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PROEFSCHRIFT
TER VERKRIJGING VAN DE GRAAD VAN
DOCTOR IN DE GODGELEERDHEID AAN DE
RIJKSUNIVERSITEIT TE GRONINGEN, OP
GEZAG VAN DE RECTOR-MAGNIFICUS DR.
R. W. ZANDVOORT, HOOGLERAAR IN DE
FACULTEIT DER LETTEREN EN WIJSBE-
GEERTE TEGEN DE BEDENKINGEN VAN DE
F ACULTEIT DER GODGELEERDHEID TE VER-
DEDIGEN OP WOENSDAG 27 FEBRUARI 1952
DES NAMIDDAGS TE 4 UUR
DOOR
, S-GRA VENHAGE
MARTINUS NIJHOFF
1952
Promotor: Professor DR J. LINDEBOOM
EINLEITUNG . . . .
DIE ENTWICKLUNG DES BILDERKULTES . 12
DER VERLAUF DES BILDERSTREITES . 33
LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS . 49
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS. . 86
A. N IKEPHOROS ÜBER DIE KIRCHE. . . . 86
B. DIE CHRISTOLOGIE DES NIKEPHOROS. . 97
C. DER EIKON-BEGRIFF BEI NIKEPHOROS • 109
EPILOG. . . . . . . . . . . . . . . . . 120
EINLEITUNG
Der Kampf um die Bilder und ihre Verehrung, der mit einer
Unterbrechung von nur zwei Dezennien, mehr als ein Jahrhun-
dert in Byzanz getobt hat, zeigt vielerlei Aspekte. Diese Streit-
frage ist, ausser ihrer überragenden Wichtigkeit für die Kirchen-
und Dogmengeschichte, auch in politischer und gleichfalls in
kunst- und kulturhistorischer Hinsicht von grösster Bedeutung.
Die Fülle des Stoffes ist so gross dass wir uns in dieser Abhand-
lung eine gewisse Beschränkung auferlegen müssen um eine Aus-
wahl der geeigneten Gesichtspunkte treffen zu können. Wir wol-
len uns in dieser Dissertation hauptsächlich auf den dogmen-
und kirchenhistorischen Aspekt konzentrieren.
Gerade der Bilderstreit steht am Ende der dogmatischen
Entwicklung der Ostkirche. Diese Kirche betrachtet bekannt-
lich die Reihe der "sieben Synoden" als absolut normativ und
wir können es als mehr als einen biossen Zufall betrachten dass
gerade die 7. oekumenische Kirchenversammlung, die diese
Reihe abschliesst, den Bilderkult sanktioniert hat. Der Streit
um das Filioque z.B. war eigentlich keine interne Angelegenheit
für die Kirche Byzantiums: mit völliger Einmutigkeit und er-
staunlicher Solidarität machte man Front gegen das "ketzeri-
sche" Westen. Bei den Wirren um Photius wie beim Hesychas-
tenstreit waren Fragen wesentlich undogmatischen Charakters
umstritten; über das Dogma als solches waren die Meinungen
nicht verschieden wenn man auch, spitzfindig räsonnierend, dog-
matische Abirrungen der Gegner behauptete.
Dem eben Gesagten könnte man vielleicht entgegenbringen
dass es sich auch beim Bilderstreit nicht ausschliesslich und
sogar nicht in erster Linie um das Dogma handle. Freilich galt
es xoc't" e;ox'Ylv dem Kultus, doch stand das Dogma, namentlich
das christologische, wirklich in engstem Zusammenhang damit
und man brauchte es nicht gewaltsam herbeizuziehen. Gewiss
haben auch in diesem Kampfe beide Parteien sich leider be-
teiligt an jener unangenehmen Art der theologischen Konze-
quenzmacherei, die, indem sie die These des Gegners zu ihren
Nikephoros
2 EINLEITUNG
1) Karl Schwarzlose, Der Bilderstreit, ein Kampf der griechischen Kirche um ihre
Eigenart und um ihre Freiheit, Gotha 1890.
Die Bemerkung: S.180.
B) Karl Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte, 11, der Osten, Tübingen
1928, S. 369.
3) J. Tixeront,Histoire des Dogmes dans I' A ntiquitichretienne, Paris 1912, T. 111, p. 470.
EINLEITUNG 3
aux masses qui ait ete ecrite sur la question des images". Schwarzlo-
se 1) nennt den Standpunkt des Theodorus Studita, der sich bei sei-
ner Verteidigung der Bilder auf das christologische Dogma stützt,
einen grossen Fortschritt gegenüber Johannes Damascenus. Nun
findet man geradeso auch bei Nikephoros diese christologische
Begründung und es ist nichts weniger als sicher ob in dieser
Hinsicht Theodor Anspruch auf eine Priorität machen kann, da
doch die schriftstellerische Wirksamkeit beider ungefähr gleich-
zeitig stattgefunden hat. Zwar hätte Nikephoros wohl kaum den
erstaunlichen (freilich auch ermüdend abstrakten) dialektischen
Scharfsinn aufgebracht, den z.B. der dritte Antirheticus des
Studiten verrät, jedoch übertrifft unser Patriarch Theodor an
Grosszügigkeit der Auffassung. Theodor hetzt die absurde ikono-
klastische Lehre von der OC7t€PLYPCX7t'rOc; O"cxp~ förmlich zu Tode
und vernachlässigt darüber die anderen möglichen Aspekte. Bei
Nikephoros hingegen können noch andere Beweisführungen zu
Worte kommen und er hat in der einen oder anderen Form
eigentlich alle Gedanken, die wir auch bei den sonstigen Gegnern
des Ikonoklasmus finden, während wir überdies noch Ideen des
Nikephoros als sein ausschliessliches Sondergut betrachten müs-
sen. So ist es dann gerechtfertigt bei einer Besprechung der
ikonophilen Theologie aus der zweiten Periode des Bilderstreites
von den Schriften dieses Patriarchen auszugehen. Jedoch ge-
nügt es nicht sich auf Nikephoros selbst zu beschränken und
müssen wir uns mit dem ganzen Gebiet der diesbezüglichen
Literatur beschäftigen, soweit sie uns erhalten ist.
Nun kennen wir die ikonoklastischen Schriften ausschliesslich
aus der Bestreitung seitens ihrer Gegner, denn nach der Verur-
teilung der Ketzerei geschah das in solchem Falle Übliche; man
sorgte dafür dass Bücher und Abhandlungen der Ketzer mög-
lichst gründlich vernichtet wurden. Der dürftige Besitz an iko-
noklastischer Literatur ist schnell aufgezählt. Wir haben nur
Fragmente von zwei Abhandlungen des Konstantin Kopronymos,
des fanatischen Ikonoklastenkaiser, die Nikephoros in den zwei
ersten Antirhetici mitteilt und ausführlich widerlegt 2). Ausser-
dem kennen wir zwei Synodalausprüche bilderfeindlicher Syno-
den. Das 7. oek. Konzil berichtet weitlaüfig über den opo~ des
im Jahre 754 abgehaltenen Konzils 1). In 815 fand wiederum eine
Synode in ikonoklastischem Geiste statt, deren theologische
Kundgebung von Nikephoros widerlegt wurde in einem nur
handschriftlich erhaltenen Werke 2). Ein seltsames Gepräge tra-
gen einige Gedichte ikonoklastischer Poeten, die wir als Produkte
dichterischer Hausarbeit, worin die byzantinische Kunst des
Akrostichs akrobatische Formen annimmt, betrachten können.
Sie sind, das ist bemerkenswert, bezeichnend für eine typische
"Kreuzesdevotion" , die sich (wohl als Bilderersatz) gerade bei
den Ikonoklasten stark entwickelt hat: die Buchstaben bilden
nämlich eine Kreuzfigur. Der Inhalt ist nichtssagend, was man
nicht erstaunlich nennen kann; erstaunlich ist vielmehr dass es
den Dichtern gelang in dergleichen verkünstelten Formen noch
irgendeinen Sinn zu legen. Theodorus Studita, der uns die Verse
überliefert hat, ebenfalls in einer Widerlegungsschrift, gibt auch
selbst Proben einer solchen "gekreuzigten" Poesie, die den
Erzeugnissen seiner Gegner nichts nachgeben 3). Dies ist alles,
was noch von ikonoklastischen Schriften übriggeblieben ist.
Hingegen besitzen wir, wie zu erwarten ist, eine viel umfang-
reichere Literatur, die den Bilderstreit von orthodoxer Seite her
behandelt. Wir nennen zuerst einige Briefe. Der Brief des Papstes
Gregorius 11 an den Patriarchen Germanos von Konstantinopel
wurde auf dem 7. oek. Konzil verlesen und in den Akten desselben
aufgenommen 4). Anschliesslich finden wir Briefe die Germanos
schrieb an Johannes, Bischof von Synnadis, und Thomas,
Bischof von Klaudiopolis. Keiner der drei ist in theologischer oder
historischer Hinsicht besonders wichtig. Auch gibt es angeb-
liche Briefe des genannten Papstes an den Kaiser Leo den
Isaurier. Die Echtheit jener wird ziemlich allgemein bestritten,
teils wegen des besonders frechen und banalen Tones, teils wegen
verschiedener Einzelheiten, die auf einen byzantinischen Ur-
sprung hinweisen. Auch ist die Tatsache. bedenklich dass die
Schriften nicht auf dem 7. oek. Konzil verlesen wurden, und
gleichfalls der grosse Unterschied in Stil mit den sicher echten
1) Die Abhandlung samt Widerlegung: Mansi, Sae10rum eoneüiorum nova et
amplissima eolleetjo, Flor. 1759-88, T. XIII, p. 208-356.
