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STILISTIK

DER DEUTSCHEN
SPRACHE
Herausgeber – Petro Ossypov

Mykolajiw - 2019
МІНІСТЕРСТВО ОСВІТИ І НАУКИ УКРАЇНИ
МИКОЛАЇВСЬКИЙ НАЦІОНАЛЬНИЙ УНІВЕРСИТЕТ
імені В.О. СУХОМЛИНСЬКОГО
Кафедра германської філології та перекладу

МЕТОДИЧНІ РЕКОМЕНДАЦІЇ
З ДИСЦИПЛІНИ
«СТИЛІСТИКА НІМЕЦЬКОЇ МОВИ»

для студентів 4 курсу


Спеціальність:
035.04 Філологія (Германські мови та літератури (переклад
включно))
ОП: Мова і література (німецька)
та
014.02 Середня освіта. Мова і література (німецька та друга
іноземна мова)
ОП: Мова і література (німецька та друга іноземна мова)

Укладач Осипов П.І.

Миколаїв 2019
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Розглянуто на засіданні Схвалено навчально- методичною
навчально-методичної комісії радою Миколаївського
факультету іноземної філології національного університеті імені
(протокол № 9 від 08.05.19 р.) В.О. Сухомлинського
(протокол №12 від 19.06.2019 р.)

Укладач: доктор філософії в галузі гуманітарних наук, професор кафедри


германської філології та перекладу Осипов Петро Іванович

Методичні рекомендації для проведення лекційних та практичних занять


зі стилістики німецької мови для студентів 4 курсу спеціальностей 035.04
Філологія (Германські мови та літератури (переклад включно)); Освітня
програма: Мова і література (німецька) та 014.02 Середня освіта. Мова і
література (німецька та друга іноземна мова) Освітня програма: Мова і
література (німецька та друга іноземна мова).
Методичні рекомендації складено відповідно до плану та програми з курсу
стилістики німецької мови й передбачено для опанування на VIII семестрі
навчання в університеті. Завдання курсу полягає в ознайомлені студентів з
основними вимірами понять «стиль» та «стилістика», основними періодами їх
розвитку та сучасним станом стилістики як науки та навчального предмету.
Пропонований матеріал рекомендацій чітко структурований з
виокремленням у ньому таких розділів як зв’язок стилістики з іншими
лінгвістичними та суміжними дисциплінами, основні принципи та критерії
класифікації функціональних стилів, стилістичний аналіз та його елементи й
особливості, розгляд риторичних фігур (доповнення, опущення, заміщення),
лексичні засоби стилю тощо.
Окремий матеріал рекомендовано студентам для самостійного
опрацювання, що сприятиме більш глибокому засвоєнню навчального матеріалу
та може бути відчутним стимулом до творчого підходу при його засвоєнні.

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INHALTSVERZEICHNIS
ZUM BEGRIFF „STIL“…………………………………………………….………5
Erscheinung und Wesensbestimmung………………………………………………5
Der Zusammenhang von Stil und Text………………………………………..…….8
Der Zusammenhang von Stil und Sprachsystem……………………………………9
Determinanten des Stils……………………………………………………………12
Stiltypen……………………………………………………………………………13
Stil und Konnotation…………………………………………………………….…14
ZUR ENTWICKLUNG DER STILISTIK ALS WISSENSCHAFTLICHE
DISZIPLIN. STILISTIK UND RHETORIK………………………………………16
Entwicklung des Stilbegriffs und der Stilistik vom Altertum bis Mitte des 18.
Jahrhunderts…………………………………………………………………..….....21
Zum Begriff „Stil“ und „Stilistik“ im späten 18. Jh. und im 19. Jh………..………22
Stilistik und Stilbegriffe im 20. Jahrhundert………………………………….……23
BEZIEHUNGEN DER STILISTIK UND NACHBARDISZIPLINEN.………..…26
Stilistik und Sprachwissenschaft……………………………………….……..……27
Stilistik und Textlinguistik…………………………………………………………28
Stilistik und Psycholinguistik……………………………………………..…..……29
Stilistik und Soziolinguistik…………………………………………………..……30
Pragmatische Stilistik………………………………………………………………29
Kommunikative Stilistik……………………………………………………………31
INDIVIDUALSTILE…………………………………………………..……...……34
FUNKTIONALSTILE………………………………………………………...……37
Stil des Alltagsverkehrs…………………………………………………..…..…….39
Stil des Amtsverkehrs……………………………………………………..…..……41
Stil der Wissenschaft………………………………………………………….….…43
Stil des Journalismus……………………………………………………………..…44
Stil der schönen (schöngeistigen) Literatur………………………………….…..…46
ÜBERSICHT ÜBER DIE EVENTUELLEN STILMITTEL UND HINWEISE AUF
IHREN GEBRAUCH…………………………………………………………........48
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DIE GEBRÄUCHLISTEN STILFIGUREN……………………………..……..…59
STILMERKMALE (STILZÜGE)…………………………………………...….…74
TROPEN……………………………………………………………………..……78
ÜBERSICHT ÜBER DIE RHETORISCHEN FIGUREN ……………..81
Figuren der Hinzufügung ……………………………………………………….…81
Figuren des Ersatzes …………………………………………………………….…86
Figuren der Auslassung (Weglassung)…………………………….…………….…89
STILELEMENTE (auch: STILMITTEL)….……………………………….………90
KLASSIFIZIERUNG DER STILMERKMALE (STILZÜGE).………………..…..95
ÜBUNGEN ZUR SELBSTÄNDIGEN ARBEIT…………………………………100
LITERATURVERZEICHNIS…………………………………………………….108

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ZUM BEGRIFF „STIL“
Erscheinung und Wesensbestimmung.
Das Wort „Stil“ stammt aus dem Griechischen stylos (lateinisch stilus) und
bedeutet: jeder oben zugespitzte, säulenartige Gegenstand; darunter auch
Schreibgriffel. Allgemeingebräuchlich ist Stil charakteristische Art und Weise, in
der jmd. etwas Bestimmtes tut, in der etwas Bestimmtes gestaltet ist.
„Stil“ ist in vielen Wortverbindungen zu treffen: der Stil eines Gebäudes,
Romans; der Stil der Renaissance, des Barocks; er hat als Musiker seinen ganz
eigenen Stil entwickelt; sie malt, schreibt, zeichnet, in einem Stil; er läuft,
schwimmt, fährt einen sehr guten Stil; das ist nicht sein Stil (so verhält er sich nicht)
u. a. m. Als Bestandteil kommt „Stil“ in vielen Zusammensetzungen vor: Arbeitsstil,
Baustil, Fahrstil, Laufstil, Führungsstil, Lebensstil, Sprachstil u. a. m.
Wie bereits angedeutet, finden wir den Ausdruck Stil in verschiedenen Bereichen
des gesellschaftlichen Lebens verwendet; er wird auf verschiedene Erscheinungen
bezogen; auf Sprache, schöne Literatur, bildende und andere Formen der Kunst, auf
Mode, Sport, Leitungstätigkeiten usw. Die engste Beziehung zeigt der Stilbegriff in
der Geschichte der Wissenschaften zu Fragen der Rhetorik, der Poetik und der
(allgemeinen) Ästhetik, zu Fragen, bei denen es um das spezifische Problem der
Ausdrucksweise eines gestaltenden Subjekts geht. Dass die Sprache in diesem
Zusammenhang eine besondere Rolle spielt, ist verständlich, da sie das
umfassendste Kommunikationsmittel in der Gesellschaft ist.
Solche Vieldeutigkeit des Wortes „Stil“ erfordert seine strenge Abgrenzung
gegen die Fachausdrücke „Sprache“ und „Rede“. Wollen wir unter Sprache ein
dreistufiges System verstehen, das von lexischen, grammatischen und phonetischen
Mitteln vertreten ist und zur Verständigung im Gemeinschaftsverkehr dient.
Demzufolge ist die Sprache das wichtigste Kommunikationsmittel unter den
Menschen.
Die Rede stellt die Verwendung des sprachlichen Zeichensystems in konkreten
Sprech- und Schreibakten dar. Rede ist demnach sprachliche Äußerung in
bestimmten Spechsituationen zu bestimmten Mitteilungszwecken.
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Darauf bezogen, bestimmten wir „Stil“ als die Art und Weise, wie die
sprachlichen Möglichkeiten in konkreter Rede gebraucht werden. Oder kürzer: Stil
ist zweckmäßig gestaltete Verwendungsweise der Sprache im Sprech- und
Schreibakt. (so E. Riesel)
Für die Wesensbestimmung der Erscheinung „Stil“ gibt es, wie gesagt, eine
Vielzahl von Definitionen, die mehr oder weniger inhaltlich und in der Formulierung
differieren, teilweise jedoch auch in wesentlichen Inhaltsmomenten
übereinstimmen. Zu Kernpunkten einer wissenschaftlichen Stildefinition gehören
folgende Sachverhalte:
1. Der Begriff „Stil“ bezieht sich auf den Gebrauch der Sprache. Dabei ist die
dialektische Einheit von Sprachsystem und Sprachgebrauch zu bedenken.
2. Der Begriff „Sprachgebrauch“ kann einerseits prozessual als
Gestaltungsakt, anderseits resultativ als Gestaltungsprodukt verstanden
werden. Stil jedoch wird im allgemeinen auf das Gestaltungsprodukt, auf den
Text bezogen. Also nicht, was „im Kopf“ des Menschen vor sich geht, ist der
Stil, sondern welche – für den Kommunikationspartner erkennbare –
Ausdrucksweise – den Text als geäußerte Sprache kennzeichnet.
3. Der Stilbegriff schließt die Tatsache der Auswahlmöglichkeit ein, d.h.
Sprachbenutzer kann bzw. muß aus einem Feld äquivalenter sprachlicher
Mittel und Konstruktionen spezifische Ausdrucksvarianten auswählen, die
nach seinen Erfahrungen und seinem Könnensniveau der Realisierung seiner
Kommunikationsabsicht optimal entsprechen.
4. Die Wahl der Ausdrucksvariante ist durch die äußeren Bedingungen
(Tätigkeitssituation, soziale Situation, Umgebungssituation) und durch die
inneren Bedingungen (die der Persönlichkeit eigenen Kenntnisse,
Fähigkeiten, Fertigkeiten, Gewohnheiten, Interessen, Einstellungen, Motive
usw.) sowie auch durch die Kommunikationssituation determiniert. Die
Ausdruckswahl erfolgt also im Rahmen der Dialektik von Subjekt und Objekt
der Erkenntnis und kommunikativen Tätigkeit des Menschen.

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5. Als Stil ist nicht ein einzelnes sprachliches Element bzw. die Summe
sprachlicher Mittel, sondern eine auf spezifische Weise zusammenwirkende,
strukturierte Gesamtheit (Ganzheit) sprachlicher Elemente in bestimmten
Gebrauchssphären zu verstehen.
6. Der Begriff „Stil“ hängt mit den Begriffen Sprachsystem und Text zusammen.
Teilweise wird davon ausgegangen, dass von Stilen nur auf der Textebene
gesprochen werden kann und Stil in diesem Sinne eine textlinguistische
Kategorie ist. Stil wird als Redestil verstanden. Das Sprachsystem als Ganzes,
eine Sprache als solche, z. B. die deutsche, die ukrainische, die englische oder
die französische Sprache, hat keinen Stil, und es wäre unwissenschaftlich,
etwa zu sagen, dass das Französische „stilvoller“ sei als das Deutsche.
7. Demnach kann folgendes festgestellt werden: Stil (lat. stilus = Schreibstift,
Schreibart) – charakteristischer Sprachgebrauch eines Textes. Auf den
Sprecher bezogen erscheint Stil als mehr oder minder kontrollierte Auswahl
sprachlicher Mittel, auf den Text bezogen als spezifische Sprachgestalt, auf
den Leser/Hörer bezogen als Abweichung (oder Bestätigung) von möglichen
Erwartungen, d.h. als Wahrnehmung und Interpretation sprachlicher
Besonderheiten.
Zum Schluß sei betont: Unter Stil verstehen wir folgendes: Stil ist die auf
charakteristische Weise strukturierte Gesamtheit der in einem Text gegeben
sprachlichen Erscheinungen, die als Ausdruckvarianten innerhalb einer Reihe
synonymischer Möglichkeiten von einem Sprecher/Schreiber zur Realisierung einer
kommunikativen Funktion in einem bestimmten Tätigkeitsbereich ausgewählt
werden sind.
Bei der Bestimmung des Stilbegriffs gehen wir vom Begriff der
„Sprachverwendung“ aus. Es gibt, wie bekannt, auch nicht sprachliche Sphären wie
Malerei, Musik, Architektur, Sport, Mode, Lebensführung usw. Doch entsprechend
der Hauptfunktion der Sprache als Kommunikationsmittel wird ihm in allen Sphären
nur sprachliche Äußerung zugeschrieben. Stil ist etwas Textimmanentes, etwas
objektiv Sprachliches auf der Textebene.
7
Der Zusammenhang von Stil und Text.
Stil ist ein bestimmtes Merkmal von Texten, eine Komponente, die jedem
Text eignet, unabhängig davon. ob es sich um guten oder schlechten, angemessenen
oder nicht angemessenen Stil handelt. Außer dieser Komponente, die wir als Stil
bezeichnen, weist ein Text noch andere Komponenten auf, die wichtige Seiten des
Inhalts und der Form des Textes bilden. Hervorgehoben seien hier vor allem
- der Kommunikationsgegenstand (worüber gesprochen/geschrieben wird);
- das Thema (unter welchem Leitgedanken der Kommunikationsgegenstand
behandelt wird. welche Seiten (Aspekte) hervorgehoben werden;
- das Kommunikationsverfahren (ob sich der Sprecher/Schreiber über den
Gegenstand erzählend, berichtend. beschreibend, erörternd oder in anderer Weise
äußert);
- die Darstellungsperspektive oder Darstellungshaltung (aus welcher
Blickrichtung der Autor die Kommunikationsgegenstande darstellt, und zwar in
räumlicher, zeitlicher, personaler, ideologischer, psychologischer Hinsicht;
- die Komposition (die innere, und zwar gegenstandsbedingte, themabedingte
oder/und verfahrensbedingte Gliederung);
- die Architektonik (die äußere. sinnlich wahrnehmbar gemachte Gliederung im
Sinne von Kapitel-, Absatz-. Strophenmarkierungen).
Mit allen diesen Textkomponenten hängt die Komponente Stil eng
zusammen, ohne dass man sie einander gleichsetzen oder in den Stilbegriff
integrieren kann. Mit der Kennzeichnung des Begriffes „Stil" als einer besonderen
Komponente eines Textes sehen wir das Wesen des Stils in erster Linie in der Art
der sprachlichen Formulierung sowie auch in solchen Ausdrucksvarianten, die von
den Kommunikationsbedingungen abhängen und ihnen adäquat sind.
Es gibt keine Autonomie des Stils gegenüber anderer Textkomponenten; im
Gegenteil: Entscheidungen hinsichtlich der Gegenstand- und Verfahrenswahl, der
thematischen Akzentuierung, des Genres, der Komposition und
Darstellungsperspektive stehen vor der Formulierungsphase, sie sind an der
Regulierung (Normierung) stilistischer Varianten beteiligt.
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Stil in dem von uns verstandenen, am sprachlichen Ausdruck orientierten Sinn
ist also nicht, dass erzählt wird, und Stil ist auch nicht das innere Programm, der
Plan der Erzählung in der sprachlich festgelegten Form, sondern die sprachliche
Realisierungsvariante, die von Sprecher/Schreiber unter Berücksichtigung der in
einer Sprache geltenden Regeln gewählt wird.

Der Zusammenhang von Stil und Sprachsystem.


Die stilistische Qualität eines Textes, die Gesetzmäßigkeiten zur Verwendung
der Sprache in einer konkreten Kommunikationshandlung sind nicht nur durch die
außensprachlichen Bedingungen, durch die Kommunikationssituation, determiniert,
sondern auch durch den Charakter des sprachlichen Materials selbst. Zwischen
außensprachlichen Situationen und sprachlichen Mitteln und Kombinationen gibt es
gesetzmäßige Beziehungen. Das System einer entwickelten Sprache hat vielfaltigen
Kommunikationsbedürfnissen gerecht zu werden und ist daher reichhaltig
differenziert. Es enthält Ausdrücke, die sich denotativ (referentiell) auf ein und
dasselbe außersprachliche Objekt beziehen lassen und doch nicht in beliebigen
Situationen für dieses Objekt verwendet werden können. Das betrifft zunächst
einzelne Wörter (Lexeme) und phraseologische Wortgruppen: angeben ‒
renommieren, prahlen, protzen, aufschneiden, sich aufspielen, Schaum
schlagen, sich in die Brust werfen, auf die Pauke hauen, ins Horn stoßen usw.
Ferner betrifft das auch grammatische Mittel und Konstruktionen. So z.B.:
1) Die umfassende Mitwirkung der Bürger an der Entwicklung des politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Lebens ist Ausdruck der Demokratie.
2) Im umfassenden Mitwirken der Bürger an der Entwicklung ... drückt sich die
Demokratie aus.
3) Indem alle Bürger am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben
mitwirken, realisieren sie die Demokratie.
Solche Ausdrücke, die auf gleiche außersprachliche Objekte (Denotate)
bezogen werden können, sind semantisch in den meisten Fällen durchaus nicht
absolut gleich. Sie unterscheiden auch in den Konnotationen. In diesen
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Zusammenhand gehören auch die z.T. im Sprachsystem fixierten
situationsbezogenen Gebrauchsmerkmale, durch die sprachliche Mittel und
Kombinationsweisen markiert sein können. Der Charakter dieser
situationsbezogenen Gebrauchsmerkmale ist unterschiedlich.
Unter quantitativem Aspekt kann man zunächst zwischen solchen
sprachlichen Elementen unterscheiden, deren Anwendung situativ eingeschränkt
(stilistisch differenziert) ist, und solchen, die situativ nicht eingeschränkt (stilistisch
undifferenziert) sind. Stilistisch undifferenziert sind offensichtlich die Wörter der
allgemeingebräuchlichen Lexik wie und, oder, aber, trotzdem, weil, ich, er, Fisch,
Haus, schön, viel, gehen, essen usw. Es sind vielfach Wörter, die der Bezeichnung
elementarer Dinge, Erscheinungen und Beziehungen im Leben der Menschen dienen
und für die es keine im Sprachsystem festgelegten Gebrauchsbeschränkungen gibt.
Wohl aber gibt es zu manchen solcher Ausdrücke im Sprachsystem angelegte
Synonyme oder Dubletten, die nicht in jeder Kommunikationssituation gebraucht
werden können; vgl. z.B. essen - speisen, viel - zahlreich (Speisen bedeutet nicht
nur essen, eine Mahlzeit zu sich nehmen; sondern auch (einer Sache etw.)
zuführen, (sie mit etw.) versorgen, z.B.: ein von zwei Flüssen gespeister See; die
Taschenlampe wird aus/von zwei Batterien gespeist). (Zahlreich hat neben der
Bedeutung: 1) sehr viel auch; 2) aus vielen einzelnen Personen bestehend, groß,
z.B.: seine zahlreiche Nachkommenschaft).
Das jeweils erste Glied dieser Gegenüberstellungen ist sowohl in einer
zwanglosen, nichtgehobenen Alltagssituation als auch in einer amtlichen oder
feierlichen gehobenen Situation denkbar; das jeweils zweite Glied dagegen ist
markiert in dem Sinne, dass sein Gebrauch auf bestimmte
Kommunikationssituationen beschränkt ist.
Unter qualitativem Aspekt sind die Gebrauchsbeschränkungen und -
differenzierungen der sprachlichen Elemente nun positiv zu bestimmen, d.h., es
genügt nicht festzustellen, in welchen Situationen bestimmte sprachliche Mittel und
Kombinationen nicht üblich sind, sondern es kommt auch darauf an, den Bereich/die
Bereiche ihrer Anwendbarkeit zu benennen. Eine Sprachstilistik, sollte sich nicht
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auf „Verbotsregeln" beschränken, sie muss auch „Gebotsregeln" etwa folgenden
Typs formulieren können: In dieser Situation X gebrauche den Ausdruck Y!
In der wissenschaftlichen Beschreibung des Sprachsystems und seinen
gesetzmäßigen Beziehungen zu außensprachlichen Anwendungsbedingungen muss
man nicht von Situationsganzheiten, sondern von Situationselementen
(-merkmalen) ausgehen. Als wesentliche Aspekte, unter denen sich solche
Merkmale erfassen lassen, haben sich die folgenden erwiesen:
- die funktionale Differenzierung nach der Spezialisierung auf bestimmte
Tätigkeitssphären;
- die soziale Differenzierung;
- die territoriale (regionale) Differenzierung;
- die stilschichtenspezifische Differenzierung;
- die sprachhistorische Differenzierung.
Die Stilistik untersucht also jene Besonderheiten und Regularitäten
mündlicher oder schriftlicher Äußerungen, die auf der Auswahl des Sprechers oder
Schreibers zur Realisierung einer kommunikativen Absicht im gesellschaftlichen
Verkehr beruhen.
Der zentrale Gegenstand der Stilistik sind nicht die einzelnen sprachlichen
Elemente und ihre textinterne Kombination, sondern ihre Relation zur Spezifikation
der kommunikativen Situation und Aufgabe.
Die Stilistik ist also keine umfassende Theorie von der Verwendung der
Sprache, sondern nur eine Teildisziplin innerhalb eines Gefüges von
Wissenschaften, die die Sprachkommunikation erforschen. Im Blickwinkel der
Stilistik geht es immer um spezifische Fragen der Sprachverwendung. In diesem
Sinne können wir also von Sprachstilistik (Linguostilistik) sprechen.
Mit anderen Worten richtet die Stilistik ihr Blick speziell auf die differenzierte
Verwendung des historisch bedingten Sprachsystems (mit phonologischen,
lexikalischen und grammatischen Mitteln) in der Kommunikation der
gesellschaftlichen Praxis.

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Davon ausgehend, können wir die Stilistik so wie folgt bestimmen: die Stilistik ist
eine Teildisziplin der Sprachwissenschaft, die sich mit den spezifischen
(kommunikativen) Fragen der Sprachverwendung beschäftigt.

Determinanten des Stils.


Die Grundfaktoren jedes Kommunikationsprozesses werden in ihrer
objektiven historisch gesellschaftlichen Bestimmtheit und Einbettung
charakterisiert. Hier sind zu nennen:
1. Der Sprecher/Schreiber
2. Der Hörer/Leser;
3. Das sprachliche Zeichensystem;
4. Der Mitteilungsgegenstand (Denotat);
5. Der Verständigungsweg (mündlich oder schriftlich);
6. Die Verständigungsart (monologisch oder dialogisch);
7. Die Verständigungssituation (gesellschaftliche Sphäre und spezielle
Begleitumstände).
Stilnormen
Es ist verständlich, dass sich im Zusammenhang mit der unterschiedlichen
gesellschaftlichen Praxis der Menschen unterschiedliche Normen für die
Verwendung sprachlicher Varianten herausgebildet haben. Man bezeichnet sie als
Stilnormen (stilistische Normen).
Der Normbegriff bildet eine Grundlage für die Erklärung des Tatbestandes,
dass bestimmte Ausdrucksvarianten gegenüber anderen Varianten unter bestimmten
gesellschaftlichen Bedingungen bevorzugt werden. Eine Norm wird durch die
stilistische Angemessenheit und Qualität einer sprachlichen Äußerung
eingeschlossen. Denn die Bewertung einer Äußerung als angemessen, weniger
angemessen, nicht angemessen ist nur möglich, wenn eine Entscheidung darüber
vorliegt, welche Ausdruckweise unter bestimmten kommunikativen Bedingungen
angemessen (positiv) ist. Man kann feststellen, dass die stilistischen Normen das
Sprachverhalten der Menschen regulieren.
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Stiltypen.
Zur Frage einer funktionalen Stiltypologie
Als Stiltyp bezeichnen wir eine bestimmte Stilnorm, die für eine Klasse von
Texten gültig ist und auf gleichen Stilmerkmalen bzw. auf einem gleichartigen
Gebrauch der Stilelemente beruht. Sie ist durch pragmatische Faktoren wie
Textfunktion, Textinhalt oder kommunikative Situation bedingt. Im Rahmen der
Linguistik unterscheidet man:
- Textsortenstile;
- Funktionalstile (dazu siehe ein Sonderthema);
- Sozialstile;
- Zeitstile.
Textsorten (auch: Textmuster). Bezeichnung der Textlinguistik für
unterschiedliche Klassen von Texten. Im Rahmen einer hierarchisch aufgebauten
Texttypologie sind Textsorten gewöhnlich die am stärksten spezifizierten
Textklassen, gekennzeichnet durch jeweils verschiedene textinterne und
pragmatische Merkmale. Als Beispiele der Textsorten können bezeugen:
Kochrezept, Predigt, Gebrauchsanweisung, Eidtext, Interview, Nachricht u.a.
Aufgrund ihrer speziellen pragmatischen Merkmale wirken Textsorten
ihrerseits situationsbestimmend, z.B. Zahlungsbefehl, Witz, Konversation u.a.m.
Sozialstile. Der Einfluss der sozialen Faktoren auf die Sprache und die soziale
Differenzierung des Wortbestandes bedingen auf das Erscheinen des sogenannten.
Sonderwortschatzes, der seine Ausprägung in den unterschiedlichen sozialen
Gruppen findet. Man bezeichnet den Sonderwortschatz auch mit den Termini
Sondersprache, Gruppensprache, Sonderlexik, Soziolekt und all das als
sozialgebundene Lexik. Solche Lexik verleiht ihrerseits ein deutliches Gepräge den
entsprechenden Sozialstilen, darunter: Akademikerstil, Scene-Deutsch,
Telegrafen/Telegrammstil. Nicht selten kann ein solcher Sozialstil mit bestimmten
außersprachlichen Faktoren (Parametern) verbunden und von diesen bedingt sein,
wie z.B. Alter, Geschlecht, Beruf u.a.

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Zeitstile. Unter makrostilistischen Aspekt verstehen wir als Stiltyp eine Stilart
mit gemeinsamen Stilmerkmalen. Von daher bezeichnen wir als Stiltypen auch die
drei Stilarten der antiken Rhetorik, die nach Kriterien der Funktion und der Textsorte
klassifiziert sind und zwar: Personalstil, Altersstil, Werkstil. Heutzutage kann die
Rede von solchen Zeitstilen sein wie z.B. Stil der 60-er Jahre, Barockstil u.a.

Stil und Konnotation.


Unter Konnotation (lat. con – mit, notatio – Bezeichnung) verstehen wir
zusätzliche (individuelle, regionale, stilistische, pragmatische)
Bedeutungskomponenten eines sprachlichen Ausdrucks, die seine Grundbedeutung
überlagern. Die Auffassung vom Stil als Träger solcher Bedeutung ist nicht neu, sie
liegt der antiken ornatus – Lehre sowie manchen Abweichungsstilistiken zugrunde.
Dadurch unterscheidet sich die Konnotation von der Denotation, für die der
kognitive, referentielle Bedeutungsaspekt kennzeichnend ist.
Der Begriff der konnotativen Bedeutung geht auf den dänischen
Sprachwissenschaftler Lui Hjelmslev und den deutschen – Wilhelm Schmidt zurück.
Er wurde zunächst Wortbezogen verstanden, in der Stilistik ist er auch als das
gesamte Subsystem der Stilstruktur des Textes verbreitet worden. Da ein Text Stil
besitzt, geht es normalerweise um seine denotative i.e. begriffliche Bedeutung.
Doch nebenbei haben wir auch mit einer zusätzlichen Bedeutungsform zu tun und
zwar: poetischer, pragmatischer, sozialer, fachsprachlicher, historischer u.a. Solche
konnotativ orientierte Stilforschung ist in den Arbeiten von Saussure- Nachfolger-
Charles Bally, sowie auch in den des Wiener Germanisten- Herbert Seidler
(„Allgemeine Stilistik“, 1963) zu finden. Der letzte verstand als Stil die
„Gemüthaftigkeit“ eines Sprachwerkes.
Dem Begriff der Konnotation in der Stilistik wird eine große Rolle in den
Arbeiten von E. Riesel, H. Graubner und R. Liwerski beigemessen. Nach E. Riesel
(„Grundsatzfragen der Funktionalstilistik“, 1975) haben die sprachlichen Einheiten
eines Textes neben ihrer denotativen Bedeutung auch eine stilistische Bedeutung,
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die sich aus der Stilfärbung und stilistischen Konnotationen zusammensetzt.
Gemeint wurde vor allem „die Gesamtheit von Gedanken, Gefühlen, Stimmungen,
Vorstellungen, die der Sender durch die sprachstilistische Gestaltung des ganzen
Kontextes dem Empfänger implizit verständlich macht oder machen will.“
H. Graubner weist auf folgende lexikalische Konnotationen hin (das ist auch
frühere Auffassung E. Riesels): normative (Ausdrücke der Stilschichten), expressive
(z.B. archaische, euphemistische) und funktionale (z.B. in Funktionalstilen). Dazu
kommen noch grammatische (z.B. Stilwerte der Wortarten) und phonetische
Konnotationen (z.B. Lautbesonderheiten, Rhythmus u.a.)
R. Liwerski („Stil“, 1974) spricht über den Stil eines Textes bezogen auf seine
Konnotationen. „In der hierarchischen Strukturierung der konnotativen
Beziehungen zu den Denotationen faßt man das Wesen des Stils. Die semantische
Information läßt sich infolgedessen beschreiben als das hierarchisch strukturierte
Muster, das sich aus dem Verhältnis der in Lexik, Grammatik, Phonetik
herstellenden Konnotationen zu den Denotationen ergibt“ (zit. nach B. Sowinski
„Stilistik“).

