption (Fructose-H2-Atemtest); oro-
zökale Transitzeitbestimmung (Laktulose-H2-Atemtest).

Vorbereitung Nach 12-stündiger Nahrungs- und Flüssigkeitskarenz morgens Durchführung des


Tests. Vermeidung ballaststoffreicher Nahrung an den Tagen zuvor. Keine Antibio-
tika, darmreinigenden Präparate oder oralen Kontrastmittel in der Woche vorher.

Durchführung Nach Einnahme der Testsubstanz Messung des exhalierten H2 in der Ausatemluft in
einem Gerät mit elektrochemischer Messzelle.

Fehlerquellen ██ Störfaktoren: vor und/oder während des Tests essen, trinken, rauchen, Kaugum-
mi, Bonbons, körperliche Bewegung
██ falsch niedrige H2-Exhalation: Antibiotika, Abführmaßnahmen, auch nach Ko-
loskopie, Nikotin und körperlicher Aktivität (reduzieren adäquate Exhalation),
reduzierte Kohlenhydrataufnahme (Diät)
██ frühzeitige H2-Exhalation: bakterielle Fehlbesiedlung (sehr früher H2-Anstieg),
beschleunigte Magenentleerung (z. B. nach Billroth-I- oder -II-Resektion), feh-
lende Mundhygiene (kann durch antibakterielle Mundspülung verbessert wer-
den), fehlende Nahrungskarenz, Stuhl-pH-Erhöhung (Mg-Sulfat), verstärkte Auf-
nahme von Kohlenhydraten/Stärke/pflanzlichen Fasern, Zöliakie
██ H2-Non-Producer: ca. 10 % der Bevölkerung kann im Kolon Kohlenhydrate nicht
zu H2 spalten; sämtliche H2-Tests bei diesen Personen nicht verwertbar

Nüchternwerte Im Mittel 7 ppm, Werte >15 ppm pathologisch.

Literatur Keller J et al. Klinisch relevante Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik. Z Gastroenterol 2005;
43: 1071–1090
Lembcke B. Resorptionstests. In: Classen M, Siewert JR, Hrsg. Gastroenterologische Diagnostik. Stuttgart:
Schattauer; 1993
Goshal U. Howtointerpret hydrogen breathtest. J NeurogastroenterolMotil 2011; 17: 312–317
546  14 Dünndarmfunktionsdiagnostik

14.1.2 Laktose-H2-Atemtest
Testprinzip Oral verabreichte Laktose kann bei Laktasemangel nicht gespalten werden, gelangt
ins Kolon, wo Bakterien H2 abspalten. Gleichzeitig fehlt der normalerweise vor-
handene Blutglukoseanstieg. Durch die Messung von H2 kann der konventionelle
Laktosebelastungstest (ohne H2-Messung) in seiner Sensitivität deutlich gesteigert
werden, da bereits geringe Mengen (2 g) Laktose im Kolon zur H2-Exhalation füh-
ren.

Indikation Verdacht auf Laktoseintoleranz bzw. Laktasemangel, differenzialdiagnostisch bei


chronischer Diarrhö.

Vorbereitung ██ Vorbereitung: s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


und Durch­ ██ Durchführung: 50 g Laktose in 300 ml Wasser innerhalb 5 min trinken
führung ██ Messung der H2-Exhalation in 15- bis 20-min-Abständen über 3 h

Befund­ ██ Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm pathologisch, in der Regel ab 30 min; Maxi-
interpretation malwerte liegen um 200 ppm.
██ Laktoseintoleranz: wenn gleichzeitig Beschwerden wie Durchfall, Bauch-
schmerzen, Blähungen auftreten.
██ Laktosemalabsorption: H2-Exhalation >20 ppm ohne Symptome.

Fehler­ ██ s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


möglichkeiten ██ ca. 10 % der Bevölkerung sind so genannte Non-H2-Producer (Kolonbakterien
produzieren kein H2); bei diesen Personen kann generell kein H2-Atemtest sinn-
voll interpretiert werden; alternativ Laktosetest mit Blutzuckermessungen (An-
stieg um 25 % des Ausgangswerts ist physiologisch)
██ bei Diabetikern sind Blutglukosewerte nicht verwertbar, daher immer Atemtest
██ bei sehr frühem H2-Anstieg ist bakterielle Fehlbesiedlung möglich, daher im An-
schluss Glukose-H2-Atemtest durchführen

Tipps und Tricks Der Patient sollte während des Tests Ruhe einhalten.
Liegt eine klinisch signifikante Laktoseintoleranz vor, treten typische Beschwerden
wie Durchfall (30 %), Blähungen, Flatulenz und Bauchschmerzen auf; daher immer
auch nach Symptomen während des Tests fragen. Ohne Beschwerden während des
Tests ist pathologische H2-Exhalation nicht als klinisch relevantes Ergebnis zu in-
terpretieren.

14.1.3 Glukose-H2-Atemtest
Testprinzip Oral verabreichte Glukose wird bei bakterieller Fehlbesiedlung des Dünndarms
nicht resorbiert, sondern bakteriell gespalten. Dadurch kommt es zur H2-Exhalati-
on in der Ausatemluft. Da Glukose außer nach ausgedehnter Dünndarmresektion
immer resorbiert wird, ist der Test pathognomonisch für bakterielle Fehlbesied-
lung.

Indikation Verdacht auf bakterielle Fehlbesiedlung sowie Kontrolle nach Therapie.

Vorbereitung ██ Vorbereitung: s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


und Durch­
führung
14.1 H2-Atemtests  547

██ Durchführung: Orale Verabreichung von 50 g Glukose in 300 ml Wasser, Mes-


sung der H2-Exhalation in der Ausatemluft in 15- bis 20-min-Abständen über
3h

Befund­ H2-Werte von 12–20 ppm zeigen eine Metabolisierung durch Bakterien an, Werte
interpretation >20 ppm sind pathologisch; Sensitivität: 62–91 %, Spezifität: 75–100 %.

Fehler­ Siehe Kap. 14.1.1, Grundlagen.


möglichkeiten

Tipps und Tricks Bei fraglich positiven Befunden Wiederholung des Tests:
██mit Laktulose
██nach antibiotischer Therapie

14.1.4 Laktulose-H2-Atemtest
Testprinzip Der nicht resorbierbare oral verabreichte Zucker Laktulose wird erst im Kolon
von Bakterien metabolisiert. Die steigende H2-Exhalation zeigt den Zeitpunkt des
Übertritts ins Kolon an (Mund-Zökum-Transit). Bei sehr frühzeitiger H2-Exhalation
kann dies ein Hinweis auf eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms sein.

Indikation Mund-Zökum-Transitzeitbestimmung (Verdacht auf verzögerten Transit); Obsti-


pation; Postgastrektomie-Diarrhö; Ausschluss bzw. Nachweis eines H2-Non-Pro-
ducer Status.

Vorbereitung ██ Vorbereitung: s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


und Durch­ ██ Durchführung: Orale Gabe von 10 g Laktulose in 200 ml Wasser in 5 min. Mes-
führung sung der H2-Exhalation zum Zeitpunkt 0, danach alle 15 min über 3 h

Normalwerte Der erste dauerhafte Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm korreliert mit der An-
kunftszeit der Laktulose im Zökum (normalerweise 60–120 min nach Trinken der
Lösung).

Befund­ Erhebliche Streubreite, in der Regel signifikanter H2-Anstieg zwischen 30 und 150
interpretation min. Früherer H2-Anstieg signalisiert bakterielle Fehlbesiedlung im Dünndarm,
aber große Überlappung zwischen normalen und pathologischen Werten.

Fehler­ ██ s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


möglichkeiten ██ H2-Non-Producer: kein H2-Anstieg
██ Problem: bakterielle Fehlbesiedlung des distalen Dünndarms kann u. U. vom
physiologischen Übertritt der Laktulose ins Kolon nicht unterschieden werden
██ erhebliche interindividuelle Variabilität
██ sonstige Einflussfaktoren: schnelle Dünndarmpassage, z. B. Reizdarm, jüngere
Patienten zeigen schnellere Mund-Zökum-Transitzeit, zyklusabhängige Passage
bei Frauen

Tipps und Tricks Bei fraglich kurzer Mund-Zökum-Transitzeit differenzialdiagnostisch an bakteriel-


le Fehlbesiedlung denken, dann Glukose-H2-Atemtest durchführen.
548  14 Dünndarmfunktionsdiagnostik

14.1.5 Fruktose-H2-Atemtest
Testprinzip Bei reduzierter Aufnahme von Fruktose erfolgt der Transport bis ins Kolon mit
nachfolgender H2-Exhalation.

Indikation Verdacht auf Fruktosemalabsorption (nicht zu verwechseln mit hereditärer Fruk-


toseintoleranz: stellt absolute Kontraindikation für Fruktose-H2-Atemtest dar,
kann zu schweren Hypoglykämien führen); Laktoseintoleranz, die sich durch Diät
nicht bessert, Reizdarmsyndrom.

Vorbereitung ██ Vorbereitung: s. Kap. 14.1.1, Grundlagen


und Durch­ ██ Durchführung: Empfohlen werden 25 oder 50 g in 300 ml Wasser, H2-Messung
führung alle 15–20 min über 3 h

Befund­ Anstieg der H2-Exhalation >20 ppm ist pathologisch, jedoch nur mit Auftreten ab-
interpretation domineller Symptome.

Fehlerquellen Siehe Kap. 14.1.1, Grundlagen. Frühzeitiger H2-Anstieg bei bakterieller Fehlbesied-
lung, Dünndarmerkrankungen oder beschleunigtem Transit.

Tipps und Tricks Fruktose wird über GLUT-5 resorbiert. Sorbit hemmt, Glukose fördert Absorption.
Daher wird Saccharose häufig vertragen. Therapeutischer Hinweis: Äpfel und Bir-
nen beinhalten am meisten Fruktose.
Pathologische H2-Exhalation klinisch nur relevant, wenn gleichzeitig Abdominal-
symptome bestehen.

14.2 Fäkale Alpha1-Antitrypsin-Clearance

Testprinzip Alpha1-Antitrypsin wird intakt in das Darmlumen sezerniert (Molekülgröße ent-


spricht der von Albumin); da Alpha1-Antitrypsin ein Akutphase-Protein darstellt
und Serum- und Stuhl-Konzentrationen starken Schwankungen unterworfen sind,
erfolgt die Messung der fäkalen Clearance in Relation zur Serumkonzentration;
bei enteralem Proteinverlust entspricht die Alpha1-Antitrypsin-Clearance dem Ei-
weißverlust.

Indikation Hypoproteinämie (Hypalbuminämie) nach Ausschluss anderer Ursachen wie man-


gelnde Eiweißzufuhr, mangelnde Albuminsynthese der Leber (Leberzirrhose) und
renaler Proteinverlust: Verdacht auf fäkalen Proteinverlust, Eiweißverlust-Entero-
pathie. Nur noch sehr selten durchgeführter Test, wenn Hypoproteinämie oder Di-
arrhö ursächlich anderweitig nicht diagnostizierbar sind.

Durchführung Komplette Stuhlsammlung über 72 h, Bestimmung der Alpha1-Antitrypsin-Aus-


scheidung, Messung von Alpha1-Antitrypsin im Serum (nur in Speziallabors, dort
Rücksprache halten).

Normalwerte Normal: <24 ml/Tag ohne Diarrhö, <56 ml/Tag mit Diarrhö.

Befund­ Bei ausgeprägtem Eiweißverlustsyndrom Werte bis >200 ml/Tag möglich.


interpretation
14.3 Dünndarmmanometrie  549

Fehler­
██ Diarrhö
möglichkeiten
██ pH <3,5 im Magen degradiert Alpha1-Antitrypsin (daher nur bedingt verwertbar
bei Morbus Ménétrier)
██ Blut im Stuhl führt zu falsch hohen Alpha1-Antitrypsin-Werten
██ unterscheidet nicht zwischen gastralem und intestinalem Eiweißverlust

Tipps und Tricks da aufwendige Untersuchung, die nur in wenigen Labors durchgeführt wird, zu-
nächst Ausschluss anderer Ursachen, vorher immer Dünndarm- bzw. Magenbiop-
sie durchführen
██ zur Bestimmung der Alpha1-Antitrypsin-Clearance bei Morbus Ménétrier sollte
ein H2-Rezeptor-Blocker zur Verhinderung der Alpha1-Antitrypsin-Degradation
durch Magensäure gegeben werden

Literatur Strygler B et al. α1-Antitrypsin excretion in stool in normal subjects and in patients with gastrointestinal
disorder. Gastroenterology 1990; 99: 1380–1387

14.3 Dünndarmmanometrie

Indikation Verdacht auf Motilitätsstörungen des Dünndarms, insbesondere chronisch intes-


tinale Pseudoobstruktion (CIPO). Unterscheidung zwischen intestinalen Neuropa-
thien, Myopathien und mechanischer Obstruktion.

Durchführung Platzieren einer Mehrkanal-Druckaufnehmersonde in das Jejunum, Aufzeichnung


nüchtern und postprandial über 24 h.

Interpretation Neuropathien: normale Amplitude der Kontraktionen, Bursts oder anhaltend


unkoordinierte Kontraktionen, fehlende Konversion zu postprandialer Motilität.
Myopathien: niedrige Kontraktionsamplituden; mechanische Obstruktion: riesige
Amplituden.

Literatur Keller J et al. IntestinaleMotilitätsstörungen (S3-Leitlinie der DGVS). Z Gastroenterol 2011; 49: 374–390
Seidl H. et al. Chronisch intestinale Pseudoobstruktion. Z Gastroenterol 2008; 46: 704–711
Wissenswertes
  553

15 Enterale und parenterale Ernährung


I. Koop

15.1 Einleitung

Eine bedarfsgesteuerte Ernährung dient der Aufrechterhaltung der gesamten Kör-


perfunktionen, Vorbeugung bzw. Ausgleich von Mangelzuständen, Therapie und
Therapieunterstützung im Krankheitsfall. Ist die orale Nahrungsaufnahme nicht
ausreichend möglich, sollte frühzeitig über eine partielle oder totale enterale (Son-
den-) Ernährung oder parenterale Ernährung entschieden werden. Grundsatz: En-
terale Nahrungszufuhr hat Vorrang vor parenteraler Ernährung („when ever the
gut works – use it“). Dies gilt insbesondere auch für Patienten mit fortgeschrit-
tenen Lebererkrankungen, akuter Pankreatitis, bei neurologischen Erkrankungen
mit Dysphagie sowie für ältere Menschen im akuten Krankheitsfall, bei denen sich
die Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme akut und vorübergehend dramatisch ver-
schlechtern kann.
Eine Abschätzung des Ernährungsstatus kann über das Subjective Global Assess-
ment erfolgen.

15.2 Enterale Ernährung

Definition Enterale Ernährung bezeichnet die Applikation (künstlicher) Nahrung direkt in


den Magen oder Dünndarm mittels Sonde.
Daneben gibt es vollbilanzierte Trinklösungen, die als Zusatznahrung bei chroni-
scher Mangelernährung verabreicht werden können, wenn die Aufnahme fester
Speisen Schwierigkeiten bereitet.

Ziel Voll bilanzierte Ernährung über den Magen-Darm-Trakt. Das Ziel kann eine par-
tielle oder ausschließliche, eine vorübergehende oder dauerhafte enterale Sonde-
nernährung sein.
Im Vergleich zu parenteraler Ernährung ist die enterale Applikation der einfachere
Zugangsweg für Nährstoffe und Medikamente verbunden mit weniger Komplika-
tionen, Aufrechterhaltung der Darmintegrität mit Mukosabarriere und geringeren
Kosten. Bei Komplikationen durch enterale Sondenernährung oder Kontraindikati-
onen ist eine parenterale Ernährung (s. u.) indiziert.

Indikation Bei Patienten, die nicht essen/trinken können bzw. nicht essen/trinken wollen (ins-
für enterale besondere Patienten mit Demenz) ist unter Beachtung der Grunderkrankung, de-
Sonden­ ren Dauer und Prognose, der Entscheidungsfähigkeit des Betroffenen und unter
ernährung Einbeziehung des sozialen Umfelds über die Indikation zu entscheiden (auch Pati-
entenverfügung mit Aussagen über „künstliche Ernährung“ beachten).
554  15 Enterale und parenterale Ernährung

Vorausset­
██ ausreichende Funktionsfähigkeit des Magen-Darm-Trakts
zungen für
██ gefahrlose Anlage einer Sonde: nasogastral, nasojejunal, perkutane endoskopi-
enterale sche Gastrostomie (PEG) oder perkutane enterale Jejunostomie (PEJ); s. „Wahl
Sonden­ der Applikationsart“
ernährung
Erkrankungen, neurologische Schluckstörungen: Morbus Parkinson, zerebraler Insult, zerebrale
██

die enterale Tumoren, Schädel-Hirn-Trauma, andere Hirnschädigungen, Demenz (limitierte


Sonden­ Indikation, meist im Rahmen akuter Erkrankung und damit verbundener akuter
ernährung und vorübergehender Verschlechterung der Nahrungsaufnahme)
erforderlich Schluckstörungen durch Mund- oder HNO-Tumoren, Ösophagustumoren, wäh-
██

machen können rend/nach Bestrahlung in diesem Bereich


(Auswahl) Passagestörung im Gastrointestinaltrakt: Ösophagus-, Magentumoren, inkom-
██

plette Stenosen im Dünndarm (Morbus Crohn, Peritonealkarzinose u. a.)


Malabsorption, stoffwechselbedingte Mangelernährung, entzündliche Erkran-
██

kungen: Kurzdarmsyndrom, Leberzirrhose, Morbus Crohn, akute Pankreatitis


intensivmedizinisch betreute Patienten mit Beatmung
██

Wichtig: In jedem Fall individuelle Entscheidung mit und für den Betroffenen!

Kontra­ Gegen enterale (Sonden-)Ernährung:


indikationen ██absolut: mechanischer Ileus
██relativ: gastroösophagealer Reflux, Aspirationsgefahr, Motilitätsstörung
Gegen PEG/PEJ:
██absolut: keine Diaphanoskopie
██relativ: Magenkarzinom, Aszites, Peritonealkarzinose, Zustand nach ausgedehn-
ten Oberbauch-Laparatomien, Peritonealdialyse, stark limitierte Lebenserwar-
tung

Wahl der Orale Zusatznahrung:


­Applikationsart ██Geriatrie: bei Multimorbidität, z. B. nach Schenkelhalsfraktur oder in Rekonva-
leszenz, kann durch 2–300 ml (300 kcal, 20 g Eiweiß) einer Trinknahrung das
Behandlungsergebnis deutlich verbessert werden.
██Niereninsuffizienz/Dialyse: Trinknahrung mit niedrigem Phosphatgehalt (z. B.
2-mal 125 ml Renilon 7,5)
Abhängig von geplanter Dauer der enteralen Sondenernährung:
██voraussichtliche Dauer <30 Tage: nasogastrale oder nasojejunale Ernährungs-
sonde
██längerfristige Sondenernährung geplant: PEG oder PEJ
Gastrale versus jejunale (oder tief duodenale) Platzierung des Sondenendes:
██pro gastral: Patient wach, Schluckreflex erhalten, wenig gastroösophagealer Re-
flux, erhaltene Magenperistaltik, keine Stenose im Bereich des Magenantrums/
Duodenums, auch intubierter Patient mit erhaltener Magen-Darm-Peristaltik
██pro jejunal: falls durch gastrale Ernährunghohe Aspirations- und Pneumoniege-
fahr vorliegt, Patient komatös, Schluckreflex nicht erhalten, große ösophageale
Hernie mit Reflux, Thoraxmagen, gestörte Magenperistaltik, Stenose im Bereich
des Magenantrums/Duodenums

Durchführung Nasogastrale Sonde:


██lokales Anästhesiegel in das gewählte Nasenloch, langsames horizontales Vor-
schieben einer handelsüblichen 8- oder 10-Ch-Ernährungssonde, nach Lagekon-
trolle mittels Luftinsufflation und Entfernen des Mandrins ist sofortige Flüssig-
keitszufuhr möglich, bei fraglich richtiger Lage sollte Röntgenkontrolle erfolgen
15.2 Enterale Ernährung  555

██ Infusionsgeschwindigkeit und -menge:


–– als Bolus à 200–300 ml 6- bis 10-mal pro Tag
–– Infusion per Schwerkraft oder
–– kontinuierliche Infusion mit Pumpe: 50–150 ml/h

Nasojejunale Sonde:
██wie nasogastral, unter Röntgendurchleuchtung langsames Vorschieben der Son-
de bis in das aszendierende Duodenum bzw. in die 1. Jejunumschlinge; Prokine-
tikum kann hilfreich sein (Metoclopramid 10 mg i. v.); alternativ: endoskopische
Platzierung
██Infusionsgeschwindigkeit und -menge: immer als kontinuierliche Infusion mit
Pumpe: 1. Tag: 20 ml/h, jeden Tag um 20 ml/h steigern bis zur gewünschten
Kalorien- und Flüssigkeitszufuhr oder bis Nebenwirkungen (Durchfall, Bauch-
schmerzen) auftreten (aufgrund der hohen Osmolalität der Sondennahrung ist
langsame Steigerung von Volumen und Kalorienmenge notwendig), maximal
120 ml/h
██Bei Intensivpatienten/Beatmung: Mehrlumensonde mit Möglichkeit des Ablaufs
von Mageninhalt und – bei vorhandener Dünndarmperistaltik – gleichzeitiger
jejunaler Nahrungsapplikation

PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie):


██handelsübliche PEG-Sets, Anlage entsprechend der Gebrauchsanweisung; PEG
sollte nur von in der Endoskopie Erfahrenen angelegt werden; Antibiotikapro-
phylaxe vor PEG-Anlage empfohlen (s. u.). Eine PEG kann über Jahre in situ ver-
bleiben, Wechsel nur bei Undichtigkeit, schwerer nicht beherrschbarer Lokalin-
fektion, „burried bumper“ (s. u. Probleme und Komplikationen)
██Beginn der Infusion: 2–4 h nach PEG-Anlage; Infusionsgeschwindigkeit und
-menge (Beispiel):
–– 1. Tag: 500 ml Tee in 4–6 h
–– 2. Tag: 1000 ml Tee/Sondennahrung
–– 3. Tag: 1500 ml Sondennahrung/Tee
–– 4. Tag: 2000 ml Sondennahrung/Tee und mehr, falls notwendig

Jejunale Sondenanlage über die PEG:


██ Indikation s. o.; zunächst Anlage einer großlumigen PEG, durch PEG wird Dünn-
darmsonde mit endoskopischer Führung gelegt
██ Infusionsgeschwindigkeit und -menge: siehe nasojejunale Sonde

PEJ (perkutane endoskopische Jejunostomie):


██selten erforderlich, Nachteil: langes Gastroskop/Intestinoskop oder Kinderkolos-
kop erforderlich, falls Magen/Duodenum intakt
██Indikation: nach Magenresektion, Magenausgangsstenose (Magenentleerungs-
störung, Aspirationsgefahr: vorzugsweise PEG mit jejunaler Sondenplatzierung)
██Infusionsgeschwindigkeit und -menge: siehe nasojejunale Sonde

Wichtig: chirurgische oder radiologische Anlage einer Gastro- oder Jejunostomie


möglich, aber selten erforderlich!

PEG/PEJ-Infek­ Immer durchführen. Relative und absolute Risikoreduktion der Wundinfektion


tionsprophylaxe durch einmalige i. v.-Gabe eines Breitspektrum-Antibiotikums 30 min vor PEG-An-
lage um 64 % bzw. 10 %.
556  15 Enterale und parenterale Ernährung

PEG und Wenig kontrollierte Untersuchungen; standardisierter Fragebogen ergab 55 % Zu-


Lebensqualität friedenheit bei Betroffenen, 80 % Zufriedenheit bei Betreuern, Zufriedenheit kor-
relierte nicht mit Ernährungszustand; prädiktiver Voraussagewert für geringere
Überlebenswahrscheinlichkeit: höheres Alter, aber nicht Geschlecht, physische
oder kognitive Funktionen.