B) Vergl. S. 37.
") MPG 99, c.453, 599.
') Mansi, XIII, p.91 und MPG 98, c. 149.
EINLEITUNG 5
1) Nach der Bonner Ausgabe von C. Lachman wiederholt bei MPG 109.
") Leo Gr. nach der Bonner Ausgabe von Bekker bei PMG 108, Skylitzes MPG 122,
Kedrenus, MPG, 121, Zonaras MPG 134, 135, Michael Glykas MPG 158.
') MPG 100, 1069-1186.
10 EINLEITUNG
von Gothie 1) und die Vita des Konfessors und späteren Patriar-
chen Methodios 2), sowie die Lebensbeschreibung des Bruders
des Studiten, Joseph 3). Sehr wichtige Quellen haben wir noch
nicht genannt; es sind die Synodalakten. Die Acta des 7. Konzils
haben uns ausser den Handlungen der Synode in engerem Sinne,
viele wertvollen Urkunden bewahrt 4). Weit weniger wichtig war
die Synode von 842 5).
Auf die Reaktion des Westens auf den Bilderstreit können wir
nicht weiter eingehen, sodass ein Werk wie die Libri Carolini,
worin die Hoftheologen Karls des Grossen die Beschlüsse von
787 zu widerlegen trachteten ausserhalb des zu behandelnden
Stoffes fällt. Jedoch müssen wir auf die Acta der sogenannten
Synode von Paris hinweisen, da hierin ein wichtiger Brief des
Kaisers Michael Balbus sich findet, der nicht nur für die
Gesinnung der gemässigteren unter den Ikonoklasten charak-
teristisch ist, sondern auch ein wirklichkeitnähes Bild von ver-
schiedenen Entartungen, wozu der Bilderkult. führen konnte,
gibt 6). Die meisten Daten betreffs der auf den Ikonoklasmus sich
beziehenden Konzile und Synoden finden sich in der Sammlung
Mansis. Kaum als eine Quelle zur Geschichte des Bilderstreites zu
betrachten ist die den Bildern gewidmete Abhandlung in den
arabischen Schriften des Abu Qurra. Dieser Theodor Abu Qurra,
auch Abucara genannt, gibt die Lehre des Damaskeners treu und
gewandt wieder; doch ist die Quellenwert seiner interessanten
Schrift für uns gering, da sie verfasst wurde in einer Gegend wo
der byzantinische Bilderstreit kaum Nachhall fand 7).
') Prudentius, Peristephanon, Hymnus IX und XI (Migne Patr. Lat. 60, c. 433-435
und 530 sqq.).
2) Eusebius, Vita Constantini, III, 49.
3) Ep. ad Constantiam, Mansi, XIII, p.31b sqq; von Nikephoros widerlegt bei
Pitra, Spicilegium Solesmense, I, 383 ff..
C) Eusebius, Hist. Eccl., VII, 18. Über diese und ähnliche Legenden schrieb mit
grösster Ausführlichkeit und Gründlichkeit Von Dobschütz, Christusbilder (Texte und
Untersuchungen, Leipzig 1899).
') K. Holl, Die Schriften des Epiphanius gegen die Bilderverehrung, Ges. Aufs., II,
Tübingen 1929, S.351.
16 DIE ENTWICKLUNG DES BILDERKULTES
aus dem Jahre 600 die "Adoratio" der Bilder, tadelte jedoch in
derselben Epistola den übermässigen Eifer des Bischofs Seren,
der die Vemichtung der Bilder in seiner Kirche angeordnet hatte.
Gregor beruft sich hierbei auf die Nützlichkeit der Bilder zur
anschaulichen Unterweisung des Volkes 1). Der katholische Dog-
menhistoriker Tixeront trachtet im Interesse des "Quod semper
ubique et ab omnibus" zu beweisen dass der grosse Papst nicht
jeden Kult der Bilder prinzipiell verworfen hat; doch wirkt seine
gekünstelte Darlegung kaum überzeugend 2).
Lehrreicher noch ist eine Erzählung aus dem "Pratum spiri-
tuale" des J ohannes Moschos. Dieses interessante Werk, das
ebenfalls um 600 entstand 3), enthält eine Fülle von Begebenhei-
ten aus dem Mönchsleben und ist sehr aufschlussreich für die
Kenntnis des religiösen und geistlichen Volkslebens jener Tage.
Einer der Geschichten handelt von einem Mönche, der fromm
und treu einem Bilde der Theotokos seine Verehrung darbracht ;
er wurde aber vom Dämon der Unkeuschheit schrecklich geplagt.
Als der arme Mann wieder einmal von diesem Teufel in Ratlo-
sigkeit versetzt wurde, erschien der Höllengeist ihm in leibhafter
Gestalt und bot ihm an dass er ihn weiterhin in Ruhe lassen
wolle wenn der Mönch auch von seiner Verehrung, die er dem
Bilde der heiligen Jungfrau zollte, in Zukunft absehen würde.
Der gequälte Asket stimmte zu aber er hatte später Gewissens-
bisse und erzählte diese Übereinkunft mit dem Teufel in der
Beichte. Sein Beichtvater erklärte ihm dass er besser alle Bor-
delle in der ganzen Stadt hätte besuchen können als von der
Verehrung des Muttergottesbildes abzulassen.
Sollte der Mönchsroman "Barlaäm und J osaphat" wirklich dem
7. Jahrhundert entstammen, wie Zotenberg 4) meint, dann hätten
wir in diesem Werke ein noch treffenderes Beispiel. Wir finden
hier nämlich die Elemente der Bildertheologie aus dem 9. Jahr-
hundert "in nuce". Da die neuere Forschung diese Schrift meist
viel später datiert 5) tun wir besser daran uns nicht auf den
1) Greg. Magn., Ep. XI (MPL 75.).
') Tixeront, Histoire des dogmes, III, p.451.
3) Das Zitat in den Akten des 7. oek. Konzils (Mansi, XIII, p. 590) und bei loh.
Dam .. Näheres über loh. Moschos und sein Werk bei Krumbacher, Byzantinische
Literaturgeschichte, S. 187 ff und Bardenhewer, Geschichte der altchristlichen Literatur,
Freiburg 1932, Bd. V, S. 131 ff.
C) Zotenberg, Notice sur le livre de Barlaäm el Joasaph, Paris 1886.
5) Vergl. der kürze aber sehr orientierende Artikel von H. Bacht im Reallexicoll
DIE ENTWICKLUNG DES BILDERKULTES 19
lichen Kräften aus rohem Stoff geschaffen sein sollten. Das be-
kannteste dieser &x.eLP07tOL'Y)'rOC war das Bild aus Edessa, das mit
der Abgarlegende in Verbindung gebracht wurde; Christus hätte
nicht nur einen Brief sondern auch ein in übernatürlicher Weise
entstandenes Porträt an König Abgar von Edessa geschickt 1).
Im Westen fand die Veronicalegende die weiteste Verbreitung.
Der Gedanke der &x.eLP07tOL'Y)'rOC ist an sich ein Erbteil der Antike.
Bei Griechen und Römer kann man die Vorstellung aus dem
Himmel gefallener Bilder antreffen. Da gibt es das Palladion
von Troja, die "grosse Diana der Epheser" und das Serapisbild
in Alexandrien, um nur drei der allerwichtigsten zu nennen.
Fetischistische Meteorenverehrung mag dabei mit im Spiele ge-
wesen sein. Die &x.eLP07tOL'Y)'rOC der christlichen Legende jedoch
fallen nich aus dem Himmel sondern entstehen auf Erden, sei es
denn in wunderbarer Weise. Von Dobschütz hat in seinem Werke
"Christusbilder" die auf &x.eLP07tOL'Y)'rOC bezüglichen Legenden mit
erstaunlicher Gründlichkeit untersucht.
Wir fragen weiter nach dem Hintergrunde dieser Erscheinun-
gen. Wenn man die geistige Situation untersucht, die das Ein-
dringen der Bilderverehrung in die christlichen Kirche begün-
stigt hat, glaube ich dass man vor allem zwei Elemente hierbei
betrachten muss. Das erste können wir suchen in einem Weiter-
leben primitiver religiösen Ideeen während wir ein zweites und
vielleicht noch wichtigeres Motiv in dem sehr nachhaltigen
Einfluss neuplatonischen Denkens auf das Christentum finden
können. Eine Behandlung des ersten Motives würde ein äusserst
gründliches religionsphänomenologisches Studium voraussetzen
und uns unvermeidlich von unserem eigenen Gebiete abirren
lassen. Es handelt sich ja dabei um den nicht allein und sogar
nicht an erster Stelle in dem Eindringen der Bilder sich kundge-
benden Prozess fortwährend weitergehender Durchdringung des
Christentums mit "Religion zweiter Ordnung". Im Rahmen
unserer Untersuchung können wir nur die Tatsache konstatieren
dass primitive Elemente auch in Kulturen und Religionen, die
man keineswegs primitiv nennen kann, weiterleben und in oft
erschreckender Weise an den Tag treten. (Auch in der Gegen-
wart finden wir davon genug Beispiele. Man denke nur an den
1) Die Abgarlegende ohne den Zug vorn Bilde bereits bei Euseb. Alles nähere von
dieser Erzählung bei Von Dobschütz, Christusbilder, 1., und die Belege in Tl. II.