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ZUR ENTWICKLUNG DER STILISTIK
ALS WISSENSCHAFTLICHE DISZIPLIN.
STILISTIK UND RHETORIK
Wie jede Wissenschaftsdisziplin, so hat auch die Stilistik ihre Vorgeschichte.
Zwar bildeten sich ihre sprachtheoretischen Ansätze erst in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts heraus, doch ist sie durch ihren Forschungsgegenstand bereits in
der antiken Rhetorik verwurzelt. Stilistik und Rhetorik untersuchen, in welcher
Weise der sprachliche Ausdruck der Aussageabsicht des Sprechers und den
Bedingungen der Sprechsituation am besten gerecht wird. Man kam zu der Einsicht,
dass die sprachliche Äußerung einen Wirkungsaspekt hat und das gesellschaftliche
Handeln der Menschen wesentlich mitbestimmt. So hatte in der Antike die
öffentliche Rede die Funktion, die Meinung im Interesse politischer Parteien oder
einzelner Personen zu beeinflussen. Die Beherrschung der Redekunst gehörte zum
klassenbedingten Bildungsideal des freien Bürgers im Altertum.
Ausdrucksschulung und Sprachpflege beschränkten sich in der antiken
Rhetorik (im Unterschied zur modernen Stilistik) auf den mündlichen
Sprachgebrauch, denn die öffentliche Rede war die wichtigste Form der
Massenkommunikation. Unter diesen gesellschaftlichen Bedingungen ist die
Rhetorik keine Wissenschaft, sondern ein auf praktische Bedürfnisse gerichtetes,
methodisch gut durchgearbeitetes und mit theoretischen Kommentaren
ausgestattetes Regelwerk. Sie will dem Redner eine technische Anleitung für ein
wirkungsvolles Auftreten in der Öffentlichkeit geben. Dazu gehört nach Ansicht der
antiken Rhetoriker nicht nur der inhaltliche Aufbau des Vortrags, sondern
gleichermaßen die Art der Darbietung wie Artikulation, Mimik, Gestik und Motorik
des Redners.
In der öffentlichen Rede unterscheidet die Rhetorik verschiedene Typen, je
nachdem an wen oder was sie gerichtet hat. In jedem Falle muss die Rede so angelegt
sein, dass sie die Zuhörer aktiviert und zu einer Stellungnahme veranlasst. Ein
historisches Beispiel für die Kraft der politischen Rede sind die patriotischen
Ansprachen des Atheners Demosthenes (384-322 v.u.Z.) gegen König Philipp von
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Makedonien (Philippika). Sehr bekannt sind auch Ansprache des römischen
Senators und Feldherres Manenius Agrippa (62-12 v.u.Z.) an die Plebejer in
Shakespeares und Brechts „Coriolan“ und die Leichenrede des Mark Anton in
Shakespeares Drama „Julius Caesar“.
Als die führenden Vertreter der antiken Rhetorik gelten Aristoteles (384-322
v.u.Z.), Cicero (106-43 v.u.Z.) und Quintilian (etwa 35-96 u.Z.). Aristoteles
unterscheidet drei Gruppen der öffentlichen Rede:
1) die judiziale Rede (ausgeprägt als Anklage und Verteidigung vor
Gericht);
2) die deliberative Rede (im parteipolitischen Disput, verbunden mit dem
Zu- oder Abraten eines Politikers);
3) die epideiktische Rede, die eine Person lobt oder tadelt und als Fest-
oder Schmährede vorkommt.
Die Rhetorik gibt ein methodisches Rezept für die öffentliche Rede. Die
Reihenfolge der Arbeitsgänge von der Vorarbeit am Stoff bis zum ausgefeilten
(sorgfältig verbesserten) Vortrag vor versammeltem Volk liegt genau fest.
Das sind:
1. Inventio – die Auswahl des Themas;
2. Dispositio – logische Gliederung des Vortrages;
3. Elocutio – stilistische Ausformung des Vortrages;
4. Memoria – das wörtliche Einprägen des Textes;
5. Actio – die lebendige Vortragsweise;
6. Pronuntiatio – die gepflegte Aussprache.
Dabei richtet sich die stilistische Gestaltung nach den Regeln der „Lehre von
der Wohlredenheit“ (ars bene dicendi), sie ist auf Schmuck und Verfeinerung
bedacht (ornatus, auch decorum genannt). Die elocutio ist der eigentliche
Berührungspunkt mit den Redefiguren der modernen Sprachstilistik. Sie kann als
das Kernstück der antiken Rhetorik gelten. Sie beinhaltet die Tropenlehre, ein lehr-
und lernbares Regelwerk, das im Laufe der Jahrhunderte verfeinert wurde. Die

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Tropen spielen eine große Rolle beim Verfassen wie beim Beurteilen und
Interpretieren eines Redetextes.
Derjenige Bestandteil der antiken Rhetorik, der über Jahrhunderte bis in die
Gegenwart überliefert und mehrfach modifiziert wurde, ist die Lehre von den Tropen
und Redefiguren. Zwar sind sie heute nicht mehr in ihrer Gesamtheit lebendig, doch
ist ein beträchtlicher Teil von ihnen zu einem unentbehrlichen Instrumentarium der
Literaturtheorie wie der praktischen Stillehre geworden. Ein weiterer Gesichtspunkt
der antiken Rhetorik, der für die moderne Stilbetrachtung belangvoll (wichtig) ist,
ergibt sich aus der Stellung der Rhetorik in der Rangreihe der sieben freien Künste
(septem artes liberales). Dort steht die Grammatik an erster Stelle, ihr folgt die
Rhetorik. Gegebenenfalls wollen wir alle sieben nennen: zu den zwei genannten
kommen noch Logik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik.
Die in der Tropenlehre festgelegten Regeln gelten für Abweichungen von der
grammatischen Grundstruktur eines Satzes oder eines Satzteiles. Solche
Abweichungen sind dann zulässig, wenn sie einen rhetorischen Effekt erzeugen. Die
antike Rhetorik empfiehlt dem Redner, aus dem Wortschatz (copia verborum)
wirksame Bezeichnungen zu wählen, die in der gegebenen Situation treffsicher sind.
Insgesamt gesehen, wurde die antike Rhetorik beispielgebend für die Sprachkultur
des Mittelalters. Namentlich wurde die antike Tradition von der mittelalterlichen
Rhetorik fortgesetzt. Ein überzeugtes Beispiel dazu gibt unter anderem die
literarische Gattung der Allegorie. Eine andere Form der mittelalterlichen Redekunst
war die Kanzelrhetorik, von der später auch der Protestant Martin Luther (1483 -
1546) starke Impulse empfing.
Einige Elemente der antiken Rhetorik sind in der Poetik – Auffassung der
deutschen Meistersinger des Spätmittelalters anzutreffen. Die Vertreter des
Meistersanges beriefen sich auf die sieben freien Künste, sie pflegten die Allegorie
als kunstvolle Verschlüsselung für geistige, moralische, geschichtliche oder
zeitgenössische Themen. Im 17. Jahrhundert trat die Rhetorik hinter der praktischen
Sprachpflege zurück. Die deutschen Sprachgesellschaften setzen sich für die
Reinhaltung der deutschen Sprache gegenüber unnötigen Fremdwörtern ein. In
18
normativen Schriften bekämpfen sie die „Verwelschung“ des Wortschatzes und die
Französierung des Stils. Im 18. und 19. Jahrhundert lag die Stil- und Sprachpflege
in den Händen der Sprachmeister. In theoretischen Abhandlungen dieser Zeit
werden Stilistik und Rhetorik häufig gleichgesetzt; gelegentlich wird die Stillehre
der Rhetorik untergeordnet.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts tritt in stärkerem Masse neben die Rhetorik
die auf die Sprachpflege gerichtete Stilistik. Karl Ferdinand Becker (1775-1849)
betrachtete die Rhetorik als bereits historisch, die Stilistik hingegen als die Lehre
vom Stil im Hinblick auf verschiedene Berufszweige. Im Laufe des 19. Jahrhunderts
bahnt sich eine Tendenz der Abwertung der Rhetorik an. Einige Stilforscher
möchten die Rhetorik der Ästhetik und der Kunstwissenschaft unterordnen. Eine
Ausnahmestellung unter ihnen nimmt Wilhelm Scherer (1841-1886) ein. Nach
seiner Ansicht soll die Rhetorik – ähnlich wie Poetik und Stilistik – der
künstlerischen Handhabung der Sprache dienen. Der Stilistik soll die Aufgabe
zukommen, die Sprache zu beobachten und zu beschreiben, jedoch nicht normativ
zu reglementieren.
Die Funktionalstilistik
Zunächst müssen wir davon ausgehen, dass die Theorie der Funktionalstile
gesellschaftsbezogen ist. Der Begriff Funktionalstil entstand aus der Einsicht in die
Verwendungsweisen der Sprache in den vielfältigen Sphären gesellschaftlicher
Tätigkeit und in ihre kommunikativen Funktionen. Die Angehörigen einer
Sprachgemeinschaft verwenden die Sprache in unterschiedlichen
Kommunikationssphären und Kommunikationssituationen auf differenzierte und
spezifische Weise. Diese sprachlichen Verhaltensweisen sind bis zu einem gewissen
Grade historisch bedingt und festgeworden. Sie bilden die Norm für einen
bestimmten Arbeitsbereich: z.B. die Sprachverwendungen in Wissenschaft und
Technik, in der Verwaltung und Werbung, im Handel und in der Rechtspflege, in
zwanglosen Alltagsgesprächen und in der schönen Literatur.
Der Begriff Funktionalstil stammt aus der tschechischen und sowjetischen
Linguistik. Dennoch unterscheiden sich die Funktionalstilistik der Prager Schule
19
(siehe dazu ein Sonderthema) und der sowjetischen Forschung nicht nur im
theoretischen Ansatzpunkt, aber auch in Kategorien und Methoden.
Der Prager Linguistenkreis verdankt sein Entstehen vor allem dem
tschechischen Linguisten Vilém Mathesius, sowie auch Roman Jacobson, Bohuslav
Havranek, Jan Rypka und B. Trnka. Als Gegenstand der Stilistik betrachtete
Mathesius die Sprachstile, d.h. die stilistischen Merkmale, die die
Sprachgemeinschaft auszeichnen, in Unterschied zur individuellen Ausprägung der
Rede und des literarischen Prozesses. Am stärksten prägt sich sein kommunikativer
Grundaspekt sowie auch die von seinen Nachfolgern ausgearbeitete These der
„funktionellen Satzperspektive“. Darauf beziehen sich noch heute Vertreter der
Textlinguistik.
Die tschechische Funktionalstilistik im engeren Sinne knüpft unmittelbar an
die funktionale Linguistik der Prager Schule an. Im Mittelpunkt der Arbeiten von B.
Havránek, K. Horálek, L. Doležel und V. Skalička wird die Arbeitshypothese
untersucht, in welcher Weise sich die Sprache nach Tätigkeitsbereichen der Sprecher
differenziert. Nach Meinung tschechischer Stilforscher lassen sich die
gesellschaftlich belangvolle Unterschiede in der Sprachverwendung in vier Sphären
nachweisen. Havránek unterscheidet z.B. vier Hauptfunktionen der Schriftsprache:
1.die kommunikative; 2.die praktisch-spezielle; 3.die theoretisch-spezielle und 4.
die ästhetische Funktion. Diesen Funktionen entsprechen vier „funktionale
Sprachen“ oder „Schichten“:
1. die Alltagssprache;
2. die Geschäfts- und Amtssprache;
3. die Wissenschaftssprache;
4. die Sprache der Belletristik.
Im Unterschied dazu konzentrieren sich die Vertreter der sogenannten
sowjetischen Funktionalstilistik auf empirische Analysen, die ein reiches
Faktenmaterial bearbeiteten. Die Grundgedanken, die in den meisten sowjetischen
Arbeiten erörtert wurden, sind etwa folgende: Der Sprachstil ist historisch bedingt
und veränderlich: er ist stets mit den kommunikativen Geschehen bestimmten
20
Tätigkeitssphären verbunden und prägt sich in bestimmten Formen der mündlichen
und schriftlichen Rede aus. Stil ist ein Merkmal jeder sprachlichen Äußerung.

Entwicklung des Stilbegriffs und der Stilistik


vom Altertum bis Mitte des 18. Jahrhunderts.
Der Anbeginn des Begriffs „Stil“, sowie auch der „Stilistik“ reichen in das Altertum
zurück. Schon die griechische Volksdemokratie ergriff die Maßnahmen, mittels
Reden auf die Mitbürger einzuwirken, um eigene Interessen zu verteidigen und die
politische Entwicklung zu beeinflussen. Die frühere Angabe zu Versammlungen
„Gerichtsprozessen“, sowie auch die Analysen berühmter Reden zeugen davon, dass
man den besonderen Wert auf die Ordnung und Formulierung der Gedanken, also
auf die dispositio und elocutio einer Rede legte. Schon damals ließ man vier
Stilqualitäten unterscheiden: sprachliche Korrektheit, Klarheit, Angemessenheit,
Schönheit der Rede. Man machte auch einen Unterschied zwischen einem hohen,
mittleren und schlichten Stil (Stilarten). Bemerkenswert war auch der Anteil an
sprachlichem Schmuck (ornatus) in Form von Tropen (Bildern) und Figuren
(Wortkombinationen).
Unter lat. stilus, gr. stilos verstand man in der Antike sowie auch im
Mittelalter den hölzernen oder metallenen Schreibergriffel, mit dessen Spitze man
Buchstaben in die kleinen Wachstäfelchen einzuritzen vermochte. Mit dem breiten
Ende wurden die Buchstaben weggeschabt. Später kennzeichnete der stilus als Art
und Weise des Schreibens und des Redens. Zu merken sei hier noch, dass auch
andere Bedeutungen des Wortes „Stil“ auftraten. Neben der konkreten Bedeutung
des Wortes „Griffel“, erscheint „Stil“ im übertragenen Sinn von „Rede“ oder
„Schreibart“. Später bekam Stil noch zusätzliche Bedeutungen und zwar: Brauch in
der Gerichtspraxis und Brauch in der Zeitrechnung (Julianischer oder
Gregorianischer Kalender). Bald wurde Stil im Bereich der Musik, sowie auch im
Bereich der darstellenden Kunst gebräuchlich (entsprechend: 17 und 18 Jh.).
Allmählich setze sich das neue Verständnis vom Stil durch, das vor allem die
charakteristische persönliche Schreibweise bezeichnete und bildete nun für lange
21
Zeit die Grundlage systematischer und wissenschaftlicher Darstellungen über Stil
und demzufolge – der Stilistik. Damit sollten auch die traditionellen
Rhetorikdarstellungen abgeschoben werden. Nichtsdestoweniger blieb für die lange
Zeit noch die Auffassung vom Stil als dem Kleid der Gedanken.
Im 18. Jh. setzte sich in der bürgerlichen Briefkultur das Leitbild des
schmucklosen, einfachen (ungekünstelten) Stils durch. So wurde der Stil nicht mehr
als Einkleidung der Gedanken, sondern als ihr Inbegriff und als Ausdruck des
inneren Zustandes des Menschen empfunden. Darauf bezogen hatten auch Briefform
und Briefstil ein großes Gepräge in der literarischen Prosa seit dem späten 18. Jh.

Zum Begriff „Stil“ und „Stilistik“


im späten 18. Jh. und im 19. Jh.
Diese Zeitperiode läßt sich durch die Umorientierung auf den
individualisierenden Stilbergriff kennzeichnen. Die vorangegangenen Lehrbücher
für Rhetorik ersetzte man durch solche über den Stil und die Schreibart. Immer mehr
wird der Prozess der Abholung der Stilistik von der Rhetorik bemerkbar. Das
geschieht aber bei manchen Linguisten in verschiedener Weise. Zu erwähnen ist vor
allem Johann Adelung1.
In seinem zweibändigen Werk „Über den deutschen Stil“ bezieht er sich auf
die Grundlagen der üblichen Rhetorik und teilt ihr die Ermittlung und Ordnung der
Gedanken zu, also inventio und dispositio. Demgegenüber sei die Formulierung der
Gedanken (elocutio) Aufgabe von Grammatik und Stilistik. Stil und Schreibart
bedeuten nach J. Adelung „Art und Weise, wie man schreibt“ und die Stilistik habe
auf die Zweckmäßigkeit und Schönheit des Ausdrucks zu achten. Die wichtigsten
Stilqualitäten seien dabei: Normentsprechung, Sprachrichtigkeit, Reinheit, Klarheit,
Deutlichkeit, Angemessenheit u.a.m.

1
Johann Christoph (1731 – 1806) – Sprachforscher; schuf den Versuch eines
vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches (1773 – 1786), eine „Deutsche
Sprachlehre“ und andere.
22
Adelungs Gedanken über die Subjektivität des Stils und das persönliche Gepräge
des Autors hatten nur wenige Nachfolger. Zu erwähnen seien hier unter anderen Karl
Philipp Moritz und Jacob Grimm. Der erste war mit seinen „Vorlesungen über den
deutschen Stil“ (1808) der einzige, der traditioneller, von der Rhetorik geprägten,
Regelstilistik vorbeugte und das Charakteristische des Ausdrucks der Gedanken
betonte. Jacob Grimm unterstrich die Rolle des Emotionalen in der Sprache. Dieser
Gedanken ist in seiner Untersuchung „Über den Personenwechsel in der Rede“ zu
bemerken. Diesem Gedanken folgte später der französische Linguist Charles Bally
(1865 – 1947) nach. Bestimmtes Interesse bewies der Stilanalyse der berühmte
deutsche Sprachwissenschaftler Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835), der jedoch
keine explizite Stiltheorie sowie keine textuntersuchende Methode vorgeschlagen
hatte.
Zu den maßgebenden Stilistikforschern des 19. Jh. gehören auch Theodor
Mundt („Die Kunst der „Prosa“, 1837), Karl Ferdinand Becker („Der deutsche Stil“,
1848), J. K. F. Rinne („Die Lehre vom deutschen Stil, philosophisch und sprachlich
neu entwickelt“, 1947). In dieser Reihe ist auch Wilhelm Wackernagel zu sehen, der
in seinen Vorlesungen in Basel („Poetik, Rhetorik, Stilistik“, 1873) unter
Gegenstand der Stilistik nicht ihre Idee oder ihr Stoff, sondern lediglich die Form,
die Wahl der Worte, der Bau der Sätze sah. Nach Wackernagel ist Stil die Art und
Weise der Darstellung durch die Sprache und Aufgabe der Stilistik sei es, allgemeine
Gesetze des mehr objektiven Stils aufzufinden und zu erörtern. Die Stilistik bekam
die positivistische Neuorientierung, deren einflussreichste Vertreter Wilhelm
Scherer war („Poetik“, 1888). Die bisherigen Forscher suchten die Rhetorik und
Stilistik gegeneinander abzugrenzen. Scherer möchte dagegen die Einzeldisziplinen
in einer neuen Kunst der Rede vereinigen.

Stilistik und Stilbegriffe im 20. Jahrhundert.


Die Stilistik des 20. Jhs. ist durch große Verschiedenartigkeit gekennzeichnet.
Zunächst war das durch die Auseinandersetzungen mit der traditionellen Rhetorik
bestimmt. Eine der Forschungsrichtungen war zu jener Zeit wie auch im 19. Jh. der
23
Positivismus, nach den zu erforschen sind nur solche Dinge, die man mit den Sinnen
wahrnehmen kann. Unter den Schülern und Nachfolgern Scherers waren solche
prominenten Linguisten wie R. M. Meyer, H. Paul, E. Elster u.a.
R. M. Meyer betrachtet Stil („Deutsche Stilistik“, 1960) als Eigenart der
Schreibweise, die durch Individualität, Epoche, Nation, Gattung beeinflusst ist.
Nach Meyer habe die Stilistik die im Stil ausgeprägten individuellen Züge zu
untersuchen, möglichst umfassend zu beschreiben, psychologisch zu erklären und
historisch einzureihen. Er bemüht sich um eine ausnahmslose Systematisierung der
Stilistik.
Als nächster in der Reihe von Stilistikforschern ist Ernst Elster zu nennen. In
seinem Werk „Stilistik“, erklärt der Autor die Mehrheit der Stilmittel als bewusste
Wahrnehmung eines Sinneseindrucks oder Apperzeption (lat. perceptio =
Wahrnehmung). Dabei orientiert sich Elster an der Psyche des Autors. Nach Elster,
es gibt eine Reihe von Apperzeptionsformen, die den Stil prägen, darunter:
ästhetische, metaphorische, metonymische, symbolische, antithetische, epithetische,
synthetische, umschreibende (so B. Sowinski). Der Einfluss des Psychischen auf den
Stil wurde danach von den anderen Stilistikforschern ergriffen und benutzt.
Die erste Hälfte des 20. Jhs. ist durch das Vorhandensein von vielen
Richtungen in der Stilistik gekennzeichnet. Die nachhaltigste Wirkung erreichte
dabei die sogenannte gestaltbezogene Ausrichtung, die sich auf die Werkstruktur
und die werkimmanente Interpretation bezog. Demzufolge kam der Stil der
interpretierten Texte zum Vorschein. Die Hauptvertreter dieser Richtung sind unter
anderen Wolfgang Kayser und Emil Staiger. Der erste bezweifelt die bisherigen
Stilauffassungen und unterstreicht stattdessen die werkbezogene Bestimmtheit.
Dabei wird auch der psychologische Begriff der Perzeption in Betracht gezogen und
die sinnliche Wahrnehmung dient als Grundlage des Stilverstehens. Emil Staiger gilt
als Vertreter der werkimmanenten Interpretation (lat. immanens – innewohnend). Er
betonte die Ganzheit der künstlerischen Gestaltung im Stil. Nach Staiger, Stil ist
„nicht die Form und nicht der Inhalt, nicht der Gedanke und das Motiv, sondern dies
alles in einem“. Ihn gehört der Ausdruck: „Wir begreifen, was uns ergreift“.
24
BEZIEHUNGEN DER STILISTIK UND NACHBARDISZIPLINEN
Zunächst muss man davon ausgehen, dass es in allen philologischen
Disziplinen die Notwendigkeit bestehe, Texte auf ihre Gestaltung und Wirksamkeit
hin zu untersuchen. Daraus ergibt sich die Anforderung einer eigenen Forschungs-
und Lehrdisziplin, die dafür Analysekategorien und –methoden entwickelt. Es geht
hier verständlicherweise um die Stilistik. Die Stilistik hat im Rahmen der
Philologenausbildung ihre Problematik nicht erschöpft. Das hängt bestimmt mit
ihrer Stellung zwischen verschiedenen verwandten Disziplinen zusammen, die auf
verschiedene Weise die Deutung von Stil beeinflussten.
Wie kaum eine andere linguistische Disziplin befindet sich die Stilistik
gegenwärtig in einer produktiven Entwicklungsphase. Es gibt bestimmte
Schwierigkeiten bei der Platzbestimmung der Stilistik innerhalb der
Gesellschaftswissenschaften und bei ihrer Abgrenzung von anderen sie berührenden
Disziplinen wie der Psycho- und Soziolinguistik, der Textlinguistik, der
Literaturwissenschaft u.a. Man faßt den Stil als eine Komponente jedes
kommunikativen Geschehens. Jeder sprachlichen Äußerung, jedem mündlichen
oder schriftlichen Text wohnt Stil inne.
Noch sind nicht alle theoretischen Grundlagen der Stilistik geklärt. Das
betrifft z.B. den Status der Stilistik als einer eigenständigen Disziplin oder als einer
typischen Grenz- und Kontaktwissenschaft. Man kann mit Sicherheit feststellen,
dass die Stilistik heute immer mehr dazu übergeht, die sprachliche Form nicht als
solche, sondern in ihrer textbedingten kommunikativen Geltung und Wirkung zu
erforschen. Der theoretische Ausgangspunkt ist dabei, dass Sprachverhalten
gesellschaftliches Verhalten ist und dass der Sprachgebrauch die kommunikativen
Bedürfnisse in den verschiedenen Sprachen der gesellschaftlichen Tätigkeit
widerspiegelt.
Wie es schon mehrmals betont wurde, gehört die Stilistik auf Grund des
Charakters ihres Gegenstandes und ihrer Aufgaben zu den
Gesellschaftswissenschaften. Sie hat sich als eine weitgehende eigenständige
Teildisziplin herausgebildet, jedoch berührt sie zwangsläufig Kernfragen anderer
25
Bereiche der Sprachwissenschaft, die sich heute z.T. ebenfalls als relativ
eigenständige Teildisziplin und Forschungsgebiete ausweisen. Zu nennen sind vor
allem die Sprachwirkungsforschung, die Textlinguistik, die Psycholinguistik und die
Soziolinguistik.

Stilistik und Sprachwissenschaft.


Unter Sprachwissenschaft (auch Linguistik) versteht wir wissenschaftliche
Disziplin, die sich zum Ziel gesetzt hat, Sprache und Sprechen (langue und parole)
unter allen Aspekten und in allen Beziehungen zu angegrenzten Disziplinen zu
beschreiben. Als eine solcher Disziplinen wird auch die Stilistik betrachtet.
Eigentlich existieren zwischen der Sprachwissenschaft und der Stilistik eher
die sogenannten hypero-hyponymische Beziehungen, da die Stilistik als ein
Bestandteil der Sprachwissenschaft angesehen werden kann. Diese Beziehengen
sind in den letzen Jahrzehnten intensiver geworden, seitdem neben der Erforschung
der Systeme der gegenwärtigen Sprachen (im Sinne F. de Saussures – langue) auch
die Sprachverwendung (Saussures parole) mehr Beachtung findet. Diese Relation
(langue – parole) wurde auch im Hinblick auf die Stilistik bestimmt.
Die zeitgenössischen Stilistischer (H. Singer, W. Sanders, B. Sowinski u.a.)
sind der Meinung, dass der Stil sowohl an der langue als auch an der parole teilhat:
an der langue, weil die Stilkategorien und Stilmittel auch Systemcharakter
aufweisen, an der parole, weil es sich um Einzeläußerungen handelt, die stilistisch
untersucht werden. (Vgl. z.B.: B. Sowinski, Stilistik)
Heutzutage wird Stil von vielen Linguisten nicht nur literarischen Werken
zugesprochen, sondern allen schriftlichen und mündlichen Sprachäußerungen.
Demzufolge wird die Stilistik in der Regel der Sprachwissenschaft zugeordnet.

Stilistik und Textlinguistik.