Probleme und Enterale Sondenernährung:


Komplikationen ██allgemein:
–– Diarrhö durch Sondennahrung: lässt sich häufig beheben durch Wechsel des
Präparats (Austausch einer Lösung mit langkettigen [LCT] gegen Lösung mit
mittelkettigen Triglyzeriden [MCT], Reduktion der Kaloriendichte, Reduktion
der Osmolalität, Präparat eines anderen Herstellers) und/oder durch Redukti-
on der Einlaufgeschwindigkeit; ggf. gastrale Applikation erwägen
–– Okklusion der Sonde durch mangelnde Pflege (Spülung mit Wasser bzw. un-
gesüßtem Tee stets erforderlich), durch Applikation nicht fein gemörserter
Medikamente (Angaben des Medikamentenherstellers beachten!)
██nasogastral:
–– Sondendislokation: insbesondere bei Erbrechen, starkem Husten, akzidentell
oder intendiert durch Patienten → Aspirationsgefahr!
–– Aspiration bei Nichtbeachtung der Wahl der Applikationsart
–– Nasenbluten, Druckulzera im Nasen-/Rachenraum (nur bei längerer Sonden-
lage)
–– Via falsa, bronchiale Intubation
–– psychische Belastung
██nasojejunal: Sondendislokation in den Magen bei Erbrechen, akzidentell → As-
pirationsgefahr

PEG/PEJ:
██Aspirationsgefahr bei Nichtbeachtung der Wahl der Applikationsart
██Infektion im Bereich der Sondendurchtrittsstelle, Leckage an der Mageneintritts-
stelle, Peritonitis: Indikation für Entfernung der PEG/PEJ!
██Langzeitkomplikation: Einwachsen der PEG-Halteplatte in die Magenwand und
Okklusion der Sonde: „burried bumper“. Die eingewachsene Halteplatte kann
meistens endoskopisch mit Nadelmesser/Papillotom u. ä. herausgeschnitten
werden, ansonsten chirurgische Entfernung

Wahl der Vollbilanzierte handelsübliche Ernährungslösungen: komplett angereichert mit


Ernährungs­ Vitaminen und Spurenelementen, nahezu alle laktosefrei, glutenfrei; in der Regel
lösung 1 kcal/ml
██Variationen: Zusammensetzung der Energieträger, ballaststofffrei/-reich, lang-
kettige (LCT) oder mittelkettige Triglyzeride (MCT), hochkalorisch: 1,5 kcal/ml
(wenn reduzierte Flüssigkeitszufuhr erwünscht)
██Sonderformen (insgesamt selten indiziert, in der Regel teurer als Standardlö-
sung):
–– Oligopeptidlösung: fast vollständig aufgeschlüsseltes Eiweiß, u. U. beim Kurz-
darmsyndrom indiziert, hohe Osmolalität
–– renal: reduzierter Eiweißgehalt, reduzierter Elektrolytgehalt
–– Diabetes: ballaststoffreich: nur sinnvoll bei Patienten mit sehr starken Blut-
zuckerschwankungen oder mit Ziel der normoglykämischen Blutzuckerein-
stellung (bei PEG-Trägern selten erforderlich, da Lebenserwartung meistens
stark limitiert)
–– hepar: höherer Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren
15.3 Parenterale Ernährung  557

Kalorienzufuhr: bei ausschließlicher Sondenernährung: 25–45 kcal/kg KG je nach


Anforderung (Kalorienverbrauch/-bedarf, intendierte Gewichtszunahme)
Cave: selbst hergestellte pürierte Kost ist obsolet (Mangelernährung)!

15.3 Parenterale Ernährung

Definition Komplette oder partielle Nährstoff- und Flüssigkeitsapplikation über einen peri-
pheren oder in der Regel zentral liegenden Venenkatheter.

Indikation ██ Überbrückung eines akuten Krankheitszustands, wenn enterale Ernährung nicht


möglich oder nicht erwünscht ist bzw. wenn Mangelernährung droht, die über
Nährstoffapplikation via periphere Verweilkanüle nicht zu kompensieren ist
██ gastrointestinale Indikationen: enterische Fisteln mit hoher Sekretion; mecha-
nische partielle bzw. subtotale Darmobstruktion, wenn Operation verzögert
oder nicht gewollt; schwere Mukositis; postoperativer prolongierter Ileus; Kurz-
darmsyndrom, Strahlenenteritis; Motilitätsstörungen des Darms
██ langzeitparenterale Ernährung, heimparenterale Ernährung: Kurzdarmsyndrom

Vorgehen ██ Zeitpunkt für Beginn der parenteralen Ernährung festlegen (wenn Vorteile grö-
ßer als Risiken und Nachteile), Notwendigkeit der parenteralen Ernährung im
Verlauf überprüfen
██ Ort der Applikation:
–– periphere Verweilkanüle: Limitation sind Venentoxizität durch Glukose-,
Elektrolyt- und/oder Aminosäurelösungen. Maximal 1000 kcal/24 h appli-
zierbar, Haltbarkeit der Kanüle <3 Tage
–– zentraler Venenkatheter: V.jugularisinterna (selten externa), V. subclavia
–– implantierter Venenkatheter (Port-Katheter)
██ Festlegung der gewünschten Volumen- und Kalorienmenge (28–32 kcal/kg
KG/24 h)
██ Auswahl der Präparate: bevorzugt All-in-one-Systeme (Mehrkammerbeutel)
–– Protein: Beginn mit 0,8 g/kg KG/24 h, Schwerstkranke bis 1,5 g/kg KG/24 h.
Bei kritisch Kranken ab dem 5. Tag der parenteralen Ernährung Glutaminzu-
satz (0,3–0,6 g/kg KG/24 h)
–– Kohlenhydrate: 3–4 g/kg KG/24 h Glukose, maximal 5 g/kg KG/24 h bei
Schwerstkranken.
–– Fett: 1 g/kg KG/24 h, niedriger Anteil an n-6 ungesättigten Fettsäuren
–– Elektrolytausgleich
–– Vitamine: vom ersten Tag an Cernevit 5 ml tgl. (plus Konakion 5 mg 1-mal/
Monat); alternativ Vitalipid N Adult oder Frekavit fettlöslich 10 ml tgl. plus
Soluvit N Adult oder Frekavit wasserlöslich 10 ml tgl.
–– Spurenelemente: vom ersten Tag an Addel N oder Tacitrans plus oder Tracutil
tgl. 1-mal
██ Monitoring möglicher Komplikationen

Risiken und ██ zentraler Venenkatheter: Komplikationen bei Katheteranlage (Pneumothorax,


Komplikationen Herzrhythmusstörungen; Fehllage in kleiner Vene, arterielle Punktion, lokales
Hämatom; Nervenschädigung, Luftembolie); lokale Infektion, Kathetersepsis;
katheterinduzierte Venenthrombose, katheterinduzierte Herzrhythmusstörun-
gen bei Dislokation
██ periphere Verweilkanüle: lokale Infektion, Thrombophlebitis, kurze Haltbarkeit
der Venen (2–3 Tage), nicht anwendbar bei schlechten Venenverhältnissen; nur
558  15 Enterale und parenterale Ernährung

Lösungen mit niedriger Osmolalität verwendbar (höhere Osmolalität venento-


xisch, insbesondere Kohlenhydrate, Elektrolyte, Aminosären- Fettlösungen über
periphere Kanüle gut verträglich!), dadurch hohe Volumina erforderlich, prob-
lematisch bei Herz- und Niereninsuffizienz
██ metabolisch: Elektrolytverschiebungen, Hyperglykämie, Volumenüberladung,
Fettleber mit Transaminasenerhöhung und Cholestase, selten allergische Reak-
tionen

Literatur Schütz T et al. Subjective Global Assessment – eine Methode zur Erfassung des Ernährungszustands. Aktuel
Ernähr Med 2005; 30: 43–48
ESPEN-Leitlinien enterale Ernährung – Zusammenfassung. Aktuel Ernähr Med 2006; 31: 196–210 www.
dgem.de/material/pdfs/ESPEN_LL_deutsch.pdf
Koletzko B et al. Leitlinie parenterale Ernährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin . Aktuel
Ernähr Med 2007; 32(1): S1–S133
Plauth M. Parenterale und enteraleErnährung. Gastroenterologie up2date 2010; 6: 133–148
Löser K. Perkutane endoskopische Gastrostomie. http://www.dgvs.de/media/5.2.PEG.pdf
  559

16 Prophylaxe und Therapie spezieller


gastrointestinaler Symptome im
Rahmen onkologischer Erkrankungen
und Therapien
I. Koop

16.1 Orale Mukositis, Diarrhö

Vorkommen Medikamentöse Therapie mit 5-FU, Methotrexat, Epirubicin u. a.


Orale Mukositis: Chemotherapie (insbesondere Hochdosis, aber auch 5-FU, Antra-
zykline u. a.), lokale Strahlentherapie
Diarrhö: 5-FU (bei Bolus > bei kontinuierlicher Infusion >Capecitabine), Irinotecan,
Dasatinib, Erlotinib, Imatinib, Sunitinib, Sorafenib, Bevacizumab, Cetuximab, Pani-
tumumab); Strahlentherapie, Stammzelltransplantation.

Klinische ██ entzündliche, meist sehr schmerzhafte Veränderungen der Schleimhäute des


Charakteristika Oropharynx, Ösophagus, Magen-Darm-Trakts; stark schmerzhaft im Oropharynx
und Ösophagus; Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie Schlucken behin-
dert bis unmöglich
██ Diarrhö, wässrig und/oder blutig, Exsikkose, Abdominalschmerzen bei Mukosi-
tis im unteren Verdauungsbereich

Orale Mukositis: Stadieneinteilung (nach RTOC/EORTC) (Tab. 16.1).

Diagnostik Abklärung Mund-Soor (Candida)


Diarrhö: andere Ursachen wie Clostridium difficile, andere enteropathogene Kei-
me (s. Kap. 4.13.1, Akute infektiöse Enteritis), CMV; Sonografie zur Darm-/wand-
beurteilung

Prophylaxe ██ Zahnsanierung, Entfernung von Zahnstein, Zahnecken etc., Parodontitisbehand-


lung vor Beginn einer Chemotherapie
██ häufige Mundspülungen, z. B. Salbeitee (kein Kamillentee wegen möglicher Ver-
stärkung der Xerostomie)
██ weiche Zahnbürste, milde Zahnpasta, Mundwasser ohne Alkohol
██ Intensivierung der Mundhygiene: elektrische Zahnbürste, cave: Fädeln und
Munddusche; ggf. professionelle Hilfe

Tab. 16.1 Grad/Stadium


Stadieneinteilung
Grad I Geringe Rötung
der Mukositis
(nach RTOC/ Grad II Fleckförmige Mukositis, evtl. Aphthen
EORTC).
Grad III Konfluierende fibrinöse Mukositis, evtl. Aphthen

Grad IV Ulzerationen, Nekrose, Spontanblutung

Sonderform ANUG Akut nekrotisierende ulzeröse Gingivitis


560  16 Prophylaxe und Therapie spezieller gastrointestinaler Symptome

██ vor 5-FU-Bolustherapie: mundgerecht abgerundete, nicht an der Schleimhaut


klebende, leicht angetaute Eiswürfel 5 min vor, während und 5 min nach Bolus-
gabe angewendet
██ Meiden scharfer und saurer Speisen, Nikotin, Alkohol
██ Lippenpflege mit fetthaltigen Pflegestiften

Therapie Orale Mukositis: Ausreichende Analgetikagabe lokal und/oder systemisch!


██Grad I: geringe Rötung der Mund- und Wangenschleimhaut (keine Aphthen, kei-
ne Ulzera):
–– Präventionsmaßnahmen steigern
–– ggf. Antimykotika
██akute und akut exazerbierte, bakterielle Gingivitis und Parodontitis:
–– Zähneputzen trotz Zahnfleischbluten!
–– Intensivierung parodontaler Hygiene (Putztechnik, Fädeln etc.)
–– ggf. gezielte Antibiotika
██Grad II: fleckförmige Mukositis, evtl. Aphthen (keine Ulzera):
–– lokale Analgetika
–– passierte Kost
–– ggf. Antimykotika, Antibiotika bei Superinfektion
██Grad III: konfluierende, fibrinöse Mukositis, evtl. Aphthen (keine Ulzera):
–– systemische Analgetika
–– flüssige Kost und Sicherstellung einer ausreichenden Nahrungszufuhr
–– Antimykotika, Antibiotika
██akute nekrotisierende ulzeröse Gingivitis (ANUG):
–– professionelle Unterstützung der Mundhygiene mehrfach täglich
–– vorsichtiges Abtragen der Nekrosen
–– professionelle Anleitung zur wenig invasiven, effizienten Zahnreinigung
–– Antibiotika/Antimykotika
██Grad IV: Ulzeration, Nekrose, Spontanblutung:
–– starke systemische Analgetika
–– Meiden oraler Kost (nasogastrale Sonde, PEG oder parenterale Ernährung)
–– Antimykotika, Antibiotika
–– ggf. Unterbrechung onkologischer Therapie

Diarrhö:
██Flüssigkeitszufuhr (u. U. intravenös), Elektrolytausgleich, Loperamid per os, bei
intraktablen Diarrhöen Octreotid (z. B. 2- bis 3-mal 50–100 μg/Tag s. c.), evtl.
Opiumtinktur z. B. 3-mal 5–15 °##; Vermeidung saurer, fetthaltiger und ballast-
stofreicher Speisen, Alkohol, Koffein, Milch, keine Prokinetika.
██Stationäre Behandlung indiziert bei intraktablen Diarrhöen, Exsikkose, man-
gelnde Nahrungs-/Flüssigkeitszufuhr
██Patienten mit Diarrhöen und Neutropenie sind besonders gefährdet

Literatur http://www.krebsgesellschaft.de/download/ll_o_09.pdf
Preiß JC et al. Onkologie 2011/12. Zuckschwerdt-Verlag. Unentgeltlicherhältlich unter www.ribosepharm.de
Andreyev HJN et al. Practice guidance on the management of acute and chronic gastrointestinal problems
arising as a result of treatment for cancer. GUT 2012; 61: 179–192
16.2 Nausea und Emesis  561

16.2 Nausea und Emesis

Definition/ ██ akutes Erbrechen: innerhalb 24–48 h nach Chemotherapie


Einteilung ██ verzögertes Erbrechen: Beginn 12–24 h nach Chemotherapie, Dauer bis zu 5 Ta-
gen (häufig Cisplatin)
██ antizipatorisches Erbrechen/Übelkeit: „Erwartungserbrechen“ nach vorausge-
gangener Chemotherapie mit Erbrechen (unbedingt zu vermeiden, da schlecht
therapierbar)

Ätiologie und ██ Erbrechen durch Störungen im Bereich des gesamten Gastrointestinaltrakts:


Pathogenese Stenosen, Motilitätsstörungen, Peritonealkarzinose, Infiltration des Plexus coeli-
acus und anderer Nervenstrukturen, Ikterus, entzündliche und raumfordernde
Prozesse
██ zentrales Erbechen: Reizung des Brechzentrums, der Chemorrezeptor-Trigger-
zone durch Chemotherapeutika oder Analgetika (z. B. Morphin)
██ psychogenes Erbrechen: antizipatorisches Erbrechen nach bereits erfolgtem,
durch Chemotherapie induziertem Erbrechen

Risikofaktoren Emetogenes Potenzial des Chemotherapeutikums; subjektiv: vorausgegangener


geringer, regelmäßiger Alkoholkonsum, weibliches Geschlecht, Alter <35 Jahre,
vorbestehende Reisekrankheit, Chemotherapie, Übelkeit.
Emetogenes Potenzial von i. v.-Chemotherapeutika:
██hoch (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe >90 %): Cisplatin, Carmustin,
BCNU, Cyclophosphamid (>1500 mg/m2), Antrazykline (in Kombination mit an-
deren Zytostatika), Dacarbazin(DTIC), Dactinomycin, Actinomycin D, Lomustin,
Mechlorethamin, Pentostatin, Streptozotocin, jede Hochdosis-Chemotherapie
██moderat (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe 30–90 %): Altretamin,
Carboplatin, Cyclophosphamid (<1500 mg/m2), Cytarabin (>1 g/m2), Daunoru-
bicin, Doxorubicin, Epirubicin, Idarubicin, Ifosfamid, Irinotecan, Melphalan i. v.,
Mitoxantron (>12 mg/m2), Oxaliplatin, Treosulfan, Trabectedin
██gering (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe 10–30 %): Asparaginase,
Bortezomib, Capecitabine, Cetuximab, Cytarabine (<1 g/m2), Docetaxel, Eto-
posid i. v., 5-Fluoruracil, Gemcitabin, Methotrexat (>100 mg/m2), Mitoxantron
(<12 mg/m2), Paclitaxel, Pegasparaginase, Pemetrexed, Teniposid, Thiopeta, To-
potecan, Trastuzumab
██minimal (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe <10 %): Bleomycin, Beva-
cizumab, Busulfan, Chlorambucil, Cladribine, Cytarabin (<100 mg/m2), Flu-
darabin, Hormone, Hydroxyurea, Interferone, Mercaptopurine, Methotrexat
(<100 mg/m2), Thioguanin, Vinblastin, Vincristin, Vinorelbin

Prophylaxe Bei Mehrfach-Chemotherapie: Präparat mit höchstem emetischen Potenzial ist


(Tab. 16.2) entscheidend, keine additiven Effekte; Einmalgabe des Antiemetikums pro Tag,
orale Applikation gleich wirksam zu i. v. Gabe.
Ziel der Therapie: Zustand ohne Übelkeit!

Therapie­ Zusätzlich: Metoclopramid 2- bis 3-mal 10 mg; Olanzapin (Zyprexa) 1-mal


versagen 5–20 mg; Lorazepam 1–2 mg; Haldol 1- bis 2-mal 1 mg p. o. oder als Kurzinfusion
(5 mg); Atosil 1- bis 3-mal 20 Tropfen oder 50 mg Kurzinfusion; Dephenhydramin,
Dronabinol.
562  16 Prophylaxe und Therapie spezieller gastrointestinaler Symptome

Tab. 16.2 Akute Phase (bis 24 h nach Verzögerte Phase (ab Stunde 24 bis Tag 5
Emesisprophy­ Chemotherapie) nach Chemotherapie)
laxe.
Verabreichung der Prophylaxe vor Beginn
der Chemotherapie

Emetogenes Potenzial hoch

5-HT3-Rezeptorantagonist (5-HT3-RA)
●●Granisetron 2 mg p. o./1 mg i. v.
●● Ondansetron 16–24 mg p. o./8 mg i. v.
●● Tropisetron 5 mg p. o. i. v.
●● Dolasetron 200 mg p. o./100 mg i. v.
●● Palonosetron 0,25 mg i. v.

+ Dexamethason 12 mg p.o/i. v. Dexamethason 8 mg p. o. i. v. für 3 Tage


+ Neurokinin-1-Rezeptorantagonist +Neurokinin-1-Rezeptorantagonist
Aprepitant 125 mg p. o.

Emetogenes Potenzial moderat

5-HT3-Rezeptorantagonist (Dosis s. o.) + Dexamethason 8 mg p. o. i. v. für 2 Tage


Dexamethason 8 mg p. o. i. v. oder alternativ (nicht 1. Wahl):
5-HT3-Rezeptorantagonist (Dosis s. o.)
oder alternativ (nicht Bestandteil der MA­
SCC- und ASCO-Guidelines):
Metoclopramid 3- bis 4-mal täglich 30–40
Tropfen

Emetogenes Potenzial gering

●● Dexamethason 8 mg p. o. i. v.
●● keine Routineprophylaxe

Emetogenes Potenzial minimal

●● keine Routineprophylaxe

Literatur http://www.krebsgesellschaft.de/download/ll_o_03.pdf
Matzdorff, A. J et al. Onkologie 2012/13 – InterdisziplinäreEmpfehlungenzurTherapie. Zuckschwerdt-Verlag.
www.ribosepharm.de

16.3 Gastrointestinale Obstruktion

Siehe a. Kap. 1.14, Obstipation und Kap. 4.31, Mechanischer Ileus.

Ursachen Mechanisch (50 % bei gastrointestinalen Tumoren, 95 % bei gynäkologischen Tumo-


ren), neuronal (Infiltration des Plexus coeliacus), ZNS-Metastasierung, Pseudoobs-
truktion, Linitis plastica, Peritonealkarzinose.

Diagnostik Anamnese, Sonografie, Röntgen-Abdomen, evtl. CT, Gastrografin-Einlauf oder Ma-


gen-Darm-Passage mit Gastrografin.
Therapie
██ OP-Indikation prüfen, cave Kontraindikationen: in situ nachgewiesene Metasta-
sierung, Motilitätsprobleme durch diffuse Peritonealkarzinose, schnell nachlau-
16.4 Sonstiges  563

fender Aszites, diffuse tastbare Tumormassen; relative KI: weit fortgeschrittenes


Tumorleiden, schlechter Ernährungszustand/Kachexie, vorausgegangene Radia-
tio des Beckens, schlecht kontrollierbare anderweitige Symptome
██ Laxanzien, Prokinetika
██ voluminöses Erbrechen: Indikation für PEG-Ablaufsonde prüfen (Patient kann
weiter trinken, bei Mundtrockenheit wichtig – Lebensqualität)

16.4 Sonstiges

██ Ernährungstherapie: Wunschkost (Vollkost), individuelle Beratung, Trinknah-


rung anbieten, ggf. parenterale Ernährung; Indikation zur (vorübergehenden)
PEG-Anlage prüfen: Ösophagusbestrahlung, zu erwartende starke Mukositis;
grundsätzlich Standardnahrung
██ Schmerztherapie: nach WHO-Kriterien; cave: Therapie der Nebenwirkungen
auf den Gastrointestinaltrakt
██ psychoonkologische Mitbetreuung

Literatur www.asco.de
www.krebsgesellschaft.de/download/ll_n_04.pdf
564  

Sachverzeichnis
A –– rektaler 212 Aderlass 436, 439
AA-Amyloid 307, 484 –– subphrenischer 32, 407 Adhäsion, Dünndarm­
AAPC s. Polyposis, adenomatöse, Abwehrspannung, obstruktion 288
familiäre, attenuierte 244 abdominelle 35, 282 Adipositas 469
Abdomen Acetylcystein 482 Adrenalin 110, 124
–– akutes 31, 35, 40 Achalasie 21, 24, 64, 67 AEG-Tumor 136, 137
––– Diagnostik 36 Achlorhydrie 112, 114, 115, 527, Aerophagie 37, 128, 130
––– Divertikelperforation 282 534 Aethoxysklerol 328
––– entzündlich bedingtes 35 Aciclovir 78, 404, 405 Afferent-loop-Syndrom (Syndrom
––– bei Immunsuppression 37 Acne inversa 324 der zuführenden Schlinge) 146,
––– intoxikationsbedingte 36 ACPO (Akute kolonische 147
––– Ischämie, mesenteriale, Pseudoobstruktion) 293 AFP (α-Fetoprotein) 424, 456,
akute 302 Adalimumab 217 457, 460
––– Magenwandriss, verätzungs­ Addison, Morbus 315 Agammaglobulinämie, X-chromo-
bedingter 144 Adefovir dipivoxil 392 somal assoziierte 314
––– bei Morbus Crohn 215 Adenokarzinom Aganglionose s. Hirschsprung,
––– Ulkusperforation 121 –– anales 331 Morbus
––– Ursache –– Dünndarm 251, 252 Agranulozytose 219, 386
–––– extraabdominelle 36 –– duodenales 252 AIDS 78, 79
–––– retroperitoneale 36 –– gastrales (s. auch Magen­ –– Darmfehlbesiedlung,
–– aufgetriebenes 459 karzinom) 137 bakterielle 165
–– gespanntes 199 –– kolorektales 260 –– Infektion, intestinale 201
–– Perkussion 33 –– ösophageales (s. auch –– Megakolon, toxisches 230
–– überblähtes 286, 289, 293, 294 Ösophagus­karzinom) 82, 88 –– Tumor 275
Abdomensonografie 34, 40, 129, ––– Grading 89 Akanthozytose 237
159 ––– Gruppeneinteilung, Akrodermatitis 167, 212
–– Colitis ulcerosa 224 ­prognostische 90 Akutphaseprotein 421, 548
–– Divertikulitis 282 ––– lokal fortgeschrittenes 90 Alagille-Syndrom 429
–– Gastroenteritis, ––– lokal inoperables 90 AL-Amyloid 307, 484
eosinophile 233 ––– metastasierendes 90 Alaninaminotransferase 382, 385,
–– Ileus, mechanischer 287 ––– Präkanzerose 83 442
–– Ischämie, mesenteriale, ––– Regression 90 Albendazol 195, 197, 202, 415,
­akute 303 ––– TNM-Stadien 89 416
–– Magenkarzinomnachweis 137 –– Pankreas (s. auch Pankreas­ Albumingehalt im Aszites 49
–– bei Malabsorptions­syndrom 167 karzinom) 367 Albuminsubstitution 479
–– Megakolon, toxisches 229 Adenom 239, 241, 258 –– bei Parazentese 476
–– Morbus Crohn 213 –– duodenales 131, 243, 244 Albuminurie 212
–– Zöliakie 208 –– Entartungsrisiko 241 Alkalische Substanz, Ösophagus-
Abdomenübersichts­ –– gastrales 131, 136 verätzung 143
aufnahme 34, 40 ––– endoskopische Schlingen­ Alkalose 381
–– Darmmotilitätsstörung 290 abtragung 132 Alkoholabbau 381, 467
–– Ileus, mechanischer 286 ––– maligne Transformation 131 Alkoholabusus
–– Kolitis, ischämische 306 –– hepatisches s. Leberadenom –– Hepatitis C 398
–– Marker-Technik 107 –– intraepitheliale Neoplasie 240 –– Leberzirrhose 468
–– Megakolon, toxisches 229 –– kolorektales –– Pankreatitis 343, 355
–– postnatale 160 ––– flaches 244 Alkoholdehydrogenase 381
Abdominalorganherniation vor ––– Karzinomrisiko 259 Alkoholhepatitis 467, 482
die Bauchwand 161 –– ösophageales 91 –– anikterische 468
Abetalipoproteinämie 236, 426 –– pankreatisches 373 –– chronische 468
Abszess –– serratiertes 241, 245 –– fulminante 468
–– chirurgische Eröffnung 330 ––– sessiles 241 Allergen 98
–– intraabdomineller 212, 283 –– tubuläres 241 –– Nachweis 321
–– ischiorektaler 330 –– villöses 239, 241 Allergenprovokation,
–– Morbus Crohn 219 Adenom-Karzinom-Sequenz 252, koloskopische 174
–– pelvirektaler 330 258, 368 Allergie 233
–– perianaler 212, 329, 330 Adenomyomatose der Gallen­ –– Soforttyp, Nahrungsmittel­
–– perityphlitischer 276 blase 506 unverträglichkeit 172
Sachverzeichnis  565