DIE ENTWICKLUNG DES BILDERKULTES 21
kurz zusammenfassen: die sichtbare Welt ist nur ein Abbild der
wahrhaftig seienden Welt der Ideeen und also niederen Grades.
Will man diese in der sichtbaren Welt vorhandene Abbildung
der Ideen wiederum abbilden, dann entfernt man sich in fataler
Weise noch weiter von der wahren Wirklichkeit und gibt Bilder
von Bildern, Bilder aus der dritten Hand sozusagen. Hingegen
hat Plotin in Enn. V, 8 die folgende Beweisführung: die Kunst
ist allerdings nur eine Nachahmung; eine Nachahmung aber
nicht nur der sichtbaren Gegenstände sondern auch der ihnen
zugmndeliegenden Ideen, denn der Künstler tut mehr als b~oss
die Natur kopieren; er steht in unmittelbarer Verbindung mit
der Idee selbst, wovon die Natur ebenfalls eine Nachahmung ist.
Darum braucht die Kunst nicht weiter von der ewigen Wahrheit
der Idee entfernt zu sein als die Natur, ja unter Umständen kann
sie sich dem XOO'!L0~ V0'YJ't'O~ noch mehr nähern.
Dieser Gedankengang fehlt übrigens auch bei Platon selbst nicht
völlig. In dem Jugenddialog des Meisters, Ion, trachtet Sokrates
den beschränkten und eingebildeten Rhapsoden Ion, der jedoch
seine Zuhörer in wunderbarer Weise durch den Vortrag homeri-
scher Verse zu begeistern weiss, mit überlegener Ironie klar zu
machen dass die Begabung des Rhapsoden nur durch eine gewisse
göttliche Inspiration zu erklären sei. Zwar ist der Grundton des Ion
scherzend, ja bürlesk, aber dass ist noch kein Anlass den Haupt-
gedanken nicht ernst zu nehmen, nämlich dass das Schaffen und
im Vortrag Nachschaffen eines Kunstwerkes nur mittels einer
durch Inspiration entstandenen Berührung mit einer höheren
Welt möglich sei. Noch bekannter ist die Stelle aus dem Phai-
dros 1), worin Sokrates den göttlichen Wahnsinn preist, der
auch das Schaffen und Geniessen von Kunstwerken ermöglicht.
Der Künstler, der beim Schaffen überlegt und räsoniert wird
niemals etwas Grosses leisten und seine bedachtsam abgewogenen
Erzeugnisse müssen immer unendlich weit zurückstehen hinter
den Werken, die wir dem göttlichen Wahnsinn verdanken. In
diesen Stellen wird zwar nicht ausdrücklich gesagt dass es hier
ein Teilhaben an der Idee betrifft, jedoch ist eine derartige
Erklärung durchaus im Sinne der platonischen Philosophie.
Leider hat Platon diesen Gedanke nicht weiter entwickelt; die
1) Die Werke des Pseudoareopagiten nach der Ausgabe von Corderius, 1634
übergedr. MPG 3, 4. Vergl. darüber: J. Stiglmayer, Das Aufkommen der pseudo-
dionysischen Schriften, Feldkirch 1895, und Der Neuplatoniker Proklos als Vorlage
des sog. Dion. Ar., Hist. Jahrb., XVI (1895), S. 253-273, 721-748. In der Biliothek der
Kirchenväter eine Übersetzung, ebenfalls von Stiglmayr, mit vorzüglichen Einlei-
tungen. Weiter: H. Koch, Pseudo-Dionysius, Mainz 1900, und H. F. Müller, Diony-
sios, Proklos, Plotinos, Münst. i. W. 1918.
DER VERLAUF DES BILDERSTREITES
Erklärung eine fantastische Legende 1). Sie erzählt wie die Juden
am Bildersturm Schuld hatten: zuerst hätten sie den Kalif Jeztd
soweit gebracht dass er die Bilder der in seinem Reiche befind·
lichen christlichen Kirchen zerstören liess und ihm geweissagt, er
werde lange regieren wenn er diese Massnahmen treffe. Als Jezid
jedoch, ziemlich jung noch, verstarb, hätte sein Sohn die Ver-
führer seines Vaters teils umgebracht, teils vertrieben. Die
Flüchtlinge hätten den damals bettelarmen Leo irgendwo bei
einem Brunnen angetroffen. Als sie ihm prophezeiten dass er
Kaiser werden sollte hätte er geschworen, wenn dies wirklich
einträfe, alles zu tun was sie von ihm verlangen würden und so
hätten sie ihn zum Bildersturm gebracht. Natürlich ist diese
Erzählung ganz "Dichtung" ohne "Wahrheit"; sie steht in offen-
barem Widerspruch mit der Chronologie denn der Bildersturm
Jezids fand statt als Leo schon regierte. Jüdischer Einfluss auf
den Massnahmen J ezids ist allerdings nicht vollkommen ausge-
schlossen denn wir wissen dass die Juden dieser Zeit grimmige
Gegner der christlichen Kultbilder waren und sich gelegentlich
der Schändung dieser schuldig machten; es wäre aber heller
Wahnsinn eine jüdische Beeinflüssung Leos anzunehmen: hatte
er doch gar ein Edikt erlassen um die Juden zur Taufe zu zwin-
gen 2). Nicht unmöglich hingegen ist eine Nachwirkung seines
Aufenthaltes (als Befehlshaber der östlichen Truppen) in Phry-
gien. Dies war ganz besonders das Land aller möglichen Ketze-
reien und Sekten. Sogar Montanisten fanden sich hier noch
nachdem schon 500 Jahre vergangen waren seit der Entstehung
des Montanismus im selben Phrygien. Nun wissen wir dass von
den Ketzern namentlich die Montanisten und Paulicianer heftige
Gegner der Bilder waren. Es scheint aber dass der herb-aske-
tische altkirchliche Rigorismus dieser Sekten auch das geistige
Klima der dortigen Grosskirehe mitbestimmt hat. Jedenfalls
ist in diesen Gegenden bereits vor dem eigentlichen Anfang des
byzantinischen Bilderstreites eine theologisch, wenigstens religi-
ös, begründete bilderfeindliche Strömung emporgekommen. Die
Bischöfe Konstantin von Nakoleia und Thomas von Klaudio-
polis waren die Wortführer dieser Partei. Aus den Briefen des
1) Oratio adversus Const. Cabb., e. 19, Theophanes, a.a.M. 6215. Nie., Antirheticus,
II!, MPG 100, e. 528 sq. und weiter alle späteren Chronisten.
') Theoph. a.a.M. 6214.
DER VERLAUF DES BILDERSTREITES 3S
1) A.a.M. 6217.
") 50 L. Brehier, Vie et mort de Byz, p. 79. VergI. Vita St. Stepk. fun., MPG 100,
c. 1084.
3) L. von Ranke, Weltgesch. ur 5.307.
') Theoph. a.a.M. 6218. Nie. de rebus post Mauricium gestis ed. de Boor, p. 57.
5) Theoph. a.a.M. 6215. Vita St. Steph. Jun., MPG 100, p. 1085.
') Theoph., a.a.M. 6215.
DER VERLAUF DES BILDERSTREITES 37
hielt, auf dem die Ikonoklasten verurteilt wurden 1), denn Leo
sandte, als er dies vernahm, eine Flotte nach Italien um den
widerspenstigen Pontifex Maximus zu demütigen in der Weise
wie es sich in den monotheletischen Unruhen mit dem unglück-
seligen Papst Martin zugetragen hatte. Die Armada der Bilder-
stürmer wurde aber von einem gewaltigen Orkan fast völlig ver-
nichtet 2). Der Kaiser konnte seiner machtlosen Wut nur Luft
machen indem er diejenige Okzidentalen, die er noch in der
Gewalt hatte ungeheuere Steuern auferlegte und die in diesen
Gegenden befindlichen Teile des Patrimonium Petri (gerade die
einträglichsten) konfiszierte während die illyrischen Kirchen-
provinzen der Jurisdiktion des konstantinopeler Patriarchen un-
terstellt wurden: Tatsachen, die sehr dazu beitrugen den Kluft
zwischen Ost und West zu verbreitern.
In der Regierungszeit Leos sind schon einige für die Sache der
Bilder Märtyrer geworden (wie Georgios Spatharios samt sei-
nen Genossen), und mehrere erlitten Gefängnis, Verbannung
oder Misshandlung und verdienten so den Ehrennamen Kon-
fessor. Doch blieben die Massnahmen innerhalb gewisser Schran-
ken und kann man bestimmt nicht von Terror, kaum von Ver-
folgung sprechen, um so mehr weil es deutlich ist dass diejenige
die wirklich belästigt wurden, oft sehr provozierend auftraten.
Dieses verhältnismässig gelinde Vorgehen sollte jedoch nicht
lange währen.