Die Textlinguistik ist eine sprachwissenschaftliche Disziplin, die sich mit der
Analyse satzübergreifender sprachlicher Regularitäten beschäftigt und das Ziel hat,

26
die konstitutiven Merkmale der sprachlichen Einheit „Text“ zu bestimmen und
damit eine Texttheorie zu begründen (H. Bußmann, 1990).
Die Textlinguistik ist noch eine ziemlich junge Richtung innerhalb der
Sprachwissenschaft. Einer ihrer Ausgangspunkte ist die These, dass es innerhalb des
Systems linguistischer Einheiten oberhalb der Satzebene noch die Textebene gibt.
Demzufolge darf die linguistische Forschung nicht bei der Analyse/ Synthese des
Satzes stehen bleiben. Wie bekannt, hat sich die Stilistik schon immer mit Texten
beschäftigt, vor allem mit der Verwendung sprachlicher Mittel in Texten sowie mit
Fragen der Textanalyse und der Textgestaltung.
Die Textlinguistik scheint wie Stilistik den gleichen Gegenstand zu
analysieren und das gleiche Erkenntnisziel zu haben. Dabei geht es um die textliche
Eigenart sprachlicher Äußerungen. Beide Disziplinen sind in Weg und Ziel doch
unterschiedlich ausgerichtet. Einerseits sucht die Textlinguistik, wie andere
linguistische Teildisziplinen, textliche Zusammenwirken von Regeln zu erfassen.
Andererseits strebt die Stilistik nach der Beschreibung sprachlicher Variationen
struktureller Einheiten, dabei untersucht sie auch die Abweichungen von erwarteten
Normen und Regeln. Die Textlinguistik schenkt keine Beachtung der
kommunikativen Wirkung des Stils, während die Stilistik gerade besonderen Wert
auf diese Wirkungsfaktoren legt.
Die beiden Disziplinen untersuchen die gleichen Gegenstände oder
Kategorien (z. B. der Satzbau eines Textes oder das Vorkommen von Stilmitteln).
Dabei achtet die Textlinguistik auf die Art der vorbeiliegenden grammatischen und
semantischen Zusammenhänge, Kohärenzen und Kohäsionen. Dagegen bemüht sich
die Stilistik z. B. die Art und Wirkung längerer oder kürzerer Sätze oder die jeweilige
Wortwahl in ihrer Wirkung auf den Rezipienten zu erfassen und zu beschreiben.
Die Textlinguistik untersucht jedoch mehr als nur den stilistischen Aspekt
sprachlicher Äußerungen. So ist der Gegenstand – und Aufgabenbereich der
Textlinguistik weiter als der der Stilistik. Die Textlinguistik beschäftigt sich u.a. mit
Fragen der Textanalyse, der Textbildung, der Klassifizierung von Texten, der
Struktur von Texten und mit der Untersuchung linguistischer und
27
außerlinguistischer Ursachen für die Wirkung von Texten in der menschlichen
Kommunikation. Der Schwerpunkt liegt hier eindeutlich auf der Erforschung der
Sprache in ihrer Realisierung als Text. Der Schwerpunkt der Stilistik liegt lediglich
auf einer Komponente, eben der stilistischen Komponente des Textes.
Die Stilistik und die Textlinguistik haben demnach ganz verschiedene
Erkenntnisse zu gewinnen. Dementsprechend sind es auch die
Erschließungsmethoden. Zwischen Stilistik und Textlinguistik bestehen also
Verschiedenheiten, aber auch Wechselwirkungen.

Stilistik und Psycholinguistik.


Wie jede Tätigkeit, so ist auch die sprachliche Äußerung motiviert und
zielgerichtet. Sie antizipiert (sagt vorher) ein Ergebnis, wobei der Denkprozess als
höchste Form der Widerspiegelung der Umwelt nur durch die innere Mitwirkung
der Sprache bewältigt werden kann. Auf diese Wechselwirkung von Denken und
Sprache sowie auf die Komponenten und Phasen im Prozess der Texterzeugung und
– aufnahme konzentriert sich die Psycholinguistik. Für die Stilistik ist die
Psycholinguistik ein unentbehrlicher Nachbar – bzw. Grundlagendisziplin denn der
Stil eines Textes ist durch die Bedürfnisse, Motive, Einstellungen, Ziele der
Sprecherpersönlichkeit bedingt.
Die Stilistik muss also auf den Erkenntnissen der Psychologie und
Psycholinguistik aufbauen. Doch neben der Spezialisierung der Stilistik auf
besondere Seiten der Sprache ist ihre Integration in die Gesellschaftswissenschaften
und dabei die Berücksichtigung psychologischer Aspekte notwendig.

Stilistik und Soziolinguistik.


Zwischen Stilistik und Soziolinguistik gibt es bestimmte Berührungspunkte.
Die Letztere untersucht innerhalb des allgemeinen Wechselverhältnisses von
Sprache und Gesellschaft im Besonderen auch die gesellschaftlich bedingten
Varianten des Sprachgebrauchs. Doch fällt der Gegenstandsbereich der
Soziolinguistik in dieser Hinsicht nicht mit dem der Stilistik zusammen. Er umfasst
28
auch Probleme des Sprachwandels, der Sprachmischung, der Sprachpolitik, der
Entlehnung und Sprachlenkung. Die Soziolinguistik beschäftigt sich mit den
territorialen, sozialen und funktionalen Varianten einer Sprache. Für die Stilistik
sind vor allem die funktionalen Aspekte wichtig (belangvoll).
Die Soziolinguistik orientiert sich stärker auf die gesellschaftliche
Schlichtung und Gliederung des Sprachsystems in Form von Hoch- und
Schriftsprache, Umgangssprache, Dialekt, Gruppen – und Fachsprachen als auf das
Vorkommen einzelner Elemente dieser Varianten in konkreten Texten. Die
Linguostilistik befasst sich hingegen mit dem Redeakt und seiner Fixierung, i.e. dem
Text. Sie hat im stärkeren Maße als die Soziolinguistik praktische Aufgaben zu
erfüllen, indem sie zur Verbesserung der sprachlichen Kommunikation innerhalb der
gesamten Sprachgemeinschaft beiträgt.

Pragmatische Stilistik.
In der zweiten Hälfte des XX Jhs. sind in der Stilistik die Auffassungen und
die Methoden einer pragmatischen, d.h. handlungsorientierten Stilistik erkennbar
geworden. Die noch vor kurzem unbekannte Termini „Pragmatik" und
„pragmatische Komponente" wurden immer mehr gebräuchlich und man konnte den
Eindruck gewinnen, als ob es nur eine „pragmatische Stilistik" gäbe.
Die Grundlage für diese Pragmatikorientierung bildete die von den englischen
Sprachphilosophen und Linguisten John L. Austin und John R. Searle entwickelte
Lehre von den „Sprechakten", die bald auch von den Linguisten anderer Länder
rezipiert worden war.
Die Idee dieser „Lehre" bestand darin, dass die Sprache in der
Kommunikation immer auch als sprachliches Handeln empfunden und demgemäß
analysiert und klassifizierte werden kann. Das hat zu einer Umorientierung mancher
Linguisten und zu starken Berücksichtigung der Sprachpraxis geführt. Die
pragmatische Linguistik beruht auf wirklichen oder real möglichen Texten der
zwischenmenschlichen Kommunikation. Alle Texte werden dabei Intentionen und
Wirkungen zugeordnet. Auch das Wesen der Stilmittel wird im Gegensatz zu den
29
stilistischen Traditionen anders begriffen. Indem die meisten Stilistikansätze von
stilistisch relevanten Ausdrucksvarianten ausgingen, geht „eine pragmatische
Linguistik" demgegenüber davon aus, dass mit verschiedenen Ausdrücken auch
Verschiedenes bewirkt wird (zit. nach B. Sandig „Ziele und Methoden einer
programmatischen Stilistik", 1984).
Im Rahmen der linguistischen Pragmatik sind Stilmuster als Teile der
Handlungstypen und Handlungsmuster zu betrachten. Eine weitere Problematik für
die pragmatische Stiltheorie, die von B. Sandig („Vom Nutzen der Textlinguistik für
die Stilistik", 1986) als „ethnomethodologisch fundiert" bezeichnet ist, beruht auf
Einbeziehung der Stilwirkung in dieses Konzept. Es besteht kein Zweifel, dass viele
Texte, besonders die nicht literarischen, in einer bestimmten Wirkungsabsicht
produziert werden, was dem Begriff des sprachlichen Handels dieser Stiltheorie
entspricht.
Die pragmatische Stiltheorie von B. Sandig ist auch von anderen Forschern
unterstutzt worden, die sich ebenfalls zu dieser Richtung zählen (z. В. B. Stolz, P.
Cassirer, H. Rossipal u.a.) und sich an die kommunikativen Faktoren der
Stilkommunikation halten.

Kommunikative Stilistik.
Die Vorstellung von einer kommunikativen Stilistik ist bis jetzt nicht
eindeutig anerkannt. Der Vorgang sprachlicher Kommunikation geschieht
gewöhnlich anhand eines Kommunikationsmodells. Für ein solches halten wir (nach
H. Bußmann, „Lexikon der Sprachwissenschaft“. 1990) schematische Darstellung
von Bedingungen, Struktur und Verlauf von Kommunikationsprozessen nach der
Grundformel: „Wer sagt was mit welchen Mittel zu wem mit welcher Wirkung?".
Die Grundlage dazu bildeten 1949 die Wissenschaftler C. E. Shannon und W.
Weaver. Die Grundkomponenten des Kommunikationsmodells sind: a) Sender
(Sprecher, Autor); b) Empfänger (Hörer, Leser); c) Nachricht (Text); d) Kode
(Sprache und Stil); e) Medium der Informationsübermittlung (akustisch, optisch,
taktil); f) Störungen (Rauschen); g) pragmatische Bedeutung; h) Rückkoppelung.
30
Der berühmte deutsche Psychologe Karl Bühler (1879 - 1963), der auf den
Gebieten der Denk-, Sprach- und Farbpsychologie arbeitete, hat seinerzeit drei
Sprachfunktionen vorgeschlagen: emotive (für den Bezug auf den Autor), conative
(für den Bezug auf den Empfänger) und referentielle (für den Bezug auf den Inhalt
der Nachricht, d.h. Kontext). Als weitere Vertreter der „Kommunikative Stilistik"
sind M. Riffaterre („Kommunikative Stilistik", 1973) und B. Spillner („Linguistik
und Literaturwissenschaft. Stilforschung, Rhetorik, Textlinguistik, 1974) zu nennen.
Charakterisiert als strukturalistischer Autor, legte der erste den besonderen Wert auf
den Kontext des Werkes. B. Spillner betont die kommunikative Bindung des Stils,
den er begreift als das Resultat der Auswahlmöglichkeiten des Autors. Er schreibt:
„Stil ist eine Erscheinung an Texten, die im literarischen Kommunikationsprozess
konstituiert wird. Daher ist Stil keine statistische Eigenschaft eines Textes...Am Text
erkennbar sind nur die Folgen der einmal erfolgen Auswahl und die
Voraussetzungen für die durch Lesererwartung determinierte Reaktion des Lesers
(zit. nach Sowinski „Stilistik").
Den kommunikativen Charakter des Stils bekennt auch Willy Sanders
(„Linguistische Stilistik. Grundzüge der Stilanalyse sprachlicher Kommunikation",
1977). Er berücksichtigt anhand mehrerer Kommunikationsmodelle individuell-
sozial und kollektiv-sozial determinierenden Voraussetzungen der selektiven Text-
und Stilproduktion. Hingewiesen sei auch auf die mehrfach bearbeitete „Stilistik der
deutschen Sprache" von E. Riesel, die auf die Aufforderung der Kommunikation
eingeht.
Zum Schluss lohnt es sich zu sagen, dass viele bekannten Stilforscher, solche
wie z. B. W. Schmidt, W. Thoma, G. Lerchner u.a. ihren Stilbestimmungen
verschiedene Konnotationsbegriffe zugrunde legten.

31
INDIVIDUALSTILE
Jeder Stil bildet seine Normen heraus, demzufolge die Verwendung
bestimmter sprachlicher Erscheinungen in Lexik, Grammatik und Phonetik geregelt
wird. Wer sich eines bestimmten Stils bedient, muss auch seinen Regeln folgen.
Anders gesagt: der Individualstil des Menschen ist auf jedem beliebigen Gebiet der
gesellschaftlichen Tätigkeit diesem oder jenem funktionalen Stil untergeordnet,
dementsprechend versteht man unter „Individualstil“ die auf die Person bezogene
Verwendung allgemeiner und besonderer Gesetzmäßigkeiten, bedient durch einen
bestimmten funktionalen Stil.
Das Individualitätsmaß kann je nach dem konkreten Stil ganz verschieden
sein. So gibt es im Stil des öffentlichen Verkehrs wenig Aussichten sich eines
Individualstils zu bedienen. In offiziellen Institutionen sind vielerlei Formulare und
Vordrucke (Geldüberweisungen, Vollmachtserklärungen, Bestätigungen, Gesuche
usw.), eingeführt, die jegliche persönliche Note oder Bewertung im Geschäfts- und
Handelsleben ausschalten.
Der Individualstil eines Wissenschaftlers ist gewiss nicht so genormt; ihm ist
bedeutend mehr Freiheit eingeräumt als dem Individualstil eines Beamten.
Insgesamt sind aber die Normen des wissenschaftlichen Stils streng geregelt.
Die Züge des Individualstils sich auch in anderen Stiltypen zu treffen. Man
darf z.B. nicht davon ausgehen, dass der Stil des Alltagsverkehrs rein
umgangssprachlich sei. Auch im offiziellen, amtlichen Verkehr sind manche
Menschen auf Grund ihrer Sprachgewohnheiten, ihrer sprachlichen Bildung und
Erziehung nicht immer in der Lage, die Zone der Umgangssprache zu verlassen.
Dabei kommen auch die individuellen Besonderheiten der Sprechenden zum
Vorschein.
Der Individualstil genießt ziemlich große Freiheit in der Publizistik, wo es
zahlreiche Variationen gibt. So können wir im Bericht des Reporters (im Radio,
Fernsehen oder in der Zeitung) seine persönlichen Eigenheiten unterscheiden, Wir
erkennen das, sei es auf schriftlichem oder mündlichem Verständigungsweg, an der

32
Intonationsart, Tonstärke, an den unregelmäßigen Sprechpausen, stilistischen
Besonderheiten, kurzum: an den typischen funktionalen Gesetzmäßigkeiten.
Große Besonderheiten und Freiheiten werden dem Individualstil des
Schriftstellers beigemessen. Zunächst ist es zwischen zwei Begriffen (Formeln) zu
unterscheiden:
1. Sprache und Stil (sprachlicher Individualstil) des Schriftstellers;
2. Literarisch - künstlerischer Stil des Schriftstellers.
Unter der Sprache eines Schriftstellers (eines literarischen Werkes) verstehen
wir das „Baumaterial“ (so: E. Riesel), das der Verfasser für seine bestimmten
Zwecke auswählt. Darunter versteht man einzelne Wörter und Wendungen,
morphologische Formen und syntaktische Konstruktionen, phonetische
Gegebenheiten usw. Dazu gehören auch lexische und grammatische Neubildungen,
sowie Entlehnungen, die der Sprache des Schriftstellers ein deutliches Gepräge
geben. Demzufolge akzeptieren wir den sprachlichen Individualstil eines
Schriftstellers als das System der individuellen künstlerischen die durch bestimmte
Verwendung und Kombinierung des ausgewählten Baumaterials entsteht.
Der Terminus „literarisch-künstlerischer Stil" drückt zum Unterschied vom
Begriff „sprachlicher Individualstil des Schriftstellers" einen literartheoretischen
Begriff aus.
Dieser Stil stellt die Gesamtheit der ideologischen, weltanschaulichen und
ästhetischen Ansichten des Autors aus und spiegelt auch die Besonderheiten der
ganzen literarischen Richtung wider (so z.B. des deutschen kritischen Realismus,
des Humanismus, des Barocks, der Klassik und Romantik, des Naturalismus und
Expressionismus u.a.).
Der literarisch-künstlerische Stil bekennt die Methode des gesamten
Schaffens. Dabei werden folgende Einzelfaktoren in Betracht gezogen: ein Thema
oder Motiv, d.h. Sujet [zy'ʒe:], Komposition, Charakteristik der handelnden
Personen, Wahl und Verwendung der sprachlichen Ausdrucksmittel.

33
Daraus folgt: Sprache und sprachlicher Individualstil sind eine Komponente des
literarisch-künstlerischen Stils. Diesbezüglich darf man über sogenannten hypero-
hyponymischen Bedeutungsbeziehungen sprechen.

34
FUNKTIONALSTILE
Die Frage der Stilklassifikation gehört, wie bekennt, zu den schwierigsten
Problemen der Stilkunde. Jeder Typologie liegt ein bestimmtes Einteilungsprinzip
zugrunde. Das Einteilungsprinzip, das der funktionalen Stiltypologie, der Einleitung
in funktionale Stile zugrunde liegt, ist der auf der kommunikativen Funktion der
Sprache basierende Zusammenhang zwischen bestimmten sprachlichen
Gebrauchsweisen und bestimmten außersprachlichen Situationen. Außerdem
müssen noch folgende zwei Faktoren in Betracht gezogen werden:
1. Der Verständigungsweg (schriftlich oder mündlich);
2. Die Verständigungsart (monologisch oder dialogisch).
Die Spezifik in der Herausbildung von Funktionalstilen ist nicht auf eine
Sprache beschränkt. Vergleich man das Deutsche etwa mit dem Ukrainischen und
Englischen, so kann man hinsichtlich des stiltypologischen Grundprofils
wesentliche Übereinstimmungen feststellen. Dies erklärt sich aus der funktionalen
Differenzierung bei der Befriedigung grundlegender Kommunikationsbedürfnisse
und aus allgemeinen, übernationalen Merkmalsunterschieden bestimmter
Tätigkeitsbereiche wie Kunst, Wissenschaft, Massenkommunikation, inoffizieller
Alltagsverkehr usw. Eine solche Übereinstimmung gibt es jedoch immer nur bis zu
einem gewissen Grade, denn die funktionalen Stiltypen und ihre Subtypen sind
gesellschaftlich historisch bedingt.
Demzufolge wird als Funktionalstil (auch: Bereichsstil) die Gesamtheit der
für einen gesellschaftlichen Bereich charakteristischen Stilzüge bzw. Stilprinzipien
verstanden, die in den entsprechenden Texten dieses Bereiches begegnen.
Man darf von der Annahme ausgehen, dass die soziale Formation und die von
ihr bestimmten Faktoren und Bereiche wie Wissenschaft, Volksbildung, Presse,
Amtsverkehrs uns., sowohl inhaltlich funktionale Veränderungen des
Sprachgebrauchs (z.B. Sprache der Werbung) als auch Verschiebungen im Gefüge
der Funktionalstile (z.B. Konvergenzen1 bzw. Divergenzen2 des Sprachgebrauchs in
Wissenschaft, Publizistik und Journalistik) bewirken.

35
Die historisch und sozial bedingten nationalen Unterschiede erlauben keine
einfache Übertragung von Besonderheiten des Sprachgebrauchs eines bestimmten
Tätigkeitsbereichs innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft auf andere
Kommunikationsgemeinschaften. Sie hängen eng mit Fragen der Sprachpolitik und
der Sprachkultur einer Kommunikationsgemeinschaft zusammen.
Am bekanntesten ist für die funktionalstilistische Gliederung das Modell von
fünf Funktionalstilen.
1. Stil des Amtsverkehrs – der Sprachgebrauch im offiziellen Verkehr der
gesellschaftlichen Öffentlichkeit, in der Kommunikation zwischen Dienststellen, in
der Leistungstätigkeit innerhalb eines Betriebes.
2. Stil der Wissenschaft – der fachmännisch orientierte Sprachgebrauch zur
Darstellung gesellschaftswissenschaftlicher, mathematisch-naturwissenschaftlicher
und technisch-wissenschaftlicher Sachverhalte in der Forschung, wissenschaftlichen
Publizistik, Wissenschaftspropaganda, populärwissenschaftlichen und
Bildungstätigkeit.
3. Stil des Journalismus – der Sprachgebrauch in Textgenres, die sich speziell
für die Massenmedien – Presse, Rundfunk, Fernsehen herausbildet haben, aber auch
darüber hinaus wirken, z.B. in der Wirtschaftswerbung, politischen Sichtwerbung,
usw.
4. Stil des Alltagsverkehrs – der Sprachgebrauch in nichtoffiziellen,
zwanglosen Situationen in der Familie, am Arbeitsplatz unter vertrauten Kollegen,
in lockeren Gesprochen des öffentlichen Lebens, z.B. beim Alltagskauf, beim
Friseur, bei geselligen Veranstaltungen usw.
5. Stil der schönen (schöngeistigen) Literatur. Dieser kann/darf nicht
vorbehaltlos in einer Reihe mit anderen Stilen der Nationalsprache genannt werden,
ist aber durch Fülle und Weite der sprachlich-stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten
erkennbar.
_________________________
Konvergenz -f: 1) Übereinstimmung von Meinungen.
1
2
Divergenz -f: 1) Das Auseinandergehen von Meinungen; 2) Pl. Unterschiedliche
Meinungen.
36
Diese Grobgliederung ist in mancher Hinsicht ungefähr (annähernd) und
unbefriedigend. Sie ist relativ abstrakt und nicht konkret in der praktischen
Kommunikation. Demzufolge ist es notwendig, Grundtypen durch die
Feingliederung weiter zu differenzieren. So können wir z.B. innerhalb des
Amtsverkehrs bestimmte Subtypen (auch: Gattungs- und Genrestile) unterscheiden
lassen: das Protokoll, der Geschäftsbrief, die Bewerbung, der Lebenslauf, die
Glückwunschadresse, die Weisung usw. sowie deren Unterarten und Varianten.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass es solche Kommunikationsbereiche
gibt, die vom Gegenstand, von den Sozialbeziehungen und Rollenverteilungen, von
den Besonderheiten der Genres und Textsorten, die relativ eigenständige
Funktionalbereiche bilden (Militärwesen, Justiz, Werbung usw.).
Hauptmerkmale der Funktionalstile
Der Begriff „Stil“ (funktionaler Stil) erfordert das Zusammenwirken
sämtlicher sprachlichen Faktoren auf bestimmten Gebieten der gesellschaftlichen
Praxis. Dabei haben die stilistischen Hauptmerkmale des Sprachgebrauchs der
besonderen Anforderung und z.T. auch Bedingungen zu entsprechen. Dies bezieht
sich zunächst auf die Kernbereiche.
Um den stiltypologischen Kern liegen Randbereiche (auch: Grenzbereiche),
die den Übergang zu anderen funktionalen Stiltypen bilden.

Stil des Alltagsverkehrs.


Beim Stil des Alltagsverkehrs ist die Hauptfunktion die ungezwungen lockere
Verständigung der Menschen im privaten Umgang und überhaupt im „Nicht -
Dienstlichen“ (Riesel 1979,63). Häufig wird in diesem Zusammenhang auch der
Ausdruck Umgangssprache verwendet. Darin kommt die enge Verflechtung von
sozialer und funktionalstilistischer Differenzierung zum Ausdruck. Ferner können
wir den Begriff Stil des Alltagsverkehrs (Alltagsstil) als situationsbezogen
bestimmten, nicht aber als systembezogen, was mit der Umgangssprache der Fall
ist; Umgangssprachliche Elemente können mit mehr oder minder expressiver
Funktion auch in anderen Stiltypen vorkommen, oft deutlich markiert oder vorher
37
angezeigt (z. B. durch solche Ankündigungen wie Wenn ich mich einmal
burschikos/salopp/umgangssprachlich ausdrücken darf…)
Manche Menschen sind nicht immer in der Lage auch im offiziellen, amtlichen
Verkehr die Zone der Umgangssprache zu verlassen. Umgekehrt darf man nicht
davon ausgehen, dass der Stil des Alltagsverkehrs rein umgangssprachlich sei. Zum
Kernbereich des Alltagsstils zählen wir:
1. Ungezwungenheit und Lockerheit der Rede als grundlegendes Stilmerkmal
(z.B. Schwammwörter, Flickwörter, Lieblingswörter, Modewörter,
Vulgarismen, Dialektismen usw.; dazu auch Satzabbrüche,
Konstruktionswechsel, Nachträge, Isolierungen);
2. Polarität von Ausdrucksökonomie und Ausdrucksfülle, von Sparsamkeit
und Überfluss des sprachlichen Aufwands im Verhältnis zum
Informationsgehalt der Äußerung (ausgeprägte Situationsbezogenheit und
damit verbundene Auslassungen, Verkürzungen, elliptische Bildungen
einerseits und unkontrollierte bzw. tolerierte Redundanz in Form von
Wiederholungen vieler Art, Einschaltungen, weitschweifige Umschreibungen
usw. andererseits);
3. Tendenz zur Emotionalität der Rede (durch Verwendung expressiver Mittel
der Übertreibung, der Bildhaftigkeit, der Komik usw.)
Abschließend sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass beim Stil des
Alltags wiederum der integrative Zusammenhang mit dem Gesamtcharakter des
Kommunikationsereignisses, d. h., dass die Verwendung dieses Stiltyps unter der
Voraussetzung spezifischer gesellschaftlicher Sphären, Tätigkeitssituationen,
Partnerbeziehungen und Kommunikationsgegenstände zu beachten ist. Ferner
gilt, dass es zwischen dem Stil des Alltagsverkehrs und anderen Stiltypen
Übergänge, Überschneidungen und Hierarchiebeziehungen gibt. Das ist auch bei
den anderen Stiltypen der Fall.

38
Stil des Amtsverkehrs.
Für den Stil des Amtsverkehrs (des amtlichen, dienstlichen, teils öffentlichen
Verkehrs) ist das Merkmal des Offiziellen dominierend. Es ergibt sich aus der
gesellschaftlichen Tätigkeitssphäre, dem Kommunikationsgegenstand, dem
Charakter der Partnerbeziehung u. a. m. und wird in bestimmten
Formulierungsqualitäten reflektiert. Wie alle Stilmerkmale findet es seinen
konkreten Ausdruck in vielfältigen sprachlichen Erscheinungsformen
(Stilelementen). Kennzeichnend ist ein relativ hoher Grad der Genormtheit bis hin
zu strenger Standardisierung in der Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel und
Formulierungen. Im Wortlaut vorgeschrieben sind z.B. (manche) Eidestexte,
Gelöbnisse, Losungsworte, Grußformeln, Kommandos. Andererseits lässt die
Sphäre des Offiziellen Spielräume für individuellen und originellen Sprachgebrauch
zu. Begrüßungen, Toasts, Verhandlungen usw. im diplomatischen Verkehr erlauben
expressiv - figurenreiche Ausdruckswahl. Der Grad der stilistischen Genormtheit ist
also in den Teilbereichen des amtlichen Verkehrs und bei den einzelnen Textsorten
unterschiedlich. Doch bestimmend ist stets der offizielle Charakter, der private
Elemente ausschließt. So sind z.B. staatliche Gesetze, Verordnungen und
Verfügungen natürlich ohne Verwendung der 1. und 2. Person (ich/wir, du/ihr/Sie),
also unpersönlich formuliert; hier steht das „juristische Subjekt“ im Vordergrund.
Doch bei der Weisung des staatlichen Leiters eines Betriebes liegt die persönliche
Ausdrucksweise (Ich weise an, dass) vollkommen im Normbereich der offiziellen
Formulierung. Sehr persönlich gehaltene Formulierungen werden dann erlaubt,
wenn Überlegungen und Gefühle mit betonter Partnerzuwendung ausgedrückt
werden sollen (Glückwünsche, Beileidsbekundungen, engagierte
Meinungsäußerungen usw.)
Amtlichen, offiziellen Charakter hat z.T. auch die Kommunikation in bzw.
zwischen gesellschaftlichen Organisationen sowie das Wirken dieser
Organisationen in der demokratischen Öffentlichkeit. Zu verweisen ist auf solche
Textsorten wie den Aufnahmeantrag, das Versammlungsreferat, den
Rechenschaftsbericht, das Statut.
39
Welche sprachlichen Mittel als konkrete Stilelemente für das Stilmerkmal
„offiziell“ in Frage kommen, lässt sich nicht in einfachen „Listen“ aufzuzählen. Zum
Kernbereich dieses Funktionalstils gehören jedoch auf alle Fälle:
1. die Nominalisierung (z.B. Der Vermieter ist zur Übergabe der Wohnung in
einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten malermäßigen Zustand
verpflichtet);
2. die Nutzung der normalsprachlichen und z. T. der gehobenen Stilschicht, oft
in deutlicher Abgehobenheit von „niedriger“ liegenden Ausdrücken (z.B.
Fäkalien, Straffälliger, Exzellenz);
3. die Verfügbarkeit zusammenfassender Oberbegriffe (Hyperonyme) für
Sachverhalte der jeweiligen Amtsbereiche (z.B. Im Verkehrswesen:
Verkehrsteilnehmer, Verkehrsgeschehen, Verkehrszeichen, Gegenverkehr,
Fahrzeug);
4. die Beachtung sprachlicher Standards und Konventionen des öffentlichen,
betrieblichen, diplomatischen, organisationsinternen Verkehrs (z.B. die hohen
vertragsschließenden Seiten…; Das Gesetz tritt mit Wirkung vom…in Kraft;
Betreten des Rasens verboten/untersagt );
5. die Verwendung fachsprachlicher Elemente entsprechend den Sachgebieten
des offiziellen Verkehrs (z.B. Fahrdiensleiter, Fahrausweis,
Schienenersatzverkehr).
Diese Merkmale des Kernbereichs innerhalb des Stiltyps des Amtsverkehrs
kombinieren sich auf charakteristische Weise mit Merkmalen anderer
funktionaler Stiltypen in den Grenzbereichen, z. B. im offiziellen Nachrichten
Text der Presse oder anderer Expertengruppen, in der öffentlichen Rede bei
politischen Demonstrationen, in der Gebrauchsanweisung für Geräte des
öffentlichen Verkaufs, in Empfehlungs-und Werbetexten des Hotel - und
Gaststättenwesens. Die Merkmale solcher Grenzbereiche sind auch bei der
Charakteristik der weiteren Stiltypen vorhanden.