Allergische Erkrankung 117 Anale Erkrankung Antazida 73, 76, 111, 116
Allergische Reaktion –– sexuell übertragbare 322 Antibiotikatherapie
–– Askaridenbefall 195 –– virusbedingte 322 –– akute Pankreatitis 351
–– Schistosomiasis 196 Analekzem 320 –– bakterielle Darmfehl­
Allgrove-Syndrom 64 –– atopisches 320 besiedlung 165
ALM (adenoma-like-mass) 228 Analfalten 319 –– Caroli-Syndrom 498
Alopezie 248 Analfissur 326 –– Clostridium-difficile-­
Alpha-1-Antitrypsin –– akute 326, 327 Infektion 187
–– im Serum 421 –– chronische 319, 326, 327 –– Leberabszess 407
–– Substitution 421 Analfistel 329, 330 –– Ösophagogastroduoden­
Alpha-1-Antitrypsin-Clearance –– extrasphinktäre 329 oskopie 61
–– endogene 235, 236 –– Farbmarkierung 329 Antidepressiva 129, 130
–– fäkale 548 –– intersphinktäre 329 –– trizyklische 68
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel 420 –– operative Sanierung 330 Antigen
Alpha-1-Globulin-Fraktion 421 –– submuköse 329 –– karzinoembryonales 460
Alpha-Interferon 518 –– suprasphinktäre 329 –– Nahrungsmittelallergie,
ALT (Alaninaminotransfera- –– transsphinktäre 329 ­Sofort-Typ 172
se) 382, 385, 442 Analkanal 317 Anti-HAV-IgM-Nachweis 384
AMA (antimitochondriale Analkarzinom 330 Anti-HBc 390
­Antikörper) 463 –– kloakogenes 330 Anti-HBc-IgM 386
Amine, biogene –– Lymphknotenbeteiligung 332 Anti-HBe 387, 390
–– Intoleranz 172, 173 –– TNM-Klassifikation 331 Anti-HBs 387
–– Mastozytoseauslösung 176 Analsphinkter 317 Anti-HDV 399, 400
Aminosäuren 154, 379 –– Botulinumtoxininjektion 327 Anti-HDV-IgM 399
Aminosäurenkonzentration im –– Kneifbelastungstest 333 Anti-HEV 401
Serum 424 –– Manometrie 262 Anti-HEV-IgM 401
Aminosäurenstoffwechsel, –– pharmakologische Antihistaminika 176, 464
­Leberfunktion 379 ­Relaxation 327 Anti-HSV-IgM 404
Aminosäurenstoffwechsel­ –– Pressbelastungstest 333 Anti-IgA-Antikörper 314
störung 423 Analthrombose 325 Anti-Interleukin-5-Antikörper,
Amitriptylin 68 Analvenenthrombose 325 monoklonale 99
Ammoniak 381, 482 Anämie 166, 199, 298 Antikoagulation 491
Amöbenabszess der Leber 192, –– aplastische 386 Antikonzeptiva, orale 447, 448, 450
410 –– megaloblastäre 115, 148, 198 Antikörper
Amöbenenteritis 411 –– perniziöse 115 –– antimitochondriale 463
Amöbenruhr 192 –– sideroblastischer 342 –– antinukleäre 462, 463
Amöbiasis 192 Anaphylaxie, Nahrungsmittel­ –– gegen glatte Muskulatur 462,
Amoxicillin 114, 123 allergie 174 463
Amoxicillin/Clavulansäure 165 Anastomose –– monoklonale, gegen
Amphotericin B 80, 203 –– biliodigestive 372 ­Interleukin-5 99
Ampicillin 183 –– ileorektale 245 Anti-Phospholipid-Syndrom 312
Ampullektomie 514 –– jejunokolische 304 Antirefluxoperation 75
Amsterdam-Kriterien, ANCA 313 Antirheumatika, nicht­
kolorektales Karzinom 258 Anderson, Morbus 417, 419 steroidale 299
Amylase 340 Angina abdominalis 304, 305 –– Darmschleimhaut­
Amyloidose 307 Angio-CT 34, 36, 303, 305, 311 schädigung 299
–– dialysebedingte 307 –– Blutungsabklärung 30 –– Ulkusrisiko 124
–– gastrointestinale 144, 307 Angiodysplasie 126, 127 Anti-TNF-α-Therapie 468
–– hereditäre 484 Angiosarkom, hepatisches 459 Antrummühle 103
–– Leberbeteiligung 484 Ankylostoma duodenale 196 Anus, imperforierter 162
–– Magenbeteiligung 144 Ann-Arbor-System, Lym- APC-Gen 243, 244
–– neuromuskuläre 144 phom 256 Aphthen
–– Ösophagusmotilitätsstörung 69 Anodermentfernung 332 –– Behçet, Morbus 230, 231
–– primäre 144, 307 Anonyme Alkoholiker 363 –– orale 560
–– sekundäre 144, 307, 498 Anorektum 317 –– ösophageale 100
ANA (antinukleäre –– Läsion, NSAR-bedingte 300 Apolipoprotein-C-II-­
­Antikörper) 462, 463 –– Schließmuskelsystem 317, 318 Defizienz 345
Analabszess 329, 330 Anorektumerkrankung 43 Appendektomie 277
–– intersphinktärer 330 Anorexia nervosa 346 Appendixkarzinoid 525
–– submuköser 330 Anorexie 49 Appendixkarzinom 272
–– medikamentenbedingte 49 Appendixlumenobstruktion 276
566  Sachverzeichnis

Appendix vermiformis 151, 153 Asthma bronchiale 313 Ballonsonde bei Ösophagus­
Appendizitis 276 –– refluxassoziiertes 72, 73 varizenblutung 62
–– akute 36 Asynchronie, pankreatikozi­ Bannayan-Riley-Ruvalcaba-­
–– atypische 276 bale 538 Syndrom 247
–– gangränöse 276 Aszites 47, 117, 357 Bannayan-Zonana-Syndrom 247
–– perforierte 276, 277 –– bakterieller 477 Bariumschluck 67
–– rezidivierende 277 –– Ernährung 476 Barrett-Epithel 71, 83, 88
–– Schmerzlokalisation 32, 276 –– hepatogener 48, 475 Barrett-Frühkarzinom 83
Aprepitant 562 –– Labordiagnostik 49 Barrett-Ösophagus 71, 76, 80, 82
AP s. Phosphatase, alkalische –– Malabsorptionssyndrom 166 –– DGVS-Leitlinie 83
Arbeitskreis der Pankreat­ –– maligner 372 –– endoskopisch verdächtiger 80
ektomierten 364 –– nephrogener 48 –– Karzinomentstehung 88
Argon-Plasma-Koagulation, –– Neugeborenes 424 –– Klassifikation 80
­endoskopische 110 –– pankreatogener 48 –– mikroskopischer 81
Arias-Syndrom 431 –– peritoneal bedingter 48 –– mit intraepithelialer
Arsenexposition 459 –– Punktion 476 ­Neoplasie 82, 83
Arteria ––– diagnostische 48 Barrett-Ulkus 71
–– gastrica dextra 102 –– tumorbedingter 47 Barron-Gummibandligatur 328
–– gastricoepiploica 102 Atemtest 107 Basalmembran 153
–– gastroduodenalis 102 Atherosklerose 304 Bassen-Kornzweig-Syndrom 426
–– hepatica 378 Atosil 561 Bauchschmerzen 30
––– Aneurysma 492 Atresie, intestinale 159, 160 –– akute 30
––– Verschluss 492 Auerbach-Plexus 103, 151, 153 ––– linksseitige 306
–– mesenterica Augenhintergrund-Spiegelung 243 –– Appendizitis 276
––– inferior 151, 300, 302 Autoantikörper, Colitis –– chronische 34, 35
–––– Durchblutungsstörung 304, ­ulcerosa 224 –– Churg-Strauss-Syndrom 313
305 Autoimmuncholangitis 463 –– Colitis ulcerosa 222
––– superior 103, 151, 300, 302 Autoimmunerkrankung 115 –– Crohn, Morbus 211
–––– distale, fehlende 160 Autoimmunhepatitis 206, 212, –– Darmvolvulus 157
–––– Duplexsonografie 305 396, 461 –– Diarrhö 39
–––– Thrombose 301 –– Score-System 462 –– diffuse 32, 289
–––– Verschluss 301, 303 –– Serologie 462 –– Divertikulose 280
–– rectalis superior 317, 318 Autoimmunpankreatitis 365 –– Gastroenteritis,
Arteriae gastricae breves 102 –– HiSORT-Score 366 ­eosinophile 233
Arterienverschluss, –– Rückfallrate 367 –– Ileus, mechanischer 286
­embolischer 301, 302 –– Vorgehen bei Verdacht 367 –– Ischämie, intestinale,
Arthritis Autoimmunthyreoiditis 206 ­chronische 305
–– axiale 220 Azathioprin 209, 216, 218, 219, –– Karzinoid 525
–– Colitis ulcerosa 221, 223 225, 462 –– Karzinom, kolorektales 261
–– Morbus Crohn 212 Azetylsalizylsäure 228, 299 –– kolikartige 435
–– reaktive 191 –– Ulkusrisiko 124 –– Lokalisation 32, 35
–– rezidivierende 198 Azidose 381 ––– atypische 37
–– rheumatoide 486 Azinuszellkarzinom 373 –– Malabsorptionssyndrom 166
––– Ösophagusmotilitäts­ Azol-Antimykotika 80 –– Mastozytose, systemische 175
störung 68 Azole 325, 415, 416 –– Meckel-Divertikel 156
5-ASA 225, 226 –– Megakolon, toxisches 229
5-ASA-Klysma 224, 226 –– Pankreatitis 346, 354
5-ASA/Mesalazin 224 –– Peutz-Jeghers-Syndrom 246
B
5-ASA-Rektalschaum 224 –– Pseudoobstruktion, kolonische,
Backwash Ileitis 222, 223
5-ASA-Suppositorium 226 akute 294
Baclofen 23
Ascaris lumbricoides 194, 414 –– Reizdarmsyndrom 177
Bakteriämie
Askariasis 414 –– Typen 31
–– Campylobacterinfektion 184
Askariden 194, 414 –– Whipple, Morbus 199
–– Shigellenenteritis 185
Askarideneier im Stuhl 414 Bauchwanddefekt 161
Balantidium coli 195
Aspartataminotransferase 382, Bauchwandhernie 278, 279
Ballondilatation
442, 443 Bauchwandschmerz 33
–– Magenausgang 109
Aspergillose 410 Becher-Zellen 152
–– unterer Ösophagussphinkter 65
Aspiration 56, 64 Becherzellkarzinoid 272
Ballonendoskopie
Aspirationsembolektomie 303 Beckenbodendyssynergie 333, 334
–– Polypennachweis 239
AST (Aspartataminotrans­ Beckenbodenfunktions­
–– Tumordiagnostik 252
ferase) 382, 442, 443 störung 332
Sachverzeichnis  567

Beckenbodensenkung 333 Blutgruppe 0, Ulcus duodeni 121 Brust-Ovarialkarzinom Syndrom,


Beckwith-Wiedemann-­ Blutgruppe A, Magenkarzinom­ hereditäres 368
Syndrom 161 risiko 137 Bruton-Agammaglobulin­
Beger-Operation 362, 364 Blut im Stuhl 241, 261 ämie 314
Begleitpankreatitis 345 Blutstillung, endoskopische 26, Bruzellose 409
Behçet, Morbus 309 126, 145 Budd-Chiari-Syndrom 59, 484, 488
–– Majorkriterium 231 –– Injektionsmethode 62, 110, Budenosid 99
–– Minorkriterien 231 124, 126 Budesonid 209, 216, 232
–– Ösophagusbeteiligung 100 –– Mallory-Weiss-Syndrom 110 –– bei Autoimmunhepatitis 462
–– Selbsthilfegruppe 231 –– Ösophagusvarizen 60, 61 Budesonid-Klysma 224
Benzoat 424 –– Ulkusblutung 124 Budesonid-Rektalschaum 224
Bernstein-Test 74 Bluttransfusion, Hepatitis-G-­ Bundesverband Selbsthilfegrup-
Beschwerden, funktionelle 23, Virus-Übertragung 402 pen Hepatitis C e.V. 395
34, 127 Blutung Burkitt-Lymphom 255, 257
Best-Crohn‘s Disease Activity –– anale 328 burried-bumper-Syndrom 555
Index 215 ––– karzinombedingte 331 Bürstensaummembran,
Bestrahlung, intrakavitäre 87 –– bei Defäkation 326 ­intestinale 153, 154, 155
Betablocker, Prophylaxe der Öso- –– gastrointestinale 125 Byler-Syndrom 428
phagusvarizenblutung 63, 475 ––– akute 126 Bypassoperation 305
Betalipoprotein, fehlendes 236 ––– Amyloidose 145 B-Zell-Lymphom
Bethesda-Kriterien, hereditäres ––– bei Morbus Crohn 212 –– gastrointestinales 254
nicht polypöses Kolon­ ––– Bezoar 150 –– großzelliges, diffuses 142, 255,
karzinom 259, 260 ––– chronische 126 257
Bevacizumab 269 ––– Colitis ulcerosa 226
–– Nebenwirkungen 270 ––– mittlere 27
Bezoar 149 ––– Morbus Osler 432
C
Bikarbonatsekretion 154 ––– obere 26, 27, 61
CA19-9 460
Bilharziose s. Schistosomiasis –––– Mallory-Weiss-Syndrom 109
–– Pankreaskarzinom 370
Bilirubin 348 ––– obskure 27 13C-Acetat-Atemtest 107
–– konjugiertes 379 ––– okkulte 27
Caeruletid 289
––– erhöhtes 45, 431, 432, 482 ––– overte 27
Caeruloplasmin 440, 446
–– unkonjugiertes 379 ––– Pankreatitis, chronische 357
Cambridge-Klassifikation,
––– erhöhtes 45, 430, 431 ––– ulkusbedingte 28
­Pankreasveränderung 358
Bilirubinaufnahme,hepatozellulä ––– untere 27
Cameron-Ulzera 57
re, reduzierte 45 –– intrazystische 451
Campylobacterinfektion 184
Bilirubinexkretion, hepato­ –– peranale 29, 249, 286
Campylobacter-jejuni-­
zelluläre, reduzierte 45 ––– Amyloidose 307
Infektion 184, 254
Bilirubinkonjugation, hepato­ ––– Dünndarmtumor 252
cANCA 313
zelluläre, reduzierte 45 ––– Strahlenenterokolitis 298
Candida albicans 194
Bilirubinkonzentration im Boceprevir 397
Candida-Infektion
­Serum 45 Bochdalek-Hernie 277, 278
–– gastrale 111
Bilirubinstoffwechsel 379 Bolussymptomatik, akute 97
–– Leberbeteiligung 409
Bilirubinüberproduktion 45 Borreliose 409
–– ösophageale 79
Billroth-I-Rekonstruktion 146 Botulinumtoxininjektion
Capecitabine 140, 267, 269
Billroth-II-Rekonstruktion 146 –– Analsphinkter 327
–– Nebenwirkungen 270
Biotransformation 381 –– endoskopische 66, 68
Capillaria philippinensis 195
Blähungen 37 ––– Pylorus 107
Capsicain-Salbe 338
Blanchard-Sklerosierungs­ –– Sphinkter Oddi 504
Caput medusae 471
therapie, Hämorrhoiden 328 Botulismus 69
Carbohydrate Antigen 19-9
Blastocystis hominis 202 Bouveret-Syndrom 286
s. CA19-9
Blastomykose, Leberbefall 410 Bowen, Morbus 321
Carnett-Test 33
Bleistiftstuhl 261 Brechzentrum 24
Caroli-Syndrom 497
Blinddarm 151 –– Stimulation 23, 24
Carvedilol 63
Blond-Sklerosierungstherapie, Bristol-Stuhlform-Skala 178
–– Varizenblutungs­
Hämorrhoiden 328 Bruchhülle 278
prophylaxe 475
Blue Rubber Bleb Nevus Bruchinhalt 278
CD117 132, 133, 135
­Syndrome 249 Bruchpforte 278
CDAI (Crohn‘s Disease Activity
Blumberg-Zeichen 34 Bruchsack 278
Index) 215
Blutabgang, peranaler 27 Brunner-Drüsen 102, 152
CDT (kohlenhydratdefizientes
Bluteosinophilie 313 Brunner-Drüsen-Adenom 131
Transferrin) 467
Bluterbrechen s. Hämatemesis Brunner-Drüsen-Hyperplasie 131
568  Sachverzeichnis

CEA (karzinoembryonales Cholangitis 432, 504 Chromosomenaberration,


­Antigen) 460 –– Erreger 504 ­Omphalozele 161
Cefixim 200 –– infektiöse 488 Chronisch-entzündliche
Cephalosporin 478 –– ischämische 488 ­Erkrankung, Amyloidose 144
Certolizumab 217 –– primär sklerosierende 210, 212, CHRPE (kongenitale Hyperplasie
Cetuximab 269 221, 223, 228, 396, 465 des Retinapigmentepithels) 243
–– Nebenwirkungen 270 ––– Diagnostik 465 Churg-Strauss-Syndrom 309, 313
CFTR (Cystic Fibrosis Trans­ ––– im Lebertransplantat 466 Chymotrypsin-Ausscheidung im
membrane Conductance ––– Stadien 465 Stuhl 167
­Regulator) 422 Choledocholithiasis 104, 352, 499 Ciclosporin-Dauerinfusion 225
CFTR-Gen-Transfer 423 –– Pankreatitis 343 CIPO s. Pseudoobstruktion,
Chagas-Krankheit 64 Cholelithiasis 212, 485, 498 ­intestinale, chronische
Charcot-Trias 504 –– Säugling 428 Ciprofloxacin 61, 163, 183, 184,
13C-Harnstoff-Atemtest 113 Cholera 194 185, 189, 193
Cheilose 167 –– pankreatische 527 –– bei Pouchitis 227
Chelatbildner 439 Cholestanolablagerung 426 Cirrhose cardiaque 492
Chemikalien, Karzinom, Cholestase 451, 470 Cisplatin 140
­hepatozelluläres 455 –– extrahepatische 371 c-KIT 132, 133, 135
Chemoembolisation, –– intrahepatische c-KIT-Inhibitor 134
­transarterielle ––– postoperative 485 Clarithromycin 77, 114, 122
–– Karzinom, hepatozelluläres 458 ––– progressive, familiäre 428 Clip-Applikation,
–– neuroendokriner Tumor 518 ––– rekurrierende 428 ­endoskopische 110, 126
Chemotherapeutika 266 –– neonatale 422 Clonidin 315
–– intravenöse, emetogenes –– postoperative 485 Clonorchiasis 414
­Potenzial 561 –– schwangerschafts­ Clostridium difficile 187, 229
Chemotherapie assoziierte 441 –– Ribotyp O27 187, 188
–– adjuvante –– Typ Aagenaes 428 Clostridium-difficile-Toxin 187,
––– Kolonkarzinom 267 –– Typ Summerskill-Tygstrup 428 188, 229
––– Magenkarzinom 139 Cholestasewerte 348, 382, 485 CM-Klassifikation, Barrett-­
––– Pankreaskarzinom 371 Cholesterinester-Speicher­ Ösophagus 80
––– Rektumkarzinom 266 krankheit 425 CMV-Hepatitis 403
–– emetogene 24 Cholesterinpolyp 506 CMV s. Zytomegalievirus
–– Erbrechen 561 Cholesterinstein 498, 500 13C-Octanoat-Atemtest 107

–– intraperitoneale, hyper­ Cholesterinsynthese 379 Coecum mobile 157, 158


therme 273 Cholezystektomie 499, 506 Coffee-bean-sign 157
–– Nebenwirkungen 270 –– bei biliärer Pankreatitis 352 COLAP-Test (koloskopische
–– neuroendokriner Tumor 519 –– laparoskopische 501, 506 ­Allergenprovokation) 174
–– palliative 372 –– offene 502 Colestyramin 148, 298, 429, 442,
–– perioperative 139 –– postoperativer Zustand 499 464
–– Protokolle 140 Cholezystitis 502 Colitis
–– Schemata 267, 269 –– akalkulöse 502 –– cystica profunda 242, 250
Chenodesoxycholsäure 426 –– akute 36, 501 –– indeterminata 215
Chiari-Trias 489 –– ischämische 312 –– ulcerosa 221, 287, 465, 466
Chilaiditi-Syndrom 162 –– rezidivierende 501 ––– Aktivitätsindex 224
Child-Pugh-Klassifikation, –– Schmerzlokalisation 32 ––– Befallsmuster 222
­Leberzirrhose 471 –– Therapie-Leitlinie 503 ––– chronisch aktive 226
Chininlösung 328 Cholezystokinin 152 ––– Diagnostik 223
Chinolon 478 Cholezystolithiasis 128, 440, 442, ––– distale 224
Chloridsekretion, intestinale 154 500, 502, 528 ––– endoskopischer Befund 213
Chloroquin 436 –– Karzinomrisiko 507 ––– Ernährungstherapie 227
Chlorpromazin 23 –– Komplikation 501 ––– extraintestinale
Cholangiografie, endoskopisch- Cholinesterase 482 ­Manifestation 221, 223
retrograde 352, 465, 499 CHOP-Chemotherapie­ ––– fulminante 222, 225
–– Antibiotikaprophylaxe 465 schema 142 ––– Infektionsrisiko 226, 227
Cholangiolithiasis, intra­ Chromoendoskopie 82 ––– Karzinom 266
hepatische 432 –– Adenokarzinom, ––– Karzinomrisiko 228
Cholangiopankreatikografie, ­ösophageales 88 ––– Karzinomvorsorge 223, 228
endoskopisch-retrograde 369, –– elektronische 82 ––– Kontrollendoskopie 227
504, 505 –– Plattenepithelkarzinom, ––– Kontrollkoloskopie 228
Cholangiopathie, auto­ ­ösophageales 84 ––– Labordiagnostik 223
immune 463 Chromoskopie 239 ––– Notoperation 226, 227
Sachverzeichnis  569