Leo III verstarb 741 und wurde von seinem Sohne Konstan-
tin V, der Ikonoklast xoc't" &~OX'fjV, nachgefolgt. Die Mönchschroni-
ken haben ihr Äusserstes geleistet um an diesem Manne kein
gutes Haar zu lassen; Anekdoten wie die von seiner Taufe, die
den Neugeborenen schon buchstäblich und figürlich in schlech-
tem Geruche brachte, da er bei dieser Gelegenheit das Tauf-
wasser verunreinigte (daher der Beiname Kopronymos), sind
bezeichnend für den Hass gegen diesen Fürst. Weiter beschul-
digte man ihn entmenschter Grausamkeit, der Trunksucht, Ge-
1) Gibbon, Decline and Fall 01 the Roman Empire, Chap. 48. (von Bury neuediert
London 1896-1900).
S) Theoph. a.a.M. 6233 sqq.
") Die Hss. des Theoph. sagen dass der Patriarch 't1.lCj)A6).&e:tC;, geblendet wurde.
Ein blinder Patriarch war aber amtsunfähig, darum verbessert De Boor in seiner
Ausgabe -rucp.&e:tc;, gepeitscht.
40 DER VERLAUF DES BILDERSTREITES
ihren Meister noch übertreffen und liessen über alle Klöster des
Reiches die Greuel einer entfesselten Soldatesca hergehen. Die
Gebäude wurden geplündert und beschlagnarnt, die Bewohner
grässlich misshandelt oder getötet, wenn sie wenigstens stand-
haft blieben. Die niederträchtigen Verunglimpfungen, denen
man die unglückseligen Mönche (und jetzt sogar Nonnen) unter-
zog dienten oft im Hippodrom zur Unterhaltung einer bestiali-
schen Menge. So liess man mitunter dort männliche und weibliche
Asketen Hand in Hand paradieren und stellte sie vor der Ent-
scheidung entweder sich zu heiraten oder verstümmelt oder ge-
tötet zu werden. Es war nicht bloss Barbarei sondern auch Be-
rechnung die zu Volksbelustigungen dieser Art führten; in dieser
Weise konnte man das Ansehen des Asketenstandes bei der
Masse untergraben.
Natürlich wurden viele ihrer überzeugung untreu. Der Glau-
bensmut der anderen wird noch bewunderenswerter wenn man
bedenkt dass die Abtrünnigen mit Ehren überschüttet wurden.
Der Terror wütete immer schrecklicher; keiner war seines Leben
mehr sicher, wenn es auch etwas übertrieben sein mag was
Theophanes 2) behauptet, dass nämlich treue Erfüllung der re-
ligiösen Pflichte und Enthaltung von Fluchen und Unzucht
schon genügten um einen im Anklagezustand zu versetzen. Sogar
die eigne Kreatur des Kaisers, der Patriarch Konstantin, wurde
der Verschwörung angeklagt, schrecklich gefoltert und hinge-
richtet 3). Nicht nur die Bilderverehrung, auch die Anrufung der
Theotokos und der Heiligen, sowie die Reliquienverehrung wurde
bekämpft 4). Die brutal-frivole Gottlosigkeit des Kaisers ent-
fremdete ihm sogar den willigen Hofklerus und kompromittierte
die ganze Partei. Eine der schlimmen Folgen dieses tollen anti-
religiösen Fanatismus war eine Vertiefung des Gegensatzes zwi-
schen Ost und West. Die 764 vom Papst Stephan abgehaltene
Lateransynode 5) verurteilte den Ikonoklasmus. (Konstantins Be-
ziehungen zum Vorgänger dieses Papstes, Zacharias, waren merk-
würdigerweise ziemlich gut gewesen).
775 verstarb Kopronymos und wurde von seinem Sohne Leo,
1) Theoph., a.a.M. 6257.
2) Theoph., a.a.M. 6258.
3) Theoph., a.a.M. 6259. Nie. Brev. a.a.D. 766 (De Boor S. 74).
") Theoph., a.a.M. 6258.
") Theoph., a.a.M. 2668.
DER VERLAUF DES BILDERSTREITES 43
1) Vita Tarasii, c. VII (MPG 98) Das meiste lehrt uns die Korrespondenz des
Studiten (in MPG 99).
S) Theoph. a.a.M. 6288.
3) Theoph. a.a.M. 6290.
46 DER VERLAUF DES BILDERSTREITES
') Vergl. hierfür den Aufsatz Karl Holl's: Die schriftstellerische Form des griechi-
schen Heiligenlebens (1912), Ges. Schriften II (der Osten), Tübingen 1928, S. 91 ff.
') Ignatius, Vita Nicephori, Cap. VII sqq. (MPG 100, c. 91 sqq).
3) Suidas, Lexicon etc. ed. G. Bernhardy, Hall u. Berlin 1834-1853. Stichwort:
Ignatios.
') Ign., Vita Nie., c. 91 (l\IPG 100, c. 155 sqq).
LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS SI
dieser Chronik die, nicht ganz mit Recht, als Vita Leonis Armenii
bezeichnet wird, finden wir einen ausführlichen Bericht über das
Verhältnis dieses Kaisers zum Patriarchen 1). Diese Mitteilungen
wurden von späteren Chronisten übernommen. Auch aus anderen
Heiligenleben erfahren wir Verschiedenes über dieselben Ereig-
nissen, unter andere aus den Lebensbeschreibungen des grossen
Studiten Theodor, aus der seines weniger bekannten Klosterge-
nossen Nicolaus Studita und der des Konfessoren Niketas 2).
Vollständigkeitshalber müssen wir noch Nikephoros' eigenen
Brief an Papst Leo III 3) nennen, worin er flüchtig sein früheres
Leben erwähnt; wir können aus dieser Epistola aber nichts lernen
was wir nicht auch schon aus anderen Quellen wissen. Was den
ersten Teil von Nikephoros Leben betrifft, bleibt uns also nichts
anderes übrig als uns an die Anfangskapittel der Vita Nicephori
des Ignatios zu halten da die anderen Quellen uns von diesen
Jahren gar nicht oder doch (wie die Ep. ad Leonem III Papam)
nur sehr beilaüfig sprechen. Die Vita beginnt mit einer Vorrede 4)
die ein Meisterstück der echt byzantinischen Kunst um mit
möglichst vielen Worten so wenig wie möglich zu sagen, ist. Aus
den mit der Kunst maurischer Arabesken ineinandergeschach-
telten Sätzen können wir jedenfalls ableiten dass die Lebens-
beschreibung nicht lange nach dem Tode des Heiligen verfasst ist.
Der grosse Patriarch stammte aus einem angesehenen kon-
stantinopeler Geschlecht. Sein Vater Theophilos war kaiser-
licher Asekretis (Geheimschreiber). Diese Stellung bedeutete ein
wichtiges verwaltungstechnisches Amt das einigermassen mit
dem eines Ministerialrats zu vergleichen ist. Obwohl seine
Amtsperiode grösstenteils, wenn nicht ganz, unter die Regierung
bilderfeindlicher Kaiser fiel, von Leo Irr und Konstantinos
Kopronymos nämlich, war Theophilos selbst kein Ikonoklast.
Möglicherweise war man damals, wie auch jetzt, geneigt bei be-
sonders brauchbaren und "spezialistisch" ausgebildeten Leuten
vieles zu entschuldigen, besonders doktrinäre Abweichungen.
Als jedoch Kopronymos zu schärferen Massnahmen gegen die
Bilder überging fiel auch Nikephoros' Vater dieser aggressiven
1) A.a.O., c. I, 10.
54 LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS
Helfer dabei trat kein geringerer auf als der Sohn des Kaisers,
Staurakios, der damals bereits Mitregente war. Nach der Tonsur
folgten bald die höheren Weihen. Am ersten Ostertage (12 April)
des Jahres 806 waren der Kaiser und die Würdenträger der
Hauptstadt in der Hagia Sophia versammelt zum Feier der
Inthronisation des Nikephoros. Die Feierlichkeit wurde mit der
grössten Pracht begangen. Eine grosse Menge, in weissen Festge-
wändern gekleidet, füllte das Heiligtum. Als der neugewählte
Patriarch zur Weihe schritt trug er die von ihm verfasste Streit-
schrift gegen die Ikonoklasten in der Hand. Er gelobte feierlich
dass er niemals von den Worten dieser Schrift abweichen und
dass er sich stets an diesen Sätzen halten werde, sogar bei der
"herrlichen und schrecklichen Wiederkunft unseres grossen Got-
tes und Heilands Jesus Christus". Nach der Patriarchenweihe
legte er diese Schrift an den Fuss des Altars. Dann rief das Volk
dreimal das gebraüchliche &~LO~ T<p &~L<p und der neue Patri-
arch setzte sich auf seinen hohen Thron "wie Habakuk auf
seinen Wartturm", sprach den Segen über das Volk aus und
übernahm, als die Glaübigen respondiert hatten, die Leitung des
Gottesdienstes.