40
Stil der Wissenschaft.
Beim Stil der Wissenschaft sind jene Stilmerkmale in den Mittelpunkt zu
stellen, die mit dem Wesen der wissenschaftlichen Tätigkeit eng verbunden sind.
Das findet in den vielfältigen Substilen und Textsorten der Wissenschaft sehr
unterschiedliche Ausprägung. Man denke dabei etwa an die unterschiedlichen
Funktionen von Dissertation, Lehrbuch, Konferenzreferat, Diskussion,
Gutachten, Arbeitsanleitung, populär - wissenschaftlicher Publikation, jeweils
wiederum differenziert durch Besonderheiten der gesellschaftlichen,
mathematisch – naturwissenschaftlichen und technik-wissenschaftlichen
Disziplinen. Innerhalb eines Ganztextes aus dem Bereich der Wissenschaft kann
es wesentliche stilistische Unterschiede zwischen Teiltexten geben, die durch
spezielle Funktionen, Kommunikationsgegenstände und - verfahren bedingt sind.
In diesem Zusammenhang ist auch das Verhältnis von Fachsprache, Fachtext
und Stil der Wissenschaft zu berücksichtigen, die nicht als identisch zu verstehen
sind. Übergeordnet ist der Begriff der Fachsprache, den man relativ weitgefasst
verstehen kann als Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, die in einem fachlich
begrenzbaren Kommunikationsbereich verwendet werden, um die
Verständigung zwischen den in diesem Bereich tätigen Menschen zu
gewährleisten. Demgegenüber spezieller ist der Begriff Fachtext, mit dem nicht
die Gesamtheit der für die sprachliche Kommunikation verfügbaren Mittel als
Möglichkeiten, sondern die konkrete sprachliche Äußerung als
Kommunikationsprodukt, also der Text in der Gesamtheit seiner Konstituenten,
erfasst wird, und eine spezifische Seite dieses Textes definieren wir dabei als Stil.
Im Funktionalstil der Wissenschaft unterscheidet sich der Vortrag eines
Arztes von dem eines Ingenieurs, im Funktionalstil des Alltags der Arbeitsbericht
eines Hochseefischers von dem eines Bauern. Da Fachsprachen zu den
konstitutiven Faktoren von Soziolekten gehören, aber auch auf Dialekte und
Funktionalstile einwirken können, sind sie ein integratives Moment, kaum aber
eine eigene Komponente. Damit lässt sich sagen, dass das Merkmal des
Fachsprachlichen, der Fachlichkeit, zwar nicht auf den Funktionalstil der
41
Wissenschaft zu beschränken ist, jedoch zu den Wesensmerkmalen dieses
Stiltyps gehört. Zum Kembereich gehören:
1. die Verwendung der fachsprachlichen Lexik und fachsprachlicher
grammatischer Konstruktionen;
2. die sprachlich explizite Wiedergabe logischer Zusammenhänge (z.B..
die tendenziell lückenlose Beachtung der Thema – Rhema – Beziehungen, die
Sicherung einer höchstmöglichen semantischen Eindeutigkeit, die
Verwendung bestimmter sprachlichen Mittel);
3. die Verwendung expressiver Mittel zur logisch oder/ und emotional
motivierten Hervorhebung von Sachverhalten bei der Vermittlung und
Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse;
4. die rationelle Bezugnahme auf textergänzende nichtverbale
Darstellungen wie Abbildungen, Tabellen, Landkarten, Demonstrationsgeräte
usw.

Stil des Journalismus.


Beim Stil des Journalismus orientieren wir uns nicht an Texten, die rein
äußerlich in der Presse oder anderen Massenmedien zu finden sind - dort finden wir
auch Texte, die eindeutig dem Funktionalbereich der Wissenschaft und des
Amtsverkehrs zugeordnet werden können,- wir orientieren uns vielmehr an
Textsorten, die sich als typische, relativ eigenständige journalistische Genres
herausgebildet haben und sprachstilistisch speziell von Journalisten beherrscht
werden müssen, z. B. die Nachricht, der Leitartikel, der Kommentar, die Reportage,
das Interview. Journalistische Tätigkeit schließt als wesentliche Merkmale aktuelle
Information, Massenwirksamkeit und Parteilichkeit ein; es handelt sich im
Kernbereich um Massenkommunikation, und sie trägt in einem besonderen Masse
zur ideologischen Bewußtseinsentwicklung der Menschen und öffentlichen
Meinungsbildung bei. Diese Merkmale bestimmen auch die stilistische
Beschaffenheit journalistischer Texte.

42
Für jedes konkrete Genre des gegebenen Stils gelten entsprechende
sprachliche Normen. Eine Besonderheit der Nachricht besteht z. B. darin, dass sie
weitgehend “unpersönlich” gehalten ist, d. h., es wird nicht vom “Ich” des
Journalisten oder vom „Wir” der Nachrichtenagentur gesprochen; emotional -
expressive sprachliche Mittel werden relativ selten eingesetzt, das Objektive, nicht
das Subjektive steht im Vordergrund. Im Kommentar dagegen kann das persönliche
Engagement des Journalisten sprachlich unmittelbar zum Ausdruck gebracht
werden. Es kann sein Name als Autor des Kommentars erscheinen, der Individualstil
kann voll zur Geltung kommen, alle nur denkbaren sprachlichen Mittel können
entsprechend der speziellen Funktion des jeweiligen Kommentars eingesetzt werden
und die subjektive Einstellung des Journalisten bekunden. Bei aller Vielfalt des
sprachlichen Ausdrucks in diesem Funktionalstil erscheint es gerechtfertig, etwa
folgende Erscheinungen zum Kernbereich zu zählen:
1. die Verwendung weitgehend allgemeinverständlicher, schnell rezipierbarer und
massenwirksamer lexischer Mittel und syntaktischer Ausdrucksweisen
(einschließlich der erforderlichen/Fremdwörter, Termini, Realienbezeichnungen,
Jargonismen, Neologismen usw. sowie attributiver Blöcke, Aufzählungen,
komplizierter Konstruktionen und langer Sätze);
2. die Signalisierung des journalistisch Wesentlichen und die Stimulierung zum
Lesen oder Hinhören (durch Überschriftengestaltung, Texteröffnüng und -
gliederung, Ausdrucksökonomie in Verbindung mit nützlicher Redundanz und
Auflockerung; anregende, interesseweckende und argumentationsfördernde
Ausdruckswahl usw.);
3. die sachlich und psychologisch richtig motivierte Verwendung stereotyper
Ausdrücke (ideologische Schlüsselbegriffe, Schlagwörter, Losungen,
zweckmäßige Klischeewendungen usw.);
4. die Aktualisierung der journalistischen Informationen durch die Art der
sprachlichen Gestaltung, um das inhaltlich Aktuelle auch sprachlich aktuell
erscheinen und nicht verblassen zu lassen (durch betontes Ansprechen und

43
Einbeziehen des Lesers/Hörers, durch Periphrasen, Metaphern und andere
Stilfiguren, durch Kombination von Wort und Bild usw.)

Stil der schönen (schöngeistigen) Literatur.


Dieser Stil wird bei weitem nicht von allen Stiltheoretikern anerkannt. Es
bleibt nach wie vor eine Fülle ungelöster Probleme bezüglich der Bestimmung von
Wesen und Merkmalen des Stils der schönen Literatur. Gewiß darf der genannte Stil
nicht vorbehaltlos in einer Reihe mit anderen Stilen besprochen werden. Er stellt
eine ganz besondere, einzig dastehende Verwendungsweise der Sprache dar,
gekennzeichnet durch die Verbindung von kommunikativer, expressiver und
ästhetischer Funktion in einem so hohen Grade, wie sie keinem anderen Stil eigen
ist (Riesel/Schendels 1975).
Die linguistische Spezifik der schönen Literatur – die Fülle und Weite der
sprachlich-stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten – ist charakteristisch für die
Dichtung in allen ihren Erscheinungsarten. Deswegen bezweifeln manche
Linguisten, den Stil der schönen (künstlerischen) Literatur als einheitlichen Stiltyp
anzusehen. Man darf ihres Erachtens nur noch von künstlerischen Individualstilen
sprechen. Diese Meinung wird aber abgelehnt (wieder E. Riesel).
Reden wir über die sprachliche Spezifik der Dichtung als Stil, so fallen
folgende Kernbereiche ins Auge:
1. Die Fülle und Weite der sprach-stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten.
2. Das Vorhandensein zahlreicher literarischer Richtungen, literarischer
Genres und Dichterpersönlichkeiten.
3. Das Vorkommen auch anderer funktionalen Stile.
4. Hohe Stufe künstlerischer Bildhaftigkeit und Eindringlichkeit.
5. Die Verfügbarkeit sämtlicher Quellen sprachlichen Ausdrucks (literarische
und nicht literarische).
Der Stil der schönen Literatur hat sich in mancher Hinsicht von den übrigen
Verwendungsweisen der Sprache stark abgesondert. Nichtsdestoweniger gehört
er in das gesamte Stilsystem der Sprache. Dabei umfasst er ein bestimmtes Gebiet
44
funktionaler Sprachverwendung. Dank seiner außerordentlichen Wichtigkeit und
seiner eigenartigen (künstlerischen) Spezifik wird dem Stil der schönen Literatur
vielfach eine gewisse Sonderstellung zugeschrieben.
Der Stil der schönen Literatur wird auf schriftlichem Weg verbreitet; er
untersteht bestimmten literarsprachlichen Normen. Nicht zu übersehen ist auch
seine umgangssprachliche Auflockerung in bestimmten Genres, literarischen
Richtungen usw.

45
Übersicht über die eventuellen Stilmittel und Hinweise
auf ihren Gebrauch
STILMITTEL BESCHREIBUNG BEISPIEL WIRKUNG
1. die An Stelle eines Oberbegriffs „Parteien, Veranschau-
Akkumulation werden mehrere thematisch Unternehmen, lichend, an
, auch zusammengehörige Regierungen und konkreten
Accumulatio Unterbegriffe aufgezählt. Kirchen“ statt Beispielen,
(lat. „gesellschaftliche bildhaft.
accumulātē – Gruppierungen“
viel, in
Überschuss)
2. die Allegorie Gedanken oder Begriffe „Sensenmann“ für Veranschau-
(griech. werden anhand eines „Tod“; in einer Fabel: lichend,
allegoria – verwandten Bildes Der Fuchs als Sinnbild verbildlichend.
das konkretisiert; eine Folge von für Schlauheit und
Anderssprech sprachlichen Bildern (siehe Durchtriebenheit.
en) Metapher) in Form eines Dazu: Dionysos (röm.
Gleichnisses. Oft in Fabeln: Bacchus) – Gott des
Tierische Protagonisten stellen Weines
unsere Gesellschaft dar. Oft
auch als Bild oder Person in
der Malerei, Dichtung usw.
3. die Aneinandergereihte Begriffe „Kuns und Krempel“; Betonend,
Alliteration mit gleichen Anfangslauten, „Milch macht müde einprägsam.
(lat. ad – z.B. in Stabreimen Männer munter“; Eine
hinzu; littera lange Schlange ringelt
– Buchstabe) sich um eine lange
Stange; Haus und Hof;
Lust und Liebe; Mann
und Maus
4. die Anapher Wort-Wiederholung am Satz- „Geld ist nicht alles. Betonend,
(griech. Anfang oder am Anfang von Geld allein macht einprägsam.
anaphorá) Satzteilen. nicht glücklich.“; Sie
war schön, sie war
jung, sie war reich.
5. die Gegenteil der Steigerung „XL, L, M, und S“; Einprägsam,
Antiklimax (siehe Klimax) „Hund, Katze, Maus“ veranschau-
lichend.
6. die Antithese Gegensätze werden in einer „Wenn er aufhört, über Veranschau-
(griech. oft kompakten und dadurch uns Lügen zu lichend,
antithesis – besonders einprägsamen verbreiten, werden wir kontrastierend.
Gegensatz) Formulierung aufhören, über ihn die
gegenübergestellt. Wahrheit zu
46
verbreiten.“; „Der
Baum ist hoch, das
Gras ist tief.“; „Ach
Gott! Die Kunst ist
lang! Und kurz ist
unser Leben. (Goethe);
„Sie sang mit wahrem
Gefühle und falscher
Stimme“;
„Ich weiß, sie tranken
heimlich Wein und
predigten öffentlich
Wasser (H.Heine)
7. die Rhetorische Figur der „Also wenn du mich Eindringlich,
Aposiopese Kürzung. Abbruch des Satzes, fragst…“ nachdrücklich.
(griech. bei dem das Entscheidende „Zohnerer“, sagte ich
aposiópēsis – aus Höflichkeit oder zur leise, sind Sie wirklich
das Steigerung der Spannung so menschlich oder…“
Verstummen) ungesagt bleibt
8. die Assonanz Mehrere Wörter, deren betonte „Fluch“ und „ruht“; Betonend,
(lat. ad – an, Silben Vokale mit gleichem „ruft“ und „Luft“ als einprägsam.
zu + sonus – Klang aufweisen. Oft in unreiner Reim.
Schall, Klang) unreinen Reimen.
Wiederholung eines Vokals
oder einer Gruppe von
Vokalen.
9. das Aufzählung bzw. „…und ringsum alte Verknappend,
Asyndeton Aneinanderreihung von Berge Wälder, Flüsse, eindringlich.
(griech. a- Flächen, unendlich
Elementen in einem Satz, bei
syndetos – der auf Konjunktionen weit!“
unverbunden) verzichtet wird. „Er brachte Brot,
Käse, Wein…“
10. der Chiasmus Satzteile, die sich symmetrisch Die Stadt ist groß und Veranschau-
(griech. und bzgl. Ihrer Bedeutung kein ist das Gehalt; lichend,
chiasmos – entsprechen, werden Lange Rede, kurzer kontrastierend.
Überkreuzstel überkreuzt. (nach der Gestalt Sinn.
lung) des griech. Buchstaben „Seine Muskeln groß,
(chi=x). klein sein Verstand“.
11. die Einem Argument wird „Gut ist er, da hast du Überzeugend,
Konzession zugesprochen, doch wird es Recht, aber für den vertrauens-
(lat. concessio zugleich durch eigene ersten Platz wird das erweckend.
– Aussagen entkräftigt. Oft in nicht reichen“.
Zugeständnis, Reden oder Verhandlungen
Einräumung)
47
angewandt. Scheinbares
Zugeständnis.
12. Die Ein sich logisch der ehrliche Eindringlich,
Contradictio widersprechendes Wortpaar Deputierte; Eiskalte betonend;
in Adiecto aus Substantiv und Adjektiv Sonne, Alter Junge; weckt
(lat.) – (siehe auch Oxymoron). Auch: unbekannter Freund; Aufmerksam-
Widerspruch die Koppelung gegensätzlicherSchwarzer Schimmel; keit durch
im Begriffe. militärische „Stolpern“ im
Hinzugefügte Befriedung; Redefluss.
n schleichende Inflation.
13. die Correctio Selbstkorrektur bzw. „Viele kamen um sie Die
(lat.) auch: die Verbesserung, bei der eigene zu sehen, nein es Eindringlich-
Korrektur Aussagen im Folgenden durch waren gar Tausende, keit steigernd,
gesteigerte Formulierungen die ihr zu Ehren verstärkend.
erschienen!“; „Er hatte
relativiert oder konkretisiert
werden. dunkle Haare.
Tiefschwarz sind sie
gewesen.“; „Es war ein
dicker Mann, folglich
ein guter Mann, sagt
Cervantes“(H. Heine)
14. der Eine Aussage wird „Penner“ für Abwertend,
Dysphemis- abgewertet. Gegenteil des „Obdachloser“; verächtlich.
mus (griech. Euphemismus. „Gedöns“ für
dys - schlecht, vermeintlich unnötige
pheme -Rede) Dinge; „Gauner“ für
Betrüger;
„Taugenichts“ für
Nichtsnutz.
15. die Ellipse Ein Satz wird verknappt, „Du wirst zu mir Verknappend,
(griech. indem auf Wörter verzichtet ziehen, Adolf! – eindringlich,
elleipsis – der wird, die für das Verständnis Nein!“ verlaufend.
Mangel, das der Aussage nicht zwingend „Hast du Stunden
Auslassen) benötigt werden. genommen? – Ja“
erwiderte sie, „bi der
Tacconi“. (L.
Feuchtwanger)
„Er kommt um Viertel
vor.“; „Je mehr, desto
besser.“; „Gönn dir.“
16. die Emphase Eine Aussage wird durch Sei ein Mann! Betonend,
(lat. emphasis besondere Hervorhebung bzw. Hier bin ich Mensch, eindringlich.
– Verdeut- Betonung verstärkt bzw. hier darf ich´s sein
lichung) verdeutlicht. Das Gemeinte (Goethe)
48
wird dabei nicht konkretisiert, „Also so hät ich das
sondern durch allgemeine nicht gemacht“; „ Eine
Begriffe ersetzt. Dabei Frau erkennt das“.
gebraucht man
verschiedenartige sprachliche
Mittel wie Prosodie,
Wortwahl, Wortstellung.
17. die Epipher, Wort-Wiederholung am Satz- „So kommst du mir Eindringlich,
auch Epiphora /Vers-Ende oder am Ende von nicht ins Haus, so betonend.
(griech. Satzteilen. kommt mir niemand
epipherein – ins Haus!“
das …die Schauspielerin,
Hinzufügen) die er geliebt…Oh, er
hatte sie geliebt!
18. das Zeilensprung inmitten eines „stehn die Nacht Betonend.
Enjambement Satzes bzw. Verses. entlang/ Und blinzeln
[āӡābǝ´mā:](fr Übergreifen des Satzes in den (Storm)
z. enjamber – nächsten Verses. Noch nicht einmal
überschreiben halb zwei! Und kein
, Ende abzusehen!
überspringen)
19. der Eine Aussage wird beschönigt. „kräftig“ an Stelle von Beschönigend,
Euphemismus Gegenteil des Dysphemismus. „dick“; „suboptimal“ positiv.
(griech. statt „schlecht“;
euphēmia – geistige Umnachtung =
das Wahnsinn.
Wohlreden)
20. das Bildung eines Begriffs durch „Haus und Hof“; Bekräftigend,
Hendiadyoin zwei oder mehrere einzelne „Feuer und Flamme“; betonend.
(griech. „eins Wörter. Oft ersetzen hierbei „Friede, Freude,
durch zwei“) zwei Substantive eine Eierkuchen.“; „in
Substantiv/Adjektiv- Leder und Schürze“
Kombination. statt „in lederner
Schürze“; „wir bitten
und anflehen“; „wie
fordern und
verlangen“.
21. die Hyperbel In einer Übertreibung „Er ist schnell wie der Betonend,
(griech. bestehende rhetorische Figur. Blitz.“; „Das hab´ ich übertreibend
hyperbolē – dir doch schon tausend
Übertreibung) mal erklärt!“;
himmelhoch; wie Sand
am Meer.

49
22. Die Hypotaxe Komplexer Satzbau durch „Endlich hob er es, Komplex,
(griech. Verschachtelung von Haupt-, nachdem er ausführlich.
hypótaxis – Neben- und Teilsätzen. Man stundenlang danach
Unterordnung spricht auch von einem gesucht hatte, mit der
, „hypotaktischen Satzbau“ linken Hand, die er
Subordination Unterordnung von Sätzen oder zuvor aus dem
) Satzgliedern. Formal durch Handschuh zog, auf
Konjunktionen weil, obwohl und […]
oder Pronomen der, welcher
gekennzeichnet.
23. Hysteron Das spätere zuerst. Redefigur, „Groß war die Etwas wird
Proteron bei der zuerst der Gedanke Freude“; „des Lebens hervorgehoben,
(griech. – steht, der nach Zeitfolge oder höchstes Glück“; betonend.
Späteres Logik nachstehen sollte. „Hänschen klein“; „Ihr
früher) Rhetorische Figur der Mann ist tot und lässt
Auch: Umstellung. Sie grüßen“ (Goethe).
Anastrophe
(griech.
anastrophe –
Umkehr)
24. die Inversion Umstellung der gängigen „Ein Versager ist er, Betonend;
(lat. inversiō – Wortreihenfolge innerhalb weiter nichts!“; etwas wird
Umkehrung) eines Satzes. „Schnell ist es.“; den hervorgehoben.
Vorfall hat niemand
bemerkt.
25. die Ironie (lat. Eine Aussage, die etwas „Dieser war ein Mann Betonend.
ironia – anderes oder das genaue aus jenen Zeiten, als
Verstellung) Gegenteil von dem die Läuse gute Tage
ausdrücken soll, was sie hatten“ (H.Heine);
oberflächlich betrachtet „Das hast du ja ganz
darstellt. toll hingekriegt.“;
„Das wär ja noch
schöner.“;
Historische Weisheit
der Deutschen;
Körperlich ist er ein
Riese.
26. die Klimax Steigerung vom Schwächeren „Wir beliefern Eindringlich,
(lat. climax, zum Stärkeren. Deutschland, Europa betonend.
griech. klimax und die ganze Welt.“;
– Leiter, „Die Erde, unser
Treppe) Sonnensystem und die
ganze Galaxie.“;

50
Das war so albern, so
widersinnig, so voll;
veni, vidi, vici
(Caesar)

27. die Litotes Untertreibung, doppelte „Ich kann mich Betonend.


(griech. litótēs Verneinung oder Verneinung beklagen.“; „Er ist
– Einfachheit) des Gegenteils. nicht untalentiert.“;
„Nicht der
Schnellste.“; „Ein
kleines Mädel, nicht
hübsch und nicht
hässlich“ (L.
Feuchtwanger); „Kein
sehr angenehmer Herr“
(S. Zweig)
28. die Metapher Verbildlichung von „Das schlägt dem Fass Veranschau-
(griech. Sachverhalten, wobei Bild und den Boden aus.“; „Ein lichend.
metapherein – Ausdruck durch besondere Wink mit dem
anderswohin Eigenschaften miteinander in Zaunpfahl.“; „Eine
tragen) Verbindung stehen. Flut von Menschen.“;
„Baumkrone“; „der
Himmel weint“; „die
Sonne lacht“.
29. die Ein Begriff wird durch einen „Der Kreml hat sich Veranschau-
Metonymie anderen, unmittelbar noch nicht dazu lichend.
(griech. verwandten Ausdruck ersetzt. geäußert.“; „Das kühle
metonymia – Nass“ für „Wasser“;
Umstellung) „Er hat den ganzen
Teller aufgegessen“.
30. der Schöpfung eines neuen „Kulturpessimismus“; Hervorhebend.
Neologismus Wortes, oft durch „abziehen“ für
(griech. néos Kombination bereits bekannter „ausrauben“;
– neu, logos – Begriffe, sowie Entlehnungen. „Fanboy“; Datennetz“;
Wort) Computer-Viren“;
„Hacker“; „Software“
31. die Onomato- Geräusche werden in Worte Interjektionen wie Veranschau-
poesie gefasst. Nachahmung von „Miau“, „Dingdong“, lichend,
(griech. Naturlauten „Kuckuck“ oder Assoziation
onomatopoiíe „Muh“; Substantiv- auslösend.
- Klang-, /Verbalstämme wie
Lautmalerei) „quietschen“,

51
„knarren“ oder
„knurren“
32. das Kombination aus sich „Offenes Geheimnis“; Verschärfend,
Oxymoron widersprechenden Begriffen „weniger ist mehr“; einprägsam.
(griech. (siehe auch Contradictio in „bittersüß“; „Eile mit
oxymōros – Adiecto). Weile“; „heiser
scharf(sinnig) Schnee“; „lebendige
– dumm) Leiche“.
33. das Palindrom Ein Wort, das auch „Otto“; „Anna“; „Tor“ Einprägsam.
(griech. rückwärtsgelesen einen Sinn und „rot“; „Eber“ und
palindromos – ergibt. Oft in Wortspielen. „Rebe“; „Ein Esel lese
zurücklau- nie“.
fend)
34. das Scheinbar widersprüchliche „Ich weiß, dass ich Aufmerksam-
Paradoxon oder abwegige Aussage, oft nichts keit erregend,
(griech. mit höherem Wahrheitsgehalt. weiß“(Sokrates); einprägsam.
paradoxon – „Keine Regel ohne
scheinbar Ausnahme.“; „Dieser
unsinnige, Satz ist falsch.“
falsche
Behauptung/
Aussage)
35. die Paralipse Angebliche, vorgetäuschte „Dass das ganze Betonend.
(griech. Auslassung eines keinen tieferen Sinn
paraleipse – Sachverhaltes vom Autor. hat, brauche ich ja gar
Ablenkung) Betont durch scheinbare nicht erst zu
Ablenkung vom Thema. erwähnen.“; „Ganz zu
schweigen von den
anderen Möglichkeiten
[…]
36. der Sätze oder Teilsätze in „Das Wasser fließt, der Eindringlich,
Parallelismus symmetrischem Aufbau. Wind weht, die einprägsam.
(griech. Blumen blühen“; „Bis
parallēlismos auf den Grund wasche
– das ab meine Missetat, von
Nebenein- meiner Sünde mache
anderstellen) mich rein!“ (Ps 51,4)
37. die Parataxe Aneinanderreihung von „die Erde aber war Dramatisch,
(griech. gleichwertigen Hauptsätzen, wüst und wirr, verknappend.
parataxis – Wörtern oder Satzteilen. Finsternis lag über der
Beiordnung, Verleiht absoluten, prägnanten Urflut und Gottes
Koordination) Charakter. Gegenteil der Geist schwebte über
Hypotaxe. (oft durch dem Wasser“. „Gott
Konjunktion und, oder). schied das Licht von
52
der Finsternis und Gott
nannte das Licht Tag
und die Finsternis
nannte er Nacht. Es
wurde Abend und es
wurde Morgen“
(Bibel)
38. die Ein Wortspiel, bei dem zwei „Lieber arm dran als Einprägsam.
Paronomasie Begriffe, die ähnlich klingen, Arm ab.“; „Verlass
auch: sich aber in ihrer Bedeutung dich auf jemanden und
Annominatio voneinander unterscheiden, du wirst verlassen.“;
(griech. para verbunden werden. Nicht rasen – reisen!
– entgegen, Kümmert sich mehr
onoma – um den Krug als den
Name) Krieg; „Die Bistümer
sind verwandelt in
Wüsttümer“
(F. Schiller)
39. die Parenthese Bezeichnet einen „Er legte es – Informativ,
(griech. para eigenständigen Satz, der in behutsam ging er dabei attraktiv.
– neben, einen anderen Satz eingefügt nicht vor – flach auf
enthesis – wird, diesen unterbricht, seine den Boden und…“
Einfügung) grammatikalische Struktur Walter – er ist ein
jedoch nicht beeinflusst. leichtentflammter
Junge – wirbt um
Monika.
40. das Pars pro Ein Teil steht für das Ganze: „Das macht dann 10€ Betonend,
toto (vom Teil Eine Sache wird durch einen pro Nase.“ für „Das Vermeidung
zum Ganzen) Begriff umschrieben, der macht dann 10€ pro von Wort-
eigentlich nur für einen Person.“; „Der Spanier Wiederho-
Bestandteil dieser Sache steht. ist stolz.“ für „Spanier lungen.
(siehe Synekdoche und Totum sind stolz.“; „Brot“ für
pro parte) „Nahrung“; „unter
meinem Dache“ für
„in meinem Haus“.