––– Operationsindikation 226 –– extraintestinale Darmatresie 159, 160


––– Pseudopolypen 242 ­Manifestation 210, 212, 215, 219 Darmblutung 184
––– Remissionserhalt 225, 226 –– Fistelbildung 212, 330 Darmdauerkontraktion,
––– Reoperation 227 –– Fisteldarstellung 214 ­segmentale 291
––– rezidivierende 226 –– Gastritis 118 Darmduplikatur 159
––– Rezidivprophylaxe 225, 226 –– Ileozökalbefall 211, 216 Darmegel, großer 414
––– Risikofaktoren 222 –– Impfungsempfehlungen 218 Darmerkrankung, chronisch
––– Schwangerschaft 228 –– Karzinomrisiko 221 ­entzündliche 167, 210
––– schwerer Schub 225 –– Karzinomscreening 221 –– diskontinuierliche 211, 213, 214
––– steroidabhängige 226 –– Klassifikation 211 –– Karzinomentstehung 261
––– steroidrefraktäre 225 –– Komplikation 221 –– Karzinomrisiko 259
––– Stufenbiopsien 223 –– Labordiagnostik 214 –– kontinuierliche 213, 222, 223
––– Symptome 211 –– Magenbefall 218 Darmfehlbesiedlung, bakteri­
––– Therapie –– Mangelerscheinungen 219 elle 145, 147, 163, 164, 314, 546
–––– chirurgische 226 –– Operationsindikation 218 –– sekundäre 248
–––– komplementäre 228 –– Ösophagusbeteiligung 99, 218 Darmgangrän 157, 158, 301, 303
–––– medikamentöse 224 –– Remissionserhalt 219 Darmgeräusche
–––– probiotische 225 –– Schub 213, 214, 215, 217 –– fehlende 289
–––– psychosomatische 227 –– Schwangerschaft 220 –– klingende 286
Colon –– steroidabhängiger 218 Darmherniation vor die
–– ascendens 151 –– steroidrefraktärer 218 ­Bauchwand 161
–– descendens 151 –– Symptome 211 Darmhypermotilität 156
–– transversum 151 –– Therapie 118, 217 Darmhypomotilität 156
Columnae anales 317 ––– alternative 220 Darminkarzeration 278, 279
Common variable immune ––– chirurgische 216, 218 Darmlähmung 288
­Deficiency 314 ––– Indikation 215 Darmmalrotation 158
Computertomografie, ––– komplementäre 220 Darmmotilität 156
­abdominelle 34, 36, 159 ––– medikamentöse 216 –– forcierte 156
–– Divertikulitis 282 ––– psychosomatische 220 Darmmotilitätsstörung 38, 163,
–– Ileus, mechanischer 287 Crohn‘s disease activity 289, 290
–– kontrastmittelgestützte 44, ­index 215 Darmobstruktion 157, 158
282, 349 Cromoglicinsäure 117, 174, 176, Darmperforation 189, 212
–– Pankreatitis 234 Darmresektion 44
––– akute 349 Cronkhite-Canada-Syndrom 248 –– bei Morbus Crohn 219
––– chronische 357 CRP (C-reaktives Protein) 348, 411 Darmsäuberung 239
–– Pneumatosis cystoides Cruveilhier-von-Baumgarten- Darmschleimhautdefekt 234
­intestinalis 251 Syndrom 473 Darmstenose 43, 160
Condyloma acuminatum 322 Cryptococcus neoformans 410 –– Morbus Crohn 212, 214, 219
Cori, Morbus 417, 418 Cryptosporidium parvum 202 Darmsyndrom, irritables
Corpus cavernosum recti 317, CT-Enteroklysma 214 s. Reizdarmsyndrom
318, 327 –– Tumordiagnostik 252 Darmtumor, mesenchymaler,
Corynebakterien 321 Cullen Zeichen 348 ­maligner 274
Councilman-Körperchen 384, CUP-Syndrom (Cancer of Darmüberblähung 159, 229
386, 394 ­unknown Primary) 460 Darmüberwucherung,
Courvoisier-Zeichen 511 CVID (Common variable immune ­bakterielle 286
Cowden-Syndrom 247, 250 Deficiency) 314 Darmvolvulus 157
CREST-Syndrom 310 Cyanoacrylat 62 Darmwandischämie 286
Crigler-Najjar-Syndrom Cystic Fibrosis Transmembrane Darrier-Zeichen 176
–– Typ I 430 Conductance Regulator 422 DCF-Chemotherapieschema 140
–– Typ II 431 Defäkation 317, 318
Crohn, Morbus 210, 231, 287, 465 –– Blutung 326
–– Abszess 212 –– fraktionierte 334, 335
D
–– Aktivitätsindex 215 –– schmerzhafte 326
DALM (dysplasieassoziierte Läsion
–– akut rezidivierender 218 Defäkografie 44, 319, 334
oder Masse) 211, 221
–– Befallsmuster 211 Deferasirox 439
Danadazol 316
–– chronisch-aktiver 218 Degeneration, hepatolentikuläre
Dapson 209
–– Darmmotilität 156 s. Wilson, Morbus
Darm 151
–– Diagnose 213 Dekompression, koloskopische 294
–– Barrierefunktion 155
–– Duodenumbefall 118 Delta-Aminolävulinsäure 433
–– Innervation 153
–– endoskopischer Befund 213 Delta-Aminolävulinsäure-­
–– Lymphdrainage 151
–– Ernährungstherapie 216, 220 Synthetase 380
570  Sachverzeichnis

DeRitis-Quotient 382, 467 –– osmotische 43, 147 Domperidon 130


Dermatitis herpetiformis 209 –– Pankreatitis, chronische 356 Dopaminantagonisten 129
Dermatomyositis 309 –– paradoxe 38, 261, 286, 294 Doppelballonenteroskopie 30, 249
Dermatomyositis, Ösophagus­ –– Reizdarmsyndrom 177, 178 Doss-Porphyrie 435
motilitätsstörung 68 –– sekretorische 43 DOTATATE-PET-CT 517, 521, 522,
Dermatophyten 325 –– stationäre Aufnahme 40 526
Descensus perinei 335 –– Strahlenenterokolitis 298 DOTATOC-PET-CT 517
Desmoid 243 –– Therapie 560 Douglas-Schmerz 276
Deutsche Crohn- und Colitis –– wässrige 39, 527 Downhill-Varizen 59, 60
­Vereinigung e.V. 221 ––– Colitis ulcerosa 222 Down-Syndom 292
Deutsche Ileostomie-Colostomie- ––– infektionsbedingte 183, 184, Doxycyclin 165, 194, 200
Urostomie-Vereinigung ILCO 185, 190, 201 D-Penicillamin 440
e.V. 221, 272 ––– Kolitis, mikroskopische 232 Druck, zentralvenöser,
Deutsche Krebsgesellschaft –– im Wechsel mit ­erhöhter 492
e.V. 272 ­Obstipation 177, 178 Drüsenkörperzysten 131, 243, 244
Deutsche Krebshilfe 272 –– weiterführende Diagnostik 42 Dubin-Johnson-Syndrom 431
Deutsche Zöliakie-Gesellschaft –– Zöliakie 206 Ductus
e.V. 209 –– Zusammenhang mit Reise 193 –– choledochus 340, 495
Dexamethason 562 Diarrhoea factitia 43 ––– Kompression, zystikusstein­
Dextran 476 Diazoxid 523 bedingte 501
Diabetes mellitus 314, 369, 528 Dickdarmdiarrhö 40 ––– Motilitätsstörung 503
–– bei Hämochromatose 439 Dickdarmerkrankung, –– cysticus 495
–– Magenentleerungsstörung 106 ­vaskuläre 300 ––– Obstruktion 502
–– Ösophagusmotilitätsstörung 69 Dickdarmileus 286 –– hepaticus 495
–– pankreopriver 354, 360 Dickdarmkarzinoid 525 ––– communis 495
–– Typ 1 206 –– linksseitiges 525 –––– zystikussteinbedingte
Dialyse, Hepatitis-C-Virus-­ Dickdarmläsion, NSAR ­Kompression 502
Übertragung 394 ­induzierte 299 –– hepatocholedochus,
Diarrhö 38, 523, 528 Dickdarmmotilität 156 ­Stenose 360
–– Abetalipoproteinämie 426 Dickdarm (s. auch Kolon) 151 –– pancreaticus 340
–– akute 38 Digestion, mangelnde 165 ––– minor 340
–– Anamnese 40 Diloxanidfuorat 411 ––– Protheseneinlage 361
–– Auslandsaufenthalt 39 Diloxanidfuroat 193 ––– Stenose 361
–– blutige 39, 184, 306 Diltiazem 68 –– Santorini 340
––– infektionsbedingte 185, 186, Diphenoxylat 148 –– thoracicus 151
413 Diphyllobothrium latum 195 –– Wirsungianus 340
––– schmerzhafte 189 Dipylidiasis caninum 196 Duktopenie, idiopathische 488
–– Cholera 194 Distension, gastrale 127 Dumping-Syndrom 145
–– chronische 38, 40, 41, 248 Diuretika 476 Dünndarm 151
–– Clostridium-difficile-­ Diversionskolitis 297 –– fehlende Luft 286
assoziierte 187 Divertikel 156, 279 –– Funktionsuntersuchung 117,
–– Cronkhite-Canada-Syndrom 248 –– duodenales 104, 163 545
–– Darmfehlbesiedlung, –– gastrales 104 –– Kryptenhyperplasie 198, 205
­bakterielle 164 –– jejunales 104, 163 –– lymphatisches Gewebe 152
–– Darmmotilitätsstörung 290 –– juxtakardiales 104 –– MALT-Lymphom 254, 257
–– Enterokolitis, chronische 297 –– juxtapapilläres 163 –– Polypektomie 246
–– erbsbreiartige 184 –– ösophageales 54 Dünndarmadenokarzinom 251,
–– falsche 38 Divertikelblutung 280, 281, 285 252
–– fieberhafte 189 –– lokale Therapie 285 Dünndarmbiopsie 167
–– Gastroenteritis, ­eosinophile 117 Divertikelkrankheit 281 Dünndarmblutung 28
–– infektionsbedingte 39 Divertikelperforation 282, 283 Dünndarmdiarrhö 40
––– bei AIDS 202 Divertikulitis 163, 280, 281 Dünndarmdivertikel 163
–– nach Magenoperation 147 –– akute 36 Dünndarmerkrankung,
–– Malabsorptionssyndrom 166 –– chronisch rezidivierende 284 ­vaskuläre 300
–– Mastozytose, systemische 175 –– komplizierte 283 Dünndarmfehlbesiedlung,
–– medikamentös bedingte 559 –– rechtsseitige 284 ­bakterielle 37
–– Megakolon, toxisches 229 –– Schmerzlokalisation 32 Dünndarmhämangiom 249
–– Morbus Crohn 211 Divertikulose 279 Dünndarmileus
–– nächtliche 40, 314 Docetaxel 140 –– hoher 286
–– Neugeborenes 424 Dolasetron 562 –– mechanischer 286
–– nichtinfektiös bedingte 39 Dolichokolon 162 Dünndarmkarzinoid 525
Sachverzeichnis  571

Dünndarmkarzinom 250, 251, 252 –– Morbus Crohn 118 Eisensubstitution 149, 219
–– 5-Jahres-Überlebensrate 253 –– schneeweißes 237, 426 Eisentoxizität, hepatische 437
–– Resektion 253 Duodenummukosa 102 Eiweißmangelödem 166
–– Staging 252 Duodenumverätzung 143 Eiweiß s. auch Protein
–– TNM-Klassifikation 253 Durchblutungsstörung, Eiweißverlust
Dünndarmläsion, NSAR ­intestinale 300 –– enteraler 248
­induzierte 299 Durchfall s. Diarrhö –– fäkaler 548
Dünndarmlymphom 251 Durchwanderungsperitonitis 288, –– gastrointestinaler 234
Dünndarmmanometrie 549 302, 306 –– intestinaler 145, 307
Dünndarmmotilität 156 Dysostose, metaphyseale 342 Eiweißverlust-Enteropathie 548
Dünndarmmotilitätsstörung 314 Dyspepsie 107, 127 –– Lymphangiektasie,
Dünndarmneurofibrom 250 –– funktionelle 127 ­intestinale 235
Dünndarmoberfläche, resorptive, Dysphagie 19, 20, 72, 86 Eiweißverlust-Gastroentero­
verminderte 165 –– akute 97 pathie 234
Dünndarmobstruktion 252 –– bolusbedingte 97 Eiweißzufuhr, erhöhte 235
–– kompensierte 288 –– oropharyngeale 19, 20 Ekzem, perianales 320
–– komplette 288 –– ösophageale 19, 20, 68 –– kumulativ-toxisches 320
Dünndarmpolypen 239 –– Ösophagusdivertikel 55 Elastaseausscheidung im
Dünndarmpouch 265 –– Ösophaguskarzinom 84 Stuhl 167, 539
Dünndarmresektion 304 –– Ösophagusmotilitätsstörung 64 Elastografie, transiente 470
Dünndarmschlingen ––– hyperkontraktile 67, 68 Elektrolytsekretion,
–– aufgestellte 286 –– Pillenösophagitis 93 ­intestinale 154
–– distendierte 287 –– Pseudodivertikulose, Elektromyografie 319
Dünndarmtumor 251 ­ösophageale 55 Embolisation, transarterielle 518
–– Histologiegewinnung 252 –– Ringe, ösophageale 58 Emesis s. Erbrechen
–– neuroendokriner 251 –– Webs, ösophageale 58 Endobrachyösophagus 80
Dünndarmüberbesiedlung, Dysplasie, arteriohepatische 429 Endometriose 316
­bakterielle 198 D-Zelle 152 Endoskopie 34
Dünndarmwand 151 –– Amyloidose 308
Dünndarmzotten 152 –– Dumping-Syndrom 146
–– Atrophie 198, 205 –– Fremdkörperbergung 98
E
Duodenalatresie 160 –– Gastroenteritis,
Ebola-Virus-Erkrankung,
Duodenalbiopsie 167, 200, 236, ­eosinophile 117, 233
­Hepatitis 406
237, 290 –– Hämangiomnachweis 249
E-Cadherin-Gen 137
–– Lambliennachweis 411 –– Hämatemesisabkklärung 26
ECF-Chemotherapieschema 140
–– Zöliakie 206 –– Hiatushernie 57
Echinococcus
Duodenaldivertikel 104, 163 –– Karzinoidnachweis 526
–– granulosus 415
–– extraluminales 104 –– Magenausgangsstenose 108
–– multilocularis 416
–– Herniation 104 –– Magenentleerung 26
Echinokokkose
–– intramurales 104 –– Magenlymphom 142
–– alveoläre 416
–– juxtapapilläres 104, 163 –– Malabsorptionssyndrom 167
–– zystische 415
Duodenalkarzinom 244, 252 –– Megakolon, toxisches 229
ECL-Zell-Karzinoid 115, 520, 521
–– 5-Jahres-Überlebensrate 253 –– Ösophagitis, eosinophile 99
EC-Zellen 152
Duodenalpolyp 131, 132 –– Ösophaguskarzinom 84, 88
Efferent-loop-Syndrom (Syndrom
Duodenalschleimhautdefekt 121 –– Ösophagustumor, benigner 91
der abführenden Schlinge) 147
Duodenalsekret, Lamblien­ –– Ösophagusvarizenblutung 60
EHEC (enterohämorrhagische
nachweis 411 –– Ösophagusverätzung 96, 97
Escherichia coli) 185, 186, 187
Duodenalstenose –– Refluxkrankheit 73
EIEC (enteroinvasive Escherichia
–– Gastroenteritis, ­eosinophile 117 –– Tumor, nichtepithelialer,
coli) 186
–– Pancreas anulare 341 ­mesenchymaler, gastro­
Einlauf 44
–– proximale 108 intestinaler 135
Einschlusskörperchen, PAS-
Duodenaltumor, peripapillärer 252 –– Ulkus 121
positive 315
Duodenalulkus s. Ulcus duodeni Endosonografie 343, 358
Eisenabsorption 155
Duodenalwand 102 –– Gallensteinnachweis 499
Eisenabsorptionsstörung 148
Duodenopankreatektomie, –– Gastroenteritis,
Eisenindex, hepatischer 437
­partielle 371, 514 ­eosinophile 117
Eisenmangel 83, 155, 166
–– pyloruserhaltende 371, 514 –– Karzinom, kolorektales 262
Eisenmangelanämie 57, 72, 126
Duodenum 102, 151, 152 –– kontrastmittelverstärkten 369
–– nach Magenresektion 148
–– Funktion 103 –– Magenkarzinomnachweis 137
–– polypenbedingte 239
–– Gefäßversorgung 102 –– Magenlymphom 255
Eisenspeicherkrankheit 437
–– Innervation 103 –– Ösophaguskarzinom 84
572  Sachverzeichnis

Endosonografie –– Gastroenteritis, Erythrasma 321


–– Pankreaskarzinom 369 ­eosinophile 117 Erythromycin 26, 107, 184, 194,
–– Pankreatitis, akute 349 –– Gravidität 25 296
–– rektale 214, 319 –– großvolumiges 108 Erythromycin-Gel 321
–– Varizennachweis 473 –– Ileus, mechanischer 286 Erythrozytenszintigramm 30
Endothelzellen, hepatische 378 –– Mallory-Weiss-Syndrom 109 Escherichia coli
Enolase, neuronspezifische 515, –– medikamentenbedingtes 25 –– enterohämorrhagische 185,
526 –– nächtliches 64 186, 187
Entamoeba histolytica 192, 410 –– Neugeborenes 424 –– enteroinvasive 186
–– Antikörpernachweis 411 –– Pankreatitis 346 –– enteropathogene 185
–– Nachweis 411 –– postprandiales 64 –– enterotoxische 186, 193
–– Zysteneradikation 193 –– Prophylaxe 562 –– Nissle 225
Entecavir 392 –– Pseudoobstruktion, kolonische, ESD (endoskopische Submukosa-
Enteritis, infektiöse, akute 215 akute 294 dissektion) 239
–– Infektionsschutzgesetz 182 –– psychogenes 24 Esomeprazol 74, 114, 122, 130
–– Komplikation 182 –– reflektorisches 24 ESWL (extrakorporale
–– Therapie –– saures 108 ­Stoßwellenlithotripsie)
––– stationäre 182 –– schwallartiges 24, 286 –– Gallenstein 499, 501
–– Zusammenhang mit Reise 185 –– toxisch bedingtes 25 –– Pankreasgangstein 361
Enterobius vermicularis 196 –– vestibulär bedingtes 25 ETEC (enterotoxische Escherichia
Enteroglukagon 152 –– zentral ausgelöstes 24 coli) 186, 193
Enteroklysma 157, 159 ERC (endoskopisch-retrograde Ethambutol 77, 204
Enterokolitis Cholangiografie) 352, 465, 499 Ethanolinjektion, perkutane
–– chronische 297 –– Antibiotikaprophylaxe 465 –– Karzinom, hepatozelluläres 458
–– mit Morbus Hirschsprung ERCP (endoskopisch-retrogra- –– Leberadenom 449
­assoziierte 293 de Cholangiopankreatiko­ ETZL (enteropathieassoziiertes
Enteropathie grafie) 369, 504, 505 T-Zell-Lymphom) 254, 257
–– gluteninduzierte s. Zöliakie ERD (erosive gastroösophageale Everolimus 519
–– nahrungseiweißinduzierte 172 Refluxkrankheit) 70, 71 Exanthem, Erotinib-­
–– NSAR-bedingte 299 Erdnussallergie 173 bedingtes 372
Enterozyten 152 Erlotinib 372 Exkoriationen, perianale 338
Entleerungsstörung, Ernährung Exsikkose 190
­anorektale 333 –– bei Aszites 476 –– Pankreatitis 346
Entzündung, transmurale, –– enterale 553 Exsudation, entzündliche 234
­diskontinuierliche 211 ––– bei akuter Pankreatitis 351 Exulceratio Dieulafoy 125, 126
Enzephalopathie ––– bilanzierte 553 Exzision, mesorektale, totale 265
–– hepatische 482 ––– gastrale 554
––– Stadien 481 ––– jejunale 554
––– subklinische 480, 481 –––– über die PEG 555
F
–– pankreatische 347 ––– Kalorienzufuhr 557
Fadenwurm, intestinaler 194
–– portale 60 –– bei Leberzirrhose 470
Familial Atypical Multiple Mole-
Enzymmangel –– parenterale 557
Melanoma Syndrom 368
–– Nahrungsmittel­ ––– bei akuter Pankreatitis 351
FAMMM (Familial Atypical
unverträglichkeit 172 ––– All-in-one-Systeme 557
Multiple Mole-Melanoma
Eosinophilie 116, 196, 198, 233, 313 ––– bei Colitis ulcerosa 225
­Syndrom) 368
Eotaxin 117 Ernährungslösung,
Fanconi-Syndrom 424
EOX-Chemotherapieschema 140 ­vollbilanzierte 556
FAP s. Polyposis, adenomatöse,
Epirubicin 140 Ernährungstherapie 563
familiäre
Epithel, intestinales 152 –– Cronkhite-Canada-Syndrom 248
Fasciola hepatica 414
Epstein-Barr-Virus-Hepatitis 404 –– Morbus Crohn 216
Fasciolopsiasis 195
Epstein-Barr-Virus-Infektion 78 Erotinib 372
Fasciolopsis buski 195, 414
Erblindung bei akuter ERP (endoskopisch-retro­grade
Fastentest bei chronischer
­Pankreatitis 347 Pankreatografie) 358
­Diarrhö 43
Erbrechen 24, 127, 561 Erythem 18F-Desoxyglukose-PET-CT 517
–– Amyloidose 145 –– nekrolytisches,
Fehlbesiedlung, ­bakterielle,
–– antizipatorisches 561 ­migratorisches 528
­intestinale s. Darmfehl­
–– chemotherapiebedingtes 561 –– perianales 322
besiedlung, bakterielle
––– Konditionierung 24 Erythema
Feigwarze 322
–– Diarrhö 39 –– ab igne 356
Feinkontinenzstörung,
–– galliges, nach Magen­ –– nodosum 167, 189, 210, 212, 223
­hämorrhoidenbedingte 328
resektion 147 ––– Therapie 220
Sachverzeichnis  573

Feinnadelaspirationszytologie, FOLFIRI-Chemotherapie­ Gallenblasenkarzinom 506, 507


US-gesteuerte 448 schema 267, 269 –– Gallensteinträger 501
–– Von-Meyenburg-Komplex 453 FOLFOX-4-Chemotherapie­ –– Stadien 508
Feinnadelpunktion, Pankreas­ schema 267, 269 –– TNM-Klassifikation 507
karzinomdiagnostik 369 FOLFOXIRI-Chemotherapie­ Gallenblasenkontraktion 153
Femoralhernie 278 schema 269 Gallenblasenperforation 501, 503
Ferritinkonzentration im Se- Folinsäure 140, 267, 269 Gallenblasenpolyp 501
rum 437 –– bei Pyrimethamin-­Therapie 413 Gallenflüssigkeit 380
Ferrochelatase 380 Folsäuremangel 166 Gallengangatresie 495, 496
α-Fetoprotein 424, 456, 457, 460 –– Sprue, tropische 198 Gallengangdestruktion,
Fettabsorption 154 FONG-Score 268 ­neoplastische 488
Fettdigestion 154 Forbes-Hers, Morbus 418 Gallengangdilatation,
Fett, Ernährung, parenterale 557 Forbes, Morbus 418 ­intrahepatische 502
Fettleberhepatitis 468 Forrest-Klassifikation, –– segmentale, kongenitale 497
Fettleber (s. auch Steatosis ­Ulkusblutung 122 Gallengangdrainage 499
­hepatis) 212, 468 Foscarnet 78, 403 –– endoskopische 372
–– nicht alkoholische 468 Fremdkörper Gallengänge 495
Fettmalabsorption 236 –– ösophagealer 19, 97 –– intrahepatische, Verlust 488
Fettsäuren –– verschluckter 143, 149 Gallenganghypoplasie,
–– Betaoxidation 379 Fremdkörperextraktion, ­intrahepatische 429
–– kurzkettige 297 ­endoskopische 149 Gallengang-Kunststoff­
–– langkettige 154 Fremdstoffentgiftung 381 prothese 502, 508
Fexofenadin 176 Frey-Operation 364 Gallengangpapillomatose 506
Fieber Frühdumping 145, 146 Gallengangskompression 46
–– Caroli-Syndrom 498 Frühkarzinom Gallengangszyste 496
–– Cholangitis 504 –– gastrales s. Magenfrühkarzinom –– Karzinom 497
–– Diarrhö 39 –– ösophageales 90 –– Klassifikation 497
Fischbandwurm 195 Fruktose-H2-Atemtest 545, 548 Gallenkolik 32
Fischmaulpapille 374 Fruktoseintoleranz 37, 420 Gallensäure-Biosynthese­
Fissurektomie 327 –– hereditäre 548 störung 428
Fistel Fruktosemalabsorption 548 Gallensäuremangel 165
–– bilioenterische 503 FSME-Hepatitis 406 Gallensäurenstoffwechsel 380
–– Darstellung 214 FSME-Virus 406 Gallensäureverlustsyndrom 314
–– kolovesikale 282 5-FU (5-Fluoruracil) 140, 267, Gallenstein 498
–– ösophagobronchiale 77, 80, 269, 372 –– intrahepatischer 499
84, 95 –– Nebenwirkungen 270 –– Rezidiv 499
–– perianale 212, 219, 329 5-FU-Bolustherapie 560 Gallensteinentfernung
–– zystoduodenale 451 Fuchsbandwurm 416 –– endoskopische 505
Fistelbildung Fumarylacetoacetat-­ –– perkutan-transhepatische 499
–– Divertikulitis 284 Hydrolase 424 Gallensteinerkrankung
–– Morbus Crohn 212, 330 Fundoplikatio, s. Cholelithiasis
Fistelsanierung, operative 330 ­laparoskopische 75 Gallensteinileus 501
Flatulenz 37 Fundusvarizen 59 Gallensteinträger
–– Reizdarmsyndrom 177 Fundusvarizenblutung 26, 28, 60, –– asymptomatischer 500
Flohsamen 227, 280 63, 473 –– symptomatischer 500
Fluconazol 80 Furunkulose 324 Gallereflux-Gastropathie 116
Flunitrazepam 176 Gallertbauch 272
Fluorescein-Dilaurat 540 GALT (Gut associated lymphoid
5-Fluoruracil s. 5-FU Tissue) 156
G
Flush 526 Gamma-Glutamyltrans­
Gabapentin 23
Flüssigkeitssubstitution 350 ferase 348, 382, 465, 467
Galaktosämie 419
Fluticason 99 Ganciclovir 78, 403
Galaktose-Eliminations­
FNH (fokale noduläre Hyperplasie Ganglion coeliacum 103
kapazität 541
der Leber) 243, 447 Ganglioneurom 250
Gallealkohole, glukuroni­dierte 426
–– Schwangerschaft 447 Ganglionitis, autoimmune 295
Galledrainage, perkutane 503
FOBT (Testung auf okkultes Gang, omphalomesenterialer 156
Gallenblase 495
­fäkales Blut) 27, 259, 543 Gänsehautmagen 112
–– Adenomyomatose 506
Foetor Ganzwandbiopsie 291
–– palpable, schmerzlose 511
–– ex ore 22, 34 Gardner-Syndrom 131, 243
Gallenblasenadenom 505
–– hepaticus 482 Gasbildung, intestinale 37
Gallenblasenempyem 503
Gas-Bloat-Syndrom 76
574  Sachverzeichnis