Wenn die Vita Nicephori unsere einzige Quelle wäre dann
würden wir wohl glauben dass diese Wahl den Beifall aller ge-
habt hätte. Nichts jedoch ist weniger wahr. Im Gegenteil, es gab
heftigen Widerstand. Die Opposition kam von der Seite der
Studitenmönche 1). Der grosse Theodorus Studita und sein
Oheim Platon, der ihm die Leitung übertragen und selber
sich in die Einsamkeit des Anachoretenlebens zurückgezogen
hatte, waren gegen diese Wahl; jedoch wissen wir nicht ob diese
Meinung ausserhalb des Klosters viele Anhänger hätte. Dieser
Widerstand war wesentlich prinzipieller Art und hatte als Kern
die Tendenz alle Versuche der weltlichen Gewalt um die Kirche
restlos zu beherrschen, abzuweisen, wobei ein tiefes Misstrauen
gegen den Staat sich kundgab. In der Erhebung des Nikephoros
zum Patriarchen witterte man den Staatsabsolutismus. Man
führte an dass es den kirchlichen Canones zuwider sei, einen
Mann, der zwar stets sehr viel Interesse für Theologie und
Mönchsleben gezeigt aber vor seiner Wahl immer zum Laien-
') Theophan. a.a.M. 6298 (MPG 108, p. 968) und auch die beiden Vitae des
Theodorus Studita, MPG 99.
LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS 57
scheint dass der Kaiser jene Partei, die immer in der Opposition
verblieb, betrachtete als ein schädliches Geschwülst, das ausge-
brannt werden sollte. Kaiser Nikephoros war ein kynischer,
machiavellistischer Mensch und nichts religiöser als die grossen
bilderstürmenden Kaiser; man verdächtigte ihn geheimer ikono-
klastischen Sympathien. Wie dem auch sei, er hielt es aus mehr
oder weniger opportunistischen Gründen für das Beste die Bil-
derverehrung unbehelligt zu lassen. Was aber das Verhältnis des
Kaisers zur Kirche betrifft so hatte er hierin die selben Neigun-
gen als Leo III und Konstantinos Kopronymos, nämlich die Ten-
denz die Kirche in vollkommenster Abhängigheit von dem
Staat zu bringen. Wir können wohl annehmen dass für einen
Mann wie Nikephoros die Lage reich an inneren Konflikten ge-
wesen sein muss. Einerseits hatte er die Patriarchenwürde der
Gunst seines kaiserlichen Namensgenossen zu verdanken aber
andererseits war er bestimmt kein charakterloser Opportunist,
sondern ein Mensch in dem die griechische Frömmigkeit in
edelster Form verkörpert war und dem die Kirche mehr be-
deutete als der Staat. Darum liegt in dieser Figur auch eine
gewisse Tragik, eine Tragik die sich nicht auf die Figur des
Patriarchen beschränkt sondern die der Struktur der Ostkirche
selbst seit dem ersten Konzil von Nicaea innewohnt.
Als Beispiel dieses inneren Konflikts bei Nikephoros können
wir auch Folgendes anführen: er war geneigt sofort nach seiner
Erhebung, mit Papst Leo III brieflich in Verbindung zu treten,
wie es Brauch war. Der Kaiser jedoch der Karl den Grossen als
seinen Gegner betrachtete und der mit dem Papste u.a. auch
deswegen auf schlechtem Fusse stand weil dieser den Franken-
könig zum Kaiser gekrönt hatte, verbot jeden Kontakt zwischen
Papst und Patriarch aufs strengste 2). Nikephoros selber war
sehr "romfreundlich" , wie aus seinen Antirhetici ersichtlich
wird. Ein anderes Beispiel für dieses eigenartige Missverhältnis
finden wir in dem eben genannten Streit gegen die oppositionelle
Studitenpartei in dem der Patriarch lieber jeden Konflikt ver-
mieden oder gütlich beigelegt hätte aber doch auf kaiserlichem
') Die Vita des Ign. (c. IV, 29) lässt ihn noch zu Lebzeiten des Kaisers Nikephoros
die Epistola Synodica schicken; aus Theoph. (a.a.M. 6304, MPG 108 c. 993) wird aber
ersichtlich dass er erst bei der Regierungsantritt des Michael RhangaM dazu im
Stande war.
2) Theoph., a.a.M. 6288, MPG 108 c. 948, und die obengenannten Quellen.
LEBEN UND. WERKE DES NIKEPHOROS 59
phano keine Kinder gehabt hatte wäre bei seinem bald zu er-
wartenden Ende sein Schwager Michael Rhangabe der angewie-
sene Thronerbe gewesen. Staurakios jedoch bestand darauf dass
Michael bei der Thronfolge übergangen werden müsste und
seine Frau Theophano auf den Thron erhoben. Theophano selbst
wollte nach dem Vorbilde der Kaiserin Irene gerne allein ßOCO"LALO"O"OC
sein. Es ist begreiflich dass in dieser Situation verschiedene
Palastintriguen entstanden in denen nicht nur die beiden Frauen,
Th~ophano und die Schwester des Staurakios eine Rolle spielten
sondern auch, ungeachtet seiner geistlichen Würde, der Patri-
arch Nikephoros. Der etwas unklare Bericht des Theophanes
teilt uns einiges mit vom Auftreten des Kirchenfürsten in die-
sem Zeitabschnitt. Theophanes führt die Person des Patriarchen
am Hofe des Staurakios mit der Erzählung ein dass er den
Kaiser auf seinem Krankenbette ermahnte Gottes Gunst da-
durch zu erwerben, dass er Personen von denen sein Vater Geld
erpresst hatte dafür entschädige (Irene hatte damals wirklich
etwas derartiges getan). Der todkranke Kaiser antwortete darauf
dass er nur drei Talente zu diesem Zwecke geben könnte. Weiter
erzählt derselbe Chronist dass, als Nikephoros erfuhr dass der
kranke Kaiser nicht nur Pläne hatte seine Frau zur Thronerbin
zu erheben sondern dass er auch soweit gehen wollte, falls dieses
misslinge, eine Art Demokratie oder vielmehr Ochlokratie zu
gründen, der Patriarch das Ärgste fürchtete. Er beendete seine
Feindschaft mit dem Patrikios Theosteriktos, dem mächtigsten
Mann am Hofe, und nahm ihn zum Bundesgenossen. Obwohl
die Chronik sich hierin nicht deutlich ausdrückt können wir es
als sicher annehmen dass es ein Komplott zugunsten des Michael
Rhangabe betraf. Der Wunsch des Staurakios seinen Schwager
blenden zu lassen brachte sogar Stephanos, der bisher treuest
ergebene Anhänger des jungen Kaisers dazu, sich von ihm ab-
zuwenden; er ging zur Gegenpartei über und warnte Michael
Rhangabe und einige Truppenabteilungen vor diesen nieder-
trächtigen Plänen. Michael wurde im Hippodrom von Soldaten
und Volk zum Kaiser ausgerufen; ein unblutiges Pronunciamento
wie es derer so viele gibt in der byzantinischen Geschichte. Um
sich zu retten nahm Staurakios augenblicklich die Tonsur an
und hüllte sich in einer Mönchskutte. Er flehte den Patriarchen
um Hilfe. Hierauf folgte ein grossartiges Spiel von gegenseitigen
62 LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS
1) A.a.O., c. 181.
") A.a.O., c. 181-195.
3) Ign. Vita Nie., c. IV, 28.
64 LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS
1) Oral. de Exsilio SI. Nie. el Translatione reliquiarum, MPG 100, c. 159 sqq.
') MPG 100, c. 875 sqq.
3) Z.B. ein Theophylaktos Simokattes.
LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS 81
richt von den Tatsachen sich eine Vorstellung von ihrer Ver-
knüpfung zu machen. Nach Krumbacher 1) haben Nikephoros
und Theophanes, ohne gegenseitige Abhängigkeit, einer älteren,
uns unbekannten Quelle vieles entnommen. In seiner Schilde-
rung der Bilderstreitigkeiten und seiner Beurteilung der ikono-
klastischen Kaiser ist Nikephoros gemässigter als Theophanes,
was uns leicht befremden kann wenn wir denken an die masslosen
Invektiven die uns in den Streitschriften bis zum überdruss im-
merfort begegnen. So ist es auch merkwürdig dass er in dem
Geschichtswerk den Kaiser Herac1ius, der doch die monothele-
tischen und monergistischen Streitigkeiten entfesselt hat, beson-
ders preist und diese Kämpfe nur beiläufig nennt anlässlich des 6.
oek. Konzils. Das Breviarium scheint inzwischen nicht ausseror-
dentlich beliebt gewesen zu sein. Es ist uns nur in zwei MSS er-
halten und von den späteren ist Georgios Monachos der einzige,
der Kenntnisse des Werkes verrät. Sehr bekannt wurde dagegen
das nur aus chronologischen Tabellen bestehende Werk, das in der
übersetzung des päpstlichen Biliothekars Anastasius auch im
Westen seinen Weg fand 2).
Von dem Schreiben des Patriarchen an Papst Leo III sprachen
wir bereits. Die Datierung von einigen der polemischen Schriften,
denen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit zuwenden, ist zwar nicht
genau aber doch annähernd möglich. Zuerst nennen wir der sehr
knappe, inhaltlich ziemlich unbedeutende Apologeticus Minor 3).
Dieser ermöglicht eine nicht allzu ungenaue Zeitberechnung.
Nikephoros sagt nämlich dort dass die Kanones des im Jahre 691
abgehaltenen Trullanums schon mehr als 220 Jahre in Ehre
seien und so leuchtet ein dass die Schrift nicht lange nach 810
verfasst sein kann. Der ziemlich massvolle Ton macht es wahr-
scheinlich dass die Schrift der Anfangszeit der ikonoklastischen
Wirren unter Leo IV entstammt. Die Synode von 81S wird nicht
erwähnt. Als Abfassungszeit können wir also das Jahr 814,
spätestens 81S, annehmen. Der grosse Apologeticus Major 4) ist
später als der Minor geschrieben denn die Synode von 81S wird
hier manchmal genennt. Dass es wirklich um diese sich handelt
1) A.a.O., S. 50.