41. die Periphrase Ein Begriff wird durch Worte „Der allmächtige Betonend,
(griech. ersetzt, die ihn beschreiben. Vater.“ für „Gott“; Vermeidung
periphrasis – Oft beschönigend. „bessere Hälfte“ als von Wort-
Umschrei- Bezeichnung für Wiederho-
bung, das Ehepartner; lungen.
Herum-Reden „Zweitfrisur“ für
Perücke.
53
42. die Vermenschlichung einer Das Rote Kreuz als Veranschau-
Personifika- Sache. Ein Tier, ein Symbol medizinischer lichend,
tion (lat. Gegenstand oder ähnliches Hilfe; die Sonne lacht; belebend.
persona – handelt wie ein Mensch oder „Die Zeit rennt.“;
Maske) weist menschliche „Technologien […]
Eigenschaften auf. wollen bedient
werden.“; „Vater
Staat“; der Wein
verdrängte das Bier
(H. Heine)
43. der Kombination von Wörtern, die „das grüne Gras“; Betonend,
Pleonasmus sich in der Wortart „Rückantwort“; „tote veranschau-
(griech. unterscheiden, sich aber in Leiche“; „kleiner lichend.
pleonasmos – ihrer Bedeutung ähneln. Dabei Zwerg“; „PIN-
Überfluss) wird einem Substantiv oft ein Nummer“ wobei die
vermeintlich unnötiges vorrangehende
Attribut beigefügt, dessen Abkürzung PIN das
Bedeutung bereits im Wort „Nummer“
Hauptwort enthalten ist. bereits beinhaltet; „ich
habe es selbst gesehen,
mit eigenen Augen“.
44. das Gleichwertige Satzteile „Einigkeit und Recht Dramatisch,
Polysyndeton werden mittels Konjunktion und Freiheit.“ verknappend.
(griech. mehrfach aneinandergereiht. (Fallersleben)
polysyndetos Und es wallet und
– viel(fach) siedet und brauset und
verbunden) zischt (F. Schiller)
45. die Repetitio Wiederholung von Wörtern „Mein Gott, mein Verstärkend,
(lat. repetitio) oder Satzteilen. Gott, warum hast du eindringlich.
mich verlasse?“ (Mk
15,34); „Oh nein! Oh
nein!“
46. die Eine (Schein-)Frage, auf die „Du bist auch nicht Verstärkend,
rhetorische keine Antwort erwartet wird. gerade der hellste, eindringlich.
Frage (griech. Sie dient nicht dem oder?; „Wer ist schon
rhētorikē – Informationsgewinn, sondern perfekt?; „Hab ich dir
kunstvoll) drückt die Meinung des zu viel versprochen?“
Autors aus. Auch: die negative
Aussage bei positiven
Entscheidungsfragen.
47. der Direkte oder indirekte, also „Überarbeite dich bloß Verstärkend,
Sarkasmus ironische Aussage mit nicht!“; „Gab es die angreifend.
(griech. verspottender, verhöhnender Hose nicht in deiner
sarkasmos – Größe?“
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beißender und somit verletzender
Spott, bitterer Wirkung.
Hohn)
48. die Sentenz Zusammenfassung einer Die Weisheit des Informativ,
(lat. sententia vorangegangenen chinesischen veranschau-
– Meinung, Argumentation oder Philosophen lichend,
Urteil) Schilderung in Form einer Konfuzius; das verknappend.
knappen Aussage, die zu Sprichwort „Ohne
allgemeiner Bedeutung Fleiß, kein Preis“;
erhoben wird. Zusammenfassungen
am Ende von Kapiteln
in Lehrbüchern.
49. das Symbol Ein abstrakter Begriff oder Das Kreuz für das Veranschau-
(griech. Zusammenhang wird durch Christentum; ein Herz lichend,
symbolon – ein konkretes Bild dargestellt. für die Liebe; die einprägsam.
Erkennungs- Oft kulturell geprägt. weiße Fahne für die
zeichen) Kapitulation; die blaue
Blume für die
Romantik.
50. die Verschiedene Sinnesebenen „Das klingt aber süß!“; Betonend,
Synästhesie und Empfindungen werden „knallrot“; „stinkfaul“; steigernd.
(griech. miteinander kombiniert; „Die Brillengläser
synaisthēsis – Mitempfindung. waren so dick, dass die
zugleich Augen ganz leise
wahrnehmen) aussahen.“(Borchert)
51. die Ein Wort wird durch ein „Ein Dach über dem Einprägsam,
Synekdoche anderes aus demselben Kopf haben.“ für „In verbildlichend.
(griech. Bedeutungsfeld ersetzt, dabei einem Haus/in einer
synekdochē – kann es sich sowohl um einen Wohnung leben.“;
mit verstehen) als auch um einen weiter „Schwert“ statt
gefassten Begriff handeln. Oft „Waffen“;
wird ein allgemeiner durch Deutschland spielt
einen speziellen Begriff oder gegen England.“,
der Plural mit dem Singular wobei hier nicht die
ersetzt (siehe Pars pro toto und Nation, sondern die
Totum pro parte). Fußballmannschaft
gemeint ist; „pro
Kopf“ für „pro
Person“
52. die Kombination „Mein Mann, mein Betonend,
Synonymie bedeutungsgleicher und/oder Gatte, mein Liebster!“; eindringlich,
(griech. bedeutungsähnlicher Begriffe. „Wo ist der steigernd.
ónyma – Ausgangspunkt, der
Name-, Start, der Anfang?“
55
Sinnverwand-
schaft)
53. die Tautologie Paarung von „immer und ewig“; Betonend,
(griech. to bedeutungsähnlichen „Art und Weise“; steigernd.
auto – das Begriffen derselben Wortart, „kurz und bündig“;
gleiche sagen) wobei beide Begriffe „Geschäft ist
denselben Sinn vermitteln; die Geschäft“; „alter
Begriffe können auch Greis, neu renoviert!“.
identisch sein.

54. das Totum pro Das Ganze steht für einen Die Deutschen (꞊die Verknappend,
parte (vom Teil: Ein Bestandteil einer deutsche Armee) eindringlich.
Ganzen zum Sache wird durch einen erlitten bei Stalingrad
Teil) Begriff umschrieben, der große Verluste.
eigentlich für die ganze Sache „Deutschland holt
steht. (siehe Synekdoche und Gold.“, wobei hier
Pars pro toto) eigentlich der
Olympia-Teilnehmer
als einzelne Person
gemeint ist.
55. der Vergleich, Zwei Begriffe oder „Stark sie ein Bär.“; Anschaulich,
auch: die Sachverhalten, die sich in „Schneller als die betonend.
Komparation einer oder mehreren Polizei erlaubt.“; „Er
(griech. Eigenschaften ähneln, werden sah aus wie ein Narr in
comparāre – durch „als“ oder „wie“, sowie Lebensgröße.“
vergleichen) auch „als ob“, „als wie“ (H.Heine).
zueinander in Beziehung
gesetzt.
56. das Zeugma Rhetorische Figur der „Die Flaschen wurden Verknappend,
(griech. Kürzung; allgemeine leerer und die Köpfe eindringlich.
zeūgma – Bezeichnung der voller“ (H.Heine); Sie
Verbindung, grammatischen Ellipse. wird mit dem Bus
Joch) Koordinierte Strukturen, deren fahren und abgeholt.
gemeinsames Prädikat zwei Er trank Bier, sie
syntaktisch od. semantisch Mineralwasser
ungleichartige Satzglieder
verknüpft.

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DIE GEBRÄUCHLISTEN STILFIGUREN
Anapher (griech. anaphora; von: ana – wieder, phoros – tragende – das (im
Text) Hinauftragende). Auch: Anaphora – f (Pro-Form).
1) Sprachliche Einheit, die zu einer anderen sprachlichen Einheit
(Antezedens) im vorangehenden Kontext in einer anaphorischen Beziehung steht.
Das Auftreten von A. ist ein charakteristisches Merkmal von Texten. Als A. gelten
vor allem Pronomina, z. B. Otto hat einen Roman gelesen. Er hat ihm gut gefallen.
Darüber hinaus werden auch bestimmte Formen von Ellipse als A. verstanden, z. B.
Johann hat auch einen gelesen. oder Johann (hat) auch.
2) Stilfigur der antiken Rhetorik, die der Steigerung des Eindrucks durch
Wiederholung gleicher Wörter oder syntaktischer Strukturen am Beginn
aufeinanderfolgender Sätze bzw. Verse dient, z.B.:
Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,
Ein jedes Volk hat seine Größe
(H. Heine. Zur Beruhigung)
Das Wasser rauscht,
Das Wasser schwoll
(J. W. Goethe. Der Fischer)
Anastrophe (griech. anastrophé – Umkehr) – rhetorische Figur der
Umstellung: Änderung (auch inversio) von der üblichen Wortsetzung des
attributiven Adjektivs (Hänschen Klein, Röslein rot) oder Voranstellung des
Genitivattributs (des Lebens höchstes Glück, des Mädchens süsser Kuss; des Alters
grosse Chance). Dazu auch: 1) Topikalisierung (besonders eines Prädikativs), z. B.
Bedeutend war das Treffen; 2) die Umkehrung der sachlich-semantisch korrekten
Abfolge, z. B. Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüssen. (J. W. Goethe. S. auch
Hyperbaton)
Antezedens (лат. antecedere – vorausgehen).
1) In der Formalen Logik erste Aussage (Prämisse, Ergebnis) in einer
Aussagenverknüpfung.

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2) In der Linguistik sprachlicher Ausdruck, auf den eine Anapher (z. B. ein
Pronomen) beim Referieren zurückverweist: Helga, die den fremden Jungen zuerst
sah, … (Helga ist A. zu die).
Antiklimax, die (griech. anti – gegen, klimax – Leiter, Treppe) – die
absteigende (fallende) Aufzählung mit umgekehrter semantischer Folge. Übergang
vom stärkeren zum schwächeren Ausdruck, vom Wichtigeren zum weniger
Wichtigen.
Antithese (griech. antithesis – Gegensatz) – rhetorische Figur der
semantischen Wiederholung: kontrastierende Gegenbehauptung, Entgegenstellung
der Begriffe, meist in der Form eines syntaktischen Parallelismus oder Chiasmus
(siehe!), z. B.:
Friede den Hütten! Krieg den Palästen! (Büchner).
Sie sang mit wahrem Gefühle und falscher Stimme. (H. Heine)
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser (H. Heine)
Die A. ist ein beliebtes Stilmittel der persuasiven (lat. persuadere –
überzeugen, überreden) Sprache von Politik und Konsumwerbung, z. B.: Arbeit statt
Reden; … wäscht nicht nur sauber, sondern rein.
Antonomasie (griech. ant – anstatt, onoma – Name) – rhetorischer Tropus:
Ersatz eines Eigennamens durch ein umschreibendes Appellativum (Gattungsname)
oder eine Periphrase, z. B. der Allmächtige (Gott), Barbarossa (Rotbart), Ewige
Stadt (Rom), die Blumenstadt (Erfurt), ukrainische Palmyra (Odessa). Auch
umgekehrt für die appellativische Verwendung eines Namens: ein zweites Paris,
eine Odyssee usw.
Apposition (lat. appositio – Zusatz, Beisatz, das Hinsetzen) – fakultative
Konstituente einer Nominalphrase, die syntaktisch und referentiell mit dem
nominalen Kern übereinstimmt. Die A. ist (nach Duden) substantivische nähere
Bestimmung (Attribut), die meist im gleichen Fall steht wie das Substantiv od.
Pronomen, zu dem es gehört, z. B.: Jaroslaw der Weise; sie als schöpferische
Persönlichkeit.
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Archaismus (griech. archaios – altertümlich) – Stilmittel der Rhetorik:
effektvoller Gebrauch veralteter Ausdrücke mit poetischer, pathetischer oder
ironischer Konnotation, z. B. Mann (Brot), Minne (Liebe), Wonne (Genus, Freude),
Hort (Verborgenes, Ort, Institution), Anbeginn (Beginn) oder aus ideologischen
Gründen, z. B. Gau (Gebiet), Maid (junges Mädchen) u a. m.
Asyndeton, das (griech. a – syndetos – unverbunden) – rhetorische Figur der
syntaktischen Wiederholung: Aufzählung und konjunktionslose Verknüpfung von
Elementen in einem Satz mit gleicher syntaktischer Funktion, z. B. veni, vidi, vici
(Caesar); alles rennet, rettet, flüchtet (F. Schiller. Das Lied von der Glocke).
Man unterscheidet auch die polysyndetische Verbindeng (griech.
polysyndetos – das Vielverbundene), d.h. Verknüpfung mehrerer funktionsgleicher
syntaktischer Einheiten durch dieselbe Konjunktion (in der Regel – Konjunktion
und), z. B.: Und es wallet und siedet und brauset und zischt … (F. Schiller. Der
Taucher)
Augmentation (лат. augmentum – Vermehrung, Zuwachs, Zusatz).
Augmentativa oder Vergrößerungsbildungen sind die mittels bestimmter Suffixe
gebildete desubstantivische oder deadjektivische Ableitungen, die eine
Vergrößerung des bestimmten Gegenstandes anzeigen. Eine Reihe von
Augmentativa gehören zu den Präfixoiden mit Spitzen-, Bomben-, Riesen-, Höllen-
, Affen-, Hunde-, Top-, Monster- u a. Häufig zu treffen sind Augmentativa auch bei
den Adjektiven. Viele der jetzt gebräuchlichen mehrgliedrigen Adjektivbildungen
sind der Handels- und Werbesprache zu verdanken, z.B.: knitterfest, tischfertig,
schlüsselfertig, griffgünstig, pflegeleicht, hautverträglich, fußgerecht, markgerecht,
preisgünstig und a. m.
Im Deutschen wird dieser Terminus auf eine grosse Zahl emotional gefärbter
Präfixode angewandt, die (bes. in der Jugendsprache) der Ausdrucksverstärkung
dienen, z.B. Riesen -, Spitzen-, Bomben-, Höllen-, Mords-, Pfunds-; sau-, hoch-,
tod-, stock-, vgl. Riesenspass, Spitzengehalt, -zeit, Mordshunger; sauwohl. Auch
Präfixe können den Basisinhalt steigern: Un-menge, ur-plätzlich, erz-reaktionär.

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Barbarismus, der (griech. barbaros – nicht griechisch) – Bezeichnung der
antiken Rhetorik für den fehlerhaften Gebrauch eines Wortes; sprachwidriger
Ausdruck. Man versteht Barbarismen als Verstoß gegen die Sprachregeln od. die
Spracheinheit. Grober sprachlicher Fehler.
Chiasmus, der (griech. chiasmós – Überkreuzstellung) – nach der Gestalt des
griech. Buchstabens (Chi = X): syntaktische Stellung von Kreuzweise aufeinander
bezogenen Wörtern od. Redeteilen (Duden). Ch. ist also rhetorische Figur der
syntaktischen Wiederholung, er dient häufig als syntaktische Form der Antithese, z.
B. Die Stadt ist gross, und klein ist das Gehalt (Kästner); oder: gross war der
Einsatz, der Gewinn war klein; Lange Rede, kurzer Sinn u. a.
Diminutivum, das, Pl. Diminutiva (lat. deminuire – abnehmen). Auch:
deminutivum, Verkleinerungsform. Mittels gewisser Suffixe wie –chen und –lein
(Häuschen, Häuslein) sowie – fette (Stiefelette), frz. ette (Maisonette) od. eines
Präfixes, z. B. Mini- (Ministaubsauger, Minicar, Minisportplatz) abgeleitete
Substantive, die die Bedeutung des Stammes in der Regel als „Verkleinerung“
modifizieren, aber auch emotionale Einstellung des Sprechers signalisieren können
(Mütterchen, Problemchen). Letztere werden als Hypokoristinum bezeichnet.
Elativ, der (lat. elatio – Emporhebung) – höchste Steigerungsstufe des
Adjektivs zur Bezeichnung eines hohen Grades einer Eigenschaft, aber ohne
vergleichende Komponente. Das Russische verfügt über morphologische
Kennzeichnungen des E. Im Deutschen wird der Elativ durch adverbiale
Umschreibungen ausgedrückt: z. B. ukr. високоповажний, вельмишановний; rus.
милостивейший государь, достопочтеннейший сударь; de. aüsserst, höchst,
enorm, überaus usw.
Ellipse (griech. elleipsis – Auslassung). Aussparung von sprachlichen
Elementen, die aufgrund von syntaktischen Regeln oder lexikalischen Eigenschaften
(z.B. Valenz eines Verbs) notwendig sind. Es gibt verschiedene Konstruktionen, die
sich als Ellipse auffassen lassen: a) Koordinations – Reduktion, bei der identisches
Material ausgelassen wird. Er trank Bier und sie (trank) Wein; b) Lexikalische
Ellipse, die von der Valenz geforderte Ergänzungen betrifft, vgl. Die Hühner legen
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(Eier); c) In Frage-Antwort-Paaren wird identisches, d.h. in der Frage vorerwähntes
Material ausgelassen, vgl. Wer kommt morgen – Karine (kommt morgen); d) In
Imperativsätzen findet eine obligatorische Ellipse des Subjekts statt, vgl. Geh nach
Hause…
Emphase (griech. emphasis – Nachdruck) – 1) Allgemein: Verstärkung einer
kommunikativen Absicht durch verschiedenartige sprachliche Mittel wie Prosodie,
Wortwahl und Wortstellung. 2) Rhetorischer Tropus, Sonderfall der Synekdoche:
semantisch prägnante (четкий) Verwendung eines Wortes, in der spezielle, meist
konnotative Merkmale aktualisiert werden, z. B. Sei ein Mann! (Sei männlich! Hier
bin ich Mensch, hier darf ich's sein (Goethe). E. liegt auch vor in scheinbaren
Tautologien oder Pleonasmen wie Geschäft ist Geschäft oder eine weibliche Frau.
Epitheton (griech. epi – theton – Hinzugefügtes, Adjektiv). Bezeichnung der
Rhetorik für attributiv gebrauchte Adjektive und Appositionen). E. bezieht sich
besonders auf semantisch ungewöhnliche Verbindung (z. B. das zärtliche Grün)
oder spezielle Kennzeichnungen wie Orest, der Muttermörder / der Rächer des
Vaters.
Figura Etymologica. Rhetorische Figur der Wiederholung, Sonderfall des
Polyptoton: Koppelung stammverwandter Wörter, z. B. eine Grube graben, Wäsche
waschen, mässig – aber regelmässig, sein Leben leben, einen schweren Gang gehen.
Geminatio (lat. geminatio – Verdoppelung). Rhetorische Figur: unmittelbar
folgende Wiederholung eines Ausdrucks, z. B. Singet leise, leise, leise (Brentano).
Vgl. Anapher, Epipher.
Hyperbaton, das (griech. hyperbaton auch transgressio – Überschreitung,
Umstellung) – rhetorische Figur der Umstellung. Trennung syntaktisch
zusammengehörender Wörter durch eingeschiebene Satzteile, z. B. Da macht ein
Hauch mich von Verfall erzittern (Trakl).
Hyperbel, die; auch Hyperbole (griech. hyperbole – Übertreibung).
Rhetorischer Tropus: übertreibende Bezeichnung einer Sache zum Zweck der
Verfremdung, Aufwertung oder emotionalen Wirkung, z. B. Schneckentempo,
todmüde, Herz aus Eisen, Haar – Studio, Luxusherd. An der Lektüre wäre er fast
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verrückt geworden; Das dauert mal wieder eine Ewigkeit; Darf ich dazu zwei, drei,
ein paar (Sätze, Worte) sagen?
Hypokoristinum, das (griech. hypokoristikon – Kurz-, Kosename) – vertraute
Kurzform eines Namens, Kasename, oder Ausdrücke mit verkleinernder oder
zärtlicher Bedeutungskomponente, dessen Bildung durch Suffixe (z. B. Schätzchen)
Kurzforme (Fritz für Friedrich; Berti für Berthold) oder Silbenverdoppelung (frz.
fifille, chau-chau) u. a. erfolgen kann.
Vgl. Litotes. Die Beziehungen, innerhalb deren eine metonymische
„Verschiebung“ möglich ist, können sehr verschiedenartiger Natur sein: Wohnort –
Bewohner; Jahrhundert – Menschen dieses Jahrhunderts; Mensch – Eigenschaft;
Gegenstand – Merkmal; Behälter – Inhalt; Ursache – Wirkung; Art – Gattung u.a.m.
Hysteron proteron (griech. – das spätere zuerst) Vgl. Anastrophe. So nennt
man die Vertauschung zeitlicher oder kausaler Abfolgen, z. B. „Ihr Mann ist tot und
lässt sie grüssen!“ (Goethe: Faust I).
Ironie (griech. eironeia – Verstellung im Reden). Rhetorischer Tropus. Ersatz
des Gemeinten durch einen entgegengesetzten Ausdruck. Dabei ist das Gemeinte,
das Eigentliche erst aus dem Kontext abzuleiten, z. B. die ironische Bedeutung der
historischen Weisheit der Deutschen. Kennzeichnend für ironisches Sprechen sind
doppeldeutige oder konträr strukturierte Ausdrücke, die implizit auf Gegenteiliges
hinweisen, z. B. durch Polysemie od. Homonymie, durch Antonymie (Du bist
entzückend = gemein), durch Kontrastbildung (Körperlich ist er ein Riese). Um
Ironie erkennbar und damit wirkungsvoll zu machen, muss der Kontrast zwischen
Gesagtem und Gemeintem möglichst gross sein.
Als ein Grundtyp der Übertragung kann die Metonymie genannt werden. So
Zitat: Österreich lacht – Brasilien zittert. Hier steht der Ländername für die
sportbegeisterten Angehörigen dieser Länder: Österreich für Österreicher, Brasilien
für die Brasilianer. Noch ein Beispiel: Lügen verderben die guten Sitten. Das heisst,
Personen, die Lügen hervorbringen, verderben die guten Sitten.

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Idiom, das (griech. idios – eigentümlich). Auch: festes Syntagma,
idiomatische Wendung, Makrosemem, Phraseologismus, Redewendung. Feste,
mehrgliedrige Wortgruppe bzw. Lexikoneinheit mit folgenden Eigenschaften:
1. Die Gesamtbedeutung kann nicht aus der Bedeutung der Einzelelemente
abgeleitet werden, z. B. auf der Bärenhaut liegen (faulenzen); jemanden auf die
Palme bringen (j-n wütend machen).
2. Der Austausch von Einzelelementen ergibt keine systematische
Bedeutungsveränderung, vgl. j-n auf die Birke bringen.
3. In wortwörtlicher Leseart ergibt sich eine homophone (gleichlautende),
nicht ideomatische Variante, für die die Bedingungen 1 und 2 nicht gelten; vgl.
Metapher.
Je nach theoretischem Vorverständnis werden auch Sprichwörter, literarische
Topoi (Sg. Topos, der = feste Wendung, feststehendes Bild), Funktionsverb (gefüge)
und Zwillingsformeln unter Idiom zusammengefasst.
Ideomatik, (auch: Phraseologie) – Erfassung, Beschreibung und
Klassifizierung der Gesamtheit der Idiome einer Sprache.
Inkompatibilität (frz. incompatible = unverträglich) – semantische Relation
des lexikalischen Bedeutungsgegensatzes, z.B. Husten vs. Höchstgeschwindigkeit;
Hirschkuh vs. Pferd. Zwei Ausdrücke sind inkompatibel auch dann, wenn sie
größere semantische Gemeinschaften aufweisen, sich aber bezüglich einer
inhaltlichen Dimension unterscheiden, z.B. Rappe vs. Schimmel: beide sind
hyponym zu Pferd, unterscheiden sich aber bezüglich der Dimension (Farbe).
Isokolon (griech. gleiches Segment) = Parallelismus (griech. parallelismos
– Nebeneinanderstellen). Rhetorische Figur der Wiederholung: syntaktisch
gleichartige Konstruktionen koordinierter Sätze od. Phrasen, z. B. So war er, so
starb er, so wird er leben für alle Zeiten. Vgl. Chiasmus.
Isotopie (griech. isos topos – derselbe Ort). Aus der Chemie überkommener
Begriff der Textlinguistik: Wiederkehr von Wörtern desselben Bedeutungs – bzw.
Erfahrungsbereichs in einem Text, z. B. Arzt, Fieber, Spitze, Honorar; Schule,
Schüler, Stunde, Lesebuch, lernen usw. Die Isotopie beruht auf Wiederholung eines
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semantischen Merkmals, ist also ein Sonderfall der Wortwiederholung, der
Rekurrenz, und damit ein textbildendes Mittel der Kohäsion bzw. Kohärenz.
Juxtaposition (lat. iuxta – dicht daneben; ponere – setzen). Allgemein:
Aneinanderreihung von Einzelelementen. Handelt es sich bei dem zu
determinierenden Nomen um einen Eigennamen, so hat man die
(postdeterminierenden) Apposition von der (prädeterminierenden) Juxtapposition
zu unterscheiden, z. B.
Apposition Juxtapposition
- ein Aufsatz über Goethe, den Dichter - der Weintrinker Goethe schrieb auch
und Weintrinker … herrliche Trinklieder
Vgl. Apposition
Katachrese od. Katachresis, die (griech. katachresis – Missbrauch) –
verblasste Bildlichkeit, gelöschte Metapher. Verwendung eines rhetorischen Tropus
zur Benennung eines Gegenstandes, für den es (anders als im Falle der Metapher)
sonst keine Bezeichnung gibt, z. B. Tisch-Bein, Fluss-Bett, Tal-Sohle. Oft dient die
Katachrese zur Benennung neuartiger Gegenstände der Technik, z. B.
Fuchsschwanz (Säge), Fischauge (Weitwinkelobjektiv).
Katapher, auch Kataphora, die (griech. kataphorein – herabbewegen). In
Analogie zu Anapher geprägter Terminus, der ein Sprachelement bezeichnet, das
auf folgende Information innerhalb eines Äusserungskontexts vorausweist. Als
kataphorische Elemente kommen Determinanten und Pronomina vor, z. B. Als er
abdankte, war Ludwig I ein verbitterter Mann.
Klimax, die (griech. klimax – Leiter, Treppe; lat. climax – Steigerung des
Ausdrucks) – rhetorische Figur der Wiederholung: Folge von Ausdrücken, die im
Sinne einer Steigerung angeordnet sind, z. B. Veni, vidi, vici (Caesar).
Kohyponymie = Hyponymie (siehe: Inkompatibilität).
Kollokation (lat. collocatio – Anordnung). Auch: Distribution,
Kompatibilität, Selektion. Der Terminus ist eingeführt für charakteristische, häufig
auftretende Wortverbindungen, deren gemeinsames Vorkommen auf einer