Gastrektomie 71, 140 Gerinnungsstörung 301, 302 Glykogenspeicherkrankheit


Gastric antral vascular Ectasia 28, Gesamtkörpereisen, s. Glykogenose
125, 126 ­Herabsetzung 436, 439 Glykogensynthese 379
Gastrin 152 Gewichtsverlust 50 Glykolyse 379
Gastrinom 122, 523 –– diagnostisches Goligher-Stadieneinteilung,
–– metastasierendes 524 ­Basisprogramm 50 ­Hämorrhoidalleiden 327
Gastrinomdreieck 523 –– Malabsorptionssyndrom 166 GOT (Glutamat-Oxalacetat-Tran-
Gastritis –– Pankreatitis 356 saminase) 382, 442, 443
–– Aktivität 112 G-FOBT (Guajak-basierte Testung GOT/GPT-Quotient 382, 467
–– akute 24, 110 auf okkultes fäkales Blut) 543 GPT (Glutamat-Pyruvat-Transa-
––– infektionsbedingte 111 Giardia lamblia 191, 193, 411 minase) 348, 382, 385, 442, 469
––– Schmerzlokalisation 32 Giardiasis 191 Graft-versus-Host-Disease 237
–– antrumbetonte 121 Gilbert-Meulengracht-­ Granisetron 562
–– atrophische 112, 114, 136 Syndrom 430 Granulocytic epithelial
–– chronische 24, 112, 119, 128, 141 Gingivitis ­Lesions 365
––– Schweregrad 112 –– akute 560 Granulome, verkäsende 204
–– granulomatöse 118 –– ulzeröse, nekrotisierende, Granulozyten, eosinophile 98
–– Helicobacter-pylori-­ ­akute 560 Grey-Turner-Zeichen 348
Infektion 112, 118 GIST s. Stromatumor, γ-GT (Gamma-Glutamyltrans­
–– phlegmonöse 112 ­gastrointestinaler ferase) 348, 382, 465, 467
Gastroduodenoskopie 200, 255 Gleithernie, axiale 56, 57, 277 Guillain-Barré-Syndrom 69, 185
Gastroenteritis 24 Globusgefühl 65 Gummen 409
–– eosinophile 108, 109, 116, 233 Glomerulonephritis 212, 386, 394 Gummibandligatur
––– mukosale 117, 233 Glossitis 167 –– Hämorrhoiden 328
––– muskuläre 117, 233 Glukagon 380 –– Ösophagusvarizen 61, 63
––– subserosale 117, 233 Glukagonom 528 Gummibauch 33
–– infektiöse 187, 190, 210 Glukagonomsyndrom 528 Günther, Morbus 433
–– in Gemeinschafts­ Glukagontest 417, 418 Gürtelrose 323
einrichtungen 186 Glukokortikoide 380 GVHD (Graft-versus-Host-­
Gastroenterostomie 372 –– bei Cronkhite-Canada-­ Disease) 237
Gastrointestinalblutung Syndrom 249 G-Zelle 152
s. Blutung, gastrointestinale –– bei Morbus Crohn 216
Gastroösophagealer Übergang, Glukoneogenese 379
Tumor 64, 65 Glukosegabe 435, 522
H
Gastroparese 107, 108 –– kontinuierliche 418
H1-Antihistaminika 176
–– Amyloidose 144 Glukose-Galaktose-Mal­
H2-Atemtest 117, 148, 545
–– diabetische 108, 314 absorption, familiäre 154
H2-Exhalation 545, 546, 547
Gastropathie Glukose-H2-Atemtest 163, 164,
H2-Non-Producer 545, 546, 547
–– akute 110 546
HAART (hochaktive antiretro­
–– hypertrophe 119, 136 Glukosehomöostase 379
virale Therapie) 201, 202, 275
–– portal-hypertensive 125, 126, Glukose-Insulin-Gabe 345
Haemaccel 476
127 Glukosetoleranztest, oraler 146
Hakenwurm 196
Gastroschisis 161 Glukozerebrosidakkumulati-
Haldol 561
Gastroskopie 137 on 427
Halitosis 22
Gastrostomie Glukozerebrosidasedefekt 427
Hämangioendotheliom,
–– Fremdkörperentfernung 149 Glukozerebrosidase­
­benignes 450
–– perkutane endoskopische 20, substitution 427
Hämangiom 249
87, 287, 555, 556 Glutamat-Oxalacetat-Trans­
–– kavernöses, hepatisches 449
Gaucher-Zellen 427 aminase 382, 442, 443
Hämangiomatose
GAVE (Gastric antral vascular Glutamat-Pyruvat-Trans­
–– benigne, neonatale 450
­Ectasia) 28, 125, 126, 472 aminase 348, 382, 385, 442, 469
–– gastrointestinale, diffuse 249
GBV-C-Infektion 402 Gluten 205
Hämangiosarkom,
Gelbfieber 406 Glykogenakanthose 101
­epitheloides 460
GELs (Granulocytic epithelial Glykogenolyse 379
Hämarginat 435
­Lesions) 365 Glykogenose 417
Hamartom 238, 245
Gemcitabine 372 –– Typ I 417, 448, 454
Hamartome, orokutane 248
Gen H-B Vax 388 –– Typ II 417, 418
Hämatemesis 25, 26, 27, 28, 126,
Gen H-B-Vax K pro ­infantibus 388 –– Typ III 417, 418
491
Genitalulzera 231 –– Typ IV 417, 419
–– Gastritis, akute 111
GERD s. Refluxkrankheit, –– Typ V 417, 419
–– Mallory-Weiss-Syndrom 109
gastroösophageale –– Typ VI 417, 419
Sachverzeichnis  575

–– Ösophagusvarizenblutung 60 –– Diagnostik, Indikation 114 –– chronische 395, 467


–– Ulkusblutung 121 –– Endoskopie 113 ––– histologischer Aktivitäts-­
–– Verätzung, chemische 144 –– Gastritis 112, 118, 119 Index 396
Hämatochezie 27, 126 –– Quadruple-Therapie 123 ––– Koinfektion 398
–– Divertikelblutung 285 –– RAP-Schema 123 ––– Schwangerschaft 446
–– Megakolon, toxisches 229 –– Risikofaktoren 113 ––– Therapie 397
Hämatokrit 348 –– Serologie 113 –– Immunprophylaxe 398
Hämbiosynthese 379 –– Therapie 114 Hepatitis-C-Virus 393, 395
Hämobilie 126, 127, 503 ––– sequenzielle 114, 123 –– Durchseuchung 396
Hämochromatose 397, 437 –– Therapieversagen 123 –– Übertragung
–– mutiertes Genprodukt 437 –– Triple-Therapie ––– perinatale 394
Hämoglobinurie, ––– französische 114, 123 ––– sexuelle 394
­paroxysmale 485 ––– italienische 114, 122 Hepatitis D
Hämolyse 443 ––– levofloxacinbasierte 123 –– akute 399
Hämolytisch-urämisches –– Ulkus, gastroduodenales 120 –– chronische 400
­Syndrom 186, 346 Heller-Myotomie 66 ––– Schwangerschaft 446
Hämorrhoidalarterien-­Ligatur 328 HELLP-Syndrom 443 Hepatitis-Delta-Virus 399
Hämorrhoidalleiden 327, 328 Helminthose 413 –– Übertragungswege 399
Hämorrhoiden 327 Hepatikusgabelkarzinom 508, Hepatitis E
–– Gummibandligatur 328 513 –– akute 401
–– operative Behandlung 328 Hepatitis –– fulminante 401
–– Prolaps 328, 334 –– alkoholtoxische 396 Hepatitis-E-Virus 401
–– Sklerosierungstherapie 328 –– cholestatische, –– Übertragung 401
Hämosiderin-Ablagerung 437 ­fibrosierende 388 Hepatitis G
Hansen/Stock-Einteilung, –– chronisch aktive 401, 486 –– akute 402
­Divertikulitis 282 –– granulomatöse 406, 408, 409, Hepatitis-G-Virus-Infektion 402
Harnstoffzyklusstörung 424 483, 486 Hepatitis-G-Virus-Persistenz 402
Hasenpest 409 –– ischämische 491 Hepatoblastom 459
Haustren 151 –– syphilitische 409 Hepatomegalie 407, 415
Hautikterus 45 Hepatitis A –– Hämangioendotheliom 450
HBeAg 387, 400 –– akute 383, 385 –– Mukoviszidose 422
HBsAg 386, 390, 400 –– anikterische 385 –– Neugeborenes 424
–– Nachweis in der –– cholestatische 384 –– Säugling 428
­Schwangerschaft 446 –– fulminante 384 –– Stauungsleber 492
–– Persistenz 388 –– Immunisierung 385 –– Tularämie 409
HBV-DNA 387 –– protrahierte 384 Hepatopulmonales Syndrom 470
HBV-DNA-PCR 390 Hepatitis-A-Virus 383 Hepatorenales Syndrom 479, 483
HBV/HDV-Koinfektion 399 Hepatitis B 413, 436, 484 –– S3-Leitlinie 479
HCC s. Karzinom, hepatozelluläres –– akute 386, 387 Hepatosplenomegalie 196, 199,
HCV-Antikörper 396 ––– Immunisierung 388, 401 406, 407
HCV-Genotypen 393, 396 ––– Infektionsweg 386 –– Abetalipoproteinämie 426
HCV-Infektion, Schwanger- ––– Inkubationszeit 386 –– Morbus Gaucher 427
schaft 446 –– chronische 388, 390, 467 –– Toxoplasmose 413
HCV-RNA 396 ––– Endemierate 390 Hepatozyten 378
HDAg 399 ––– HBeAg-negative 390 –– PAS-positive globuläre
HDV-Infektion, endemische 399 ––– HBeAg-positive 390 ­Ablagerungen 421
HDV-RNA-Nachweis 399 ––– Langzeitkomplikation 393 Hepatozytenverfettung 394
HDV-Superinfektion 399 ––– Schwangerschaft 446 Hepcidin 437
Helicobacter pylori ––– Therapie 390 Hereditary Flat Adenoma
–– Antibiotikaresistenzen 114 –––– Leitlinie 392 ­Syndrome s. Polyposis, adeno-
–– Antikörpernachweis 113 ––– Therapieindikation 391 matöse, familiäre, attenuierte
–– Kultur 113 ––– Therapieversagen 393 Hernie 277
–– Virulenzfaktoren 112, 114 ––– Verlauf 393 –– äußere 277, 278
Helicobacter-pylori-Antigen im –– fulminante 388 –– diaphragmatische 277, 278
Stuhl 113 Hepatitis-B-Immunglobulin 388 –– epigastrische 278, 279
Helicobacter-pylori-Eradi­ Hepatitis-B-Virus 386, 390 –– Inkarzeration 32, 277, 279
kation 114, 120, 129, 130, 257 Hepatitis C 436 –– innere 277, 278
Helicobacter-pylori-­ –– akute 393 –– paraösophageale 56, 57, 105,
Infektion 112, 141 ––– Infektionsweg 394 277
–– Biopsie 113 ––– Therapie 395 Herniotomie 279
–– biopsiebezogene Tests 113, 121 ––– Therapieindikation 395
576  Sachverzeichnis

Herpes Hyperbilirubinämie –– Borreliose 409


–– simplex 323 –– angeborene 430, 431 –– Cholangitis 504
–– zoster 323 –– chronische 432 –– Crigler-Najjar-Syndrom 430
Herpes-simplex-Virus-Infektion –– nicht hämolytische, ­familiäre 430 –– intermittierender 431
–– gastrale 111 Hypergastrinämie 115, 523 –– intrahepatischer 45
–– Hepatitis 403 Hyperglykämie 348 –– Laborparameter 46
–– ösophageale 78 –– Magenentleerungsstörung 106 –– Malaria 412
Herpes-simplex-Virus-PCR 404 Hyperinsulinismus 522 –– Papillenkarzinom 514
Herpesvirus-Erkrankung, Hyperkalzämie, Pankreatitis 346, –– posthepatischer 46
­AIDS-assoziierte 203 357 –– postnataler 496
Hers, Morbus 417, 419 Hyperkeratose, follikuläre 167 –– Rotor-Syndrom 432
HGV-Infektion 402 Hyperkoagulopathie 488, 490 –– Säugling 428
Hiatushernie 56, 57, 71, 109 Hyperparathyreoidismus 315 –– schmerzloser 369
–– axiale 57 Hyperpigmentierung 248, 412 ILCO e.V. 221, 272
HIPEC (hypertherme intraperito- Hyperplasie Ileokolitis, fulminante 189
neale Chemotherapie) 273 –– foveoläre, gastrale 119 Ileokoloskopie 231, 255, 290
Hirschsprung, Morbus 291, 293 –– glanduläre, gastrale 119 –– Blutungsabklärung 28
–– assoziierte Erkrankungen 292 –– lymphatische, gastrale 112, 119 –– Colitis ulcerosa 223
HiSORT-Score, Autoimmun­ –– noduläre, fokale, der Leber 243, –– Morbus Crohn 213
pankreatitis 366 447, 486 –– Tuberkulosediagnostik 204
Histaminintoleranz 173 ––– Schwangerschaft 447 Ileorektostomie 265
Histoinkompatibilität 237 Hyperplastische-Polyposis-­ Ileoskopie 252
Histoplasma capsulatum 203 Syndrom 245 Ileum 151, 152
Histoplasmose 410 Hypertension, portale 59, 414, –– MALT-Lymphom 254
HIV-1-Virus 405 471, 475, 484 Ileumlymphom 255
HIV-Enteropathie 201 –– Gastropathie 125, 126, 127 Ileus 25, 35, 36, 295
HIV-Hepatitis 405 Hypertriglyzeridämie 343 –– fremdkörperbedingter 149
HIV-Infektion 78 Hypogammaglobulinämie 235, 314 –– mechanischer 278, 285
–– bei Hepatitis C 398 Hypoglycaemia factitia 522 ––– Operationsindikation 287
–– Lymphom 255 Hypoglykämie 315, 417, 419, 522 –– Morbus Crohn 212
H+/K+-ATPase, Antikörper 115 –– Fruktoseintoleranz 420 –– paralytischer 288, 351
HLA-B5 230 –– funktionelle 146 ––– entzündlich bedingter 288
HLA-B51 230 –– neonatale 424 ––– medikamentös bedingter 288
HLA-DQ2 205 Hypogonadismus, hyper­ ––– reflektorischer 288
HMG-CoA-Reduktase-Hem- gonadotroper 420 ––– Ursache 288
mer 425, 426 Hypokaliämie 527 –– tumorbedingter 252, 286
HNPCC (hereditäres nicht Hypoproteinämie 234, 548 Imatinib 134
­polypöses Kolonkarzinom) 258, Hypothyreose 315 Imiquimod-Creme 323
260, 261 Imitamib 176
Hodgkin, Morbus 486 Immundefekt 314
Hormonstoffwechsel, Immunglobulin G, erhöhtes 365
I
­Leberfunktion 380 Immuninkompetenz, Darmfehl­
IBS (Irritable bowel syndrome)
5-HT3-Antagonisten 526 besiedlung, bakterielle 164
s. Reizdarmsyndrom
5-HT3-Rezeptorantagonist 562 Immunsuppression
I-FOBT (immunologische Testung
Hundebandwurm 196, 415 –– HSV-Infektion 404
auf okkultes fäkales Blut) 543
Hungerversuch 522 –– Mageninfektion 111
IgA-Ablagerung 312
HUS (Hämolytisch-urämisches –– Pilzinfektion 79
IgA-Anti-deamidiertes-Gliadin-
Syndrom) 186, 346 –– Toxoplasmoseverlauf 413
Antikörper 207
Husten, refluxbedingter 72, 73 Immunsuppressiva 176, 466
IgA-Anti-Endomysium-Anti­
Hydatide 415 –– bei Morbus Crohn 216
körper 207
Hydrothorax, hepatischer 477 –– GVHD-Prophylaxe 238
IgA-Anti-Gliadin-Antikörper 207
3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydroge- Immunsystem, mukosaasso­
IgA-Anti-Transglutaminase-2-­
nase, langkettige, Mangel 444 ziiertes 156
Antikörper 207, 209
27-Hydroxylase-Mangel, Impedanzmessung 70, 74, 533
IgA (Immunglobulin A) 156
­mitochondrialer 426 IgA-Mangel 156, 314
Infektion
Hymenolepis nana 197 –– bakterielle 77, 111
IgE-Spiegel im Serum 174
Hypalbuminämie 235, 475, 548 –– bei Pneumatosis cystoides
Ikterus 45, 356, 365
–– neonatale 424 ­intestinalis 251
–– Alagille-Syndrom 429
Hyperalgesie, gastrale 127 –– intestinale, AIDS-­assoziierte 201
–– Alkoholhepatitis 467
Hyperammonämie 424 –– opportunistische 94
–– angeborene Erkrankung 45
––– Leberbefall 405
Sachverzeichnis  577

–– ösophageale 21, 77, 78 K ––– Drittlinien-Chemo­


–– parasitäre 77 Kalziumabsorption 154 therapie 269
–– Pruritus 338 Kalziumabsorptionsstörung nach ––– Fernmetastasen 263, 265
–– virale 78, 111 Magenresektion 148 ––– hereditäres 258
––– Pankreatitis 345 Kalziumantagonisten 65, 68 –––– Anlageträger 258, 260
Infektionsschutzgesetz 182 Kalziumzufuhr ––– Ileus 286
Infliximab 217, 225 –– bei Cholestase 470 ––– inkurables 270
INH 77, 204 –– bei primär biliärer Zirrhose 464 ––– 5-Jahres-Überlebensrate 270
Inkontinenz 332, 335 Kaposi-Sarkom 274 ––– Koloskopie 239
Insulinmangeldiabetes 354, 360 Kaposi-Sarkom-Herpesvirus 274 ––– Lebenszeitrisiko 258
Insulinom 522 Kappenpolyp 242 ––– Lymphgefäßinvasion 263
–– Lokalisationsdiagnostik 522 Kapselendoskopie ––– Lymphknotenstatus 263
–– mtastasierendes 523 –– Blutungsabklärung 29 ––– Malignitätsgrad 260
Insulinsekretion 153 –– Morbus Crohn 214 ––– metachrones 260
Insulintherapie 360 –– Zöliakie 208 ––– Metastasensuche 262
Insult 69 Kardiakarzinom 88 ––– Metastasierung 260, 268
Interferon 388 Kardiaschleimhauteinriss 109 ––– Mikrosatelliteninstabilität 259
Interferon-α 395 Karzinoid 525 ––– Nachsorge 270
–– Kontraindikation 395 –– metastasierendes 526 ––– Nachweis 240
–– Nebenwirkung 395 –– Sekretionsprodukte 525 ––– Pathohistologie 266
–– pegyliertes s. PEG-Interferon-α –– Symptomkontrolle 526 ––– pN-Status 263
Intestinoskopie, intraoperative 30 –– Tumormarker 526 ––– Primärprävention 240, 271
Intoxikation 487 Karzinoidsyndrom 525 ––– Risikogruppe 258, 259, 261
–– Pankreatitis 346 Karzinom ––– R-Klassifikation 263
Intrinsic-Faktor-Mangel 115, 148 –– anales s. Analkarzinom ––– R0-Resektion 264
Invagination 288 –– cholangiozelluläres 453, 466, ––– Screening 241
IPMN s. Neoplasie, muzinöse, 486, 498, 508, 512 ––– sporadisches 261
­papilläre, intraduktale ––– intrahepatisches 508, 513 –––– Verwandten­
IPSID (Immunproliferative small ––– Stadien 510 untersuchung 260
intestinal Disease) 254 ––– Therapie 511 ––– Stadieneinteilung 264
–– Stadieneinteilung 256 ––– TNM-Klassifikation 509 ––– Staging 262
–– Therapie 257 –– Gallengangszystenwand 497 –––– intraoperatives 264
Irinotecan 269, 372 –– gastroösophagealer Übergang 65 ––– stenosierendes 262
–– Nebenwirkungen 270 –– hepatozelluläres 388, 393, 395, ––– synchrones 260
Iritis 212 398, 414, 456, 486 ––– Therapie 264
Irritable bowel syndrome ––– Alkoholabusus 468 –––– antineoplastische 266
s. Reizdarmsyndrom ––– Alpha-1-Antitrypsin-­ –––– chirurgische 264
Ischämie Mangel 422 –––– interventionelle,
–– intestinale 25 ––– Byler-Syndrom 429 ­palliative 270
––– chronische 301, 304 ––– Hämochromatose 439 –––– supportive 270
–– mesenteriale ––– 5-Jahres-Überlebensrate 458 ––– TNM-Klassifikation 262
––– akute 301 ––– Laparoskopie 456 ––– Vorsorgeuntersuchung 258,
––– nonokklusive 301, 304, 305 ––– Okuda-Kriterien 455 259
Isospora belli 202 ––– Pfortaderthrombose 491 ––– Zweitlinien-Chemo­
Isotopen-Atemtest 107 ––– Porphyria cutanea tarda 436 therapie 269
Ito-Zellen 379, 380 ––– Resektion 457 –– neuroendokrines 520, 521
Itraconazol 80, 203 ––– Risikofaktoren 454 –– perianales 321
Ivermectin 197 ––– Sonografiebefund 456 Karzinomscreening bei Morbus
––– Stadieneinteilung 454 Crohn 221
––– Therapie 457 Kasabach-Merritt-Syndrom 450
–––– systemische 458 Katecholamine 380
J
––– TNM-Klassifikation 454 Katheterdrainage, perkutane,
Jeep-Disease 324
–– intraanales 321 ­Leberabszess 407
Jejunalbiopsie 236
–– kloakogenes 330 Kausch/Whipple-Operation 362,
Jejunaldivertikel 104, 163, 164
–– kolorektales (s. auch Kolon­ 363, 371
Jejunostomie, perkutane
karzinom; s. auch Rektum­ Kawasaki, Morbus 309
­endoskopische 555, 556
karzinom) 258, 299, 466 Kayser-Fleischer-Kornealring 440
Jejunum 151, 152
––– Amsterdam-Kriterien 258 Kehr-Zeichen 33
Johanson-Blizzard-Syndrom 538
––– Chemotherapie 266 Ketotifen 117, 176
Juckreiz s. Pruritus
–––– palliative 268 KIT-Protoonkogen 132
578  Sachverzeichnis