') De Boor, Niceph., Op. Hist., p. 218 sqq.
3) MPG 100, c. 833-850.
') A.a.O., c. 533-850.
:-Jikephoros 6
82 LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS
1) Von dieser "Apologia fidei orthodoxae", wie sie in der pariser Katalog genannt
wird, sind nur zwei MSS bekannt, beide in der BibI. Nat. in Paris. Die älteste und
beste HS (Cod. Coisly 93) entstammt dem XI., die andere (Cod. Par 1250) dem XII.
Jhrh. In beiden fehlen einige Blätter; zusammen aber geben sie das vollständige
Werk. Ich war nicht in der Lage die HSS einzusehen, doch habe ich durch die Freund-
lichkeit der BibI. N at. eine photographische Reproduktion der ganzen Schrift er-
halten.
Ich werde sie weiterhin als "P" zitieren. Die "fol." sind die foI. des Cod. Coisly.
") P., fol. 124 ff.
a) J. B. Pitra, Spieilegium Solesmense, Tom. IV, Paris 1858, p. 292 sqq.
C) P. fol. 134.
5) Pitra, Spie. Sol., T. I, p. 371 sqq.
84 LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS
1) A.a.O., p. 302 ff. Über Macarius VOll Magnesia vergl. Koch, a.a.O., 29, wo sich
auch die einschlägige Literatur findet.
") Pitra, Spie. Sol., T. I, p. 233 sqq.
S) A.a.O., p.234, wo der Patriarch von seinem "Wartturm" spricht.
') Pitra, Spie. Sol., T. IV, p.381 sqq. und MPG 100, c. 851.
i) Unter seinen Werken finden sich auch Sammlungen von VätersteIlen (MPG
100, 812 sqq und Pitra, Spie. Sol., T. I, p. 336 sqq.).
LEBEN UND WERKE DES NIKEPHOROS 85
1) A.a.O., passim.
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 89
aus der Gemeinschaft der Kirche und des Heiligen Geistes. Doch
scheint der Sinn nicht sosehr zu sein dass dieses Fallen aus dem
Glauben und aus dem Bekenntnis sozusagen automatisch ein
Zugrundegehen der Priesterwürde zu Folge hat (was leicht
"donatistisch" wäre). Andererseits findet sich in diesem Kapittel
ein Satz wie folgender: ". . .. sie mussten, da sie das Bekenntnis
verworfen hatten auch weiterhin der Salbung des H. Geistes
verlustig werden, denn es ist unmöglich dass solche, die den
Glauben auf den sie mit dem H. Geiste versiegelt sind, verleug-
nen, die aus der Salbung fliessenden Dinge noch wohl aus-
richten sollten". Ein raffinierter Ketzerjäger könnte hier viel-
leicht einen unsauberen Duft des Donatismus spüren. Wie es
hier gefasst steht tun ja die Kanones nichts weiteres als eine
Sachlage öffentlich proklamieren, die auch ohne solche Kund-
gebung schon da war. Doch soll man unserem Patriarchen nicht
um einen einzigen weniger geschickten Satz sofort den Ketzerhut
aufsetzen.
Mehr rhetorisch wirkungsvoll als theologisch aufschlussreich
sind die scharf rhytmierten Sätze, die in Kap. 9 über die Kirche
deklamiert werden. Die Kirche, so wird da gesagt, ist die keusche
Suzanna; die Ketzer die lüsternen babylonischen Alten. Christus
hat sich die Kirche ohne Makel vorgestellt, jene aber schämen
sich nicht sie der Abgötterei zu beschuldigen; allein der Geist
der damals in Daniel haüste wird auch sie niederwerfen.
Weiterhin tritt auch der Gedanke hervor, der es dem Autor
ermöglicht von einer Kirche ohne Makel zu sprechen, während
doch die Sünden der kirchlichen Würdenträger, auch der Ortho-
doxen, nur zu offenkündig sind: der Gedanke nämlich von einer
sehr radikalen Scheidung von Amt und Person. Als Exempel
führt er die Pharisäer und Schriftgelehrte an. Diese waren in
ethischer Hinsicht fast ebenso tief gesunken als die Ikonoklasten
und doch sagt Jesus: "Sie sitzen im Stuhle des Mose". Der
Unterschied ist aber gross, denn wenn sie auch selbst nicht
dementsprechend handelten so war es doch allenfalls das wirk-
liche mosaische Gesetz das sie lehrten. Also: wenn man nur täte
nach ihren Worten und nicht nach ihren Werken, so war es schon
gut: die Ketzer dagegen dienen nicht nur in ihrem Privatleben
die Lüge, sie verkündigen die Lüge und bekämpfen die Wahrheit
mit Wort und Tat.
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 91
in die Enge zu treiben. Fragt man aber die Ketzer dasselbe be-
treffs der Evangeliare und Kreuze, denen sie noch wohl Ehre be-
zeugen wollen, so finden sie eine derartige Frage unpassend.
Bestenfalls nehmen sie ihre Zuflucht zu einem Apell an die über-
lieferung; diese wollen sie nämlich verwenden wenn es ihnen zu
statten kommt und danken sie ab wenn dies nicht der Fall ist.
So kommt unser Patriarch dazu von der Tradition zu reden. Man
soll, nach ihm, zur Bestätigung der überlieferung weder beson-
dere Zeichen noch stringente Beweisgrunde verlangen. Ersteres
ist, wie I Cor. 1,22 besagt, für die Juden, zweites für die Heiden
bezeichnend.
Für alle Orthodoxen ist der Glaube das Fundament des Heiles.
Dieser Glaube macht dass wir alles gelten lassen, was die katho-
lische Kirche überliefert hat; er ist etwas apriorisches und nicht
zu beweisendes. ·Nun ist aber auch das Malen heiliger Gegen-
stände eine überlieferung so alt wie die Evangelien. Alles von der
Tradition in der Kirche Geheiligte soll man verehren. Die unge-
schriebene überlieferung ist noch wertvoller als die geschrie-
bene; auch das Evangelium wurde ja anfangs mündlich über-
liefert. Eine grosse Zahl kirchlicher Bräuche sind nur in der
ungeschriebenen überlieferung begründet. Das geschriebene Ge-
setz ist die Fixierung des ungeschriebenen Brauchs. So denken
ebenfalls die Patres, wie Basilius und Epiphanius. Es ist also
klar dass Nikephoros in seiner Wertschätzung der kirchlichen
überlieferung noch über den Vaticanum hinaus geht; dieselbe
hat bei ihm fast noch mehr Autorität als die heilige Schrift. Das
Weitere des Antirheticus III ist für unseren Zweck völlig uner-
giebig. In den Schriften gegen Euseb und "Epiphanius" und den
anderen von Pitra herausgegebenen Abhandlungen wird der
Kirchenbegriff kaum gestreift; in P wird die Kirche oft genannt,
jedoch geht der Verfasser dort niemals über leere Deklama-
tionen hinaus 1).
Von der Liturgie der Kirche ist auffallend wenig die Rede;
doch gibt es eine sehr bezeichnende Stelle Antirhet. III, 59:
"Auch unsere Priester bilden die Gestaltung der überirdischen
schönen Ordnung ab indem sie diese darstellen in der heiligen
Liturgie und in den anderen göttlichen Lobspenden .... ". Die
') Vergl. H. Staubinger, Die Christologie des HI. Maximus Contessor, 1096, und H.
von Schubert, Geschichte der christi. Kirche im FrühmittelaUer, Tüb. 1921, S. 231 ff.
a) Joh. Dam., Contra ]acobitas, Lequien, I (MPG 95).
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 99
sie, und natürlich Maximus Konfessor wenn die zwei Willen und
die zwei evepyeLocL Christi erörtert werden müssen. Ob Nikephoros
die Werke des Damaskeners gekannt hat ist nicht nachweisbar,
doch mit Rücksicht auf den grossen Ruf des syrischen Theologen
als Bekämpfer des Ikonoklasmus nicht unwahrscheinlich; jeden-
falls fand er denselben Lehrkomplex vor als in der nlj)'ll YV6)O'e6)~
systematisch verarbeitet war. Auch er hat diesem Gebilde keine
wesentlich neuen Gedanken hinzugefügt. Da er kein Systema-
tiker war sind gar nicht alle Aspekte der Christologie bei ihm
anzutreffen, anders als beim Damaskener. Dagegen hat er etwas
getan, was jenem nicht eingefallen war, er hat nämlich die Spitze
dieser Gedanken gegen den Ikonoklasmus gewendet. Freilich
war er nicht der einzige, der solches tat; auch Theodor von
Studion argumentierte so und zwar in sehr exc1usiver Weise.
Fragt man aber weiter ob diese Stellungnahme eine ursprüng-
liche Idee dieser beiden Autoren war, so kann diese Frage nur
verneint werden. Sie waren mit dieser Argumentation sogar in
der Defensive. Der erste, der mit derartigen Gründen in der iko-
noklastischen Frage auftrat, war Konstantin Kopronymos. Er,
oder seine theologischen Berater, hatten als Schibboleth der
Ikonoklasten das OC1tepLypOC1t't'o~-sein von der menschlichen Natur
Christi erfunden. Terminologisch war das eine unerhörte Neue-
rung. Der Ausdruck an sich war alt, findet sich bereits im dritten
Jahrhundert als Prädikat des AOYO~, gelegentlich der ganzen
Gottheit, wird aber nie der Menschheit des Erlösers beigelegt.