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Regelhaftigkeit gegenseitiger Erwartbarkeit beruht (ist semantisch begründet):
Hund-bellen; Nacht-dunkel usw.
Konzession (лат. concessio – Zugeständnis) – scheinbares Zugeständnis des
Sprechers, das anschliessend wieder eingeschränkt oder durch Gegenargumente
überboten wird. Z. B.: Gut ist er, da hast du Recht, aber für den ersten Platz wird
das nicht reichen.
Konzessivsatz (lat. concessio – Zugeständnis). Semantisch spezifizierter
Nebensatz, der ein Zugeständnis ausdrückt, das zum Inhalt des Hauptsatzes im
Widerspruch steht, z.B.: Selbst wenn er sich noch so sehr anstrengt, wird er dennoch
nicht Präsident werden. Ein K. kann auch einen Umstand bezeichnen, dessen zu
erwartende Folge nicht eintritt: So flink sie auch war, sie konnte ihn nicht mehr
erreichen. K. werden im Deutschen durch Konjunktionen wie obschon, obgleich,
trotzdem (dass), wenn … auch oder durch verallgemeinernde Ausdrücke wie wer
auch (immer) eingeleitet.
Kurzsatz (engl. minor sentence) – meist situationsbezogene, unvollständige,
Äusserungen wie Zweimal Berlin und zurück! Das Gleichbedeutende noch einmal!,
die in der Regel als Ellipsen verstanden werden.
Kurzwort (engl. clipping) – aus einem zusammengesetzten Wort durch
Verkürzung gebildete Variante des Ausgangswortes. Man unterscheidet:
Kopfwörter (der erste Teil wird verwendet): Uni(versität), Foto(graphie),
Disko(theke);
Schwanzwörter (der Anfang des Wortes wird weggelassen), auch
Endwörter: (Omni)Bus, (Violin)Cello;
Klammerformen (der mittlere Teil kann übergangen werden:
Fern(sprech)amt, engl. news(paper)boy;
Wörter, die aus Bestandteilen eines od. mehrerer Wörter gebildet sind:
Kripo – Kriminalpolizei, Schupo – Schutzpolizei.
Metapher (griech. metapherein – anderswohin tragen). Stilfigur der antiken
Rhetorik. M. sind sprachliche Bilder, die auf einer Ähnlichkeitsbeziehung zwischen
zwei Gegenständen bzw. Begriffen beruhen, d. h. aufgrund gleicher oder ähnlicher
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Bedeutungsübertragung (z. B. der Himmel weint für „es regnet“; die Sonne lacht für
„die Sonne scheint hell“). Noch eine Bestimmung dazu: M. ist sprachlicher
Ausdruck, bei dem ein Wort (eine Wortgruppe) aus seinem
Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen, als Bild verwendet wird (z.
B. das Geld ihrer Haare). Demzufolge liegt der M. ein bildlicher Vergleich
zugrunde, z. B. Es kam vor, dass eine Wolke aussah wie eine Flöte (Brežan). Es sei
noch bemerkt, dass Metaphern nicht immer „anschaulich“ (einfach, konkret, das
Verständnis erleichternd) sind. Sie können sehr anspruchsvoll und doch von starker
Wirkung in der Kunst, Wissenschaft oder politischen Publizistik sein; sie können
aber auch unverständlich und undurchsichtig sein und damit an Wirkung verlieren.
Vgl., z. B., die Verse:
Lispelnder Regen. Grünes Gedächtnis.
Windhalmgeflüster im leisesten Wind.
Auch dieser Sommer wird schon Vermächtnis:
Tage, die staubgrau vergangen sind. (H.Heine)
Das Interesse der Einzelforschungen finden (erwecken) dabei: Bildungsweise,
Erscheinungsformen, Wortbildungen der Metaphern. Gesprochen wird in diesem
Kontext von einem alltäglichen, pragmatischen, literarischen, individuellen und
kollektiven Metapherngebrauch in den verschiedenen Zeiten, Formen und
Sprachschichten.
Für die formale Metapherngliederung lassen sich differenzieren (nach B.
Sowinski):
- substantivische M. (z. B. Fingerhut, Linienfinger u. a.);
- adjektivische M. (z. B. spitze Bemerkungen, brennende Frage);
- verbale M. (z. B. sich zügeln, Segel blühen – Goethe);
- abgegriffene, tote M. (z. B. zurücktreten);
- neuartige M. (z. B. umpolen – d. h. die Pole vertauschen);
- konventionelle vulgäre M. (z. B. einen Dachschaden haben, ein Loch im
Kopf haben);

66
- poetische M. (z. B. es erzählen die Wellen von anderen Zeiten – J. Becher;
Der Wind zieht seine Hosen an …);
- Genitiv-M. (z. B. des Wahnsinns sanfte Flügel);
- Kompositions-M. (Wort-M., Satz-M., Text-M.).
Metonymie (griech. metonymia – Umstellung) – rhetorischer Tropus: Ersatz
eines Ausdrucks durch eine sachlich verwandte Bezeichnung; der semantische
Zusammenhang ist kausaler, räumlicher oder zeitlicher Art, also weiter als bei der
Synekdoche (siehe S.), doch enger als bei der Metapher (S.) Beispiele
metonymischer Ersetzungen (Substitutionen):
- der Ursache durch die Wirkung, z. B. „… an den Ufern jenes schönen Stromes, wo
auf grünen Bergen die Torheit wächst (= der Wein) – H. Heine;
- der Wirkung durch die Ursache, z. B.: „Das er getrunken hatte, war nicht zu
überhören“;
- des Werkes durch den Autor, z. B.: Wir lesen Schiller (statt: Schillers Werke);
- des Inhaltes durch das Gefäß, z. B.: ein/drei Glas getrunken haben;
- des Gefäßes durch den Inhalt, z. B.: der Wein steht im Keller;
- des Ortes durch die Institution, z. B.: „Er ist in den Kreml zurückgekehrt“;
- der Institution durch den Ort, z. B.: „Berlin protestiert in Bagdad“ (statt: Die
Bundesregierung protestiert bei der Regierung des Irak);
- der Bewohner durch den Ort, z. B.: Das Weisse Haus schweigt;
- der Person durch Funktion, z. B.: (dem) Bacchus huldigen;
- des Konkretums durch das Abstraktum, z. B.: das Zepter niederlegen;
- der Rechtsordnung durch das Symbol, z. B.: „Unterm Krummstab/Bischofsstab
länger, oben meist spiralig auslaufender Stab als Zeichen der bischöflichen Würde
(= Bischöfe od. Klosterl. Regierung) ist gut leben!“
Nominativus Pendes (lat. pendere – hängen). Auch: Absoluter Nominativ.
Bezeichnung in der Stilistik für eine Sonderform der Prolepsis (Vorwegnahme). Der
N. P. ist ein isoliert dem Satz vorangestellter nominativischer Ausdruck, der
innerhalb des folgenden Satzes durch ein Pronomen od. Pronominaladverb wieder
aufgenommen wird, das aber im Kasus nicht mit dem „schwebenden“ Nominativ
67
übereinstimmt, z. B.: „Diese unendlichen Mühen, sie durfte gar nicht darüber
nachdenken“. Der N. P. ist ein Spezialfall von Linksversetzung.
Oxymoron (griech. oxymoros – scharfsinnigdumm). Rhetorische Figur der
semantischen Kürzung: paradoxe, scheinbar unsinnige Verknüpfung zweier
gegensätzlicher Begriffe in einem Wort oder in einer Phrase, z. B.: Eile mit Weile;
heisser Schnee; beredtes Schweigen; dummklug; dummschlau; ehrlicher
Deputierte; auch: trockener Humor (zu lat. Humor = Feuchtigkeit).
Palindrom, das (griech. palindroms – rückwärts laufend, zurücklaufend) –
sinnvolle Folge von Buchstaben, Wörtern od. Versen, die rückwärts gelesen gleich
lautend od. ebenfalls einen Sinn ergeben, z. B. Otto, Anna, Regen-Neger,
Reliefpfeiler u. a.
Parallelismus, der (griech. parallelismós – das Nebeneinanderstellen), auch:
Isokolon. Rhetorische Figur der Wiederholung: syntaktisch gleichartige
Konstruktion koordinierter Sätze oder Phrasen, z. B.: So war er, so starb er, so wird
er leben für alle Zeiten. Andere Bestimmung: semantisch-syntaktisch
gleichmässiger Bau von Satzgliedern, Sätzen, Satzfolgen (Duden). Z. B.:
Wir fuhren in Viehwagen nach Polen...
Er fuhr in Schlafwagen nach Moskau…
Isokolon (griech. – gleiches Segment).
Man versteht darunter die Reihung gleichartiger Sätze, Gliedsätze oder
Syntagmen, wobei der Gesamtsatz aus mehreren cola bestehen kann. Dabei
erscheint das zweigliedrige Isokolon oft als Parallelismus, z. B. in den Psalmen,
vgl. „Der Herr ist mein Hirt – er weidet mich auf grüner Aue“.
- oder als Antithese: vgl. „Sie forderts als eine Gunst, gewähr es ihr als
Strafe“ (Schiller: Maria Stuart).
- oder als Bekräftigung (interpretatio): vgl. „Ich bin entdeckt, ich bin
durchschaut“ (Schiller: Maria Stuart).
Dazu: Kolon/Kola, das – (griech. Satzglied).
Paraphrase (griech., lat. paraphrasis – Umschreibung) – Mittel zur
Erklärung, Verdeutlichung oder Interpretation kommunikativer Absichten. Auch:
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heuristischer Begriff zur Darstellung der Synonymie – Relation zwischen Sätzen
bzw. Aussagen, z. B. Philip ist älter als Julia – Julia ist jünger als Philip.
Zu unterscheiden ist zwischen folgenden Paraphrasen:
- strukturellen (syntaktischen): Sie erhalten dieses Wertpapier kostenlos –
Kostenlos erhalten sie dieses Wertpapier;
- lexikalischen: Junggeselle – unverheirateter Mann;
- deiktischen (hinweisend): Maria lebt in Dresden – Sie lebt dort;
- pragmatischen: Schliesse doch bitte die Tür – Es zieht.
Parenthese (griech. parenthesis, zu: para – neben u. enthesis – das Einfügen).
Eingeschobener (außerhalb des eigentlichen Satzverbandes stehender) Satz oder
Teil eines Satzes. Der Text wird durch die vielen Parenthesen etwas unübersichtlich.
Z.B.: Petrenko – er ist ein berühmter Sportler, ein Olympiade-Sieger – übt sich jeden
Tag.
Paronomasie (griech. paronomasia, para – entgegen, onoma – Name) –
Wortspiel durch Zusammenstellen lautlich gleicher oder ähnlicher Wörter (von
gleicher Herkunft). Z.B.: Eine Schlacht schlagen; einen guten Schlaf schlafen; einen
modernen Tanz tanzen; ein Lesebuch lesen u.a.
Pejorativum, das (lat. peior, Komparativ zu malus = schlecht), auch:
Deteriorativ (lat. peiorare = verschlechtern) abwertend, eine negative Bedeutung
besitzend. Semantische Eigenschaft von sprachlichen Ausdrücken, die negative
abwertende Konnotation auslösen. Solche Bedeutungskomponenten entstehen
sowohl durch die Neubildungen (vgl. Nasis, Spaghettis – italienische Gastarbeiter,
Ossis, Wessis), als auch durch Bedeutungswandel (vgl. Dirne, ursprünglich
„Jungfrau“). Systematisch-morphologische Mittel in der Wortbildung zur Bildung
von Pejorativa sind z. B. die Affixe –lich, -isch (kindlich – kindisch), -ler
(Versöhner, Protestler, Umstürzler, aber: Sportler, Siedler; ge- (Gesinge, Gerenne,
Geplärre, Gesindel); -ling (Schwächling, Feigling, Findling, Mischling).
Periphrase (griech. periphrasis – das Herum-Reden) – umschreibender
Ersatz eines Wortes durch eine andere, meist erweiternde und bildhafte Bezeichnung
in unterschiedlicher Form und Funktion, z. B. zum Zweck der sprachlichen
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Variation, Beschönigung, Hervorhebung, Erklärung, Konkretisierung u. a., z. B.
Zweitfrisur = Perücke, der Komponist der „Zauberflöte“ = Mozart. Eine spezielle
Form der P. ist die Definition.
Personifizierung, die (lat. personificatio), auch: Personifikation,
Vermenschlichung. Die P. ist die metaphorische, auf Ähnlichkeitsbeziehungen
beruhende Übertragung der Bezeichnung eines Menschen oder spezifisch
menschlicher Eigenschaften in die Sphäre nichtmenschlicher Sachverhalte und auch
abstrakter Erscheinungen. Z.B.: Es erzählen die Wellen von anderen Zeiten (J.R.
Becher); Der Krieg fraß Holz … (A. Zweig).
Die P. ist auch eine Sonderform zwischen den Kategorien „Belebtes“ –
„Unbelebtes“ und umgekehrt. Die P. kann auch metonymischer Art sein (s.
Metonymie). Eine spezifische Form der P. ist die feierliche Anrede (Apostrophe),
die Anrede auch an Naturerscheinungen und Abstrakta: O Glück, o glückhafte Zeit
(Fühmann).
Die P. ist auch mit dem Begriff der Synästhesie (Zusammenempfindung)
verbunden (s. Synästhesie).
Polyptoton (Pl. Polyptota; griech. polyptoton = vielfach flektiert) –
rhetorische Figur: Wiederholung eines Wortes mit veränderter Flexion, z. B. Die
Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht (Nietzsche). Vgl. Paronomasie.
Prolepse, Prolepsis, die (griech. proleipsis – Vorwegnahme) – rhetorische
Figur der Umstellung. Syntaktische Vorwegnahme eines Satzteils, z. B. durch
Linksversetzung (Einem reichen Manne, dem wurde seine Frau krank – Grimms
Märchen). Dazu auch: Vorwegnahme eines Satzgliedes, bes. Nennung (im
Akkusativ) des Subjekts eines Gliedsatzes im vorausgehenden Hauptsatz. Z. B. statt
zu sagen: „Hast du gesehen, wie die Frau aussieht? - ist möglich zu sagen: „Hast
du die Frau (Akk.) gesehen, wie sie aussieht?“
Rekurrenz, die (lat. recurrere – zurücklaufen) Begriff der Textlinguistik:
Wiederholung gleicher sprachlicher Elemente, auch Wiederholung des
Wortstammes bei veränderter Wortart (vgl. Rhetorische Figuren: Polyptoton,
Paronomasie). R. ist ein wichtiges Mittel der Textverknüpfung, der Herstellung von
70
Kohäsion bzw. Kohärenz. Dazu noch: auf etw. früher Erkanntes, Gesagtes
zurückgehen, Bezug nehmen.
Rhetorische Figur. Sammelbegriff der Rhetorik für alle Arten geplanter
syntagmatischer Abweichungen von der normalen Abfolge sprachlicher Elemente.
Die Variation kann alle Einheiten des Sprachsystems betreffen (graphematische,
phonologische, morphologische, syntaktische, semantische und pragmatische
Figuren) und zustande kommen durch:
a) Wiederholung (Alliteration, Polyptoton, Parallelismus, Paronomasie);
b) Erweiterung (Parenthese, Pleonasmus);
c) Kürzung (Apokope, Ellipse, Zeugma);
d) Umstellung/Permutation (Palindrom, Anastrophe, Hyperbaton);
e) Ersetzung/Substituton (Rhetorische Frage, Concessio, Prolepsis).
Solözismus, der (griech. soloikismos – sprachlicher Fehler); nach Art der
Bewohner von Soloi in Kilikien. Bezeichnung der antiken Rhetorik für einen
Verstoß gegen die Regeln der Grammatik. Der S. verletzt wie der Barbarismus das
Prinzip der Sprachrichtigkeit (= latinitas), die erste der Stilqualitäten der antiken
Rhetorik. Die Stilqualitäten gab es insgesamt 4: 1) Sprachrichtigkeit/latinitas; 2)
Verständlichkeit/perspicuitas; 3) Angemessenheit/aptum; 4) Schmuck/ornatus.
Synästhesie (griech. synaisthesis – Mitempfindung, Zusammenempfindung).
Vorgang und Ergebnis der Verschmelzung von Reizen bzw. Empfindungen
der verschiedenen Wahrnehmungsformen (Riechen, Sehen, Hören, Schmecken und
Tasten). Die Erregung einer dieser Wahrnehmungsweisen löst simultan die
Erregung einer anderen Wahrnehmungsweise aus, so dass es zu Phänomenen wie
Farbenhören oder Tonensehen kommt. In der Sprache spiegelt sich S. in
metaphorischen Ausdrücken, wobei ein Element in übertragener Bedeutung
verwendet wird. Bekannt sind solche Kombinationen wie schreiende Farben,
schreiendes Rot, dunkle Töne, bittere Erfahrungen/Tränen usw. So kann eine
Stimme weich (Tastsinn), warm (Wärmeempfindung), scharf (Geschmack) oder
dunkel (Sehen) sein.

71
Originelle Bildungen dieser Art der Metapher finden sich in der
Künstlerischen Literatur, z. B. „Es durchdrang mich eine bitterscharfe, stahlblanke,
eisige Heiterkeit“ (Hesse, Der Steppenwolf). Oder „Ihre tiefe, grollende Stimme
schien beladen mit düste-süssem Geheimnis“.
Kurz gefasst ist S. sprachlich ausgedrückte Verschmelzung mehrerer
Sinneseindrücke.
Synekdoche (griech. synekdoche – das Mitverstehen). Rhetorischer Tropus,
der als spezielle Form (Untergruppe) der Metonymie angesehen wird. Solche
semantische Figuren (Tropen) wirken wie Hinweisschilder für das Gemeinte. Sie
beruhen auf der Beziehung: Teil-Ganzes (pars pro toto) oder Ganzes-Teil (totum
pro parte). Beispiele: Sie ging zur Bühne (ins Theater); Moskau/Kreml (Russland)
begrüsst das Abkommen für die Reduzierung der Atomwaffe; an Bord gehen
(Schiff); von Bord gehen; Mann über Bord! Bord N. (Flugzeug) landete im
Flughafen Kyjiw. Die ganze Stadt (Bevölkerung der Stadt) begrüßte die
Kosmonauten.
Synesis, die (griech. synesis – Verstand, Sinnzusammenhang), auch:
Constructio ad Sensum. Interpretation einer syntaktischen Struktur nach inhaltlichen
statt grammatischen Aspekten, wie sie häufig Ursache ist für Unsicherheit bei
Kongruenz, z. B. Eine Menge (Sg.) sonderbarer Bücher lag (Sg.) / lagen (Pl.) auf
dem Tisch.
Synkope, die (griech. synkope, zu synkoptein – zusammenschlagen). Ausfall
eines unbetonten Vokals zwischen zwei Konsonanten im Wortinnern, z. B. mhd.
Obest – nhd. Obst; ew'ger, heut'zutage u. a.
Vgl. auch Apokope.
Textanalyse, die – jede Form von grammatischer, stilistischer, rhetorischer,
literaturwissenschaftlicher Beschreibung bzw. Interpretation von Texten.
Tropus, der (Pl. Tropen; griech. tropos – Wendung). Begriff der Rhetorik für
Ausdrücke mit übertragener Bedeutung (z. B. Metaphern), die durch eine
semantische Substitution zustandekommen. Tropen werden klassifiziert nach ihrem

72
semantischen Verhältnis zum „eigentlichen“, substituierten Wort, z. B. als
Antonomasie, Emphase, Ironie, Litotes, Metapher, Metonymie, Synekdoche u. a.
Zeugma, das (griech., lat. zeugma – Verbindung, Joch). Rhetorische Figur der
Kürzung, Bezeichnung der grammatischen Ellipse, z.B. Er trank Bier, wir Wein. Z.
wird gebraucht für solche koordinierenden Strukturen, deren gemeinsames Prädikat
zwei syntaktisch oder semantisch ungleichartige Satzglieder verknüpft. Z. B.: Ich
werde mit dem Zug fahren und abgeholt; Die Flaschen wurden leerer und die Köpfe
voller (H. Heine); Er reiste mit Frau und Regenschirm.

73
STILMERKMALE (STILZÜGE)

Für die stilistische Charakteristik eines Textes reicht es nicht aus, lediglich
die Stilelemente und Stilfiguren aufzuzählen. Der Stil in seiner Ganzheit ist mehr als
die Summe seiner Elemente. Daher ist es wichtig, jene Besonderheiten (Merkmale)
der Stilqualität zu erkennen, die für einen Text oder einen Texttyp charakteristisch
sind. Soweit wir sehen, geht es um die Stilmerkmale (auch Stilzüge), die die
charakteristischen Eigenschaften der Sprache eines Textes wiederspiegeln.
Stilmerkmale beruhen auf der Wiederholung oder Mischung von Stilelementen, also
auf Besonderheiten der grammatischen Form, des Wortschatzes oder der
Textstruktur. Nebenbei bemerkt, die grammatische Form kann nominal oder verbal
sein; Wortschatz – vulgär, modern, bildhaft; Textstruktur – argumentativ,
anschaulich, langweilig usw.
Große Bedeutung wird im Text solchen Stilbesonderheiten beigemessen,
die sich aus dem Relationsgefüge und Zusammenwirken der einzelnen Stilelemente
ergeben. Sie sind nicht an ein einzelnes sprachliches Mittel realisiert werden können.
So kann etwa das Merkmal Kürze (Verdichtung) im Unterschied zur Länge
(Ausdehnung) auf folgenden Stilelementen im Text beruhen:
Kürze Länge
1) Kurzwort Vollform
USW Ultraschallwellen
FDGB Freier Deutscher Gewerkschaftsbund
2) Zusammensetzung Wortgruppe
Lebenseindruck Eindruck für das ganze Leben
3) Fachwort gemeinsprachliche Umschreibung
Fahrzeug Maschine zum Fahren, zum Befördern
von Personen od. Lasten
4) prädikative Normalform prädikative "Streckform"
etw. beweisen; etw. unter Beweis stellen;
verweisen einen Verweis erteilen;
74
aus dem Land ausweisen
5) Satzglied Gliedsatz
Dein Ratschlag hat mir sehr Dass du mir einen Rat(schlag) gegeben
geholfen. hast, hat mir sehr geholfen.
6) elliptischer Satz vollständiger Satz
Pferdestärke: Der Ausdruck "Pferdestärke" ist ein
Begriff der Physik; frühere Terminus für die Bezeichnung der
Maßeinheit der Leistung Leistungseinheit

Im konkreten Text sind die Verhältnisse allerdings komplizierter. Eine so


einfache Gegenüberstellung erscheint kaum möglich; denn es kommt in
Wirklichkeit vor, dass zwei Texte genau oder annähernd genau die gleichen
Informationen vermitteln und dabei der eine Text das Merkmal der Kürze, der
andere das der Länge aufweist. Die stilistischen Merkmale „Kürze“ und „Länge“
stehen außerdem in einem gewissen Zusammenhang mit solchen
Textbesonderheiten wie Knappheit oder Ausführlichkeit in der inhaltlichen
Wiedergabe eines Denotatskomplexes.
Ähnliche Zusammenhänge und Wechselbeziehungen gibt es bei anderen
Stilmerkmalen, etwa bei der Frage, ob etwas anschaulich-konkret oder begrifflich-
abstrakt dargestellt wird. Auch hier ist zwischen der Art der sprachlichen
Formulierung (Stilmerkmale) und der Art des kommunikativen Vorgehens zu
unterscheiden. Das Kommunikationsverfahren determiniert und impliziert
stilistische Möglichkeiten.
Es gibt also folgendes: Stilmerkmale (Stilzüge) sind abhängig von den im
Text sprachlich zu realisierenden Komponenten (Konstituenten) eines Textes.
Stilmerkmale eines Textes sind unter zwei Hauptaspekten zu erfassen:
1) quantitativ – strukturell, das begrifft die Häufigkeit (Frequenz), die
Verteilung (Distribution) und die Verbindung (Kombination) der Stilelemente im
Textganzen;

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2) qualitativ – funktionell, das begrifft die in der Semantik und Gebrauchsweise
der Stilelemente des Textes angelegten Wirkungspotenzen. Eine wesentliche Rolle
spielen dabei die sogenannten konnotativ – semantische Äquivalente.
Zur qualitativ – funktionellen Kennzeichnung der Stilqualität von Texten
gehören außer den Konnotationen auch solche Merkmale wie "Kürze" – "Länge",
"Konkretheit" - "Abstraktheit", "Lockerheit" - "Straffheit", "persönlich" -
"unpersönlich/förmlich" u.a.m.
Wie bei den einzelnen Stilelementen ist auch bei Stilmerkmalen eines
Textes immer die Abhängigkeit der Ausdruckswahl von der
Kommunikationsabsicht, von Thema, Darstellungsgegenstand,
Darstellungsverfahren, von der Darstellungsperspektive und weiteren Faktoren in
der Textgestaltung zu beachten, also der dialektische Gesamtzusammenhang der
äußeren und inneren Bedingungen im Kommunikationsprozeß.

Kriterium Stilmerkmale (Beispiele)


- verbal, nominal
1. Wortarten
- verbal, substantivisch, adjektivisch
- parataktisch(koordinierend),
2. Satzformen hypotaktisch(subordinierend)
- Periodenstil
- syndetisch, asyndetisch,
3. konjunktionale Verbindungsart polysyndetisch
- kopulativ, adversativ, kausal…
- figurativ(figurenreich)
- metaphorisch, metonymisch
4. Stilfiguren - personifizierend, allegorisierend,
gleichnishaft
- periphrastisch
- normalsprachlich (neutral), gehoben,
salopp…
5. Stilschicht/Stilfärbung
- abwertend, gespreizt, spöttisch,
vertraulich…
- Fremdwortstil
6. lexikalische Schichten
- archaisierend, anachronistisch
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- fachsprachlich, gruppensprachlich
7. Redundanzgrad (nicht unbedingt - aufgelockert, verdichtet
notwendig) - knapp, weitschweifig, umständlich
8. Grad der sprachlich expliziten - streng logisch verbunden, logisch
Wiedergabe logischer locker gefügt
Zusammenhänge - klar, verschwommen
- wahrheitsgemäß, wahrheitsfördernd
9. Erkenntniswert der verwendeten
- demagogisch, manipulierend,
sprachlichen Mittel
heuchlerisch
- parteilich
10. Ausdruck moralischer Qualitäten
- offen, ehrlich, mutig…
- überzeugend
- eingehend (auf den Partner)
11. Partnerbezogenheit
- beeindruckend
- förmlich, ungezwungen…
- bildhaft, anschaulich, gegenständlich
12. Anschaulichkeitsgrad
- abstrakt
- sachbetont, erlebnisbetont
13. Emotionalität - nüchtern, emphatisch
- lyrisch, hymnisch…
- dynamisch, statisch
14. Dynamik - variationsreich, gleichbleibend,
monoton…
- schlicht, einfach, natürlich
15. Kompliziertheitsgrad - anspruchslos, ausdrucksarm…
- kompliziert, manieriert…

77
TROPEN
Der Tropus (griech. trópus > lat. tropus) bedeutete anfänglich Gesang (sweise).
Zur Zeit versteht man darunter den Begriff der Rhetorik für Ausdrücke mit übertragener
Bedeutung. Das ist mit anderen Worten die feststehende bildhafte Ersatzbezeichnung.
Folglich geht es um eine Ersetzung (immutatio) des ursprünglichen Wortes durch ein
anderes.
Bereits die antike Rhetorik unterschied die leichtere Form der Verschmelzung
Grenzverschiebungstropen und die stärkere Verschmelzung Sprungtropen1.
Die Grenzverschiebungstropen
Als Grenzverschiebungstropen kommen nach der traditionellen Rhetorik in
Betracht:
1. die Umschreibungen (Periphrasen);
1.1. die Antonomasien (besondere Beschreibungen von Eigennamen);
2. die Synekdoche;
3. die Emphase;
4. die Litotes;
5. die Hyperbole;
6. die Metonymie.
Die Umschreibungen
Bei der Beschreibung nennt man nicht das für den Begriff zutreffende Wort oder
ein Synonym, sondern umschreibt seinen Inhalt. Am einfachsten geschieht dies in
Definitionen oder Wörterbucherläuterungen. Ein Schiffsjunge lässt sich z.B. umschreiben
als «Jugendlicher, der auf einem Schiff als Matrose ausgebildet wird». Ein Grünschnabel
bedeutet umschreibend «junger, unerfahrener, aber oft vorlauter Mensch; Neuling».
(Duden)
Eine besondere Form der Umschreibung ist die Antonomasie, die den Eigennamen
meidet und dafür eine Gattungsbezeichnung (ein Appellativum) oder eine Periphrase
einsetzt (lat. appelare – mit dem Namen bezeichnen). So kann man z.B. angewandt auf
W.C. Röntgen sagen: «Entdecker der Röntgenstrahlen»; anstatt Erfurt - «Blumenstadt»;

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anstatt Mykolajiw – «Stadt der Schiffbauer»; dazu noch: der Allmächtige (Gott); eine
Odyssee (Abenteuer); das Eldorado (Traumland, Wunschland, Paradies) u.a.m.
Die Synekdoche (griech. =Mitverstehen) Rhetorischer Tropus, Bezeichnung einer
Sache mit einem semantisch engeren (partikularisierende S.) oder weitern Begriff
(generalisierende S.). Ein gemeintes Wort wird durch einen Ausdruck ersetzt. Die Grenze
des Begriffsinhalts wird hierbei überschritten oder unterschritten. Möglich sind z.B. der
Ersatz einer Art durch die Angabe einer Gattung, eines Teiles durch das Ganze, des
Produkts durch den Rohstoff, des Singulars durch den Plural.
Das kann man an bestimmten Beispielen anschaulich machen:
- von der Art zur Gattung: die Sterblichen = die Menschen;
- von der Gattung zur Art: unser täglich Brot = unsere Nahrung;
- vom Teil zum Ganzen (pars pro toto): unter meinem Dache = in meinem Hause;
Washington = USA; Berlin = Deutschland; ein kluger Kopf = kluger Mensch;
- vom Ganzen zum Teil (totus pro parte): Die Russen (die Sowjetarmee) haben vor/bei
Stalingrad einen großen Sieg errungen.
- vom Singular zum Plural: wir meinen/denken = ich meine/denke;
- vom Plural zum Singular: der Brite (Schiller, «M.Stuart») = die Engländer.
- vom Produkt zum Rohstoff: ein Silber (eine Silbermedaille).
Die Emphase (griech. émphasis - Nachdruck). In der antiken Rhetorik war die
Emphase ein Sonderfall der Synekdoche, und bedeutete: semantisch prägnante
Verwendung eines Wortes, in der spezielle, meist konnotative Merkmale aktualisiert
werden. Heutzutage versteht man darunter die (emphatische) Hervorhebung
(Verstärkung) einer Aussage. Dazu gebraucht man verschiedenartige sprachliche Mittel
wie Prosodie, Wortwahl oder Wortstellung.
Beispiele: Sei ein Mann (Sei männlich!); Hier bin ich Mensch, hier darf ich´s sein
(Goethe «Faust»); Und weil der Prolet ein Prolet ist…(B.Brecht). Er war ein Deutscher
und ist deutsch geblieben (J.R.Becher).
Emphase liegt auch vor in scheinbaren Tautologien oder Pleonasmen wie: Geschäft
ist Geschäft, ein schrecklich böser Traum, eine weibliche Frau, großer Riese; weißer
Schimmel, humanitäres Gymnasium.
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Die Litotes (greich. litótēs = Einfachheit). Rhetorischer Tropus: Ersatz eines
hervorhebenden elativischen Ausdrucks durch die Negation des Gegenteils, z.B.: nicht
wenig = viel; nicht übel = gut; nicht einen Groschen = gar nichts; nicht (gerade) klein =
(ziemlich) groß; «Ein junges Weib. Eine gerbe Nase, aber kein hässliches Gesicht
(E.E.Kisch „Der Mädchenhirt“); Es war Frau Schönler…, eine kleine, dicke, nicht
unvornehme Dame (Dürrenmatt, «Der Richter und sein Henker».)
Die Litotes bewirkt eine vom jeweiligen Kontext abhängige rationale/emotionale
Nuancierung im Umspielen der Pole (schön-hässlich) oder im Graduieren zwischen
solchen Polen. Mit der Litotes sind verwandt: Ironie, Euphemismus. Hyperbel.
Die Ironie ist eine Art des Spottes, der dadurch entsteht, dass man das Gegenteil
von dem sagt, was man meint. Im Unterschied zur Litotes führt die Ironie nur das
Gegenteil (Antonym) auf, ohne es mit einer unmittelbaren Verneinung zu verbinden. (s.
weiter). Kurz gefasst: die Ironie ist Ersatz des Gemeinten durch einen entgegengesetzten
Ausdruck. Bespiele: «Du bist ja superpünktlich!» (auch Hyperbel); «Schönes Wetter
heute» (bei Platzregen gesagt); «Er ist ein Riese» (Hyperbel).
Der Euphemismus (griech. euphēmia = das Wohlreden) bedeutet soviel wie
beschönigender, verhüllender Ausdruck. Die Funktion des Euphemismus besteht also
darin, etwas Unangenehmes, Falsches, Schlechtes, Nichts-Gern-Gesagtes durch die
Ausdruckswahl aufzubessern, abzuschwächen oder zu verhüllen. Z.B. geistige
Umnachtung = Wahnsinn, einschlafen, heimgehen = sterben, stinken = duften u.a.m.
Die Hyperbel, auch: Hyperbole (greich. hyperbolē - Übertreibung). Rhetorischer
Tropus: übertreibende Bezeichnung einer Sache zum Zweck der Verfremdung,
Aufwertung oder emotionalen Wirkung, z.B.: himmelhoch-jauchzend, zu Tode betrübt;
unwahrscheinlich billig; himmelhoch, wie Sand im Meer, todmüde, Herz aus Eisen u.a.m.