Klatskin-Tumor 508, 513 Kolonkarzinom (s. auch Karzinom, Koproporphyrie, hereditäre 435
Klippel-Trenaunay-Weber-­ kolorektales) 258 Koproporphyrin-Ausscheidung im
Syndrom 249 –– Chemotherapie, adjuvante 267 Urin 432
Klistier 44 –– bei Colitis ulcerosa 228 Koprostase 288
Knochenmark –– Nachsorge 270 Kortikosteroide s. Glukokortikoide
–– Hypoplasie 342 –– nicht polypöses, Kost
–– Mastzelleninfiltration 175 ­hereditäres 258, 260, 261 –– ballaststoffarme 220, 227
Knochenszintigramm 262 ––– Bethesda-Kriterien 259, 260 –– ballaststoffreiche 44, 280
Knodell-Index, Hepatitis-C-­ ––– Nachsorge 271 –– galaktosefreie 420
Aktivität 396 –– pT1-Tumor 265 –– glutenfreie 208
Knollenblätterpilzvergiftung 482 –– Resektionsausmaß 264 –– laktosefreie 310
Koagulationsnekrose 143 –– serratierter Pathway 242 Kostaufbau bei akuter
Kohlenhydratabsorption 154 Kolonleiomyom 249 ­Pankreatitis 351
Kohlenhydrate, Ernährung, Kolon-Manometrie 44 Kreatininkonzentration im
­parenterale 557 Kolonmotilität, Regulationsim­ ­Serum 479
Kohlenhydratmalabsorption 37 balance 294 Krebsinformationsdienst 272
Kohlenhydratstoffwechsel Kolonpseudoobstruktion, Kryoglobulinämie 386, 394
–– Lebererkrankung, ­akute 293 Krypten
­hereditäre 417 Kolonschleimhaut­ –– Analkanal 317, 329
–– Leberfunktion 379 pigmentierung 316 –– Dickdarm 153
Kokzidioidomykose, Kolonsegment, abnorm –– Dünndarm 152
­Leberbefall 410 ­langes 162 Kryptokokkose 410
Kokzidiomykose, AIDS-­ Kolonstenose 224, 226 Kryptosporidieninfektion
assoziierte 203 Kolonteilresektion 294 –– AIDS-assoziierte 202
Kokzygodynie 336 Kolon-Transitzeit-­ –– ösophageale 78
Kolektomie bei Colitis Bestimmung 44, 290 Kupferausscheidung im Urin 439,
­ulcerosa 225 Kolontumor, submukosaler 249 440
Kolik, biliäre 499 Koloskopie 40, 129, 131 Kupferexkretion, biliäre 439
Kolitis –– bei Colitis ulcerosa 228 Kupfergehalt, hepatischer 440
–– antibiotikaassoziierte 187 –– Karzinom, kolorektales 239, Kupferspeicherkrankheit 439
–– ausgebrannte 227 259, 262 Kupffer-Zellen 378
–– hämorrhagische 186, 187 –– Karzinomnachweis 240 –– HIV-1-Virus 405
–– infektiöse 215 –– Karzinom-Screening 241 –– Leishmanienbefall 412
–– ischämische 301, 304, 305 –– Leiomyom 249 –– Proliferation 404, 412
–– kollagene 232 –– Morbus Crohn 221 Kurzdarmsyndrom 160
–– lymphozytäre 232 –– Pneumatosis cystoides
–– mikroskopische 206, 232 ­intestinalis 251
–– pseudomembranöse 187 –– Polypennachweis 239
L
–– ulzeröse 192, 306 –– Qualitätsmerkmale 239
Lactatdehydrogenase 491
Kollagenablagerung 232 –– virtuelle 259
Lactitol 481
Kollagenose Kolostoma, endständiges 265, 297
Lactulose 481
–– Einteilung 309 Koma, hepatisches 483
Laktasemangel 154, 165, 173, 248
–– Ösophagusmotilitätsstörung 68 Kondylom, spitzes 322
Laktatazidose 417
Kolliquationsnekrose 143 Konglomerattumor 204
Laktose-H2-Atemtest 545, 546
Kolon Konjunktivitis 212
Laktoseintoleranz 37, 154, 173,
–– Aganglionose, totale 291 Kontaktekzem, allergisches,
198, 248, 546, 548
–– MALT-Lymphom 254 ­perianales 320
Laktosemalabsorption 546
Kolonadenom 243 Kontinenz 318
Laktulose 44
Kolonadenome, multiple 245 Kontinenzerhaltung 317
Laktulose-H2-Atemtest 545, 547
Kolonbiopsie 232 Kontinenzorgan 318
Lambliasis 191
Kolonblutung 28 –– Innervation 317
–– Leberbeteiligung 411
Kolondilatation (s. auch Mega­ –– Knickverschluss 318
Lanreotid 518
kolon) 293 –– Schwellverschluss 318
Lansoprazol 74, 130
–– nicht obstruktive 229 –– Tamponierverschluss 318
Laparoskopie
Kolondrüsen, zystisch –– Verschluss
–– Karzinom, hepatozelluläres 456
­dilatierte 250 ––– muskulärer 317, 318
–– Leberzirrhose 470
Kolonhämangiom 249 ––– vaskulärer 318
Laryngitis, posteriore 72
Koloninterposition zwischen Kontinua 184
Laryngoskopie 96
­Leber und Zwerchfell 162 Kontrasteinlauf 158, 287
Laserlithotripsie, intra­
Kolonischämie 301, 305 Koordination, antroduodenale,
korporale 499
gestörte 106
Sachverzeichnis  579

Lassa-Fieber 406 Leberkarzinom (s. auch Karzinom, Lebertumor 486


Lateralsklerose, amyotrophe 69 hepatozelluläres) 458 –– benigner 447
Laugenverätzung, ösophageale 96 –– fibrolamelläres 458 –– maligner 453
Laxanzien 44, 334 Leberkoma 60 ––– Kindesalter 459
–– anthrachinonhaltige 316 Leberlappen 378 Lebervenendruck 490
Laxanzienabusus 43 Lebermetastase 407 Lebervenenthrombose 486
LDH (Lactatdehydrogenase) 491 –– resektable 268 Lebervenenverschluss 488, 489
Leber Lebermikroabszesse 409 Leberversagen 400, 410
–– Amöbenabszess 192, 410 Leber-/Nierentransplantation 480 –– akutes 482, 493
–– Durchblutung 378 Leberparenchymzellen 378 ––– infektionsbedingtes 482
–– fokale noduläre Hyper­ Leberpunktion 408, 470, 483 ––– Komplikation 483
plasie 243, 447, 486 Leberregeneratknoten 492 ––– medikamentös bedingtes 482
––– Schwangerschaft 447 Leberschädigung ––– toxisch bedingtes 482
–– Kupfergehalt 440 –– alkoholbedingte 467 –– chronisches 493
–– Pigmentablagerung 431 –– chemisch-toxische 486, 487 –– fulminantes 440, 481, 493
Leberabszess 407, 503 ––– cholestatische 486 Leberwerte, erhöhte 383
–– Askariasis 415 ––– idiosynkratische 486 Leberzellinsuffizienz 482, 493
–– Aspergillose 410 ––– vaskuläre 486 Leberzellnekrosen 406, 413
–– iatrogener 407 ––– zytotoxische 486 –– herdförmige 403, 409, 410
–– Tularämie 409 –– chemotherapiebedingte 269 –– zentrilobuläre 491
Leberadenom 418, 448, 486 –– ischämische, intraoperative 485 Leberzirrhose 59, 388, 393, 395,
–– Histologiegewinnung 449 –– medikamentös-toxische 487 398, 466, 469, 542
–– Schwangerschaft 448 –– toxische 486 –– Alagille-Syndrom 430
–– Therapie 449 Lebersegment­ –– alkoholbedingte 468
Leberamöbiasis 410 transplantation 493 –– Alpha-1-Antitrypsin-­
Leberangiosarkom 459 Lebersonografie Mangel 422
Leberarterienaneurysma 492 –– Abszessnachweis 407 –– Aszites 475
Leberarterienverschluss 492 –– Zirrhosezeichen 470 –– biliäre (s. auch Zirrhose,
Leberbiopsie, Aldolase­ Leberstauung 492 ­biliäre) 465
bestimmung 420 Leberteilresektion 511 –– Child-Pugh-Klassifikation 471
Leberegel Lebertransplantation 384, 388, 493 –– Ernährung 470
–– großer 414 –– bei akutem Leberversagen 483 –– Erstdiagnose 474
–– sibirischer 414 –– Alagille-Syndrom 430 –– Fettleberhepatitis 469
Lebererkrankung –– Alkoholhepatitis 468 –– Gallensäure-Biosynthese­
–– chemische Stoffe 487 –– Alpha-1-Antitrypsin-­ störung 428
–– hereditäre 417 Mangel 422 –– Hämochromatose 437, 439
–– polyzystische 451, 452 –– Autoimmunhepatitis 462 –– kardial bedingte 492
–– schwangerschafts­ –– Byler-Syndrom 429 –– Langzeitkomplikation 470
assoziierte 441 –– Cholangitis, primär –– mikronoduläre 419, 425, 437
–– vaskuläre 488 ­sklerosierende 466 –– Mukoviszidose 423
Leberfibrose 414 –– Crigler-Najjar-Syndrom 430 –– Osler, Morbus 432
–– kongenitale 498 –– Echinokokkose 416 –– Pfortaderthrombose 490
–– periportale 418 –– Gallengangatresie 496 –– Todesursache 471
Leberfunktion 470 –– Gaucher, Morbus 427 –– Tyrosinämie, hereditäre 423
Leberfunktionstest, –– Glykogenose 418, 419 –– Ursache 469
­quantitativer 541 –– Hämochromatose 439 –– Varizenblutungsrisiko 471
Lebergranulome 415 –– Hepatitis C, chronische 398 –– Wilson, Morbus 439, 440
–– Candidiasis 409 –– bei hepatogenem Aszites 476 –– Wolman-Krankheit 425
–– histiozytäre 409 –– bei hepatorenalem Leberzyste 451
–– Morbus Whipple 409 ­Syndrom 480 –– Fensterung, laparo­skopische 452
–– nekrotisierende 486 –– Herpes-simplex-Virus-­ Leinsamen 280
–– Tularämie 409 Hepatitis 404 Leiomyom
Lebergummen 409 –– Karzinom, hepatozelluläres 458 –– gastrointestinales 135, 249
Leberhämangioendotheliom, –– Kontraindikation 493 –– ösophageales 92
­benignes 450 –– Leberzirrhose 474 Leiomyosarkom 274
Leberhämangiom 447 –– Notfallindikation 493 –– gastrointestinales 135
–– kavernöses 449 –– orthotope 493 Leishmaniasis 412
Leberhämatom, –– Tyrosinämie, hereditäre 424 Leistenhernie 278, 279
­subkapsuläres 443 –– Wilson, Morbus 441 Leptospirose 408
Leberhautzeichen 47, 470 –– Zirrhose, biliäre, primäre 464 Leukämie, akute 485
Leberinfarzierung 491 Leukozytopenie, relative 184
580  Sachverzeichnis

Levofloxacin 123 –– transplantations­ –– polypöses 136


Lewis-b-Blutgruppenantigen 112, assoziiertes 255, 257 –– Resektion
121 Lymphozyten, intra­epitheliale 205 ––– kurative 139
Lhermitte-Duclos-Syndrom 247 Lymphsystem, hepatisches 378 ––– limitierte, palliative 139
Lidocainmetabolisierung, Lymphverlust, intestinaler, –– Stadieneinteilung 138
­hepatische 541 ­direkter 235 –– szirrhöses 136, 137
Linea dentata 317, 329 Lynch-Syndrom 137 –– Therapie
Linksseitenkolitis 225 Lysetherapie 303, 491 ––– adjuvante 139
Linton-Sonde 62 ––– kurative 139
Lipase 340, 348 ––– neoadjuvante 139
–– lysosomale, Mangel 425 ––– palliative 139
M
Lipidapherese 343 ––– stadienabhängige 139
Magen 102
Lipidspeicherkrankheit 425 –– TNM-Klassifikation 137
–– exogene Noxen 110
Lipidstoffwechsel 379 Magenläsion, physikalische 143
–– Funktion 103
Lipom, kolorektales 249 Magenlymphom 141, 254, 255
–– Gefäßversorgung 102
Liponeogenese 379 –– hochmalignes 141, 142
–– Hyperplasie
Lipoprotein-Lipase-Defizienz 345 –– Stadieneinteilung 142
––– foveoläre 119
Lipoproteinstoffwechsel 379 Magenmotilitätsstörung 106
––– glanduläre 119
Liposarkom 274 –– antrale 106
––– lymphatische 112, 119
Lippenspeicheldrüsenbiopsie 311 Magenoperation
–– Innervation 103
Litholyse, medikamentöse 501 –– Diarrhö 147
–– Operationsfolgen 145
Lithotripsie 499 –– metabolische Folgen 148
–– proximaler, Compliance-­
–– elektrohydraulische 499 Magenpolyp
Störung 106
–– endoskopische 505 –– hyperplastischer 131
–– Röntgen-Kontrastmittel­
LKM-Antikörper 462 ––– Schlingenabtragung 132
untersuchung 107
Lochkerne 418 –– nicht neoplastischer 131
Magenablaufsonde,
Loop-Ileostoma, protektives 265 Magenresektion 147
­nasogastrale 289, 294, 351
Loperamid 148, 227 –– Absorptionsstörung 148
Magenadenom 131, 136
Lorazepam 561 –– distale 71, 116
–– Schlingenabtragung 132
Loslassschmerz, abdomineller 33, –– bei Magenkarzinom 139
Magenausgangsdilatation 109
276 Magensäuresekretion 153
Magenausgangsstenose 24, 108
Lücke, osmotische, Magenschlauch 109
–– Gastroenteritis,
Stuhluntersuchung 43 Magenschleimhaut 102
­eosinophile 117
Lues 409 –– ektope 157
–– tumorbedingte 108, 109
Lugol-Lösung 84 Magenschleimhautdefekt 121
Magendeformität 104
Lungeninfiltrat, flüchtiges 194 Magensekretionsanalyse 536
Magendivertikel 104
Lungenmetastase, resektable 268 Magentumor 131
–– intramurales 104
Lupus erythematodes, –– mesenchymaler 132
–– juxtakardiales 104
­systemischer 309, 311, 486 –– neuroendokriner 520
Magenentleerung 103
–– Ösophagusbeteiligung 68 Magenüberdehnung 24
–– vor Endoskopie 26
Lyme-Borreliose 409 Magenulkus s. Ulcus ventriculi
–– verzögerte 106
Lymphadenitis, mesenteriale 189 Magenverätzung 143
Magenentleerungsmessung 107
Lymphangiektasie, ­intestinale 235 –– Schweregrade 143
Magenentleerungsstörung 71, 106
Lymphangiografie 236 Magenvolvulus 57, 105
–– Bezoar 150
Lymphfollikel-Hyperplasie, Magenwand 102
–– diätetische Maßnahmen 107
­gastrale 131 Magenwandriss, verätzungs­
–– iatrogene 106
Lymphgefäßfehlbildung 236 bedingter 144
–– Marker-Technik 107
Lymphknoten Magenwandverschwellung 48
–– medikamentenbedingte 106
–– pankreatikoduodenale 103 Magnesiumabsorption 154
Magenfrühkarzinom 136, 137
–– perigastrische 103 Magnetresonanz-Cholangio-­
–– Therapie 139
–– präaortale 151 Pankreatikografie 352, 359
Mageninfektion 111
–– zöliakale 151 Magnetresonanztomografie, Pan-
Mageninhaltsabsaugung 108
Lymphknotenschwellung 199 kreaskarzinomdiagnostik 369
Magenkarzinom 113, 114, 115,
Lymphom Makrophagen, PAS-positive 199
120, 136
–– Dünndarm 251 Malabsorption 554
–– im Adenom 131
–– follikuläres 255, 257 –– Eiweißverlust-Gastroentero­
–– diffuses, hereditäres 137
–– gastrointestinales 254 pathie 235
–– genetische Diagnostik 137
––– Stadieneinteilung 256 Malabsorptionssyndrom 165
–– Lymphknotenstatus 138
–– HIV-assoziiertes 255 –– Cronkhite-Canada-­Syndrom 248
–– Metastasierung 137, 138
–– immundefizienz­ –– intestinal bedingtes 167
–– neuroendokrines 520
assoziiertes 255, 257 –– pankreatogenes 167, 357
Sachverzeichnis  581

–– Sprue, tropische 198 –– motilitätshemmende 194 Miliartuberkulose 408


–– Whipple, Morbus 198, 199 –– Ösophagusmukosaläsion 93 Milzmikroabszesse 409
Malakoplakie 242, 315 –– Pankreatitis auslösende 344 Milzvenenthrombose 59, 301,
Malaria 412 –– ulzerogene 120, 122 304, 356
Malassimilation 165 –– vasoaktive, bei Ösophagus­ Mirizzi-Syndrom 501
Malassimilationssyndrom varizenblutung 62 Mischkollagenose 309, 311
–– Amyloidose 145 Megakolon 293 Miserere 24, 25, 286
–– Jejunaldivertikel 105 –– toxisches 189, 212, 223, 225, MMC (Migrating motor
Maldigestion 165 226, 229 ­Complex) 156
Mallory Bodies 394, 467, 468 ––– Komplikation 230 Model for End-stage Liver
Mallory-Weiss-Syndrom 25, 26, ––– Therapiestrategie 230 ­Disease 493
61, 109 Megluminantimonat 412 Mononukleose 404
Malnutrition 470 MEGX-Test 541 Mononukleose-Schnelltest 404
MALT-Lymphom Meissner-Plexus 103, 152, 153 Monosaccharide 154
–– gastrales 141, 254 Mekoniumileus 162, 292 Montezumas Rache 193
–– gastrointestinales 254, 257 Meläna 27, 28, 126, 491 Montreal-Klassifikation
MALT (mukosaassoziiertes –– Hämangiomblutung 249 –– Morbus Crohn 211
­lymphatisches Gewebe) 141 –– Ösophagusvarizenblutung 60 –– Refluxkrankheit, gastro­
Mammakarzinom 248 –– Ulkusblutung 121 ösophageale 70
Manometrie MELD-Score (Model for End-stage Morgagni-Hernie 277, 278
–– anorektale 319 Liver Disease) 493 Morgagni-Krypten 317
–– Dünndarm 549 Ménétrier, Morbus 119 Motilität, gastrointestinale 153
–– gastroduodenal-jejunale 296 MEN-Typ-I 515, 520 Motilitätsstörung, intestinale 38,
–– Kolon 44 MEN-Typ-II 250, 515 163
–– Ösophagus 55, 65, 67 MEOS (mikrosomales ethanol­ –– Darmfehlbesiedlung,
–– Sphinkter Oddi 504 oxidierendes System) 381, 467 ­bakterielle 164
Mantelzelllymphom 255, 257 6-Mercaptopurin 216, 219 MR-Cholangiografie 465, 499
Marburg-Virus-Krankheit 406 Mesalazin 219 MRCP (Magnetresonanz-Cholan-
Marginalzonen-B-Zell-­ Mesenterialinfarkt, akuter 301, 306 gio-Pankreatikografie) 352, 359
Lymphom 141, 142 Mesenterialischämie, Schmerz 32 MR-Enterografie 30, 214
–– niedrigmalignes, MALT- Mesenterialvenenthrombose 189, MR-Enteroklysma 167, 214
Typ 113, 114 301, 302, 304, 491 –– Tumordiagnostik 252
Marisken 319 Mesenterikografie 30 mTOR-Inhibitor 519
Marker-Technik, Magenent­ Metall-Stent, selbst­ Muir-Torre-Syndrom 238, 258
leerungsstörung 107 expandierender 62 Mukosaprolaps, rektale 334
Marsh-Einteilung, Zöliakie 205 –– bei Ösophaguskarzinom 87 Mukosaprotektive Substanzen 94,
Masern-Hepatitis 405 Metaplasie 95
Mastozytom, extrakutanes 175 –– antrale 120 Mukosaresektion, endoskopische,
Mastozytose, systemische 175 –– intestinale 116, 136 ösophageale 87, 90
–– aggressive 175 Metastase, gastrointestinale 276 Mukosatumor, benigner,
–– Basistherapie 176 Meteorismus 37, 127, 290 ­ösophagealer 91
–– Diagnosekriterien 176 –– Ileus, paralytischer 289 Mukositis
–– indolente 175, 176 –– Reizdarmsyndrom 177 –– chemotherapiebedingte 94
–– WHO-Einteilung 175 Methacetin, 13C-markiertes 542 –– orale 559
Mastzelleninfiltration 175 Methacetintest 541, 542 ––– Schweregrade 560
Mastzellleukämie 175 Methotrexat 216, 219 ––– Stadien 559
Mastzellmediatoren 175 Metronidazol ––– Therapie 560
Mastzellsarkom 175 –– bei Pouchitis 227 Mukoviszidose 346, 355, 422, 538
McArdle, Morbus 417, 419 Michaelis-Gutmann-Körper 315 –– Gentherapie 423
McBurney-Punkt 276 Miglustat 427 –– Leberbeteiligung 422
MCT (mittelkettige Migrating motor Complex 156 Multikinase-Inhibitor 458
­Triglyzeride) 235, 236, 310, 426 β2-Mikroglobulin, Mund-Soor 559
Mebendazol 195, 196, 197, 415, ­Amyloidose 307 Murphy-Zeichen 34
416 Mikrohamartome, biliäre 452 Musculus
Meckel-Divertikel 32, 156 Mikrosomales ethanoloxidie­ –– puborectalis 317, 318
Medikamente rendes System 381, 467 –– sphincter ani
–– Diarrhö 559 Mikrosporidieninfektion, ––– externus 317, 318
–– Karzinom, hepatozelluläres 455 ­AIDS-assoziierte 202 ––– internus 317, 318
–– Leberschädigung 487 Mikrovilli 152 MUSE-Klassifikation, Refluxkrank-
–– Magenentleerungsstörung 106 Milchsäurebakterien­ heit, gastroösophageale 73
–– Mastozytoseauslösung 176 kombination 227 Muskelatrophie 166
582  Sachverzeichnis

Muskeldystrophie, Ösophagus­ Natriumphenylacetat 424 Norfloxacin 165


motilitätsstörung 69 Natriumstiboglukonat 412 Norovirusinfektion 190
MUTYH-Gen 245 Nausea s. Übelkeit –– epidemieartige 190
Myasthenia gravis 69 Necator americanus 196 –– Hygienemaßnahmen 190
Mycobacterium tuberculosis 408 Nekrosestraße 347 Notfallendoskopie 26
Mycobacterium-tuberculosis- Nematoden 414 Notfallkolektomie 230
Komplex 204 Neomycin 481 NTBC (2-(2-nitro-
Mycophenolat Mofetil 462 Neoplasie 4-trifluoromethylbenzoyl)-1,3-
Myeloperoxidase-Antikörper 313, –– intraepitheliale 322 Cyclohexanedione) 424
314 ––– bei Colitis ulcerosa 222, 228 Nüchternschmerz 121
Mykobakterieninfektion 204 ––– kolitisassoziierte 221 Nukleosidanaloga 392
–– AIDS-assoziierte 202 ––– bei Morbus Crohn 211, 221 Nukleotidanaloga 392
Mykobakteriennachweis 204 ––– ösophageale 81, 82, 83 Nussknacker-Ösophagus 66
Myopathie 295 ––– pankreatische 368 Nystatin 80
–– Dünndarmmanometrie 549 ––– Polyp 240
Myositis, autoimmune 295 –– muzinöse, papilläre,
Myotomie, endoskopische, ­intraduktale 373, 374, 376
O
­perorale 66 ––– Malignitätskriterien 375
Oberbauchbeschwerden,
M-Zellen 152 ––– multifokale 375
­funktionelle 127
––– Pankreaskarzinom 375
Oberbauchschmerzen 32, 137
––– Subklassifikation 374
–– Alkoholhepatitis 467
–– muzinös-zystische 373, 375
N –– Autoimmunpankreatitis 365
––– invasive 375
Nabelhernie 278, 279, 475 –– chronische 35
–– serös-zystische 375
–– physiologische, Persistenz 161 –– diagnostisches Vorgehen 370
–– solide pseudopapilläre 376, 377
Nabelvenenkatheter 490 –– kolikartige, rechtsseitige 498
Neostigmin 289, 294, 296
Nachtblindheit 166, 167 –– Lebermetastase 460
NERD (nichterosive gastroösopha-
NAFLD (nichtalkoholische –– Leberzyste 451
geale Refluxkrankheit) 70, 71
­Fettleber) 468 –– linksseitige 32
Nervus-phrenicus-Irritation 22
Nageldystrophie 248 –– Pankreatitis 356
Nervus vagus 153
Nahrungsallergen 98 –– postprandiale 121
Nervus-vagus-Irritation 22
Nahrungsbestandteile, Processing ––– nach Magenresektion 147
Neurodermitis 320
–– luminales 165 –– rechtsseitige 32, 407, 411
Neurofibrom 250
–– mukosales 165 ––– Cholezystitis 502
–– gastrointestinales 135
Nahrungsfette 154 Oberflächenaktive Substanzen 38
Neurofibromatose von
Nahrungsmittel Oberflächengastritis,
­Recklinghausen 250
–– Campylobacter­übertragung 184 ­antrumbetonte 112
Neurofibrosarkom 274
–– kupferreiche 440 Obstipation 43, 290, 293
Neuroglukopenie 522
–– Mastozytoseauslösung 176 –– akute 44
Neuromuskuläre Erkrankung,
–– N-Nitroso-reiche 84 –– biliäre, extrahepatische 371
Ösophagusmotilitätsstörung 64
–– refluxfördernde 76 –– chronische 43
Neuropathie 295
–– Salmonellenübertragung 183 –– Dolichokolon 162
–– autonome 314
Nahrungsmittelallergie 173 –– endokrin bedingte 43
–– Dünndarmmanometrie 549
–– Allergenidentifikation 174 –– gastrointestinale 562
–– viszerale 107
–– orale Provokation 174 –– medikamentenbedingte 43
Neutropenie, inter­mittierende 342
–– Sofort-Typ 172 –– Morbus Hirschsprung 291
Neutrophilenmarker, fäkale 224
–– Stufendiagnostik 173 –– peripher neurogene 43
Niclosamid 195
Nahrungsmittelunverträglichkeit –– Reizdarmsyndrom 177, 178
Nierenbiopsie 313
–– immunologisch vermittelte 172 –– Stufentherapie 44
Nierenversagen bei akutem
–– nicht immunologisch –– im Wechsel mit Diarrhö 177, 178
­Leberversagen 483
­vermittelte 173 Obstruktion
Nifedipin 68
–– physiologische 172 –– biliäre, extrahepatische 407
Nissen/Rosetti-Fundoplikatio 75
–– pseudoallergische Reaktion 173 –– gastrointestinale 24
Nitrate 65, 68
–– psychisch vermittelte 172, 173 –– intestinale, rezidivierende 295
Nitroglycerin 62
Nahrungsprotein 155 –– kolorektale 333
NOD2-Gen 210
Naloxon 464 Obturationsileus 285
NOMI (nonokklusive mesenteriale
Narbenhernie 278 Octreotid 61, 62, 146, 296, 310,
Ischämie) 301, 304
Nasenschleimhautbiopsie 313 315, 518
Non-cardiac Chest Pain 21, 67
NASH (nicht alkoholische Ödem 166
Non-Hodgkin-Lymphom 486
­Steatohepatitis) 468 –– hypoproteinämiebedingtes 234,
–– hochmalignes 254
Natriumabsorption, ­intestinale 153 235
––– HIV-assoziiertes 255
Sachverzeichnis  583