Weit geschickter ging die Synode von 754 vor. Sie liess den
Schatten des Nestorius, wie den des Eutyches, aufsteigen und
ihre Beweisführung dabei war die folgende: wenn man ein Bild
von Christus herstellt von Zweien eins:
1) man will die beiden Naturen darstellen oder
2) man will nur die menschliche Natur abbilden.
Im ersten Fall sei man Monophysite weil man voraussetzt
dass ein einziges Bild die zwei Naturen darstellen kann, im zwei-
ten Fall sei man Nestorianer indem man die beiden Naturen
trennt 1). Dass die Synode dass Fleisch Christi OC1tepLypOC1t't'O~ ge-
nannt hat ist aus dem opo~ nicht nachweisbar. Das Wort OC1t&PL-
ypOC1t't'O~ findet sich zwar, wird jedoch auf die Gesamtperson
auch er hat nicht gewollt oder er hat nichts davon im Voraus ge-
wusst. Alle drei Voraussetzungen sind natürlich Gott unwürdig
und so ist der Heiland, trotz allen Fantasmagorieen von einer
menschlichen Natur die cht€P~YPIX7t't'o~ wäre, nur ein Mensch und
weiter nichts. Im letzten Fall (er hätte nicht gewusst) hätte er
Teil an der Unwissendheit des Durchschnittsmenschen und wären
sogar einige Geschöpfe, wie die Propheten, ihm überlegen. Auf
diesem Wege gelangt man zu der Ketzerei der Agnoeten. Diese
führen den Text Matth. XXIV, 36 an, wo Christus sagt dass
auch der Menschensohn Tag und Stunde nicht weiss; ein Wort
das Nikephoros keine geringen Schwierigkeiten bereitet. Der
Herr wusste es natürlich recht gut, meint er, aber er hatte
wahrscheinlich seine guten Gründe, davon zu schweigen. Das
fast blasphemische dieser Aussage, die den Heiland zu einem
wissentlichen Lügner macht zugunsten der Theorie, scheint ihm
nicht ganz zu entgehen, denn in dem zweiten Antirheticus hat er
denselben Text anders exegetisiert. Zum zweiten Falle ist zu
sagen: wenn er seiner Hände Werk nicht retten wollte so wäre
das ewige Wort Grillen Untertan und viele Kreaturen ständen
in dieser Hinsicht noch über ihn da sie wenigstens das von ihnen
Gemachte durchgehends behalten wollen. Vorsehung, Ordnung,
Gesetz und göttliches Recht wurden da zunichten gemacht.
Doch können wir dieses: Gesetz, Ordnung u.s.w., in der Schöp-
fung beobachten. Man kann ein anderes, von Gott verschiedenes
Prinzip als Ursprung davon betrachten aber dann ist man
Manichäer. Wenn schliesslich Gott der Sohn nicht ganz erretten
könnte so wäre es entweder weil die Kraft von Natur ihm dazu
fehlte, und dann wäre er auch weiterhin machtlos und könnte
"nach aussen nichts bewegen", oder weil ein anderes Prinzip
ihn dazu zwänge und in diesem Fall wäre er nicht allmächtig.
Dagegen ist positiv zu sagen: Christus, Gott selbst und Gottes
Sohn, bequemte sich aus Güte den menschlichen Verhältnissen
doch er blieb die Weisheit selbst und der Geber aller Weisheit.
Er wusste wie er ganz retten musste und wollte und konnte das
auch. Das ist der christologische Ertrag der grossen Apologie.
Ergiebiger ist der erste Antirheticus, der sich einer von Kopro-
nymos oder wenigstens von seinen theologischen Beratern stam-
menden Abhandlung gegen die Bilder anschliesst, die er wider-
legt. Das erste von der Christologie handelnde kopronymische
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 103
') Auch diese Beweisführung kurzgefasst und weniger klar in P, fol. 40.
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 105
1) Vergl. s. 14.
') Vergl. S. 31.
') Vergl. S. 18.
110 DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS
sein der beiden Testamente ist ebenfalls bildhafter Art; die Ge-
schichte, sowie die Monumente von Vergangenem sind wiederum
Bilder, Bilder der Vergangenheit 1). Wenn man dies alles beobach-
tet kann man wohl nicht verneinen dass es einen erlaubten Ge-
brauch der Bilder gibt. Das schliesst noch nicht die Legitimität
des ihnen dargebrachten Kultes ein. Dazu sagt der Damaskener:
dieser Kult bezieht sich nicht auf das Bild als solches sondern
auf das Urbild. übrigens bringt man den Bildern nicht die nur
dem göttlichen Wesen zukommende Aoc:rpe:Loc dar sondern die
1tpOOitUVYjGL<; die man vielen Dingen und Personen, in denen eine
besondere Würde sich findet, darbieten kann 2). Verschiedene
Arten der Proskynese werden in echt damaskenisch-scholasti-
scher Weise unterschieden 3). Latria den Bildern zu erweisen
wäre Gotteslästerung '). Vollends falsch ist das Argument dass
man die Bilder nicht verehren könne weil sie materieller Art
sind: sind doch die eucharistischen Elemente, das Kreuz und die
Kultgeräte nicht weniger so beschaffen während die Ikonoklas-
ten diesen dennoch die Ehrerbietung nicht verweigern. Die
Anschauung dass die Materie an sich etwas Minderwertiges sei
ist Manichäismus 5), denn die Materie ist Gottes Schöpfung und
das Wort selbst ist Fleisch geworden.
Diese Gedanken finden wir bei Nikephoros wieder, weniger
systematisch doch polemisch gewandter. Der Unterschied zwi-
schen Latria und Proskynese wird von unserem Patriarchen nur
flüchtig gestreift und die "manichäischen" Züge des Ikonoklas-
mus kaum eingehender betrachtet; dagegen hat er den e:1xwv-be-
griff allseitig beleuchtet. Wir wenden uns jetzt der Betrachtung
der diesbezüglichen Stellen aus dem Apologeticus Major und den
drei Antirhetici des Nikephoros zu.
Die erste Stelle, die hier zu nennen ist, findet sich Apol. Kap.
21 und schliesst sich der christologischen Lehre an. Durch die
eben beschriebenen Inkarnation, wird dort ausgeführt, sind wir
erlöst, und alle Kennmittel (yvwPLG!LOC't'oc), die das Erlösungswerk
erzählen, darstellen und in die Erinnerung rufen, ehren wir, der
überlieferung gemäss, auch die Bilder. Wir schenken diesen
1) A.a.O., I, 13; III, 23.
") A.a.O., I, 8; I, 14.
3) A.a.O., III, 40.
f) A.a.O., I, 16.
5) A.a.O., I, 6; II, 13 II, 14.
112 DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS
jedoch nicht die Gott allein zukommende Latria. Alle, die "von
Gott gelehrt" sind wissen dass man zwar Christus alle Ehre zu
geben hat, aber seinen Bildern deshalb die Ehre nicht verweigern
soll, da die den Bildern bezeugte Ehre auf ihren Archetypos
übergeht. Dasselbe gilt von den Bildern derjenigen Geschöpfen,
die wir um Beistand anflehen, Maria z.B. und die Heiligen-
Solches ist reines Christentum; Abgötterei betreibt, man nur
dann wenn man Mächte, die von Natur kein Gott sind, dient.
Merkwürdig genug ist diese recht magere Stelle das einzige
was die ganze grosse Apologie zum e:1x<uv-begriff zu sagen hat.
Mehr bietet der zweite Antirheticus, da auch der Kaiser, des-
sen Abhandlung wir hier widerlegt finden, in seiner grobschläch-
tigen Art sich an die mit dem dx<uv-vorstellung verbundenen
Problemen heranmacht. Kopronymos legt dar dass wenn es gut
wäre, das Bild von derselben Substanz (OUGLIX) als das Abgebil-
dete sein müsse. Wegen der unvermeidlichen Verschiedenheit
der Substanz bei dem (göttlichen) Erlöser und dem (geschöpf-
lichen) Bilde sei ein Bild von Christus unmöglich. Dieses Argu-
ment treibt erst recht den Unsinn auf die Spitze, meint Nike-
phoros. Das O(LO~1JGL'J<; gilt ja nur von der zweiten Person der
Dreifaltigkeit, vom Sohne als Bild des Vaters. Im göttlichen
Vater-Sohnverhaltnis wird jedoch der e:tx<uv-begriff in einer sehr
besonderen und schlechthin einzigartigen Weise verwendet.
Töricht ist es dasselbe von einer kunstgewirkten Abbildung zu
fordern. Diese Irrung ist hierin begründet dass man das sub-
stantielle Bild und das von der Kunst geschaffene nicht unter-
scheidet. Gott schuf aus nichts, die Kunst hat in der Natur ihr
Vorbild. Sie ist nicht selbst die Natur sondern nimmt die in der
Natur wirkende gestaltende Form, die Idee (d8o<;), als Para-
digma und schafft dementsprechend etwas Ähnliches (O(LOLOV).