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ÜBERSICHT ÜBER DIE RHETORISCHEN FIGUREN

Die antike Rhetorik hatte für den Schmuck (ornatus) der Reden, später auch
literarischer Texte, ein System von Wortfiguren, Satz- und Gedankenfiguren und
Tropen entwickelt. Dieses System beruht auf den vier rhetorischen
Veränderungskategorien: adjectio (Hinzufügung), detractio (Auslassung),
transnutatio (Umstellung) und - nur für die Tropen - imutatio (Sinnänderung).

Figuren der Hinzufügung


Wiederholungsfiguren

anadiplose (reduplicatio). Verdoppelung von anlautenden Silben einer Wurzel oder


eines Stammes mit und ohne Lautänderung.

- Er ging in den Wald, in den Wald des Romantikers.


- Du willst mir ein Freund sein? Ein Freund sein in guten und schlechten Zeiten
(Bibel).
- Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, Wind und Wellen spielen nicht
mit seinem Herzen (J. W. Goethe).
- Sein Mantel war aus Eisen, aus Eisen sein Habit.
- Ha! Wie will ich dann dich höhnen! Höhnen? Gott bewahre mich! (F. Schiller)
- Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

anaphora (griech. anaphora – das Hinauftragende), Anapher. Wiederholung eines


Satzteils zu Beginn aufeinanderfolgender Wortgruppen (Syntagmen, Sätze, Zeilen)
– (x…/x…); vgl.

- „Das Wasser rauscht das Wasser schwoll.“ (J.W. Goethe „Der Fisher“)
- Das ist gut, das ist sehr gut. Das ist uralt Lavendel.
- Anna tanzte, Anna sang, Anna tollte weiter.

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- Ja, da kann man sich doch nur hinlegen, ja, da muss man kalt und herzlos sein.
Ja, da könnte so viel geschehen. Ach, da gibt`s überhaupt nur: nein!
(Bertolt Brecht, „Dreigroschenroman“)
- Aufgestanden ist er, welcher lange schläft, Aufgestanden unten aus Gewölben
tief. („Der Krieg“ von Georg Heym)
- O Mutter! Was ist Seligkeit? O Mutter! Was ist Hölle?
- Ein Volk, ein Reich, ein Führer (P.J. Göbels)
- O Täler weit, o Höhen, o schöner, grüner Wald.

annominatio (griech. para – entgegen, onoma – Name), Paronomasie. Wortspiel


mit (verfremdender) Änderung des Wortkörpers in der Wiederholung.

- Kümmert sich mehr um den Krug als den Krieg. (F. Schiller)
- Ich hätte für Sie da ein bezauberndes Stückchen Sand an der Hand.
- Zwischen Verlegenheit und Verlogenheit. (Karl Kraus)
- Von Volk Dichter und Denker zu dem der Richter und Henker.
- Wer rastet, der rostet.
- Eile mit Weile.
- Träume sind Schäume.
- Der Rheinstorm ist worden zu einem Leinstorm (F. Schiller, «Wallensteins
Lager»).
- Laß dich nicht kirren, lass dich nicht wirren.
- O süßes Verderben! O blühendes Sterben! (H. Heine)

aquivok (lat. aequus – gleich, vox – Stimme), Äquivozität. Gleichklang


bedeutungsverschiedener Wörter in der Wiederholung.

- Im Schloss ist manches Schloss zu finden!


- Strauß (ein Blumengebinde, ein Kampf, eine Vogelart).
- Das Buch der Bücher (Bibel).
- Auf dem Reis gibt es keinen Reis.

82
complexio (lat. complexus – das Umfassen, die Verknüpfung, der Komplex) –
geschlossenes Ganzes, dessen Teile vielfältig verknüpft sind. Verbindung von
Anapher und Epipher (=X…X/X…X).

- Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!


- Und lieben Götter, welch ein Glück! (J. W. Goethe, „Willkommen und
Abschied“).
- Wer hätte gedacht, dass man so einfach Deutsch lernen kann. Wer hätte
gedacht, dass man alles findet, was man sucht. Wer hätte das gedacht.
- Da gingen einige Jahre ins Land.
Da gingen einige Reden ins Land (W. Biermann)
- Was ist der Toren höchstes Gut? Geld!
Was verlockt selbst die Weisen? Geld!
- Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten, und wer reichlich sät, wird auch
reichlich ernten.
- Er hat es weit gebraucht, er hat es bis zum Major gebraucht.
- Die Gefahr mit einem einmotorigen Flugzeug abzustürzen ist gering. Die
Gefahr mit einem zweimotorigen Flugzeug abzustürzen, ist um die Hälfte
doppelt so gering.

epiphora (griech.), нім. Epipher, Satzteil. Wiederholung eines Satzteils am Ende


aufeinander folgender Wortgruppen (= …Х/ …X/).

- Nicht jetzt, sagte er, wir sehen uns später, sagte er.
- Mir geht es gut. Meinem Vater geht es gut. Dem Rest meiner Familie geht es
gut. Allen geht es gut.
- Und das war für dich, für immer und dich, für immer und dich.
- Ich lieb es nicht, das fremde Land; ich hass` es fast, das fremde Land.
(H.Heine)
- Doch alle Lust will Ewigkeit, will tiefe, tiefe Ewigkeit. (Friedrich Nietzsche)
- Ende gut, alles gut.
- Ich fordere Moral, du liebst Moral.
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- Es war ein dicker Mann, ein guter Mann. (H. Heine)

figura etymologica: Wiederholung des gleichen Wortstamms in Verb und Objekt.

- sein Leben leben; der Lebendige lebt (H. Heine).


- einen schweren Gang gehen.
- einen schweren Kampf kämpfen.
- eine Grube graben (Wer einem eine Grube gräbt…).
- ein Spiel spielen.
- eine Tat tun.
- Ich habe gerochen alle Gerüche (H.Heine).
- Es bleiben tot die Toten.
- Und nur der Lebendige lebt (H.Heine).
- einen süßen Traum träumen.
- einen schnellen Lauf laufen.

geminatio (iteratio, repetitio): wörtliche Wiederholung von Wörtern der


Wortgruppen im Kontakt auf beliebiger Stelle.

- Die Dürre brachte große, große Nat über die Bevölkerung.


- Tand, Tand ist …/… aufs Pferd, aufs Pferd; leise, leise, leise.
- Nur weg von hier, nur Weg von hier.
- Komm, Seele komm, und lerne weiter schauen.
- Aber Wehe, Wehe, Wehe! Wenn ich auf dich am Ende sehe! (Wilhelm Busch)
- "Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?" (Der Erlkönig)
- Niemals, niemals verlass ich dich.
- Der Theodor, der Theodor, der steht bei uns im Fußballtor.
- Niemals, niemals, niemals würde ich glücklicher.
- Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an.
- Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit (Gottfried August Bürger).
- …es wird immer heimlicher und heimlicher (H. Heine).
84
- Sie war liebenswürdig, und er liebte sie; er aber war nicht liebenswürdig, und
sie liebte ihn nicht (H. Heine)

gradatio (lat. comparāre – vergleichen), Steigerung, Komparation. Im weiteren


Sinn alle Konstruktionen zum Ausdruck von Vergleichen, im engeren Sinn
morphologische Kategorie von Adjektiven und Adverbien zum Ausdruck
Gradangaben und Vergleichen.

- Er ist, sei, war Freund, mein Engel, mein Gott („Die Räuber“, Friedrich von
Schiller).
- Er weint, er ist bezwungen, er ist unser! („Die Jungfrau von Orleans“, F. von
Schiller)
- Veni, Vidi, Vici! Ich kam. Ich sah. Ich siegte.
- Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind
(Brüder Grimm)
- Ich bereue es nicht, ich rufe nicht, ich weine nicht (S. Essenin, „Не жалею,
не зову, не плачу…“)
- Gut, super gut, alles super gut!

kyklos (redditio): Wiederholung als Rahmen (х..х), vgl. „Ich will ihn sehen! Sag
ihm, dass ich ihn nicht sehen will. (F. von Schiller, „Maria Stuart“)

- Ein Pferd, ein Pferd, mein Königreich, für ein Pferd!“ (W. Shakespeare).
- Entbehren sollst du! Sollst entbehren! (J. W. Goethe „Faust I”)

polyptoton (griech. polýptōton – vielfach flektiert), Polyptoton – flexivische


Änderung des gleichen Wortes in der Wiederholung.

- Das hat ein Freund für seinen Freund getan (F. Schiller).
- Aber wer bewacht die Bewacher? (Juvenal „Satiren“).
- Wie ich damals einem Greise als Greis etwas über das Greisenalter dargelegt
habe, so in diesem Buch einem Freund, als engster Freund etwas über die
Freundschaft (Cicero).

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- Der Mensch ist dem Menschen Wolf (Plautus „Asinaria“).
- Selbst in der tiefsten Tiefe des Ozeans gedeiht tierisches Leben.
- Aug um Auge.

Figuren des Ersatzes


Wie gewöhnlich, wird für diese Art von Figuren der Terminus Tropen (i.e.
Übertragungen, Verschiebungen, Wendungen) verwendet. Der Beweisgrund dazu
besteht in der Möglichkeit einen vorhandenen (eigentlichen, tatsächlichen)
Ausdruck durch einen anderen (uneigentlichen) zu ersetzen. Je nach dem Typ des
Ersatzausdruckes kann man die Tropen untergliedern. In der folgenden Übersicht
werden die Hauptgruppen erfasst:
Umschreibung (Emphase, Periphrase)
Tropus
Übertragung (Metonymie, Metapher)
Dabei werden die in der angeführten Klassifikation wiedergegebenen Tropen
folgendermaßen bezeichnet:
Emphase – Umschreibung durch implizite Merkmalshervorhebung;
Periphrase – Umschreibung durch explizite Merkmalshervorhebung;
Metonymie – Übertragung auf Grund von Sachzusammenhängen;
Metapher – Übertragung auf Grund von Ähnlichkeitsbeziehungen.
Wie es hier zu merken ist, muss man zwischen Umschreibung und
Übertragung unterscheiden lassen. Bleibt der ersetzende Ausdruck innerhalb der
Begriffssphäre des ersetzen Ausdrucks, so geht es um eine Art der Umschreibung.
Liegt die Art des tropischen Ersatzausdrucks außerhalb der Begriffssphäre des
ersetzten Ausdrucks (die Begriffssphäre wird also gewechselt), so kann man hier
über eine Übertragung sprechen. Innerhalb dieser Grundverhältnisse gibt es
Grenzfälle, Übergänge und Kombinationen, die eine klare Einordnung in die
Klassifikation der Tropen erschweren.
Zu unterscheiden sind zunächst Umschreibungen mit expliziter und
impliziter Merkmalshervorhebung. Es geht hier also um Periphrase und Emphase.
86
Bei der Periphrase wird eine Umschreibung durch lexikalisch andere Einheiten
ausgedrückt. Es geht um den umschreibenden Ersatz eines Wortes zum Zweck der
sprachlichen Variation, Schönfärberei, Akzentuation, Erläuterung, Konkretisierung
u. a. Z. B.: die Stadt der Schiffbauer (Mykolajiw); das ukrainische Genie (T.
Schewtschenko) u. a.
Bei der Emphase dagegen wird der besondere Akzent auf eine (kontextuell
bedeutsame, d.h. emphatische) Betonung eines Wortes gelegt, die auf einen
zusätzlichen oder nichtüblichen Sinn hinweist, z. B.: Sei ein Mensch! Hier bin ich
Mensch, hier darf ich’s sein (J. Goethe); Er war ein Deutscher und ist Deutsch
geblieben (J.R.Becher). Die Emphase wird stellenweise als Tautologie oder
Pleonasmus betrachtet, z. B.: Gesetz ist Gesetz; eine weibliche Frau u.a.
Weitere Arten der Umschreibung sind: der Euphemismus, die Hyperbel, die
Litotes und die Ironie.
Euphemismus (griech. euphémia = das Wohlreden) Euphemismus bedeutet
soviel wie beschönigender, verhüllender Ausdruck (Ersatz für ein tabuisiertes Wort).
Seine Funktion besteht darin, etwas Unangenehmes, Schlechtes, Nicht – Gern –
Gesagtes durch die Ausdruckswahl aufzubessern, abzuschwächen oder zu verhüllen.
Im Fall des Euphemismus wird der pejorative (abwertende) Ausdruck durch einen
meliorativen (aufwertenden) ersetzt. Tropischer Ersatz aber liegt dann vor, wenn
nichtlexikalische, expressive, kontextuelle Synonyme verwendet werden. So benutzt
man für „sterben“ umkommen, heimgehen, einschlafen, hinscheiden u.a. Oft
kommen Euphemismen im politischen Sprachgebrauch vor, z. B. entsorgen (von
Abfällen, Abwässern, Müll befreien); Nullwachstum (Stagnation), Nachrüstung
(Kriegsvorbereitung) u. a. m.
Hyperbel, auch Hyperbole (griech. hyperbolé). Im engeren Sinne ist die
Hyperbel als Übertreibung zu verstehen. Dabei kann diese nach zwei Richtungen
hin vollziehen, und zwar als Übertreibung (vergrößernd) oder als Untertreibung
(verkleinernd), z. B.: Ihn lockte der Märchenkönig der Bibel, der alle Schönheit, alle
Macht, alle Weisheit der Welt in sich saugt… (Lion Feuchtwanger, „Der tönerne
Gott“). Mit tausend heißen, herzlichen Grüßen die Deine (ebenda). Viele Hyperbel
87
kommen in der Alltagsrede vor: Ich habe Sie die ganze Ewigkeit nicht gesehen!
Bleiben Sie ein Weilchen da! Auch: todmüde, Schneckentempo, Teufelshitze u. a. m.
Litotes (griech. litotés = Einfachheit). Die Litotes weist den Ersatz eines
hervorhebenden, elativischen Ausdrucks durch die Verneinung des Gegensatzes auf,
z. B.: nicht unbehaglich, nicht uninteressant, keine unschöne Dame / nicht
unvornehme Dame (F. Dürrenmatt, „Der Richter und sein Henker“), nicht (gerade)
klein = (ziemlich groß), nicht von ungefähr (nicht ohne Grund), nicht wenig, nicht
schlecht u. a. m.
Durch solche Form der Verneinung des Gegenteils kann eine Übertreibung
oder eine verschärfte Verneinung ausgedrückt werden. Semantisch verwandt mit
Litotes sind Ironie, Euphemismus und Hyperbel.
Die Ironie (griech. eiróneia = Verstellung im Reden) ist nicht mit einer
unmittelbaren Verneinung zu verbinden. Sie führt das Gegenteil auf, so dass das
Gemeinte (das Eigentliche) aus dem Kontext erst abzuleiten ist. Im Altertum bestand
die ironia im Ergreifen und Nutzen der Rede des Gegners, um ihn in der
Glaubwürdigkeit seiner Worte zu entlarven. Das Gesagte wurde dann im
gegenteiligen Sinn wiederholt.
Heraushebend für ironisches Sprechen sind zweideutige oder konträr
aufgebaute Ausdrücke, die inbegriffen (implizit) auf Gegenteiliges hinweisen. In der
modernen Stilistik verwendet man Ironie vorwiegend im Textbereich als
sinnwidrigen Text mit behinderter Ernsthaftigkeit, z. B.: schönes Wetter heute (bei
Platzregen); er ist ein Riese (von einem Kleingewachsenen), da haben wir die
Bescherung! (unangenehme Überraschung); Du bist ja nicht wiederzuerkennen!
(von einem altmodisch gekleideten Menschen) u. a. m.
Metonymie (griech. metónymia – Umbenennung). Die Metonymie bildet
einen Grundtyp der Übertragung. Sie ist eine besondere Art von Figuren
(rhetorischer Tropus). Der Ersatz erfolgt hier in der Weise, dass die Begriffssphäre
verlassen und auf externe Zusammenhänge verwiesen wird. Das können wir an
einigen Beispielen anschaulich machen: Mykolajiw wählt den Bürgermeister (Hier

88
steht der Stadtname für die Einwohner der Stadt); Die Kommilitonen erklärten ihren
Studiengenossen Boykott (Hier wird die Funktion durch den Eigennamen ersetzt).
Solche metonymischen Ersetzungen können sehr verschiedenartiger Natur
sein.

Figuren der Auslassung (Weglassung)


Es gibt drei Arten der Auslassung (nach der antiken Rhetorik):
1. Die Suspensio (Ellipse, Weglassung);
2. Die Klammerbildung;
3. Die Kompression (Zusammenfassung)
suspensio (Ellipse) Unter Ellipsen versteht man Auslassungen bestimmter
erwartbarer Satzteile, vor allem wenn sie inhaltlich redundant (überflüssig) werden
können. Solche Auslassungen erfolgen aus Gründen sprachlicher Ökonomie (z.B.
bei Telegrammen, Schlagzeilen, Kurzbeschreibungen).
• Die Hühner legen (Eier)
• Er isst gerade (irgendetwas)
• Paul gestand endlich (…).
• Komme gleich (die Auslassung des Subjekts, Telegrammstill).
• Wer kommt morgen? – Angela!
• Geh nach Hause! (Imperativsatz, obligatorische E.)
• Mir nichts, dir nichts!

89
STILELEMENTE (AUCH: STILMITTEL)

Unter dem Begriff „Stilelement" verstehen wir ein sprachliches Element, das
zusammen mit anderen zur Charakteristik eines Textes dient und dessen Merkmale
bestimmt. Nebenbei können wir behaupten, dass jede sprachliche Erscheinung eine
stilistische Funktion erhält.
Zu unterscheiden sind folgende Stilelemente (nach H. Bußmann):
phonetische/lautliche (Alliteration, Lautstilistik – untersucht die Eigenschaften von
Artikulation und Intonation);
lexikalische (Nominalisierung, Archaismus);
morphologische (Genetiv: -s/ -es; Haben Sie morgen Zeit? statt: Werden Sie morgen
Zeit haben?);
syntaktische (Satzkomplexität, Satzlänge);
textuelle und pragmatische (Formen der Kohäsion, der Thema-Rhema-Gliederung);
stilistische (auffällig vs. sagenhaft, Teufelskerl vs. mutiger Mann).
Vor längerer Zeit wurde Stil lediglich literarischen Werken zugesprochen.
Dabei wurde der Zustand des Stils und der Stilelemente und ihre Kombination oft
als Qualitätsmaßstab dieser Texte angesehen. Stil wird heute allen Texten
zugesprochen. Auch das Fehlen von Stilelementen ist eine Form von Stil. Ein an
Stilelementen reicher Stil ist nicht immer qualitativ wertvoll; oft ist Häufung von
Stilelementen ein Zeichen von Kitsch (Geschmacklosigkeit) oder Trivialität
(Geistlosigkeit).
Demzufolge sprechen wir von Stil nicht in Bezug auf ein einzelnes Wort, eine
einzelne grammatische Form oder aus dem Kontext herausgehobene lautliche oder
graphische Erscheinung, sondern haben dabei das besondere Zusammenwirken von
bestimmten lexischen, grammatischen, phonetischen Elementen im Auge. Diese
Elemente sind vom Textproduzenten (Textsender) ausgewählt worden und dienen
zur Erzielung eines Kommunikationseffekts in einem funktional bestimmten
Verwendungsbereich.

90
Der Stil eines Textes wie auch der für einen bestimmten Praxisbereich
charakteristische Stiltyp haben Ganzheitscharakter, doch innerhalb der Stilganzheit
spielen die einzelnen sprachlichen Elemente eine wesentliche Rolle. Sie können sehr
vordergründig und auffällig eingesetzt sein sowie auch Aufmerksamkeit des
Hörers/Lesers erregen. Sie können aber auch weniger auffällig am Gesamtgepräge
eines Textes teilhaben und dennoch wesentlich sein. Auf jeden Fall hat das einzelne
sprachliche Element einen spezifischen Stellenwert innerhalb des Stilganzen, es
konstituiert im dialektischen Sinne als Teil das Ganze und ist somit als Stilelement
zu begreifen. Die Charakteristik sprachlicher Mittel in ihrer Rolle als Stilelemente
ist eine wichtige Aufgabe der Linguostilistik.
In diesem Kontext stoßen wir mit einer wesentlichen Frage zusammen und
zwar: Was sind die Elemente innerhalb des Stils eines Textes oder eines Stiltyps?
Bei der Antwort auf diese Frage beschränken wir uns zunächst auf den Stil eines
Textes. Vor allem soll versucht werden, den besonderen Aspekt herauszuarbeiten,
unter dem ein beliebiges sprachliches Mittel als Stilelement verstanden wird oder
verstanden werden konnte. Es handelt sich dabei um eine Aspektfrage, denn eine
bestimmte sprachliche Erscheinung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten
charakterisiert werden.
Wollen wir das an einem Beispiel anschaulich machen (entnommen der
Enzyklopädie „Deutsche Sprache“).
Albert Einstein nimmt in der Geschichte der neuen Naturforschung eine
Soderstellung ein. Vollender und Bahnbrecher zugleich, steht er an der Wende von
der alten zur neuen Physik.
Das hier auftretende Wort Vollender ist nach der Wortart ein Substantiv, nach
der Wortbildung eine Ableitung, syntaktisch eine „freie Fügung“ bzw. Teil einer
solchen Konstruktion. Semantisch sei das eine Alt Antonym zu Bahnbrecher, aber
auch ein „Topikelement" (griech. topos = Ort, Stelle; hier: feste Wendung,
feststehendes Bild) innerhalb einer Reihe äquivalenter Ausdrücke mit gleichem
Denotatsbezug: Albert Einstein - Vollender - Bahnbrecher - er.