Odynophagie 20, 72 –– Röntgen-Kontrastmittel­ ––– Drucksenkung, medikamen­


–– infektionsbedingte 78, 79 untersuchung 55 töse 65, 71
–– Mukositis 94 –– Vier-Quadranten-Biopsie 82 ––– hypertensiver 67
–– Ösophaguskarzinom 84 Ösophagusblutung, ––– Myotomie 56, 66
–– Ösophagusmotilitätsstörung, ­verätzungsbedingte 96 ––– Relaxation, fehlende 65
hyperkontraktile 67 Ösophagusdilatation 64 Ösophagusstenose 19
–– Pillenösophagitis 93 Ösophagusdissektion 62 –– Bougierung 75
–– Pseudodivertikulose, Ösophagusdivertikel 54 –– Morbus Crohn 100
­ösophageale 55 –– epiphrenisches 54, 55 –– peptische 71, 75, 524
–– Strahlenösophagitis, akute 95 –– parabronchiales 54, 55 –– strahlenbedingte 95
ÖGD s. Ösophagogastro­ –– zervikales 54, 55 Ösophagusstriktur 97
duodenoskopie Ösophagusepithel, Schädigungs- –– verätzungsbedingte 84
Ogilvie-Syndrom 293 mechanismen 81 Ösophagustumor,
Okuda-Kriterien, Karzinom, Ösophaguskarzinom 19, 76, 82, ­mesenchymaler 92
­hepatozelluläres 455 83, 88 Ösophagusulkus
Olanzapin 561 –– Bougierung 87 –– infektionsbedingtes 78
Omeprazol 74 –– Down-Staging 87 –– medikamentenbedingtes 21, 93
Omphalozele 161 –– Fernmetastasen 85 –– Morbus Crohn 100
Ondansetron 464, 562 –– Grading 85, 89 –– Plattenepithelkarzinom 84
Opisthorchis felineus 414 –– Gruppeneinteilung, –– strahlenbedingtes 95
Opiumtropfen 227 ­prognostische 86, 90 Ösophagusvarizen 59, 471
Organperforation 32, 35 –– lokal fortgeschrittenes 90 –– Blutungsstigmata 472
Organspende 493 –– lokal inoperables 90 –– Eradikation 63
Ornidazol 412 –– Lymphknotenstatus 85 –– Erstdiagnose 474
Ornithinaspartat 481 –– metastasierendes 90 –– Gummibandligatur 61, 63
Ornithose 409 –– palliative Therapie 87 –– Injektion
Osler, Morbus 126, 127, 432 –– Regression 90 ––– intravasale 62
Ösophagitis –– Resektion, radikale 87 ––– paravasale 62
–– eosinophile 19, 98 –– Staging 84 –– Klassifikation 60
–– Herpes-simplex-Virus-­ –– TNM-Stadien 85, 89 –– Stadien 472
Infektion 78 Ösophaguskontraktion 53, 54 Ösophagusvarizenblutung 26, 28,
–– Morbus Crohn 100 –– spastische 65 60, 473, 484
–– strahlenbedingte 95 Ösophagusläsion –– Endoskopie 60
Ösophagogastroduoden­ –– fremdkörperbedingte 97 –– Leitfaden 62
oskopie 231, 290, 311 –– medikamentös bedingte 92 –– Notfallmaßnahmen 61
–– Antibiotikatherapie 61 Ösophagusmanometrie 55, 65, –– Rezidiv 63
–– Blutungsabklärung 28, 29 67, 74 –– Rezidivprophylaxe 63, 473, 474
–– vor Cholezystektomie 500 Ösophagusmotorik 54 –– Risiko 60
–– bei Leberzirrrhose 470 Ösophagusmukosa 53 –– Risikofaktoren 63
–– Morbus Crohn 214 –– fremdkörperbedingte Läsion 97 –– Therapieversagen 63, 474
–– Varizennachweis 472 –– intramurale Dissektion 109 Ösophagusverätzung 83, 84, 96
–– Zöliakie 206 –– Resektion, endoskopische 87, 90 –– Komplikation 97
Ösophagospasmus, diffuser 54, 67 –– strahlenbedingter Schaden 95 Osteom, mandibuläres 243
Ösophagus 53 –– Tumor, benigner 91 Osteomyelofibrose 485
–– Gefäßversorgung 53 Ösophagusmukositis, chemo­ Osteopenie 212, 464
–– hypersensitiver 21 therapiebedingte 94 Osteoporose 166, 167, 212
–– Infektion 21, 77 Ösophagusperforation 65, 77 Östrogene 380
–– Innervation 53 Ösophagusplaques, Outlet-Obstipation 333
–– Kinking 64 ­Glykogenakanthose 101 Oxaliplatin 140, 267, 269, 372
–– korkenzieherartig Ösophagusrelaxation 53 –– Nebenwirkungen 270
­gewundener 67 Ösophagussphinkter Oxyuris oxyura 196
–– Motilitätsstörung 19, 21, 64 –– Druck 54
––– hyperkontraktile 66 –– oberer 53, 54
––– hypermotile 21 ––– Funktionsstörung 19
P
––– hypomotile 68, 70, 71 ––– Myotomie 56
Paget, Morbus 321
––– Kollagenose 309, 310, 311 –– unterer 53, 54
PAIR (Punktion-Aspiration-­
––– sekundäre 68 ––– Ballon-Dilatation 56
Instillation-Reaspiration) 415
–– Obstruktion, karzinom­ ––– Botulinumtoxininjektion,
Palonosetron 562
bedingte 84 ­endoskopische 66, 68
Panarteriitis nodosa 68, 309, 312
–– Perzeptionsstörung 21 ––– Dilatation, pneumatische 65
–– Leberbeteiligung 484
–– Präkanzerose 80, 83
584  Sachverzeichnis

pANCA 313, 314, 465 Pankreaskorpuskarzinom 371 –– rezidivierende 501


Pancreas Pankreasläsion, zystische 373 –– Schmerzausstrahlung 32
–– anulare 341 –– Diagnostik 376 –– Stoffwechseldefekt 343
–– divisum 341 –– mit Ganganschluss 376 Pankreatoblastom 373
Paneth-Zellen 152 Pankreaslinksresektion 371 Pankreatografie, endoskopisch
Panitumumab 269 Pankreasmetastase 373 retrograde- 358
–– Nebenwirkungen 270 Pankreasnekrose Pankreolauryltest 540
Pankolitis 223, 225 –– infizierte 351, 352 Pantoprazol 74, 130
–– Karzinomrisiko 228 –– Pilzbesiedlung 352 Papillektomie 514
Pankreas 340 Pankreaspseudozyste 347, 356, Papillenadenom 507
Pankreasadenokarzinom 367 357, 361, 376, 377 Papillenkarzinom 513
Pankreasadenom 373 –– Intervention 361 Papillenostium, mit Muzin
–– muzinöses 373 –– Komplikation 361 ­okkludiertes 374
–– serös-zystisches 373, 375 Pankreaspunktion, Papillom, ösophageales 91
Pankreasenzymdefekt 342 ­endosonografische 369 Papillom-Virus, humanes 84, 91,
Pankreasenzyme 340 Pankreasresektion 362 321, 322, 331
–– reduzierte Sekretion 538 Pankreassekret, ­hypervisköses 355 Papillotomie, endoskopische 352,
–– Substitution 360 Pankreassekretion 153 505, 508
Pankreasenzymsubstitution 423 –– exokrine 340 Paracetamol-Intoxikation 482
Pankreasfehlbildung, ––– digestive Phase 340 Parasiten 194
­angeborene 341 Pankreassonografie 167, 348, 357 –– Leberbefall 410
Pankreasfermentsonde 539 Pankreasveränderung, Cam- Paratyphus 183
Pankreasfunktionstest 357, 538 bridge-Klassifikation 358 Parazentese 476
–– direkter 538, 539 Pankreaszystadenokarzinom, Parietalzell-Hyperplasie 119
–– indirekter 538, 539 ­muzinöses 373 Paromomycin 78, 193, 411, 481
Pankreasgang 340 Pankreaszystadenom Passagestörung,
–– Protheseneinlage 361 –– muzinöses 377 ­gastrointestinale 554
Pankreasgangobstruktion, –– seröses 376 Pasta zincii mollis 338
­tumorbedingte 343 Pankreaszyste, kongenitale 377 Paul-Bunnell-Test 404
Pankreasgangstein 361 Pankreatikoduodenektomie 362, PBC s. Zirrhose, biliäre, primäre
Pankreasgewebe, heterotopes 341 363, 371 PCR (Polymerasekettenreak-
Pankreasinsuffizienz –– pyloruserhaltende 362, 364, tion), Helicobacter-pylori-­
–– endokrine 354 371, 511, 514 Nachweis 113
–– exokrine 165, 342, 354, 538 Pankreatitis 538 PDGFR α (Platelet-derived Growth
Pankreaskalzifikation 356 –– akute 343, 369 factor Receptor alpha) 175
Pankreaskarzinom 367, 538 ––– Ernährung 351 PEG-Interferon-α 390, 395, 400
–– Alarmzeichen 368 ––– Komplikation 347, 349 –– Nebenwirkung 395
–– Autoimmunpankreatitis 365 ––– Rezidivprophylaxe 354 PEG (perkutane endoskopische
–– Chemotherapie 371 ––– Schmerztherapie 350 Gastrostomie) 20, 87, 287, 555,
––– palliative 372 ––– Therapie 350, 353 556
–– exokrines 367 –– alkoholbedingte 343, 355 Peitschenwurm 197
–– familiäres 368 –– biliäre 343, 349, 352 PEJ (perkutane endoskopische
–– hereditäres Tumorsyndrom 368 –– chronische 354 Jejunostomie) 555, 556
–– bei intraduktaler papillär- ––– Diagnose 356 Peliosis hepatis 453, 486
muzinöser Neoplasie 375 ––– Ernährung 360 Pendelperistaltik 287
–– neuroendokrines 519 ––– hereditäre 355, 356, 368 Penicillamin 446
–– Pankreatitis 343, 354 ––– hereditäre 359 Penicillin G 408
––– chronische 357, 363 ––– Karzinomrisiko 363 Pentastomiasis 415
–– R0-Resektion 371 ––– Komplikation 356, 357 Pentoxifyllin 468
–– sporadisches 368 ––– Operationsindikation 362 Peptid 154
–– Stadieneinteilung 370 ––– Schmerztherapie 359 –– enteroendokrines 152
–– Therapie 371 ––– Therapie 359, 361 –– neuroendokrines 152
––– adjuvante 371 –––– endoskopische 360 Peptidase 155
––– chirurgische, kurative 371 –––– operative 362 Periduralanästhesie 350
––– neoadjuvante 371 –– hämorrhagisch-nekrotisierende, Perikarderguss 357
––– palliative 371 akute 343 Perinealneuralgie 336
Pankreaskaudakarzinom 371 –– idiopathische 343 Peritonealkarzinose 270, 288
Pankreaskopffibrose 356 –– infektionsbedingte 345 Peritonitis 35
Pankreaskopfkarzinom 371 –– interstitiell-ödematöse, ­akute 343 –– bakterielle, spontane 476, 477
Pankreaskopfresektion, –– Pankreaskarzinom 343, 354 –– Divertikelperforation 282, 283
­duodenumerhaltende 362 –– postinterventionelle 343 –– Schmerzlokalisation 32
Sachverzeichnis  585

Perizystektomie 415 ––– Gruppeneinteilung, Polypektomie 239, 240, 246


Peutz-Jeghers-Syndrom 131, 245, ­prognostische 86 –– komplette 241, 245
368 ––– Lymphknotenstatus 85 –– ösophageale 91
Peyer-Plaques 152, 156 ––– obstruierendes 84 Polypen
Pfeiffer-Drüsenfieber 404 ––– palliative Therapie 87 –– entzündliche 242
Pflastersteinrelief, intestina- ––– Präkanzerose 83 –– hamartomatöse 245, 259
les 213 ––– Resektion, radikale 87 ––– juvenile 246
Pfortaderaneurysma 433 ––– Staging 84 –– hyperplastische 245
Pfortaderatresie 433 ––– Subklassifizierung 86 ––– Karzinomrisiko 245
Pfortaderblutentnahme, ––– TNM-Stadien 85 –– kolorektale 239
­selektive 517 ––– nach Verätzung 97 –– mesenchymale 249
Pfortaderdilatation 473 Pleuraerguss 117, 166, 357, 386 –– submukosale 249
Pfortaderdruck Pleuritis, basale 32 Polypeptid, vasoaktives,
–– erhöhter s. Hypertension, Plexus ­intestinales 53, 152, 527
­portale –– coeliacus 153 Polyposis 238
–– medikamentöse Senkung 61, –– haemorrhoidalis –– adenomatöse, familiäre 131,
62 ––– caudalis 325 137, 243, 514
Pfortadergebiet, Block ––– superior 327 ––– attenuierte 244, 258, 265
–– intrahepatischer 59 –– mesentericus superior 153 –––– Verwandten-Screening 245
–– posthepatischer 59 –– myentericus 151, 153 ––– extrakolische Manifesta­
–– prähepatischer 59 ––– Ganglienzellende­ tionen 243
Pfortaderhochdruck generation 64 ––– Karzinomrisiko 258
s. Hypertension, portale –– sacralis 153 ––– Nachsorge 271
Pfortaderthrombose 59, 301, 304, –– submucosus 153 ––– Verwandten-Screening 244
490 PLF-Chemotherapieschema 140 ––– Vorgehen 265
Pharmakobezoar 150 Plummer-Vinson-Syndrom 84 –– autosomal-rezessive, mit
Phenobarbital 429, 431 Pneumatosis ­multiplen Kolonadenomen 245
pH-Metrie –– coli 242 –– juvenile
–– intragastrale 535 –– cystoides intestinalis 250 ––– familiäre 246
–– intraösophageale 70, 74, 533 Pneumocystis-carinii-Infektion, ––– des Kindesalters 247
Phosphatabsorption 154 ösophageale 78 –– MUTYH-assoziierte 245
Phosphatase, alkalische 46, 382 Podophyllotoxin 323 Polyposis-Syndrom
–– erhöhte 47, 465 POEM (perorale endoskopische –– hamartomatöses 259
Photosensibilität 435, 436 Myotomie) 66 –– hereditäres 238, 239
Phytobezoar 150 Polidocanol 62 –– nicht hereditäres 238
Piece-meal-Technik, Polypen­ Poliomyelitis 69 –– Polypen
abtragung 240 Polyangiitis, mikroskopische 309, ––– hyperplastische 245
Pigmentablagerung, hepati- 313 ––– juvenile 248
sche 431 Polyarteriitis nodosa 312 Polysplenie-Syndrom 496
Pigmentflecken 245, 246 Polyethylenglykol 44 Pompe, Morbus 417, 418
Pigmentstein 440, 485, 498, 500 Polyhydramnion 160 Porphobilinogen 433
Pillenösophagitis 21, 92 Polymyalgia rheumatica 486 Porphyria
Pilokarpin-Iontophorese, Polymyositis, Ösophagus­ –– cutanea tarda 436
­quantitative 422 motilitäts­störung 68 –– variegata 435
Pilonidalzyste 324 Polyp 238 Porphyrie 434
Pilzinfektion 111, 194 –– adenomatöser 258 –– akut intermittierende 433
–– Leberbeteiligung 409 –– duodenaler 131, 132 –– erythropoetische 433
–– ösophageale 79 –– epithelialer 238 ––– kongenitale 433
Pit-Zellen 379 ––– neoplastischer 238, 239, 240, –– gemischte 435
Plantago-ovata-Samen 44, 227, 241 –– hepatische
280 ––– nicht neoplastischer 238 ––– akute 433
Plasmodien 412 –– flacher 239 ––– nicht akute 436
Platelet-derived Growth factor –– gemischter 241 Porphyrinstoffwechsel 379
Receptor alpha 175 –– hyperplastischer, gastraler 131 Porphyrinurie 436
Plattenepithelkarzinom ––– Schlingenabtragung 132 Porzellangallenblase 501
–– anales 330 –– intraepitheliale Neoplasie 240 –– Karzinomrisiko 507
–– ösophageales (s. auch –– juveniler 246, 248 Positronenemissions­
­Ösophaguskarzinom) 66, 84 –– nicht epithelialer 238 tomografie 137
––– Down-Staging 87 –– nicht neoplastischer, Postgastrektomie-Syndrom 143
––– Fernmetastasen 85 ­gastraler 131 Posthepatitissyndrom 385
––– Grading 85 –– sessiler 239 Postvagotomie-Diarrhö 147
586  Sachverzeichnis

Pouchanlage, ileoanale 227, 244 –– Säugling 428 –– neoadjuvante


Pouchitis 227 –– sine materia 337 ––– Magenkarzinom 139
Pouch-Karzinom 244 –– Therapie 464 ––– Plattenepithelkarzinom,
Pouchoskopie 228, 244 –– Zirrhose, biliäre, primäre 463 ­ösophageales 87
Präeklampsie 442, 444 Pseudoachalasie 65, 117 ––– Rektumkarzinom 265, 266
Prag-Klassifikation, Barrett- Pseudoallergische ­Reaktion, ––– Rektumkarzinom (s. auch
Ösophagus 80 Nahrungsmittel­unver­ ­Karzinom, kolorektales) 265
Präkanzerose träglichkeit 173 –– palliative, Ösophaguskarzi-
–– ösophageale 80, 83 Pseudoappendizitis 189 nom 87
–– perianale 321 Pseudobulbärparalyse 69 Radiofrequenzablation
Praziquantel 195, 196, 197, 414 Pseudodivertikel –– Adenokarzinom,
Prednisolon 176, 225, 234, 308, 312 –– intestinales 163 ­ösophageales 90
–– Alkoholhepatitis 468 –– ösophageales 54 –– Karzinom, hepatozelluläres 458
–– Autoimmunhepatitis 462 Pseudodivertikulose, –– Leberadenom 449
–– Autoimmunpankreatitis 366 ­ösophageale 55 –– neuroendokriner Tumor 518
Presbyösophagus 68 Pseudomyxoma peritonei 272 Radionuklidtherapie 519
Pricktest der Haut 174 Pseudoobstruktion Radiotherapie
Probiotika 182, 352 –– intestinale 144, 289, 290 –– peptidrezeptorvermittelte 519
Processus uncinatus 340 ––– chronische 295 –– Rektumkarzinom 266
Prokinetika 129, 145 –––– idiopathische 69 RAP-Schema 123
Proktalgia fugax 336 –––– medikamentös bedingte 295 RAST (Radioallergosorbent-
Proktodäaldrüsen 317, 329 –– kolonische, akute 293 Test) 174
Proktokolektomie 188, 218, 244, ––– Mortalität 295 Rauchen, Morbus-Crohn-­
245, 265, 466 Pseudopolypen 242 Risiko 210
Proktoskopie 28, 319 Psoasschmerz 34, 276 Raumforderung, hepatische 456
–– funktionelle 334 Psychotherapie, kleine 129 Rechtsherzinsuffizienz 59
Prolaps, anorektaler 334 pT1-Karzinom, kolorektales 240 Red Colour Sign 63
Propranolol, Varizenblutungs­ –– Nachsorge 240 Red Spots 63
prophylaxe 475 Pudendusneuropathie 333 Reflux
Proteinabsorption 154 Pulsionsdivertikel, ­ösophageales 54 –– alkalischer 74
Proteinase-Inhibitor 397 Punktion-Aspiration-Instillation- –– biliärer 82
Proteingehalt im Aszites 49 Reaspiration 415 –– duodenogastraler 116
Protein s. auch Eiweiß Purpura, palpable 312 –– duodenogastroösopha­
–– C-reaktives 348, 411 Purtscher-Retinopathie 347 gealer 21, 71, 116
–– Ernährung, parenterale 557 Pylephlebitis 277 –– gastroösophagealer 21
Proteinstoffwechsel, Leber­ Pyloroplastik 109, 116, 147 ––– Symptomindex 533
funktion 379 Pylorus, Botulinumtoxin­ –– hepatojugulärer 492
Protonenpumpenblocker 21, 23, injektion 107 –– intestinoösophagealer 71
59, 68, 74, 95, 111, 524 Pyoderma gangraenosum 210, Refluxkrankheit, gastroösopha­
–– französische Triple-­ 212, 221, 223 geale 19, 21, 57, 70, 82
Therapie 114, 123 –– Therapie 220 –– alkalische 75
–– italienische Triple-­ Pyrantel 414 –– Chirurgie 75
Therapie 114, 122 Pyrazinamid 77, 204 –– Karzinomentstehung 88
–– bei Morbus Crohn 216 Pyrimethamin 413 –– Montreal-Klassifikation 70
–– pH-Metrie, intragastrale 535 –– MUSE-Klassifikation 73
–– Quadruple-Therapie 123 –– primäre 71
–– RAP-Schema 123 –– Probetherapie 74
Q
–– Reizmagenbehandlung 129, 130 –– Rezidiv 76
Quadruple-Therapie 123
–– Ulkusbehandlung 122 –– Savary/Miller-Klassifikation 73
–– wismutbasierte 123
Protoporphyrinogen-Oxidase- –– sekundäre 71
Quick-Wert 391
Mangel 435 –– Selbsthilfe 76
Prucaloprid 44, 296 Refluxösophagitis 26, 68, 70, 523
Pruritus 325, 337 –– alkalische 72, 116
–– Alagille-Syndrom 429 R –– erosive 70, 71
–– Analkarzinom 331 Rabeprazol 74, 130 –– nichterosive 70, 71
–– ani 337 Radioallergosorbent-Test 174 –– Schmerzlokalisation 32
––– Therapie 338 Radiochemotherapie 371 Refluxpolyp 71, 75
–– diätetisch bedingter 338 –– adjuvante, Magenkarzinom 139 Regurgitation 24, 64, 72
–– gravidarum 441, 442 –– Analkarzinom 332 –– gallige 21
–– Papillenkarzinom 514 –– kurative, Plattenepithel­ –– saure 127
–– perianaler 320, 321, 322, 338 karzinom, ösophageales 86
Sachverzeichnis  587