(Der platonische Einfluss ist hier besonders deutlich spürbar).
Nach dem tollen kopronymischen Grundsatz müsste das Bild
eines Menschen, eines beseelten Wesens also, auch beseelt sein.
"Die Ganzheit muss bewahrt bleiben sonst ist es kein Bild",
lautet ein folgendes Zitat. Mit mehr Recht könnte man sagen:
es ist kein Bild wenn es in allen Hinsichten dem Vorbilde gleich-
kommt. Der Kaiser hat scheinbar nicht nur kein Spur von Re-
ligion sondern auch kein Fünkchen Logik.
In Kap. 28 bietet der Verfasser uns zwei Definitionen des Be-
DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS 113
griffes dxc.uv. Sie bestimmen beide nur das von der Kunst geschaf-
fene Bild, das auch Nikephoros, wie Johannes Damascenus,
streng vom natürlichen, substanziellen, unterscheidet: die
Definition des Damaskeners jedoch umfasst die beiden Arten.
1) Ein Bild ist ein Gleichnis (oILOtc.uILot) eines Urbildes (&PX'YJ't'U1tOc;),
das mittels EILqle:Pe:tot (man möchte diesen Ausdruck hier mit
"entsprechenden Zügen" übersetzen) die Gestalt des Darge-
stellten ausdruckt doch davon nur substantiell verschieden ist
wegen der Materie.
2) Eine Nachahmung und Darstellung des Urbildes, die durch
ihre Wesenheit (ouO'tot) und Substrat (01toxe:tILEVOV; das Wort
hat hier nicht wie so oft, besonders bei Plotin, nahezu die Bedeu-
tungsgehalt von was wir "Subjekt" nennen) davon verschieden
ist.
Wenn es kein Unterschied gäbe, wie könnte man da Arche-
typos und Nachbildung unterscheiden? Dagegen ist ein Idol eine
Abbildung von Nichtbestehendem 1). Das Abbilden an sich ist
"ambivalent": man kann Gutes und Böses abbilden. Das Bild
von etwas Gutem soll man hochschätzen, das Bild des Schlech-
ten verabscheuen.
Archetypos und Bild stehen zueinander im Verhältnis von
Ursache und Folge, welches der Kategorie der Relation unter-
steht 2). Diese schliesst ein dass es mindestens zwei aufeinander
Bezogenen geben muss. So kann man genau genommen nie von
einem Bilde in absolutem Sinne sprechen, es ist immer ein Bild
"von etwas". Auch wenn das Urbild aus dem Blickfeld verschwin-
det, bleibet die Relation. Das Bild ist mit der Gestalt (e:t8oc;)
vereinigt, obwohl es der' Natur nach sich davon unterscheidet.
Es ist ein Fall von &AAo Xott &AAo nicht von &AAoc; Xott &Ai..oc; 3). (In
der Trinitäts-lehre, hier merkwürdigerweise nicht genannt,
pflegte man dies gerade umgekehrt zu sagen). Im Bilde sieht
man das Dargestellte selbst. Es herrscht eine "Gleichheit der
Benennungen" vor; auch das Bild eines Königs wird "der König"
genannt. Zwischen Archetypos und Abbildung besteht denn
auch keine schlechthinnige Identität und ebensowenig eine ab-
solute Heterogenität. Sie besitzen eine Gleichheit des e:t8oc; doch
1) Kap. 29.
") Diese Beweisführung weniger klar auch bei P, fol. 6, und fol. 51.
') Ebenda.
Nikephoros 8*
114 DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS
denn? Die Ehre, die die Orthodoxen den Bildern bezeugen ist
nicht eine Folge der materiellen Existenz jener Kunstwerke
(ihre Existenz als Holz, Farben u.s.w.) sondern der Tatsache
dass es ein Bild von Christus ist. Bei den Ketzern kann man das
Gleiche beobachten, nur gerade umgekehrt; das Bild eines Men-
schen als solches lässt sie kalt, aber sobald man sagt, es sei ein
Bild von Christus, so toben sie wie Rasende und pflichten so
nolens volens die von ihnen sonst verpönte Ansicht, dass eine
gewisse nähere Verbindung zwischen Christus und sein Bild be-
steht, bei. Die Ikonoklasten, sagt der Patriarch weiter, zu seiner
Väterstelle zurückkehrend, schicken sich an den ganzen ebuuv-
begriff möglichst radikal aus der Welt zu schaffen; damm sagen
sie dass die Stelle nur von der Trinität spreche. In Wirklichkeit
verdeutlicht sie nicht nur innertrinitarische Verhältnisse son-
dern wirft daneben einen Lichtstreifen auf die Beziehung
&p:x.ll't'U1t'O~-elxwv überhaupt. Es braucht keine Schwierigkeiten
zu machen wenn man eine Analogie sucht zwischen dem Vater-
Sohn-verhältnis und der Art worauf das Christusbild auf Chris-
tus selbst bezogen ist, wenn man nur den Unterschied aufrecht
erhält dass der Heiland mit seinem Bilde nicht Ö(LOOUO'LO~ ist.
Ziemlich eingehend wird der elxwv-begriff betrachtet in Kap.
21. Man soll der Verschiedenheit der Bedeutungen des Wortes
elxwv Rechnung tragen,heisst es dort, und so gibt es einen Unter-
schied zwischen dem natürlichen und dem kunstgewirkten Bild.
Gründe diese zweite Bedeutung vollends zu ignorieren liegen
nicht vor. Ein natürliches Bild ist etwas, das einem anderen
recht ähnlich sieht, ohne Verschiedenheit der Substanz (wie ein
Sohn schon im menschlichen Bereiche das Bild seines Vaters sein
kann). Das kunstgewirkte Bild dagegen ist etwas, das nicht nur
eine ähnliche sondern genau dieselbe Form hat, wobei aber ein
Unterschied der Substanz daliegt. Was Basilius sagt von der auf
den Prototypos übergehenden Ehre ist in erster Linie wahr von
dem artifiziellen Bilde und wird nachher auf das göttliche Vater-
Sohnverhältnis übertragen, das heisst auf das natürliche Bild
Xot't" e~o:x.llv bei dem selbstverständlich dies alles noch mehr
zutrifft.
Ist die Bilderkult legitim, so lässt der Verfasser einen Gegner
einwenden 1), wamm hat man denn damals die Götzen der Hei-
l) A.a.O., 29.
118 DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS
') Von den Engeln schreibt Nikephoros ziemlich ausführlich Anttrh. 11, 7 sqq:
Kopronymos nennt die Engel Cbte:PLYPIX7tTOL. Das ist falsch, sagt der Patriarch, denn
sie haben einen Anfang in der Zeit gekannt und sind also wenigstens zeitlich 'lt"EpLyplX'It"TOL.
Weiter schreibt man ihnen eine intuitive KIXTIXA7jIjlLc;;(Wahrnehmung) zu und KIXTIXA7jIjlLC;;
als diskursiver Prozess schliesst eine gewisse m:pLypIXCP7j ein. Leiblich und räumlich sind
sie allerdings 1X7te:pLYPIX7tTOL; doch können sie trotzdem gemalt werden weil sie auf
Gottes Befehl oft Menschengestalt angenommen haben. Die Philoxenie des Abraham
kann hier u.a. genannt werden, obwobl sie mehr war als eine blosse Engelerscheinung.
(VergI. H. L. Grondijs, De ikonographie van schepping en Godsverschijningen, Amster-
dam, o.J.). Eine andere bezeichnende Stelle Ap. major, 70 sq, wo die Cherubim auf
der Bundeslade Anlass zu einem Exkurs über die Engel sind: die Bilder der Cherubim
hatten mit den bimmlischen Geistern den Namen gemeinsam, nicht die Gaben; ihrer-
seits sind die Engel gleichsam Bilder des göttlichen Urgrundes, des unsichtbaren,
durch sie jedoch sich offenbarenden Lichtes, dem sich möglichst gleich zu gestalten
sie bestrebt sind. Sie besitzen durch Teilhaben (fLe:.&e:~La) was Gott seinem Wesen
nach (KIXT' ouaLlXv) hat. Sie kennen nicht nur die intelligible Welt sondern auch die
sinnenfällige, wenn auch in nicht sinnenfälliger Weise. Nun gibt Gott selbst diesen
Bildern den gleichen Namen als jenen Himmelswesen. So werden solche Menschen,
die nicht unmittelbar zur Schau des Intelligiblen gelangen können, mittels Symbolen
hinangeführt. Das Ganze klingt überaus "areopagitisch".
120 DIE THEOLOGIE DES NIKEPHOROS
war. Auch Bücher sind sozusagen Bilder des Mannes der sie
verfasste.
Weiteres über den dxwv-gedanken bieten die vier Haupt-
schriften nicht. Auf eine eingehendere Besprechung der weiteren
Schriften können wir verzichten, da sich dort keine neuen origi-
nellen Gedanken über diesen Begriff finden. .
Aus dem Vorhergehenden ist hoffentlich schon klar geworden
wie sehr Nikephoros auch für das Vermächtnis Platons ge-
kämpft hat, ohne dessen Namen zu nennen. Es gibt eine gerade
Linie von Platon bis auf Plotin, von Plotin über Proklos auf
Pseudo-Dionysios und vom Areopagiten auf Johannes Damas-
cenus und Nikephoros.
EPILOG