91
Derartige Merkmale und Beziehungen sind im Sprachsystem angelegt. Sie
können aber vom Textproduzenten unterschiedlich genutzt werden. Die
antonymische Beziehung von Vollender und Bahnbrecher ist systemimmanent und
bleibt auch bestehen, wenn diese Wörter ganz anders im Text angeordnet waren, als
dies im vorliegenden Beispiel der Fall ist. Sie sind kopulativpaarig aufgeführt und
stehen außerdem in deutlicher Beziehung zu einem anderen Antonymiepaar in
kontextueller Nähe: von der alten zur neuen Physik. Eine Charakteristik des Wortes
Vollender unter dem Aspekt der Auswahl und Anordnung sprachlicher
Möglichkeiten ist eine spezifisch stilistische Charakteristik und kennzeichnet das
gegebene Wort als Stilelement.
Ein wesentlicher Gesichtspunkt zum Erfassen von Stilelementen im Text ist
die Variation des sprachlichen Ausdrucks bei gleichen Denotatsbezug.
Sie kann beruhen:
auf Substitution (Ersatz eines Ausdrucks durch einen anderen denotatsgleichen
Ausdruck);
auf Kombination (veränderte Anordnung eines Ausdrucks im Kontext)
Die Variation kann sich formal auf ein einzelnes sprachliches Mittel beziehen,
z.B. auf eine lexikalische Erscheinung: Albert Einstein... Mitbegründer (statt
Bahnbrecher)... der neuen Physik;
auf eine morphologische Erscheinung: Albert Einstein... stand (statt steht) an der
Wende von der alten zur neuen Physik;
auf eine syntaktische Erscheinung: Als Vollender und Bahnbrecher zugleich steht er
an der Wende...
Hier haben wir ein Satzglied statt „freier Fügung" im Sinne einer verkürzten
Partizipialkonstruktion: Vollender und Bahnbrecher zugleich, steht er an der
Wende...
Zur Variation in der sprachlichen Wiedergabe eines Denotats zählen wir auch
die Addition (Hinzufügung eines weiteren sprachlichen und damit gedanklichen
Elements, durch das ein schon bekannter Sachverhalt noch spezieller charakterisiert

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wird, z. B. Albert Einstein nimmt in der Geschichte der neuen Naturforschung eine
hervorragende Sonderstellung ein);
die Elimination (die Aussparung sprachlicher und damit gedanklicher Elemente als
Umkehrung der Addition. Als Elimination ist z. B. die folgende Verkürzung zu
verstehen:
Albert Einstein ist (in der Geschichte der neuen Naturforschung, in der er seine
Sonderstellung einnimmt) ein großer Vollender und Bahnbrecher an der Wende von
der alten zur neuen Physik.
Stilistische Variation in der sprachlichen Formulierung kann
verschiedenartige Funktionen haben. Sie ist nicht als eine nur formale Seite der
Arbeit am Text zu verstehen. Der Ersatz eines Ausdrucks durch einen anderen, zwar
denotatsgleichen, aber nicht designativ gleichen Ausdruck führt zu inhaltlichen
Nuancierungen. Der Einbau von Attributen oder anderen syntaktisch fakultativen
Satzelementen kann zusätzliche Informationen bringen. Damit verneinen wir die oft
anzutreffende Auffassung, dass stilistische Veränderungen am Text nichts mit dem
Inhalt zu tun hatten.
Der Kommunikationseffekt wird, unseres Erachtens, wesentlich von der
stilistischen Qualität der sprachlichen Formulierung mitbestimmt. Die Art der
sprachlichen Formulierung ist im Kommunikationsprozeß in vielerlei Hinsicht von
Bedeutung. Die Formulierung kann als „schön" oder „unschön/hässlich"; als
,,eingängig/gut verständlich"; als „einmalig/originell" oder „üblich/usuell"
aufgenommen und je nach Situation und Maßstab unterschiedlich bewertet werden.
Es sei zu bemerken, dass es nicht ausreicht, das Wesen von Stilelementen allein in
der Varialität bei der Bezeichnung eines Gegenstands oder Sachverhalts zu sehen.
Die Beziehung zwischen einem variablen sprachlichen Ausdruck und dem
auBersprachlichen Objekt (Denotat) ist vielfaltig vermittelt. Das Feld der
Moglichkeiten zur stilistischen Variation ist nicht einfach dem im Sprachsystem
angelegten Synonymenreichtum gleichzusetzen, und die Stilistik darf nicht einfach
als Lehre von dem synonymischen Ausdrucksmöglichkeiten einer Sprache
verstanden werden.
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Folglich ist zu beachten, dass sich die individuellen Entscheidungen des
Textproduzenten bei der Wahl des sprachlichen Ausdrucks immer nur im
Toleranzraum der obligatorischen Regeln und Gesetzmäßigkeiten des
Sprachsystems und seiner Repräsentation auf der Textebene bewegen können.
Die Determiniertheit und der funktionale Charakter der Stilelemente zeigen
sich auch in der Abhängigkeit der Sprachwahl von den konkreten äußeren
Bedingungen, die einer Kommunikationshandlung objektiv zugrunde liegen. Die
Beziehungen zwischen einzelnen sprachlichen Elementen und außersprachlichen
Anwendungsbedingungen realisieren sich über den sprachlichen und
außersprachlichen Kontext. Die Funktion eines Stilelements ist demzufolge
kontextbedingt. Die Zuordnung sprachlicher Systemelemente zu außersprachlichen
Situationen ist niemals eineindeutig (eindeutig in beiden Richtungen). So können
wir für bestimmte sprachliche Erscheinungen typische Situationsmerkmale angeben,
aber diese Merkmale können in sehr verschiedenen Situationsganzheiten auftreten.
Als Beispiel sei auf Anredeformen hingewiesen:
Du, Kurt, ... (vertraut, persönlich);
Lieber Kollege... (vertraut, beruflich);
Verehrte Kollegen, ... (offiziell, beruflich);
Liebe Freunde, ... (öffentlich, gesellschaftlich);
'' - Sehr geehrter Herr Doktor (offiziell, meist schriftlich);
Ähnliches gilt für Grußformeln in Briefe:
Herzlichst / Mit herzlichem Gruß / Alles Gute (vertraut, persönlich);
Mit freundlichen Grüßen / Mit kollegialem Gruß (vertraut, persönlich gut bekannt,
beruflich);
Hochachtungsvoll (offiziell);
Mit vorzeitlicher Hochachtung (offiziell, betont ehrerbietend).
Es lässt sich feststellen: Die Beziehungen zwischen sprachlichen
Stilelementen und außersprachlichen Situationen sind vielfaltig vermittelt. Dabei
sind auch Normenveränderungen und Sprachentwicklungstendenzen zu beachten.
Es wirken hier objektive Gesetzmäßigkeiten, die die Sprachwahl regulieren.
94
KLASSIFIZIERUNG DER STILMERKMALE (STILZÜGE)

Eine strenge Klassifizierung aller denkbaren Stilmerkmale erscheint nicht


möglich. Wie bei den einzelnen Stilelementen ist auch bei den Stilmerkmalen eines
Textes immer die Abhängigkeit der Ausdruckswahl von der
Kommunikationsabsicht, von Thema, Darstellungsgegenstand, Darstellungs-
verfahren, von der Darstellungsperspektive und weiteren Faktoren in der
Textgestaltung zu beachten. Man muss also den dialektischen
Gesamtzusammenhang der äußeren und inneren Bedingungen im
Kommunikationsprozess berücksichtigen.
In der Textlinguistik und Stilwissenschaft besteht Übereinstimmung darin, dass
es für die stilistische Charakteristik eines Textes nicht ausreicht, lediglich die
Stilelemente und -figuren aufzuzählen. Der Stil in seiner Ganzheit ist mehr als die
Summe seiner Elemente. Daher ist es sowohl im Hinblick auf die Textproduktion
als auch auf die Textrezeption wesentlich, jene Besonderheiten (Merkmale) der
Stilqualität zu erkennen, die für einen Text oder einen Texttyp charakteristisch sind.
Hierbei geht es nicht um einzelne sprachliche Mittel, die im Text als Stilelemente
fungieren, z. B.
- die nominale Umschreibung dem Schüler eine Frage stellen statt der verbalen
Ausdrucksweise den Schüler fragen
-die Koordination (Parataxe) statt der Subordination (Hvpotaxe): Er konnte die
Veranstaltung nicht besuchen, (denn) er war an dringende Terminarbeiten
gebunden - Er war an dringende Terminarbeiten gebunden und konnte (daher) die
Veranstaltung nicht besuchen - Er konnte die Veranstaltung nicht besuchen, weil
er an dringende Terminarbeiten gebunden war usw.
Entscheidend sind vielmehr jene Stilbesonderheiten eines Textes, die sich aus
dem Relationsgefüge und Zusammenwirken der einzelnen Stilelemente ergeben.
Sie sind nicht an ein einzelnes sprachliches Mittel gebunden. Es sind
Gestaltungsmerkmale in der sprachlichen Abfassung des Textes, die durch
verschiedenartige sprachliche Mittel realisiert werden können und die jeweilige
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Formulierungsvariante in der Äußerung von Bewusstseinsinhalten ausmachen. So
kann etwa das Merkmal Kürze (Verdichtung) im Unterschied zur Länge
(Ausdehnung) auf folgenden Stilelementen im Text beruhen:

Kürze Länge
- Kurzwort - Vollform
(FDGB) (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund)
- Zusammensetzung - Wortgruppe
(Gefahrenmeldung) (Meldung über bestehende Gefahr)
- Fachwort - gemeinsprachliche Umschreibung
(Strecke) (eine gerade Linie, die nach zwei
Seiten hin begrenzt ist) -
prädikative Normalform - prädikative „Streckform"
(etwas beweisen) (etwas unter Beweis stellen)
- Satzglied - Gliedsatz
(Deine Kritik hat mir sehr geholfen) (Dass du mich kritisiert hast, hat mir
sehr geholfen)
- elliptischer Satz - vollständiger Satz
(Kraft: Grundbegriff der Dynamik, (Der Ausdruck Kraft ist ein
Ursache für die Änderung des Terminus der Dynamik und
Bewegungszustandes freier Körper bzw.) bezeichnet die Ursache für
die Änderung des Bewegungszustandes
freier Körper bzw.)

Im konkreten Text sind die Verhältnisse allerdings komplizierter. Eine so


einfache Gegenüberstellung, wie sie im dargestellten Schema vorgenommen
worden ist, erscheint kaum möglich; denn es kommt in Wirklichkeit selten vor, dass
zwei Texte genau oder annähernd genau die gleichen Informationen vermitteln und
dabei der eine Text das Merkmal der Kürze, der andere das der Länge aufweist.
Dabei verstehen wir Kürze und Länge, d.h. „wenig" und „viel" an sprachlicher
96
Formulierung bei gleichem Informationsgehalt von vornherein als relative
Unterschiede (als konträre, nicht kontradiktorische Gegensätze). Die stilistischen
Merkmale Kürze und Länge stehen außerdem in einem gewissen Zusammenhang
mit solchen Textbesonderheiten wie Knappheit oder Ausführlichkeit in der
inhaltlichen Wiedergabe eines Denotatskomplexes.
Dieser Zusammenhang ist keine Korrelation in dem Sinne, dass Kürze in der
Formulierung immer eine Reduzierung des Mitteilungsinhalts bzw. Länge in der
Formulierung eine inhaltliche Ausführlichkeit bedeuten musste.
Ähnliche Zusammenhänge und Wechselbeziehungen gibt es bei anderen
Stilmerkmalen, etwa bei der Frage, ob etwas anschaulich-konkret oder begrifflich-
abstrakt dargestellt wird. Auch hier ist zwischen der Art der sprachlichen
Formulierung (Stilmerkmale) und der Art des kommunikativen Vorgehens in der
Wiedergabe von Sachverhalten (Kommunikationsverfahren) zu unterscheiden.
„Die grundlegende Bedeutung der Kommunikationsverfahren erweist sich
bereits vor der Phase der Formulierung in der Planungsphase. Der
Sprecher/Schreiber darf aus der Analyse der Aufgabenstellung nicht nur seine
kommunikative Zielstellung, die Kommunikationsabsicht, ableiten, sondern er
muss außerdem auf der Grundlage der Analyse der Faktoren und Bedingungen der
Kommunikation die für die Stoffverarbeitung erforderlichen
Kommunikationsverfahren auswählen und dabei solche Verfahren einbeziehen, die
geeignet sind, den Stoff der Kommunikationsabsicht entsprechend für die
Kommunikation aufzubereiten, „aufzuschließen", festlegen, wie der Stoff mit Hilfe
der Operationen verarbeitet und angeordnet werden soll." (W. Schmidt, Sprache,
Bildung und Erziehung. Leipzig, 1977, S.151)
Zur Veranschaulichung dieser Problematik seien zwei Textproben
(auszugsweise) vorgeführt: ein einführender, erläuternder (explizierender) Teiltext
und ein zusammenfassender Teiltext, beide aus einem thematisch in sich
geschlossenen Ganztext (Astronomie, Lehrbuch für Klasse 10). Alle Sterne sind
selbstleuchtende Gaskugeln hoher Temperatur. Viele von ihnen sind wahrscheinlich
von Planeten umgeben wie unsere Sonne.
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Eine wesentliche Vorarbeit für die Untersuchung des physikalischen
Zustandes eines Sterns besteht darin, seine Entfernung zu ermitteln. Da eine direkte
Messung unmöglich ist, verwendet man für relativ nahe Sterne ein Verfahren, das
als Triangulation auch bei Vermessungsarbeiten auf der Erde angewendet wird.
In der Astronomie dient als Basisstrecke die Entfernung Erde-Sonne.
Beobachtet man den zu untersuchenden Stern von zwei gegenüberliegenden Stellen
der Erdbahn aus (z.B. Im Frühjahr und im Herbst), so sind die Blickrichtungen
nicht parallel, sondern schließen einen kleinen Winkel ein. Halbiert man ihn, so
erhält man die Parallaxe des Sterns.
Zusammenfassung. Sterne sind selbstleuchtende Gaskugeln. Ihre
Entfernungen bestimmt man entweder auf trigonometrischem Wege durch die
Beobachtung ihrer Parallaxen [oder phonometrisch durch Vergleichen ihrer
scheinbaren und absoluten Helligkeiten].
Der höhere Grad an Anschaulichkeit und Konkretheit ist ein Merkmal des
explizierenden Kommunikationsverfahrens gegenüber dem zusammenfassenden
Vorgehen. Das Kommunikationsverfahren determiniert und impliziert stilistische
Möglichkeiten, legt sie aber nicht im Sinne einer l:l-Beziehung fest. So sind
durchaus beim ersten Text wie auch beim zweiten Text stilistische Variationen
möglich, ohne dass das zugrunde liegende Kommunikationsverfahren damit
geändert würde.
Es gilt also folgendes: Stilmerkmale (Stilzüge) sind abhängig von den im Text
sprachlich zu realisierenden bzw. realisierten Komponenten (Konstituenten) eines
Textes. Als spezifisch stilistische Textmerkmale bezeichnen wir lediglich die auf
Formulierungsvarianten beruhenden Gestaltungsmerkmale im Rahmen eines dem
Text jeweils zugrunde liegenden Kommunikationsplans als der „Konzeption zur
optimalen Realisierung einer Kommunikationsabsicht" (ebenda, 141).
Es soll noch eine Bemerkung zum Verhältnis von Stilmerkmalen (Stilzüge)
und Stilnormen gemacht werden. Der Begriff Stilzug wird z.T. als
zusammenfassender Begriff, gleichsam als Oberbegriff sowohl für stilistische
Anwendungsnormen als auch für stilistische Textmerkmale, gebraucht. Dadurch
98
wird der enge Zusammenhang zwischen stilistischen Regulatoren
(Steuerungsprinzipien) der Textproduktion und der Beschaffenheit des Textes als
Produkt des Kommunikationsprozesses betont. Andererseits ist mit Recht darauf
hingewiesen worden, dass sachlich und terminologisch zwischen
tätigkeitssteuernden Normen und der Beschaffenheit des Tätigkeitsprodukts zu
unterscheiden ist. Dieser Auffassung folgend, erscheint es uns zweckmäßig,
deutlich zwischen Stilnormen (der Textproduktion) und Stilmerkmalen (des Textes)
zu unterscheiden. „Stilzüge" (eines Textes) wäre synonym mit
„Stilmerkmale"(eines Textes).
Es gilt zu berücksichtigen, dass innerhalb eines bestimmten Stiltyps viele
spezielle und auch individuelle (originelle) Varianten möglich sind, die sich in
besonderen Stilmerkmalen ausweisen. Wir können also in einer solchen Matrix
zwar Stiltypen A, B, C usw. aufzählen, innerhalb jedes Stiltyps gibt es jedoch eine
Hierarchie von Subtypen, die in einem einfachen Schema schwer erfassbar sind.
Die Frage der Klassifikation von Stilmerkmalen ist folglich aufs engste mit der
Frage der Klassifikation (Typenbildung) von Stilen überhaupt verbunden.

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ÜBUNGEN ZUR SELBSTÄNDIGEN ARBEIT

1. Bestimmten Sie die Vorkommen rhetorischer Figuren. Verteilen Sie diese


Figuren in vier rhetorischen Veränderungskategorien: adjektio (Hinzufügen),
detractio (Auslassung), transmutatio (Umstellung), imutatio (Sinnänderung). (nach
„Schachnovelle“ von Stefan Zweig).
2. Bestimmen Sie gebräuchlichsten Stillfiguren.
- …herrschte die übliche Geschäftigkeit
- das Geleit geben
- treppauf und treppab (laufen)
- im Gespräch stehen
- der rare Vogel
- ein verständnisloses Gesicht
- sich mit einem Schlage (neben Meistern stellen)
- blendende Karriere / erstaunliche Karriere
- seine Unbildung war auf allen Gebieten gleich universell
- Sohn eines blutarmes … Donauschiffers
- die Finger zu Hilfe nehmen
- er…holte Wasser, spaltete Holz, arbeitete auf dem Felde, räumte die Küche auf…
- er stur…mit jenem leeren Blick
- der blondsträhnige dumpfe Bursche
- die letzte Ölung erteilen
- die schweren Schlafstiefel
- ohne zu zögern…
- Bileams Esel
- die Sprache der Weisheit
- er spielte zäh, langsam, unerschütterlich…

100
- um ihn… präsentabel zu machen
- der … strohblonde und rotbäckige Bursche
- mit scheu niedergeschlagenen Augen
- höchst selten aufregende Dinge
- ohne ein Wort zu sprechen/sagen
- sich die Ehre erwerben
- sich optisch vor Augen führen
- Mirkos stupender Aufstieg (erstaunlich, ungeheuer)
- Mit siebzehn Jahren hatte er schon ein Dutzend Schachpreise gewonnen, mit
achtzehn sich die ungarische Meisterschaft, mit zwanzig endlich die
Weltmeisterschaft erobert.
- Die verwegensten (tollkühnen) Champinions…erlagen ebenso seiner zähen und
kalten Logik wie Hannibal dem Fabius Cunktator…
- ein schwerer, maulfauler Bauernbursche
- …trotz seines feierlichen schwarzen Anzuges, seiner pompösen Krawatte… und
seiner mühsam manikürten Finger blieb er in seinem Gehaben (unnatürliches
Benehmen) und seinen Manieren derselbe beschränkte Bauernjunge, der im Dorf die
Stube des Pfarrers gefegt.
- …seit seinem Siege im Weltturnier hielt er sich für den wichtigsten Mann der Welt
- …all diese gescheiten, intellektuellen, blendenden Sprecher und Schreiber
- Unter die Lupe nehmen
- Glück haben
- Soviel ich weiß, ist es noch keinem gelungen, aus Czentovic das geringste an
psychologischem Material herauszuholen.
- Wo er einen gebildeten Menschen spürt, kriecht er in sein Schnekenhaus
- die unbegrenzte Tiefe seiner Unbildung
- …wie Napoleon auf dem bekannten Bilde
- Siegespalme
- …schwebend zwischen diesen Kategorien wie der Sarg Mohammeds zwischen
Himmel und Erde.
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- …ein Denken, das zu nichts führt, eine Mathematik, die nichts errechnet, eine Kunst
ohne Werke. Eine Architektur ohne Substanz und nichtsdestominder…
- Im Trab nachlaufen
- Um die Langweile zu töten
- …aber wie schwer, wie unmöglich doch, sich das Leben eines geistig regsamen
Menschen vorzustellen, dem sich die Welt einzig auf die enge Einbahn zwischen
Schwarz und Weiß reduziert, der in einem bloßen Hin und Her, Vor und
Zurück…seine Lebenstriumphe sucht.
- …ein geistiger Mensch, der, ohne wahnsinnig zu werden, zehn, zwanzig, dreißig,
vierzig Jahre lang die ganze Spannkraft seines Denkens immer und immer wieder an
den lächerlichen Einsatz wendet.
- Und man war ein solches Phänomen, ein solches sonderbares Genie oder ein solcher
rätselhafter Narr mir räumlich zum erstenmal ganz nahe…
- Für Schach ist nun, wie für die Liebe, ein Partner unentbehrlich.
- im Vorübergehen
- die Erlaubnis erbitten
- …ein stämmiger Mensch mit starken, fast quadratisch harten Kinnbacken, kräftigen
Zähnen und einer satten Gesichtsfarbe…
- Whisky, Selfmademan, Smoking Room
- dieser kühle, verächtliche Blick.
- arme Leute müssten eben mit Wasser kochen
- keine Ahnung haben
- kein sehr angenehmer Herr
- Auf diesen Gedanken wäre ich nie geraten
- …wir werden uns nicht so leicht zu Brei schlagen lassen.
- dicke Preise machen
- Ich zahle lieber in Cash; impertinente Geste
- zur vereinbarten Stunde
- …die präpotente Art (lat. praepotens = übermächtig)
- freundliches Wort, heisere Stimme
102
- Ich erkannte beunruhigt in seinem Auge jenes Flackern unbeherrschter
Leidenschaft…
- …und sollte es ihm sein ganzes Vermögen kosten, gegen Czentovic so lange spielen
und spielen und spielen…
- Die Herren spielen jetzt Schwarz
- …gegen den kaltschnäuzigen Gegner (spielen)
- Ganz behaglich war uns freilich nicht bei dieser allzu offenkundigen Chance.
- Schließlich, schon knapp am Rande der verstatteten Überlegungfrist, entschlossen
wir uns, den Zug zu wagen.
- um Gottes willen! Nicht!
- schmales, scharfes Gesicht
- Es ist beinahe dieselbe Konstellation, wie sie Aljochin gegen Bogoljubow…initiiert
hat.
- …der wie ein unvermuteter Engel helfend vom Himmel kam.
- Fachmann ersten Ranges
- Also König g8 auf h7?
Jawohl! Ausweichen vor allem!
- Wiederstand leisten
- Von diesem Augenblick an wuchs unsere Erregung ins Ungemessene.
- Ein uns unverständliches Hin oder Her
- Ich komme gar nicht in Betracht
- So etwas kann niemand aus dem Handgelenk
- so stehe ich von drei Uhr ab zur Verfügung
- die Palme entringen (=im Kampf wegnehmen)
- rätselhafte Scheu; überraschendes Bekenntnis, unverkennbare Kunst.
- Es erwies sich, dass er keine Ahnung gehabt hatte…
- Wenn Sie halbe Stunde Geduld haben
- Als dann Hitler in D. ans Ruder kam…
- Auf den ersten Blick…

103
- Er hatte eine Tür, ein Bett, einen Sessel, eine Waschschlüssel, ein vergittertes
Fenster.
- …auf dem Tisch durfte kein Buch, keine Zeitung, kein Blatt Papier, kein Bleistift
liegen.
- …man lebte wie ein Taucher unter der Glasglocke.
- Es gab nichts zu tun, nichts zu hören, nichts zu sehen, überall und ununterbrochen
war um einen das Nichts
- Man ging auf und ab, und mit einem gingen die Gedanken auf und ab, auf und ab,
immer wieder.
- Man wartete auf etwas, von morgen bis abends, und es geschah nicht. Man wartete,
wieder und wieder. Es geschah nichts. Man wartete, wartete, wartete, man dachte,
man dachte… Nichts geschah. Man blieb allein. Allein. Allein.
- …und dann begannen die Fragen, die echten und die falschen, die klaren und die
tückischen, die Deckfragen und die Fangfragen und während man antwortete,
blätterten fremde, böse Finger in den Papieren…
- Aber hatte er sie erhalten? Hatte er sie nicht erhalten?
- Und sie fragten und fragten.
- Ich überlegte, ich durchdachte, ich durchforschte, ich überprüfte meine eigene
Aussage…
- Aber man hätte Gesichter gesehen, man hätte ein Feld, einen Karren, einen Baum,
einen Stern, irgend, irgend etwas anstarren können, indes hier immer dasselbe um
einen stand, immer dasselbe, das entsetzliche Dasselbe.
- Und immer um mich nur der Tisch, der Schrank, das Bett, die Tapette, das Fenster,
keine Ablenkung, kein Buch, keine Zeitung, kein fremdes Gesicht, kein Bleistift, um
etwas zu notieren, kein Zündholz, um damit zu spielen, nichts, nichts, nichts.
- Aber niemand kann schildern, kann messen, kann veranschaulichen, nicht einem
andern, nicht sich selbst…
- Ich will alles sagen! Ich will alles aussagen! Ich will sagen, wo die Papiere sind, wo
das Geld liegt! Alles werde ich sagen, alles!
- …sinnlos – sinnvoll warten
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- (man ließ einen warten): eine Stunde, zwei Stunden, die Stunden…um den Körper
müde, um die Seele mürbe zu machen.
- …wo ich…zwei Stunden mir die Beine in den Leib stehen mußte…
- Ich tastete den Stoff an und fühlte – ein Buch! Ein Buch!
- …und du kannst dir´s in der Zelle verstecken und dann lesen, lesen, lesen, endlich
wieder einmal lesen!
- Ich trat von der Garderobe weg, einen Schritt, zwei Schritte, drei Schritte.
- …ich hätte sofort das Buch gepackt, betrachtet, gelesen.
- …das Buch …sollte sein: sehr eng gedruckt vor allem, viele, viele Lettern
enthaltend, viele, viele dünne Blätter, damit ich länger daran zu lesen hätte.
- Aber schließlich konnte ich meine Gier, meine Neugier nicht länger verhalten.
- Schach kann man doch nicht spielen ohne einen Partner und schon gar nicht ohne
Steine, ohne Brett.
- Aber wer auf Erden verfügte über so viel ungenützte und nutzlose Zeit wie ich…
- Frecher Diebstahl…
- Welchen Sinn hatte es, nochmals und nochmals Partien zu wiederholen, die ich Zug
um Zug längst auswendig konnte?
- Partner Weiß…Partner Schwarz…
- …man kann sich rein körperlich bald auf die eine Seite, bald auf die andere Seite
des Tisches stellen und damit die Situation bald vom Standpunkt Schwarz, bald vom
Standpunkt Weiß ins Auge fassen…
- Exercitium mentale
- um die Palme des Champions kämpfen…
- …ich fieberte als Ich Schwarz nach jedem Zuge, was das Ich Weiß nun tun würde.
- Aus der Spielfreude war eine Spiellust geworden, aus der Spiellust ein Spielzwang,
eine Manie, eine frenetische (heftige, rasende) Wut…
- Um mein Spiel, mein irres Spiel, fortzusetzen, eine neue Partie und noch eine und
noch eine
- Ich trank die Flasche leer in zwei Zügen…

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- …ununterbrochen ging ich, während ich die Partien überlegte, auf und ab, immer
schneller und schneller und schneller auf und ab, auf und ab…
- Ich magerte ab, ich schlief unruhig und verstört, ich brauchte beim Erwachen
jedesmal eine besondere Anstrengung
- eine wilde Kraft
- „Du träumst“, sagte ich mir. „Du träumst!“
- Eine Frau kam weichen Gelenks heran, eine Frau mit weißer Haube über dem Haar,
eine Pflegerin, eine Schwester.
- Mittags kam der Arzt, ein freundlicher älterer Herr.
- ich fühlte den Fuß angewurzelt vor Staunen und Schrecken.
- Aber dieser falsche Zug…traf mich wie ein Stich ins Herz…
- Die denkwürdige Partie dieses Homo abscurissmus…
- Jedesmal hatte es den Anschein, als hätte er den Zug des Gegners schon im Voraus
erwartet.
- …etwas schien sich wie ein bestimmter Plan zu entwickeln
- Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben…
- …Als der rechte Dilettant im schönsten Sinne des Wortes…
- …das Hin und Wider erfassen…
- Lähmende Ermüdung, schwere Hand, heißes Licht
- …er duckte sich zusammen wie eine Katze vor dem Ansprung.
- Er überlegte stur und stumm
- …er begann im Rauchzimmer auf und ab zu gehen
…dieses Auf und Ab
- …wie ein eingesperrtes Tier im Käfig…
- die roten Lichter
- unser Freund, der Anonymus, der Ignotus, hatte…
- mit fiebriger Hast…
- in grobem Ton…
- sein steinern starrer Blick
- gefährliche Spannung
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- das deutsche Gefühl
- dummer Irrtum
- höfliche Stimme
- purer Unsinn
- tödliches Tempo
- Schach! Schach dem König!
- Ein zufriedenes und deutlich höhnisches Lächeln.
- Um Gottes willen…

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LITERATURVERZEICHNIS

1. Duden. Deutsches Universal Wörterbuch A-Z. Dudenverlag, 2 Aufl.,


Mannheim, Wien, Zürich. 1989, S. 1816
2. Duden. Stilwörterbuch der deutschen Sprache. Band 2. Dudenverlag,
Mannheim, 1988, S. 864
3. Deutsche Sprache. Kleine Enzyklopädie VEB Bibliographisches Instituit.
Leipzig. 1983, S. 724
4. Dr. Heinz Küpper. PONS. Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. Ernst
Klett Verlag. Stuttgart. 1990, S. 959
5. Wahrig. Deutsches Wörterbuch. Bertelsmann Lexikon Verlag GMBH,
Gütersloh. 1994, S.1824.
6. Bernhard Sowinski. Stilistik. Zweite Auflage. Verlag J.B. Metzler Stuttgart-
Weimar, 1999. S.248
7. Hadumod Bußmann. Lexikon der Sprachwissenschaft. Alfred Kröner Verlag
Stuttgart, 1990, S.904
8. Heinrich Böll. Ansichten eines Clowns. KAPO-Verlag. Sankt-Petersburg,
2004. S. 350
9. Hinnenkamp, V. u M. Settig (Hg.). Stil und Stilisierung. Tübingen, 1989.
S.235
10. Lion Feuchtwanger. Der tönerne Gott. Airis-Verlag, 2009. S.224
11. E. Riesel. Stilistik der deutschen Sprache. Staatsverlag „Hochschule“. M.
1963, S. 486
12. Sanders W. Stil und Stilistik. Studienbibliographien. Sprachwissenschaft
Bd.13. Heidelberg 1995.
13. Sandig, B. Probleme einer linguistischen Stilistik. In: LuD 1/1970, S. 177-194
14. Sandig B. (Hg.): Stlistik Bs.1, Bd. 2 Hildesheim, 1983
15. Spillner, B. (Hg.). Rhetorik und Stilistik. Stuttgart, 1977.
16. Stefan Zweig. Schachnovelle. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main,
1992 S. 110
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