Reisediarrhö 184, 193, 202 Rifabutin 77 Säuresekretion


–– Risikoregionen 193 Rifampicin 77, 204, 464 –– basale 524, 536
Reisekrankheit 185 Rifaximin 165, 193, 481 –– stimulierte 536
Reiswasserstuhl 194 Rinderbandwurm 196 Säureverätzung
Reiter, Morbus 189 Ringe, ösophageale 58 –– gastrale 143
Reizdarmsyndrom 37, 42, 128, Rituximab 142 –– ösophageale 96
177 Rom-III-Kriterien, Reizdarm­ Savary-Gilliard-Bougies 75
–– Alarmsymptome 178 syndrom 177, 178 Savary/Miller-Klassifikation,
–– Anamnese 178 Röntgen-Abdomen s. Abdomen- ­Refluxkrankheit, gastro­
–– Darmmotilität 156 übersichtsaufnahme ösophageale 73
–– Kinder/Jugendliche 177, 178 Röntgen-Dünndarm nach Schatzki-Ring 58
–– Rom-III-Kriterien 177, 178 ­Sellink 159, 164 Schaumzellen 199
–– Stuhlveränderungen 177 Röntgen-Kontrastmittel­ Schilling-Test 115, 148
Reizmagen 24, 127, 177 untersuchung Schistosomeneiernachweis im
–– Dysmotilitätstyp 128 –– Achalasienachweis 65 Stuhl 413
–– Refluxtyp 128 –– Herniennachweis 57 Schistosomiasis
–– Ulkustyp 128 –– Magen 107 –– Enteritis 196
Rektopexie 335 –– Morbus Behçet 101 –– Leberbeteiligung 413
Rektoskopie 262, 319 –– Ösophagus 55 Schließmuskelsystem, anales 317,
–– funktionelle 334 –– Ösophaguskarzinom 84 318
Rektozele 333, 335 Röntgen-Magen 108 –– Dauerkontraktion 318
Rektum 151 Roseolen 184 –– Erschlaffung 318
–– Mündung bei imperforiertem Rotavirenenteritis 191 Schlingenabszess 219
Anus 162 Rotor-Syndrom 432 Schluckstörung 554
Rektumhämangiom 249 Roux-Y-Anastamose 75, 116 Schmerz
Rektumkarzinom (s. auch Rovsing-Zeichen 34 –– abdomineller s. Bauch­
­Karzinom, kolorektales) 258, Rubella-Hepatitis 406 schmerzen
262, 299, 321 Rückenschmerzen 368 –– anorektaler 336
–– Bestrahlung, fraktionierte 266 –– diagnostisches Vorgehen 370 –– epigastrischer 109, 127, 368
–– Chemotherapie, adjuvante 266 Rückfallfieber 409 –– Evaluation 31
–– Kurzzeitbestrahlung 266 –– oropharyngealer 559
–– Langzeitkomplikation 270 –– parietaler 31
–– Nachsorge 271 –– projizierter 33
S
–– organüberschreitendes –– retrosternaler 21, 64, 72, 84, 93
Sabin-Feldman-Test 413
­Wachstum 262 –– Steißbeinbereich 336
Saccharomyces boulardii 188
–– pT1-Tumor 265 –– viszeraler 30
S-Adenosyl-L-Methionin 442
–– Radiochemotherapie, Schmerzmittelabusus,
Sakralnervenstimulation 333
­neoadjuvante 265, 266 ­okkulter 122
Sakroiliitis 212, 220
–– Resektion 265 Schmerztherapie 33, 563
Sakrokokzygealzyste 324
––– lokale 265 –– bei akuter Pankreatitis 350
Salizylat-Intoleranz 173
–– Therapie –– bei chronischer ­Pankreatitis 359
Salizylatspiegels im Blut 122
––– adjuvante 266 Schock, hämorrhagischer,
Salmonella
––– neoadjuvante 266 ­Ösophagusvarizenblutung 60
–– enteritidis 183
Rektumpolypen 245 Schockleber 491
–– flexneri 183
Rektumprolaps 335 Schönlein-Henoch-Purpura 309,
–– paratyphi 183
–– innerer 333 312
–– typhi 183
–– latenter 334 Schrittmacher, gastraler
–– typhimurium 183
Rektumresektion, anteriore 265 –– elektrischer 107
Salmonella-Enteritis 183
Rektumvorderwand-Prolaps 334 –– gestörter 106
Salmonellentoxin 183
Rekurrensparese 84 Schrumpfgallenblase 422
Salmonellose 183
Rendu-Osler-Weber, Morbus 126, Schüttelfrost
Sarkoidose 308
432 –– Cholangitis 504
–– Gastritis 118
Resistenz, intraabdominelle 252 –– Leptospirose 408
–– Leberbeteiligung 483
Rest-Dünndarmlänge 304 –– Schistosomiasis 413
–– Therapie 119
Retinapigmentepithelhyperplasie, Schwangerschaft
Sauerstofftherapie,
kongenitale 243 –– Colitis ulcerosa 228
­hyperbare 298
α2-Rezeptor-Agonist 315 –– Erbrechen 25
Saugbiopsie, rektale 291
Ribavirin 397 –– Hepatitis-E-Verlauf 401
Säuglingsdiarrhö 186
Rickettsiose 409 –– Morbus Crohn 220
Säure-Basen-Haushalt 381
Riesenfaltengastritis 113, 114, 119 Schwangerschaftscholestase,
Säurehypersekretion 120
Riesenzellarteriitis 309 ­intrahepatische 441
588  Sachverzeichnis

Schwangerschaftsfettleber, Situs inversus Splanchnikektomie,


­akute 443 –– partialis 158 thorakoskopische, bilaterale 362
Schwangerschaftsikterus, –– totalis 158 Splenektomie 490
­idiopathischer 441 Sjögren-Syndrom 309, 311, 465 Splenomegalie 184, 404, 407, 473
Schwannom, gastro­ Sklerenikterus 45 Split-Lebertransplantation 493
intestinales 135 Sklerodermie s. Systemische Spondylitis 212
Schweinebandwurm 197 Sklerose –– Morbus Crohn 220
Schweinebandwurmeier 220 Sklerose, systemische Sprue
Schweißplatten-Test 422 s. Systemische Sklerose –– einheimische s. Zöliakie
Sekretin 152 SKT11-Gen 246 –– glutensensitive s. Zöliakie
Sekretin-Caerulein-Test 539 Slow-Transit-Obstipation 334 –– kollagene 205, 208
Sekretin-Cholezystokinin- SMA (Antikörper gegen glatte –– tropische 198
Test 539 Muskulatur) 462, 463 Spurenelemente 155
Sekretin-Pankreozymin-Test 539 Sodbrennen 21, 65, 67, 72, 127 –– Ernährung, parenterale 557
Sekretin-Stimulationstest 524, –– funktionelles 21 –– Mangel 155
539 Somatostatin 62, 152 Staging-Laparoskopie 134
Selbsthilfegruppen Virushepatitis Somatostatin-Analoga 523, 524 Stapler transanal Rectum
e.V. 395 –– radioaktiv markierte 519 ­Resection 334
Selenmangel 84 Somatostatinom 528 STARR-Operation (­Stapler
Sellink-Dünndarmröntgen­ –– duodenales 528 ­transanal Rectum
untersuchung 157, 159, 164 Sonde ­Resection) 334
Semilunarfalten 151 –– nasogastrale 554, 556 Stauungsleber 32, 492
Sengstaken-Sonde 62 –– nasojejunale 555, 556 Steatohepatitis
Sepsis, Begleithepatitis 409 Sondenernährung, enterale 553 –– Chemotherapie-assoziierte 487
Sequenzszintigrafie, –– gastrale 554 –– nicht alkoholische 468
­hepatobiliäre 448 –– Infusionsgeschwindigkeit 555 Steatorrhö 167, 540
Serotonin 152 –– jejunale 554 –– Säugling 428
Serumkrankheit ähnliches ––– über die PEG 555 Steatosis hepatis (s. auch
­Syndrom 386 –– Kalorienzufuhr 557 ­Fettleber) 468
Sexuell übertragbare –– Komplikation 556 –– chemisch-toxisch bedingte 486
­Erkrankung 322 Sonografie 29 –– großtropfige 439
Shiga-Toxin 185 –– endoskopische –– Mukoviszidose 422
Shigelleninfektion 185 s. Endosonografie Steinschnittlage 318
Shunt –– Gallensteinnachweis 499, 503 Steißbeinneuralgie 336
–– intrahepatischer 432 –– Karzinom, hepatozelluläres 456 Stent
–– peritoneovenöser 476 –– Leberabszessdarstellung 407 –– bei Arteria-mesenterica-­
–– portosystemischer 62 –– Leberhämangiom, Verschluss 303, 305
––– intrahepatischer, transjugu­ ­kavernöses 450 –– bei kolorektalem Karzinom 270
lärer 62, 474, 476, 480, 489, 491 –– Leberzirrhose 470 –– bei Ösophaguskarzinom 87
Shwachman-Diamond-Syn- Soor 559 –– bei Ösophagusvarizen­
drom 538 Soorösophagitis 70, 80 blutung 62, 63
Shwachman-Syndrom 342 Sorafenib 458 Steroide
Shwachman-Test 422 Spätdumping 146 –– bei eosinophiler Gastro­
Sicca-Syndrom 311, 365 Speiseretention, ösophageale 64 enteritis 117
Sichelzellanämie 346, 485 Sphinktermanometrie, anale 262 –– bei eosinophiler Ösophagitis 99
Sigma 151 Sphinkter Oddi 495 –– topische 99
Sigmadivertikel 280 –– Botulinumtoxininjektion 504 Steroidhormone 380
Sigmavolvulus 157, 288 –– Manometrie 504 Still-Syndrom 486
–– Dekompression 158, 288 –– Motilitätsstörung 503 Stimulanzien 334
Sigmoidoskopie 28, 40, 306 –– Muskeltonus 503 Stoffwechseldefekt,
Silibinin 482 Sphinkterotomie, geschlossene, ­Pankreatitis 343
Silymarin 468 laterale 327 Stoffwechselentgleisung,
Singultus 22, 65 Sphinkterrekonstruktion 333 ­Erbrechen 25
–– medikamentenbedingter 23 Sphinkterrelaxation, Stoma 218
–– persistierender 22 ­pharmakologische 327 –– bei Inkontinenz 333
–– pschogener 23 Spiegelbildung, intra­ Stoßwellenlithotripsie, extra­
–– refluxinduzierter 23 abdominelle 160, 286 korporale s. ESWL
–– therapierefraktärer 22 Spieghel-Hernie 278 Strahlenenterokolitis 297
–– toxisch bedingter 23 Spigelmann-Klassifikation, –– Prophylaxe 298
Sinus pilonidalis 324 ­Duodenalpolyposis 243 Strahlenösophagitis, akute 95
Sitophobie 50 Spironolacton 476 Strahlenproktitis 298
Sachverzeichnis  589

Strangulationsileus 285 Systemische Sklerose 309, 310 –– Gallenblasenkarzinom 507


Streptokokkendermatitis 322 –– kutane, limitierte 310 –– Karzinom
Streptomycin 200 –– Magenentleerungsstörung 107, ––– cholangiozelluläres 509
Strikturoplastik 218 108 ––– kolorektales 262
Stromatumor, gastro­ –– Ösophagusbeteiligung 68, 309 –– Magenkarzinom 137
intestinaler 274 –– Plattenepithelkarzinom,
–– Dickdarm 134 ­ösophageales 85
–– Dünndarm 134 –– Stromatumor, gastro­
T
–– gastraler 132, 133 intestinaler 132
Tacrolimus 225
–– Immunhistologie 133 Todani-Klassifikation,
Taenia
–– maligner 133 ­Gallengangszyste 497
–– saginata 196
–– metastasierender 134 Torasemid 476
–– solium 197
–– ösophagealer 92 Torulopsis glabrata 79
Takayasu-Arteriitis 309
–– penetrierender 134 Toxin
Tänien 151
–– TNM-Klassifikation 132 –– bakterielles, Nahrungsmittel­
Technetiumszintigrafie 30, 157
Strongyloides stercoralis 197 unverträglichkeit 172
Teerstuhl 27, 28, 261
Strongyloidiasis 415 Toxocariasis 415
Telaprevir 397
Stuhl Toxoplasmose 413
Telbivudin 392
–– acholischer, neonataler 496 Traktionsdivertikel,
Teleangiektasie, hämorrhagische,
–– Askarideneiernachweis 414 ­ösophageales 54, 55
hereditäre 126, 127, 432
–– Blutauflagerung 261 Transaminasen 382
Teleskopphänomen 76
–– Blutbeimengung 241, 261 –– erhöhte 382, 394, 400, 443, 491
Tenofovir dipivoxil 392
–– Chymotrypsin-Aus­ Transferrin, kohlenhydrat­
Terlipressin 61, 62, 480
scheidung 167 defizientes 467
–– Kontraindikation 480
–– Elastaseausscheidung 167 Transferrinsättigung 437
Testung auf okkultes fäkales
–– Hepatitis-E-Virus-­ Transglutaminase-Antikörper 29
Blut 27, 259, 543
Nachweis 401 Transittest 290
–– Guajak-basierte 543
–– Schistosomeneiernachweis 413 Transitzeitbestimmung 319, 334
–– immunologische 543
–– Trophozoitennachweis 191, 192 –– orozökale 545, 547
Tetrazyklin 123, 257
Stuhldrang, imperativer 222 Transmainasen 46
Therapie, antiretrovirale,
Stuhlerbrechen 24, 25, 286 –– erhöhte 47
­hochaktive 201, 202, 275
Stuhlfettausscheidung 167, 540 Transplantatleber, Abstoßungs­
Thoraxschmerz 279
Stuhlform-Skala-Bristol 178 reaktion 488, 494
–– nicht kardialer 21
Stuhlgewohnheitenänderung 261 Treitz-Band 28
Thorax-Übersichtsaufnahme,
Stuhlkonsistenzveränderung 333 Trichobezoar 149
Herniennachweis 57
Stuhlosmolalität 43 Trichuris
Thorotrast 459
Stuhlschmieren 337 –– suis ovata 220
Thrombendarteriektomie 305
Stuhltest –– trichiura 197
Thrombose, Anti-Phospholipid-
–– auf okkultes Blut 27, 259, 543 Triethylentetramin-­
Syndrom 312
–– Helicobacter-pylori-­ Hydrochlorid 440, 446
Thrombozytenaggregations­
Antigen 113 Triglyzeride 154
hemmung 124
Stuhluntersuchung 39 –– Speicherung 425
Thrombozytopenie 443
–– Lücke, osmotische 43 Triglyzerid-Transportprotein, mik-
Thumb-printing 229
–– mikrobiologische 214 rosomales, Defekt 236, 237, 426
Thyroxin 380
Stuhlverhalt 286 Triple-Therapie
Tinea, anale 325
Submukosadissektion, –– französische 114, 123
Tinidazol 192, 193, 412
­endoskopische 239 –– italienische 114, 122
TIPS (transjugulärer intra­
–– ösophageale 90 –– levofloxacinbasierte 123
hepatischer portosystemischer
Submukosaresektion, Trisomie 13 161
Shunt) 62, 474, 476, 480, 489,
­endoskopische Trisomie 18 161
491
–– gastrale 139 Tropheryma whipplei 198, 199
TME (totale mesorektale
Substanz P 152 Trophozoiten im Stuhl 191, 192
­Exzision) 265
Succinylacetonbestimmung im Tropisetron 562
TNFα-Antikörper 216, 218, 219,
Urin 424 Truelove-Aktivitätsindex, Colitis
220
Sucralfat-Einlauf 298 ulcerosa 224
–– Kontraindikation 217
Sulfonamidallergie 200 Trypsinogen 340
TNM-Klassifikation
Sunitinib 519 Tryptasekonzentration im
–– Adenokarzinom,
Syndrom ­Serum 176
­ösophageales 89
–– der abführenden Schlinge 147 TT-Virus 402
–– Analkarzinom 331
–– der zuführenden Schlinge 146, Tuberkeln 204
–– Dünndarmkarzinom 253
147 Tuberkulom 408
590  Sachverzeichnis

Tuberkulose 204 –– recti simplex 334 Vancomycin 188


–– Gastritis 118 –– ventriculi 26, 114, 120 van Gierke, Morbus 417
–– gastrointestinaler Befall 204 ––– Biopsie 122 Vanishing-Bile-Duct-Syn-
–– Leberbeteiligung 408 ––– Blutungsstigmata 122 drom 486, 488
–– Ösophagusbeteiligung 77 ––– Lokalisation 121 Varizella-Zoster-Hepatitis 406
Tularämie 409 ––– Schmerzlokalisation 32 Varizella-Zoster-Virus 323, 406
Tumor 251 Ulkus 523, 524 Varizenblutung (s. auch Fundus­
–– echt glattmuskulärer, –– Antirheumatika-­ varizenblutung; s. auch
­gastrointestinaler 135 assoziiertes 121 ­Ösophagusvarizenblutung) 471,
–– Gastrin produzierenden 523 –– Helicobacter-pylori-­ 472, 491
–– gastroösophagealer Über- negatives 122, 124 –– Rezidivprophylaxe 473, 474
gang 64, 65 –– Helicobacter-pylori-­ Varizenligatur 61, 63, 475
–– Glukagon produzierende 528 positives 122, 124 Vaskulitis
–– Insulin produzierender 522 –– Ileozökalregion 230 –– Einteilung 309
–– neuroendokriner 365, 515, 525 –– therapierefraktäres 122 –– granulomatöse, ANCA-­
––– Debulking 518 Ulkusblutung 28, 121 assoziierte 313
––– funktionell inaktiver 519 –– Bezoar 150 –– kryoglobulinämische 309
––– metastasierender 521 –– Blutstillung, endoskopische 124 –– leukozytoklastische 309, 312
––– Therapie 517 –– Intensität 122 –– nekrotisierende 312
––– TNM-Klassifikation 516 –– Meckel-Divertikel 156 ––– ANCA-assoziierte 313
–– nichtepithelialer, mesenchyma- –– Notfallmaßnahmen 123 –– nekrotisierend-granulomatöse,
ler, gastrointestinaler 132, 135 –– Rezidiv 124 ANCA-assoziierte 313
–– Obstipation, gastro­ Ulkuspenetration 121 –– systemische 308, 346
intestinale 562 Ulkusperforation 121, 124 Vasodilatation 303
–– Somatostatin –– freie 121 Vasokonstriktion,
­produzierender 528 –– gedeckte 121 ­extrasplanchnische 61
–– VIP-produzierender 527 Ultraschall s. Sonografie Vasopressin 62
Tumorkonferenz, inter­ –– endoskopischer Vena
disziplinäre 264 s. Endosonografie –– cava inferior
Tumormarker 526 Ulzerogene Substanzen 120 ––– Dilatation 48
Tumorsyndrom, hereditäres 368 Unterbauchschmerzen 32 ––– Kompression 451
Turcot-Syndrom 243 –– chronische 35 ––– Verschluss 488
Tylosis 83, 84 –– gynäkologische Ursache 32 –– hepatica 378
Typhus 183 –– linksseitige 282 –– portae 378
Tyrosinämie, hereditäre 423, 454 –– rechtsseitige 32, 189, 525 ––– Aneurysma 433
Tyrosinkinase 175 Untersuchung ––– Atresie 433
Tyrosinkinase-Inhibitor 372, 519 –– proktologische 319 ––– Dilatation 48
T-Zell-Lymphom –– rektal-digitale 28, 262, 293, ––– Kompression 451
–– enteropathieassoziiertes 254, 319, 333 Venenkatheter, zentraler 557
257 Upside-down Stomach 56 Veno-occlusive-Disease 486, 489
–– gastrointestinales 254, 255 Urease 112 Verätzung, chemische
Ureasetest 113, 121 –– duodenale 143
Ureterosigmoidostomie 259 –– gastrale 143
Uroporphyrinogen-III-Decar­ –– ösophageale 83, 84, 96
U
boxylase-Mangel 436 ––– Komplikation 97
Übelkeit 23, 24, 127, 290, 561
Uroporphyrinogen-I-Synthase- –– Schweregrade 143
–– Amyloidose 145
Mangel 433 Verdauungsenzyme
–– chronische 23
Uroporphyrinogen-Synthase 380 –– pankreatische 340
–– Diarrhö 39
Ursodesoxycholsäure 228, 423, –– Sekretion, reduzierte 538
–– Gastroenteritis, ­eosinophile 117
429, 442, 464, 466, 498 Vergrößerungsendoskopie 82
–– medikamentenbedingte 23
–– Litholyse 501 Verner-Morrison-Syndrom 527
–– Pankreatitis 346
Urticaria pigmentosa 176 Verschlussikterus 372
Ulcus
Uveitis 212, 221, 223 Verweilkanüle, periphere 557
–– duodeni 114, 120
Vibrio cholerae 194
––– Biopsie 122
Videoendoskopie 82
––– chronisch rezidivierendes 108
Vigorous achalasia 64, 65
––– Lokalisation 121 V
VIP (vasoaktives intestinales
––– Schmerzlokalisation 32, 121 Vagotomie 106, 108
­Polypeptid) 53, 527
–– pepticum 24 –– selektiv proximale 147
Virushepatitis
–– ad pylorum, chronisch –– trunkuläre 147
–– akute 383
­rezidivierendes 108 Valganciclovir 78
––– Schwangerschaft 445
Sachverzeichnis  591

–– chronische 390, 395, 400 Whipple, Morbus 198 Zökumvolvulus 157, 159
––– Schwangerschaft 446 –– Leberbeteiligung 409 Zöliakie 205, 465
–– Transmission, vertikale 445 –– Rezidivrate 200 –– Antikörpernachweis 207
Vitamin A 155, 380 –– ZNS-Beteiligung 200 –– atypische 208
Vitamin-A-Mangel 166, 167 Whipple-Operation 362, 371, –– Diagnostik-Schema 207
Vitamin B12 511, 514 –– Ernährungsberatung 208
–– Absorptionsstörung 148 Whipple-Trias 522 –– HLA-Assoziation 205
–– Substitution 148 Whitehead-Operation 332 –– klassische 208
Vitamin-B12-Gabe 115, 140 Wien-Klassifikation, Morbus –– latente 208
Vitamin-B12-Mangel 115, 166 Crohn 211 –– Marsh-Einteilung 205
–– Fischbandwurmbefall 195 Wilson, Morbus 397, 439 –– refraktäre 208, 209
–– Sprue, tropische 198 –– Schwangerschaft 446 –– Screening 209
Vitamin-B-Mangel 167 Windverhalt 286 –– silente 208
Vitamin C, retardiertes 176 Wismut 123 –– Symptome
Vitamin D 155, 381 Wolman-Krankheit 425 ––– extraintestinale 206
–– Absorptionsstörung 148 Wood-Lampe 321 ––– gastrointestinale 206
Vitamin D3 bei Cholestase 470 Wurmbefall 111 ––– kutane 206
Vitamin E 155 –– Therapie 208
Vitamine ––– Indikation 208
–– Ernährung, parenterale 557 ––– medikamentöse 209
X
–– fettllösliche 155, 380 –– Therapieversagen 209
Xanthomatose, zerebroten­
––– Substitution 360, 423 –– transiente 208
dinöse 426, 428
–– wasserlösliche 380 Zollinger-Ellison-Syndrom 120
Xanthome 417, 426, 429
Vitamin K 155, 381 –– Magensekretionsanalyse 536
XELOX-Chemo­
Völlegefühl 127 Zotten, intestinale 152
therapieschema 269
Vollwandexzision, rektale 265 Zuckeraustauschstoffe 37
Xipamid 476
Vollwandplikation 75 Zuelzer-Wilson-Syndrom 291
Xylosetest 117
Volumenersatz 61 Zusatznahrung, orale 554
Volvulus 32, 105, 157 Zwerchfelldefekt 105
Von-Meyenburg-Komplex 452 Zwerchfellhernie 277, 278
von Recklinghausen, Morbus 250 Y Zwerchfellruptur 278
Yersinia Zwergbandwurm 197
–– enterocolica 189 Zwergfadenwurm 197, 415
–– pseudotuberculosis 189 Zylinderepithelmetaplasie 80
W
Yersiniose 189 Zylinderzellmetaplasie 71, 81
Waardenburg-Shah-Syndrom 292
Y-Roux-Anastomose 75, 116 Zystadenokarzinom,
Waardenburg-Syndrom 292
­muzinöses 373
Waldenström, Morbus 144
Zystadenom
Walze, intraabdominal
–– muzinöses 377
­tastbare 212 Z
–– seröses 376
Waschmaschinenphänomen 208 Zellen
Zystenleber 451, 452
Wasserabsorption, –– enterochromaffine 152
Zystizerkose 197
­intestinale 153 –– enteroendokrine 152
Zystoskopie 262
Wassermelonenmagen 28, 125, Zellweger-Syndrom 428
Zytokin, Th2-proin­
126, 472 Zenker-Divertikel 54, 55
flammatorisches 117
Wassersekretion, intestinale 154 Zink 441
Zytomegalievirus-Infektion 229
Wasting-Syndrom 201 Zinkmangel 212
–– AIDS-assoziierte 202
Watson-Miller-Syndrom 429 Zirrhose, biliäre 428, 429
–– gastrale 111
WDAH-Syndrom 527 –– primäre 206, 461, 462, 463, 465
–– Hepatitis 403
Webs, ösophageale 58 ––– Stadien 463
–– Kolitis 230
Wegener-Granulomatose 309, –– sekundäre 415, 497
–– ösophageale 78
313, 486 Zökostoma 294
–– pränatale 403
Weil, Morbus 408 Zökum 151
Zytostatika 490
Weizenkleie 280 Zökumdilatation 286

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